1895 / 23 p. 8 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 26 Jan 1895 18:00:01 GMT) scan diff

ãchti iffer. eresse unserer kleinen er möchte ich 3 2 2 3 noch . machen. Die

ftbarkeit wird sie von selbst veranlassen, ordentlich aufqxupassen, und nne, mehr nützen als der Befähigungsnachweis, für den wir im Osten wenigstens kein Bedürfniß haben. Ich möchte fragen, ob die Rezierung wirklich beabsichtigt, den Befähigungs nachweis gegen den Wunsch der betheiligten fer einzuführen. Die Bestimmung, daß die Schiffer nur an festen Landungsplätzen anlegen dürfen, kann zu großen Unzuträglichkeiten führen.

Staatssekretär des Reichs⸗Justizamts Nieberding:

Meine Herren! Es kann gewiß nichts den verbündeten Regie⸗ rungen ferner liegen, als durch einzelne Bestimmungen des vor⸗ liegenden Entwurfs, vornehmlich durch den Befähigungsnachweis, die Lage der Kleinschiffer, deren schwierige Verhältnisse ich vorhin an— erkannt habe, noch mehr zu erschweren. Durchaus im Gegentheil! Wenn der Herr Vorredner ganz besondere Besorgnisse hegt, daß wir in seine Heimathprovinz an der Weichsel den Befähigungsnach⸗ weis einführen möchten, und wenn er eine Erklärung darüber wünscht, ob diese Absicht in der That bestehe, und ob man sie durchführen würde selbst gegen den Wunsch und die Anregung der betheiligten Schiffahrtskreise, so kann ich nur so viel sagen: lediglich auf Grund der Erklärungen und Anträge der polizeilichen und der Verwaltungsbehörden, durch deren Brille, wie der Herr Vorredner sagt, die Zentralinstanzen schauen, wird der Befähigungsnachweis gewiß an keiner Stelle eingeführt werden; man wird sich unter allen Umständen auch darüber ver⸗ gewissern wollen, wie die betheiligten Kaufmanns⸗ und Schiffahrt ˖ kreise über die Frage denken, und der Herr Vorredner wird uns so viel Umsicht und Vorsicht wohl zutrauen, daß, wenn in diesen Kreisen ein entschiedener Widerstand gegen Einführung des Befähigungsnach⸗ weises besteht, der Bundesrath auch seinerseits Anstand nehmen wird, ihn einzuführen.

Was speziell die Weichsel betrifft, so, glaube ich, sind die Ver⸗ hältnisse des Weichselstroms, wie sie zur Zeit liegen, kein Grund gewesen, die Bestimmung in den Entwurf aufzunehmen, und ich glaube, auch die Besorgniß des Herrn Vorredners, er werde in der nächsten Zeit die Kleinschiffer des Weichselstroms unter den Befähigungsnach— weis gestellt sehen, ist unbegründet. Er meinte, wir könnten ohne jeden Befähigungsnachweis auskommen, oder es würde sich doch schon ein Haken finden, um auf denjenigen Gewässern, bezüglich deren das Bedürfniß eines Qualifikationsnachweises besteht, fertig zu werden. Nein, meine Herren, dieser Haken fehlt eben, und den wollen wir durch eine Bestimmung schaffen, welche die Kompetenz der Bundes⸗ regierungen zu einheitlichem Vorgehen auf den einzelnen Strömen begründet. Denken Sie sich die Verhältnisse auf unseren Strömen, Rhein und Elbe z. B., wo eine größere Zahl von Regierungen betheiligt ist, da ift es sehr schwer, unter den Regierungen eine Verständigung berzustellen. Leicht ist es aber, sobald die Kompetenz des Bundes⸗ raths begründet ist, dort eine den Verhältnissen entsprechende Vor— schrift zu schaffen. Was für ein Interesse hätten die verbündeten Regierungen, in der That den Schifferstand unter eine Belästigung zu stellen, welche durch die sachlichen Bedürfnisse des Verkehrs nicht begründet ist? Wir bekommen durch den Befähigungsnachweis kein Machtmittel in die Hand. Also, meine Herren, in dieser Beziehung möchte ich Sie beruhigen. Es wird nur nach sachlichen Rücksichten in den Grenzen des Bedürfnisses und, wie ich hoffe, im Einverständniß mit allen betheiligten Verkehrskreisen diese Maß— nahme getroffen werden.

Der Herr Vorredner hat dann gegen die Bestimmungen der Vor⸗ lage über die Verantwortlichkeit der Lootsen polemisiert. Er meinte, der Staat wolle sich hier wieder einer ihm obliegenden Verpflichtung entziehen. Der Herr Vorredner hat uns da ein Beispiel über die Verhältnisse der Lootsen in Danzig angeführt, das unter die Be⸗ stimmungen dieses Paragraphen gar nicht fällt. Meines Wissens giebt es in Danzig keine Zwangslootsen. (Zuruf links.) Auf dem Strom, Herr Rickert, glaube ich es Ihnen bestreiten zu müssen. Zwangslootsen, d. h. eine bestimmte Anzahl von Lootsen, aus denen der Schiffer genöthigt ist, im einzelnen Fall den Führer auszusuchen, giebt es, soviel mir bekannt, nur auf einer kleinen Strecke der Elbe unterhalb Hamburg, sonst nirgends. (Zuruf links.) Ich glaube, die Seelootsen kommen hier nicht in Frage, den Seeverkehr berühren wir nicht. Der ganze Gesetz⸗ entwurf beschränkt sich darauf, den Binnenschiffahrtsverkehr zu regeln, er hat mit den Zwangsverhältnissen der Lootsen im Seeverkehr nichts zu schaffen. Also, was der Herr Abg. Rickert aus diesen Verhältnissen herleitet, berührt die Vorlage nicht. Wenn er aber dort, wo in der That eine Zwangslootseneinrichtung besteht, den Anspruch erheben will, daß der Staat nun auch für alle Verschuldungen dieser Leute die Verantwortung übernehmen solle, so liegt auch hier wieder ein Irrthum zu Grunde. Er exemplifiziert auf die Verhältnisse der Po0st und sagt: wenn im Postbetrieb für die Angestellten der Staat die Verantwortung übernimmt, warum über— nimmt er sie nicht für die Angestellten im Lootsengewerbe. Ja, meine Herren, die Leute, um die es sich bier handelt, sind keine Angestellten, wir kennen keine Angestellten auf diesem Gebiet. Es ist ein freier Gewerbebetrieb, nur in gewisse Schranken eingeschlossen. Ich möchte es mit den Verhältnissen auf anderen Lebensgebieten ver— gleichen, ich will einmal sagen, mit der Rechtsanwaltschaft. Da wird auch nicht jeder zugelassen, um für die Rechtsuchenden vor Ge— richt gewisse Geschäfte wahrzunebmen. Er muß gewisse Bedin⸗ gungen dem Staat gegenüber erfüllen und die Rechtsuchenden sind ge— nöthigt, nur unter den danach Zugelassenen sich einen Vertreter zu wählen. Aehnlich liegt es doch auch im Lootsenverkebr. Also der Vergleich, den der Herr Vorredner gemacht bat, paßt nicht.

Endlich bat der Herr Vorredner gefragt, wie es sich mit den Kindern und Frauen verhalte, die auf den kleinen Schiffen sich vielfach finden und dort zu Dienstleistungen herangezogen werden. Die Ant- wort darauf ist kurz die: soweit diese Frauen und jungen Leute vom Schiffsführer mit Dienstverrichtungen betraut werden, sind sie in der That angestellt; denn der Schiffsfübrer bat das Recht und die Aufgabe, die Leute für den Schiffsdienst aus zuwãhlen und zu berufen. Soweit das nicht der Fall ist, kann die Frage im allgemeinen überhaupt nicht beantwortet werden. Da wird in jedem einzelnen Fall geprüft werden müssen, unter welchen Verbältnissen und auf welche Veran—⸗ lassung die Frauen und die jungen Leute zu Leistungen im Schiffsdienst herangezogen worden sind.

Abg. Ba ssermann (nl): Die Dringlichkeit der Vorlage wird von keiner Seite bestritten. Ich bedauere nur, daß das Zustande⸗

kommen des Gesetzes durch Bestimmungen gefährdet ist, welche Be⸗ denken erregen muͤssen. Vor allem habe ich dabei die Schlechter

stellung im welche die Kleinschiffer durch die Vorlage erfahren. Die ir Ich iche Lage der Kleinschiffer ist schon jetzt mißlich genug. Die Einschränkung der Haftbarkeit, welche man den Kapitänen zu⸗ estehen will, sollte man den Kleinschiffern nicht verweigern. In der i re werde ich die Fragen anregen, ob man überhaupt nicht besser von den jetzt geltenden Grundsätzen in dieser Richtun abginge. Die Frage der Einführung der Dienstbücher mu einheiklich geordnet werden. Die Bestimmung betreffs der 9 weisen Zurückführung an Schiffsarbeitern halte ich für bedenklich. Am Rhein wenigstens brauchen wir eine solche ö . Bestim mung für eine Arbeiterklasse nicht. Die Vorschriften der Vorlage über die Lösch⸗ und Ladefrist konservieren zum theil geradezu antediluvignische örtli Vorschriften. Unter allen Umständen sollte eine Maximalfrist festgesetzt werden. Auch über das Heimathsrecht der Schiffer müßten Bestimmungen getroffen werden, wenn nicht in diesem Gesetz, so im Bürgerlichen Gesetzbuch. Ich freue mich, da endlich die Verpfändung von Binnenschiffen gestattet und au die Zwangsvollstreckung ermöglicht ist; es wird dies den Kredit der Schiffer heben und auch den heimischen Schiffsban begünstigen. Jetzt nämlich lassen sich z. B. die Rheinschiffer meist in Holland ihre Schiffe bauen, weil man dort eine Hypothek auf das Schiff eintragen lassen kann. Was den Befäͤhigungsnachweis betrifft, so würde ich ihn sogar obligatorisch machen, wenn dem Bundesrath die Befugniß egeben würde, für einzelne Flußgebiete von dieser Vorschrift abzusehen. ö den Besuch von Schifferschulen könnte man bei dieser Gelegen⸗ eit einen besonderen Anreiz durch Erleichterungen bei der Prüfung geben. Auch ich stimme der Ueberweisung an eine Kommission bei.

Abg. Dr. Frhr. von Langen (dkons): Eine größere Berücksichti⸗ gung der Kleinschifferei ist am Platze, nachdem wir mit der Anlage von Ee lw Wasserstraßen fast nur den Interessen des Handels und der Großschiffahrt genütz haben. Auch bei der Vorbereitung dieses Gesetzes haben in der Sachverständigen⸗Kommission vier Handels⸗ kammervertreter, zwei Vertreter von Schlepyschiffahrts⸗Gesellschaften und zwei Großkaufleute gesefsen, auch die hinzugewählten Mit⸗ lieder sind diesen Ständen entnommen, während man den . deutscher Strom und Berufẽsschiffer, gewiß den geeignetsten Sachverständigen, nicht zu Rathe gezogen hat. Der Stand der Kleinschiffer, der 75 unserer Schiffahrt treibenden Berxölkerung umfaßt, befindet sich wirklich den Großbetrieben gegenüber in Noth. Gewisse, schon jetzt bestehende Härten der Gesetzgebung den Kleinschiffern gegenüber werden aber auch durch dieses Gesetz nicht beseitigt. Dahin gehören die Bestimmungen über die Haftung des Schiffsführersß. In der Rechtsprechung wird die Regreßpflicht nur im Falle einer vis major nicht in Anspruch ge⸗ nommen; aber zwischen eigenem Verschulden und der vis major liegt doch noch eine breite Kluft. Soll ein Schiffer haftbar sein, wenn er auf einen Stein fährt, wenn der Steuernagel bricht oder wenn er Spritzwasser von einem vorüũberfahrenden Dampfer auf seine Ladung bekommt? Das sind keine Ereignisse durch höhere Gewalt, aber doch auch nicht durch eigenes Verschulden. Ich begrüße mit Freuden, daß der Gesetzentwurf uns einen , e. auch für das Schiffergewerbe verbeißt. Der Befäl igungs nachweis ist gerade in diesem Gewerbe, das mit so vielen Gefahren verknüpft ist, unbedingt nöthig. Ich meine natürlich keinen Befähigungsnachweis, der sich in rechnerischen Aufgaben bethätigt, sondern einen fachmänni⸗ schen. Der Abg, Rickert tritt hier mit einem Male für die kleinen Schiffer ein, während er durch Unterstützung des russischen Handels⸗ vertrags diese gerade in seiner Heimath schwer geschãdigt hat. Ich vermisse in der Vorlage die Einführung der obligatorischen Sonntagsruhe auch für die Fahrzeit auf unsern Binnengewässern. Die Einführung derselben würde keine Schädigung herbeiführen. Es müßte ferner die Löschzeit sowie die Höhe des Liegegeldes einheitlich reguliert werden. Bisher war es den Interessenten nicht möglich, uns ihre Ansicht über den Entwurf zu unterbreiten. Wir müssen ihnen die nöthige Gelegenheit dazu geben, darum stimme ich der Ueberweisung an eine Kommission von 21 Mitgliedern zu.

Staatssekretär des Reichs-Justizamts Nieberding:

Meine Herren! Ich möchte auf drei Bemerkungen des Herrn Vorredners mir einige Worte gestatten, weil diese Bemerkungen, wie sie gefallen sind, leicht ein falsches Licht auf die Tendenz des Ent— wurfs fallen lassen könnten.

Der Herr Vorredner hat hervorgehoben, daß die Regierung bei der Auswahl der Sachverständigen, die sie über den Entwurf gehört hat, nicht alle Kreise zugezogen habe, die bei dem Schiffahrtsverkehr thatsächlich betheiligt seien, und es machte den Eindruck, als seien nach der Meinung des Herrn Redners vornehmlich nur solche Kreise zur Aeußerung herangezogen worden, die das Großkapital vertreten. Meine Herren, das ist durchaus nicht richtig. Die Regierung hat die⸗ jenigen Sachverständigen gehört, von denen sie annehmen konnte, daß sie für die schwierigen Fragen bei Aufstellung und Kenstruktion des Entwurfs ihr die meiste Infor— mation gewähren würden. Sie hat sich in dieser Erwartung nicht getäuscht. Um aber allen Kreisen die Möglichkeit zu geben, sich über den Entwurf zu äußern, ist der Entwurf ja veröffentlicht worden und jedermann war in der Lage, ihn aus Fachzeitschriften und selbst aus politischen Tageszeitungen kennen zu lernen. Wenn also der— jenige Verein, dessen Vorsitzenden der Herr Vorredner vorhin erwähnt bat und von dem er bedauert hat, daß er zu den Vorberathungen nicht zugezogen worden sei, sich gedrungen gesehen hätte, seine Wünsche der Regierung zukommen zu lassen, so war er auf Grund der Ver— öffentlichung, die stattgefunden hat, vollständig in der Lage, das zu thun, und die Regierung würde dankbar gewesen sein, diese In= formation zu erhalten.

Der Herr Vorredner hat zweitens gesagt, daß die Sonntagsruhe in dem Entwurf ungenügend berücksichtigt worden sei; es mache den Eindruck, als sei sie bloß erwähnt, um die Frage der Liegegelder zu regulieren. Meine Herren, die Sonntagfruhe ist in dem Entwurf überhaupt nicht in Betracht gezogen, und zwar einfach deshalb nicht, weil ihre Regelung in das Gebiet der Gewerbeordnung fällt. Der Verkehr auf den Strömen fällt unter die Gewerbeordnung, und die Bestimmungen, die auf Grund der Gewerbeordnung über die Sonntagsruhe in den Ver—⸗ kebrsgewerben erlassen werden sollten, werden auch die Stromschiffahrt treffen. Wir haben also gar keine Veranlassung, hier besondere Vor⸗ schriften über die Sonntagsruhe vorzuseben. Wäünscht der Herr Vorredner, daß Bestimmungen dieser Art getroffen werden, so wird er seine Wünsche im Anhalt an diejenigen Bestimmungen geltend zu machen haben, die über die Sonntagsruhe in den einzelnen Gewerben erlassen worden sind und werden erlassen werden.

Der Herr Vorredner hat endlich den 5 4 der Votlage erwähnt und der Vorlage den Vorwurf gemacht, daß sie den Eigenthümer des Schiffs für die Schäden, die durch die Schiffsbesatzung während der Fahrt herbeigeführt werden, nur ungenügend haften lasse, nur haften lasse mit Schiff und Ladung in denjenigen Fällen, in denen ein Verschulden der Mannschaft vorliegt. Meine Herren, die Vorlage hat die Haftung des Schiffseigenthümers, wie sie bisher in dem größten Theile Deutschlands bestand, nicht eingeschränkt, sondern erweitert, und wenn der Herr Vorredner diese Haftung noch weiter ausdehnen will als die Vorlage sie begrändet, so möchte ich ibn doch auf die Konsequenz aufmerksam zu machen mir gestatten, die das fũt andere Betriebe, auch für die Landwirthschaft nach sich ziehen könnte.

Der Hert Vorredner . sic vergegenwärtigen, inwieweit nach seiner

Meinung etwa ein Fabrikbesitzer oder der Besitzer eines Gutes für die Handlungen der von ibm beschäftigten Arbeiter haften soll, und e. wird, wenn er Vergleiche zwischen dem Schiffsbetrieb und solchen Betrieben zieht, anerkennen müssen, daß der Entwurf reichliches * dieser Richtung gethan hat.

Abg. Gerisch (Soz.): Die Bestimmungen des Gesetzentw . eines Schiffs perursacht werden, sind unzureichend 3 mu vor allem festgestellt werden, wen die Verantwortung trifft, wenn de Unfall nicht, durch vis major und nicht durch ein Ver. schulden des Schiffsführers herbeigefübrt wird. Die Unsicherheiten in der Frage der Lösch⸗ und Ladefrist müssen durch einheitliche Bestim= mungen beseitigt werden. Die Ausdehnung der Haftbarkeit auf Schaden, die 6 nach der Ausladung an der Landung erkannt werden, erscheint mir unbillig. Die Angestellten des Schiffsei enthümerg werden durch die Vorlage förmlich dem Eigenthümer auf Gnade oder Ungnade ausgeliefert.

Die Berathung wird hierauf um 5 Uhr vertagt.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 6. Sitzung vom Freitag, 25. Januar. Die erste Berathung der Entwürfe eines preu— ßischen Gerichtskostengesetzes und einer Gebühren? ordnung für Notare leitet der JustizMinister mit fol— gender, im Anfangsbericht der gestrigen Nummer d. Bl. aus zugsweise wiedergegebenen Rede ein: . Justiz⸗Minister Schönstedt: Die beiden Gesetze, deren gemeinsame Berathung Sie eben be— schlofsen haben, und die mir Gelegenheit geben, zum ersten Mal in diesem hohen Hause das Wort zu ergreifen, sind von einer so ein⸗ gehenden Begründung begleitet, daß ich mich für die Einleitung der Berathungen auf einige wenige Worte beschränken kann. Die für die Beurtheilung dieser Gesetzentwürfe maßgebenden Gesichtspunkte sind auf Seite 64 der Begründung des Gerichtskostengesetzes kurz dahin zusammengestellt, daß erstrebt wird: die Vereinfachung des Rechtszustandes durch Schaffung thun— lichster Rechtseinheit für alle Landestheile, Zusammenfassung des zerstreuten Stoffs in ein Gesetz und Verringerung der Mannig⸗ faltigkeit der Gebührensãtze,

vor allem aber eine gerechtere Vertheilung der Gebühren auf die einzelnen Geschäfte unter Ermäßigung derjenigen Gebühren, deren bisherige Höhe, namentlich bei Vormundschaften und Grund⸗ buchsachen, zu begründeten Beschwerden Anlaß gegeben hat.

Meine Herren, ich glaube nicht daran zweifeln zu können, daß diese Gesichtspunkte, die für die Ausarbeitung der Entwürfe maß⸗ gebend gewesen sind, sich allgemeiner Zustimmung in diesem hohen Hause erfreuen werden. Denn wie Sie aus der Begründung des näheren ersehen, war der Rechtszustand auf dem hier fraglichen Gebiet ein so mannigfaltiger und zum theil auf so wenig durchsichtiger Grundlage beruhend, daß ein Be— dürfniß der Besserung nicht wohl verkannt werden kann. Und wie es überhaupt nicht wohl als ein erträglicher Zustand bezeichnet werden kann, daß auf dem Gebiet der Kosten⸗ und Gebũhrengesetz⸗ gebung Verschiedenheiten in den verschiedenen Provinzen einer ein⸗ heitlichen Monarchie bestehen, so werden Sie es begreiflich finden, daß für die Staatsregierung ein Bedürfniß vorgelegen hat, diejenige Einheit, die auf dem Gebiet der streitigen Gerichtsbarkeit durch die Reichskostengesetze erreicht worden ist, auch herbeizuführen für das Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit und für das damit in engem Zusammenhang stehende Gebiet des Gebührenwesens für Notare.

Meine Herren, als Grundlage für diese Entwürfe ergab sich von selbst die preußische Kostengesetzgebung, die im Jahre 1851 begonnen hat, und die inzwischen in einem größeren Theil der neu erworbenen Landestheile bereits zur Einführung gelangt ist. Die wesentlichen Prinzipien dieser Kostengesetze haben sich in mehr denn vierzig jäbriger Uebung durchaus bewährt, sie sind vorbildlich gewesen für die Reichskostengesetzgebung, und es war deshalb mehr oder weniger selbstverständlich, daß auf diesem Boden weitergearbeitet worden ist für das Gebiet, was Sie heute beschäftigen wird.

Neben der Herbeiführung einer einheitlichen Gesetzgebung in dieser Frage war es auch vor allem die Beseitigung mancher Beschwerden, die in Bezug auf die Höhe der Gerichtskosten, insbesondere im Gebiete des Grundbuchwesens und der Vormundschaft laut geworden sind. Die Berechtigung dieser Beschwerden bat nicht verkannt werden können: Die Höhe dieser Kosten stand allerdings nicht immer im richtigen Verhältniß zu der Leistung, die von den Be— theiligten verlangt wurde; sie stand namentlich aber auch nicht immer im richtigen Verhältniß zu dem Objekt, um das es sich handelte. Die Staatsregierung glaubt in weitgehendem Umfange den Bedürf⸗ nissen der Bevölkerung in dieser Richtung entgegengekommen zu sein.

Es sind wesentliche Ermäßigungen bezüglich der Kosten in Grund⸗ buchsachen und bezüglich der Kosten in Vormundschaftssachen Ibnen in Vorschlag gebracht worden. Es ist insbesondere für Vormundschafts⸗ sachen der Betrag desjenigen Vermögens, der nach den alten preußi⸗ schen Bestimmungen gebührenfrei bleiben sollte, von 150 auf 500 M erhöht worden. Es sind für den Grundbuchverkehr bei kleinen Objekten nicht unwesentliche Ermäßigungen ein⸗ getreten. Allerdings hat die Finanzlage des Staats es nicht gestattet und wird es in absehbarer Zeit nicht gestatten, auf die Einnahmen, die durch die Ermäßigung der Gebühren bei ge—⸗ ringen Objeften dem Staat entgehen, zu verzichten. Es hat ein Aus= gleich gefunden werden müssen durch die Erhöhung der Gebühren für höhere Objekte; aber auch diese Erhöhung hält sich überall in mäßigen Schranken. Es war am ersten Tage der Etatsberathung von dem Herrn Abg. Dr. Bachem die Anregung gegeben worden, ob nicht in der Ermäßigung der Gebühren bei geringeren Objekten noch weiter gegangen werden könne und auf der anderen Seite ein höheres Aufsteigen der Gebühren bei größeren Objekten zu gestatten sei. Soweit ich damals den Herrn verstanden habe der Bericht über diese Rede ist mir bisher nicht zugänglich gewesen, wenigstens kein Bericht, der diesen Satz enthalten hätte bat er in dieser Beziehung darauf hingewiesen, daß eine stärkere Belastung der größeren Objekte gerechtfertigt sei von dem Gesichtẽ ; punkt aus, daß bei größeren Vermögengobjekten der Schutz, den der Staat gewähre, ein größerer und bedeutenderer sei, und des balb auch

nach oben bin die Zunahme der Gebühren nicht, wie geschehen, de⸗ gressiv, sondern vielleicht sogar progressiv anzuordnen sei.

Ich glaube, dieser Gesichtspunkt unterliegt doch wesentlichen Ein schränkungen. Was der Herr Abg. Bachem über den Werth des staatlichen Schutzeß und die dafür billigerweise zu fordernde Abgabe gesagt hat, findet seine volle Berechtigung auf dem allgemeinen Steuergebiet und ist auf diesem Gebiet ja auch in genügendem Umfang zur Geltung gelangt. Die gerichtlichen Kosten und Gebühren aber, meine Herren, wenn sie auch in weiterem Sinne zu den Staats— abgaben gehören und auch in gewissem Sinne steuerlicher Natur sind, haben doch auch noch eine andere Seite. Es kommt wesentlich bei ihnen in Frage der Werth der Leistungen selbst, die vom Staate verlangt werden, und ich glaube, daß der vor⸗ gelegte Entwurf des Gerichtskostengesetzes eine glückliche Vermittlung und Verbindung dieser beiden Gesichtspunkte gefunden hat, indem er die Bedeutung der Leistung an sich, die ja bei großen Objekten nicht immer erheblicher ist als bei kleinen Objekten, in Verbindung und zu einem Ausgleich gebracht hat mit dem Werthe, den sie mit Rücksicht auf die Höhe des Objekts und auf die Verantwortlichkeit der Beamten sowie des Staats selbst für die Betheiligten hat.

Ich möchte noch auf einen Gesichtspunkt hinweisen, daß es doch gerade in einer Zeit allgemein wirthschaft— lichen Niedergangs, einer Depression auf dem Gebiet der Industrie und namentlich der Landwirthschaft sehr bedenklch erscheinen muß, eine sehr wesentliche Erhöhung der Gebühren für die größeren Objekte in Grundbuchsachen herbeizuführen (sehr richtig) und dadurch eine noch weitere Bedrückung der schon vielfach mit Recht über ihre un⸗ günstige Lage sich beklagenden Landwirthschaft hervorzurufen.

Von diesen Gesichtspunkten ist der Entwurf ausgegangen, und von diesen Gesichtspunkten aus bitte ich Sie, in eine sachliche Prü⸗ fung des Entwurfs einzutreten.

Der Entwurf für das Gerichtskostengesetz steht im engsten Zu⸗ sammenhang mit dem Entwurf über die Notariatsgebühren. Auf diesem Gebiet bestand gleichfalls eine große Mannig⸗ faltigkeit in der Gesetzgebung. Wir haben verschiedene No— tariats. und verschiedene Gebührenordnungen für die verschie⸗ denen Landestheile, und es war dringend geboten, eine Einheitlichkeit der Notariatsgebührengesetzgebung herbeizuführen. Es hat hierbei der Ge⸗ sichtspunkt zu Grunde gelegt und als maßgebend betrachtet werden müssen, daß die Gebühren für Notare dieselben sein müssen wie die Ge— bühren der Gerichte, insoweit die gleiche Thätigkeit für beide Organe der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit in Frage kommt, und es haben von diesem Standpunkt aus nur unwesentliche Modifikationen im Inter⸗ esse der Notare, denen nicht zugemuthet werden kann, bei ganz geringen Objekten für ganz minimale Vergütung ihre Thätigkeit eintreten zu lassen, gemacht werden müssen. Im übrigen ist diese Gleichstellung, soweit überhaupt die Geschäfte der Gerichte und Notare dieselben sind, vollständig in dem Entwurf der Gebühren⸗ ordnung zur Durchführung gebracht.

Was die übrigen Bestimmungen der Entwürfe angeht, so glaube ich, mich bei der Einleitung der Berathung auf dasjenige beziehen zu können, was in der Ihnen allen zugänglich gewordenen Begründung zu lesen ift. Ich schließe mit der Hoffnung, daß Sie die Entwürfe einer sachlichen und wohlwollenden Prüfung unterziehen werden. (Bravo

Im weiteren Verlauf der Berathung (vgl. den Anfangs⸗ bericht) nimmt nach dem Abg. Schettler das Wort der

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Der Herr Abg. Brandenburg hat gemeint, die Juftiz sei bei der Gebührenbemessung immer schlecht weggekommen; in der Verwaltung würden weniger hohe Gebühren erhoben, und des— halb wende sich das Publikum in den geeigneten Fällen weit lieber an die Verwaltung als an die Justiz. Dies veranlaßt mich, diese Frage noch etwas näher zu erörtern.

Ich gebe dem Herin Abg. Brandenburg durchaus Recht, daß man in Preußen bei der Behandlung des Gebührenwesens in staatlichen Angelegenbeiten in einer bestimmten Periode viel zu weit gegangen ist in der Abschaffung und Verminderung der Ge—⸗ bühren. Wie das im menschlichen Leben ja immer geht und wie die ganze Geschichte beweist, kommt man gar zu leicht von dem einen Extrem in das andere. Auch in der Staatsverwaltung führte der allgemeine Widerwille, der gegen das vielfach ganz sinnlos verwickelte Sportulierungssystem fräher vorhanden war, ju einer Periode, wo man eigentlich alle Gebühren verwarf und alle Thätigkeit des Staats vergütet haben wollte lediglich durch die Steuer. Dies hohe Haus hat bereits bei Berathung des Kommunal⸗ abgabengesetzes sich mit der Staatsregierung auf den ganz entgegen⸗ gesetzten Standpunkt gestellt und hat bei den Kommunen den Grund— satz durchgeführt, daß da, wo die Kommunalverwaltung be⸗ sondere Leistungen, die in vorzugsweiser Art einzelnen Privaten zu gute kommen, liefert, sie berechtigt ist, dafür einen Theil der er— wachsenen Ausgaben von den betreffenden Privaten zu entnehmen, daß es ungerecht sein würde, für den besonderen Nutzen einzelner Privat⸗ personen die gesammten daraus erwachsenen Ausgaben der ganzen Bevölkerung zur Last zu legen, einerlei, ob sie davon Vortheil hat oder nicht. Diese Entwickelung, die ich eben andeutete in Beziehung auf das Gebührenwesen, fangen wir jetzt an zu überwinden, und wir werden Herr Abg. Dr. Eckels, Sie werden sich davon überzeugen nach diesem Ge⸗ sichtsvunkt vielfach das neue Stempelgesetz in Beziehung auf das Gebührenwesen in Verwaltungssachen gestalten. Was die Justiz be⸗ trifft, so kann man nicht sagen, daß sie dies Prinzip zu einer be⸗ stimmten Periode gänzlich in den Hintergrund gestellt hat; dennoch behaupte ich, daß wir auch in der Justiz nach dieser Richtung hin viel weiter gegangen sind als die anderen deutschen Staaten, und der gesammie Zuschuß, den Preußen leisten muß zur Deckung der Kosten der Justijverwaltung, ist verhältnißmäßig bedeutend höher als in allen uns wenigstens im Finanz⸗Ministerium vorliegenden Etats der e. deutschen Staaten und wird es auch bleiben nach diesem

esetz. ö Ich möchte in dieser Beziehung anführen, daß wir in Preußen einen Gesammtzuschuß, der durch die eigenen Einnahmen der Justiz nicht gedeckt wird, zahlen von 64 Millionen, daß 64 Meillionen gleich sind der Gesammteinnahme der Domänen und Forsten, der Lotterie⸗ derwaltung, der Seehandlung und der Bergwerksverwaltung. Man lann also gewiß nicht behaupten, da jedenfalls die Thätigkeit in der Justiz auch den Charakter eines Dienstes im Privatinteresse hat, daß wir nach dieser Richtung, in der Uebernahme der gesammten

Justizkosten auf den allgemeinen Staatssackel, nicht weit genug ge⸗ gangen sind.

Noch deutlicher können Sie das ersehen, wenn Sie vergleichen, wie sich die durch die eigenen Einnahmen der Justiz nicht gedeckten Kosten in den einzelnen deutschen Ländern auf den Kopf der Bevölkerung stellen. Wir haben darüber Mittheilung von deutschen Regierungen eingezogen. Ich stelle voran, daß auf den Kopf der Bevölkerung in Preußen gegenwärtig ein staatlicher Zuschuß, der allein durch die Steuer gedeckt wird und nicht durch Gebühren, von 2.13 4 entfãllt. Dagegen beträgt der gleiche Zuschuß in Sachsen nur 1.21 4, in Württemberg 1,44 selbst diese Höhe von 1,44 M in Württemberg hängt wesentlich zusammen damit, daß ein großer Theil der freiwilligen Gerichtsbarkeit den Gemeinden übertragen ist also hier garnicht zu rechnen ist; in Baden beträgt dieser Zuschuß aus den allgemeinen Staatsmitteln zur Justizverwaltung nur 1 4, in Hamburg nur l, 4 und in Bayern nur O. 3B M auf den Kopf der Bevölkerung.

Ich glaube also, meine Herren, wenn hier vielfach geklagt wird über die Höhe der Gerichts gebühren, so ist das durchaus unrichtig; im Gegentheil, in keinem Lande wird soviel zugeschossen wenigstens in Deutschland, und ich bin überzeugt, in Außerdeutschland ist es noch im viel höherem Maße der Fall als in Preußen. Ich führe das an, damit Sie nicht allzu ängstlich sind, den Staat auf diesem Gebiet zu beschränken. In einer solchen Finanzlage, in der wir uns gegenwärtig befinden, kann man jedenfalls von diesen Gerichtsgebühren nichts mehr ablassen. Wir haben das Gesetz nicht darauf gearbeitet, daß wir erheblich mehr Einnahmen haben wollen obwohl das nach den vergleichenden Zahlen an sich schon berechtigt gewesen wäre sondern wir haben nur in Betracht ge— zogen, daß wir mindestens die gegenwärtigen Einnahmen behalten müssen. Die Last dieser Gebühren wird, wie ja die geehrten Herren Redner anerkannt haben, in Zukunft viel leichter getragen werden können, weil sie eben gerechter vertheilt sind, und weil dabei die Objekte und die Leistungsfähigkeit der Parteien in einer viel ergiebigeren Weise berücksichtigt sind als früher.

Meine Herren, ich schließe mich ganz dem Wunsche des Herrn Dr. Eckels an, daß es gelingen möge, diese Vorlage wirklich zum Abschluß zu bringen, und das kann nur gelingen ebenso wie beim Stempel⸗ gesetz wenn man die Sache aus großen Gesichtspunkten betrachtet, nach Prinzipien und Grundsätzen behandelt. Wollten Sie an jede einzelne Position große Diskussionen knüpfen, so, bin ich überzeugt, käme das Gesetz zum zweiten Mal nicht zu stande. Die Sache muß mehr aus allgemeinen grundsätzlichen Gesichtspunkten behandelt werden. Natürlich werden ja die Herren in der Kommission das nöthige Material verlangen und erhalten, was sich auf die Höhe der einzelnen Positionen bezieht und auf die vermuthlichen Erträgnisse, obwohl es da sehr schwer ist, eine zu⸗ treffende Rechnung zu machen. Aber wenn an jede einzelne Position, wie gesatt, eine große vergleichende Diskussion sich knüpft, so wird das Gesetz, welches doch alle verehrten Herren Redner bis jetzt als erheblichen Fortschritt bezeichnet haben, auch diesmal wieder ge— fahrdet sein. . K 66 ö

Abg. Herold ie Ermäßigung von ü . ö 8 Dorle ö i . or ; legen das Hauptgewicht darauf, daß die Gebühren? bei Erbschaften ermäßigt werden. Ich hoffe, daß der Herr Finanz⸗Minister in diesem Punkte sich entgegenkommend verhalten wird-

Abg. Bröse (kons. :: Auch ich sebe mit Befriedigung die Er⸗ höhung der Kosten für die höheren Objekte zu Gunsten der kleineren. Das Gerichtskostenwesen ist in dem Gntwurf angemessen und über⸗ sichtlich geordnet, und man hat gut daran gethan, diefes Gesetz ganz bon dem Notariatsgebührengesetz zu trennen. In diesem letzteren halte ich für einen besonderen Vorzug, daß man mit dem wenig vor⸗ nehmen Prinzip der Entgeltung nach Stunden gebrochen hat; ich glaube, daß die Notare selbst sehr zufrieden damit sein werden.

Abg. Knebel (nl): Vom technisch⸗ legislatorischen Standpunkt aus ist das Gesetz vortrefflich ausgearbeitet; aber man hat das Prinzip der höheren Belastung größerer Objekte zu Gunsten der kleineren nicht mit der nöthigen Konsequenz durchgeführt. Die höhere Belastung ist fast . während fur den kleinen Landmann das baare Geld für die Gerichtskosten oft unerschwinglich ist, die in gar keinem Ver hältniß zu seinem Gesammteinkommen stehen. Hier'ist die Höhe der Gerichtskosten oft geradezu existenzgefährdend, und es muß Abhilfe ge⸗ schaffen werden, sonst wird man lebhaften Unmuth in weiten Kreifen der Bevölkerung erregen.

Abg. Jerusalem (Zentr.): Daß man den Grundstückverkauf in großen Staͤdten, wo es sich um hohe Objekte handelt, mit hohen Kosten belegt, finde ich ganz gerechtfertigt; daß man aber, wenn ein kleines Bauerngut vom Vater auf den Sohn vererbt wird, dies nach denselben Grundsätzen behandelt, daß man alfo ein nothwendiges Rechtsgeschäft, welches sich von Generation zu Generation wiederholt, gewissermaßen mit einer Steuer belegt, ist ungerecht und bedarf der Aenderung.

Abg. Jansen (Zentr. : Die Vorlage findet im großen und ganzen meinen Beifall; nur zwei Mängel habe ich ihr vorzuwerfen, einen formalen und einen materiellen. Der letztere ist von mehreren Rednern schon gestreift worden und besteht darin, daß der wirthschaft⸗ liche Gesichtspunkt nicht genügend berücksichtigt wurde. Formell ver⸗ misse ich die Aufmachung der Rechnung darüber, wie sich das finan⸗ zielle Ergebniß für den Staat stellen wird. Die Tarifherabsetzung für die niedrigen Objekte ist viel zu gering ausgefallen. Auf der anderen Seite ist die Steigerung der Gebühren für Objekte über 5400 Æ sehr empfindlich. Besonders wird die Landwirthfschaft, die an und für sich in großer Bedrängniß ist, davon betroffen werden. Ich bedauere außerdem, daß nicht zugleich mit dieser Vorlage ein Stempelsteuergesetz vorgelegt wurde.

Justiz-⸗Minister Schönstedt:

Meine Herren! Den einzelnen Ausführungen des letzten Herrn Redners wird wohl das Haus nicht in vollem Umfange zu folgen vermocht haben, wie auch ich nicht dazu im stande gewesen bin. Sie werden in der Kommission sicherlich zur vollen Berücksichtigung gelangen.

Wenn von diesem Herrn Redner wie auch von einem der früheren Herren Redner das Bedauern ausgesprochen ist, daß nicht mit dem Gerichtskostengesetz gleichzeitig auch der Entwurf des Stempelgesetzes vorgelegt sei, so glaube ich zur Beruhigung des Hauses versichern zu können, daß die Vorlage dieses Gesetzes in allerkürzester Frist und so zeitig geschehen wird, daß sein Inhalt bei Berathung des Gerichtskostengesetzes voll berücksichtigt werden kann. Ich darf wohl aus dem Inhalt des Stempelgesetz entwurfs schon jetzt bemerken, daß er es bei der bestehenden Gesetz⸗ gebung in der Richtung beläßt, daß für den Erbübergang von Grund⸗ stücken ein Werthstempel nicht zur Erhebung kommt, und vielleicht wird dadurch das von dem Herrn Abg. Schettler hervorgehobene Bedenken oder die von ihm gegebene Anregung sich erledigen, daß eine Bevorzugung des Eigenthumsübergangs in Erb- fällen berechtigt sei und gefordert werden müsse. Eine solche Bevor⸗ zugung ist eben darin gegeben, daß für diese Fälle nicht der Werth⸗

Itr J] Di

stempel zur Erhebung kommt.

Dem Herrn Abg. Herold möchte ich sodann erwidern, daß die von ihm unternommene Vergleichung zwischen den Kosten im Grund⸗ buchverkehr für Auflassung und für Registerführung im Handels⸗ verkehr doch wohl, wie er auch theilweise selbst zugegeben hat, eine nicht ganz zutreffende ist. Während es sich bei der Grundbuch⸗ führung um rechtsgeschäftliche Dispositionen Über bestimmte Ver- mögensobjekte handelt, hat die Eintragung in das Handelsregister keine andere Bedeutung als die, einen gewissen Nachweis für den Eintragenden dahin zu führen, daß er der Inhaber eines Geschãftes ist. Das sind doch wesentlich verschiedene Dinge, und es kann eigentlich bei der letzteren Eintragung nur in beschränktem Maße die Bedeutung des Geschäfts selbst, das den Gegenstand der Eintragung bildet, zu Grunde gelegt werden.

Meine Herren, es ist dann von dem Abg. Eckels der Wunsch ausgesprochen worden, daß die Staatsregierung sich nicht darauf be⸗ schränke, die Notariatsgebühren · einheitlich zu ordnen, sondern daß auch eine einheitliche Notariatsordnung selbst in Angriff genommen werden möge. Das Bedürfniß nach einer solchen einheitlichen Regelung wird von der Staatsregierung vollkommen anerkannt, die Erledigung dieses

Verlangens stößt aber auf erhebliche Schwierigkeiten, so lange

wir mit der großen Verschiedenheit des materiellen Rechts zu rechnen haben. Eine Notariatsordnung, die dem Bürger lichen Gesetzbuch vorauseilen sollte, würde vielleicht in for⸗ meller Beziehung und in Ansehung der von dem Herrn Abg. Eckels hervorgehobenen formellen Richtigkeiten schon jetzt Einheitlichkeit schaffen. Aber auch das kann nur in beschtänktem Maße geschehen und in mancher anderen Beziehung würde jedenfalls eine große Ver⸗ schiedenheit bestehen bleiben. Es kommt hinzu, daß, wie ich bestimmt behaupten zu können glaube, die Absicht besteht, im Reich und in Verbindung mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch auch eine Notariats- ordnung für das Deutsche Reich auszuarbeiten. Da nun die Vollendung der Arbeiten für das Bürgerliche Gesetzbuch er⸗ freulicher Weise in naher Aussicht steht, so würde ein preußisches Notariatsgesez doch nur eine kurze Lebensdauer für sich in Anspruch nehmen können, und dann würde es sich doch kaum lohnen, für diese kurze Frist zu einer Aenderung der bestehenden Gesetzgebung über⸗ zugehen.

Abg. Krause⸗Waldenburg (fr. kons. ): Auch wir halten dieses Gerichtskostengesetz für ein Werk von ungewöhnlicher Klarheit und sreuen uns,. daß damit für unseren preußischen Staat ein einheitliches Recht geschaffen wird. Mit dem Grundprinzip Tes Gesetzes find wir einverstanden, vor allem damit, daß der erste Abschnitt sich im wesent⸗ lichen anlehnt an die bewährten Grundsätze des Gesetzes vom 19. Mai 1851, und daß die Regierung Wege gefunden hat, um Mängel und Schäden, deren Berechtigung * man anerkennt, zu beseitigen. Wir sind mit dem Justiz⸗Minister einperstanden, daß mit Rückicht auf den Stand des Justiz-⸗Etats aus diefer Gesetz⸗ gebung unter keinen Umständen eine Verschlechterung der Einnahmen aus der Justiz hervorgehen darf. Soweit wir überfehen können, ist die Vertheilung und Ansetzung der Gebühren eine durchaus praktische und gerechte. Den vielfachen Wünschen, daß eine weitere Entlastung der geringeren Sbjekte unb eine größere Belastung der höheren Objekte eintreten soll, stehen wir im großen und ganzen ablehnend gegenüber. Wenn uns in der Kommission für einzelne Sachen das Bedürfniß nachgewiesen wird, wollen wir sehr gern helfen, diese einzelnen Schäden zu beseitigen. Der Herr Justiz⸗ Minister hat schon darauf hingewiesen, daß eine Abwerthung des staatlichen Schutzes der. Staatsbürger im wefentlichen durch die. Steuern geschieht, datz aber bei Bemessung der Gebühren ieser Maßstab. nicht angewendet werden darf. Die Söhe rte Objekts darf nicht der maßgebende Faktor fein; denn sie ist kein unzweideutiges Kriterium fuͤr die Stärke der Schultern der Be⸗ tbeiligten. Mit Freude begrüßen wir die Freilassung der Vermögen von 1699 M abwärts in Vormundschaftssachen. Dem Wunsch, die beiden Kesetze an die Justizkommiffion zu überweisen und diese durch sieben Mitglieder zu verstärken, schließe ich mich an mit der Bitte, e Nichtjuristen zu wählen, weil in der Kommission schon 14 Juristen sitzen.

Abg. Schmidt ⸗Warburg Zentr.) bittet ebenfalls um Er— leichterungen der Gebühren bei Uebertragung ländlicher Grundstücke. d Gesetzentwürfe werden hierauf an die um sieben Mitglieder zu verstärkende Ju stizkommission über⸗ wiesen.

An die Justizkommission überweist das Haus sodann ferner ohne Diskusston die an letzter Stelle zur Berathung stehende Novelle zur Hinterlegungsordnung.

Schluß 2 Uhr.

Nächste Sitzung Dienstag 11 Uhr.

Ilie (Etat der land— wirthschaftlichen Verwaltung.)

2

Statistik und Volkswirthschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Aus Aachen wird der Köln. Ztg.“ unter dem gestrigen Tage gemeldet, daß die Weber von Scheins u. Weiß die Arbeit (vergl. Nr. 22. d. Bl.) wieder aufgenommen haben.

Die Unruhen in Brooklyn dauern nach einer gestrigen Meldun des . W. T. B. fort, die Ausständigen verlieren aber ug n e mr an Terrain; es fahren schon mehr Wagen.

Nach Mittheilung des Statistischen Amis der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 13. Januar bis inkl. 19. Januar er. zur Anmeldung gekommen: 904 Lebendgeborene, 167 GEheschließungen, 29 Todtgeborene, 534 Sterbefãlle.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Internationaler Pferdemarkt in Neuhäusel (Ungarn).

Der durch den Neutraer Landwirtbhschaftlichen Verein im Jahre 1895 zu veranstaltende XIII. Pferdemarft in Neuhäusel wird am 3 und 6. Mai stattfinden. Die hervorragendsten Züchter Ungarns pflegen ihre Pferde dort zum Verkauf zu bringen. Im vorigen Jahre sind 400 Stück Pferde zum Preise von 120 60 Fri. verkauft worden. Wohnungen und Stallungen können beim Stadthauptmannsgamt in Neuhãäusel bestellt werden.

Saatenstand in Südwestrußland.

Nach den Angaben des meteorologischen Observatoriums in Odessa waren die Niederschläge in Südwestrußland im Monat Sktober 3. St. vollkommen genügend (über 50 mm), mit Ausnahme Mittel⸗Beß⸗ arabiens und der Krim (20 mm). Besonders ausgiebig waren die⸗ selben im Gouvernement Wolhynien und Kiew. Im Laufe des Monats November a. St. war die Witterung in Sũdwestrußland veränderlich, bald warm und trocken, bald eri! windig und trübe. Die Fröste haben den Saaten keinen Schaden verurfacht. Gegen Ende November traten Schneefälle ein, doch waren Niederschlãge äußerst gering (ca. 5 mm im Durchschnittj. Laut der Berichte der Korrespondenten haben folgende Umstaͤnde einen ungünstigen Ein. fluß auf die Entwicklung der Saaten ausgeübt:

1) Mäuse, die an dielen Stellen die Wurzeln des Getreides be⸗ nagten und die Saaten auf bedeutende Strecken vernichteten, 2) an⸗

*

.

.

* * 9 2 2. * . 3 5 ; ö -. 38 . 2 ö K r , / 2

k

.

,.

3 2 * 6 * * —— .

8 . ö

*.