1895 / 39 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 13 Feb 1895 18:00:01 GMT) scan diff

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nern, Allgemeine Fonds, Reichs kommissariate, Schiffs⸗ Entscheidende Hie n örden⸗, werden ohne Debatte genehmigt.

Die weitere Berathung wird sodann vertagt.

Schluß 51, Uhr.

Preuszischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

18. Sitzung vom Dienstag, 12. Februar. Ueber den Anfang der Sitzung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Im weiteren Verlauf der zweiten Berathung des Eisenbahn⸗Etats und der im Anschluß daran von der Budgetkommission beantragten Resolution, betreffend die Verwendung des aus den Ueberschüssen der Einkommensteuer angesammellen Fonds (s. d. Anfangsbericht)h, nimmt nach dem Berichterstatter Abg. Dr. Sattler das Wort der

Abg. Dr. Bachem (Sentr): Wenn wir die Zustimmung zu dem Kommissionsantrage geben, so wären wir soweit gebunden, daß wir die Mittel für den Eisenbahn-⸗Betriebsfonds bewilligen. Ueber den Ueberschußfonds besteht die gesetzliche Bestimmung, daß er am 1. April 1895 zu den allgemeinen Staatsfonds zu vereinnahmen ist. Um diese

esetzliche Bestimmung aufzuheben, wäre ein neues Gesetz nöthig. gie. wäre es gewesen, wenn die Regierung ein solches Gesetz jur richtigen Zeit eingebracht hätte. Der Herr Referent hat nun als gangbaren Weg auch vorgeschlagen, vor dem 1. April keine Verfügung zu treffen, der Regierung vielmehr zu gestatten, dem Fonds so viel zu entnehmen, wie ihr ö scheine, und im nächsten Etat, darüber Rechnung abzulegen. iese außeretatsmäßige Verwendung scheint mir kein ordnungsmäßiger Weg ju sein. Wir haben wohl alle die Ueberzeugung, daß eine Stärkung des Betriebsfonds der Eisenbahnen nöthig ist; ob aber in dem Maße, wie die Budgetkommission vorschlägt, scheint mir doch fraglich. Bis 1892/83 ist man ja mit Anleihen zurechtgekommen, und hat auch die Jahre, in denen das Reich Dutzende von Millionen an Preußen überwies, nicht daran gedacht, eine Stärkung des Betriebsfonds zu fordern. Das Nächstliegende wäre die Verein nahmung des angesammelten Fonds zu den allgemeinen Staats- fonds, um die entstandenen Defizits zu decken. Es kommt dazu, daß dieser Fonds gesammelt ist in den Jahren, in denen wir Defizits hatten. Er stammt aus der Einkommensteuer, also aus Mitteln, welche zur Begleichung des Budgets dienen sollen. Wenn die ge⸗ sammte Einkommensteuer in den Etat eingestellt worden wäre, hätten wir kein oder nur ein sehr geringes Defizit gehabt. Bei derartig schwerwiegenden Fragen ist die größte Vorsicht nöthig. Deshalb halte ich für besser, dem Kommissionsantrag gegenüber sich ablehnend zu verbalten, falls uns nicht von der Regierung näher und genügend das Bedürfniß nachgewiesen wird. J

Abg. Dr. . (nl. ): Die Ansicht des Herrn Vorredners, daß die konstitutionellen Befugnisse des Landtags durch den Antrag der Budgetkommission in irgend einer Weise angetastet werden, ist durchaus irrig. In dem Antrage steht kein einziges Wort über die

orm der Heschi ge unt und der Mitwirkung des Landtags. ir erklären uns mit Annahme, des Antrags nur materlell damit einverstanden, daß der . in dieser Weise verwendet werde. das in Form eines Gesetzes oder eines Nachtrags. Etat bestimmt wird ist gleichgültig. Wenn uns das Bedürfniß für einen höheren Betriebsfonds der Eisenbahn⸗Verwaltung nachgewiesen wird, so darf man nicht auf vergangene Zeiten zurückweisen, die günstiger für unsere lig. waren. Dann hätte man auch nicht die Steuerreform einführen dürfen, die ja auch in einer ungünstigen * eingeleitet wurde. Die Resolution entspricht der Auffassung der ehrheit des Hauses bei der Schaffung des Fonds, und ich empfehle . eme aus allgemeinen Gesichtspunkten wie aus finanzpolitischen ũ ten. bg. von Eynern (nl); Wenn die Sache so läge, wie Herr Rrause fe darstellt, so wäre die Resolution eigentlich überflüssig. Ich stehe der Resolution aber nicht so harmlos gegenüber, auf Grund der Erfahrungen, die man mit solchen Resolutionen schon früher gemacht hat. Der Zweck der Resolution ist doch nur, uns die Freiheit der Verwendung des in Rede stehenden Fonds am Ende der Etats⸗ berathung zu beschränken, und darum muß ich mich da⸗ gegen erklären. Erst am Schluß der Etatsberathung können wir übersehen, welche. Bedürfnisse noch vorhanden sind. Augenblicklich steht nicht einmgl die Höhe des ver⸗ . onds fest. Der Herr Berichterstatter beziffert ihn auf 100 bis 120 Millionen Mark; das ist doch eine ganz bedeutende Differenz. i die Verwendung des Fonds können drei Richtungen in Betracht ommen. Man kann eine Verwendung beschließen: einmal im Sinne der vorliegenden Resolution, oder im Sinne früherer Aeußerungen des Herrn Finanz⸗Ministers zur Deckung des Defizits, oder endlich zur außerordentlichen Schuldentilgung. Um sich über die Art der Ver⸗ wendung zu entscheiden, muß man die Entstehung des Fonds ins Auge fassen. Er ist aus den Ueberschüssen der Cinkemmensteuer ge» bildet. Bei der Steuerreform wurde in Aussicht gestellt, daß diejenigen Ueberschüsse, welche So Millionen Mark übersteigen würden, zur Rückzahlung an die Steuerpflichtigen kommen sollten. Nun soll der Fonds in der . von 109 Millionen Mark zur Verstärkung der General⸗Staatskasse zu Gunsten der Eisenbahnverwaltung dienen und der Rest zur Schuldentilgung verwandt werden. Ich vermisse zunächft den Nachweis des Bedürfnisses einer solchen Verstärkung der General · Staatskasse. Wenn die Finanzverwaltung erklärt, es habe ihr niemals ein Fonds zur Beschaffung von Betriebsmitteln zur Ver⸗ fügung gestanden, so ist das doch ein Irrthum; in dem Preise, den der Staat 3 die Privatbahnen zahlte, sind doch die gesammten Be⸗ triebsmittel mit einbegriffen gewesen, und nur für Neuanschaffungen bedurfte es eines Betriebsfonds. Ich fann mir auch nicht denken, daß die Eisenbahn⸗Verwaltung eines Vorschusses von der General⸗ Staatskasse bedurft hätte. Das kann allerdings möglich sein, wenn es sich darum handelt, große Kohlenvorräthe aufzustapeln, um Be⸗ triebsstörungen zu vermeiden, aber doch nicht für laufende Material- beschaffung. Wenn bei den hohen Ueberschüssen der Eisenbahn, die an die Staatskasse abgeführt werden, andernfalls ein Vorschuß von der General⸗Staatskasse nöthig ist, so scheint mir die Kassenverwaltung der Eisenbahn nicht richtig organisiert zu n, Ferner kann ich mir garnicht denken, daß die vorzeitige ealisation von Anleihen nöthig war; sollte denn da die Ober⸗ Rechnungskammer nicht Einspruch erhoben haben? Ich möchte also doch davor warnen, daß wir uns durch diese Resolution für später binden, bevor wir die Frage nicht einer nochmaligen eingehenden Be⸗ rathung unterworfen haben. Ich habe auch das konstitutionelle Be⸗ denken, daß wir in dem neuen Fonds dem Herrn Finanz⸗Minister einen Dispositionsfonds geben, der allerdings für einen bestimmten Zweck festgelegt ist, über dessen Verwendung zu Neuanschaffungen wir aber keine Kontrole haben. Lehnen Sie also die Resolution in diesem Stadium der Etatsberathung ab!

Abg. Freiherr von i Zentr.): Die von der Budget- kommisston eingebrachte Resolution ist erst nach reiflichen Berathungen und nachdem die Mitglieder der Kommission mit ihren politischen

reunden in Verbindung getreten waren, mit allen gegen eine timme angenommen worden. Das Gesetz bestimmt: die angesammelten Fonds sind am 1. April 1895 zu den allgemeinen Staatsfonds zu vereinnahmen. Die Fonds würden also im Ctat 1895 als außerordentliche Einnahme zu buchen sein. Wenn dann die Rechnung aufgemacht wird, würde es sich zeigen, daß zus den Ueberschüssen der Eisenbahnen nicht soviel wie früher zur Deckung der allgemeinen Ausgaben nöthig war.

Wenn also nicht vorher eine Verständigung jwischen dem Ab⸗

geordnetenhaus und der Regierung stattgefunden hat, wird das Geld indirekt auch zur Stärkung der Finanzen der Staatsbahnen verwandt

werden. Wir haben nun überlegt, ob es richtig sei, so zu verfahren. Bei i, n, , haben wir g g fi die 6 zu ertheilen. Da die Ausgaben aber einmal gemacht sind, handelt es sich einfach um eine Bestätigung. Hier liegt die Sache anders. Das e das zum Betriebsfonds verwandt wird, ist noch vorhanden; wir können nachtrãglich den Staat also immer noch zwingen, das Geld später noch zur Schuldentilgung zu verwenden. Nun ist gesagt worden, der Staat sei bisher auch ohne solche Stärkung des Eisenbahn- Betriebsfonds ausgekommen. Es ist aber doch die Frage, ob es besser ist, vorhandenes Geld für den Betriebsfonds zu verwenden oder das Geld zur Schulden⸗ tilgung u verwenden und dann für Eisenbahnzwecke eine Anleihe zu machen. Wir werden dadurch abhängig von der Börse, und das ist für die Finanzverwaltung nicht angenehm. Für die Eisenbahnen können auch plötzlich große Summen nöthig werden, so im Fall eines großen Kohlenstrikes oder gar im Fall eines Krieges. Da ist es besser, wenn Geld vorhanden ist, als wenn man sich auf den Patriotismus der Geldleute verlassen muß. Ich glaube, die Budgetkommission schlägt Ihnen eine zweckmäßige Verwendung der Fonds vor; ein konstitutionelles Recht kommt, glaube ich, nicht in Frage. Eine Verständigung in aller Ruhe ist das Beste; es handelt sich ja nicht um Einführung neuer Steuern, sondern darum, eine gute Finanzberwaltung zu führen denn unter einer schlechten Finanzverwaltung haben nicht zuletzt die Steuer⸗ zahler selbst zu leiden.

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Wenn ich mir die Rednerliste ansehe, nach welcher aus den verschiedenen Fraktionen ein Redner dafür, ein anderer da⸗ gegen spricht, so halte ich mich davon wenigstens überzeugt, daß diese einfache finanzielle Zweckmäßigkeitsfrage vom Hause nicht als eine politische Frage angesehen wird, als eine Frage des Vertrauens oder Mißtrauens; es ist wirklich nichts als einfach eine finanzielle Zweckmãßigkeitsfrage.

Meine Herren, der Herr Abg. von Eynern und auch der Herr Abg. Dr. Bachem sagen: Wozu sollen wir jetzt überhaupt eine Reso⸗ lution beschließen? Das ist ja noch viel zu früh, wir konnen ja ganz ruhig warten, bis die Sachen an uns kommen! Gewiß, so hätten wir es machen können. Ich will Ihnen sagen, was dann geschehen wäre: Dann würde ich, meiner Verpflichtung als Minister getreu, die⸗ jenigen Dinge auf seine Verantwortlichkeit zu übernehmen, von denen er überzeugt ist, daß sie im Interesse des Landes liegen, und erwartet werden kann nach der Gesammtlage, daß das Haus sie hinterher genehmigen wird, genau so verfahren haben, wie hier vorgeschlagen wird. Nach dem Ergänzungssteuergesetz fließt der Fonds in die Staats⸗ kasse; es ist nicht gesagt, was damit gemacht werden soll. Wenn der Fonds nun sich am Finalabschluß in der Staatskasse befindet und Verwendung finden soll, so muß er nach dem Gesetz unmittelbar beim Final—⸗ abschluß zur Schuldentilgung verwendet werden. Das würde ich nicht gethan haben, sondern ich würde da materiell gar kein Bedenken in der Sache ist, denn wenn das Haus nachher dieses Vorgehen des Ministers nicht genehmigt, wie Herr von Huene sehr richtig aus⸗ einandergesetzt hat, so würde dies Verfahren jeder Zeit geändert werden können den Fonds ruhig behalten und als Betriebsfonds ver— wendet haben.

Nun wäre die Uebersicht, die diese Thatsache feststellt, der Rech⸗ nung pro 1895/96 an das Haus gekommen, und das Haus hätte ge⸗ sagt: nein, wir sind mit dem Minister nicht einverstanden, wir billigen diese Art Verwendung nicht. Gut, dann würde einfach der Fonds auf Schulden hinterher abgeschrieben und es wäre nichts verloren.

Warum ich die Resolution nun jetzt schon vorgelegt habe, meine Herren? Weil ich wünschte, auch schon jetzt darüber ins klare zu kommen, ob materiell das Haus diesen Weg billigt. Das Haus kann gewiß sagen: wir wollen uns darüber nicht äußern; der Minister fragt uns; er will gern versichert sein, daß er in materieller Uebereinstimmung mit dem Hause handelt; aber wir wollen nicht antworten! Gewiß kann das Haus das sagen. Aber ich frage: Ist das nun richtig, wenn ein Minister das Haus fragt, ehe er handelt, um klar darüber zu sein, ob das Haus materiell mit ihm übereinstimmt ist es dann richtig seitens des Hauses, zu sagen: die Frage ist ja sehr wichtig, aber mag der Minister auf seine eigene Kosten handeln, wir wollen uns nicht aussprechen —? Das ist nach meiner Meinung kein richtiges Vorgehen, Herr von Eynern, und würde der Stellung und dem Ansehen des Hauses und der Bedeutung seiner Anschauungen, vor denen der Minister sich beugt, indem er das Haus fragt, in keiner Weise entsprechen. Meine Herren, wenn das Haus heute sagte: wir billigen deine Ansicht nicht, es soll dieser Fonds nicht zu einem Betriebsfonds dienen, er soll zur Schuldentilgung verwendet werden, so würde ich mich dem fügen. Darin liegt es also, welche Bedeutung es hat, daß ich das Haus überhaupt frage. In dem Augenblick, wo hier Herr von Eynern oder Herr Dr. Bachem eine Gegenresolution einbringen, und das Haus beschließt: wir wollen keine Vermehrung des Betriebsfonds, mag der Fonds auf Schuldentilgung abgeschrieben werden so werde ich diese Resolution befolgen. Aber in demselben Augenblick werde ich kommen und sagen: dann stelle ich an das Haus den Antrag, nunmehr durch Anleihe diesen Betriebsfonds wieder zu be⸗ schaffen; dann werden Sie mich gezwungen haben, in der Rechnung abzuschreiben, und gleichzeitig sich zwingen, mit schweren Kosten und Risiken eine neue Anleihe zu machen. (Sehr richtigh Meine Herren, ich habe ja schon lange die Erfahrung gemacht, wie wenig im ganzen das große Publikum denn das Haus nehme ich immer aus (große Heiterkeit) finanzielle Fragen klar erfaßt und wie leicht sie verdunkelt werden. Das hat man namentlich bei Gelegenheit der Finanzreform im Reich gesehen, welche ungeheuren Nebel über diese Sachen verbreitet sind, und wie viele Menschen in diesen Nebeln stecken geblieben sind.

Aber ich glaube, ich brauche doch nur wenig hinzuzufügen, denn sowohl der Herr Berichterstatter, als Herr Dr. Krause, als namentlich der Präsident der Budgetkommission haben die ganze Sache so klar dargelegt, daß mir eigentlich noch sehr wenig zu sagen übrig bleibt; ich möchte nur noch eine kleine Nachlese halten. Der Abg. von Eynern sagt ganz ungemein sicher: die Eisenbahnverwaltung braucht keinen Betriebsfonds. Ich möchte ihn bloß fragen, ob er sein früheres Geschäft ohne Betriebsfonds geführt hat. (Heiterkeit)

Ich möchte mal ein großes Unternehmen kennen, welches keinen Betriebsfonds braucht. Ja, wenn man hätte vorsichtig sein wollen, was man in Preußen nicht gewesen ist (hört! hört!) das ist eben eine der Unterlassungen die wir jetzt nachholen müssen so

müßte man, wie früher im Königreich Hannover, bei jeder Neu⸗ bewilligung einer neuen Bahn zugleich den Betriebsfonds dafür be⸗ willigen. Das ist nie geschehen; wir haben sogar die Betriebsfonds, die uns von den Privatbahnen überkamen, zu anderen Zwecken ver⸗

wendet und den nothwendigen Betriebsfonds der Gisenbahn entzogen.

Nun sagt Herr von Eynern: Wenn ihr bisher keinen fonds gebraucht habt, warum braucht ihr denn in Zukunft einen solchen ? Ihr habt ja bisher keine Schatzanweisungen ausgegeben. Nicht un. richtiger als diese Frage, und keine Frage beweist mehr, daß Herr von Eynern die eigentliche Sachlage durchaus irrig auffaßt. Denn, wir haben bisher einen Betriebsfonds gehabt; wir werden denselben Betriebsfonds in Zukunft haben. Glauben Sie denn, daß die Gisenbahn. 91 Millionen, wie das mal zusammengestellt ist, an Materialien beschaffen kann, ohne Geld zu haben?! Die Materialien kommen doch erst später zur Verwendung und bringen doch erst später Rente; aber bezahlt muß doch den Fabrikanten werden. Wir bestellen ja viele Materialien, die wir schon in der Arbeit zum theil bezahlen, wenn wir Vorschüsse geben. Woher entnimmt die Eisenbahn diese Vorschüsse? An jedem Viertel. iahrstag hat die Eisenbabn 40 Millionen pränumerando für Beamten gehälter zu zahlen. Hat sie dafür schon die Einnahmen? Nein, sie muß die 40 Millionen vorausbezahlen. Also ein Betriebsfonds war da. In dieser Beziehung ist nichts geündert. Daß 25 000 Km Eisen⸗ bahnen ohne Betriebsfonds betrieben werden können, das ist etwas, was man eigentlich gar nicht in einem so hoch angesehenen Hause wie dem Abgeordnetenhause auseinanderzusetzen braucht. (Heiterkeit)

Wodurch haben wir nun den Betriebsfonds bisher bekommen? Wir haben ihn dadurch bekommen, daß wir am Anfang jedes Jahres Anleihen aufnahmen, welche bestimmt waren für bestimmte Kredite, deren Ausführungk noch garnicht unmittelbar bevorstand, und ich habe das immer für eine wenig konstitutionell korrekte Sache ge— halten. (Sehr richtig! rechts) Ich habe mich nach dem Zeit« punkt gesehnt, wo wir aus dieser konstitutionellen Inkorrekt. heit, kann man wenigstens sagen, herauskommen könnten. Diese Anleihen haben nun uns doch Zinsen gekostet. Oder glauben Sie, meine Herren, daß die Börse uns die Anleihe umsonst gegeben hat? Heiterkeit; Wir haben doch Zinsen dafür bezahlen müssen. Wenn wir das in Zukunft nicht mehr brauchen, sparen wir dann nicht an diesen Zinsen? Wenn ich keine Anleihe zu diesem Zweck im Januar mache, spare ich dann nicht die Jahreszinsen dieses ganzen Be⸗ trags? (Zuruf links: Nein) Nein? (Zuruf links: Geld verzinst sich doch auch) Erlauben Sie] Wenn ich 100 Millionen MarkAnleihe aufnehme im Januar, so muß ich vom Januar ab die Zinsen bezahlen. Diese 100 Millionen Mark lege ich hin, damit dieselben als Betriebsfonds der Königlichen Eisenbahnverwaltung dienen. Wenn ich in Zukunft nun diese 100 Millionen Mark nicht aufnehme, weil ich daz Geld selbst besitze, so spare ich doch die Zinsen der Anleihe, die ich aufgenommen habe. (Zuruf links: Nein! Heiterkeit.) Darüber kann doch nicht der mindeste Zweifel sein. Dagegen kommen natürlich in Ausgabe (aha! links) die Zinsen des Betriebs⸗ fonds, den ich selbst besitze. Ja, aha! (Heiterkeit)

Ich will ja nur auseinandersetzen, daß wir durch diese Operation gegen früher keine Zinsen verlieren. Früher haben wir die Anleihe im Anfang des Jahres aufgenommen und haben Zinsen dafür zahlen müssen, und jetzt nehmen wir sie überhaupt nicht auf, müssen uns aber allerdings die Zinsen des Fonds zur Last legen. Folglich tritt in dieser Beziehung gar kein Unterschied ein. (Sehr richtig! rechts.) Finanziell kann der Staat nichts dabei verdienen.

Nun hat der Herr Berichterstatter vollkommen richtig gesagt, daß hier nur bestimmte Wege sind. Entweder wir schreiben die Sache auf Anleihe, vermindern dadurch neue Anleihen; dann sparen wir die Zinsen dieser neuen Anleihen, sind dann aber genöthigt, uns einen neuen Betriebsfonds zu schaffen. Diesen können wir uns nur beschaffen durch eine neue Anleihe. Das, glaube ich, würden Sie selbst doch für geradezu sonderbar halten. Weiter kann ich darüber nichts sagen. (Sehr richtig! rechts) Sie würden mich ja nur zwingen, ganz unnütz die ganzen Spesen und Risiken einer neuen Anleihe zu laufen. Es leiht kein verständiger Mensch Geld, wenn er welches in der Tasche hat; oder aber wir operieren mit Schatzanweisungen. Darübet möchte ich ein paar Worte sagen. Schatzanweisungen sind schwebende Schulden; eine rationelle, solide Finanzverwaltung nimmt schwebende Schulden auf die Dauer nur auf für vorübergehende Bedürfnisse, wenn man mit Sicherheit sagen kann: hier ist ein extra— ordinäres, plötzlich herantretendes Bedürfniß, mein ordinaͤrer Betriebsfonds reicht nicht dazu aus; ich habe auch die Mittel, das kann ich berechnen, um zur bestimmten Zeit zurückzuzahlen. Aber für einen Betriebsfonds der Eisenbahnen, der permanent ist, der jahraus, jahrein mindestens in gleicher Höhe, wenn nicht steigend bleibt, dafür das nöthige Kapital mit Schatzanweisungen zu beschaffen, wäre im höchsten Grade unsolide und gefährlich.

Meine Herren, zieht ein privater Geschäftsmann nicht vor, Be⸗ triebskapital selbst zu besitzen, als es sich zu beschaffen durch Banquier⸗ kredit? Ist aber die Sache für den Staat nicht noch viel bedeutsamer und dringlicher? Sollen wir durch Banquierkredit dauernde Bedürf⸗ nisse befriedigen? Herr von Huene hat die Folgen schon auseinander⸗ gesetzt. Bin ich denn in der Lage, wenn ich etwa 100 Millionen Schatzanweisungen laufen habe, selbst noch Über den richtigen Zeitraum einer definitiven Anleihe zu disponieren? Nein, meine Herren, dann können die Banquiers oder diejenigen, die die Gelder vorgeschossen haben, ihrerseits einen Zwang gegen die Verwal⸗ tung dahin ausüben (sehr richtig! rechts), wann die Anleihe aufgenommen werden soll. (Zuruf rechts: das wollen siel) Das wollen sie ? (Zuruf rechts: die Banquiers!) Aber das ist doch kein Staatsinteresse (Heiterkeit), sondern das geht doch nach der entgegengesetzten Seite. Meine Herren, es ist vollkommen richtig, daß es Zeiten giebt, w⸗ es billiger ist, bei niedrigem Diskont mit einer schwebenden Schuld zu wirth— schaften. Dennoch aber wird ein Privatmann es lieber sehen, selbst in solchen Zeiten eigene Mittel zu besitzen, als in der Hand eines Gläubigers sich zu befinden. Außerdem können die Zeiten auch einmal ganz anders kommen, wo plötzlich der Diskont in die Höhe geht, wo man zu 4, 5 und 6 Yo schließlich die Schatzanweisungen unterzubringen hat, und wo es sehr unbequem ist, zu einer bestimmten Zeit zurücklahlen zu müssen. Herr von Huene hat schon leise darauf hingedeutet, daß die Entbloͤßtbheit von Mitteln zu einer Zeit, wo besonders große Bedürfnisse an die Staatsverwaltung herantreten, daß die Entblößtheit von einem solchen nothwendigen Betriebsfonds und die Verweisung auf Schatzanweisungen doch sehr bedenklich und unbequem sein kann. Ich will nicht einmal an eine Mobilmachung denken, obwohl das doch auch immer eine Möglichkeit ist, und in welcher Lage wir wären, wenn wir die Vorschüsse für die Betriebs verwaltung der Gisenbahnen durch Schatzanweisunen genommen hätten. Vielleicht

Justimmung geben müssen zu der bemessenen Höhe des Fonds; denn

laufen in diesem Moment S0 bis 80 Millionen Schatzanweisungen ab.

wärden mir da für Bedingungen gestellt werden! Ja, würde man berhaupt vielleicht in der Lage sein, die Schatzanweisungen erneuern zu lassen? In solchen Zeiten haͤlt jeder sein

Geld jurück. Die laufenden Verpflichtungen der Eisenbahnen

kommen heran: es sind 20 Lokomotiven geliefert; der Termin der Zablung ist da, kann ich der Eisenbahn die Mittel verweigern, solche lungen zu leisten? Können aber nicht Herr von Huene hat auf sroße Kohlenstrikes und derartige Dinge hingewiesen selbst im ieden solche Momente kommen? Kann der Betriebsfonds der Heneralftaatskasse nicht auch bei großen Unglücksfällen u. s. w. n der stärksten Weise in Anspruch genommen werden? So ift vollkommen klar, daß, selbst wenn ein kleiner Zins perlust dabei wäre, die Solidität einer großen Verwaltung, wie doch der preußische Staat sie führt, verbietet, dauernde Bedürfnisse dauernd durch schwebende Schulden zu decken.

Meine Herren, Herr von Eynern hat gemeint: wir bänden das aherrenhaus. Nein, meine Herren, durch Resolutionen können wir kein

enhaus binden; das Herrenhaus kann ja morgen eine entgegen gesetzte Resolution fassen, dann bin ich so klug wie zuvor. Das herrenhaus kann jzustimmen oder kann nicht zustimmen. Die Budget⸗ kommission im Herrenhause wird wahrscheinlich die Frage seiner Zeit ebenso behandeln und ist jeder Zeit in der Lage, dem Herrenhause in dieser Beziehung nun den Ausspruch in Form einer Resolution rorzulegen.

Meine Herren, Herr von Eynern hat nun gemeint, es wäre doch jedenfalls jetzt noch zu früh; denn wir wüßten gar nicht, wie der Gtat abgeschlossen werde. Hat denn diese Frage mit dem vorliegenden Ctat das geringste zu thun?

Es ist angedeutet worden, auch von Herrn Dr. Bachem, in einer nir unverständlichen Deduktion: man könnte doch möglicherweise das Defizit dieses Jahres durch diesen Fonds decken. Nun, meine Herren, das nite ganz genau dasselbe, was wir hier thun! Wir decken dann das Defizit

duch unser Kapitalvermögen, welches wir besitzen, wir schreiben 4 auf Schulden ab und dann haben wir wieder keinen Betriebfonds md müssen wieder diesen Betriebsfonds durch eine Anleihe beschaffen. Ich verstehe nicht, wie man eine solche Auskunft fordern kann. Herr von Eynern stößt sich noch immer an einem ihm sehr unbequemen Ge⸗ danken; daher kommen auch, glaube ich, seine Bedenken gegen die Resolution. Gr sagt sich: in den letzten drei Jahren haben die Einkommensteuer⸗ pflichtigen zuviel bezahlt, und es wäre eigentlich danach wieder das Richtige, daß man den Einkommensteuerpflichtigen das Geld wieder jurückgebe. (Heiterkeit Die Idee hat er schon früher einmal ent— wickelt. Die Einkommensteuerpflichtigen haben aber nicht zuviel ge⸗ jablt, sie haben bezahlt, wozu sie veranlagt waren nach Maßgabe ihres Einkommens auf Grund des Gesetzes. Das ist die Lage. Sie werden in Zukunft genau dasselbe bezahlen. Wir ver— schenken ja doch nicht diesen Fonds an die Einkommensteuerpflichtigen oder wir reduzieren nicht die Einkommensteuer um 40 Millionen nein, sie zahlen jahraus jahrein genau dasselbe, hoffentlich allmählich noch mehr. Heiterkeit.)

Warum haben wir denn diese Fonds überhaupt angesammelt? Weil die Grund,, Gebäude, Gewerbesteuer und Bergwerk?ssteuer erst am 1. April dieses Jahres aufgehoben werden; wenn der Staat nun für seine allgemeinen finanziellen Bedürfnisse diese 40 Millionen ver wendet und als Fonds nicht angesammelt hätte, hätte der Staat aus den Steuern die doppelte Einnahme erzielt. Das war der Grund. Wenn wir gesagt hätten, die Einkommensteuer bringt jetzt 120 Millionen auf; die verwenden wir für allgemeine Staats zwecke, dabei üiheben wir noch bis zum 1. April 1895 Grund⸗, Gebäude- und Ge— nerbesteuer, so würde der Staat auf drei Jahre eine Einnahme fũr allgemeine Finanzzwecke verwendet haben, die er am 1. April 1895 duch Preisgabe der Realsteuern wieder verloren hätte.

Was wäre nun möglicherweise der Erfolg gewesen? Hätte nicht der Erfolg derselbe sein können wie bei den großen Ueberweisungen dem Reich und bei den starken Ueberschüssen der Eisenbahnen, wie wir siewmals herausgerechnet haben daß wir nämlich diese 120 Millionen berwendet hätten zu dauernden Ausgaben und jetzt verlören wir die l29 Millionen und hätten nichts an die Stelle zu setzen? Das ist daz Geheimniß der soviel angefochtenen Thesa urierung.

Man wollte eben verhüten, daß durch die Steuerreform dem Staat eine Mehreinnahme zuwuchs; denn das wäre der Fall gewesen, wenn wir vor Ueberweisung der Realsteuern das Plus der Einkommensteuer zu allgemeinen Staats⸗ iwecken verwenden wollten, welches eben dazu dienen sollte, um den Verlust der Realstener zu kompensieren. Ich glaube, das Haus 24 mich wohl verstanden haben, ich kann es wenigsftens nicht klarer machen.

Nun, meine Herren, wenn der Abg. von Eynern und auch Herr Dr. Bachem hat eine Art von Andeutung dahin gemacht . darauf hinwies, daß wir doch reiche Leute wären, weil vir diesen Fonds von 120 Millionen besäßen, so möchte ich an die Herren die einfache Frage richten: wenn ein Privatmann von einem Kapital von 100 Millionen 40 Millionen sährlich einnimmt, aber rechtlich verpflichtet ist, auch wieder I Millionen an andere zu zahlen, ist er dann reicher geworden? Er ist genau derselbe geblieben. Wir haben die Zinsen dieses Fonds für Schuliwecke verwendet und sie auf die General Staatskasse übernommen;

die General Staatskasse empfãngt jetzt das Geld wieder, d. h. den leichen Zinsbetrag, sie ist weder reicher noch ärmer geworden. Dat wird mir das Haus kaum bestreiten können: wenn ich dasselbe Aktipum und dasselbe Passivum habe, so habe ich Null.

Meine Herren, wenn ich nun noch zwei Worte über die konsti= tutionelle Frage sagen darf, so kann ich nur in jeder Weise bestätigen, nag namentlich der Herr von Huene ausgeführt hat. Das Haut leit in allen seinen Rechten; wenn das Haus hinterher die Maßnahmen nicht genehmigen will oder ihm der Betriebsfonds zu hoch genommen eischeint, fo kann das Haus sagen: ich genehmige nicht. Dann muß nuch Maßgabe des Gesetzes hinterher der ganze Fonds zur Schulden

gung verwendet werden. Das Haus hat also in jedem Augenblick

Schwert in der Hand, das zu erzwingen, was ihm gutdünkt. ö. würde der Fall sein, wenn ich das Haus garnicht gefragt wen Das Ganze kommt doch nur auf den Versuch hinaus, eine en erielle Uebereinstimmung in der Sache selbst zwischen dem Hause * Staatsregierung zu konstatieren, welche formell in keiner se bindet. Jedenfalls wird das Haus ja in vollem Maß seine

Fondg gar noch nicht bemessen. Wenn ich ihn nachher in der Rechnung auf 100 Millionen bemesse, und das Haus würde glauben, 50 Millionen wären genügend, gut, so müssen 50 Millionen aus dem Betriebs. fonds heraus, und diese 80 Millionen müssen zur Schuldentilgung verwendet werden. Es bleibt also dem Hause in dieser Beziehung jede Freiheit, und die einzige Frage, worauf es ankommt, ist die Frage materieller, finanzieller Zweckmäßigkeit, und ich glaube, darüber kann nicht der geringste Zweifel sein, daß diese im höchsten Grade vorliegt, und wir können uns glücklich schätzen, daß wir aus einer mehr oder weniger unsoliden und inkorrekten Finanzgebahrung durch den zu⸗ fälligen Besitz eines solchen Fonds heraus und auf solide, unseren preußischen Traditionen nach allen Richtungen entsprechende Grund⸗ lagen kommen. (Bravo! rechts.)

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Nach den klaren und meines Erachtens vollständig überzeugenden Ausführungen des Herrn Finanz ⸗Ministers, des Herrn Präsidenten der Budgetkommission, des Herrn Referenten und des Herrn Abg. Dr. Krause habe ich vom Standpunkt der Eisenbahn⸗ Verwaltung nur sehr weniges hinzuzufügen. Die Eisenbahn⸗Verwaltung ist in dieser Frage erst in zweiter Linie interessiert. Die Eisenbahn⸗ Verwaltung bekommt durch den Betriebsfonds nichts Neues. Sie hat bisher, wie der Herr Finanz- Minister auch bereits aus⸗ geführt hat, diesen Betriebsfonds schon gehabt; er lag für sie in den bereiten Mitteln der General⸗ Staatskasse. Die Eisenbahnverwaltung war in der Lage, aus der General Staatskasse die Beiträge entnehmen zu können, die sie für Zwecke brauchte, für die ihr im Etat ein Kredit nicht zu Gebote stand. Wenn Sie die Re— solution gutheißen, besteht der Unterschied gegen den früheren Zustand für die Cisenbahnverwaltung nur darin, daß den Verfügungen der Eisenbahnverwaltung eine bestimmte Grenze gezogen wird, über die sie nicht hinausgehen darf. Also es tritt eher eine Beschränkung ein, . . der Eisenbahn Verwaltung in dem Betriebsfonds ein Geschenk zuflösse.

Nun hat der Herr Abg. von Eynern bezweifelt, ob denn über— haupt die Eisenbahnverwaltung einen namhaften Betriebsfonds nöthig habe; seines Wissens habe bei Privatbahnen ein derartiger Betriebsfonds nicht bestanden. Er hat ausdrücklich auf die Bergisch⸗ Märkische Privatbahn hingewiesen. Meine Herren, das ist ein Irrthum.

Die Bergisch⸗Märkische Eisenbahn hat immer mit sehr großen Betriebsfonds gearbeitet und arbeiten müssen. Dieser Betriebsfonds wurde zum theil entnommen aus den Anleihen, die für Neubauten aufgenommen wurden, zum theil aus Erneuerungs« und Re— servefonds oder drittens aus Bangquierkrediten. Suruf.) In dieser Beziehung bin ich besser unterrichtet, als Herr von Eynern, zeitweise ist auch die Bergisch.Märkische Eisenbahn bei den Banquiers stark in der Kreide gewesen, wie das bei einem so großen Unternehmen unvermeidlich.

Meine Herren, es ist überhaupt gar nicht möglich, wie das zu⸗ treffend von den übrigen Herren Rednern ausgeführt ist, ein großes Unternehmen ohne einen Betriebsfonds zu betreiben. Kann denn ein Schienenwaljwerk ohne Betriebsfonds in Betrieb gesetzt werden? Muß es nicht außer den Herstellungskoften für das Werk und dessen Zubehör auch die Gelder zur Verfügung haben, um Kohlen, Roheisen, Kalk und alles, was zum Betrieb eines derartigen Unternehmens noth⸗ wendig ist, anzuschaffen?

Meine Herren, wie hoch die Summen sind, die in der preußischen Staatseisenbahn · Verwaltung; auf diesen Betriebs- fonds angewiesen sind, hat der Herr Finanz-Minister schon angedeutet. Es liegt mir hier ein Abschluß vom Jahre 1893/94 ver; dieser Abschluß weist allein für Materialien der Betriebs- verwaltung, also mit Ausschluß der Neubauverwaltung, deren Be— schaffungskosten im laufenden Etat keine Deckung finden, einen Betrag von 91 733 000 M auf. (Hört, hört h

Meine Herren, nun kann ja mit Recht die Frage aufgeworfen werden: ist es überhaupt nothwendig, mit derartig erheblichen Vorräthen zu wirthschaften? Diese Frage ist, glaube ich, ziemlich einfach zu beant⸗ worten. Woraus bestehen diese 91 Millionen? Sie bestehen zunächst aus Betriebsmaterialien, die für den eigentlichen Betrieb nothwendig sind: Kohle, Oel und was alles dahin gehört. Wir können keinen ordnungsmäßigen Betrieb führen, wenn wir nicht jahraus, jahrein für eine nicht unerhebliche Periode diese Vorräthe liegen haben; wir würden unverantwortlich handeln, wenn wir aus der Hand in den Mund lebten, wenn wir nicht Kohlenvorräthe hätten, die uns über eine Zeit hinwegbringen können, in der wir möglicher⸗ weise durch einen Strike im Bezuge der Kohlen lahmgelegt werden.

Es bestehen zweitens sehr erhebliche Vorräthe an Oberbau— materialien. Es sind das zum theil Oberbaumaterialien, die leider, wie die Sache z. 3. liegt, von Jahr zu Jahr fortgeschleppt werden müssen, nämlich Vorräthe an solchen Schienen, Schwellen, Kleineisenzeug und anderen Dingen, die einem in früheren Jahren verwendeten, aber in neuerer Zeit verlassenen Profil angehören, die aber in gewissen Mengen vorgehalten werden müssen, um die Unterhaltung der betreffenden Strecken ausführen zu können. Sie bestehen ferner in Baumaterialien, namentlich in Vorräthen, größeren Vorräthen an Kies, Klein schlag u. s. w., und endlich in einer ganzen Reihe von Materialien, die sich in den Werkstätten, Gasanstalten u. s. w. befinden; daraus setzen sich diese 91 Millionen zusammen. Es ist seit Jahren mit der größten Strenge darauf gehalten worden, die Vorräthe an diesen Materialien nicht über das dringendste Bedürfniß hinauswachsen zu lassen. Im Laufe des Jahres nehmen die Materialien natürlicher⸗ weise erheblich ab, aber am Finalabschluß am 31. März sind sie aus ebenso natũrlichen Ursachen weit höher als im Lauf des Jahres, weil alle Vorräthe gesammelt werden müssen, um in der Frühjahrsperiode die Bauten kräftig zu beginnen, die Umlegung der Geleise zu veranlassen u. s. w.

Meine Herren, wir haben bisher, wie schon ausgeführt worden ist, die Mittel zu diesen im Etat nicht vorgesehenen Ausgaben aus den bereiten Mitteln der General⸗Staatskasse entnommen. Es hing das jum theil auch mit dem bisherigen Rechnungs« und Buchungs⸗ system zusammen, welches wir am 1. April verlassen wollen. Wir hatten für alle diese Dinge Vorschußkonten, auf die diese Ausgaben gebucht wurden. Dieses System der Vorschußkonten ist jedenfalls vom konstitutionellen Standpunkt aus nicht zu billigen, und, wenn auch die Ober⸗Rechnungskammer bisher dieses System ge⸗ duldet hat, weil es im Normalbuchungsformular vorgesehen war, so ist doch auch bei ihr, soviel ich weiß, kein Zweifel gewesen, daß es

ich gebe kia selbst zu: in dlesem Augenblick kann ich ke öh be.

dringend wünschenswerth sei, dieses System zu verlassen und zu einer

direkten Verrechnung der Materialien zu kommen. Dazu bietet fich jetzt Veranlassung einerseits durch die Aenderung des Buchungssystems und andererseits durch den außerordentlich glücklichen Umstand, daß genügend Geld vorhanden ist, um einen Betriebsfonds zu bilden. Ich möchte daher von meinem Standpunkt aus, von dem dringenden Interesse aus, welches die Eisenbahn Verwaltung nicht minder wie die Finanzverwaltung hat, in korrekte dem konstitutionellen System entsprechende Bahnen zu kommen, Sie bitten, der Resolution Ihre Zustimmung zu ertheilen. (Bravo

Abg. Broemel (fr. Vs.): Die Ausführungen der Herren, die für die Resolution sprachen, führen mich gerade zu der Ansicht, daß die Entscheidung, wenn sie getroffen wird, nothwendig eine definitive sein muß. Wenn wir eine vorläufige Entscheidung treffen, müßten wir bei der Rechnungsübersicht eventuell den Nachweis führen, daß die Verwendungen der Gelder inkorrekt waren, während bei Verwen= dung der Fonds ohne vorherige Zustimmung unfererfeits der Herr gina · Min iste den Nachweis erbringen müßte, daß sein Verfahren grrekt war. Der Herr Eisenbahn-⸗Minister hat über die Höhe der Materialien Aufschluß gegeben; es wäre mir aber erwünscht, wenn bis zur definitiven Regelung der Sache dem Abgeordnetenhaufe weitere ziff ermãßige Angaben gemacht würden. Es wäre vor allem der Nachweis zu führen, ob eine so hohe Inanspruchnahme der General- Staats kasse nöthig war. Ein prinzipieller Widerspruch gegen die Bildung eines Betriebsfonds besteht im Hause überhaupt nicht.

Abg. Freiherr von . irch (fr. kons.): Materielle oder prinzipielle Einwendungen sind gegen die Resolution nicht ge— macht worden. Es ist vielmehr in der Diskufsion anerkannt wörden, daß der bisherige Zustand konstitutionell und finanziell nicht wünschens⸗ werth ist. Konstitutionell ist es mißlich, daß die Eisenbahnausgaben in Form einer schwebenden Schuld gebucht werden müssen, finanziell unzulässig, daß Anleihen vor der Zeit flüssig gemacht werden müffen, um Ausgaben zu bestreiten, die dem Betriebsfonds entnommen werden müßten. Herr von Huene hat mit Recht darauf hingewiesen, daß es wünschengwerth fei, die Finanzverwaltung unabhängig von der Boͤrse und der Großfinanz zu machen. Wenn irgendwelche innere oder äußere Verwickelungen eintreten, bei denen schnell große Summen flüssig gemacht werden müssen, würden wir uns sagen müssen, daß wir einen schweren, verhängnißvollen Fehler begingen, wenn wir die Schaffung eines Betriebsfonds nicht gut hießen. Konstitutionell hätte ich es für wünschenswerther und korrekter gehalten, wenn über die Verwendung der Fonds in Form eines Etatspostens abgestimmt worden ware. Cs steht der Staatsregierung noch frei, den Weg des Gesetzes in Form eines Nachtrags⸗Etats zu wählen. Herr von Huene hat aber klar dargelegt, daß unsere Stellung durch den vorgeschlagenen Weg nicht alteriert wird. Ge— nehmigen wir die Verwendung der Fonds nachträglich überhaupt nicht oder nicht in ihrer ganzen Höhe, so sind wir im stande, noch unseren Willen durchzusetzen und bestimmte Summen zur Abschreibung von Anleihen zu verwenden. Ich habe also gegen die Refolution nichts einzuwenden, wenn auch ein anderer Weg formell besser gewesen wäre. Nun haben einzelne Vorredner dagegen Bedenken gehabt, daß wir uns jetzt präjudizieren. m laufenden Etat hätte eine bestimmte Air nicht gemacht werden können, da. die Höhe der Ausgaben, vor Allem der Einnahme— posten, nicht fest zu bestimmmen war. Wünschenswerth ist eine Annahme von dem Standpunkt aus, daß das Haus der Abge⸗ ordneten und die Staatsregierung Hand in Hand gehen sollen, um über das Wohl des Landes zu berathen. Cine vorherige Verstän— digung entspricht dem Wesen unseres Koastitutionalismut. In der Höhe der Summe präjudizieren wir uns nicht. Herrn Broemels Be— mängelungen bezogen 16. aber nur auf die Höhe der Summe. Soweit die Anforderungen an den Betriebsfonds berechtigt sind, werden . erfüllt werden können, wenn auch über die Hohe eine prinzipielle Entscheidung nicht ge. wird. Eher habe ich nach anderer Richtung materielle Bedenken. Mehrere Tage haben wir uns über Agrarfragen unterhalten. Es ist dabei erörtert worden, daß es ohne staatliche Hilfe nicht möglich sein würde, den Personal⸗ und Real⸗ kredit auf dem platten Lande zu heben. Es wäre wünschenswerth ge⸗ wesen, wenn aus den bereiten Mitteln von Kreditinstituten Fondz hätten zur Verfügung gestellt werden können, um den Perfonalkredit zu heben. Durch Schaffung des Betriebsfonds wird aber die Seehandlung stärker in ihren Mitteln werden. Im Interesse der Erfüllung unserer Wünsche, daß den öffentlichen Kreditinstituten Fonds aus Staats— mitteln zur Verfügung gestellt werden, um auch den bäuerlichen Kredit zu heben, hoffe 9 daß diese Mittel vorhanden sein werden, um zur Stärkung des ländlichen Besitzes zur Verwendung zu kommen. Wenn diesen Bedürfnissen entsprochen werden kann, wie ich glaube, kann ich die Resolution zur Annahme empfehlen.

Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum (kons) erklärt namens seiner Partei, für die Resolution stimmen zu wollen.

Die Resolution der Kommission wird angenommen. Dagegen stimmen die Freisinnigen, ein großer Theil des Zentrums und einige Nationalliberale.

Im Extraordinarium des Eisenbahn⸗Etats werden für bauliche Anlagen aus Anlaß der Berliner J im Jahre 1896 1100 000 K ge⸗ ordert.

Abg. von Riepenhausen (kons.): Ich bedaure, daß die Stadt Berlin sich nicht hat bereit finden lassen, auch nur einen Pfennig zu den Kosten dieser Anlagen beizutragen. Wie viel Bedürfnisse werden in den Provinzen nicht berücksichtigt, weil die Provinzen erklären, keine Beiträge leisten zu können! Ganz kleine Anlagen in der Provinz unterbleiben, wenn kein Beitrag gezahlt wird, und hier will man so große Summen bewilligen, ohne einen Beitrag der reichen Stadt Berlin. Wir haben dem Bahnbau nur zu⸗ estimmt, weil wir mit der Regierung annehmen, daß die Än— agekosten durch die Einnahmen gedeckt werden. In 561 auf die Anlage einer elektrischen Bahn richte ich die Anfrage an die Regierung, ob sie nicht von einer solchen Anlage mit gleichartigen Gleisen und mit direktem Anschluß an die Eisenbahn eine Konkurrenz fürchtet. Sodann frage ich, ob es sich bestätigt, 6. die Stadt Berlin sich nicht nur geweigert hat, einen Zuschuß bei Beseitigung des Niveauüber⸗ ganges in Stralau ⸗Rummelsburg zu leisten, sondern auch zur Hergabe von Grund und Boden nur durch Enteignung veranlaßt werden kann.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Ich habe nicht die Aufgabe und auch nicht die Pflicht, hier als Anwalt für die Stadt Berlin aufzutreten. Auch ich muß meinerseits bedauern, daß bei den Verhandlungen, die wir mit der Stadt Berlin über einen Beitrag zu den Kosten zu dieser Anlage gepflogen haben, nichts herausgekommen ist. Aber, meine Herren, ich möchte doch zur Aufklärung thatsächlich das anführen, daß die Stadt Berlin zu der Ausstellung 6 Millionen Mark bewilligt hat (hört! hört h, und daß sie nur darum für diese Eisenbahnanlage nichts ge⸗ gegeben hat, weil sie ihrerseits von der Ansicht ausgegangen ist ich habe das natürlich bestritten daß an diesen Ausgaben nur die Staats⸗Eisenbahnverwaltung ein Interesse hätte, indem sie ja auch die Einnahme davon erhielte. (Sehr richtig! links.)

Meine Herren, wir haben infolge der Nichtbewilligung, wie der Herr Vorredner bereits ausgeführt hat, das Projekt einfacher ge⸗ staltet. Aber, meine Herren, was jetzt im Extraordinarium steht, 1100000 4, müssen wir ausgeben, um unsere bestehenden Anlagen soweit auszubilden, daß wir dem zu erwartenden Verkehre genügen können. Die Staats. Eisenbahnverwaltung kann und darf sich nicht in die Lage setzen, daß gegenüber einem solchen Unternehmen dem ju erwartenden großen Andrang aus allen Ländern

die Staatg⸗Gisenbahnverwaltung mit ihren Ginrichtungen unleistungs