1895 / 42 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 16 Feb 1895 18:00:01 GMT) scan diff

Bedenklichste ift, daß die Landwirthe heutzutage gar nicht wissen, * fie an hee, fellen. Die Preif? fallen fortwãhrend; fie wissen nicht, wie hoch sie den Zentner Weizen ver⸗ anschlagen sollen. Im Jahre 1879 lautete ein von amtlicher Stelle in England , Gutachten dahin, daß der Weizenpreis nicht unter 40 Schilling sinken würde. Nach zwoͤlf Jahren aber war er schon auf 30 gefallen, und im Juni 1894 stand er auf 19. Wenn eine amtliche Relation in fünfzehn Jahren so auffallend Lügen gestraft werden konnte, da sagt sich doch der Landwirth in der ganzen Welt: Wo soll das hinaus? Wie soll man noch ein r . aufftellen kõnnen? Wenn man wenigstens nur garantierte, daß es beim etzigen Zustand bliebe! Dann würde nur die gegenwärtige eneration der Landwirthe zu Grunde gehen eine Situation, wie sie manche Perren erstreben ein begehrenswerthes Ziel ist es nicht, aber immer noch acceptabler als der jetzige Zustand. Die Bimetallisten sehen den Grund in der Entwerthung des Silbers. Sie wissen, wie gut es Frankreich bei seiner Silberwährung gezangen ist, das bis 1870 das reichfte Land war. Es hat seine hohe Kriegsentschädigung in über- raschend kurzer Zeit zahlen können. Die englische Regierung wird früher oder später die Doppelwährung einführen müssen. Selbst ihre größten

abriken können nicht mehr mit Indien konkurrieren. Die Inder müssen 26 Zinsen in Gold bezahlen, stawerden immer unzufriedener, und es kann schließlich zu Verwicklungen in Asien kommen. Die Verhältnisse in Argentinien sind bereits gestreift worden. Der gewaltige Unterschied in der Währung macht es dem dortigen Landwirth möglich so billig zu verkaufen. . eine feste Norm zwischen Gold und Silber fest— gesetzt wird, wird das Silber bald zu seinem richtigen Verbältniß zurückkehren; denn diejenigen, die Schulden zu bezahlen haben, werden fich mit aller achl auf das billigere Material werfen, und dieses wird dadurch von selbst steigen. Es kann kommen, daß das Geld wieder knapper wird, und da ist es besser, wenn man beide GSdelmetalle wieder in Umlauf setzt. Die englische Währungs— kommission hat sich im Jahre 1880 einstimmig dahin ausgesprochen, daß ein Zustand möglich ist, in welchem eine feste Werthrelation be⸗ steht. Es ist außer Zweifel, daß Frankreich und Nord⸗Amerika geneigt find, auf internationale Verhandlungen einzugehen; England wird über kurz oder lang folgen. Ob schen heute, wage ich nicht zu beurtheilen, aber ich halte es für nützlich, daß diese wichtige Frage hier zur Diskussion gebracht ist. Ich freue mich auch, daß die Diskussion ohne Schärfe geführt, wird; das läßt, hoffen, daß wir uns näher kommen. Und ich meine, ein energischer Gold— währungs mann könnte eine Konferenz wünschen, von der er doch über zeugt sein muß, daß sie nur zur Anerkennung der Goldwährung führen kann. Ich freue mich, daß ein so einsichtiger Herr, wie Balfour, der so viele Sympathien bei allen Parteien genießt, so ein außerordentlich begabter und thätiger Mann, sich der Sache annimmt; er wird ibr durch seine Energie und Popularität noch mehr Anbänger gewinnen. Ich freue mich, daß so viele Herren in diesem Hause den Antrag unterschrieben haben, und wünsche, daß er zum Segen des Vater⸗ landes und zur Hebung unseres nationalen Wohlstandes gereichen

möge. . = ʒ Abg. Dr. Schön lank (Sog): Die Schutzzölle sind eingeführt worden nicht infolge der Goldwährung, wie die Bimetallisten glauben machen wollen, sondern als Bollwerk für den Greoßgrundbesiz Fůrst Bismarck hat verständigerweise von 1873 bis 1879 soviel Silber ab⸗ geftoßen, als nur möglich war. Die Bimetallisten versprechen von dem Bimetallismus den Bauern und Arbeitern Vortheile; den Bauern kann damit nicht geholfen werden, denn die Schulden bleiben bestehen und die Produktionskosten steigen mit den Preisen zugleich. Der Bauer würde neue Schulden machen müssen und seiner chronischen Noth würde kein Einhalt geschehen. Wenn man aber den Arbeitern ein rosiges Bild zeigt in dem Kardorff schen Zukunftsbimetallismus, so ist das erst recht falsch. Wenn eine Entwerthung des Geldes eintritt, so muß der Arbeiter fragen: wat nun? Auch in Indien hat sich herausgestellt, daß mit der Ent- werthung des Geldes die Lage der Arbeiter eine trostlose wird. Der Lohn stelgt nicht in demselben Verhältniß, wie das Geld sinkt. Wir haben keinen Grund, solche Hungerversuche anzustellen. Im besten Falle erreichen die Arbeiter nichts als eine lediglich nominelle Lohn⸗ erbhöbung. Dieselben Herren, die den Antrag unterschrieben haben, immen für die Umsturzworlage und für die Tabacksteuer. Dieselben k stimmen gegen die Koalitionsfreiheit. Die deutschen Arbeiter können in einem DWande, wo sie der Polizeiwillkür preisgegeben sind, nicht zu Gunsten der Agrarier für den Bimetallismus eintreten. Die Großgrundbesitzer wollen die Schulden in Silber bezahlen, die sie in Gold gemacht haben! Die Arbeiter haben kein Interesse, ür Agrarier und Silberproduzenten einzutreten. Will man soziale Reformen durchführen, jo muß man vor allem für die Koalitionsfreiheit eintreten, nicht eine Münzkonferenz herbeiführen. Interessant wäre eß, zu erfahren, wie die , . zu der Frage stellt. Es scheint ein Umschwung zu Gunsten der Agrarier einzutreten. Da wäre es für die Arbeiter das falscheste, für eine Münzkonferenz einzutreten. Abg. Dr. Lieber entr.): Ich danke dem Abg. Grafen Bismarck, daß er die Unterzeichner des Antrags, zu denen auch ich eböre, gegen die Unterftellungen des Abg. Barth in Schutz genommen 8 Der Abg. Barth ist aber ein Waisenknabe gegen den Abg. ö Es muß doch erst abgewartet werden, was aus der Tabackfteuer werden wird. Was die Umsturzvorlage an⸗ langt, so ist es den Bemühungen meiner Freunde heute ge⸗ lungen, das Wort Umsturz! aus dem 5 112 der Vorlage heraus⸗ ubringen. Ueber die Frage des Bimetallismus ist kaum etwas eues ju sagen. Hat der Reichskanzler eine wohlwollende Erklärung in seiner Tasche, so möge er sie nicht vorenthalten. Die Frage des Bimetallismus betrachten meine Freunde nicht als Parteifrage. Wir wollen aber den Währungswirren gegenüber, die wirthschaftliche Schäden hervorrufen, durch Einberufung einer internationalen Kon⸗ ferenz eine Loösung der Währungsfrage herbeizuführen suchen. Den guten Willen dazu haben wit; wir baben die Bestrebungen mit Freuden unterstützt, die zu dem Antrage sich verdichtet haben. Auch Windtborst würde sich zur Zeit dem Antrage gegenüber nicht anders gestellt haben. Wenn man der Nothlage entgegenwirken will, kann man nicht wirksamer eingreifen, als auf dem Gebiet des Münzwesens. Das Interefsfe von Millionen Arbeitern ist abhängig von der Exxortfähig⸗ keit der Industrie. Diese hängt wesentlich von der Gestaltung der Wäbrungsfrage ab. Es muß deshalb der Versuch gemacht werden, eine Einigung zwischen den Handel zvölkern herbeizuführen; deshalb nd meine . auch Mann für Mann für den Antrag ein⸗ getreten. Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe: Die von dem Herrn Abg. Dr. Lieber ausgesprochene Befürchtung, daß die Erklärung des Reichskanzlers auf den vorliegenden Antrag in seiner Maxve verschlossen bleiben werde infolge der Rede des Herrn Abg. Dr. Schönlank, ift nicht begründet. Ich werde Ihnen meine Erklärung nicht vorenthalten; sie ift sorgfältig ausgearbeitet, und ich boffe, daß Sie sie als eine wohlwollende anerkennen werden. Gs kann ja nicht meine Absicht sein, auf die Einzelheiten einer währungspolitischen Debatte einzugehen, da hierdurch weder die ab⸗ weichenden Anschauungen, welche auf diesem Gebiet heworgetreten d, beglichen, noch wesentlich nene Momente zur Beurtheilung des Sachverhaltnisses beigebracht werden können. Indessen glaube ich Ihnen doch folgende Erklärung abgeben zu sollen. Ohne unserer Reichswährung zu präjudizieren, muß man ju⸗ geftehen, daß der zunehmende Werthanterschied jwischen den beiden Münjmetallen auch auf unser Erwerbe leben eine nachtheilige Rück- wirkung ausübt. (Hört, hört! rechts) Im weiteren Verfolg der Beftrebungen, welche zur Einberufung der Silberenqustekommission gefülrt haben, bin ich des balb geneigt, mit den verbündeten Regierungen in Erwägung ju ziehen, ob nicht mit anderen, an der Bewerthung des

Dr. Schẽnlan

Meinungsaustausch über gemeinschaftliche Maßregeln jur Abhil einzutreten sein möchte. (Bravo! rechts und in der Mitte.) ierauf wird die weitere Berathung vertagt.

chluß fi / Uhr.

Prensßischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 21. Sitzung vom Freitag, 15. Februar.

Auf der Tagesordnung steht die zweite Berathung des Etats des Ministeriums des Innern.

Ueber den Beginn der Sitzung ist gestern berichtet worden. S Nach dem Abg. Dr. von Jazdzewski nimmt das Wort Minister des Innern von Köller:

Meine Herren! Ich bin zunächst dem Herrn Abg. Dr. von Jazdzewski dankbar verpflichtet, daß er es als seine Aufgabe bezeichnet hat, in dieser, wie er sagte, heiklen Materie Frieden zu stiften und nicht die Zwistigkeiten, die draußen im Lande herrschen, weiter zu schũren. .

Ich hätte dem Herrn Abg. Motty schon auf seine Frage bei der

ersten Lesung geantwortet, wenn ich nicht durch andere Geschäfte ver hindert worden wäre, hier im Hause anwesend zu sein. Ich werde daher heute, nachdem der Herr Abg. Dr. von Jazdzewski diese Frage von neuem zur Diskussion gestellt hat, auch die Gelegenheit benutzen, dem Herrn Abg. Motty auf seine Anfrage, die er gelegentlich der ersten Lesung des Etats gestellt hat, zu antworten. Der Herr Abg. Motty begann bei jener Diskussion seine Aus führungen damit, daß er sagte, jener Verein zur Förderung des Deutsch⸗ thums in den Ostmarken, über dessen Tendenz und dessen Inhalt der Herr Abgeordnete sich eingehend hier beschwerte, widerspreche zunächst dem F 8 der Vereinsordnung ven 18650, und wenn er, wie er äußerte, auch nicht den Verein bei der Regierung um dieses willen denunzieren wolle, so sei er doch der Ansicht, daß der 5 8 des Vereinsgesetzes platz zu greifen habe, welcher bestimmt, daß politische Vereine Frauen nicht aufnehmen und mit anderen politischen Vereinen nicht in Ver⸗ bindung treten dürfen.

Es waren diese Ausführungen des Herrn Abg. Motty gewisser maßen ein Appell an die Staatsregierung, daß sie in dieser Frage das geltende Vereinsgesetz und die Bestimmungen, welche in demselben enthalten sind, nicht genügend zur Durchführung bringe. Nun wolle der Herr Abg. Motty entschuldigen, wenn ich ihm sage, daß der 8 8 auf jenen Verein überhaupt nicht zutrifft. Der § 8 spricht nur von politischen Vereinen, während hier die sedes materiae in § 2 des Vereinsgesetzes liegt, da es sich um einen Verein handelt, welcher die Erörterung öffentlicher Angelegenheiten bezweckt. Es ist somit die Vorbemerkung, die der Herr Abg. Motty machte, daß 5 3 verletzt sei, nach meiner Auffassung nicht richtig, indem die Bestimmungen des 52 für den Verein maßgebend sind, nicht diejenigen des § 8.

24 Herr Abg. Motty hat sodann in seinen weiteren Ausführungen den Ausspruch gethen und der Herr Abg. Jazdzewski hat, wenn auch nicht mit denselben Worten, so doch demselben Sinne nach auch denselben Satz heute ausgesprochen daß das ganze Deutschland aufgerufen wird zum Kampfe gegen das Polenthum und gegen das Slaventhum, in einen Boykott, in einen Vernichtungskampf einzutreten; sogar Beamte, evangelische Geistliche nehmen daran theil, und, so führte der Herr Abg. Motty aus, die ganze Schuld, die die Polen träfe, sei ihre Existen; überhaupt. Ich glaube, daß der Herr Abg. Motty bei diesen Ausführungen über die Grenze hinausgegangen ist, welche eine richtige Kritik des Vereins innehalten muß, und ich glaube auch, daß er die Sache zu schwarz geschildert hat und daß er dem Verein mit diesen Behauptungen, die er aufgestellt hat, Unrecht gethan hat. Er setzte seine Ausführungen fort mit den Be— merkungen: nicht sie, die Polen, sondern die Deutschen seien die An⸗ greifer; wer es anders sage, könne es doch nur im Scherze behaupten. Er verlange, sagte der Herr Abg. Mottv, kein Einschreiten der Staatsregierung gegen den Verein, das sei ungesetz lich; und da hat der Herr Abg. Motty Recht. Wir können nicht gegen Vereine gesetzlich einschreiten, soweit sie diejenigen Bestimmungen, welche das Vereinsgesetz vom 11. März 1850 vorschreibt, erfüllen.

Dann zum Schluß seiner Ausführungen stellt der Abg. Motty vier Fragen an die Königliche Staatsregierung, zu deren Beantwortung ich mich verpflichtet halte. Er fragte zunächst: Liegt es im Interesse der Allgemeinheit, daß in Zeiten äußeren Friedens Zwiespalt in ein Land geworfen wird?“ Diese Frage kann ich einfach mit Nein beantworten, es liegt nicht im Interesse der Allgemeinheit. Aber, meine Herren, ich glaube, man soll niemanden danach beurtheilen, wie man ihn sich selbst schildert und malt, sondern man soll doch zunächst den, über den man urtheilen will, hören und aus seinen eigenen Worten erst einmal entnehmen, welche Zwecke und welche Tendenzen der Betreffende, den man anklagt, denn eigentlich hat. Nun hat, meine Herren, in allen Publikationen, die der Verein bisher erlassen hat und ich glaube, es liegt mir ziemlich vollständig das Material hier vor bat der Verein jeder⸗

zeit betont und hervorgehoben, daß er nicht ein Verein sei zur Be—⸗ kämpfung oder zur Niederwerfung des Polenthums, sondern daß er ein Verein sei zur Stärkung des Deutschthums in den Ostmarken, wo eben die verschiedenen Nationalitäten untereinander wohnen. Meine Herren, im ersten Aufruf, den der Verein erlassen hat, finden Sie strikte den Satz ausgesprochen: Der Verein denkt nicht im geringsten daran, polnische Geschäfte

zu boykottieren, muß aber bedauernd hervorheben, daß die Deutschen vielfach die polnischen Geschäfte zu Ungunsten der deutschen be⸗ vorzugen. Das ist von dem Herrn Abg. Motty und auch von Herrn Abg. von Jazdzewski als ein Boykottieren des Polenthums in Deutsch—⸗ land bezeichnet worden. Ich glaube, auch das ist übertrieben und trifft nicht zu. In einem anderen Aufruf, welcher im Dezember 1894 erschienen ist, wird ausdrücklich betont: Die Tendenz des Vereins läßt sich durch das kurze Wort kenn⸗ zeichnen, daß er ein Verein für das Deutschthum, nicht gegen das

Polenthum ist. Das Bestreben des Vereins, die deutschen Elemente

in den Ostprovinzen zu sammeln und zu eigener Kraftentwickelung

veranlassen, ist durchaus vereinbar mit dem Bewußtsein, auch gegen. über unseren slavischen Mitbürgern Gerechtigkeit walten zu lassen. Meine Herren, solche Sätze, in denen immer der Gedanke ausg. gesprochen wird: nicht gegen das Polenthum, sondern für das Deutsch⸗ tbum, solche Sätze finden sich in allen Rundschreiben und Ver.

öffentlichungen, die mir bisher zu Gesicht gekommen sind, und i

glaube, es ist übertrieben, wenn man den Herren, die diese Publika⸗ tionen erlässen haben, andere Motive unterschiebt, als sie s bisher in der Oeffentlichkeit ausgesprochen haben. Der Herr Abg. Motty sagt in seiner zweiten Frage: Liegt es im Interesse des Ansehens der Staatsgewalt, daß Königliche Beamte den Polen den Vernichtungskrieg erklären?! Diese Frage beantworte ich mit einem runden Nein! Es liegt nicht im Interesse der Staats. gewalt, daß Königliche Beamte den Polen den BVernichtungskrieg erklaren. Aber, meine Herren, auch dem Grundgedanken, der dieser Frage bei dem Herrn Abg. Motty zu Grunde gelegen hat, muß ich den Vorwurf machen, daß er über das Ziel hinausgeht. Meine Herren, wo hat denn ein Königlicher Beamter den Polen den Vernichtungskrieg er⸗ klãrt? Mit ist bisher irgend eine schriftliche oder gedruckte Aeußerung in der Hinsicht nicht bekannt geworden, und ich glaube auch kaum, daß Sie in der Lage sein werden, eine derartige gedruckte oder schrift⸗ liche Aeußerung eines Königlichen Beamten irgendwie zur Stelle zu bringen.

Die dritte Frage, die der Herr Abg. Motty an die Staatz. regierung gestellt hat, lautete: Liegt es im Interesse der christlichen Moral, daß Diener der Kirche den Haß gegen ihre Mitmenschen pre⸗ digen?‘ Nein, Herr Abg. Motty! Auch diese Frage kann ich rund mit Nein beantworten. Das liegt nicht im Interesse der christlichen Moral. Aber ich sage auch hier wieder: ich habe nichts gefunden, wo irgend ein Diener der Kirche den Haß gegen die Polen, seine Mit⸗ menschen, gepredigt hat. Nach allen Listen, nach allen Publikationen, die mir vorliegen, sind unter den Aufrufen nur zwei evangelische deutsche Pastoren verzeichnet. Ich glaube also, Recht zu haben, wenn ich be⸗ haupte, daß aus dem Umstande, daß zwei evangelische Pastoren den Aufruf zur Bildung jenes Vereins mit unterschrieben haben, sich nicht die Behauptung ableiten läßt, wie es der Abg. Motty gethan hat, daß die Diener der Kirche den Haß gegen ihre Mitmenschen gepredigt haben. Generell haben Sie vollständig Recht, Herr Motty, aber es ist eben bisher nicht geschehen.

Endlich die vierte Frage, die Herr Abg. Motty stellte: Wird nicht den Polen durch solches Vorgehen unmöglich gemacht, ihre Pflichten gegen den Staat zu erfüllen? Auch diese Frage muß ich mit Nein beantworten. Durch das Vorgehen jenes Vereins zur Förderung des Deutschthums in den Ostmarlen wird meines Wissens und meiner Auffassung nach bisher es keinem Polen unmöglich ge— macht, seine Pflichten gegen den Staat zu erfüllen.

Meine Herren, ich glaube, der Herr Abgeordnete Motty hat in seinen Ausführungen gelegentlich der ersten Lesung des Etats etwas über das Ziel hinausgeschossen, und der Aufforderung des Herrn Abg. von Jazdzewèki folgend, glaube ich, ist es gut, daß man diese Frage nüchtern und ruhig behandelt und nicht erregt; denn das giebt auf beiden Seiten böses Blut und heftige Diskussionen, die zu nichts

ren. ö Meine Herren, der Herr Abg. von Jazdzewski hat vorhin gesprochen über den Mareinowski'schen Verein, der 1841 unter Zustimmung der Regierung gegründet sei, daß der Verein noch heute wie 1841 seinem humanitären Zweck entsprechend nützlich wirke und dafũr sorge, daß Studierende und Gymnasiasten aus den Mitteln dieses Vereint unterstützt werden. Der Herr Abgeordnete hat gesagt: wie weit die Stimmung der Regierung für diesen Verein im Jahre 1841 ge⸗ gangen sei, könne man aus dem Umstand ersehen, daß die Staatẽ⸗ regierung dem Verein Portofreiheit zusicherte. Nun, meine Deren, ich frage die Herren Polen ehrlich: Wenn heute die Staatsregierung jenem Verein zur Förderung des Deutschthums in den Ostmarken die Portofreiheit zugesichert und gegeben hätte, was würden Sie dai heute gesagt haben? Also, meine Herren, daraus folgt, daß jener Marcinowski'sche Verein in jener Zeit von der Regierung viel wohl⸗ wollender und entgegenkommender behandelt worden ist, daß ihm viel mehr Gefälligkeiten erwiesen sind, als es heute jenem Verein zut Förderung des Deutschthums gegenüber der Fall ist. Sie haben also, glaube ich, kein Recht, sich über schlechte Behandlung seitens der Staate regierung zu beklagen. Es ist das hier auch, wie ich zugebe, eigentlich nicht geschehen. Meine Herren, solche Vereine, wie der Mareinows ki sche Verein, dessen Zwecke und dessen Wirken anzugreifen mir durchaus fern liegt, dessen Wohlthaten für einzelne junge polnische Studenten ich sogar anerkenne, solche polnischen Vereine, meine Herren, existieren noch viele andere, und sind auch neuerdings solche, glaube ich, mit ähnlichen Tendenzen gegründet worden. Ich darf erinnern an den soeben gegründeten Josaphatverein, der auch ähnliche Zwecke hat: das Studium zu fördern, Unterstützungen zu geben u. s. w. Meine Herren, gegen die Gründung derartiger Vereine ist niemals, meines Wissens, von deutscher Seite irgendwelcher Protest erfolgt oder sind irgendwelche Aeußerungen mißliebiger Art gemacht worden, ähnlich denen, wie sie jetzt seitens der Polen gegen den Verein zur Verbreitung des Deutschthums in den Ostmarken gemacht worden sind. Meine Herren, neuerdings sind die Herren Polen aber etwas weiter gegangen in der Gründung von Vereinen. Sie haben den Verband aller Polen Deutschlands sogar in die Provinz Westfalen hinein verlegt. Das geht noch weiter als jener Verein, den sie an— gegriffen haben, der sich doch nur zur Befestigung und Förderung des Deutschthums in den Ostmarken gebildet hat. Wenn also der Herr Abs. von Jazdzewski sagte: ganz Deutschland ruft man auf und macht mobil gegen uns Polen —, so, glaube ich, hat auch Herr von Jazdiewẽtli mit diesen Worten sich einer kleinen Uebertreibung schuldig gemacht. Meine Herren, die Herren Polen haben in Westfalen mobil gemacht · Abg. Dr. von Jazdzewski: Gegen die Sozialdemokraten) nicht allein gegen die Sozialdemokraten, sondern, wenn man die Verhandlungen jenes erften Versammlungstages in Bochum liest, so ersieht man daraus, daß Herren aus der Provinz Posen dort⸗ hin gereift sind, um dort dem Verein zum Leben und zu weiterem Gedeihen mitzuhelfen. Es sind dort von Bewohnern der Probin⸗ Posen Reden gehalten worden und ist für die Verbreitung des Verbandes aller Polen durch ganz Deutschland eingehend agitiert. . Meine Herren, diesen Bestrebungen ist seitens der Staatsregierung durch Anwendung des Vereinsgesetzes nicht entgegengetreten worden Sie kõnnen also fũglich von der Staatsregierung nicht verlangen, daß ein 2 wie der zur Förderung des Deutschthums in den Ostmarken, m

Silbers wesentlich betheiligten Staaten in einen freundschaftlichen

namentlich auch auf wirthschaftlichem und kulturellem Gebiete ju

anderem Maß gemessen wird, als Sie selbst gemessen werden, und,

ich, mit Recht verlangen können, gemessen zu werden, nämlich daß vor dem Gesetz alle Preußen gleich sind.

Herren, ich glaube daß die Auffassung jener Herren, die

de Verein jur Förderung des Deutschthums begründet haben,

rei Auffaffung, daß es sich in gewisser Beniehung

auf ihrer Seite um die Abwehr eines Angriffs

e Herren Polen handelt ich glaube, daß diese Auf⸗

fassung eher begründet ist als die Auffassung des Herrn Abg. Dr.

ron Jajdzewski, welcher sagte: jener Verein habe auf seine Fahne xschrieben: die Vernichtung aller Polen!

Meine Herren, der Abg. Dr. von Jazdzewski sprach zwar schon awon, daß ich wohl Zeitungsausschnitte hier vorbringen würde, welche pelnische Zeitungen gebracht haben. Ja, es ist richtig: ich lege ja auch, Herr Abg. Dr. von Jazdzewski, auf die Erzeugnisse der Presse, vie Ihnen das ja aus unserer langen Bekanntschaft bekannt sein wird, außerordentlich wenig Werth: Ich weiß, wie die preßerreugnisse zu stande kommen, ich weiß, daß sie in tendenziöser Beise von der einen Partei wie von der anderen geschrieben werden, and derartige Artikel, die ich in der Zeitung lese, machen uf mich und haben auf mich mein Leben lang nicht den allermindesten Eindruck gemacht. (Bravo) Aber, meine herren, so einfach liegt die Sache doch nicht. Wir wüfsen doch ein aufmerksames Auge haben auf derartige Preßerzeug⸗ nie, wenn wir bedenken, daß die Leute, die draußen im Lande der- artige Sachen lesen, doch nicht ganz so über Zeitungen und deren Ge⸗ schreibe denken, wie der Herr Abg. Dr. von Jazdzewski und ich.

Meine Herren, Sie werden mir zugeben: wenn in einer Zeitung ich bitte um Entschuldigung, wenn ich die folgenden Namen nicht nichtig ausspreche —, dem „Goniec“, folgendes steht, an Herrn Kennemann gerichtet:

Ich rathe dir daher im guten, laß ab von dem Streit und böre mit diesem deinem Zeitvertreib auf und hüte dich mit dem Kollegen Herrn.... mann, daß ihr in euren eigenen Häusern nicht gehängt werdet! .

so sind wir uns ja über ein solches Preßerzeugniß einig, daß uns

das nicht aufregen kann; aber Sie werden mir zugeben: schön ist

das nicht! (Heiterkeit) Meine Herren, es ist sogar verderblich für die

Kreise, die derartige Blätter lesen, und alle diejenigen zu denen

der Herr Abg. von Jazdzewski auch gehört welche wünschen, daß

diese Frage objektiv, in Ruhe und Frieden erledigt werde, wollen die hand dazu bieten, daß derartiger Unfug aufhört. (Bravo)

Gin anderes Blatt schreibt:

Da wir die Veröffentlichung der Namen der Polenfresser gewissermaßen als eine Anklage derselben vor dem Tribunal der offentlichen Meinung ansehen und da wir ferner überzeugt sind, daß wir durch Verbreitung von Namens verzeichnissen unserer Feinde dazu beitragen, in diesem hundertsten Jahre unserer Knechtschaft eine desto größere Vereinigung in der (spolnischen) Gesellschaft zu schaffen und manchen Bürger anderen Stammes von dem Verbrechen gegen den Humanismus zurückzuhalten, so werden wir in besonderen Bei—⸗ lagen die Namen derjenigen, welche uns todtschlagen“ wollen, be⸗ kannt machen. Wir fordern daher alle unsere Leser auf, uns die

VNamen der Kompagnons der Genossenschaft H. K. T. mitzutheilen. Wir werden diese Namen in alphabetischer Reihenfolge publizieren ind dieselben regelmäßig jenen Herren unter Kreuzband zusenden, damit sie wissen, daß wir sie kennen und daß wir sie ebenfalls boykottieren werden.

Das ist auch eine freundschaftliche Aufforderung (Heiterkeit), und q dlaube nicht fehl zu gehen, wenn ich annehme, daß der Herr Abg. ben Jazdzewski mit mir den Wunsch hat, daß derartige Preßerzeug⸗ nf aufhören. Da ich aber vorhin ausgeführt habe, wie ich im algemeinen über derartige Preßerzeugnisse denke, so wäre es unbillig, wenn ich nun a conto dieser Sie hier mit Ihren Anträgen verdammen wollte und Sie auf Grund solcher Preßerzeugnisse allein die Ansicht mnesprechen wollten, daß Sie sich ins Unrecht gesetzt haben und daß Sie nicht die Angegriffenen, sondern in diesem Falle mehr die Angreifer sind. Der Abg. von Jajdzewski deutete sodann darauf hin: es würde der Herr Minister des Innern wahrscheinlich auch mit den Vorgängen in Kosten und Schrimm kommen. Ja, meine Herren, ich kann Ihnen die Verlesung dieser Angelegenheiten, die sich dort abgespielt haben, und die Schilde⸗ ung jener Vorgänge leider nicht ersparen.

Meine Herren, zunächst im Kreise Kosten hat gelegentlich eines dreigtags der Abg. Baron Chlapowski folgende Erklärung verlesen, deten Verlesung eigentlich nicht hätte geduldet werden sollen, da auf nie Kreistage politische Angelegenheiten nicht gebören:

Es möge mir gestattet sein, vor Eintritt in die Tagesordnung namens meiner im Kreistage vertretenen Landsleute eine Erklärung abzugeben.

Bisher hat jzwischen den beiden Nationalitäten im Kreise Tosten, insbesondere auch zwischen den Vertretern derselben im Kreistage, zu unserer aller Genugthuung und auch im Interesse der Verwaltung der Kreisangelegenheiten, das beste Einvernehmen geberrscht.

Gin Mißton ist in dieses gute Verhältniß der Nationalitäten in einander dadurch gefallen, daß neuerdings einzelne der deutschen Derren Mitglieder der Kreisvertretung dem eine ausgesprochen anti⸗ volnische Tendenz habenden Vereine unter der Leitung der Herren Kennemann und Genossen beigetreten sind.

Ich gebe indessen der Hoffnung Ausdruck, daß die betreffenden Derren der diesseitigen Kreisvertretung sich durch den Umstand, daß ke dem bezeichneten Vereine angehören, nicht davon abhalten lassen werden, sich wie früher in unparteiischer Weise der Verwaltung der kommunalen Angelegenheiten zu widmen.

In dieser Hoff nung erkläre ich, daß meine dem Kreistage an⸗ gehörenden Landsleuts nach wie vor ihrerseits alles dafür thun werden, daß das bisherige freundliche Einvernehmen zwischen Deut⸗

und Polen nicht nur im Kreistage, sondern auch in allen anderen wirthschaftlichen Angelegenheiten erhalten bleibt.

ö Neine Herren, obwohl eine solche Erklärung nicht auf den Kreis- 8 gehört, so habe ich mich doch gefreut, daß sie verlesen worden ist, n ssie endigt in ihrem Endresultat mit der Aufforderung, die

politik nicht hineinzubringen, wo sie nicht hingehört, in die Kreistage.

e en Chlapowsti spricht den Wunsch aus, daß die Deutschen

olen weiter zusammen auf den Kreistagen im Interesse des Kreises

n n Dieser versöhnlich gehaltenen Erklärung antwortend,

aun n auch der Vorgang auf dem Kreistage zu Kosten zu einer

prache geführt; auch die deutschen Vertreter des Kreises haben

ibrerseits erklärt, daß sie solchen Auffasffungen gegenüber vollstãndig geneigt wären, mit den Polen in Kreis und Provinzialangelegen heiten weiter zum gedeihlichen Ende der Provinz zu wirken, und es ist bei dieser Angelegenheit kein Mißton hängen geblieben, sondern die An= gelegenheit auf dem Kreistage zu Kosten ift im großen und ganzen zu Aller Zufriedenheit verlaufen. .

Meine Herren, ganz anders liegt die Sache im Kreise Schrimm. Die Angelegenheit auf dem Kreistage ju Schrimm ist, glaube ich, mit Veranlassung gewesen, daß in der Presse über die polnische Frage sehr gehetzt und gestritten worden ift. Ich werde daher Ihre Geduld in Anspruch nehmen müssen, um gerade diese Schrimmer Angelegen⸗ beit in allen ihren Einzelheiten Ihnen mitzutheilen. Es war Kreistag in Schrimm, und vor und zu Beginn der Sitzung waren schon einige Mitglieder des Kreistags erschienen, als einige andere erst nachkamen. Zu den spãteren gehörten einige Deutsche, welche hereintraten und in der Weise, wie das bisher immer geschehen war, an zwei polnische Herren Kreistags— Abgeordneten herangingen und ibnen die Hand zum Gutentagsagen darboten. Seitens eines polnischen Kreistags Abgeordneten ist ihnen geantwortet worden: Einem Herrn, der dem Verein zur Förderung des Deutschthums in den Ostmarken angehört, gebe ich meine Hand nicht. Das hat natürlich die Herren erstaunt gemacht; man hat nicht gewußt, was dort los war, bis der Kreistags⸗ Abgeordnete Dr. von Zoltowski um die Erlaubniß gebeten hat, eine Erklärung vor der Tagesordnung verlesen zu dürfen. Der Landrath jenes Kreises hat zunächft dem Kreistags-Abgeordneten Dr. von Zol— towski erwidert, er könne ihm diese Erlaubniß nicht geben. Auf das wiederholte Ersuchen des Herrn Dr. von Zoltowski und eines anderen Polen, und nachdem auch deutsche Kreistags⸗ Abgeordnete dem Herrn Landrath zugeredet haben, er möge doch die Verlesung gestatten, hat der Landrath leider seine Zustimmung zur Verlesung gegeben, ohne sich vorher Kenntniß von dem Inhalt jenes Schriftstücks zu verschaffen, welches der Kreistags Abgeordnete Dr. von Zoltowski verlesen wollte; denn ich nehme an, daß, wenn er den Inhalt jenes Schriftstücks gekannt hätte, er unter keinen Umständen die Verlesung geduldet hätte und hätte dulden dürfen. Nachdem der Abg. Dr. von Zoltowski einige Sätze seines Schriftsatzes vorgelesen hatte, hat der Landrath ihn nochmals unterbrochen und gesagt, er könne doch die ganze Verlesung dieses Schriftstücks nicht gestatten. Es hat sich derselbe Vorgang abgespielt, daß die anderen Abgeordneten, auch die Deutschen, gebeten haben, der Landrath solle zu Ende lesen lassen, und der Landrath hat ihn leider zu Ende lesen lassen.

Ich kann nun nicht umhin, Ihnen dieses Schriftstck zu ver- lesen, weil Sie aus demselben ersehen, daß zu meinem Bedauern doch nicht alle polnischen Herren so friedlich denken, wie der Herr Abg. Dr. von Jazdzewski es zu meiner Freude hier ausgesprochen hat. Ich will Sie nicht behelligen mit der ganzen Einleitung, worin die Bildung dieses Vereins besprochen wird, es würde doch etwas lang. Es steht jedem, der es sehen will, nachher gern zur Disposition; ich glaube, es hat auch in einer Zeitung gedruckt gestanden. Ich will nur folgende Sätze hervorheben:

Wir protestieren aufs allerentschiedenste dagegen, daß Mit⸗ gliedern des Vereins Platz und Stimme im Kreisausschuß einge⸗ räumt bleibt, und geben hiermit dem betreffenden Herrn unser ausdrũcklichstes und nachdrücklichstes Mißtrauensbotum, weil wir mit einiger Logik annehmen dürfen, daß Mitglieder des Vereins, der die Förderung eines Theils der Einwohnerschaft gegenüber dem anderen auf sein Panier geschrieben hat, nicht mehr fähig sind, ihres Amts unparteiisch und zweckmäßig zu walten.

(Hört, hört) Meine Herren, diese Erklärung des Herrn Kreistags— Abgeordneten Dr. von Zoltowski ist eine offene Kriegsansage gegen die sämmtlichen Mitglieder des Kreistags, welche in den Augen des Herrn von Zoltowski das Unglück haben, Deutsche zu sein. (Widerspruch bei den Polen. Zuruf: Die dem Verein angehören) Ja, meine Herren, ich frage: welcher Deutsche in Polen kann die Ziele, die ich aus den Statuten dieses Vereins hier verlesen habe, mißbilligen? (Sehr richtig) Das Deutschthum fördern in den Ostmarken muß jeder Deutsche, der in den Ostmarken wohnt! (Sehr richtig) Das ist sein National. stolz. Meine Herren, wenn mir jemand um deswillen, daß ich meine Nationalität fördern, daß ich für das Deutschthum eintreten will, wenn mir deswegen jemand den Krieg ansagt, wenn er mir sagt: Du bist nicht mehr fähig, Mitglied des Kreis— ausschusses und des Kreistags zu sein, weil es Dir an der nöthigen Unparteilichkeit gebricht! so ist das ein offensives Vor—⸗ gehen, dem gegenüber die ernsteste Zurückweisung entschieden geboten und erforderlich ist. (Lebhaftes Bravo.) Meine Herren, es thut mir leid, daß ich das habe hier öffentlich aussprechen müssen, aber ich glaube, es ist gut, wenn die Sache vom Regierungstisch in der Weise klar gestellt wird.

Ich komme jetzt wieder zurück zu der Aeußerung, die Herr Dr. von Jazdzewski machte, dahin gehend, er wolle für Frieden und Einigkeit der Deutschen und der Polen, die gemeinschaftlich in den Ostprovinzen leben, wirken und sich aussprechen. Meine Herren, das ist voll und ganz der Standpunkt der Staatsregierung. Die beiden Nationen leben in Einer Proving, in Einem Lande und sollten doch gerade in heutiger Zeit alles das suchen, was sie vereint, nicht das, was sie entzweit. (Sehr richtig h Meine Herren, ich mache keiner der Parteien den Vorwurf, daß sie angegriffen oder sich vertheidigt habe; ich kann aber nicht anders als feststellen, daß die Affaire auf dem Kreistage zu Schrimm ein un— gerechtfertigter Angriff der Polen gegen das Deutschthum war. (Sehr richtig) Und, meine Herren, ich glaube, wenn vom Regierungstisch Ihnen gesagt wird, daß der eine Verein wie der andere nach dem bestehenden Recht behandelt werden würde, so wird das auch dazu dienen, daß in jene Provinzen statt Zank und Unfrieden Friede und Eintracht kommen werden. Vereinigen Sie sich in den gemeinschaft⸗ lichen Arbeiten für Kreis- und Provinzial⸗Verwaltung zum Segen der Provinzen, in denen Sie beide nun einmal wohnen und wohnen müssen! (Lebhaftes Bravo.)

Abg. von Tie demann⸗Bomst (fr. kons): Wenn man die . hier sprechen hört, seę müßte man denken: „Dies Kind, kein

ngel ist so rein!! Die Freude über die heutigen Erklärungen des Ministers wird in der Provinz eine große sein. Der Abg. Dr. Dittrich hat hier behauptet, die polnische Agitation und das Vordringen der Polen sei ein Gespenst. Die Bevpölkerungsstatistik zeigt aber, daß die polnische Bevölkerung in den Regierungsbezirken Danzig, Marien⸗ werder, Bromberg weit stärker zugenommen hat als die

deutsche. Im Regierungsbezirk Posen ist die deutsche Be⸗ völkerung sogar um 39.0 zurückgegangen, die polnische hat um

zl oso zugenommen. Da kann. man doch wirklich nicht von . reden. Nun ist ja im allgemeinen der Zug vom Asten

nach dem Westen maßgebend. Hier kommt aber auch sehr stark die Untufriedenheit der deutschen Bevölkerung über die fortwährend schwankende Polenpolitik in Betracht. Früher haben zeitweise die Einflüsse der Familie Radziwill bei Hofe mitgespielt, und in neuerer it war d die Aera Caprivi in der ger nn genau das egentheil wie die Aera Bismarck. Das waren mit Ursachen für die Gründung des Vereins zur Förderung des deutschen Vereins. Die uptsache für den ückgang des Deutsch⸗ tbums in den Ostmarken ist aber die Thätigkeit der polnischen Vereine. Die deutschen Vereine sind bis auf diesen neuen Verein nur Wahl- vereine und Wobhlthätigkeitsvereine; die polnischen Vereine aber, unter welcher Firma sie auch auftreten, als Wohlthätigkeits vereine oder sonst was, alle treiben polnische Propaganda. Wenn das nicht der Fall wãre, weshalb strãuben Sie sich denn, Ihre polnischen Vereine mit den deutschen parallelen Vereinen zu vereinigen? Der jetzige Ober⸗Präsident von Pofen Freiherr von Wilamowitz hat sich dahin bemubt, seine Ver⸗ suche find aber an Ihrem Widerspruch gescheitert. Der Marczinowski sche Verein war ursprünglich allerdings ein humanitärer, jetzt treibt er ebenfalls polnische Propaganda. Er hat es soweit gebracht, daß man in den Städten in der Prodinz Posen nur noch fast def Th volnische . findet. Dem gegenüber war die Gründung des deutschen ereins nöthig, und ich hoffe, seine Thätigkeit wird von Erfolg sein. Die Kommission für Bildung der w arbeitet nun aber den deutschen Bestrebungen zum theil entgegen. Heute ist mir eine Mittheilung zugegangen, wegen deren ich Auf— klärung wünsche: Es heißt da das Bureau für Ansiedelungen und das der Königlichen Rentenbank⸗Kominnüssion befindet sich in Posen, Bismarckstraße 13. Bismarckstraße 13 ist das Haus der Bank Kemeki. Es wird dafür gesorgt, daß katholischer Gottesdienst meist in polnischer Sprache abgehalten wird, daß deutsche Gesangbücher fast gar nicht zur Benutzung kommen. Ein Katechismus ist jetzt eingeführt worden, der eine deutsche Uebersetzung des polnischen Katechismus ist. Diese Uebersetzung enthält aber so viele Fehler, . er für die Deutschen gar nicht benutzbar ist. Ein Geist⸗ licher in einer rein deutschen Gemeinde erklärte dem Gemeindeältesten, der ihm im Pfarrhause eine deutsche Ansprache halten wollte: In meinem Hauss verstehe ich kein Deutsch'. Was fagen die Herren vom Zentrum dazu die ihre Pferde vor den polnischen Wagen spannen? Wird da der Abg. Bachem jetzt auch noch sagen: Für eine nationale Frage in den Ostmarken habe ich kein Verständniß '? Meir ist mitgetheilt worden, daß aus Wahllokalen vor Abhaltung von polnischen Ver—= sammlungen die Bildnisse des Kaisers entfernt wurden. Waz ist schlimmer: diese Art von Agitation Ver⸗ halten des. deutschen Vereins? In einer von einem Herrn Preski, veranstalteten Versammlung wurde eine Rede gehalten, in der es hieß: „Wir wollen Polen sein und bleiben, und wenn es sein muß, auch mit Beil, Art und Sense uns vertheidigen. So lange Ihr keinen König habt, ist der Erzbischof Euer Oberhaupt!“ Der Erzbischof von Stablewski reist mit Königlichen Ehren durch die 1 zahlreiche Vorreiter und polnische Kohorten umgeben ihn. err von Koszielski hat ausdrücklich in Lemberg erklärt: „Wer auf polnischem Boden steht, werden. Die Gründung des deutschen Antwort auf alle diese Provokationen. Ich erwarte die Antwort auf die Frage: Wer ist hier der Angreifer, wer hat den Handschuh hin— geworfen? Die Reise nach Varzin fand an demselben Tage statt, wie die Versammlung in Lemberg; wie kann also die Rede des Fürsten Bismarck eine Antwort sein auf die Reden in Lemberg? Auch ich will den Frieden zwischen den beiden Nationen, aber wie soll der Boden zu gemeinsamer Verständigung gefunden werden! Aber die Angriffe, denen wir hier ausgesetzt sind, verschwinden ganz gegen die Art und Weise, wie man uns in der Provinz entgegentritt. Der Minister hat ja den Fall auf dem Schrimmer Kreistag schon vorgetragen. Keinem —Deutschen ist es eingefallen, einen Polen wegen seiner Angehöͤrigkeit zu einem polnischen Verein anzugreifen. Zu Neujahr wurde den Mitgliedern des deutschen Vereins ein Orden zugeschickt, auf dessen einer Seite die Worte stehen: Dem Verdienste seine Krone, und auf dessen anderer Seite ein Deutscher abgebildet ist, der Prügel bekommt. Ich erlaube mir, den Orden auf den Tisch des Hauses niederzulegen. Für uns kann ich nur das eine versichern: Wir werden treu und fest auf der Wacht stehen an den Ostmarken, wie die Wacht am Rhein.

Abg. von Strom beck (Zentr.): In der Polenfrage nimmt das ten nach wie vor die Stellung ein, die die Gerechtigkeit gebietet. Ich habe hier aber eine besondere Beschwerde vorzubringen über eine k vom Jahre 1894 im Kreise Erfurt, worin die Neuanlage von Strohdächern verboten wird, und so namentlich dem kleinen Landwirth unnöthige Ausgaben auferlegt werden.

Minister des Innern von Köller:

Ich bedaure, daß ich nicht von der Anregung vorher Kenntniß gehabt habe, sonst würde ich mich veranlaßt gesehen haben, Bericht über die Polizeiverordnung einzuziehen; ich werde aber der Anregung der Herren Abgeordneten Folge leisten und gern der Sache näher treten.

Abg. Dr, von Heydebrand und der Lasa (kons.): Der enannte deutsche Verein ist nicht auf Anregung des Fürsten Bismarck,

k— 9 lediglich entstanden, um eine nationale Her ehr für die Deutschen abzuwenden. Dem Bestreben der Polen, ähnliche Zustände wie in Desterreich mit seinem Konglomerat verschiedener Nationalitäten auch bei uns zu schaffen, müssen wir Deutsche entgegentreten. Die wilde Agitation gegen den deutschen Verein muß gufhören, man muß den Deutschen die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß sie ebenso gut nationale Vereine gründen können, wie die Polen. Nur so werden Sie (zu den Polen) die gemeinsamen Interessen in den polnischen Landestheilen fördern.

Abg. Motty (Pole): Ich halte nun einmal den deutschen Verein für einen politischen, der also gegen sz 8 des Vereinsgesetzes verstößt. Den Herren von der Rechten halte ich entgegen, w in der Nähe der Stadt Posen einmal gesagt hat: Die Hand, die ich einem Pslen gebe, möge verdorren!⸗ Den Namen will ich derschweigen. Recht deutlich für die Versöhnlichkeit der Deutschen spricht auch das Bestreben des Herrn Gerlich, die polnischen Dolmetscher abzuschaffen. Wenn wir den deutschen Verein bekämpfen, so thun wir es nicht auf Grund der sichtbaren Statuten, sondern wegen der nicht öffentlich ausgesprochenen Zwecke. Die Namen der Vereinsmitglieder werden ja 3. geheim gehalten. Die stärkere Vermehrung der Polen beruht doch auf natürlichen el Wollen Sie den Polen diese stärkere Vermehrung verbieten? ie Polen werden von den Mitgliedern des Allgemeinen deutschen Verbandes, wie ein Telegramm an den Fürsten Bismarck beweist, als „fremde Nation“ betrachtet. Man su t jetzt auch die Frauen in die Agitation hineinzuziehen; ich habe das Vertrauen zur deutschen Frau, daß si wie vor die Zierde der Familie sein

oder das

muß Pole Vereins ist eine

ie nach und sich von solcher Agitation fern halten wird. Ich muß hier auf eine Broschüre N in welcher gesagt wird: Die Hand des Deutschen lastet schwer auf den Völkern, die er beherrscht; Mitleid kennt der Deutsche nicht! Es ist die Aufgabe des preußischen Staats, die Gemüther der Polen zu gewinnen; wenn dem preußischen Staat dies innerhalb eines Jahrhunderts nicht gelungen ist, so trifft der Vorwurf dafür nicht die Polen, sondern den preußischen Staat. Abg. Dr. Sattler (nl,): Ich habe mich hier ö beklagen, daß in der Provinz Hannover sich die Landräthe, namentlich die jüngeren mehr und mehr zu den Wahlen in die Parlamente drängen, wodurch die Verwaltung der ihnen anvertrauten Kreise nicht unwesentli leidet. Die meist konservativen Landräthe treten in Hannover mei den Landwirthen, die in der Regel nationalliberal find, entgegen. Gegen die Zahlen, die den Polen entgegengehalten worden sind, können diese Herren nicht ankämpfen, sie beweisen schlagend das Vordringen des Polenthums. Im . des Deutschthums können wir die heute bekundeten Absichten der Regierung nur beglückwünschen, nachdem die Polenpolitik so vielen Schwankungen unterworfen war. Die An⸗ sprüche der Polen werden immer ofen, ihre polnischen wissenschaft⸗

lichen und Wohlthätigkeits Vereine haben doch auch alle einen nationalen Anstrich, sie haben sich durch ihre Agitation einen polnischen Mittel=