w
Hierin liegt zugleich auch eine Widerlegung des Einwandes, den der Herr Abg. Bassermann gemacht hat. Dieser war der Meinung, die jetzige Finanzkalamität werde dazu beitragen, um das direkte Steuersystem der Einzelstaaten richtiger auszubilden. Ich glaube, wir in Meiningen stehen schon so ziemlich auf der Höhe der Ausbildung des direkten Steuersystems. In der gleichen Lage befindet sich eine Reihe anderer mittlerer und kleiner Staaten: auf diesem Gebiete also ist augenblicklich nicht das Mindeste mehr zu holen. Nun können die Herren vielleicht sagen: Sparen! Ich darf darauf er⸗ widern, daß wir es in der Kunst des Sparens schon sehr weit ge⸗ bracht haben; wir sind besonders an eine sparsame Finanzwirthschaft gewöhnt. Zum Beweise dessen möchte ich darauf hinweisen, wie bei uns der Höchstgehalt der Landgerichts⸗Räthe 400 M, derjenige der Amtsrichter 4700 M beträgt, der erst nach 20 Dienstjahren erreicht wird. Dazu treten noch Funktionszulagen für die Aufsicht führenden Amtsrichter, sodaß sich der höchste Amtsrichtergehalt für diese Beamten nur auf 5400 M beläuft. Dagegen giebt es keine Wohnungs⸗ geldzuschüsse, wie in Preußen. Wir können unsere Gehaltsätze nicht weiter einschränken, wenn wir uns einen tüchtigen und brauchbaren Be⸗ amtenstand erhalten wollen; und an dem Bestehen eines solchen Be⸗ amtenstandes sind alle Klassen der Bevölkerung in ganz gleichem Maße betheiligt, und nicht am wenigsten gerade die Angehörigen der ärmsten Volksklassen. Wenn wir sparen wollen, bleibt uns nichts Anderes übrig, als vielleicht die eine oder die andere höhere Schule eingehen ju lassen. Auch das, glaube ich, liegt nicht im Interesse gerade der ärmeren Bevölkerung. Denn auch der ärmeren Bevölke⸗ rung ift der Besuch der höheren Schulen durch die Nähe der Städte, durch Stipendien und durch andere Umstände in weitem Maße zugãnglich.
Wenn man also die kleinen Staaten lebensfähig erhalten will, so muß man sie, das wiederhsle ich, von der Nothwendigkeit be⸗ freien, die Matrikularbeiträge in der bisherigen Höhe zu leisten, und muß sehen, daß ihnen Ueberweisungen aus der Reichskasse zufließen. Der jetzige Zustand ist auf die Dauer ganz unerträglich. Aus diesem Grunde bitte ich auch im Namen meiner Regierung, und ich darf wohl sagen, auch im Namen anderer kleiner Staaten, die Tabacksteuer⸗ vorlage zur Annahme zu bringen.
Abg. Poehlm ann (Rp.): Ein großer Theil meiner Freunde macht die endgültige Abstimmung über die Vorlage davon abhängig ob in der Kommission die Bedenken, welche wir gegen den Entwurf hegen, widerlegt werden. Das stärkste Bedenken richtet sich gegen den zu erwartenden Konsumrückgang. Auch die Kontrolmaßregeln ind nach unserer einung nur geeignet; der Produktion n anzulegen. Ich personlich, als Elsässer, wäre, an sich verpflichtet, voll und ganz für die Fabrikatsteuer einzutreten, weil durch dieselbe ja das für Elsaß ganz besonders lästige System der Gewichtsteuer aufgehoben wird. Doch halte ich es für ein nobile officium eines Abgeordneten, keine Interessenpolitik zu treiben und sein Ohr auch den Gründen der Gegner offen zu halten. Die Fabrikanten erheben ja eine große Agitation gegen die Steuer, und obwohl viele von ihnen die schärfere Heranziehung des Tabacks zugeben, zeigt doch niemand einen besseren Weg der Besteuerung. Mir hat ein ehrlicher Fabrikant 20 Millionen als die Grenze des Möglichen angegeben, was aus dem Taback herausgeschlagen werden kann. Wir haben natürlich hier keineswegs die Absicht, der Tabackindustrie die Schlagader zu unterbinden, wir beklagen auch die fort⸗
währende Beunruhigung dieser Industrie, aber diese Beunruhigung
könnte leicht beseitigt werden, wenn die Interessenten in ihrer Gesammtheit sich etwas entgegenkommender erwiesen und nicht mit Redensarten um sich würfen, die sie in ihrem Innersten selbst wohl nicht für richtig balten. Zu solchen Aeußerungen rechne ich z. B. die hier len gefallene, daß die Tabackindustrie nicht nur bluten, sondern auch verbluten müsse. Ich stimme den Ausführungen des Abg. Grafen Holstein bei, doch kann ich nicht dem Abg. Schädler zuftimmen. Ich bin gleich dem Grafen Holstein der Meinung, daß eine Biersteuer wohl einführbar wäre und zwar in der Form einer Reichs⸗Malzsteuer, wie sie als Landessteuer in Bayern schon besteht. Fir eine weitere Ausdehnung der indirekten Steuern schwärme ich selbst nicht, doch glaube ich trotzdem nicht, daß wir sobald zu einer progtessiven Reichs⸗Einkommensteuer, wie sie die Linke dieses Hauses wünscht, kommen werden. Andererseits halte ich auch dafür, daß wir mit der Bewilligung von Mitteln nicht länger warten dürfen. Nur das muß festgehalten werden, daß die schwächeren Schultern nicht belastet werden. Bei ernster Arbeit werden wir schon an das Ziel gelangen, welches für das Vaterland ersprießlich ist.
Abg. Galler (südd. Volksp.): Die gegenwärtige Vorlage würde die Interessen des gewerblichen Mittelstandes und der Arbeiter auf das schwerste schädigen und darum werden meine politischen Freunde derselben ihre ihn m versagen. Auf die Einzelheiten der Vorlage gebe ich nicht ein. Ich will nur kurz bemerken, daß auch in dieser Vorlage das Bestreben wiederkehrt, den Unbemittelten höhere Abgaben aufzuhalsen. Die blühende, deutsche Taback⸗ industrie würde durch die Vorlage auf ein Niveau herabgedrückt werden, auf dem ihre Existenz gänzlich in Frage gestellt ist. Wenn die Lage der Reichsfinanzen für die Vorlage ins Feld geführt wird, so empfehle ich den verbündeten Regierungen eine Politik der Spar⸗ samkeit, welche die nothwendigen Mittel leicht bringen würde.
Abg. Freiherr von Ham merstein (kons): Die Nothwendigkeit einer Regelung der Reichsfinanzen erkennen wir unumwunden an. Es kommt nur auf die anzuwendenden Mittel an. Ich gebe zu, daß eine Reichs⸗Einkommensteuer und eine Reichs Erbschaftssteuer vorläufig un⸗ durchführbar sind. Ich stimme mit meinem politischen Freunde, dem Grafen Holstein, darin überein, daß das beste Mittel zur Ordnung der Reichsfinanzen die Erhöhung der Biersteuer sein würde. Meine Bedenken gegen die Tabacksteuervorlage sind die gleichen wie im Vorjahre. Daß durch die Vorlage ein starker Rückgang des Tabackkonsums eintreten würde, ist garnicht zu bezweifeln: Derselbe würde mindestens 180 betragen. Die große Depression, welche auf dem ganzen gewerblichen Leben lastet, würde dadurch bedeutend ge⸗ steigert werden. Besonders in der Zeit des Uebergangs würde die Fabrikation fast stillstehen. Sicher ist, daß die r, , . an billigen Zigarrensorten sich von Norddeutsch⸗ and nach Süddeutschland ziehen würde, denn die Vertheue— rung des ausländischen Tabacks nöthigt zur stärkeren Ver⸗ wendung des inländischen Produkts. Die norddeutsche Induftrie würde mit der süddeutschen nicht mehr konkurrieren können. Die Vorwürfe, welche der Abg. von Frege gegen die Versammlung von Taback⸗ interessenten in Bünde gerichtet hat, muß ich entschieden zurückweisen. Die Versammlung hat ergeben, daß in der Frage der Tabacksteuer zwischen den Tabackarbeitern und Tabackffabrikanten vollstän dige Ein⸗ mütbigkeit berrscht. Die kleinen Betriebe würden sich nach Annahme der Vorlage trotz der im Gesetz vorgesehenen Pauschalierung nicht zu halten vermögen. Die ganze Tendenz der Vorlgge geht dahin, daß die großen Fabrikanten die kleinen aufzehren. Der ganje Werth einer einheimischen Tabackernte beträgt höchftens 13 Mill. Mark, während der Umsatz von der Taback⸗ fabrikation 300 bis 400 Mill. Mark beträgt. Das beweist, daß die Interessen in dieser Frage auf Seiten der Tabackindustrie weit schwerer wiegen, als auf Seiten der Tabackbauer. Die Tabackbauer selbst wollen die gegenwärtige Vorlage nicht; sie verlangen nur einen böberen Zell. Warum sollen wir agrarischer sein, als die Landwirthe? Ich muß mich gegen die Vorlage und gegen eine kommissarische Vor⸗ berathung derselben erklären.
ist es recht, wir aber haben Sie gewarnt.
immermann nicht von sich abweisen. Bei der Militärvorlage ist Z. auch versprochen worden, der Taback solle nicht zur Deckung herangejogen werden. Dieses Versprechen scheint aber für den gegen⸗ wärtigen Reiche kanzler nicht zu existieren. Für den gegen⸗ wärtigen Staat ist. die Begünstigung des Großgrund⸗ besitzes und des Großkapitalismus charakteristisch. Das beweist auch die gegenwärtige Vorlage. Meine politischen Freunde haben früher eine progressive Reichs Cinkommensteuer empfohlen. Auf diesem Standpunkt stehen wir auch heute noch, Die Annahme der gegen⸗ wärtigen Vorlage würde zahllose kleine Existenzen vernichten. Die zum Vergleich herangezogenen amerikanischen Verhältnisse sind auf ganz andern Grundlagen aufgebaut wie die deutschen. In Amerika wurde die Tabackfabrikatsteuer eingeführt, als die Tabacindustrie in den Anfängen der Entwickelung steckte, während sie in Deutschland eingeführt werden soll bei der Blüthe der Industrie. Die Materialien, die dem Gesetzentwurf beigegeben sind, beweisen, daß die Zigarrenindustrie in Amerika der Menge der fabrizierten Zigarren nach um 333 0o hinter Deutschland zurückstebt. Nach der Gegenüberstellung der deutschen und der amerikanischen Verhältnisse in den Motiven der Vorlage würde man auf eine , , . 365 000 Arbeitern bei Annahme der Vorlage rechnen müssen. Nur 1000 der neuen Steuer würden von den Wohlhabenden getragen werden, alles übrige fiele auf die Schultern der unteren Klassen. Die Lage der Tabacarheiter ist eine so traurige, daß ein weiterer Lohndruck, der unerläßlich die Folge des Gesetzes sein würde, nicht auszuhalten wäre. Jetzt schon kann man bei den Tabackarbeitern von nichts Anderem als vegetieren sprechen. Die , , , wissen selbst, daß sie den Arbeitern wenigstens etwas bieten müssen; aus diesem Grunde haben auch sie sich gegen die neue Steuer erklärt. Die Zahl der Arbeiter, die ent- lassen werden müßten, hat der Abg. Frese auf 17000 berechnet; ich glaube, es wird ihre Zahl mindestens 35 000 - 20 909 be⸗ tragen. In erster Linie würden auch die Tabacksortierer und⸗Arbeiter in Kisten. und Etiquettenfabriken brotloz werden. Wie soll den Großfabrikanten, die zum theil eine größere Anzahl eigener Verkaufs⸗ stellen haben, vorgeschrieben werden, wie sie ihre Waaren, um der Kontrole zu genügen, fakturieren sollen? Ein. einheitliches System läßt sich hier, überhaupt nicht. feststellen. Durch die Kontrolvorschriften wird die Tabacindustrie, vor allem die Kleinindustrie, völlig ruiniert werden. Sie wird in der That ver⸗ bluten. Es ist geradezu eine Unmöglichkeit, daß die err n alle die Vorschriften des Gesetzes befolgen. Die Kommission kann nicht das Geringste an der Vorlage verbessern. Ich bedauere, daß das Zentrum für eine Kommissionsberathung eingetreten ist. Der Üümfall bei der Umsturzvorlage hat zu Mißtrauen in weiten Kreisen gegen das Zentrum geführt, seine jetzige altung wird dieses Mißtrauen nicht beseitigen; durch die ö der Vorlage an eine Kommission wird die Be⸗ unruhigung in allen mit der Tabackindustrie zusammenhängenden Kreisen immer weiter sich verbreiten. Auch landwirthschaftliche Kreise gehören hierzu, was wohl zu beachten ist, und es wird diese Be⸗ unruhigung nur dazu beitragen, die Sozialdemokratie zu stärken. Uns
Sachsen⸗meiningenscher Bevollmächtigter zum Bundesrath, Staats⸗Minister Dr. von Heim:
Der Herr Vorredner hat zu Beginn seiner sehr interessanten Rede dem Bevollmächtigten für Meiningen entgegengehalten, wir hätten, um die Mittel für unsere Kulturaufgaben nicht zu schmälern, seiner Zeit nicht für die Militärvorlage stimmen sollen; das Militär, das Heer, sei im wesentlichen eine Sache für die Reichen. Meine Herren, ich glaube, es ist eine der ersten Kulturaufgaben, daß man das Reichsheer so stark macht und so stark erhält, daß es ein Schutz für die Kultur in Deutschland ist. Die Kultur in Deutschland kann durch nichts so sehr gefährdet werden und die Interessen gerade der Minderbemittelten und der Aermsten können durch nichts so sehr gefährdet werden, als durch eine Beunruhigung des Friedens, ge⸗ schweige denn durch das Eindringen einer feindlichen Macht. Der Reiche wird sich, seine Familie und einen großen Theil seiner Güter der feindlichen Invasion entziehen können; der Minderbemittelte, der Arme kann das nicht. Ein starkes Heer also, das uns den Frieden sichert und eine feindliche Invasion von uns fort hält, liegt am aller⸗ meisten im Interesse der minderbemittelten Volksklasse.
Im übrigen möchte ich dem Herrn Vorredner auf seine interessante Rede nicht folgen, sondern nur eins erwähnen: Er erinnerte daran, daß man eine Reichs⸗Einkommensteuer und eine Reichs. Erbschafts—⸗ steuer einführen könnte. Die Einkommensteuer haben schon mehr oder weniger die Einzelstaaten ausgebildet, und daß man hier bald an eine Grenze kommt, über die man die Einkommensteuer nicht er⸗ höhen kann, das möchte ich durch ein kleines Beispiel erläutern. Im Jahre 1890 hatten wir im Herzogthum Sachsen⸗Meiningen noch 57 Männer, die ein Einkommen von A 000 M oder mehr hatten; 1893 hatten wir deren nur noch 35, also ein Rückgang. Steigerten wir die Einkommensteuer noch erheblich, so würde der Rückgang wahrscheinlich noch viel größer sein. Wenn man also eine Reichs⸗Einkommensteuer einführt, so nimmt man damit den Einzelstaaten eine der Hauptstützen ihrer Finanzen.
Was die Erbschaftssteuer anbelangt, so sind auch mit dieser die Einzelstaaten schon gesegnet. Wir haben in Sachsen-Meiningen z. B. eine Erbschaftssteuer, die bis zu 90/0 der Erbschaft hinauf⸗ geht; sie ist in unserem Etat mit 37000 4 eingesetzt, eine für das Reich winzige Ziffer, aber eine sehr große Ziffer für unsern Etat, denn sie bildet bereits 45 9ίC, Ü unserer gesammten Ein⸗ kommensteuer. Erhebt man also eine Reichs-Erbschaftssteuer, so nimmt man wieder den Einzelstaaten ein Steuerobjekt weg, auf dem deren Finanzwesen mit beruht.
Abg. Brünnings (ul.): Die Gewichtssteuer hat ungerecht gewirkt, weil der gute Taback leichter ist als der schlechte; die Werthsteuer ist also ein großer Vorzug. Die Vorlage wird den Tabackbauer zu einem rationellen Tabackbau anregen. Die Statistit zeigt, daß der Konsum
in den letzten Jahren großen Schwankungen ausgesetzt war. Eine 5 des deutschen Tabackbaues ist durch die Vorlage nicht zu efürchten.
Abg. Schneider (fr. Volksp. ): Graf Holstein tadelte die Agi⸗ tation, die die Tabackinteressenten gegen die Vorlage in Scene gesetzt haben. Wenn diese Interessenten dem Muster der Agrarier hätten folgen wollen, so hätten sie noch ein viel lauteres Geschrei erheben müssen. Man kann es den Interessenten nicht verargen, wenn sie ihrer berechtigten Besorgniß Ausdruck geben. Denn das liegt doch auf der Hand, daß es sich hier nicht nur um die Vorlage selbst handelt, sondern daß die Annahme der Vorlage der Regierung eine Steuerschraube in die Hand geben würde, die gewiß im höchsten Grade zu fürchten wäre. Eine moralische Verpflichtung, jetzt Mittel zu gewähren, liegt für uns nicht vor, denn meine Partei hat die Militärvorlage nicht bewilligt; wenn wir die Sorge für die Deckung derselben auch nicht gänzlich von uns abweisen können, so kann man doch 2. nicht von uns verlangen, daß wir schlechthin der Steuer zustimmen sollen, die die Regierung von uns te nn Man möge einfach dafür sorgen, daß vor der Bewilligung von Ausgab r Art der Deckung einig ist. Es ist ja richtig, daß die jetzige Vorlage gegenüber der vorjährigen einige Erleichterungen enthält; aber darüber darf man doch nicht so überrascht thun, daz war ja mit der Ab- lehnung des vorjährigen Entwurfs vorauszusehen. Man ist jetzt den
en man sich zuerst über die
hoffte, klasse zu ü sonders zu verwerfen, denn der Händler, sondern auch der 9 direkt vom Produzenten Zigarren kommen läßt. Auch die af bestimmungen, die die Vorlage enthält, sind nicht sehr ermuntern! Die kleinen Fabrikanten werden den Vorschriften des Gesetzez . nachkommen können, sie werden überhaupt viel schwerer unter den Wirkungen des Gesete zu leiden haben als die kabitaltraftigeren
so wenigstens den Widerstand dieser Int e, , d, de fl, g,, t denselben unterliegt nicht n
jeder Privatmann, *
die den kolossalen Rückgang des Konsums leichter werden überwinden
können. Es wird auch eine Verschiebung der Industrie nach Sinen stattfinden, wenn der Entwurf Gesetz wird, und eine Derabdrũckung der Löhne im Süden wird die nothwendige Folge davon sein. Die Arbei vor allem haben nur recht gehandelt, wenn sie sich mit aller Macht egen die Vorlage wandten, denn Lohnkürzungen und Arbeiferenz, affungen wären die Folge der Annahme der Vorlage. Wird sie an. genommen, so kann man 2 Ein Königreich für einen Tabackarbeiter der nicht Sozialdemokrat ist! Ich bitte Sie, die Vorlage abzulehnen Zuletzt muß ich noch mein Bedauern augdrücken, daß ich erst zu so später Stunde zum Worte gekommen bin, nachdem von anderen Par, teien bereits zwei Redner gesprochen hatten. .
Präsident von Levetzow: Den letzten Vorwurf muß ich zurück. weisen; eine Rednerliste wird im Reichstag nicht eßl het, und da don den kleinen Parteien auf der Linken bereits drei Redner gesprochen haben, so ist die Linke ebenso reichlich mit Rednern bedacht worden als die anderen Parteien. Abg. Schultz Lupitz (Rp.) erklärt sich namens eines Thei seiner Freunde für die Helen welche durchaus nicht das . Erträglichen überschreite. J
Die Debatte wird geschlossen und die Vorlage darauf einer Kommission von 28 eatkr er, he ffn gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und Freisinnigen. Schluß 65 Uhr. Nächste Sitzung Montag 1 Uhr.
Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.
26. Sitzung vom Freitag, 22. Februar.
Zweite Berathung des Etats des Ministeriums der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten.
Ueber den Beginn der Sitzung ist gestern berichtet worden. Wir tragen hier nur die von dem Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse in Erwiderung auf den Wunsch des Abg. von Strombeck (Zentr. auf Vor⸗ legung der Kabinetsordres über die Bildung des hannover— schen Klosterfonds gehaltene Rede im Wortlaut nach. Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse: Meine Herren! Ueber die Fonds, von denen der Herr Vorredner eben gesprochen hat, ist auch in der Budgetkommission verhandelt worden und ich glaube, daß meine dort auf den Antrag des Herm Abg. Dr. Sattler abgegebenen Erklärungen im wesentlichen den jLetzigen Standpunkt der Sache klar dargelegt, haben, daß also damit eigentlich die Sache erledigt wäre. Ih habe mich nun mit Herrn von Strombeck noch dariha auseinanderzusetzen, daß ich die im Jahre 1893 von mir in Aut gestellten speziellen Nachweisungen der betreffenden Fonds bis itzt nicht vorgelegt habe. Das ist richtig. Damals bin ich von der Vor, aussetzung ausgegangen, daß es sich wesentlich um erweiterte that⸗ sächliche Mittheilungen über die Fonds handeln würde. Es ist deshalb auch unmittelbar nach dem Schlusse der Etatsberathung vom Jahre 183 in meinem Ressort angefangen worden, diese erweiterten Nachweisungen vorzubereiten. Dabei hat sich aber ergeben, daß das unmöglich ist, ohne auf die Verhältnisse der Fonds, und zwar jedes einzelnen Fondt, näher einzugehen; das ist aber eine überaus schwierige, zeitraubende und heikle Arbeit. Es ist eine ganze Registratur, die über diese Fondt sich angesammelt hat, deren Behandlung seitens der Staatsregierung verfolgt werden muß durch die verschiedenen Zeiten, wo diese Fondt unter französischer, westfälischer, polnischer und dann wieder preußischer Herrschaft gestanden haben, und es hat sich dabei herausgestellt, daß ich unmöglich über die rechtliche Natur dieser Fonds bindende Erklärungen nach außen abgeben kann, ohne daß die Königliche Staatsregierung alt solche zu dieser wichtigen Frage Stellung genommen hat. Nun ist inzwischen die Sache wieder in Erwägung gekommen durch die Vorarbeiten füt das künftige Komptabilitätsgesetz, und bei dieser Gelegenheit bin ich über die rechtliche Natur der einzelnen Fonds mit dem Herrn Finam. Minister in Verhandlungen eingetreten. Diese Verhandlungen sind nicht nur noch nicht abgeschlossen, sondern sie bedürfen auch noch einer weitgehenden Vorbereitung und eines eingehenden Studiums der Verhandlungen, nach denen die Verwaltung des Fonds bisher geführt worden ist. Diese Verhandlungen haben ergeben, daß einzelne Fonds bisher als Staatsfonds anerkannt sind, det halb auch in den Etat eingestellt sind, wie Herr Abg. von Strobel richtig gesagt hat, während bei anderen Fonds ihre Natur als eigent· liche Staatsfonds mindestens zweifelhaft ist, wenigstens bisher von der Regierung noch nicht anerkannt ist. Vielmehr sind viele dieser Fonds bisher als Rechtssubjekte im weiteren oder engeren Sinne am erkannt und behandelt worden.
So liegt die Sache. Diese Verhandlungen müssen erst zu end. gültigem Abschluß kommen und sobald sie dazu gekommen sind. wir es sich ganz von selbst ergeben, daß die Königliche Staatsregierung dem hohen Hause über diese Verhandlungen und diese Fonds auch weitere Mittheilungen zukommen lassen wird.
(Schluß in der Zwetten Beilage)
Abg. von Elm (So): Wer die Militärvorlage bewilligt hat, muß auch die Kosten derselben aufbringen. Das kann der Abg.
Tabackpflan zern entgegengekommen, um sie zu fangen; man bat da nach dem Grundsatz gehandelt: ‚Theile und ,. indem man
bun, uns miteinander verständigen, daß wir uns gegenseitig gerecht
Zweite Beilage
zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
r 48.
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Bei der weiteren Berathung nimmt nach dem Abg. Dauzenberg (Zentr.) das Wort
Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:
Meine Herren! Mit den Schlußworten des Herrn Abg. Dauzen⸗ berg kann ich mich vollkommen einverstanden erklären, denn sie besagen ungefähr genau dasselbe, was ich am Schluß der ersten Lesung des Ftats bier ausgeführt habe. Ich bin sehr empfänglich für die wohl- vollende und freundliche Gesinnung, mit der der Herr Abg. Dauzenberg einen Vortrag mir persõnlich gegenüber eingeführt hat. Aber das muß ich allerdings sagen: wenn man die Fülle der Beschwerden und Klagen äärt, die hier soeben aus dem Munde des Herrn Vorredners als Be⸗ ätwerden der katholischen Kirche vorgebracht worden sind — dann hat 1 Mitglied dieses hohen Hauses, das vorhin meine Wenigkeit und neine beiden Herren Kollegen hier mir zur Seite als die drei Männer im feurigen Ofen bezeichnete, vollkommen recht, und ich will r wünschen, daß ich mit gutem Gewissen und mit heiler haut darauß hervorkomme. Ich zweifle aber auch nicht daran, und ich halte es nicht für richtig, namentlich von den Gesichtspunkten aus, die der Herr Abg. Dauzenberg zuletzt ausgesprochen hat, auf alle diejenigen Beschwerden so einzugehen, wie er es verlangt hat. Meine herren, man kann sagen, daß die Rede des Herrn Abg. Dauzen⸗ berg gipfelte in dem Verlangen nach einer durchgreifenden Repifion der kirchenpolitischen Gesetze (sehr richtig) und Allenfalls nach der Vorlegung eines allgemeinen Volksschul—⸗ gesetzs. Das, glaube ich, war die Spitze der ganzen Rede. Nun will ich gar nicht verkennen, daß es sehr wohl möglich ist, daß inner⸗ halb unserer kirchenpolitischen Gesetzgebung sich auch noch Punkte finden, die auch für die katholische Kirche unbequem, hart, schwer und lästig sind. Ich will auch meine Pflicht garnicht in Abrede stellen, die Hand dazu zu bieten, bei gegebener Gelegenheit diese Punkte zu bessern. Aber, meine Herren, wenn man den konfessionellen Frieden will, denn soll man sich in erster Linie fragen, ob es dem konfessionellen Frieden dienen würde, wenn wir durch die Aufrührung aller dieser Punkte, die zum theil doch recht kleiner Art sind, die konfessionellen Leidenschaften in unserem Volke jetzt wieder aufrühren, und dagegen habe ich die allerernstesten Bedenken. Ich habe neulich schon aus⸗ geführt, und ich wiederhole, daß je sicherer jeder Einzelne von uns auf dem Boden seines Glaubens und seines Bekenntnisses steht, desto steier kann er, wenn er mal durchdrungen ist von der That-⸗ ache, daß in unserem Vaterlande Katholiken und Evangelische neben inander leben müssen, die Hand dazu bieten, daß wir das in Frieden
ud wohlwollend behandeln. Wenn wir das aber thun wollen, dann nüirfen wir nicht um verhältnißmäßig geringfügiger Beschwerden willen den ganzen konfessionellen Streit jetzt wieder aufnehmen. Und ich Kalte meinen, unsere Zeit wiese doch darauf hin, daß wir wirklich nähere Dinge zu thun haben, als uns wieder in dieses Treiben lanffstonellen Kampfes hineinzubegeben. (Sehr richtig! rechts.)
Meine Herren, der Herr Abg. Dauzenberg war der Meinung, die Katholiken würden in unserem Vaterlande nicht gerecht behandelt. Dieser Vorwurf ist mir zu allgemein. Wo ich einer ungerechte Be⸗ handlung des einzelnen Katholiken und der katholischen Kirche untgegentreten kann, da thue ich es pflichtgemäß, und es fällt mir gar⸗ niht ein, das als besonderes Verdienst in Anspruch zu nebmen; das st einfach meine Pflicht.
Auch der Abg. Dauzenberg sagt: er wolle keine mechanische snritat; darin haben wir uns begegnet. Aber er hat doch hinzugefügt, n Staats⸗Ministerium sowohl als auch in den Provinzialbehörden bine er sich nicht recht denken, daß ein Protestant volles Verständniß und uuzteichen des Wohlwollen für die Angelegenheiten der katholischen iche hätte. Nun, meine Herren, volles Verständniß — das kann ich i zu einem gewissen Grade zugeben, und weil das so ist, so haben tir eine entsprechende Anzahl katholischer Räthe im Ministerium ud haben sie auch in unseren Provinzialbehörden. Daß ich die Rbl der katholischen Räthe im Ministerium vermehren sollte, kan finde ich keinen Anlaß. Alle katholischen Angelegenheiten, thne Aufnahme, werden unter Zuziehung eines Katholiken, ja, von nutholiken bearbeitet. Prinzipaliter geht unser Streben dahin, daß watholken Referenten sind, und nur ganz ausnahmsweise kommt 6 vor, daß ein evangelischer Rath Referent, ein nöclischer Korreferent ist, wie umgekehrt auch katholische utthe Korreferenten für evangelische Angelegenheiten sind. ns giebt nicht nur keinen Streit, sondern im Gegentheil, das dient n konfessionellen Frieden; es dient dem weiten Blick bei der urtheilung dieser Sachen innerbalb des Ministeriums, und es umt den Entscheidungen zweifellos zu gute. (Sehr richtig! rechts.)
Der Herr Abg. Dauzenberg hat gesagt, wenn man unter sich ist, ö itt das bequemer. Ja, das glaube ich auch, wenn Sie einen katho⸗ hen Kultus⸗Mini ler hätten, und eine katholische Abtheilung, ne alle Sachen unter sich abmachen, daß das leichter und bequemer ate, Aber in Preußen arbeiten die Beamten nicht nach den Ge— ate vunkten der Bequemlichkeit, sondern sie arbeiten nach den Gesichts⸗ unten der Pflicht und unter Berücksichtigung der thatsäͤchlichen Ver⸗
tif über die wir Herr werden müssen. (Bravo! rechts.)
. Herren, daß bei der Staatsregierung nicht etwa eine ; . katholische Beamten von den höheren Stellen aus⸗ *. das geht doch aus den Ereignissen im letzten Jahre . hervor. Gegen die vorige Etatsberathung haben Sie jetzt hid atbolischen . Minister ⸗Präsidenten, einen katholischen Ober⸗ 7 und einen neuen katholischen Kultus⸗Minister. (Große
. ) Ich bitte um Verzeihung, ich habe mich versprochen,— Uiun g! muß ich mich freilich verwahren, daß ich ein katholischer . . bin; das bin ich nicht (Heiterkeit. Wir sind bestrebt, dem . ekenntniß auch innerhalb der Provinzialbehörden sein
echt zu lassen. Ich habe aber schon einmal hervorgehoben,
Berlin, Sonnabend, den 23. Februar
und die katholische Kirche könnte sich mehr bestreben, ihre Glieder in die Beamtenlaufbahn zu führen. Ich habe hier ganz bestimmte statistische Nachrichten nach dieser Seite, die ich eigentlich erst glaubte bei den höheren Schulen vielleicht zur Sprache bringen zu müssen; aber es paßt hier vielleicht ganz gut ber, wenn ich Ihnen die Ziffern mittheile, welche die Statistikergiebt, nämlich, daß die deutschen höheren Lehranstalten von dem katholischen Theil der Bevölkerung relativ weniger besucht werden als von dem evangelischen, und diese Erfahrung zeigt sich nicht etwa bloß in dem überwiegend protestantischen Preußen, sondern auch in dem überwiegend katholischen Bayern und in Glsaß-Lothringen. In Preußen kam im Jahre 1890 ein evangelischer Schüler auf 198 evangelische Einwohner und ein katholischer Schüler auf 366 Ein—⸗ wohner; in Bayern ein evangelischer Schüler auf 150 evangelische Einwohner und ein katholischer Schüler auf 236 katholische Einwohner. In Elsaß Lothringen ganz ähnlich: ein evangelischer Schüler auf 103 Evangelische und ein katholischer auf 355 Katholiken. Nun sind die Ursachen dieser Erscheinung sehr schwer zu ermitteln; das ist ja ganz klar; sie sind auch gar nicht einfach, sondern sehr mannigfaltig. Eine große Relle spielen dabei die wirthschaftlichen Verhältnisse der verschiedenen Volksklassen, das verschiedene Maß des Besitzes und der Wohlhabenheit. Aber das geht doch ganz deutlich daraus hervor, daß beide christliche Konfessionen an der Benutzung der höheren Lehranstalten verschieden betheiligt sind, und ganz besonders ergiebt sich, daß sie übertroffen werden, und zwar weit übertroffen werden von den Juden. (Bewegung.) Es kam im Jahre 1890 in Preußen ein jüdischer Schüler auf 30 jüdische Einwohner, in Bayern ein jüdischer Schüler auf 27 jüdische Einwohner und in Elsaß-Lothringen ein jüdischer Schüler auf 49 jüdische Einwohner. Die männliche Bevölkerung Preußens besteht zu 640ͤ0 aus Evangelischen, zu 3440/09 aus Katholiken und zu 1,6 0½o aus Juden. Auf die Gesammtheit der höheren Schulen Preußens, wenn man die Frequenz der Jahre 1887 bis 1892 berechnet, finden sich dagegen an evangelischen Schülern sh 786 oder 70,50 , an katholischen Schülern 27 805 oder 20,3 (/. Wenn sich der Besuch der höheren Schulen seitens der Konfessionen nach der Bevölkerungsziffer richtete, so hätten die Schüler katholischer Konfession nicht 27 806, sondern ungefähr 47 000 betragen; so groß ist der Unterschied in dem verschiedenen Andrang bei den Konfessionen.
Nun ist sehr merkwürdig: diese Mißverhältnisse setzen sich nach oben fort. Von den Gymnasial. Abiturienten fielen nach dem obigen fünfjährigen Durchschnitt der Jahre 1887 bis 1892 67,500 auf evangelische und 24,200 auf katholische Abiturienten. Die Ziffer ist hier etwas größer; das ergiebt sich wieder daraus, daß die Angehörigen katholischer Konfession das Gymnasium relativ mehr besuchen, als die Realanstalt. Dagegen ist die Zahl der Evangelischen wieder etwas größer bei den Realschulen.
Wenn man sich nun fragt, wie steht es mit den Studierenden? — so ist die Antwort diese: Nach der Universitätsstatistik des Jahres 1887n!88 gehen auf je 100 Studierende der juristischen, medizinischen und philosophischen Fakultät 69 C Eyangelische und 18,7 , Katho— liken. Rechnet man alle vier Fakultäten mit Einschluß der theo— logischen zusammen, so kommen auf je 10000 Angehörige der betreffenden Konfession 9 evangelische und 5 katholische Studierende. Diese Ziffern zeigen doch deutlich einen Rückstand der katholischen Konfession bis hin zu den Universitätsstudien. Das Streben nach wissenschaftlicher Ausbildung ist aus irgend welchen Gründen etwas weniger entwickelt als bei der protestantischen. (3Zuruf.)
Meine Herren, auf der Kölner Katholikenversammlung sagten zwei Redner, Schrörs und Görtz, bei Behandlung dieser Frage: Die Katholiken müßten Opfer bringen und sich in der höheren Studien laufbahn durch stattliche Zahl und besondere Tüchtigkeit hervorthun. Dagegen ist nicht das Geringste zu sagen. Ich glaube, daß in der That die Zahlen, die ich Ihnen mitgetheilt habe, eine solche Meinung voll und ganz begründen; sie forderten also wirklich auf zu einer Steigerung der eigenen Thätigkeit und des inneren Strebens. Nun sagen reilich andere, die Hauptsache liege darin nicht, sondern die Hauptsache liegt in einer gewissen Mißgunst der Unterrichtsverwaltung, nämlich in der zu geringen Zahl katholischer Anstalten, in dem Mangel an Parität bei den Simultananstalten und auch, wie wenigstens frũher vielfach gesagt wurde, in der Beseitigung der katholischen Abtheilung. Ja, meine Herren, daß irgend eine Tendenz der preußischen Unterrichts⸗ verwaltung an dem Zurückbleiben der katholischen Bevölkerung in dieser Beziehung die Mitschuld trage, ist schon deshalb nicht anzunehmen, weil in Bayern sich ganz dasselbe Zurückbleiben zeigt. Seit dem Anfang der siebziger Jahre sind die vom Staat neubegründeten höheren Schulen in der Regel überhaupt nicht mehr nach einem konfessionellen Charakter bezeichnet; sie wurden gegründet da, wo sich ein Be⸗ dürfniß zeigte. Fielen sie in ein überwiegend protestantisches Gebiet, so waren sie faͤktisch protestantisch, im anderen Fall wurden sie faktisch katholisch. Die zunehmende konfessionelle Mischung unseres Bürgerthums, welches die höheren Lehranstalten besucht, nöthigt bei diesen Schulen uns das Verfahren ganz von selbst auf. Die Pflicht des Staats kann auch nur sein, daß er für einen geordneten Religionsunterricht der Minoriät und für eine billige Berücksichtigung der Konfession bei der Wahl der Lehrer sorgt.
Von den bestehenden rund 260 realen Anstalten ist die ganz überwiegende Mehrzahl städtischen Ursprungs; sie haben den Charakter, die die städtischen Patronate ihnen auflegen, d. h. sie sind faft aus— nahmsles für alle Konfessionen bestimmt. Von den Realschulen ist nur eine einzige staatlich, nämlich die in Hechingen, und die Mehrheit ihrer Lehrer ist katholisch. Will der Patron einer Realschule ein besonderes konfessionelles Gepräge geben, wie z. B. in Breslau eine von den Realschulen katholisch ist, so steht die Unterrichtsverwaltung dem absolut nicht entgegen; die Gründung von katholischen Real⸗ schulen wird zweifellos genehmigt werden.
Wenn man also der Unterrichtsverwaltung den Vorwurf macht, daß sie in dieser Beziehung eine Mißgunst entfaltete, so ist dieser Vorwurf nicht begründet, und ich glaube, daß sich im wesentlichen die Sache auch demnächst noch weiter so vollziehen wird. Aber
1895.
auf die Mahnung, die ja in katholischen Kreisen selbst van zuverlässigsten Katholiken ausgesprochen ist, die katholische Kirche auch nach dieser Richtung hin einen Einfluß ausüben wird, damit wir mehr katholische Schüler, mehr katholische Studenten und infolge dessen dann auch mehr katholische Beamte bekommen. Also den Vor= wurf darf ich ohne weiteres zurückweisen.
Der Herr Abg. Dauzenberg hat unter anderem auch darüber ge⸗ klagt, daß immer noch die Befugniß des Staats bestehe, die katholischen Geistlichen zu dispensieren von den Erfordernissen der Vorbildung oder vielmehr, daß der Staat eine Ingerenz auf die Vorbildung der Geistlichen der katholischen Kirche habe. Das ist gesetzlich! Ich habe schon vorhin gesagt: Lassen Sie uns an diesen Dinge, solange sie erträglich sind und wir thatsächlich in Frieden auskommen — wir leben in dieser Beziehung in vollstem Frieden mit den derren Bischöfen —, lassen Sie uns an diesen Dingen nicht rütteln! Wir spielen mit dem Feuer, und wenn wir hier die konfessionellen Lei enschaften entfesseln um nicht ganz wichtiger Interessen willen und nicht lediglich um Interessen, die keinen Aufschub dulden, dann kann es sehr leicht kommen, daß die kirchlichen Interessen darunter viel mehr leiden, als daß sie dadurch gefördert werden. Wie wenig wir bei den Dispensationen Schwierigkeiten machen, das ist ja allen be⸗ kannt. Es liegt ja in der Natur der Sache, daß die Staats⸗ behörden sich zwar die Persönlichkeiten ansehen, und ich glaube doch, daß wenn einmal ein Fall vorgekommen ist, daß die Erkun— digungen nicht in ganz taktvoller Weise eingezogen sein sollen, dieser ganz vereinzelt ist; denn die Haupterkundigungen ziehen wir immer ein durch Vermittlung kirchlicher Behörden, wiewohl wir längst nicht alle Dispensierten auf den Antrag der Bischöfe direkt dispensierten, sondern sehr häufig auch auf eigenen Antrag. Wir haben dispensiert — ich will nur die Gesammtzahl nennen — bis zum 7. Februar des vorigen Jahres 1694 Priester; dazu sind gekommen im Laufe des letzten Jahres 14 auf Antrag der Bischöfe und 8 auf ihren eigenen Antrag, so daß wir 1716 Priester dispensiert haben. Wie gesagt, wir kommen dabei entgegen bis zum äußersten, und ich glaube kaum, daß der Herr Abg. Dauzenberg in der Lage sein wird, mir einen Fall zu nennen, wo die Die pensation verweigert ist; mir ist kein Fall bekannt. Sie sehen also, daß wir thatsächlich einen modus vivendi mit den Bischöfen gefunden haben, daß wir mit ihnen in Frieden arbeiten können.
Genau dasselbe ist der Fall in Bezug auf das sehr schwierige Verhältniß zur Schule, in Bezug auf den Religionsunterricht. Wir mischen uns durchaus nicht in die Dogmatik des Religions⸗ unterrichts. Das ist Kirchensache; die Frage, was nach katholischer Lehre gelehrt werden soll, ist nicht Sache des Staats, sondern darüber müssen die kirchlichen Oberen entscheiden. Im übrigen aber ist der Religionsunterricht in den Or= ganismus der Schule bei uns eingefügt, und über das Technische muß auch der Staat menigstens eine Kognition haben. Nun ist es unt gelungen, durch eine ruhige, einfache Darlegung dieser Verhältnisse mit sämmtlichen Herren Bischöfen durchaus friedlich und freundlich einen modus vivendi zu finden. Es besteht auf keinem Gebiete des Staats nach dieser Richtung hin Streit. Ich sehe nicht ein, was ich thun sollte, um hier einzugreifen. Wollte ich die Sache prinzipiell aufnehmen, wollte ich mir den Ruhm erwerben, diese Sache zu einer prinzipiellen Entscheidung nach der einen oder anderen Seite zu bringen, so hätten wir den Krieg ganz zweifellog, und wer dabei den Schaden trüge, das wäre die Jugend, auch die katholische Jugend; darauf können Sie sich verlassen.
Daß die Sache übrigens nicht so steht, wie der Herr Abg. Dauzenberg meint, daß eine prinzipielle Lösung aller Beziehungen zwischen Staat und Kirche von der Schulverwaltung erstrebt würde, können Sie daraus entnehmen: wir haben vor drei Jahren b766 ka— tholische Lokal⸗Schulinspektionen gehabt; im vorigen Jahre haben sie sich vermehrt auf 6968, jetzt sind es 7077. Sie sehen, daß eine Ten⸗ denz, die Geistlichen fernzuhalten, bei uns durchaus nicht besteht. Gaz sind einzelne Herren, die, sei es aus der Kulturkampfzeit her — die ich übrigens thunlichst ignoriere — oder aber sonst in der Gemeinde oder mit einem Lehrer, in Schwierigkeiten gerathen sind, daß wir es beim besten Willen nicht machen können. In solchen Fällen muß ich das Interesse der Schule an die Spitze stellen, und thue das auch, und da werde ich, wenn ich die Ueberzeugung gewinne, daß es nöthig ist, die Lokal- schulaufsicht durch einen staatlichen Beamten wahrzunehmen, Sorge dafür tragen, daß ein besonderer Schulinspektor bestellt werden muß. Meine Herren, das ist im wesentlichen das, was ich zu erwidern hätte. Auf die Frage einer Revision des Vermögen dverwaltungsgesetzes möchte ich nach den ausgiebigen Darlegungen, die wir im vorigen Jahre gehabt haben, wenigstens zur Zeit nicht noch einmal eingehen; ich möchte dringend wünschen und rathen — und ich glaube, daß die Herren Bischöfe sehr gern bereit sind, darauf einzugehen — doch die einzelnen Fälle in Erwägung zu nehmen, wo man die Gemeinde vertretung auf Grund des vorhandenen Gesetzes beseitigen könnte. Das ist ja doch der Kernpunkt der ganzen Sache. Wenn die Bischõfe es beantragen, können wir die Gemeindevertretung beseitigen und vollständig den Zustand herstellen, den sie haben wollen, sofern nicht etwa die Größe des Vermögens und die Ver— hältnisse der Gemeinde ganz besondere Schwierigkeiten bieten.
Was dann das Altkatholikengesetz angeht, so muß ich sagen: darüber kann sich die katholische Kirche nicht beschweren, daß wir den Alt— katholiken zu viel zu gute thun; wenn wir aber das Gesetz aufheben wollten, so würden wir uns dem schweren Vorwurf aussetzen, daß wir einer schwachen Minorität den letzten Rest von Rechtsschutz entzögen, den sie noch hat, und der ihr im Vaterlande gewährt wird. Dazu scheint mir keine Veranlassung vorzuliegen.
Ich wiederhole, meine Herren: lassen Sie uns jeder von dem Standpunkte seines Glaubens und seines Bekenntnisses einander die Hand reichen, lassen Sie uns den Frieden zwischen beiden Kirchen, das Wohl des Staats, das Wohl unserer Jugend im Auge haben
d dir ; haben nicht immer die Manger, die man wohl haben möchte,
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ich nehme an, daß nicht auf meine Mahnung hin, aber
und gemeinschaftlich arbeiten, und lassen Sie uns die Wogen des