1895 / 51 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 27 Feb 1895 18:00:01 GMT) scan diff

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Nach dem Abg. Dr. Enn ecerus nimmt das Wort der

Bevollmächtigte zum Bundesrath, Königlich sächsische Finanz⸗Minister von Watzdorff:

Meine Herren! Ich habe mir das Wort nur zu einer kurzen Er⸗ klärung erbeten. Es ist bereits gestern von den Herren Vertretern verschiedener Bundesstaaten das große Interesse klar gelegt worden, welches daran besteht, daß die Ibnen vorliegende Finanzreform zur Annahme gelange. Es könnte aber vielleicht noch hier und da die Meinung gehegt werden, daß die Ihnen gestern von diesen Plätzen aus so überzeugend geschilderte Unerträglichkeit des gegenwärtigen Zu⸗ standes nicht von allen Bundesstaaten gleichmäßig empfunden werde, daß dieselbe vorzugsweise nur von der Königlich preußischen Regierung betont werde und thatsächlich nur bei einem Theil der kleinsten Bundesstaaten drückend wirke. Demgegenüber fühle ich mich ver⸗ pflichtet, noch ausdrücklich zu erklären und keinen Zweifel darüber bestehen zu lassen, daß auch die Königlich sächsische Regierung den dringenden Wunsch hegt und das größte Interesse. daran hat, daß die Vorlage zur Annahme gelangt.

Es ist ja richtig, daß wir, wenn die Finanzreform auf der vor⸗ liegenden Basis zu stande kommt, auf Ueberweisungen aus dem Reiche, welche die zu entrichtenden Matrikularbeiträge übersteigen, wenig Aussicht haben. Aber einen weit überwiegenden Vortheil erblicken wir darin, daß wir künftig endlich für unsere Finanz⸗ gebahrung eine sichere Basis gewinnen und nicht mehr zu fürchten brauchen, daß die in ihrer Höhe schon unkontrolierbaren Ueberschüsse der Ueberweisungen über die Matrikularumlagen vielleicht in das Gegen⸗ theil umschlagen. Es ist gestern schon von dem Königlich baverischen Vertreter ganz richtig gesagt worden: der größte Finanzkünstler kann bei unseren zweijährigen Budgetperioden einen Haushaltplan nicht aufstellen, wenn er nicht weiß, ob er, namentlich für das zweite Jahr, nicht vielleicht Millionen mehr an Matrikularbeiträgen ab zuführen hat.

Ich will nun noch eins erwähnen, um zu zeigen, wie die Un⸗ sicherbeit in der Finanzgebahrung, welche das jetzt beftehende Ver- bältniß zur nothwendigen Folge hat, außerordentlich störend allenthalben einzuwirken vermag.

Meine Herren, es ist uns gestern von dem Herrn Abg. Richter gesagt worden, wir Einzelstaaten würden ja schlechter stehen bei der neuen Finanzvorlage, wir hätten doch sehr viele Einnahmen gehabt in der Zeit der Franckenstein'schen Klausel und die fielen ja jetzt weg. Ich muß das vollständig zugeben: wir werden diese Einnahme wahr— scheinlich nicht mehr haben. Allein der Herr Abgeordnete hat uns auch nicht in Aussicht stellen können, daß diese Einnahme jetzt fort⸗ dauern würde; im Gegentheil, wir müssen annehmen, daß wir nur mit erhöhten Matrikularbeiträgen zu rechnen haben werden, und wie schwierig es ist, und zu welchen Unzuträglichkeiten es führt, in der Finanzgebahrung mit solchen in Bezug auf die Höhe unkontrolierbaren Einnahmen zu rechnen, das kann ich Ihnen recht deutlich beweisen aus einem Vorgang, der sich im Königreich Sachsen abspielte.

Nachdem diese Ueberweisungen eine gewisse Höhe erhielten, wurde die sächsische Regierung vor die Frage gestellt, was eigentlich mit dem Gelde anzufangen sei. Man konnte es doch nicht thesaurieren, es mußte verwendet werden, und es lag der Gedanke nahe, es dazu zu verwenden, um die Steuern zu vermindern. Das ist ein Gedanke, auf den jeder vernünftige Minister zuerst kommen wird. Dem stellte sich aber gleich das Bedenken entgegen: wenn man die Steuern ver⸗ mindert, dann muß man doch auch wenigftens in Aussicht stellen können, daß die Verminderung der Steuern bestehen bleibt. Das konnten wir aber nicht, denn wir konnten nicht voraussehen, ob im Reich vielleicht Aenderungen eintreten würden; wir hatten keine Garantie, daß dies nicht geschehen würde. Sie sehen auch, daß solche Aenderungen inzwischen eingetreten sind. Das hatte sich damals die sächsische Regierung überlegt, und sie beschritt diesen Weg nicht, sondern beschloß, das Geld dazu zu verwenden, um die Schulgemeinden zu unterstũtzen. Es geschah in der Weise, daß den Gemeinden die Hälfte der noch bestehenden Grundsteuer überwiesen wurde. Der Staat sollte sich für den Ausfall schadlos halten an den Ueber weisungen des Reichs. Der Vorschlag wurde acceptiert, die Maßregel hat mehrere Etatsverioden bestanden, und die Schulgemeinden haben sich dabei sehr wohl gefühlt. Nun kam aber das Jahr 1893. Die Ueberweisungen vom Reich hatten sich beträchtlich vermindert, und man mußte damit rechnen, daß sie ganz aufhörten, vielleicht sogar in ihr Gegentheil umschlagen würden. Dieser Sachlage gegenüber hielt sich die sächsische Regierung nicht mehr für ermächtigt, den Gemeinden aus Staatsmitteln, die die gesammten Steuerzahler aufzubringen haben, ein Geschenk zu machen. Nun entstand aber gegen die Streichung der Schuldotation aus dem Etat ein ungeheurer Widerspruch. Die Kammer wurde von den Schulgemeinden bestürmt mit Gesuchen für die Beibehaltung derselben, sodaß schließlich die Regierung sich ent⸗ schloß, dieselbe in den Etat wieder einzustellen. Die Gemeinden hatten sich im Laufe der Zeit, wie das bei solchen nicht ordnungs— mäßigen Finanzverhältnissen geschieht, an diese Mehrbezüge bereits gewöhnt, hatten dieselben zu einem integrierenden Bestandtheil ihrer Haushalts, Etats gemacht und konnten nun ohne sehr große Störung ihrer Anschläge dieselben nicht mehr entbehren. Die Regierung stellte also die Dotation wieder her. Nun war sie aber doch gezwungen, das Geld zu beschaffen, und was ist die Folge gewesen? Wir haben ein neues Steuergesetz machen und die direkten Steuern erhöhen müssen. Ich bin überzeugt, daß ähnliche Vorgänge in anderen Staaten auch stattgefunden haben. Sie sehen aber daraus, wie be—⸗ denklich derartige Gebahrungen sind, und wie schwierig sich wirth⸗ schaften läßt mit solchen Zuständen, wie wir sie bis jetzt gehabt haben. Ich will Sie nicht länger mit meinen Ausführungen auf— halten. Ich bitte Sie, dies Gesetz anzunehmen, und Sie werden sich damit nur den Dank nicht nur der Regierungen sondern auch des weitaus größten Theils der Bevölkerung der Bundesstaaten erwerben. Beifall.)

Abg. Bebel (Soz.): Dadurch, daß die Ueberweisungen die Höhe der Matrikularbeiträge nicht mehr erreichen, sind die kleinen Staaten außerordentlich lebendig geworden. Diese Entwicklung hat den Vor⸗ theil gehabt, a eine . von Einzelstagten, so Preußen, Bayern, Württemberg enderungen und Verbesserungen ihres direkten Stenersystems versucht haben. Damit ist aber die Grenze

des Möglichen noch nicht erreicht; insbesondere ist das Groß— kapital in keiner der direkten Steuergesetzgebungen so e g

worden, wie es hätte herangezogen werden müssen und können. fürchte, wenn diese Vorlage Gesetz wird, dann wird man in den Einzelstaaten von allen Verbesserungen des direkten Steuersystems

zurückkommen. Eine weitere Folge wird sein, daß der

i. Ansprũ der Reichs Ressorts —— 8 ern gn, * recht nicht 6 , en diesem Gesetz zur Bewilligung neuer Steuern für all die neuen Ausgabeforderungen, die an ihn herantreten werden. Uns ist die Deckung in den Einzelstaaten schon deshalb lieber, weil sie dort auf dem gerechteren e der direkten Steuern erfolgt. Der Abg. Er. von Frege hat auf das außerordentlich ausgebildete indirekte Steuer system in Frankreich hingewiesen. Aber dort geht bereits ein scharfer Zug gegen dieses System, und man wünscht, . endlich die Einkommensteuer eingeführt werde. Wäre die sozial⸗ demokratische Partei nicht, so hätten wir auch in Deutschland alle Steuern auf die kleinen Leute gewälzt. Die kleinen Staaten ver⸗ zichten jetzt freiwillig auf die Ueberschässe des Reichs; aber die Ueber⸗ schüsse ö d ja verschwunden. Die Vorlage wird vielleicht mit kleinen Aenderungen Gesetz werden. Die Konsequenz wird sein, daß vom Reichstag verlangt werden wird, daß er, was er beschlossen. auch zur Wahrheit mache: Er wird mehr Einnahmen bewilligen müssen.

Bevollmächtigter zum Bundesrath, bayerischer Ministerial⸗ Direktor Freiherr von Stengel:

Meine Herren! Der Herr Vorredner nöthigt mich durch seine Ausführungen, heute zu dieser Sache wiederholt das Wort zu er⸗ greifen. Der Herr Vorredner hat unter anderem im Eingang feiner Ausführungen auseinandergesetzt, daß das Großkapital in den Einzelstaaten nicht genügend zu den öffentlichen Lasten, den Steuern, herangezogen werde, mit anderen Worten, er hat der Partikulam⸗ steuergesetzgebung damit den Vorwurf gemacht, daß sie die reichen Leute begünstige. (Sehr richtig) Ich würde zu diesem Vorwurf meinerseits geschwiegen haben, wenn der Herr Vorredner es nicht für gut befunden hätte, speziell auch noch auf Bayern dabei zu exemplifizieren.

Was nun den Staat, den ich hier zu vertreten die Ehre habe, anlangt, so kann ich auf diese Ausführungen des Herrn Abg. Bebel erwidern, daß das gerade Gegentheil von dem, was er sagte, wahr ist; es muß das einmal hier laut und deutlich und vernehmlich hervorgehoben werden. Seit Dezennien ist die bayerische Steuer⸗ gesetzge ung bemüht, die Steuerlast von den wirthschaftlich Schwächeren thunlichst wegzunehmen (Sehr richtig! rechts) und auf die wirthschaft—⸗ lich Stärkeren, auf die wohlhabenden Klassen hinüberzuwälzen. Tppisch für diese Tendenz, welche die bayerische Steuergesetzgebung beherrscht, ist unter anderen diese will ich vorerst einmal heraus greifen die baverische Erbschaftssteuergesetzgebung, die wir seit 1878 dort haben. Diese Erbschaftssteuergesetzgebung ist derart geregelt, daß wir sofort mit einem Steuersatz von 40 beginnen und dann auf⸗ steigen bis zu einem Steuersatz von 8 oo. Man erhebt in Bayern diese Erbschaftssteuer von 4 0, unter Freilassung von kleineren Ver—⸗ mögen und Anfällen, schon bei Aufällen an Geschwisterte und, wie ich noch beifügen will, auch bei Anfällen an Eltern. Diesen Steuer sätzen entsprechend ist auch der Ertrag der Steuer ein ganz respektabel hoher. Die baperische Erbschaftssteuer erträgt durchschnittlich, wenigstens in den letzten Jahren, 21 27 Millionen Mark; das ist für einen Staat mit einer Bevölkerungszahl von zwischen 5 und 6 Millionen Einwohnern doch in der That ein ansehnlicher Betrag. Nebenbei, nachdem ich eben die Erbschaftssteuer erwähnte, von der auch Herr Bebel wird zugeben müssen, daß sie eine Vermögenssteuer ist, möchte ich doch auch noch den Punkt hervorheben, daß es wohl den Einzel— staaten, speziell dem Staate Bayern wahrlich wenig nützen würde, wenn Sie, um dem Reich weitere Einnahmequellen zu beschaffen, nunmehr etwa die Erbschaftssteuer von den Einzelstaaten auf das Reich übertragen wollten; Sie würden damit nur mit einer Hand geben, was Sie mit der anderen Hand, und vielleicht in erhöhtem Betrage, nehmen würden.

Vergleichen Sie nun um von dieser Abschweifung wieder zurückzukehren mit dieser Höhe unserer Erbschaftssteuer die Be— steuerung des Einkommens in Bavern; das Einkommen aus Lohn— erwerb ist so mäßig herangezogen (Hört! hört! rechts), daß jemand, der ein solches Einkommen aus Lohnerwerb beispielsweise im Jahres- betrag von 900 S bezieht, zur Zeit mit einer Steuer von nur 3 60 33 8 belegt ist. (Hört! hört! bei den Nationalliberalen Der kleine selbständige Arbeiter ist mit einer Einkommensteuer belegt von einigen 60 3. (Hört, hört! rechts und bei den Nationalliberalen.) Es könnte sich ja fragen, ob man eine derartige Steuer nicht besser aufhebt, da sie ja kaum die Erhebungskosten deckt (sehr richtig! rechts); sie wird aber schon beibehalten werden müssen in Rücksicht auf ihren Zusammenhang mit der Wahlgesetzgebung in Bayern, welche in absehbarer Zeit zu ändern kaum thunlich sein dürfte. Es würde mich zu weit führen, wenn ich auf diese spezifisch bayerische staatsrecht liche Frage hier näher eingehen würde.

Andererseits wird in Bayern eine Kapitalrentensteuer erhoben, die bei kleinen Kapitalsrenten nur 14 9⏑ beträgt, bei den höheren, größeren aber bis 3800 hinauf steigt. (Zuruf links) Ich will nicht leugnen, daß in dieser Beziehung, wie überhaupt an der Steuergesetzgebung, ja in der Folge noch manches sich bessern lãßt. Es unterliegt auch gerade im gegenwärtigen Augenblick die Frage einer Revision oder Reform der bayerischen Steuergesetzgebung der sorgfältigsten und eingehendsten Prüfung; einstweilen muß allerdings abgewartet werden, zu welchem Ergebniß diese Prü— fung führen wird. Das Eine kann ich Ihnen aber schon heute sagen, daß, wenn man in Bayern schließlich dazu kommen sollte, eine Steuerreform durchzuführen, es sich noch immer in hohem Grade fragt, ob wir mit einer solchen Reform auch eine Mehr- einnahme für den Staat erzielen werden. Jedenfalls werden wir und darauf habe ich schon in meiner gestrigen Rede hingedeutet wenn wir mehr erlangen wollen, sei es durch eine Steuerreform oder durch eine Revision unserer Steuergesetzgebung, die schwächeren Schultern nothwendigerweise mit heranziehen müssen; denn ich betone hier, meine Herren, die Zahl der Steuerpflichtigen in Bayern, welche

mit mäßigen Einnahmen ausgestattet und infolge dessen auch mit

mäßigen Steuern belastet sind, ist eine ganz enorme, eine unver—⸗ hältnißmäßig große. Es wird die Herren interessieren, wenn ich Ihnen hier mittheile, daß von sämmtlichen Steuerpflichtigen in Bayern 65 oc, das sind nabezu z, mit einer direkten Steuer von nur 60 3 bis 5 4 belastet sind.

Nun hat man allerdings ron anderer Seite auch schon auf die großen Erfolge hingewiesen, welche in Preußen mit der Steuerreform erzielt worden sind. Gewiß, in Preußen sind mit dieser Reform ganz außerordentlich große, ungeahnte Erfolge erzielt worden. Aber, meine Herren, vergessen Sie doch auch nicht, daß in Preußen mit der Steuerreform auch zugleich der Deklarationsz wa ng zur Ein⸗ fübrung gelangte, und ich glaube nicht zu irren, wenn ich annehme,

daß ein großer Theil dieser besonders günstigen Ergebnisse der Steuer. reform in Preußen gerade auf Konto der Einführung des Della. rationszwanges geschrieben werden muß. Nun aber, meine Herren, haben wir ja den Deklaration zwang in Bayern schon seit einer langen Reihe von Jahren. Dieses Pulver ist also bereits von uns verschossen.

Schließlich möchte ich noch Herrn Abg. Bebel, der mich ja im Laufe seiner Rede auch einmal zitiert hat, erwidern, daß ich gestern nicht gesagt babe, daß nach diesem Gesetzentwurfe die Ueber. schüsse dem Reiche verbleiben sollen. Wenn er meine Rede nach liest, wird er finden, daß ich nur gesagt habe, daß das Mehr der Ueberweisungen über den Etat nach diesem Gesetz. entwurf in der Folge dem Reich verbleiben soll, und wenn dea Herr Vorredner die Güte haben will, den zweiten Absatz des §1 genauer nachzulesen, so wird er, glaube ich, nicht mehr in der Lage sein, diese meine Worte zu bestreiten. (Bravo! rechts und links.)

Bevollmächtigter zum Bundesrath, Großherzoglich sächsischer Wirklicher Geheimer Rath Dr. Heerwart:

Ich babe mir nur das Wort erbeten, um meinen gestrigen Vortrag in einem Punkte zu erläutern. Der Etatsabschluß, der in Weimar jetzt erfolgt ist und der einen Fehlbetrag von 400 000 ergiebt, setzt bereits voraus, daß die Matrikularbeiträge und die Ueber⸗ weisungen sich bilancieren. Es ist also dabei schon angenommen, daß, was die heute zur Debatte stehende Vorlage bezweckt, auch ein— treten wird. Sollte diese Vorlage abgelehnt werden und sollte die damit in Zusammenhang stehende, zur Ausführung des Gesetzes noth— wendige Tabacksteuer die Zustimmung des Reichstags nicht finden, dann würde das Defizit ein weit größeres sein und die Belastung der Steuerzahler folgeweise sich noch erheblich steigern.

Abg. von Karderff. Rp.): Wenn der Abg. Bebel der Be, fürchtung Ausdruck gab, dieses Gesetz würde die hol haben, daz Mehrausgaben im Reich leichter bewilligt würden, so bin ich der ent. gegengeletzten Meinung. Ich glaube, daß dieses Gesetz nicht nur im Interesse des Neichs und der Einzelstaaten, sondern auch im Interesse der Steuerzahler liegt, daß es im Sinne einer sparsamen Finan werwaltung wirken wird. Denn wenn der Reichstag selbst für die Deckung der Ausgaben, die er bewilligt, zu, sorgen hat, so wird es sehr viel schwieriger sein, als bisher, mit Ausgabeforderungen an ibn heranzu⸗ treten. Der Abg. Dr. Lieber erwähnte am Montag, daß die Militär vorlage bewilligt worden sei, obne daß man sogleich für die Deckung gesorgt hätte. Gewiß, ich habe das auch bedauert, aber die Abgg. Richter und Dr. Lieber haben doch kein Recht, die Verantwortlichkeit für die Lasten der Militärvorlage allein auf den Bundesrath und diejenigen Parteien zu schieben, welche dem Gesetz zugestimmt haben; denn waz die Herren selbst zu bewilligen bereit waren, stand nur um sehr wenige Millionen hinter dem zurück, was bewilligt wurde; die Noth wendig keit einer Heeresvermehrung war eben von einer sehr großen Mehrheit des Hauses anerkannt. Dem Abg. Bebel will ich in der Untersuchung über die Vorzüge der direkten Steuern nicht folgen; ich möchte nur das Eine sagen: Sie geben uns immer Schuld, die indirekten Steuern zu bevorzugen. Das ist unrichtig; wir sind stets davon ausgegangen, daß direkte und indirekte Steuern sich gegenseitig ergänzen mũssen, und daß allerdings im Vergleich zu anderen Ländern Deutschland bis ber zu wenig auf die indirekten Steuern zurückgegriffen hat. Der Abg. Bebel bemängelte die Bezugnahme des Abg. Dr. don Frege auf Frank reich. Dem gegenüber möchte ich ihn doch auf die Thatsache au merksam machen, daß die Vertheilung des Vermögens unter mõglichũ Viele in keinem Lande so vorgeschritten ist, wie in Frankreich. Di Deren rechnen uns vor, daß so und so viele Tabackarbeiter auf. Straße gesetzt werden würden; aber Sie wollen bei der Landwin« schaft, an der 25 Millionen Deutsche betheiligt sind, den Arbeiter stellen, daß er auf die Straße gesetzt werden muß. Der Abg. Bebel nannte die Rücksicht auf die Kleinstaaten einen Anachronismus Demgegenüber möchte ich doch hervorheben, daß niemand bei der Her stellung des Reichs an einen Einheitsstaat gedacht hat. Daß di historische Gliederung Deutschlands, dag durch Fahrhunderte entwickelte föderative Element im Deutschen Reich eine der wesentlichsten Bärz schaften für eine segens reiche Entwickelung desselben ist, das wird jetzt durchschnittlich von allen Parteien, außer der sozialdemokratischen an. erkannt. Windthorst hat, glaube ich, das einzig Richtige getroffen, wenn er mit Bezug auf die Verhältnisse sagte: in dubiis libertas. in necessariis unitas, in omnibus caritas. Bezüglich des Stand- Punkts meiner politischen Freunde gegenüber der Festsetzung des Finanzverbältnisses zwischen dem Reich und den Einzelstaaten habe ich mich bei der ersten Einbringung des Gesetzes im vorigen Jahre so ausgiebig ausgesprochen, daß ich Bedenken trage, meine damaligen Ausführungen zu wiederholen. Zu meiner Freude scheint ja der von mir bei der Etatsdebatte aus= gesprochene Wunsch, es möchte noch in der gegenwärtigen Session ge⸗ lingen, in dieser Beziehung zu einer Einigung zu kommen, seiner Erfüllung entge engehen. Der Abg. Er. Lieber bat zur Theilung der nam e , zwischen dem Reich und den Einzel staaten einen Weg angegeben, der mir, durchaus gangbar scheint. Ich bebalte mir dor, bezüglich der Modifikationen die sich ja ver— schieden denken lassen, mit den Herren eventuell in der Kommission in Verbindung zu treten; aber ich hoffe, daß man sich auf diesen Weg wird einigen nnen. Lassen Sie mich mit dem Ausdruck der Freude schließen, daß uns das erstrebenswerthe Ziel, welches dieses Geseß verfolgt, sehr viel näher gerückt erscheint.

Staatssekretär des Reichs-Schatzamts Dr. Graf von Posadowsky:

Ich muß mich zunächst gegen einige Behauptungen des err Abg. Richter wenden. Er hat gestern ausgeführt, daß das Fina bedürfniß des Reichs zu hoch von mir bemessen sei, und hat mich einet Rechenfehlers beschuldigt, indem er erklärte, nicht 57 Millionen seien die Kosten der Militärvorlage, sondern nur 44 Millionen. Der ver ehrte Herr Abgeordnete wolle mir gestatten, ihm diesen Vorwurf zurück. zugeben. Der Rechenfehler liegt nicht auf meiner Seite, sondern * seiner Seite. Die Gesammtkosten der Militärvorlage betragen 57 Ml. lionen einschließlich der Zin en für die einmaligen Ausgaben. Im ersten Jahre wurden nur 44 Millionen gefordert, jetzt sind die 57 Millionen bereits eingefordert bis auf S 300 000 Diese Summe habe ich wiederholt in Rechnung gesetzt bei Feststellung des Finanzbedürfnisses für die kommende Zeit. Meine Deduktion war also vollkommen richtig, daß mein Amtsvorgänger seiner Zeit bei der ersten Militärvorlage neue Steuern in der Höhe von 58 Millionen beantragt hat, und daß dieses Bedürfniß auch auf Grund der zweiten Militärvorlage heute noch bestehe, indem wir 57 Millionen für die Militãrvorlage aussu· bringen haben; darunter sind aber nicht die Kosten für die erbõbten Pensionen inbegriffen, die man doch mindestens auf 1 Million an—= nehmen muß. Das würden also 58 Milienen Mark 3 25 Millionen haben wir aus der Stempelsteuer zunächst nomin— bekommen, es fehlen also noch 32 bis 33 Millionen. Uebrigens n, Herr Abg. Richter unmöglich annehmen, daß ich die erste und zweite Militãrvorlage zahlenmäßig mit einander verwechsele. ö

Der Herr Abg. Richter hat ferner bei der n, , . künftigen Bedarfs des Reichs die von mir rein statistisch mitgetheili. erfahrungs mäßige jährliche Steigerung der Ausgaben bemängelt. ' glaube, das wird mir der Herr Abg. Richter zugestehen, daß

der Gedanke, daß sich die Ausgaben des Reichs jährlich um 400 steigern, auch kein sympathischer ist; im Gegentteil, aus meiner Be⸗ rechnung geht bervor, daß wir in Zukunft außerordentlich sparen müfsen, damit die Ausgaben nicht um 49 jährlich steigen dürfen, wenn wir überhaupt die Bilancierung berstellen wollen, auch dann, wenn das Tabadsteuergesetz bewilligt wird. Aber Thatsache ist es, daß durchschnittlich seit dem Jahre 1879 die Ausgaben des Reichs jäbrlich um 40/0 gestiegen sind, und wenn man das Bild der Zukunft betrachtet, so kann man wohl nach dem Grundsatz verfahren: Diseite moniti!

Der Herr Abg. Richter hat ferner darauf hingewiesen, es wäre doch ganz unkorrekt, wenn wir cines Betriebsfonds bedurften, ihn aus den laufenden Mitteln zu nehmen; ich glaube, er hat damit andeuten wollen, wir sollten den Betriebsfonds, defsen wir unzweifel⸗ haft bedürfen, aus der Anleihe entnehmen. Das ist eben immer und immer wieder derselbe Versuch, die Anleihekredite zu erhöhen, um die Spannung im Ordinarium zu ermäßigen pro tabaco. Wenn Sie nicht den Betriebsfonds aus laufenden Mitteln schaffen wollen, dann wäre es meines Erachtens korrekt, die Betriebs überschüsse zu gleichem Zwecke anzusammeln. Also zu Ein— nahmen aus Betriebsüberschüssen im Ordinarium dürften wir überhaupt nicht kommen: entweder dieses Finanzreformgesetz geht durch, dann fließen die Ueberschüsse zum Ausgleichungsfonds, oder es geht nicht durch, dann wäre es korrekt, jährlich die Ueberschüsse anzusammeln, um endlich zu einem ausreichenden Betriebsfonds zu gelangen.

Der Herr Abg. Richter hat mir auch den Vorwurf gemacht, ich hätte schwarz in schwarz gemalt; ich bin wirklich überrascht, daß der Herr Abg. Richter jetzt seinerseits die Finanzlage unendlich viel besser ansieht, wie er sie noch vor 14 Jahren angesehen hat. (Sehr richtig! rechts) Vor 14 Jahren hat er in der Militärkommission gesagt:

Nachdem man in den letzten 5 Jahren 1300 Millionen Mark Schulden gemacht, der Marine⸗Etat in 10 Jahren um 116 Millionen Mark angewachsen, zeige das Jahr 1894/95 nur den sicheren Anfang einer fortgesetzten Periode finanzieller Verlegenheiten, auch abgesehen von der Militärvorlage. Der Trost, daß die bisherigen Jugend⸗ jahre! des Reichs die starken Mehrausgaben veranlaßt haben, ver⸗ fange nicht; auch das reife Alter erheische große Ausgaben.

Nun, meine Herren, das deckt sich unzweifelhaft mit dem, was ich gesagt habe; wir werden auch in Zukunft bei einer naturgemäßen, gesunden Entwickelung des Reichs mit einer gewissen Steigerung der Ausgaben zu rechnen haben. Ich schlage also dem Herrn Abg. Richter vor, wir wollen endlich einmal über die Erklärungen in der Militärkommission Gottesfrieden walten lassen. .

Der Herr Abg. Richter hat sich auch bemüht auszuführen, daß die Einzelstaaten bei diesem Finanzreformgesetz schlechter fortkommen würden. Wie man den Bundesrath und die Vertreter der verbündeten Regierungen seitens einzelner Parteien beurtheilt, das ist wirklich äußerst überraschend. Auf der einen Seite verlangt man vom Bundesrath, daß er mit der äußersten Energie bei der Etatsfest— stellung fungiert; auf der anderen Seite traut man den Ver— tretern der verbündeten Regierungen im Bundesrath nicht zu, daß sie ihre eigenen Interessen in finanzieller Be⸗ ziehung am besten beurtheilen; wenn die verbündeten Regierungen diesen Finanzreform Gesetzentwurf Ihnen vorgelegt haben, dann können die verehrten Herren sich wirklich darauf verlassen, daß sie sich ernstlich überlegt haben, ob sie dabei besser oder schlechter fort⸗ kommen.

Sehr interessant waren mir die Ausführungen des Herrn Abg. Bebel; er erklärt: die Kleinstaaten, das ist ja ein Anachronismus, die mögen sehen, wie sie fertig werden! Zunächst entspricht das eigentlich garnicht den Auffassungen, die gerade von dieser Seite immer bekundet werden: man solle die schwachen Schultern schonen. Die schwachen Schultern sind doch hier vor allen Dingen die kleinen Staaten und die ftärkeren Schultern sind die Gesammtheit der verbündeten Regierungen, das Deutsche Reich; wir wollen durch dieses Finanzreformgesetz die schwachen Schultern entlasten, die vom Deutschen Reich fortgesetzt belastet werden, und wollen die Steuerlast, die das Reich erfordert, auf die starken Schultern, auf die Schultern der Gesammtheit aller Bundesstaaten, d. h. auf das Deutsche Reich als solch es legen. Ich glaube also, der Herr Bebel wider— spricht hier seinen eigenen sonstigen Auffassungen; der Gedanke, daß die Einzelstaaten sehen sollen, wie sie zu stande kommen mit ihrer Finanz⸗ wirthschaft, ist zwar für jemanden, der auf dem unitarischen Standpunkt steht, verständlich; aber alle die, die auf föderativem Standpunkt, auf dem Standpunkt der Verfassung des Reichs stehen, werden wissen, wo sie bei dieser Gelegenheit Stellung zu nehmen haben. (Sehr richtig! rechts Es ist auch im einzelnen der Nachweis versucht worden, die Einzelstaaten würden schlechter fortkommen bei diesem Gesetz; es ist gesagt worden, man wäre ja in der Lage, den Etat tendenziös niedrig zu ver⸗ anschlagen; dann würde die Differenz zwischen dem etatsmäßigen Vor⸗ anschlag und den rechnungsmäßigen Beträgen eine größere, ergo würden die Ueberschüsse, die dem Reich zufließen, auch entsprechend steigen. Ich kann darauf nur entgegnen, daß die Veranschlagungen der Einnahmen und die Feststellung des Etats überhaupt seitens der Vertreter der verbündeten Regierungen im Bundesrath geschieht, und diese werden ganz genau wissen, wie sie in ihrem Interesse die Einnahmen korrekt zu veranschlagen haben. Sie werden aber aller⸗ dings nie tendenziöse Veranschlagungen belieben, die vielleicht zu unangenehmen rechnungsmäßigen Enttäuschungen in Zukunft führen können. Ich muß auch entschieden bestreiten, daß dieses Finanzreform⸗ gesetz dazu beitragen könnte, auf neue Ausgaben hinzuwirken.

Machen Sie sich doch einmal klar, wie der Etat zu stande kommt. Wenn die Ressorts ihre neuen Forderungen anmelden, wird der Reichs Schatzsekretär, der sich zunächst mit dieser Frage zu befassen hat, ia nur in den allerseltensten Fällen in der Lage sein, einzuwenden: diese neue Ausgabe ist materiell unberechtigt, sie ist überflüssig. Da würde man ihm einfach seitens der Ressortchefs antworten: das ver⸗ stehen wir für unser Ressort besser. Wenn Sie indeß dieses Finanz⸗ reformgesetz genehmigen, dann gewähren Sie der Reichs Finanz⸗ verwaltung den sehr wesentlichen formalen Einwand, daß die zu er wartenden Einnahmen schon durch die bisherigen oder vorgemerkten Ausgaben erschöpft sind. Sollen also weitere neue Ausgaben in den

at kommen, dann muß man eventuell zu neuen Steuern greifen, und in diesem formalen Einwande des Bedürfnisses der Schaffung neuer Einkommensquellen liegt die künftige Stärke der Reichs- inan verwaltung.

Es ist auch nicht richtig, wenn gesagt wird, dieses Finanzreform—⸗ gesetz würde deshalb zu neuen Steuern hinführen, weil die Einzel staaten gar kein Interesse mehr an der Finanzwirthschaft im Reich bätten. Ich habe mir gestern schon erlaubt anzudeuten, daß die Einzelstaaten nach zwei Richtungen das allerintensivste Interesse an der Sparsamkeit im Reich haben: um erstens durch Verringerung der Ausgaben die Möglichkeit von Ueberschüssen sich zu eröffnen, indem auch nach diesem Gesetzentwurf die Matrikularbeiträge immer noch hinter den Ueberweisungen zurückbleiben können, und zweitens um zu verhindern, daß neue Steuern beschlossen werden müssen, die doch schließlich auf die Staatsbürger der Einzelstaaten zurückfallen. Ich balte also jenen Einwand für einen vollkommen akademischen.

Es ist auch die konstitutionelle Frage berührt worden. Worin beruht denn überhaupt die konstitutionelle Kraft des Reichstags bei Feststellung des Etats? Einerseits in der Genehmigung der Aus— gaben und andererseits in der Genehmigung der Einnahmen in der Form der Matrikularbeiträge. Wird dieser Gesetzentwurf Gesetz, und man nimmt an, daß im Etat 368 Millionen Ueberweisungen stehen, so würden die Matrikularbeiträge höchstens mit 368 Millionen in den Etat eingesetzt werden. Der Reichstag hätte also die Möglichkeit, seine budgetmäßige Kraft zu erproben, erstens an den gesammten Ausgaben und dann an der Bewilligung der Matrikularbeiträge in Höhe von 368 Millionen Mark. Nun, meine Herren, man kann sehr streichungslustig sein, aber der Spielraum, innerhalb dessen sich der budgetmäßige Kampf mit den verbündeten Regierungen abspielt, wird selbst dann, glaube ich, wenn die Partei des Herrn Abg. Richter maßgebend sein sollte im Reichstag, sich auf einem unendlich viel kleineren Raum abspielen. Ich möchte auch darauf hinweisen, ohne irgendwie der Zukunft zu präjudizieren, daß ja nur in einer Be— ziehung das Finanzreformgesetz einen steuerlichen Weg. vorschlägt das ist auch vorhin bereits ausgeführt worden indem temporäre Zuschläge zu einzelnen Steuern bewilligt werden können. Während man bisher eine Steuererhöhung dauernd beschloß, sollen jetzt nach Bedarf temporäre Zuschläge für einzelne Jahre nach Maßgabe des wechselnden etatsmäßigen Bedarfs bewilligt werden können. Es ist aber selbstverständlich durch diese Einzelbestimmung keiner anderen Form der Geldbeschaffung im Wege von Steuern irgendwie vorgegriffen.

Ich möchte nun zum Schluß noch, um eine klassische Inter— pretation herbeizuführen, gegenüber dem Herrn Abg. Lieber bemerken, daß nach der Absicht des Gesetzes unter Ueberweisungssteuern alle die Steuern verstanden werden, die auf Grund der Gesetzgebung vom Jahre 1879 und auf Grund der späteren Gesetze den Einzelstaaten überwiesen sind. Und wenn hier die Ueberschüsse, die dem Reich zu—⸗ fließen, aus der Differenz zwischen der etats mäßigen Veranschlagung und den rechnungsmäßigen Erträgen, nur gegenüber der Tabacksteuer und den Zöllen aufgerechnet werden sollen, so ist das lediglich im Interesse der einfacheren Kalkulation so vorgesehen. Man hätte ebenso gut die Aufrechnung auf sämmtliche Ueberweisungssteuern aliquot vorschreiben können. Ich glaube, das Bedenken, was in dieser Beziehung Herr Dr. Lieber angeregt hatte, ist damit beseitigt.

Abg. Rickert (fr. Ver.): Die Thatsache, daß bis jetzt zwei Redner gegen, aber zwölf für die Vorlage gesprochen, dabon acht Herren vom Bundesrathstisch, kennzeichnet wohl zur Genüge die Sachlage. Die Wichtigkeit der gegenwärtigen Vorlage ist sehr übertricben worden. Ich gebe zu, daß die finanzielle Lage mancher Einzel⸗ staaten infolge der jetzigen Finanzwirthschaft im Reich geradezu schauderhaft ist; aber wer trägt denn die Schuld daran? Als wir im Jahre 1879 auf die Folgen der Ueberweifungspolitik hin⸗ wiesen, hatten die Herren Finanz⸗Minister der Einzelstaaten keine Ohren. Sie sahen nur die Haufen Goldes, den Goldregen, der ihnen aus dieser Politik winkte. Jetzt rufen sie um Hilfe vom Reich. Meine politischen Freunde sind stets für die Schonung der Einzel staaten eingetreten; die Ueberweisungspolitik war aber das Gegen⸗ theil einer solchen Schonung. Was wir wollten, das war 'die Selbständigkeit der . der Einzelstaaten wie des Reichs. Die nationalliberale Partei, besonders der jetzige preußische Finanz⸗ Minister, hat einen wesentlichen Antheil an der Einführung der Matrikularbeiträge gehabt, und gerade er hat wiederholt das größte Gewicht auf das Einnahme ⸗Bewilligungsrecht des Reichstags in Form der Matrikularbeiträge gelegt. ir haben diesen Stand punkt festgehalten. Der claususa. Franckenstein würden wir keine Thräne nachweinen; wir betrachten die Matrikularbeitrãge nur als Nothbehelf, so lange nicht bewegliche Steuern eingeführt sind. Dieses Aequivalent bieten aber die temporären Steuerzuschlãge, welche

die Vorlage vorsieht, nicht. Der Hinweis des Abg. Br. von rege

auf die Finanzen Frankreichs und der Schweiz war dadurch hinfällig. Frankreich erhebt schon jetzt zahlreiche direkte Steuern, und die Tage ind gezählt, wo es noch an die Erhöhung der indirekten Steuern denken kann. Abg. Hug (Zentr ):; In der Budgetkommission des badischen Landtags habe ich Erfahrungen gemacht, die mir die Vorlage sym⸗ pathisch erscheinen lassen. Die Differenzen in den Budgets der Ein— zelstaaten durch Aenderung der Einkommensteuer auszugleichen, würde die Aufstellung des Budgets erschweren. Dazu kommt, daß in den süddeutschen Staaten das Budget auf zwei Jahre aufgestellt wird, sodaß eine gewisse *tigknl in dem Verhältniß zum Reich nothwendig ist. Durch die Einrichtung des Fonds. aus den Ueberschüssen von den Ueberweisungen wird die Franckenstein'sche Klausel zwar beschränkt, nicht aber voll— ständig aufgehoben. Einzelne Bedenken habe ich freilich, so namentlich deshalb, weil sämmtliche Ueberschüsse an den Reservefonds abgeführt werden sollen, während ich es für besser balte, diefe Zuwendungen zu limitieren und darüber hinausgehende Summen den Einzelftaaten zuzuwenden. Dem Nachtheil, daß durch das Gesetz die Ueberweisungen an die Einzelstaaten aufhören, steht der Vortheil gegenüber, daß die Einzelstaaten vor höheren Matrikularbeiträgen geschützt werden.

Abg. Rich ter fr. Vollsp.): Seit 1879 sind für das Reich 150 Millionen Mark neue Steuern bewilligt worden eine Warnung für uns, nicht in dieser Weise fortzufahren. In den Ausführungen der Herren Minister der Einzelstaaten habe ich den Zusammenhan mit der e, , vermißt, denn es hat sich herausgestellt, daß auch bei Annahme der Verlage die Defizits in den Cinzelftaaten nicht vermieden werden können. Wenn aber die Erwerbsverhältnisse sich bessern, dürften die Reichssteuern zu erheblichen Ueberschüssen führen, die bei Annahme der Vorlage den Einzelstaaten verschlossen bleiben würden. Bayern hat etatsmaßig ein Defizit; wie es in Wirklichkeit damit ist, steht noch dahin. Die Ueber ußpolitit des bayerischen Finanz⸗Ministers kenn⸗ zeichnet sich dadurch, daß die Ausgaben zu hoch, die Einnahmen zu niedrig in den Etat eingestellt werden. Nun ist hervorgehoben werden, daß in einzelnen Staaten ein zweijähriger Etat be⸗ steht. Warum ändern das die Herren nicht? Das ist ein alter Schlendrian, der jetzt nicht mehr paßt. Jede kleine Kommune hat einen einjährigen Ctät. Die Erklärung des Abg. Dr. Lieber habe ich mit aufrichtigem Bedauern vernommen. Sie eröffnet eine bedenkliche Aussicht für die Finanzpolitik des Deutschen Reichs. Seine Änsicht von den Matrikularbeitrãgen unterscheidet sich von seiner Ansicht über dieselben im vorigen Jahre; damals sah er sie als. Gewährleistung der föderatihen Gestaltung des Deutschen Reichs an. Nach Annahme dieses . sind die Matri⸗ kularbeiträge nichts als ein durchlaufender Posten in Einnahme und Ausgabe. Wenn das Gesetz angenommen wird, bleibt von der Franckenstein'schen Klausel nichts mehr übrig. Die Klaufel, die

der Abg. Dr. Lieber vorschlägt, wird das Gesetz mir nicht annebm⸗= barer machen, sie ist eine häßliche Zuthat, die nur Verwirrung in die Finanzen tragen wird. Ich habe die Neberzeugung, daß die Finanz reformvorlage dazu bestimmt ist, dem Sturmlauf auf die Tabac fabrikatsteuer zu begegnen.

Abg. Dr. von Frege (dkens.): Ich muß meine Behauptung aufrecht erhalten, daß in Frankreich das indirekte Steuersystem außer; ordentlich ausgebildet ist, und daß ein solches System die Steuer⸗ zahler weit weniger drückt als die direkten Steuern. Frankreich hat die Patentsteuer, die Wehrsteuer, ferde, und Wagensteuer, Billardsteuer, Luxussteuer, Bier⸗. Alkohol-, Stearin, Essig⸗

uckersteuer u. a. Es erhellt jedoch daraus, daß die

teuerkraft des Landes jzweckmäßi herangezogen wird. Den Abg. Bebel möchte ich darauf , machen, daß ich und ich stehe nicht allein jährlich mindestens 1800 bis 2000 60 für die Arbeiter an Krankenkassen. und Versicherungsgeldern zu zahlen habe. Aehnlich wird es bei der Industrie sein. lit Freude trägt jeder verständige Arbeitgeber diese Last, denn wir haben für die Är— beiter mehr Herz als die Sozialdemokratie.

Abg. Dr. Enneccer us (nl): Meine politischen Freunde und ich sind stets für eine gesunde und feste Finanzreform eingetreten, das beweist auch unsere Mitwirkung an, der preußischen Finanzreform, und unsere Stellung hat sich darin nicht geändert. Der Abg. Rickert kann uns nicht garantieren, daß durch eine bewegliche Reichs steuer die Deckung erzielt werden kann. Durch die Finanzreform vorlage wird das Budgetrecht des Reichstags bedeutend verftärkt.

Abg. Rickert (fr. Vg.) : Der 5 der Vorlage bietet keines⸗ wegs eine bewegliche Steuer in dem Sinne, den wir damit verbinden. Für uns genügt in konstitutioneller Beziehung der gebotene Ersatz für die Matrikularbeiträge daher nicht.

Die Vorlage wird darauf an die Tabacksteuer— kom mission überwiesen.

Das Haus nimmt sodann Wahlprüfungen vor.

Die Wahlen der Abgg. Baron don Gustedt⸗Lablacken (2. Königsberg), von Elm (6. Schleswig⸗Holstein), Lüders (9. Liegnitzn, Hilgendorff (7. Marienwerder, Werner (6. Cassel werden für gültig erklärt. Die Wahl des Abg. Böttcher

Waldeck wird auf Antrag des Abg. Sing'er an die Wahlprüfungskommission zurückperwiesen. Bezüglich der Wahl des Abg. Gescher (7. Düsseldorf) nimmt das Haus das Ergebniß der angestellten Ermittelungen zur Kennt— niß. Die , ,. über die Gültigkeit der Wahlen der Abgg. Stroh (8. Cassel) und Holtz (65. Marienwerder) wird aus— . und die Anstellung weiterer Ermittelungen beschlossen. Die Wahl des Abg. König (l. Casseh)h wird nach dem Antrag der Kom— mission für ungültig, die Wahl des Abg. Frank (9. Baden) für ültig erklärt und die Anstellung von Ermittelungen über einige n lle der Wahlproteste beschlossen. Damit ist die Tagesordnung

erschöpft. Präsident von Levetzow theilt mit, daß am Donnerstag die Berathung des Marine Etats beginnen wird.

Schluß nach 5 Uhr.

Preußzischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

29. Sitzung vom Dienstag, 26. Februar.

Die zweite Berathung des Etats des Ministeriums der geistlichen rc. Angelegenheiten wird fortgesetzt.

Ueber den Beginn der Sitzung ist gestern berichtet worden. Wir tragen hier nur den Wortlaut der beiden im Anfangs⸗ bericht erwähnten Reden des Ministers der geistlichen 2c. An— gelegenheiten Dr. Bosse nach.

Auf die von dem Abg. Dr. Porsch (Zentr.) erhobenen Beschwerden, daß den kathoͤlischen Lehrern nicht dieselbe Frei⸗ heit zu Vereinsbildungen und zur Vereinsangehörigkeit ge⸗ währt werde wie den evangelischen Lehrern, erklärte der

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Ich halte die Erklärung, die ich vor zwei Jahren über die katholischen Lehrervereine hier abgegeben habe, in vollem Maße auf⸗ recht. (Bravo! im Zentrum.) Die katholischen Lehrer stehen meiner Fürsorge genau so nahe wie die evangelischen, und was den evan—2— gelischen Lehrern gestattet ist, muß den katholischen erlaubt sein. Darüber kann auch nicht der mindeste Zweifel obwalten.

Was den Ratiborer Fall anlangt, so gestatte ich mir zu bemerken, daß ich allerdings aus einer Preßnotiz Veranlassung genommen habe, mich nach dem Fall näher zu erkundigen. Etwas anders in thatsãch⸗ licher Beziehung liegt die Sache, als sie Herrn Dr. Porsch mitgetheilt worden ist. Es ist allerdings innerhalb der Schuldeputation in Ratibor die Ansicht ausgesprochen, daß der betreffende Lehrer, bevor er angestellt werde, durch den Bürgermeister gefragt werden sollte, ob er noch Mitglied des katholischen Lehrervereins sei. (Hört! hört h Ein förmlicher Beschluß darüber scheint wenigstens nach dem Bericht, der mir hier vorliegt, nicht gefaßt zu sein. Es ist aber thatsächlich richtig, daß der Bürgermeister diese Anfrage an den betreffenden Lehrer gerichtet hat. Auf diese Anfrage hat sich ergeben, daß der Lehrer nicht Mitglied des katholischen Lehrervereins war, sondern daß er schon einige Zeit vor diesem ganzen Vorfall aus dem katholischen Lehrerverein ausgetreten war.

Meine Herren, einen Beschluß über die Anstellung von Lehrern hatte die Schuldeputation auch garnicht zu fassen; die Schuldeputation hatte nur dem Magistrat gutachtliche Vorschläge zu machen über die Lehrer, die angestellt werden sollen. Ich glaube deshalb nach der Lage der Sache, die ich eben mitgetheilt habe, nicht, daß ich irgend eine Handhabe habe, in diese Vorgänge nachträglich mit irgend einem Erfolge einzugreifen, und ich glaube, daß die Erklärung, die ich soeben abgegeben habe in Bezug auf die Gleichberechtigung der katholischen Lehrer ausreichen wird, um die Schulorgane darüber außer allen Zweifel zu setzen, daß sie hier bei mir für derartige partei⸗ mäßige Bestrebungen keinen Boden finden.

Was die Kreis⸗Schulinspektoren und Schulräthe anlangt, so ist es richtig, daß einzelne Notizen in der Presse erschienen sind, in welchen geklagt wurde, daß seitens dieser Kreis⸗Schulinspektoren und Schulräthe öffentlich Mißbilligungen ausgesprochen seien über die Theilnahme von Lehrern an katholischen Lehrervereinen, oder auch Drohungen und Maßregeln in Aussicht genommen seien, falls die Lehrer diesen Vereinen angehörten. Ich habe in jedem einzelnen Fall Veranlassung genommen, Berichte von den Regierungen hierüber einzufordern, und in den Fällen, die zu meiner Kenntniß gekommen sind, hat sich ohne Auskahme heraus gestellt, daß die Nachrichten unrichtig gewesen sind. Also die Organe, die von mir abhängen, haben nach dieser Richtung hin, soweit es zu meiner Kenntniß gekommen ist, nicht gefehlt.

Dem Abg. von Czarlinski (Pole), der für die möglichst

weitgehende Danka del Unterrichts in 3 e e.

eintrat und sich über die verspätete 5 und die Be⸗ es

66 der polnischen katholischen Lehrer chwerte, ent⸗ gegnete der