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was für die Marine in der Zeit gebaut worden ist. Da müssen wir uns bescheiden mit 2 Schiffen und 5135 t, also stehen 5000 t gegen 167 000 t. Lassen Sie uns einmal sehen, wie andere Nationen das treiben. Ich will also einmal den östlichen Nachbar, Rußland, nehmen. In Rußland sind gebaut für die Handelsmarine 12 Schiffe mit 137 000 t und für die Kriegsmarine 4 Schiffe mit 34000 t, und in Frankreich sind gebaut 34 Schiffe mit 48 000 t für die Handelsmarine und 6 Schiffe mit 28 690 t für die Kriegsmarine. Hier scheint mir ein ungefähr richtiges Verhältniß vorꝛuliegen zwischen Handels, und Kriegsmarine. In Deutschland scheint mir das durch⸗ aus nicht der Fall zu sein. Nun gestatten Sie mir, daß ich Ihnen noch mittheile, daß von den neun Kreuzern, von denen ich vorhin sprach, vier so gut wie unerläßlich nothwendig sind für unsern heimischen Dienst. Wir können unsere Schlachtflotte nicht ohne Kreuzerschiffe lassen und ich will sagen, für diese Schlachtflotte werden verwendet die neuesten Kreuzerschiffe, die wir haben: „Kaiserin Augusta“, Prinzeß Wilhelm‘, Gefion' und „Irene“. Dann bleiben für den auswärtigen Dienst noch übrig 5. Schiffe; diese 5 Schiffe sind ungefähr Schiffe ohne irgend welchen reellen Werth. Auch das habe ich in der Budgetkommission des weiteren ausgeführt: den Schiffen geht Alles ab, was man heut zu Tage für nothwendig hält für die Ausstattung eines Kriegsschiffes. Ich will ohne weiteres hier zugestehen, meine Herren, daß es durchaus seetüchtige Schiffe sind, insoweit sie sehr wohl befähigt sind, die See zu halten; aber hinsichtlich ihrer inneren schiffsbaulichen Vollendung stehen sie doch sehr zurück gegenüber den Forderungen der heutigen Zeit; diese Schiffe haben keine Schwimmfähigkeit mehr, wenn sie durch eine Kollision ein schweres Leck bekommen. Ich verweise auf folgende Thatsache: Vor einigen Jahren — es werden wohl sieben bis acht Jahre her sein — gab es eine schwere Kollifion in der Nordsee zwischen einem dieser Schiffe „Sopbie! und dem Lloyddampfer „Hohenstaufen'. — Sie werden sich dessen erinnern — es hing die Sicherheit des Schiffes und der Besatzung ab von einer Kohlenbunkerwand, die glücklicherweise unverletzt war. Wäre der Stoß wenig weiter gegangen und diese Kohlen⸗ bunkerwand verletzt worden, so wäre das Schiff mit Mann und Maus untergegangen; dem würde es jeden Tag wieder ausgesetzt sein, wenn eine ähnliche Gefahr drohte. Die Artillerie der Schiffe ist mittelmäßig, über die will ich noch gar nicht den Stab brechen. Aber alles Uebrige ist obsolet, die Schiffe haben keine Geschwin⸗ digkeit, keine Dampfkraft, sie sind hauptsächlich auf Segel einge⸗ richtet, und wohin das führt, haben Sie ja Alle sehr lebhaft im Gedächtniß. Sie werden sich wahrscheinlich erinnern, meine Herren, daß im Jahre 1892 es sich als nothwendig herausstellte, die Kreuzer flotte von Ost⸗Asien nach West⸗Amerika zu dirigieren. Nun bestand diese Kreuzerflotte damals aus drei Schiffen: der Leipzig“, der ‚Alexandrine“' und der Sophie“. Von denen ist die ‚Alexandrine' heute noch im Dienst, die „Leipzig“ ist aus der Liste der Schiffe gestrichen, und die „Sophie“ führt ein freudenloses Dasein im heimischen Hafen. Nun wäre es doch richtig gewesen, auf dem graden Wege dahin zu fahren; nur mußte man sich sagen, dann wird der Wind als Motor zu benutzen, diese Reise unter Segel zu machen sein, und darüber werden ungefähr drei Monate hingehen; innerhalb dieser drei Monate wird der Auf—⸗ stand jedenfalls beseitigt und erledigt sein. Wenn sie Glück hatten, konnten sie vielleicht in einen neuen hineinkommen. Immerhin, das war doch dem Admiral zu bedenklich, und er sagte: Ich werde den Weg über San Francisco einschlagen. Um dies auszuführen und die Dampfkraft der Schiffe ausnützen zu können, war es nöthig, daß die Schiffe ‚Alexandrine und „Sophie“ die „Leipzig' ins Schlepptau nahmen. Meine Herren, das war ein trauriger Kriegszug, und ich glaube auch nicht, daß er dem Ansehen des Deutschen Reichs entsprach. Schiffer, welche diesem Schleppzug begegneten, werden wohl innerlich gelacht und gesagt haben: Die guten Deutschen, mit solchen Schiffen wollen sie heute noch Krieg führen! Das ist keine Uebertreibung, und wenn ich nicht irre, hat der Herr Abg. Jebsen auch seiner Zeit dar— auf aufmerksam gemacht. Die Schiffe gingen von San Francisco nach Valparaiso. Wer die Karte in die Hand nimmt und diesen Weg verfolgt, wird staunen und mit Kopfschütteln sagen: So etwas sollte doch nicht mehr möglich sein!
Nun will ich ein zweites Schiff nennen: es ist die ‚Alexandrine“, die vor zwei Tagen die Heimreise angetreten hat, nachdem sie sechs volle Jahre in Dienst gewesen ist und als ein vollkommen aus— gedientes, ausgenütztes Schiff nach der Heimath zurückkehrt.
Meine Herren, man kann sich über diesen Zustand der Schiffe in keiner Weise wundern. Ich werde Ihnen einmal als Beispiel den Lebenslauf dieses Schiffes in den sechs Jahren mit kurzen Worten darlegen: Das Schiff wurde ausgerüstet im Jahre 1888, es ging im Frühjahr fort und hat nun seit der Zeit folgende Stationen be— setzen müssen — d. h. es hat theilnehmen müssen an folgenden Aktionen der Kreuzer: im Jahre 1889 australische Station, Ende 1890 und Anfang 1891: ostasiatische Station, dann von Mitte 1891 auf der westamerikanischen Station; dann von Anfang 1892 auf der ostamerikanischen Station, weiter von der ostamerikanischen auf die ostafrikanische Station, dann wieder zurück auf die ostasiatische Station, von dort nach der ostafrikanischen Station und Mitte 1893 nach der ostamerikanischen Station, um schließlich auf dem Wege über die westamerikanische Küste u. s. w. noch einmal auf der ostasiatischen Station zu erscheinen.
Ja, meine Herren, wer da weiß, was das bedeutet im Dienst des Kreuzergeschwaders', der wird freilich mit voller Achtung von dem vorzüglichen Schiffe sprechen, aber er wird sich sagen: das Schiff muß nahezu aufgebraucht sein! und dies ist auch der Fall, es ist in der That aufgebraucht. Ich will hiermit nur gesagt haben: es giebt gar keine Uebertreibungen, die hinausgehen können über den Zustand unserer Kreuzerschiffe, welche in der Kreuzerdivision zur Verwendung gelangen. Die sind in der That alle ausgefahren, und wenn sie nach der Heimath zurückgeholt sind, würde es höchst unwirthschaftlich sein, wenn man ihnen wieder große Reparaturen zu theil werden ließe und sie wieder hinausschickte, nachdem sie bereits ein Alter von über 15 Jahren erreicht haben. Alle diese Schiffe sind mehr oder weniger auf die Segelkraft angewiesen, und mit der Segel⸗ kraft kann man heutzutage nichts mehr machen. Außer diesen unsern Kreuzern kann man die Kreuzer der übrigen Nationen an den Fingern herzählen, die noch mit Segelkraft ausgestattet, auf auswärtigen Stationen verwendet werden.
Ich will in diesen Ausführungen nicht weiter gehen. Was ich sonst zu sagen hatte, habe ich der Kommission gesagt. Ich bitte
Sie dringend, meine Herren, daß Sie den Bewilligungen Ihrer Kommission beitreten mögen. Es würde das in der That zum Wohl des Reichs sein.
Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Staats⸗Minister Freiherr von Marschall:
Meine Herren! Bei der Forderung von vier neuen Kreuzern stehen die Bedürfnisse des auswärtigen Dienstes in einem solchen Maße in dem Vordergrund, daß ich daraus meine Legitimation ent⸗ nehme, auch im Plenum, wie ich das in der Kommission gethan habe, mit aller Entschiedenheit für die Bewilligung dieser Forderung einzutreten. Mir ist wohl bekannt, daß draußen im Lande die Sym⸗ pathie für neue Bewilligungen von Schiffsbauten eine nur mäßige geworden ist im Gegensatz zu früheren Zeiten, und auch das weiß ich, daß der Mißmuth über unsere wirthschaftliche, namentlich unsere land⸗ wirthschaftliche Lage manchen in eine Stellung in dieser Frage hinein⸗ drängt, die er sonst bei seiner politischen Gesinnung nicht einnehmen würde. Das sind Stimmungen und Verstimmungen, die wir gewiß ernstlich beachten, und denen wir auf den Grund gehen müssen, um zu sehen, wo Abhilfe getroffen werden kann. Aber ich glaube, wir dürfen uns durch diese Strömungen nicht leiten lassen; wir müssen suchen, sie in ruhige Bahnen zu bringen, und das beste Mittel hierzu ist eine möglichst sachliche und nüchterne Erörterung hier vor dem Lande. Es ist schon hervorgehoben worden: Von uferlosen Plänen ist nicht die Rede. An keiner Stelle bestehen solche Pläne, ich kann also darüber hier auch nicht diskutieren. Aber das weiß ich, das Grübeln und Deliberieren über ungeborene Ideen der späteren Zukanft ist von jeher der sicherste Weg gewesen, um den An⸗ schluß zu versäumen, wenn reale Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt werden müssen. (Sehr richtig! rechts Und hier handelt es sich um solche Bedürfnisse. Hier handelt es sich um fest begrenzte Ziele und um die Erfüllung von staatlichen Aufgaben, die nicht unterlassen, nicht verschoben werden dürfen, wenn nicht das Gesammtwohl leiden soll. Wer aus der heutigen wirthschaftlichen und finanziellen Lage ein Argument zieht zur Bekämpfung dieser Forderung, dem halte ich einen Satz entgegen, der alt ist, der viel gebraucht, vielleicht auch miß⸗ braucht ift, und den Sie einen Gemeinplatz nennen können, der aber deshalb nicht minder wahr bleibt, nämlich den Satz, daß Aus— gaben vermeiden und sparen verschiedene Dinge sind, daß man auch am falschen Ende sparen kann, und dieses falsche Sparen in seinen wirthschaftlichen Wirkungen nicht minder nachtheilig ist wie das unnöthige Ausgeben von Geld. Der Handwerker, der sein Werkzeug nicht im stande hält, der es nicht ergänzt, wenn es defekt wird, der es verrosten und verkommen läßt, der ver— meidet auch Ausgaben, aber niemand wird ihm darum das Lob eines wirthschaftlichen, sparsamen Mannes zuerkennen — im Gegentheil! Ganz ähnlich liegt die Sache hier; denn für Deutschland ist die Kreuzerflotte ein ganz unentbehrliches Werkzeug zum Schutz wirthschaftlicher Interessen, und wenn wir dieses Werkjeug verrosten lassen, so werden wir wirthschaftlich rückwärts gehen und politisch desgleichen. (Sehr richtig! rechts.)
Und wenn man mir entgegenhält: wir sind nicht reich genug, um so viel Geld für neue Schiffe auszugeben, so sage ich, umgekehrt: wir sind nicht reich genug, um auch nur einen wirthschaftlichen Faktor zu vernachlässigen und uns eines Mittels zur Förderung unserer ge— werblichen Thätigkeit zu begeben — und das würden wir thun, wenn wir den Prozeß mit unserer Kreuzerflotte weiter gehen ließen, der jetzt im Gange ist.
Der Herr Staatssekretär des Reichs ⸗Marineamts hat Ihnen dar—⸗ gelegt, wie die Schiffe das Loos alles Irdischen tbeilen, wie sie alt werden, wie sie sich verbrauchen und wie es eines Tags mit ihnen zu Ende geht. Das ist eine Thatsache, mit der wir rechnen müssen, und daraus folgt: wer keine neuen Schiffe baut, der wird eines Tazes überhaupt keine Schiffe mehr haben lsehr wahr), und der Tag wird um so früher herankommen, je mehr der Mangel an Schiffen uns dazu zwingt, von diesen Schiffen über⸗ spannte und übertriebene Leistungen zu verlangen. Auch hier beziehe ich mich auf die Worte meines Herrn Vorredners: wir haben unser Kreuzergeschwader während dreier Jahre 2 Mal um die Welt getrieben in ununterbrochenem angestrengtem Dienst; wir haben einen Theil unserer Kreuzer mehr als zehn Jahre ununterbrochen im Dienst gehalten, da ist es doch wahrhaftig kein Wunder, daß dann das Admiralschiff eines Tags niederbrach und zurück in den heimathlichen Hafen gebracht werden mußte, daß jetzt die ‚Alexandrine“ mit aus—= gefahrener Maschine heimkehrt und daß demnächst auch andere Schiffe unserer Kreuzerflotte, so nöthig wir sie brauchen, zurückkommen müssen, um gründlichen Reparaturen unterzogen zu werden, soweit sie noch möglich sind.
Ob das sehr wirtbschaftlich ist, das kann ich nicht beurtheilen. In einer Beziehung sind wir die sparsamste Nation in der Welt: wir gebrauchen und verbrauchen Schiffe von einem Typ, den alle anderen Nationen bereits außer Dienst gestellt haben, und, meine Herren, es ist doch wahrhaftig ein Zeichen unserer Bescheidenheit, wenn der Herr Chef der Marine diesen Schiffen wenigstens das Lob gespendet hat, daß sie die See noch zu halten vermögen. Wir können mit diesen alten Schiffen noch Wirkungen erzielen, weil, gottlob, unser Ansehen, unsere Stellung im Auslande noch groß und unversehrt ist, und weil wir Vertrauen in die Trefflichkeit unserer Seeleute haben können, ein Vertrauen, das sich bis her überall, bei allen Gelegenheiten und gegenüber den schwierigsten Aufgaben in glänzendster Weise gerecht fertigt hat. (Lebhaftes Bravo!)
Nun, meine Herren, handelt es sich hier um den Schutz über— seeischer Interessen. Was versteht man darunter? Draußen im Lande sind darüber sehr verschiedene Ansichten im Gange und, wie so oft, bewegt sich die öffentliche Meinung in Extremen. Es giebt Leute, denen alles besonders reizvoll erscheint, weil es überseeisch ist, und
denen das Auswärtige Amt in dieser Beziehung nie genug thun kann.
Es giebt wiederum andere, die allen den überseeischen Dingen sehr skeptisch gegenüberstehen, und auch die Gruppe von Leuten fehlt draußen im Lande nicht, welche glauben, daß ihre Interessen nur soweit reichen, wie der Gesichtstreis des heimischen Kirchthurms, und gerade dieser letzteren Gruppe könnte man hier mit Recht zurufen: tua res agitur. Unser überseeischer Handel ist doch nicht nur ein ein seitiges Interesse unserer deutschen Seestädte, der Rheder, der Kaufleute und Spediteure — nein! tausend und abertausend Fäden verbinden diesen überseeischen Handel mit unserer gesammten erwerben⸗
2 . den Thätigkeit. Das können wir gerade heute sehen. Wir klagen
über die Ueberproduktion, über die schlechten Preise, wir klagen Aber
den schlechten Absatz der Produkte, die wir nach unserer wirtbschaft⸗ lichen Gestaltung und bei der Zunahme unserer Bevölkerung in größerer Menge erzeugen müssen, als der Inlandsbedarf erheischt. Und sehen
wir uns um in Europa, dann wird sich die Ueberzeugung uns auf—=
drängen, daß die Aufnahmefähigkeit der europäischen Märkte einer weiteren Steigerung voraussichtlich nicht mehr fähig ift, daß sie sich wahrscheinlich in abfteigender Linie bewegen wird. In dem Maße treten doch die überseeischen Märkte für uns, sowohl für die in. dustriellen wie für die landwirthschaftlichen Produkte in den Vorder⸗ grund, die noch nicht ganz, sondern erst theilweise erschlossen sind. Ueber Ueberproduktion zu klagen und gleichzeitig die Mittel zu verweigern zum Schutz überseeischer Intereffen und zur Erhaltung und Erschließang neuer Absatzgebiete, das ist der stärkste Wider spruch, den ich mir denken kann. Aus jenen Ländern müssen wir in großer Menge die Produkte beziehen, die wir im Inlande nicht erzeugen können, deren wir aber bedürfen als Rohstoffe für unsere Induftrie, zur Ernährung unserer Bevölkerung und auch zur Befruchtung unserer Landwirthschaft: die Baumwolle, den Kaffee, den Kakao, Thee, Reis, Chilesalpeter u. s. w. Der Herr Referent hat richtig zitiert, ich habe in der Kommission dargelegt, daß wir aus jenen
Produkten einführen. Wir beziehen allein an Kaffee aus Zentral und Süd-Amerika für 200 Millionen Mark.
Nun mag einer handelspolitisch denken, wie er will — ich meine, darüber kann kein Zweifel bestehen, daß es unser dringendes Interesse ist, diese Produkte nicht zu bezahlen mit unserem Gelde, son dern mit unseren landwirthschaftlichen und induftriellen Produkten. (Sehr wahr!) Und wenn unser überseeischer Handel auf dieser Basis den Güteraustausch vollziebt, so übt er recht eigent⸗ lich eine produktive Thätigkeit, und wir müssen ihn schützen, weng wir überhaupt die nationale Arbeit schützen wollen.
Allerdings bringt der überseeische Handel uns auch solche Produkte, die den unseren Konkurrenz machen, die einen Preisdruck hervorrufen, den wir tief beklagen, und der allmählich zu einem schweren Mißftande geworden ist, aber ich bitte, das nicht unseren überseeischen Sandel
und unsere Kreuzerflotte entgelten zu lassen; denn wenn wir da etwas
vernachlässigen — die Einfuhr zu uns herüber wird unverändert bleiben, und nur die Ausfuhr in fernere Länder wird Noth leiden. Das wird also dieses Uebel nicht verbessern, sondern potenzieren.
Die ganze Frage, wie dieser Mißstand zu heben ist, liegt auf
anderen Gebieten, und ich kann mir wohl denken, daß wir dem einen . oder anderen jener südlichen Länder, ohne gleich zu extremen Maß ⸗
regeln zu schreiten, ruhig, aber in vollem Ernft sagen, daß, wenn fie sich jährlich gezwungen sehen, aus finanziellen Gründen die Zölle auf unsere Produkte zu erhöhen, wir eines Tages uns veranlaßt sehen können, aus wirthschaftlichen Gründen gleiches mit gleichem zu ver— gelten. (Beifall bei den Nationalliberalen Meine Herren, die Zeiten sind vorüber, wo unsere Handeleflotte, unsere Schiffahrt selbständig in fremden Meeren ihren Geschäften nachgehen konnte, wo unsere Handelsflotte sogar vor einem kleinen Seegefechte nicht zurück— schreckte. Der Konkurrenzkampf draußen ist scharf geworden, und es entscheidet heute nicht allein der Preis und die Qualität der
Waaren, da kommen gar verschiedene Faktoren in Betracht, auch
die Willkür des einen oder anderen Machthabers. Ja, wir haben auch hier und da mit großen Strömungen zu kämpfen, die in den Endzielen dahin gerichtet sind, die europäischen Produkte zu differenzieren und allmählich von großen Wirthschaftsgebieten zu ver— drängen. (Sehr richtig) Diese Strömungen sind zur Zeit zurück—⸗ getreten, sie werden vielleicht wieder erscheinen, und dann mag auch der Tag kommen, wo man bei uns sich der gemeinsamen Intereffen
größerer Staatengruppen erinnert und dieser Gemeinsamkeit einen ent. sprechenden Ausdruck giebt. Unter allen Umständen aber müssen wir unsere Kreuzerflotte so stark erhalten, daß wir von Zeit zu Zeit in
allen den Orten, wo wir erhebliche Interessen besitzen, unsere Flagge zeigen können. Denn das ift eine Thatsache, die vielleicht niemand besser beurtheilen kann als der Leiter des Auswärtigen Amts, daß bei manchen überseeischen Regierungen und bei manchem überseeischen Machthaber der Wunsch, unsere Produkte gerecht und billig nach Maßgabe von Völker⸗ und Vertragsrecht zu behandeln, sehr wesentlich gefördert und gestärkt wird, wenn die deutsche Flotte von Zeit zu Zeit sich dort an der Küste zeigt (sehr richtig) als ein Merkmal, daß hinter den deutschen Interessen die Kraft und die Macht des ganzen Deutschen Reichs steht. (Bravo! links.)
Eng verbunden mit diesem Schutz unserer kaufmännischen Inter—
essen steht der Schutß der Deutschen im Auslande. Wir
haben die Frage neulich ex professo behandelt. Ich habe seb vorsichtig die Grenzlinie gezogen, und dafür Lob auf der einen, aber auch bitteren Tadel auf der anderen Seite erfahren. Ich habe gesagt der Deutsche im Auslande hat Anspruch auf Schutz nach Maßgabe des Vertragsrechts und des Völkerrechts, und er darf unter keinen Umständen ungünstiger behandelt werden als der Einheimische, oder als Angehörige anderer Nationen. auch das Minimum an Schutz, das wir den Deutschen im Auslande
gewährleisten müssen. (Bravo! links) Ein Staat, der diese Aufgabe nicht erfüllen kann, der giebt sich nach meiner Meinung selbst .
auf. (Sehr richtig! links.)
Mit dem Zeigen der Flagge ist es aber nicht gethan; unsere Kreuzerflotte hat auch größere und schwierigere Aufgaben zu
lösen. Wenn außergewöhnliche Greignisse eintreten, wenn in jenen überseeischen Ländern, wo deutsche Interessen vertreten sind, Re⸗ volutionen, Bürgerkriege und Kriege unter anderen Nationen aus— brechen, da genügen die Stationäre, die Kreuzer vierter Klasse nicht;
da bedarf es stärkerer Schiffe, und da wird namentlich auch der
Panzerkreuzer in Aktion treten müssen, nicht als Paradeschiff, sondern wegen seiner Leistungsfähigkeit, weil er am ehesten im stande ist, wenn
es gilt, gegen Unbill und Unrecht Gewalt anzudrohen und, wenn e— 3 sein muß, Gewalt anzuwenden, weil er da in erster Reihe in der
Lage ist, draußen zu zeigen, daß auch zur See das deutsche Schwert scharf und schneidig ist. (Bravo!)
Wir müssen ja mit Revolutionen und solchen Ereignissen gan;
besonders in Süd⸗Amerika und in Zentral⸗Amerika rechnen. In
diesem Augenblick tobt der Aufstand in Peru, in Columbien ift M
noch nicht erstickt, und auch im Süden von Brasilien sind die Funken des Aufstandes noch nicht vollkommen erloschen. (Herade in jenen Ländern haben wir große deutsche Interessen zu schützen. Tausende und Abertausende von Deutschen wohnen dor t, unser—
Das, meine Herren, ist aber
Ausfuhr betrgt zwischen 200 und 300 Millionen Mark, und nichts kann den gegenwärtigen Zustand schlagender darthun, als daß in jenen
Ländern — Sie mögen von Norden nach Süden, die Westküste
oder die Ostküste betrachten — ein deutscher Kreuzer irgendwie zur Disposition steht. .
Wir haben, was unsere Kreuzerflotte bei solchen außergewöhnlichen Greignissen zu leisten vermag, in den verflossenen Jahren in Chile und Brasilien gesehen, wie unsere deutsche Flotte während der fünf Monate des chilenischen Aufstandes unermüdlich thätig war zum Schutze der deutschen Interessen, mit welchem Erfolge sie das deutsche Gigen⸗ thum, die deutsche Schiffahrt geschützt hat, wie wiederholt unser Ge⸗
sandter in der Lage war, dem damaligen Gewalthaber Balmaceda Gewalt anzudrohen, wenn unrechtmäßige, gegen unsere Interessen und
unnsere Schiffabrt gerichtete Dekrete nicht außer Kraft gesetzt würden.
Ich erinnere daran, daß es der deutsche Admiral war, der damals die Stadt Valparaiso besetzte und eine hervorragende Rolle beim Schutz
dieser Stadt gespielt hat. Wir haben am Schlusse jenes Aufstandes eine Entschädigungsforderung von ca. So0 000 ( be der chilenischen
Regierung angebracht, und es ist kein Zweifel, daß ohne unsere Kreuzerflotte Beschädigungen im Betrage von vielen Millionen ein getreten wären. Ganz ähnliche Erfolge hat unsere Kreuzerflotte bei
!. ö dem Aufstande zu verzeichnen, der im Herbst 1893 in Brasilien aus⸗ überseeischen Ländern für 8. bis 900 Millionen Mark von solchen
brach, und da muß ich auf einen Vorgang zurückkommen, der klar vor Augen führt, zu welchem Resultat wir kommen mit dem jetzigen Zuftand. Die beiden Schiffe sind damals von Mitte September bis Ende Januar in der Bai von Rio gelegen unter der vollen Gluth des tropischen Hochsommers, und während dieser fünf Monate ist nicht ein Einziger von der Mannschaft jener Schiffe auch nur auf eine halbe Stunde an das Land gekommen. Das, meine Herren, ist eine Leistung, die, glaube ich, des höchsten Lobes und der höchsten An—⸗ erkennung würdig ist. (Bravo!) Und als dann im Dezember die Marine sich an mich wandte mit der Mittheilung, daß der Gesundheits⸗ zuftand der Mannschaft schlecht sei, daß die Verpflegung zu wünschen übrig lasse, daß es dringend nothwendig sei, daß die Schiffe, wenn auch nur auf 14 Tage, sich an einen kühleren Ort begeben, so mußte dies abgelehnt werden, weil die politische Situation es nicht erlaubte und ein anderes Schiff nicht sofort beizutreiben war. Es mußte ab⸗ gelehnt werden in einem Augenblick, wo in Rio nicht nur das gelbe Fieber, sondern auch die Cholera im höchsten Grade wüthete. Wir waren gezwungen, die Kreuzerkorvette Marie“ von West⸗Amerika kommen zu lassen; bis sie anlangte, waren Wochen verflossen. Inzwischen war auf der Alexandrine! das gelbe Fieber aus— gebrochen, und so mußten die beiden Schiffe, obgleich der Aufstand noch fortdauerte, von dort weggeschickt werden. Sie werden mir zugeben, meine Herren, daß da für die leitenden Per—⸗ sonen Verantwortlickkeiten entstehen, die nicht getragen werden können, und ich bin überzeugt, daß der Reichstag, der stets ein Herz für humane Bestrebungen hat, wenn er die Frage hier prüft, doch auch unserer Seeleute gedenkt, und nicht gewillt ist, dieselben größeren Gefahren und Strapazen auszusetzen, als an sich mit ihrem
Dienste verbunden sind. (Bravo) Wir waren im vorigen Jahre ge⸗ rwungen, an einem anderen Theile der Welt einzutreten zum Schutze deutscher Interessen: in der Delagoa⸗Bai. Auch
damals machte sich der Mangel an Schiffen in der emvpfind⸗ lichsten Weise fühlbar; es war ein einziges Schiff, der Seeadler“, zur Verfügung, und der war anderwärts fast unentbehrlich, denn er war der einzige Stationär in Deutsch⸗Ostafrika, und gerade da⸗ mals war Kilwa von den Insurgenten bedroht. Wir haben Kilwa seinen Vertheidigern überlassen müssen und das Schiff nach der Delagoa⸗Bai geschickt. Dieses deutsche Schiff in der Delagoa⸗Bai hat ja in der Welt ein lebhaftes Aufsehen gemacht. Der Grund ist mir nicht ersichtlich. Wir suchen dort keinen politischen Einfluß, wir wollen keine Aenderung des dort bestehenden Zustandes; im Gegen⸗ theil, wir wollen territorial, politisch und wirthschaftlich den status quo erhalten und glauben, daß dies unseren Interessen dienlich ist; wir wollen die wirthschaftlichen Beziehungen, die wir mit der süd⸗ afrikanischen Republik angeknüpft hatten, und die in erfreulichem Steigen begriffen, uns erhalten. Wir wollen die direkte Linie von Prätoria nach der Delagoa Bai, die zum theil mit deutschem Gelde gebaut worden ist, diesem Verkehr erbalten. Das sind unsere Interessen; diese Interessen wollen und werden wir schützen. (Bravo)
Zum Schluß, meine Herren, lassen Sie mich einen Blick auf die ostasiatischen Verhältnisse werfen, die ja im Vordergrund unseres überseeischen Interesses und des Interesses von ganz Europa sftehen. Die militärischen Ereignisse und die Lage, die dadurch ge—⸗ schaffen ist, ist Ihnen Allen bekannt. Wir haben in dem Kriege zwischen China und Japan vollkommene Neutralität beobachtet und sind gesonnen, diese Haltung fernerhin zu beobachten. Wir haben Interventionen abgelehnt, weil wir aus der Zurückhaltung nicht heraustreten wollten, die wir den deutschen Interessen für dienlich er⸗ achten. Aber, meine Herren, wir haben doch so große Interessen in jenen Ländern, daß wir mit aufmerksamen Augen alles das beobachten müssen, was heute dort vorgeht und was die Zukunft nach menschlichem Ermessen bringen wird. Wir haben rege Handelsbe⸗ ziehungen mit China, unsere Ausfuhr beträgt 45 Millionen, sie ist, wenn erst dieses ungeheure Land mit den Hunderten von Millionen Einwohnern dem Auslande erschlossen wird, einer enormen Stei— gerung fähig. Wir haben eine subventionierte Dampferlinie, mehr wie 2000 deutsche Schiffe laufen jährlich chinesische Häfen an, wir sind betheiligt an der Küstenschiffahrt, zahlreiche deutsche Firmen sind dort, und endlich, meine Herren, sind in China christliche Missionen, die wir schützen müssen. Ich habe schon in der Kommission insbe— sondere die Verhältnisse jener großen katholischen Missionen geschildert, die sich in der Provinz Schantung befinden. In früheren Zeiten standen alle christlichen Missionare unter französischem Schutz. Als im Jahre 1875 auch deutsche Missionare hinaus⸗ zogen, wurde dies bei uns schwer empfunden, und es ist dem Fürsten Bismarck zu danken, daß er nach lang- jährigen Verhandlungen im Jahre 1888 dazu gelangte, mit China eine Vereinbarung in dem Sinne abzuschließen, daß fortan die deutschen Pässe für christliche Missionare denselben Werth und die— selbe Wirkung in China haben sollten wie die französischen; damit war allerdings nur die formelle Seite erledigt. Eine Aenderung trat erst ein, als der patriotische Bischof Anger in Schantung im Jahre 1890 sich unter deutschen Schutz stellte mit seiner ganzen Mission und sich in die Matrikel des Konsulats zu Tientsin ein—⸗ tragen ließ. Wir haben es inzwischen an Bemühungen nicht fehlen lassen, diese erfolgreiche Mission zu schützen. Es ist unmittelbar
nachher der Konsul von Tientsin in jene Gegenden geschickt worden, um die Wünsche und Beschwerden jener Missionare in Empfang zu nehmen. Sie sind bei der chinesischen Regierung zur Sprache gebracht und sämmtlich in einer günstigen Weise erledigt worden. (Beifall) Erst im vorigen Jahre haben wir wieder Gelegenheit gehabt, für jene Missionen ein⸗ zutreten und sie zu schützen gegen Uebelthäter, an welchen es leider in jener Provinz wie in ganz China nicht fehlt. Nun ist es ja kaum vorherzusehen, ob die chinesische Regierung, wenn die Dinge so weiter gehen, im stande sein wird, aus eigenen Kräften jene Missionare zu schützen. Die Erfahrung lehrt, daß, wenn in China Unruhen aus⸗ brechen, diese sich unter Führung der sogenannten Literaten dort in erster Reibe immer gegen die Missionen und Christen wenden. Nach der Entstehungsgeschichte jener Mission in Schantung, sage ich, ist es eine Ehrenpflicht für uns, diese Leute mit aller uns zu Gebote stehenden Macht zu schũtzen.
Daraus, meine Herren, werden Sie entnehmen, daß in jenen ostasiatischen Gewässern uns noch große und schwere Aufgaben bevor- stehen, und daß die Zeiten aller Voraussicht nach auf viele Jahre dahin sind, wo wir uns durch zwei kleine Kanonenboote dort vertreten lassen konnten. Man kann heute mit aller Bestimmtheit sagen, daß wir auf Jahre hinaus nicht in der Lage sein werden, nur ein einziges Schiff von denen, die dort vorhanden sind, zurückzunehmen.
Sie werden mir, meine Herren, erlassen, über unsere Kolonien zu sprechen und über die Nothwendigkeit, auch die mittels unserer Kreuzer zu schützen. Der Herr Referent hat in dieser Beziehung bereits die nöthigen Mittheilungen gemacht.
Damit habe ich Ihnen ein Bild gegeben von den Pflichten des
auswärtigen Dienstes, von den Anforderungen, die wir bisher an
unsere Kreuzer stellen mußten und die nach menschlicher Berechnung in der nächsten Zukunft an sie herantreten werden; und es ist gewiß keine unbescheidene Bitte, wenn ich sage: die Kreuzerflotte muß sich annähernd in ihrem Bestand parallel bewegen mit denjenigen Inter- essen, die zu schützen sie berufen ist. Wie verhält sich die Sache aber nun in Wirklichkeit? Ich will Ihnen nur zwei Zahlengruppen geben, die recht klar beweisen, wie unhaltbar der gegenwärtige Zuftand geworden ist. Vor 10 Jahren haben wir zu unserer Verfügung gebabt 27 Schiffe und einen Panzerkreuzer und haben jetzt zu unserer Verfügung 17 Schiffe und keinen Panzerkreuzer (hört, hört! rechts, und, meine Herren, in den zehn Jahren hat Deutschland Kolonien sich erworben und unsere Handelsmarine sich von 1200 000 auf 1500 000 t vermehrt. Ich weiß nicht, welches Vertrauen ich in diesem hohen Hause genieße; aber ich kann Ihnen nach Pflicht und Gewissen sagen, daß die Bewilligung dieser vier Kreuzer einem unabweislichen Bedürfniß entspricht, und daß der auswärtige Dienst nicht mehr in der Lage ist, seine Verpflichtungen zu erfüllen, wenn diese Bewilligung nicht erfolgt.
Zum Schluß, meine Herren, eine ganz kurze Bemerkung: Ich glaube meine Darlegungen sachlich und nüchtern gehalten zu haben; vielleicht dem Einen oder dem Anderen in diesem Hause in zu hohem Grade; denn die Frage, die wir hier behandeln, hat doch auch eine nationale Seite. Die Art, wie wir draußen in fernen Ländern unsere deutschen Interessen vertreten, ist doch ganz eng verknüpft mit dem Ansehen und der Machtstellung Deutschlands im Auslande über haupt, und in der Beziehung haben wir ein reiches Kapital zur Ver— fügung, das wir uns erhalten müssen. Denn, ist es einmal hingegeben, so ist es schwer wiedergewonnen.
Und noch ein Anderes! Die Flagge auf dem deutschen Kreuzer, der in den fremden Hafen einläuft, will doch nicht nur die materiellen Güter der Deutschen, die dort leben, schützen — er spricht auch zum Herzen derselben. Man macht den Deutschen häufig den Vorwurf, daß, wenn erst die heimathliche Küste im Rücken ist, sie die Heimath rasch vergessen, daß sie sich leicht dem Ausland assimilieren und daß bald ihr Gesichtskreis aufgeht in fremden Interessen. Wenn das richtig ist, dann, meine Herren, liegt es doch auch an uns, alles zu thun, um das besser zu machen.
Darum bitte ich Sie, meine Herren, bedenken Sie bei Ihrem Votum, daß für Hunderte und für Tausende von Deutschen, die sehr oft nicht der freie Wille, sondern auch die bittere Noth gezwungen hat, hinüberzuziehen über das Weltmeer, der deutsche Kreuzer nicht nur ein Zeichen ist unserer Theilnahme, nicht nur ein Schutz ist für materielle Güter, sondern auch eine ernste Mahnung, deutsch zu bleiben an Herz und Sinn und sich in den Kämpfen des Lebens die großen idealen Güter zu erhalten, die da sind: Liebe zum alten Vaterland und Treue zu Kaiser und Reich. (Leb— haftes Bravo auf allen Seiten.)
Abg. Graf von Mirbach (dkons.): Ich erkläre namens einer erheblichen Mehrheit meiner volitischen Freunde, daß wir gewillt sind, die Mittel zu bewilligen, welche in diesen Titeln gefordert werden. Ich bin aber nicht in der Lage, irgend ein Mitglied meiner Partei für die entscheidende dritte Lesung zu binden, und ich erkläre betreffs der abweichenden Mitglieder, daß sie nicht prinzipiell gegen die Be— willigung sind, sondern sich aus schwerwiegenden Bedenken in Betreff der wirthschaftlichen Lage und der Finanzen des Reichs für heute der Abstimmung enthalten. Der Staatssekretär hat die sachlichen Argumente für die Bewilligung so vortrefflich zusammen— gestellt, daß sich nichts hinzufügen läßt. Die Frage des Küstenschutzes will ich außer Betracht lassen, denn ich verstehe davon nichts, und wenn ich darüber sꝑräche, so wäre das ungefähr so, wie wenn jemand, der zeitlebens Soldat gewesen ist, an die Spitze eines großen Reichs tritt und. Wirthschaftspolitik treibt. Für die Stellungnahme. der. Mehrheit meiner Politischen Freunde sind folgende Gesichtspunkte entscheidend! die Kolonialpolitik, der über— seeische Handel und der Schutz der Deutschen in überseeischen Ländern. Der Staatssekretär hat auch von dem Prestige Deutschlands gesprochen. Wer in der letzten Zeit im Auslande gewesen ist, wird leider die Er⸗ fahrung gemacht haben, daß das Prestige Deutschlands in den letzten fünf Jahren sehr erheblich abgenommen hat. Dies wird für uns natürlich ein Grund sein, um so mehr alles zu bewilligen, was zur Aufrechterhaltung unseres Ansehens erforderlich ist, und wir haben zu den jetzigen leitenden Männern das Ver— trauen. daß unter ihrer Hand das Prestige Deutschlands wieder einen Aufschwung nehmen wird. Was für die Verstärkung der Flotte hauptsächlich entscheidend ins Gewicht fällt, das ist das Interesse des überseeischen . Nun haben wir Agrarier allerdings nicht den mindesten Anlaß, den Herren, welche den transatlantischen Handel in Händen haben, dankbar zu sein; denn Unterstützung von diefer Seite ist uns noch niemals gekommen; die Herren gehen über unsere Interessen glatt hinweg. Aber die konservative Partei ver · le . jede Einseitigkeit, sie will alle berechtigten Interessen im
ande , wissen. (Zwischenrufe links. Wer hat die Frage des Identitätsnachweises durchgesetzt? Das haben die Agrarier gethan. Allerdings haben wir allen Anlaß, in der gegenwärtigen Lage sorg⸗ fältig zu prüfen, wo es sich um Ausgaben nicht produktiver Natur handelt. Wir haben schon an der Armee eine schwere Last, und wenn
irgend etwas die agrarischen Kreise schwer trifft, so ist es die Vermehrung der Armer und die Durchführung der allgemeinen Dienft. pflicht. Aber wir haben in einem Augenblick scharfen wirthschaftä— politischen Kampfes wie ein Mann dem Kaiser die Armeevorlage be⸗ willigt, freilich — das gebe ich zu — nicht ohne schwere Bedenken, die sich aus der wirthschaftlichen Lage ergaben. Die Handelsbertrags⸗ olitik hat ohne absebbaren Grund uns auf etwa 40 Millionen ark 2 lassen. Sie hat das wirthschaftliche Leben aufs schwerste eschädigt. Ich freue mich, daß man in den leitenden Kreisen Preußens wenigstens zu der klaren Erkenntniß dessen gekemmen ist. Der preußische Landwirthschafts. Minister hat erklart, er sei ein Gegner der Handelsvertrags. Politik, und ich muß annebmen, daß über diesen Punkt keine Differen; im preußijchen Staats— Ministerium besteht. Ich füge auch hinzu, daß mir keine diffen⸗ tierenden Aeußerungen von irgend einer Stelle bekannt geworden sind. Ich hoffe — ich sage ausdrücklich ich hoffe — daß die Mehrheit meiner Parteigenossen die Bewilligung aussprechen wird, und jwar unter dem großen nationalen Gesichtspunkte.
Abg. Richter (fr. Volksp.): Was der Vorredner vorgetragen hat, waren nur agrarische Arabesken, Spitzen gegen den frühern Reichs kanzler und eine Variation des Wortes Ohne Kanitz keine Käbne !“ in dem Sinne: „Wenn wir Kähne bewilligen, dann, bitte, auch den Antrag Kanitz!“ Darüber mag sich die Regierung mit ihm auseinander setzen. Was die Sache selbst anlangt, so begreife ich nicht, wie man so thun kann, als stände in Frage, ö. Deutschland über⸗ haupt eine Flotte haben solle, und wie der Reichskanzler die Frage aufwerfen konnte, ob denn das deutsche Volk fein Herz mehr fuͤr die Marine habe. Seit 1888 hat sich das Srdinarium der Marine von 86 auf 54 Millionen, also pro Jahr um 5 */ erhöht, und im Extra- ordinarium sind in diesen sieben Jahren volle 206 Millionen für die Marine bewilligt worden. Es handelt sich bier lediglich darum, ob wir in diesem Jahre zu allen übrigen Engagements noch eins für Schfffe im Gesammtbetrage von 424 Millionen Mark übernehmen follen. M ᷣoso unseres überseeischen Handels kommen für den Schutz durch Kriegsschiffe gar nicht in Betracht; es handelt sich im wesentlichen um Mittel⸗ und Süd-Amerika und Ost⸗Asien. Daß unsere Marine bisher ihrer Aufgabe nicht hätte genügen können, sst nicht behauptet worden. Gewiß hat es auch der Tüchtigkeit unserer Mannschaften bedurft. Aber Zeitverhältnisse außerordentlicher Art rechtfertigen auch außer ordentliche Anforderungen. In Ost. Asien leben 780 Deutsche und bestehen S0 deutsche Firmen. Die Bemannung unserer deutschen Schiffe be⸗ trägt 1400 Fon fe und sie sind mit 590 bis 60 Geschützen armiert. Es
dürfte doch wohl ein ausreichender Schutz sein, wenn auf jeden ange⸗ siedelten Deutschen zwei Marinesoldaten und auf jede ö ein Ge⸗ schütz entfällt. Was die Ausdehnung unserer Handelsbeziehungen z
China anlangt, so wird dafür nicht die Entfaltung unserer Seemacht entscheidend sein, sondern der Werth unseres Exports und die Umsicht unserer Kaufleute. Was wir vor allem verlangen, ist ein be⸗ stimmter Plan. Es fehlt uns an jeder klaren Uebersicht über das, was wir zu erwarten haben, auch nur für die naäͤchsten fünf Jahre. Der Staatssekretär verwahrte sich gegen die Verbreitung alarmierender Pläne in Bezug auf Vermehrung der Flotte. In seiner der Budgetkommission vorgelegten Schrift, die seine Unterschrift trägt, wird von den für dieses Jahr zurückgestellten Forderungen ge— sprochen. Diese erreichen die Höhe von 60 Millionen. Le bürgt dafür, daß diese Forderung nicht im nächsten Jahre wieder erscheint? Durch das. Extraordinarium wird auch das Ordinarium der Marine bestimmt, denn gebaute Schiffe sollen auch in Dienst gestellt werden. Selbft konservative Abgeordnete haben früher anerkannt, daß man mit Bewilligung neuer n n nicht zu rasch vorgehen dürfe, da die . rapide ortschritte mache. Die Summen, welche den Werften zur Ber⸗ fügung stehen, sind, auch wenn die Forderungen der Marineverwaltung nicht insgesammt bewilligt werden, groß genug, um Arbeiterent. lassuagen zu vermeiden. Der Bau der Panzerfahrzeuge ist deshalb ins Hintertreffen gekommen, weil seit 1884 von der Marineverwaltung verschiedene andere Forderungen zum Schutze unserer Küsten, u,. 4a. über 109 Torpedoboote, gebaut wurden. Ich bin dem Reichskanzler dankbar, daß er an das Jahr 1848 erinnert hat. Die deutsche Flotte ist allerdings aus der demokratischen Bewegung dieser Zeit hervorgegangen; warum hat aber der Reichskanzler in seiner historischen Darstellung nicht auch erwähnt, daß auch die Anfänge der preußischen Flotte durch die Liberalen vor der Theilnahmlosigkeit der Konservativen geschützt werden mußten? Noch im Jahre 1851 warf mir der Sehn des Fürsten Bismarck in einer Versammlung vor, ich sei zu nachgiebig gegenüber den Forderungen des Herrn von Stosch. Die Bedürfnisse der Marine werden jetzt nach einem anderen Gesichts⸗ punkt gemessen. Man meint, man müsse imponieren. Man be— handelt die Marine, als wären wir eine Seemacht ersten Ranges wir sind aber die erste Landmacht der Welt und bedürfen keiner Re⸗ präsentation durch die Marine, wie andere Länder. Der bestehende Chauvinismus wird eben genährt durch die offiziöse Prefse. Die Finanz Minister der er elfen nn, klagen über die Finanzlage, die im wesentlichen eine Folge unserer . für Heer und Marine ist. Es werden immer wieder neue Steuern vor geschlagen. Wenn man von Atbeiterentlassungen spricht, mag man doch zunächst an die Arbeiter denken, deren Entlassung infolge der neuen Tabacksteuer bevorsteht. In Westfalen ging der Regierungs⸗ Präsident so weit, den Tabackarbeitern zu versprechen, im Fall ihrer Entlassung würden seitens der Regierung in Westfalen neue In⸗ dustrien eingeführt werden. Wir mußten vor allem dafür sorgen, daß die Belastung der vorhandenen lebensfähigen Industrien unterbleibt. Wir können die. Verantwortung nicht übernehmen, die Regierungs. be ,, . in ihrem ganzen Umfang und für dieses Jahr zu be— willigen. gil Müller. Fulda 6 Im vorigen Jahre haben meine politischen Freunde einen Theik der Marineforderungen abgelehnt wegen der finanziellen Lage des Reichs. Wir haben uns aber der von setten der verbündeten Regierungen betonten politischen Nothwendigkeit einer Vermehrung unserer Kreuzerflotte nicht verschließen können. Ein Theil meiner politischen Freunde macht aber die Zustimmung von der AÄn— nahme des Antrags abhängig, welcher eine größere Summe von den Kosten der Neubauten auf die Anleihe übernehmen will.
Staatssekretär des Reichs-Schatzamts Dr. Graf von Posadowsky:
Meine Herren! Es ist selbstverständlich, daß es vom Standpunkt der Finanzverwaltung aus erwünscht ist, möglichst viele Ausgaben auf das Ordinarium zu nehmen und so die weitere Ausdehnung der Verschuldung möglichst zu beschränken. Die verbündeten Regierungen müssen deshalb an dem Prinzip festhalten, daß alljährlich Ho / J des Werths der Flotte im Ordinarium zu Schiffsbauten verwendet werden. Wenn aber in diesem Jahre aus den don dem Herrn Vorredner ange gebenen Gründen von diesem Prinzip ausnahmsweise abgesehen werden soll, so werden sich die verbündeten Regierungen mit dem Antrag Müller unter der ausdrücklichen Voraussetzung einverstanden erklären, daß dadurch das Prinzip für die Zukunft nicht alteriert wird und in den nächsten Jahren außer den üblichen 5H o/o des Werths der Flotte auch die im laufen den Etat 1894/95 an jenen 5 /o für Schiffs⸗ bauten ersparte Summe von 2421 700 M noch nachträglich in das Ordinarium zu dem gleichen Zweck wieder eingestellt wird. (Bravo! rechts.)
Abg. von Kardorff (Rp.): Nach der Erklärung, die der Reichs- Schatz sekretär soeben abgegeben hat, werden ich und meine politischen Freunde kein Bedenken haben, dem Antrage Müller zu- zustimmen, weil wir glauben, durch Zustimmung zu diesem Antrage das Schicksal derienigen Kreuzer zu retten, die vom Abg. Richter so heftig angefochten worden sind. Die Tonart des Abg.
Richter bezüglich solcher Forderungen kennen wir nun schon seit langer Zeit, schon seit der Zeit vor dem Jahre 1866. Damals war jedes Fortschreiten der Station Chauvinismus“