1895 / 56 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 05 Mar 1895 18:00:01 GMT) scan diff

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wundeten bekommen. Dem sozialdem ed, n zei wegen Male tobe e , zu Gefängniß verurtheilt wurde, wurde die B 6 zum einjãh 8 Dienst abgesprochen, und trotzdem er wãhrend seiner Dien nicht das Geringste J schulden kommen ließ, wurde er auf höhere Ordre nach Ehrenbreltenstein gebracht, wo er in der Ar⸗ beiterkompagnie dienen mußte. Man geht 3 in der Verfolgung sozialdemokratischer Ideen so weit, daß die Militärverwaltung nur mit denjenigen Firmen Verträge abschlleßt, welche in ihren Betrieben keine Sozialdemokraten beschäftigen. Die Arbeiter müssen einen Revers unterschreiben, wonach sie sich verpflichten, keinem sozialdemokratischen Verein beizutreten, keine ö . Lokale zu be⸗ suchen, keine sozialdemokratischen Zeitungen zu halten und zu lesen, widrigenfalls sie sofort entlassen werden dürfen. Das steht doch im direkten Widerspruch mit den Bestimmungen der Ge⸗ werbeordnung. Daß dagegen kaum ein 9 zu protestieren wagt, N23 wie tief wir moralisch in Deutschland gesunken sind. Ich habe hier auch Vorgänge zur Sprache zu bringen, die im ver gangenen Sommer bei den militärischen Uebungen sich ereigneten; ich meine die Ueberanstrengungen, welchen die Soldaten ausgesetzt waren. Es liegen in dieser Beziehung besonders zwei Fälle aus Württemberg, einer aus Waiblingen und einer aus Weingarten, sowie ein Fa aus Schleswig ⸗Holstein vor, wo infolge von Ueberanstrengung auf dem Marsche zahlreiche Leute theils erkrankten, theils starben. Ich gebe zu, daß im Kriegsfall derartige Marschleistungen bei An⸗ svannung aller körperlichen und moralischen Kräfte möglich sind. Im rieden sind aber die Bedingungen solcher Leistungen nicht gegeben. 5 Frankreich bestehen für die Marschübungen besondere einschrän⸗ fende Vorschriften; warum soll das bei uns nicht zu erreichen sein? Im Januar dieses Jahres sind bei fußtiefem Schnee Nachtmanöver abgehalten worden, welche zahlreiche Erkran⸗ kungen der Mannschaften zur Folge hatten. Beim Umfang des heutigen Militärdienstes können wir doch verlangen, daß in

Bezug auf Behandlung und Strapazen nicht über das Maß dessen

hinausgegangen wird, was vernünftigerweise der menschlichen Natur zugemuthet werden kann. Ich will einmal zugeben, daß die Armee das wichtigste Werkzeug sei in dem Kampfe, den man jetzt für Religion, Sitte und Ordnung aufgenommen hat. Aber dann müßte man doch zunächst dafür sorgen, daß in der Armee nicht Einrichtungen

bestehen, die im schroffsten Widerspruch zu Gesetz und . stehen, wie das Duell. Die Armee sst die Hauptträgerin des Duells. Nach einer Statistik sind in den Jahren 1890 bis 1894 nicht weniger als 68 Fälle zu verzeichnen gewesen sind, bei welchen Offiziere oder sonstige Angehörige der Armee einander im Duell gegenüberstanden. Gerade in den letzten Monaten haben 6 diese Vuelle bedeutend vermehrt, und es ist charakteristisch

für unsere Verhältnisse, daß daran eine Anzahl Reichstags ⸗Abgeord⸗ neter betheiligt waren. Es sind verschiedene Fälle vorgekommen, in welchen die vorgesetzten Behörden Duellforderungen gebilligt, also direkt dem Gesetz zuwidergehandelt haben. Für die Stellung, welche das Offizierkorpßs. zum Zivil einnimmt, ist ein Fall von Bedeutung, der sich jüngst in Hamburg ereignete, wo ein Offizier, welcher von einem Zivilisten beim Absteigen von der ferdebahn, weil er am unrechten Platz stand und diesen auf wieder⸗ olte Aufforderung nicht räumte, etwas unsanft berührt worden war, diesem Zivilisten, als er sich weigerte, um Verzeihung zu bitten, mit dem Säbel einen Schlag über den Kopf. und einen Stich zwischen die Rippen versetzte. Der Offizier erklärte, er könne wegen seiner militärischen Ehre garnicht anders handeln. Auf der einen Seite stehen die furchtbarsten Bestrafungen von Soldaten wegen der geringsten Vergehen, auf, der anderen Seite die Begnadigungen von Offizieren, die im Duell ihren Gegner schwer verletzt oder gar getödtet haben. So wurde jüngst ein als Sozialdemokrat bekannter Soldat zu drei Tagen Arrest verurtheilt wegen eines geringen Vergehens. Als er sich bei seinen Kameraden wegen des ihm vermeintlich eschehenen Unrechts beklagte, wurde er wegen Anstiftun von Mißvergnügen nach den militaͤrischen Gesetzen zu 6 Monaten efängniß verurtheilt. Von oben wurde die Strafe für zu gering erklärt und nun der Mann zu 3 Jahren Gefängniß verurtheilt. Am gleichen Tage wurde der Lieutenant Ratzel, der seinen Schwager im Duell er⸗ schossen und deshalb zu 2 Jahren Gefängniß verurtheilt worden war, begnadigt, nachdem er kaum einen Monat von der Strafe verbüßt hatte. Man kann den heutigen Kulturstaat nicht besser charakterisieren, als vurch die Gegenüberstellung dieser beiden Fälle. Wäre die deutsche Volksvertretung das, was sie sein sollte, sie würde einmüthig gegen solche Vorgänge, namentlich aber gegen die Verhöhnung der 636 durch die im Offizierkorps geltenden Bestimmungen über das Duell, protestieren. Wir halten uns für verpflichtet, die bestehenden Uebel⸗ stände immer wieder zur Sprache zu bringen, und wir sind sicher, daß wir dabei die überwiegende Mehrheit des Volks hinter uns haben—

Bevollmächtigter zum Bundesrath, preußischer Kriegs⸗ Minister Bron sart von Schellen dorff:

Meine Herren! Es war nicht meine Absicht, mich an der Debatte über die Miliz des Herrn Abg. Liebknecht zu betheiligen, zumal ich auch nicht in der Lage bin, im Namen der verbündeten Regierungen eine Erklärung zu der beabsichtigten Resolution abzugeben. Der Bundesrath hat sich mit der Sache noch nicht beschäftigt. (Heiterkeit rechts) Er wird wohl zunächst auch keine Veranlassung dazu finden; denn nach den beredten Ausführungen der Herren Abgg. Rickert, Baumbach und von Podbielski und des Herrn Enneccerus scheint es mir so, als wenn der Antrag nicht zur Annahme gelangen würde.

Ich habe nur das Wort genommen, um dem Herrn Abg. Bebel ju antworten. Er hat, nachdem er von der Resolution gesprochen, auch eine Anzahl von Gegenständen zur Sprache gebracht, die mit der ersteren allerdings in sehr losem Zusammenhange stehen. Aber wenn sie doch einmal besprochen werden sollen, können sie auch hier gleich erledigt werden.

Zunächst sprach er von Erlassen, die in die Oeffentlichkeit gelangt sind und von der Militärverwaltung veranlaßt sind. Ich will gleich bemerken: einen scheint er mir vergessen zu haben; das ist der, welcher dahin zielt, daß die Zivilvorsitzenden der Ersatzkommissionen ver⸗ hindern sollen, daß Sozialdemokraten den Berechtigungsschein zum ein⸗ jährigen Dienst erhalten. Der Erlaß ist auch in die Oeffentlichkeit gelangt, hier aber nicht zur Sprache gekommen. Der Vollstãndigkeit wegen wollte ich ihn gleich hier mit erwähnen. (Heiterkeit; sehr gut! rechts.)

Dann hat der Herr Abgeordnete Bezug genommen auf den Erlaß, der von mir ausgegangen ist, der bezweckte, daß in den Fabriken der Militärverwaltung nicht Sozialdemokraten beschãftigt werden. Von seinem Standpunkt finde ich das ganz begreiflich. Je mehr Sozialdemokraten ich in den Fabriken anstelle, um so ab— hängiger werde ich von ihnen in allen den Fällen, wo sie auf das Geheiß ihrer Oberen die Arbeit niederlegen, um entweder einen Allerwelts feiertag herbeizuführen, oder um höhere Löhne oder um irgend welche politische Konzessionen zu erzwingen. Meine Herren, dem kann und dem will ich mich nicht aussetzen; deshalb muß ich von meinem Standpunkt an diesem Erlasse festhalten (sehr gut! rechts), und ich muß sogar in Erwähnung nehmen, ob es nicht nothwendig ist, in diesen Erlaß noch andere Arbeiterkategorien mit einzubeziehen.

Gerade die Thatsache, daß dieser Erlaß, von dem der Herr Abg. Bebel sprach, der zwar nicht geheim, aber doch auch nicht für die Deffentlichkeit bestimmt war, in den Zeitungen Verbreitung gefunden bat, gerade diese Thatsache, in Beihalt mit einer Anzahl ahnlicher Vorgänge beweist, daß einzelne Militärbehörden doch nicht mit der

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aotbigen Borslkt in Deus auf die Auanahl ihres Burecutersonals vorgehen oder vorgegangen sind. (Sehr richtig! rechts) Er beweist,

daß in unserem Bureaupersonal sich schlechte, unzuverlässige Subjekte

befinden, die eventuell großen Schaden stiften können. (Bravo! rechts.) Ich erblicke in den Handlungen dieser Leute das Produkt der sozialistischen Lehren, die sich absolut nicht decken mit den Forderungen, die wir an einen Mann stellen, der im Staatsdienst einen Vertrauens⸗ posten einnehmen soll. (Sehr richtig! rechts) Denn, meine Herren, der Bureaubeamte, der ein Aktenstück stiehlt, veruntreut oder unter⸗

schlägt, um es anderen zuzuwenden, damit diese seine Vorgesetzten

und die Regierung bekämpfen, der ist nach meiner Ansicht jeden Augenblick bereit, auch Landes verrath zu üben. (Sehr gut! rechts.) Es kommt vielleicht bloß auf die Bezahlung an. Ich bin auch weiter der Meinung, daß Sie den Mann, der das thut, wahrscheinlich nicht für sich reklamieren; aber wenn er sich auf seinen internationalen Stand⸗ punkt stellt, dann wird er kein anderes Plätzchen als bei Ihnen finden und sich an Ihre Rockschöße hängen. Deshalb begreife ich nicht, wes⸗ halb sich Herr Bebel darüber ereifert! 1 ö

Wie machen Sie es denn mit Leuten, die Redaktions-, Agita⸗ tions. oder Geschäftsgeheimnisse verrathen? Sie entfernen sie, oder um in Ihrem Ausdruck zu reden, sie lassen sie fliegen. (Heiterkeit) Da haben Sie auch sehr recht daran. Ich sehe aus dem Lachen des Herrn Bebel, daß er mir vollständig zustimmt. (Heiterkeit)

Nun finde ich es übrigens sehr ungerecht und unbillig, wenn ich in den sozialdemokratischen Zeitungen lese, ich wolle arme Arbeiter dem Hungertode preisgeben; ich wolle Familienväter mit Frau und Kindern auf die Landstraße setzen. Meine Herren, ich glaube für mich und die Armeeverwaltung das Zeugniß in Anspruch nehmen zu dürfen, daß wir in Bezug auf das, was für die Arbeiter geschieht, das öffent⸗ liche Urtheil nicht zu scheuen brauchen. (Bravo

Unter den verschiedenen Dingen, die der Herr Abgeordnete zur Sprache brachte es war ein ganzes Bouquet; ich weiß nicht, ob ich die Reihenfolge genau einhalten werde waren zunächst einige anscheinend bedenkliche Fälle, und wenn ich nicht irre, zuerst der Fall Werner. Dieser Soldat solle zum Selbstmord getrieben sein, weil ein Unteroffizier ihm gesagt hätte: Sie sind Sozialdemokrat, ich wüßte nicht was ich mit Ihnen machen sollte. Der Fall liegt ganz anders. Dieser Mann hatte sich unerlaubt entfernt und war deshalb bestraft worden. Er hatte dann auf Wachtposten geschlafen und war dafür wiederum bestraft worden, und nachdem er die eine Strafe abgesessen hatte und abermals auf Posten bei der Schwimm⸗ anstalt gekommen war, war er in einen Schuppen gekrochen und hatte sich dort hingelegt; er war dort vom Ronde⸗Offizier getroffen und erwartete nun seine Bestrafung. Er entfernte sich und ist nachher allerdings als Leiche aus dem Wasser gezogen. Ich glaube, daß die Ursache des Selbstmordes die Furcht vor Strafe war. Das wenigstens ist das Urtheil des Gerichts, welches die Sache sehr ein⸗ gehend untersucht hat.

Nun kann ich gleich den Herrn Dr. Hirschfeld vornehmen, weil ich ihn gerade an der Hand habe. (Heiterkeit. Das ist genau derselbe Fall wie bei dem Fall Oppenheimer, den ich die Ehre hatte, im vorigen Jahre hier vorzutragen; der gleicht diesem Fall wie ein Ei dem andern. Herr Dr. Hirschfeld war das hatte der Herr Ab⸗ geordnete vergessen vorzutragen nachdem er seine Zeit hier in Berlin abgedient hatte, nach Harburg gezogen, und war dort in sehr auffälliger Weise als sozialdemokratischer Agitator aufgetreten das war ja sein Recht. Er hatte sich bei dieser Gelegenheit in Harburg besonders dadurch auffällig bemerkbar gemacht, daß er seinem Sohn er muß sich also schon frühzeitig verheirathet haben —, der eine deutsche Fahne in der Hand hatte, auf der Straße das Schwarz und Weiß aus der Fahne herausriß, indem er sagte: Mein Sohn, Du trägst nur eine rothe Fahne! Das ist ein auffallendes Verfahren, über welches in Harburg viel gesprochen wurde.

Nun ist es richtig, er hatte gebeten, in Harburg den Rest seiner Dienstleistung absolvieren zu dürfen. Das Bezirkskommando Lüne⸗ burg, bei dem er in Kontrolle stand, erfuhr aber erst, nachdem die Dienstleistung schon verfügt war, daß er sich in Harburg sehr auffällig als Agitator bemerkbar gemacht, Versammlungen präsidiert hatte, und dergleichen, und suchte nun die Kommandierung rück— gängig zu machen. Diese Kommandierung ist auch formell durch Ver⸗ fügung des General⸗Kommandos aufgehoben worden. Wenn er nach⸗ her gebeten hat, nach Hamburg kommandiert zu werden, und von vornherein angenommen hat, es würde der alte, zuerst festgesetzte Termin innegehalten werden, so ist das eine willkürliche Annahme von ihm ge— wesen. Das General ⸗Kommando hat demnächst auf Antrag des Sani⸗ tätsamts davon Abstand genommen, dem Wunsch des Hirschfeld zu entsprechen, weil der Korps⸗Generalarzt der Meinung war, daß der Herr nicht geeignet wäre, als Vorgesetzter im Sanitätskorps Verwendung finden zu können, wie es damals auch mit Herrn Oppenheimer der Fall war, und damit ist er aus der Liste der Offiziersaspiranten ge⸗ strichen. Er ist dann kommandiert worden, das zweite halbe Jahr mit der Waffe zu dienen, was auch eine ganz ehrenwerthe Beschäfti⸗ gung ist. (Heiterkeit) Eine Ernennung oder Beförderung zum Unterarzt der Reserve hat er übrigens nie erhalten. Das ist nicht vorgekommen.

Nun kommt der Fall Wendtland. Ich muß zugeben, daß das allerdings ein sehr interessanter Fall ist. Herr Wendtland hatte in Breslau Philologie studiert von 1888 bis 1891, wenn ich nicht irre. Dann war er, statt sein Jahr abzudienen, was ich für das Richtigste gehalten hätte, denn dann wäre ihm all das Malheur nicht passiert Redakteur des lokalen Theiles einer sozialdemokratischen Zeitung in Breslau geworden, dort wurde er mit einem Jahr Gefängniß wegen Majestätsbeleidigung bestraft. Dann hat er noch fünf weitere Ver⸗ urtheilungen wegen Preßvergehen erlitten, so daß er im ganzen von 1891 bis 1893 1 Jahr und 9 Monate abzusitzen hatte. (Heiterkeit rechts) Es ist der Mann geboren im Jahre 1867; er war 1887 wehr⸗ pflichtig geworden und hatte Ausstand bis 1891. Da konnte er um diese Zeit seine Dienstzeit nicht absolvieren, denn er saß im Gefäng—⸗ niß. Er hatte daher Besorgniß dieserhalb und schrieb an den Landrath, der ihm mittheilte, er möchte, sobald er seine Zeit abgesessen, sich sofort zum Dienst melden. Am 6. Juli 1894 kam er nun aus dem Gefängniß, aber statt sich sofort bei dem Truppentheil zu melden, hat er sich mehrere Monate, wie er angab, mittellos umher—⸗ bewegt. (Heiterkeit) Inzwischen zog er nach Magdeburg und nahm dort wiederum eine Stelle als Redakteur an bei der ‚Volksstimme“. In Breslau hatte er das ‚Volkswohl“ redigiert. (Heiterkeit. Zurufe links) Während er nun als Redakteur der Volksstimmen in Magde⸗ burg fungierte, wurde die Aufmerklsamkeit der Zivilbehörden

auf die Frage gelenkt, wie es mit seiner Dienstwerpflichtung

stände. Dabei stellte es sich denn heraus, daß er sich eigent lich schon hätte am 6. oder 7. oder 8. Juli bei der Behörde melden sollen, und es wurde deshalb bestimmt, daß er nunmehr gleich einzustellen sei. Nun habe ich den Herrn Abg. Bebel so verstanden, als fragte er mich, weshalb dem Mann die Berechtigung des einjãhrig freiwilligen Dienstes entzogen sei. (Zurufe links.) Also, warum er zur Arbeiterabtheilung gekommen sei? Die Berechtigung zum Einjährig⸗Freiwilligendienst wurde ihm entzogen, weil er sich nicht rechtzeitig gemeldet hatte und sich eines Vergehens schuldig gemacht hatte, welches, wenn er es im Dienst begangen hätte, seine Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes zur Folge gehabt hätte, nämlich der Majestätsbeleidigung. Während er sich bei der Truppe befand, kam zur Sprache, daß gegen ahn noch eine Anzahl Untersuchungen schwebten beim Zivilgericht. Für die Armee besteht nun die Vorschrift, daß, wer vor seiner Ein⸗ stellung in die Armee sich eines Vergehens schuldig gemacht hat, zu entlassen ist, wenn voraussichtlich die Strafe mehr als sechs Wochen beträgt. Ist es weniger, so ist das Militärgericht zuständig. Es wurde nun in diesem Fall angenommen, daß die Strafe voraus. sichtlich nur sechs Wochen, jedenfalls nicht darüber, betragen werde. Bei der Untersuchung, die bei dem Gericht der 8. Division geführt wurde, ergab sich, daß die Verfehlungen des Herrn Wendtland doch

ziemlich erhebliche waren; das Gericht hat deshalb nachher nicht auf

sechs Wochen, sondern auf drei Monate erkannt. Das war nicht zu andern.

Nun war bisher der Herr Abg. Wendtland in der Truppe geblieben. (Große Heiterkeit) Ich bitte sehr um Entschuldigung, er wird es vielleicht noch werden. (Heiterkeit Nachdem diese Be⸗ strafung erfolgt war, und dabei doch Dinge zur Sprache gekommen waren, die es wünschenswerth erscheinen ließen, ihn nicht weiter bei

der Truppe zu behalten, wurde er zur Arbeiterabtheilung versetzt,.

Die Truppe war aber nach den gesetzlichen Bestimmungen vollständig berechtigt gewesen, ihn gleich nach der ersten Einstellung zur Arbeiter⸗ abtheilung zu versetzen; denn nach den bestehenden Vorschriften kann jedermann, der sich vor seinem Eintritt der Majestätsbeleidigung schuldig gemacht hat, zur Arbeiterabtheilung versetzt werden. Damit sind die Fälle Wendtlandt, Hirschberg u. s. w. erledigt.

Weiter hat der Herr Abg. Bebel eine Anzahl Vertragsformulare

vorgelegt und ist dabei wieder auf den Erlaß zurückgekommen —, 5 die Beschränkungen der Gewerbefreiheit und ich weiß nicht, was alles enthalten sollen. Für die Militärverwaltung ist nur maßgebend eine .

Vorschrift aus der Garnisonsbauordnung, worin es heißt:

Arbeiter, welche nach dem Urtheil der Bauleitung untüchtig sind,

müssen auf Verlangen entlassen und durch tüchtige ersetzt werden. Personen, welche an gemeingefährlichen Bestrebungen in irgend welcher Weise betheiligt sind, dürfen bei Garnisonsbauten nicht beschäftigt werden; und ferner mein neuester Erlaß. Alles übrige ist außer Kraft ge⸗ setzt. Wer dieses Formular aufgestellt hat, ist mir unbekannt, ich will mich aber umsehen und bin bereit, dem Herrn Abgeordneten später Auskunft zu ertheilen.

Weiter hat der Herr Abgeordnete dann von den Nachtmanövern und Winterübungen gesprochen, die hier gemacht sind. Ich will nicht weiter auf Details eingehen; die Herren, die gedient haben, werden wissen, daß dergleichen Uebungen sehr nützlich und nothwendig sind, daß sie sich auch bewährt haben, und ich kann Ihnen die beruhigende Versicherung geben, daß der Krankenstand infolge dessen nicht zu— genommen hat, und das ist doch das wesentlichste.

Endlich hat der Herr Abg. Bebel noch die Duellfrage zur Sprache gebracht. Ich habe lange mit mir darüber gekämpft, was die eigentlich mit meinem Gehalt zu thun hätte (Heiterkeit), und ich bin dann doch zu dem Schluß gekommen, daß das hohe Haus jetzt nicht die Absicht hat, in eine Duelldebatte einzutreten. (Sehr richtig) Das Eine aber möchte ich bemerken: aus den Zahlen, die der General⸗Auditeur in der Umsturzkommission vorgetragen hat, ergiebt sich, daß die Zahl der Duelle bei 30 000 Offizieren eine verschwindend kleine ist, wenn 7,11 oder 14 Fälle in einem Jahre vorgefallen sind. (Sehr richtig! rechts) Wenn aber der Herr Abgeordnete sagt, die Armee schiene die Hauptvertreterin der Duell— sitte zu sein, so ist das ein sehr großer Irrthum, und da, glaube ich, ist er in direktem Widerspruch mit einem der angesehensten Führer seiner Partei, und zwar des angesehensten Führers derselben jedenfalls in Süddeutschland; der Herr Abg. von Vollmar sagte im vorigen Jahr im bayerischen Landtag wenn ich das nicht richtig zitiere, so bitte ich sehr um Entschuldigung; es wird aber in den Verhandlungen der bayerischen Abgeordnetenkammer zu finden sein, der Herr Abg. von Vollmar wird es dann vielleicht korrigieren:

»Ich kann mir sehr wohl denken, daß ein strengreligiöser Mensch den Zweikampf nicht verwirft, ich kann mir auch sehr wohl denken, daß ein Mensch, der ganz irreligiös ist, den Zweikampf ver— weigert; das ist aber ein Irrthum, daß die Armee die Trägerin der Duellsitte ist; die Duelle kommen in anderen Kreisen weit häufiger vor.“

Ich glaube, in ähnlicher Weise hat der Herr Abg. v. Vollmar sich geäußert. (Bravo! rechts) Dann glaube ich, wird der Herr Abg. Bebel das nicht mehr aufrecht erhalten können, daß die Armee die Hauptträgerin der Duellsitte sei. Uebrigens glaube ich, daß der Herr Abg. Bebel überhaupt eine ganz falsche Vorstellung davon hat, wie die Armee über das Duell denkt. In der Armee stehen wir auf dem Standpunkt, daß der Offizier nichts Besseres thun kann, als sich tödten lassen für König, Vaterland und die Ehre seiner Fahne. (Bravo) Allerdings beanspruchen wir dafür auch, daß, wenn er ein⸗ mal auch zur Vertheidigung seiner eigenen Ehre das Leben aufs Spiel setzt, man ihm mildernde Umstände zubilligen muß. (Bravo! rechts.)

Was den Vorgang, der sich auf dem Omnibus in Hamburg ab— gespielt hat, betrifft, so bin ich leider darüber nicht so erschspfend unterrichtet, um Ihnen eine entsprechende Aufklärung ertheilen zu können! Auch das Duell zwischen den Herren Becker und Ratzel kenne ich nicht.

Jedenfalls kann ich nur das eine noch sagen: wenn der Herr Abg. Bebel gegen die Militärverwaltung nichts weiter vorzubringen wußte als das, was er heute gesagt hat, da nehme ich die Sache nicht tragisch. Ich habe die Ueberzeugung, daß Klagen, die er hier ausgesprochen hat, im Lande keinen Widerhall finden werden, und daß die Mehrzahl sagen wird: der Herr Kriegs⸗Minister hat doch Recht! (Lebhaftes Bravo! rechts und allgemeine Heiterkeit.)

v 3 . ift unbillig und 3 Wir verargen es schon einem en in

.

Dr. Pachnicke (fr. ): Ich kann den chluß der . * Arbeiter von Sn nnr, , billigen. beitgeber, wenn er seinen Einfluß auf das Privatleben der , der Fa ie Maßregel ver un zu poli ei. Das beweist die große Zahl sozialdemokratischer 6 in Wahl⸗ kreisen, in denen sich zahlreiche Staatswerkstätten befinden.

Abg. Bebel (Sor): Ich begreife, 2 die de bemüht sind, die Sozialdemokraten aus der Armee fernzuhalten. an bereitet sich ja mehr auf einen 5. mit den Sozialdemokraten als mit Franzosen oder Russen vor. Auch bei einer Prüfung der Sanitätskolonne in

ankfurt ist vom General⸗Masor Sasse auf die Möglichkeit innerer e. hingewiesen worden. Die Sozialdemokraten werden sich nicht darauf einlassen, den Herren den Gefallen zu thun, so zu handeln, wie diefe es wünschen. Die Erlasse des Kriegs⸗Ministers werden der Sozial. demokratie keinen Abbruch thun. Wenn er sie verschärft, so haben wir ein Agitationsmittel mehr. Nun hat der Kriegs-⸗Minister auf die eaubeamten und die Veröffentlichung sekreter Erlasse in sozial⸗ demokratischen Blättern hingewiesen. Wir wissen niemals von wem wir die Erlasse zugeschickt erhalten. Wenn wir geheime Erlasse aus⸗ geben wollten, würden wir sie vielleicht auch in der Kor. respondenz. des preußischen Ministers des Innern von Köller finden. Weshalb sollen wir die Erlasse. die uns zugehen, nicht veröffentlichen? Die Einsender bekommen auch nicht

einen rothen Heller von uns. Daß Wendtland sich herumgetrieben hat,

sst unrichtig In seiner Vergangenheit ist nichts Chrenrühriges, wenn er auch wegen Majestãtsbeleidigun bestraft ist. Wer wegen seiner n,, verurtheilt wird, 1 kein gemeiner Verbrecher, einen solchen Mann halte ich hoch. Der Kriegs Minifter hat sich auf die Rede des Abg. von Vollmar in der bayerischen Kammer über das Duell berufen. Der Abg. von Vollmar hat dort eben— falls das Duell verurtheilt und nur auf die Uebertreibungen des Zentrums, hingewiesen, indem er sagte, das Duellunwesen sei auf den Universitäten noch verbreiteter als in der Armee. Das Duell steht in Widerspruch mit den Gefetzen. Das schlimmste ist, daß unter Umständen ein Angehöriger der Armee durch den Ehren⸗ rath gezwungen werden kann, ein Duell einzugehen, ein Zeichen, daß es sankticniert wird. Im Volke wird diese Unsitte aufs schärfste e e,. Dieser kulturwidrigen Einrichtung muß ein Enbe gemacht werden.

Bevollmächtigter zum Bundesrath, preußischer Kriegs⸗ Minister Bronsart von Schellendorff: .

Zunächst muß ich konstatieren, daß die Behauptung des Herrn Abg. Bebel, mein Zitat aus dem baverischen Landtag könne ihm gegenüber nicht verwendet werden, unzutreffend ist. Ich muß doch einmal den Wortlaut vortragen; der Herr Abg. von Vollmar wird gestatten, daß ich aus seiner Rede einen Theil verlese. Wörtlich:

„Ich kann mir einen Menschen vorstellen, der sehr religiös ist und der sich unter gegebenen Umständen gleichwohl für das Duell entscheidet, und ebenso auch einen Menschen, der durchaus nicht religiös ist und sich gegen das Duell erklärt. Ich glaube also, die Anführung dieses Motivs wäre besser unterblieben. Weiter enthält der Antrag insofern einen Irrthum, der ja schon einmal berichtigt worden ist, indem er behauptet, daß das Duellunwesen ganz be⸗ sonders im Offizierkorps zu finden sei.“

Ich meine, das ist doch genau dasselbe, was ich vorhin gesagt habe (sehr richtig! rechts), und es steht direkt entgegen dem, was der Herr Abg. Bebel gesagt hat. (Sehr wahr! rechts.)

Weiter hat der Herr Abg. Bebel mich mißverstanden, wenn er be— hauptete, ich wolle die Erlasse verschärfen. Das fällt mir gar nicht ein. Ich habe nur gesagt: in diese Erlasse werden mit einbezogen werden müssen noch eine Anzahl von Kategorien von Arbeitern, nämlich die Bureauarbeiter.

Ferner ist er im Irrthum in Bezug auf das, was er über Duell und Ehrenrath sagte; ich glaube, der Herr Abg. Bebel kennt unsere Bestimmungen nicht —: das Duell ist ein Vergehen, welches strafbar ist. Kein Ehrenrath hat das Recht, zum Duell seine Zustimmung zu geben oder es anzuordnen. Es ist also ein großer Irrthum, in dem sich der Herr Abg. Bebel befindet, wenn er meint, daß ein Ehrenrath berechtigt wäre, einem Offizier zu sagen, er habe sich zu schlagen.

Weiter hat der Herr Abgeordnete noch bezüglich der veruntreuten Aktenstücke und Erlasse, die eventuell verkauft sein könnten, gesagt, von seiner Partei wären solche Indiskretionen noch nie bezahlt worden. Das finde ich sehr begreiflich; denn der Herr Abg. Bebel hat feierlich eben erklärt, daß er überhaupt nicht wüßte, von wem sie die Sachen bekämen; wo wollen sie denn auch ihr Geld los werden? (Große Heiterkeit.)

Abg. Bebel (Soz.): In welcher Form der Ehrenrath über das Duell 3 ist gleichgültig. Ich glaube, man wird im Volk sagen: der i gin fel hat doch Unrecht.

Abg. Roesicke (b. k. F.: Die Behauptung des Abg. Bebel, es bestände eine Verfügung, welche auch den Militaͤrlieferanten unter⸗ lage, sozialdemokratische Arbeiter zu beschäftigen, ist feitens des Kriegs⸗ Ministers ohne Erwiderung geblieben. Ich würde eine solche Ver⸗ fügung für unbillig und unklug halten.

Bevollmächtigter zum Bundesrath, preußischer Kriegs—⸗ Minister en ö ö. ;

Ich kann dem Herrn Vorredner bestätigen, daß es ein Irrthum ist, wenn angenommen wurde, daß die Arbeiter der Lieferanten auch daraufhin geprüft werden sollten, ob sie Sozialdemokraten sind oder nicht. Die Lieferanten der Militärarbeiten können Arbeiter einstellen, welche sie wollen. Ich glaube, der Herr Abg. Bebel befand sich auch in dem Irrthum. Wir wollen nur die Arbeiter, die wir in den Militärwerkstätten und in unserem Dienstbetrieb haben, davon ab⸗ halten, uns unbequem und lästig zu werden.

Endlich wollte ich noch das Eine kurz dem Herrn Bebel erwidern. Es besteht ein Mißverständniß zwischen uns. Er hat behauptet, die Armee wäre die Hauptvertreterin des Duells davon ging die ganze Debatte aus —, und ich habe ihm bewiesen, daß einer seiner hervorragendsten Parteigenossen diese Ansicht nicht vertrete; ich glaube, Herr v. Vollmar derselbe nickt ja mit dem Kopfe

steht auf meiner Seite. Ich halte denselben für ganz kompetent in

dieser Frage. Abg. Bebel (Soz.): Ich will nur feststellen, daß, wenn das

Duell in det Armee anmiogli ĩ / glich gemacht wäre, es auch in den anderen ö . un gin sein würde. . h

Ri

ö ert (fr. Vgg.) wünscht Erleichterun i . 3 2 , . ae g i,, k Devollmächtigter zum Bundesrath, preußischer Kriegs— Ninister n,, . 26 . . Die Reichs. Rayonkommission ist eine Reichsbehörde und genöthigt, nach ganz bestimmten Vorschriften und Gesetzen zu urtheilen, dadurch kommt sie allerdings unter Umständen in die Lage, Urtheile zu fällen, die hart und unbillig erscheinen. Die Militärverwaltung hat aber schon seit langerer Zeit Erwäͤgungen darüber angestellt, ob namentlich für die Festungen von geringerer Bedeutung nicht auch einige Er—

leichterungen in Bezug auf das Ravongesetz eintreten könnten. Ich glaube, daß eventuell Danzig mit zu diesen Plätzen gejãhlt werden wird. und daß dann den Wünschen des Herrn Abg. Rickert entsprochen werden könnte. .

Bei der Forderung für Bureagukosten und Bibliothek⸗ kosten des Kriegs⸗-Ministeriums werden dem Antrage der Budgetkommis on gemäß statt der geforderten 200 912 nur 192 5090 6 bewilligt.

Der Antrag Auer und Genossen wird darauf mit großer Mehrheit ö

Die Forderungen für das Militärkassenwesen und die Militär⸗In ien danturen werden ohne Debatte ge⸗ nehmigt; ebenso die entsprechenden Kapitel des württem⸗ bergischen und des sächsischen Militär⸗Etats.

Bei dem Kapitel der Militärgeistlich keit trägt der

Abg. Dr. ingen ert den Wunsch vor, daß bei der An⸗

stellung der Militãrgeistli en thunlichst die Parität gewahrt werde. Bezüglich der Betheiligung der Soldaten am , am Sonntag beständen wohl erfreuliche Zusicherungen, aber die einzelnen Komman⸗ danten ließen es an Entgegenkommen nöch manchmal fehlen. Abg. Schall (dkons. ): Was die Wünsche des Vorredners be= züglich der Parität betrifft, so theile ich dieselben vollständig. Nur meine ich, man sollte alles vermeiden, was bie Gegensätze der Kon— sessionen in der Armee verschärfen könnte. Vi glich der Sonntags⸗ n n n ich meine Wünsche denen des Vorredners hinzufügen. Vielfach ist mir gegenüber von Offizieren und Militärbeamten fe. darüber geführt worden, daß sie durch dienstliche Arbeiten verhindert seien, dem sonntäglichen Gottesdienst beizuwohnen.

Hierauf vertagt das Haus um 5i / Uhr die weitere Be— rathung auf Dienstag 1 Uhr. .

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 34. Sitzung vom Montag, 4. März.

Die zweite Berathung des Etats des Ministe riums der geistlichen 2. Angelegenheiten wird fortgesetzt.

Ueber den Beginn der Sitzung ist gestern berichtet worden.

Nach dem 69 Jerusalem (Zentr) nimmt das Wort

Ministerial Direktor Dr. von Bartsch: Daß unsere Apotheken gesetzgebung der Reform bedarf, wird niemand leugnen, der die Materie kennt, Unsere Wet hes ng eg ebung datiert aus dem Anfang dieses Jahrhunderts. ie ist theils antiquiert, theils bereits durch ver= schiedene Verordnungen aufgehoben. Das hat den Minister veranlaßt, die Grundsätze und Grundzüge für eine Neuregelung dieser Angelegen⸗ heit ausarbeiten zu lassen. Er hat sich zunächst an den Reichskanzler mit der Anfrage gewandt, ob ein Vorgehen der verbündeten Regie⸗ rungen auf diesem Gebiete zu erzielen bezw. zu erwarten sei. Die Anregung ist vom Reichskanzler aufgegriffen worden, und es sind zur Zeit Vorbereitungen für eine reichsgesetzliche Regelung im Gange, und zwar auf der Grundlage der Personalkonzession. Da man aber nicht weiß, wann die Reichs n n. in dieser Frage zum Abschluß gelangen wird, so hat der Minister den Erlaß der Allerhöchsten Ver⸗ ,,, 11. Juni 1894 herbeigeführt, die für Preußen schon jetzt besätimmt, daß jede an eine Perfon zu verleihende Apotheken konzession nach dem Tode des Betreffenden an den Staat zurückfällt. Dabei sind die Rechte der Wittwen und Waifen der jetzigen Apothekenbesi er in vollem Umfang gewahrt. In Zukunft aber werden in Preußen nur noch unvererbliche und unveräußerliche Apothekenkonzessionen verliehen werden. Daß eine solche Anordnung nothwendig war, ist nicht zu bezweifeln. Die Entwickelung unseres Apothekenwesens hat ganz ungesunde Bahnen eingeschlagen. Die Ver⸗ änderungen in den Pressen der Apotheken, selbst in kleinen Orten, sind geradezu erstaunlich. Es lag hier eine öffentliche Gefahr vor, welcher unbedingt entge engetreten werden mußte. Der Erlaß vom 12. Juni 1894 geht im def en von dem Gesichtspunkt aus, daß die Apotheken vermehrt werden müßten, und das ist abfolut nothwendi denn die Zunahme der Apotheken steht in keinem Verhältniß zur Junahme der Bevölkerung. Wir haben hier in den setzten Fahren viele üÜnter— lassungssünden zu verzeichnen. Dem Entwurf kann man nur den einen Vorwurf machen, daß er geheim gehalten wurde. Es steht aber in ihm nichts Anderes als daß neue Konzessionen nur unter thunlichster Berücksichtigung der Gxistenzberechtigung der bestehenden Apotheken ertheilt werden follen. Dieser Gedanke ist auch in dem kurzen Artikel des „Reichs ⸗Anzeigers zum Ausdruck gekommen, der sich nicht gegen den Erlaß, fondern gegen die falsch unterrichtete Presse wandte. Ich schließe mit der Verficherung, daß der Minister die Wahrung des öffentlichen Interesses in der Apotheker= frage sich ebenso angelegen sein lassen wird, wie die Interessen der konzessionsberechtigten Apothekenbesitzer. Die Apotheker können durchaus darauf rechnen, daß der Minister ihnen dasjenige Wohlwollen zu theil werden lassen wird, welches dieser n,, Stand verdient. .

Abg. Böttinger. nl): Ich freue mich über die beruhigenden Erklärungen vom Ministertisch, die hoffentlich endlich wieder stetige Verhältnisse in den Apothekerstand bringen werden. Die Apotheken⸗ besitzer sind nunmehr berechtigt zu glauben, daß auch in Zukunft ihre Rechte unangetastet und, a bleiben. Sie haben selbst schwere Lasten zu kragen an Zinsen und öffentlichen Abgaben und sie perhorrescieren zum größten theil selbst die fortwährende Steigerung der Apothekenpreise. Als besondere Wünsche habe ich noch vorzu- tragen, daß den Apothekern ähnlich wie anderen Ständen, j. B. den Aerzten, auch gestattot werde, nur einen Theil ihrer Dienstzeit mit der Waffe zu dienen, und daß die Apothekerangelegenheiten im Ministerium nicht durch einen Arzt, sondern durch einen Fachmann entschieden werden möchten.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Ja, meine Herren, auf einige der von dem Herrn Abg. Böttinger ausgesprochenen Wünsche möchte ich doch ein paar Worte erwidern, um so mebr, als mir eine gerechte und verständige Behandlung der Apothekenfrage ganz außerordentlich am Herzen liegt. Ich habe von dem ersten Augenblick an, wo ich in das Medizinal⸗Ministerium eingetreten bin, gerade diesen ungelösten Zustand der Apothekenfrage vorgefunden und mein Augenmerk darauf gerichtet, eine verstãndige Ordnung hineinzubringen gegenüber der geradezu himmelschreienden Unordnung, die durch den Apothekenschacher eingetreten war (sehr richtig ), und meine Herren, zum großen Theil durch die Schuld der Apotbeker.

Der Herr Abg. Böttinger hat gemeint, die Apotheker selbst perhorrescierten diesen Zustand. Gewiß, es giebt auch verständige Apotheker, die das einsehen, daß dieser Mißbrauch, der mit der Hinaufschraubung der Idealwerthe getrieben wird, schließlich den ganzen Stand ruiniert. (Sehr richtig) Aber, meine Herren, diejenigen, die die Gewinne bei den großen Idealwerthen ein⸗ streichen, sind keine Gegner der Idealwerthe; im Gegentheil, die schreien fortwährend in den Zeitungen über den. Medizinal⸗Minister, der ohne Zuziehung von besitzenden Apothekern die Personalkonzession einführen will. Meine Herren, dies Geschrei läßt mich gegenüber den Uebel ständen, denen ich Abhilfe schaffen muß, ganz kalt.

Auch der Wunsch des Herrn Abg. Böttinger, doch vorsichtig zu sein in Bezug auf die Umwandlung der schon be⸗

stehenden Konzessionen in reine Personalkonzesstonen, ist gewiß ein ganz berechtigter. Es ist uns vollkommen klar, in welchem Umfang Kreditverhältnisse, nicht bloß der Apotheker, sondern auch ihrer Gläubiger in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn man hier einschneidende Maßregeln trifft. Aber das ist zunãchst doch Sache der Reichs. Gesetzgebung, die Dinge befinden sich jetzt iwischen dem Reich und den einzelnen Bundesstaaten in der Erwägung. Dabei wird auch erwogen werden, wie man diesen Uebelstãnden entgegentreten kann.

Eins ift hierbei noch gar nicht erwähnt, was dabei doch sehr wohl in Betracht gezogen werden kann: ob nicht die Apotheker selbst in der Lage sind, durch genossenschaftliche Hilfe eine Ablösung dieser alten Realberechtigungen herbeizuführen, wie es ja in anderen Ländern bekanntlich auch schon geschehen ist.

Endlich, meine Herren, bezüglich der Frage, ob es zweckmäßig ist, im Medizinal. Ministerium einen förmlichen vortragenden Rath als pharmazeutischen Dezernenten einzustellen, bin ich im allgemeinen ein Gegner dieser Forderung. Ich glaube, daß ein richtiger Mediziner, der Praktiker, Kreisphysikus war, sehr wohl imstande ist, diese Dinge zu beurtheilen. Und da es sich hierbei sehr stark um Erwerbs interessen handelt, so glaube ich im allgemeinen, daß der Mediziner diese Dinge objektiver beurtheilt als ein Apotheker; denn immerhin, ich müßte einen Apotheker nehmen, der entweder noch mitten im Erwerbsleben steht oder wenigstens einen solchen, der selbst eine Apotheke hätte oder gehabt hätte; daß der unter allen Umstãnden ein objektives Urtheil haben sollte, glaube ich nicht.

Endlich bin ich ganz dafür, daß wir die technische Kommission bei jeder durch das sachliche Interesse gebotenen Gelegenheit zuziehen, es sei denn, daß es sich um solche Erwerbsverhältnisse handelt, wo das Moment des persönlichen Interesses unmittelbar in Betracht kommt; da müssen wir mit einiger Vorsicht zu Werke gehen. Im übrigen soll aber dieser Kommission ihr volles Recht werden, und ich habe nichts dagegen, wenn man sie über Dinge hört, die mit den Inter⸗ essen des Apothekerwesens im ganzen zusammenhängen, selbst da, wo sie nicht unmittelbar Anspruch darauf haben. Wenn man Techniker als Berather hat, so ist es immer gut, wenn man sich ihrer bedient, damit sie sich über die Dinge, die sie verstehen, auch äußern. Darin bin ich vollkommen mit Ihnen einverstanden.

Endlich, was die militärische Stellung der Apotheker anbelangt, der Wunsch, daß die Apotheker mit der Waffe ausgebildet werden mögen, tritt zum ersten Mal auf. Wenn die Apotheker sich mit diesem Wunsch an mich wenden, so werde ich mit dem Herrn Kriegs⸗ Minister selbstverständlich in Verbindung treten. Ich wiederhole, was mein Herr Kommissarius vorhin mit meiner Zu⸗ stimmung und auf meinen Wunsch ausgesprochen hat: es besteht bei uns nichts weniger als ein Uebelwollen oder Mißwollen gegen den ehrenwerthen Apothekerstand; im Gegentheil, wir wollen ihn schützen, heben, ihm jede Berücksichtigung zu theil werden lassen⸗/ auf die er durch seine Vergangenheit und seine Leistungen vollen Anspruch hat.

Abg. Dr. Sangerhans 9 Volksp.) fordert Trennung des Medizinalressorts vom Kultus-Ministerium im Interesse der ohl⸗ fahrtseinrichtungen und Aufbesserung der Gehälter der Kreisphysiker.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bos se:

Herr Abg. Dr. Langerhans, der mit großem Interesse und mit großer Sachkenntniß diese Frage behandelt hat, hat zunächst gefragt: wenn das richtig ist, was mein Herr Kommissarius vorhin mitgetheilt hat, daß unser Plan einer umfassenden Medizinalreform soweit vor— geschritten ist, daß er jetzt dem Abschluß sich nähert es handelt sich vielleicht noch um eine einzige Sitzung, um der ganzen Sache einen Abschluß zu geben warum treten dann die Gedanken dieses Reformentwurfs nicht an die Oeffentlichkeit? Eine ganz nahe— liegende Frage!

Ja, meine Herren, das ist aber in diesem Stadium ganz unmög⸗ lich. Ich kann ja die Reform nicht allein machen; denn das nächste, was ich thun muß, ist, daß ich damit an den Minister des Innern und an den Finanz Minister gehe. Nun wäre es doch wirklich so illoyal wie möglich gehandelt, wenn ich meine Meinung publi⸗ zieren wollte, ehe ich mit den Herren verhandelt habe. Da könnte es doch sehr leicht kommen, daß in dem einen oder anderen Punkte das mitbetheiligte Ressort sagte: ja, in diesem Punkte kann ich mit dem Medizinal-Minister nicht mitgehen. Die Sache ist auch vielleicht dazu angethan, daß ich, um das Ganze zu stande zu bringen, in einem minderwerthigen Punkte mich fügen muß. Habe ich mich aber durch vorgängige Veröffentlichung meiner ersten Pläne festgelegt, so komme ich in eine ganz schiefe Stellung meinen Herren Kollegen gegenüber. Also in diesem Stadium halte ich die Ver⸗ öffentlichung für ganz unmöglich.

Ich bin aber sehr dafür, daß, ehe man die Sache hier an das hohe Haus bringt, man allerdings im weitesten Umfang sich des Raths der Betheiligten bedient und dafür sorgt, daß auf die eine oder andere Weise die Sache in die Oeffentlichkeit gelangt, wenigstens daß Sachverständige aus ärztlichen Kreisen, vielleicht Aerztevereine das würden wohl die geeignetsten Organe sein oder der neugebildete Aerztevereins⸗Ausschuß über die Sache gehört werden müssen.

Nun, meine Herren, will ich hier nicht noch einmal auf die Er⸗ örterung der Frage eingehen, ob es zweckmäßig ist, die Medizinal⸗ sachen von dem Kultus,. Ministerium abzuzweigen. Ich war noch nicht vier Wochen Kultus⸗Minister, da war es mein sehnlichster Wunsch, die Medizinalsachen los zu werden. Je länger ich im Amte bin, desto größer sind meine Bedenken dagegen geworden, obwohl ich doch zweifellos das größte Interesse daran habe, daß ich von diesen Dingen, die nicht unmittelbar mit meinen größten und nächsten Aufgaben zusammenhängen, mich entlaste. Ich würde damit auch viel freiere Hand bekommen. Das Kultusressort ist in außerordentlicher Weise überlastet; es wird dem Kultus ⸗Minister übermäßig schwer gemacht, daß er sich von Einzelheiten freimachen und sich den großen Gesichts— punkten seines Ressorts gebührend widmen kann, die doch gerade bei diesem Ressort im Vordergrunde stehen müssen. Ich empfinde da sehr schwer und schmerzlich. Wenn es sich bloß um eine mechanische Entlastung handelte, mit tausend Freuden würde ich sagen: Weg mit der Medizinal⸗Abtheilung! Aber so liegt die Sache nicht; es hängt, wie Sie ja wissen, tief und eng mit großen geistigen und inneren Fragen zusammen. Ich habe mit medizinischen Professoren und ärzt⸗ lichen Autoritäten über die Sache gesprochen; das einzige Ccho, das ich auf diese Anregung bisher zu hören bekommen habe, ich immer das gewesen: Wir wünschen nicht, daß der leitende Gesichtspunkt für die Behandlung der Medizinalangelegenheiten ein lediglich polizeilicher werde; wir