1895 / 58 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 07 Mar 1895 18:00:01 GMT) scan diff

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die Tausende von Deutschen, die darüber elend zu Grunde ge⸗ . sind, Ee. Sie kein z, aber über den Juden breiten Sie den Mantel Ihrer Toleranz, Ihrer Humanität. Der Abg. Hermes sagt, die Juden haben in der Kunst viel geleistet. Jawohl, die Kunst ift verjudet! Der Familienvater, der ken in die Kunstausstellung oder ins Theater mit seiner Familie . muß sich vorher ver⸗ gewiffern, ob das germanische Gefühl seiner Familie nicht verletzt werden könnte. Der Abg. Dr. Hermes bestritt, daß es Leute gebe, die wegen materieller Vortheile fur die Juden eintreten. Es wird ihm 8263 nicht so ernst sein, und er sagt dies wohl irgend jemandem zu Gef

llen. . an. Richter (fr. Volksp.): Der Abg. Ahlwardt hat auf die

uden die Ausdrücke ‚Raubthier, Parasiten, Cholerabazillus. ange . Wenn auch die Persönlichkeit des Redners durch verschiedene erichtliche Urtheile gekennzeichnet ist, so überschreitet das doch das der Schimpffreiheit, die ihm gewährt werden kann, und ist mit den Grundsätzen, die de g rn g gestern bei der Berathung des Militär Etats geltend machte, nicht zu vereinbaren, Prässdent von Levetzow: Sie haben kein Recht, meine Amtzz⸗

führung anzugreifen. Ich weiß, was ich zu thun habe, und lasse mir darin von 6 nichts sagen. ö ö Der Antrag 1 se wird darauf nach kurzen Schlußworten ra

der Abgg. G Arnim und Freiherr von. Manteuffel abgelehnt. Desgleichen in namentlicher Abstimmung der Antrag der Abgg. Feber von Hammerstein und Frei⸗ herr von Manteuffel mit 167 gegen 51 Stimmen.

Sodann wird um 6i / Uhr Vertagung beschlossen.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

36. Sitzung vom Mittwoch, 6. März.

Die zweite Berathung des Etats der Bergwerks-⸗ Hütten- und Salinenverwaltung wird fortgesetzt.

Ueber den Beginn der Sitzung ist gestern berichtet worden.

Beim Kapitel „Bergtechnische Lehranstalten“ weist

Abg. Gothein gi Vg) darguf hin, daß, vor allem bei der geologischen Landesanstalt und der Bergakademie zu Berlin, an die Examinanden zu hohe Anforderungen gestellt würden, so namentlich in Bezug auf die Mineralogie, die jetzt doch nur noch als ein Neben⸗ fach zu . sei. Auch für die chemische Analyse werde mehr

eit verbraucht, als ihre praktische Verwendbarkeit es nothwendig er cheinen lasse. . ; .

Abg. von Tiedemann Bomst, fr. kons.): Die geologischen Landesaufnahmen sind für die Landwirthschaft von außerordentlicher Bedeutung; denn wenn man den Boden erfolgreich bearbeiten will, muß man ihn genau kennen. Ich will ein Beispiel an führen. In Norddeutschland ist durch die geologischen Arbeiten ermittelt worden, daß der Boden einen großen Mangel an Kalkgehalt aufweise. Das war den norddeutschen Landwirthen bis dahin nicht bekannt gewesen. Durch die Anwendung von Kalk ist es ihnen nun gelungen, die i . erheblich zu steigern. Es fragt sich nun, wo ist der nothwendige Kal am besten und billigsten zu . Durch geologische Untersuchungen wird auch diese Frage am eften gelöst werden. Ich bitte darum den Minister der Landwirth— schaft, die Arbeiten der geologischen Landesaufnahme möglichst zu fördern und zu beschleunigen.

Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch:

Bei der geologischen Landesaufnahme sind augenblicklich beschäftigt 26 Personen, 9 davon bei der geologischen Aufnahme im Gebirge, 12 bei der geologisch⸗agronomischen Aufnahme im Flachland, das würden also wesentlich diejenigen sein, auf deren Mitwirkung der Herr Abg. von Tiedemann für die Landwirthschaft rechnet; ferner für die Samm⸗ lungen in den Bureaux arbeiten 4.

Nun hat im diesjährigen Etat eine Verstärkung der Arbeitskräfte stattgefunden, und wenn man alles zusammenrechnet, so werden in Zukunft statt 25 29 Personen bei der Landesaufnahme betheiligt sein, die sämmtlich bei der Aufnahme im Flachlande Verwendung finden werden. Dazu treten noch zwei weitere Personen, welche die Provinz Ostpreußen aus eigenen Mitteln zur Verstärkung und Beschleunigung der Arbeit angestellt hat, unter der Bedingung, daß auch seitens der Re⸗ gierung eine Vermehrung in der Provinz Ostpreußen zugesagt wird.

Nun umfaßt das Flachland im ganzen 2501 Meßtischblätter, von denen 227 erst vollendet resp. in der Vollendung begriffen sind. Von diesen Flachlandsblättern kommen beispielsweise auf Oftpreußen, West⸗ preußen, Po᷑mmern und Posen, für die ich annehme, daß eine Be⸗ schleunigung der Arbeit im Interesse der Landwirthschaft ganz be⸗ sonders wünschenswerth ist, 1136 Blätter, die sich nach Abzug der Grenz⸗ und Küstenblätter, anf 1040 Vollblätter reduzieren. Von diesen sind 78 Blätter bereits fertig oder in Arbeit befindlich, sodaß für diese 4 ländlichen Provinzen noch 962 Blätter im Rückstande sind. Da nun von jeder Arbeitskraft im Jahre nicht mehr als ein solches Blatt fertig gestellt wird, in diesen 4 Provinzen aber bis jetzt 10 Personen beschäftigt gewesen sind so würden, wenn wir alles beim alten ließen, 96 Jahre vergehen, bis die agronomische Auf⸗ nahme des Flachlandes in diesen 4 Provinzen beendigt ist. Wenn jetzt eine Vermehrung der bei der Landesaufnahme beschäftigten Personen eintritt, und zwar von 10 auf 14, wenn weiter die Provinz Ost— preußen 2 neue Hilfs⸗Geologen dazu bewilligt und die übrigen Pro⸗ vinzen, die in Frage stehen, sich dazu entschließen sollten, denselben Schritt zu thun, so würde man auf 20 Geologen in diesen 4 Pro— vinzen kommen und es würde eine Fertigstellung der bezüglichen Karten in 45 Jahren zu erzielen sein eine Zeit die mir allerbings immer noch zur Befriedigung der Bedürfnisse der Landwirthschaft außerordentlich lang erscheint.

Nun, meine Herren, könnte man ja davon sprechen, daß eine weitere Vermehrung der Hilfskräfte nothwendig ist, und ich würde meinerseits sehr gern bereit sein, überall, wo ich soweit Entgegenkommen finde, wie ich es in Ostpreußen gefunden habe, nach Kräften dahin zu streben, auch diejenigen Kräfte zu vermehren, welche der Staat bis⸗ her zur Landesaufnahme gestellt hat. Immerhin wird aber die Ver⸗ mehrung eine gewisse Grenze finden müssen, weil das, was draußen aufgenommen wird, dann in der Zentralstelle, in der Geologischen Landesanstalt zu Berlin, bearbeitet werden muß, und naturgemäß sind da gewisse Grenzen gesetzt. .

Eine sehr wesentliche Frage scheint mir aber zu sein, ob die Art der Aufnahme, wie sie jetzt stattfindet, nothwendigerweise beibehalten werden muß, um der Landwirthschaft die Vortheile zu verschaffen, die sie aus der kartographischen Arbeit zieht. Bevor man überhaupt ans Werk gegangen ist, haben eingehende Berathungen im Landes Oekonomie⸗Kollegium stattgefunden. Man hat darüber verhandelt, wie viel Bohrlöcher auf einer bestimmten Fläche gestochen werden und wie tief diese Löcher sein müssen. Und endlich hat man darüber verhandelt, ob man besondere Bohrkarten herausgeben soll, die dem Landwirthe die Drientierung erleichtern. Bei

diesen Berathungen hat man namentlich seitens der Forst⸗ wirthschaft den Wunsch gehabt, daß die Bohrlöcher eine Tiefe von 2 im erhalten. Ob es nun nothwendig ist, diese Tiefe auch überall im Flachlande festzuhalten, scheint mir nicht so ganz außer Frage zu stehen, und es wäre vielleicht denkbar, wenn die Landwirth⸗ schaft in der Lage wäre, sich wenigstens in bestimmten Distrikten mit einer geringeren Tiefe der Bohrlöcher zu be⸗ gnügen, daß man wohl das ganze Verfahren erheblich beschleunigen kann.

Ich habe diese Frage aufgegriffen und werde mich an den Herrn Landwirthschafts⸗Minister wenden, um sie mit ihm gemeinsam zu erörtern. Wenn wir eine mäßige Vermehrung der betreffenden Staatsbeamten in Aussicht nehmen, wenn die Provinzen bereit sind, auch ihrerseits Kräfte zu stellen, um die Arbeiten zu beschleunigen, und wenn wir dann dazu übergehen, das Verfahren zu vereinfachen, so glaube ich doch, daß es möglich sein wird, in kürzerer Zeit diese für die Land⸗ wirthschaft so außerordentlich wichtige Arbeit früher zu vollenden, als es jetzt möglich erscheint. (Beifall.)

Abg. von Tiede m ann⸗Bomst (fr. kons. ): Es würde meiner Ansicht nach vollständig genügen, wenn die Löcher nur einen Meter tief gebohrt werden. Um die Arbeiten aber erheblich zu beschleunigen, ist es empfehlenswerth, daß sie zunächst nur da vorgenommen werden, wo es im Interesse der Landwirthschaft nothwendig ist. Man muß hier das Interesse der Wissenschaft und das der Praxis, der Landwirthschaft trennen. Im Interesse der letzteren ist es nöthig. möglichst schnell vorzugehen; im Inferesse der Wissenschaft ist eine genauere Untersuchung, die eben nicht sehr eilt, zu wünschen. Wenn mit den vorhandenen Kräften richtig gearbeitet wird und etwas mehr Mittel bewilligt werden, hoffe ich, daß wir schnell zum Ziele gelangen werden.

Abg. Dr. Langerhans (fr. Volksp.) hält es für bedenklich, die Bohrungen nicht mehr in der bisherigen Tiefe ausführen zu lassen. Eine Beschleunigung der Arbeit werde sich nur durch Vermehrung der Arbeitskräfte erzielen lassen.

Minifter für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch:

Meine Herren! Herr von Tiedemann hat gemeint, daß die be⸗ treffenden Bohrlöcher 1 m tief, nicht? m gestochen werden sollten. (Abg. von Tiedemann (Bomst]: Ich habe mich versprochen!)

Ich möchte nur erwähnen, daß die Art des Vorgehens nicht etwa am grünen Tisch entstanden ist; sondern sie ist gegründet auf die Vorschläge praktischer Landwirthe, die sie im Landes⸗Oekonomie⸗ Kollegium gemacht haben. Dort werden sie aufs neue zur Sprache zu bringen sein.

Abg. von Men del⸗Steinfels (kons.) führt aus, daß die Deutsche Landwirthschaftsgesellschaft mannigfach aus eigenen Mitteln . gemacht hat, im Interesse der Landwirthschaft Kalk aufzu⸗

nden.

Bei den Titeln für den Bau von Arbeiter wohn⸗ häusern bemerkt

Berichterstatter Abg. Vopelius (fr. kons.): In diesen beiden Titeln werden 58 500 ƽ mehr verlangt; dieselben sollen aus—⸗ schließlich zu Bauprämien⸗ Darlehen für die oberschlesischen Werke benutzt werden. Im Laufe des gegenwärtigen Etatsjahres sind die aus früheren Jahren noch verfügbar gewesenen Fonds verbraucht worden, indem die Verwaltung von den , harten Bedingungen zur Erhaltung von Prämien-Darlehen etwas abgesehen und so das Interesse an einem eigenen Heim seitens der Bergleute erhöht hat. Es wurde uns dabei die Mittheilung gemacht, daß der Staat geneigt sei, für seine Arbeiter in den verschiedenen Ressorts in der Wohnungk— frage mehr zu thun, als bis jetzt geschehen sei; die Regierung beab⸗ ichtige eine Anleihe, welche nach dem r, auf die verschiedenen

essorts vertheilt werden soll; das Wie der Ausfuͤhrung: ob durch Baugenossenschaften, durch Darlehen oder durch eigene staatliche Bau⸗ an, n sei noch unentschieden. Eine Vorlage sei in Vor— erathung.

Abg. Gothein (fr. Vg.) regt an, daß die Ueberdeckung von Bergwerken mit Wohnhäusern und Eisenbahnstrecken möglichst ver⸗ mieden werden möchte.

Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch:

Meine Herren! Die Bedeutung der Frage, die der Herr Abg. Gothein angeregt hat, will ich in keiner Weise verkennen, wenn ich auch nicht, wie er, die Ueberzeugung habe, daß die Sache so dringend, so bedenklich und so gefährlich ist, daß sie eine unmittelbare Behand⸗ lung finden müßte. Die Eingabe des berg⸗ und hüttenmännischen oberschlesischen Vereins ist an das Ober ⸗Bergamt in Breslau zum Bericht gegangen. Der Bericht liegt mir bereits vor, und ich werde ihn zur Aeußerung an den Regierungs⸗Präsidenten von Oppeln senden, der als Verwalter der Oberfläche bei dieser Sache sehr wesentlich inter⸗ essiert ist.

Abg. Dr. Freiherr von Heereman bittet, daß die Wieder

herstellung des Steinkohlenbergwerks bei Ibbenbüren möglichst be⸗— schleunigt werden möge.

Minister für Handel Berlepsch:

Meine Herren! Der Wunsch des Herrn Vorredners, die Arbeiten möglichst zu beschleunigen, um die Bergwerke wieder in Betrieb zu setzen, wird gewiß erfüllt werden. Es bestimmt uns dazu nicht bloß das Interesse für die Arbeiterschaft, sondern auch das sehr wesentliche finanzielle Interesse, das hier vorliegt. Jeder Tag, an dem nicht gearbeitet wird, bedeutet einen nicht unerheblichen Verlust; jeder Tag, an dem wir früher anfangen können, bedeutet einen erheblichen Ge— winn. Es vereinigen sich hier glücklicher Weise die Fürsorge für die bedrängte Lage der Bergleute und für die finanzielle Lage, um die Angelegenheit möglichst zu beschleunigen.

Damit ist die zweite Berathung des Etats der Berg⸗ werks⸗, Hütten- und Salinen-Verwaltung beendet. Beim Etat der Handels- und Gewerbeverwaltung

bittet Abg. Dr. Beumer (nl,) die bundesräthlichen Bestimmungen über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter in Walz und Hammer— werken auch auf die Werke auszudehnen, die anstatt des Hammers mit hydraulischen Pressen arbeiten. Die Eingaben der betreffenden Werke über diese Frage seien bisher unbeachtet geblieben; man möge also entweder den unteren Behörden Anweisung geben, die bundesräͤthlichen Bestim⸗ mungen auch auf den Walz · und Formenwerken verwandte Betriebe sinn⸗ . anzuwenden, oder in der odseren Instanz Abhilfe schaffen. Ge⸗ chehe das nicht, so würden die Preßwerke bald gar keine ,, vermehr

und Gewerbe Freiherr von

k. mehr beschäftigen können und die Arbeiternot werden.

Unter⸗Staatssekretär Lohmann erklärt, die Regierung habe nicht die Ueberzeugung gewinnen können, daß die Beschäftigung jugend⸗ licher Arbeiter in . en ebenso nothwendig sei wie in Walz— 26 mmerwerken. Es handle sich bei der Frage auch nur um vier

erke.

Abg. Dr. Beumer (ul) erwidert, daß die Industrie jugendliche Arbeiter nur im Interesse der Familie und der Ausbildung der Jugend beschäftige. Der Regierungskommissar habe keinen Grund dafür angegeben, weshalb die Preßwerke jugendliche Arbeiter nicht be⸗

Handwerkerkammern erwarten.

jahn wärt. Hl Are la, rehab, e sogge de,

anstrengend und gefährlich als in den Hammerwerken.

Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch: ; . ö . Ich meine doch nicht, daß dem Abg. Beumer die Beweisführung

gelungen ist, daf hier etwas Nothwendiges unterlassen ist. Es be.

stehen vier derartige Werke; drei Leiter dieser Werke erklärten der Regierung: es ift nicht nur nicht nöthig, daß wir jugendliche Arbeiter bei diesen Werken beschäftigen, sondern es ist sogar nicht räthlich, sie zu beschäftigen, und danach setzte die Regierung fest, daß diese Werk. nicht in die Ausnahmebestimmungen für Walz⸗ und Hammerwerk aufgenommen werden. Da kann man wirklich weder von mangelnder Information noch von mangelnder Rücksicht auf das Wohl der jugendlichen Arbeiter und auf das der Arbeitgeber sprechen. . In dem betreffenden Bericht, der uns vorgelegt ist, beißt es: Die drei erfterwähnten Werke beschäftigen jugendliche Arbeite im Preßraum an den Pressen und Oefen nicht. Die Betriebsleiter dieser Anlagen erklärten auf Befragen übereinstimmend, daß ein Bedürfniß zur Heranziehung jugendlicher Arbeiter für die im Wechsel von Tag⸗ und Nachtschicht aus. zuführenden Arbeiten in ihren Betrieben nicht bestehe, daß sie auch zur Zeit wenigstens noch Bedenken trügen, die bei den Oefen und Pressen vorkommenden Verrichtungen, die einen hohen Grad von

Aufmerksamkeit und Zuverlässigkeit erforderten, jugendlichen Arbeitern

zu übertragen. Wenn die Leute, die mit der Sache selbst zu thun haben, uns diese Aeußerung geben, so wäre es doch ein gewisser Grad von Leichtsinn wenn die Regierung den Anregungen des Herrn Dr. Beumer Folge leisten sollte.

Nun hat der Herr Abgeordnete es nicht unterlassen, bei dieser Ge= legenheit eine allgemeine Bemerkung zu machen. Ich bin ja zweifel. haft, ob das nicht vielleicht der Grund seiner Aeußerungen überhaupt war. Er hat sich ausgesprochen, wie das der Herr Abg. von Eynern bei seiner Etatsrede gethan hat, mißbilligend über den Uebereifer der Räthe des Handels⸗Ministeriums in sozialpolitischen Angelegenheiten. Meine Herren, wenn mir in dieser Beziehung nicht positivere Daten gebracht werden, so bin ich nicht in der Lage, darauf zu antworten. Die allgemeine Behauptung, daß ein Uebermaß von sozialpolitischen Maßregeln auf die Arbeitgeber niederhagelte, bestreite ich absolut. Ich könnte Ihnen vorführen, was in dieser Beziehung auf gesetz geberischem und Verwaltungswege geschehen ist, überall im Gesetzwege mit Zustimmung der Landesvertretung. Auf solche allgemeinen Be— merkungen gehe ich aber nicht ein.

Wenn er aber meint, daß die Beschäftigung der Näthe de Handels⸗Ministeriums sich sehr leicht und vortheilhaft dadurch ergänzen ließe, daß Eingaben, die an dieses Ministerium gelangen, schneller beantwortet werden, so habe ich darauf zu erwidern: meine Herten, es ist weder meine Art noch die Art meines Ministeriums, unhöflich zu sein; wir beantworten Eingaben so schnell und so gut, wie es geht. Daß nicht alle Eingaben eine Antwort finden, meine Herren, das liegt auf der Hand, und wenn ich in der Lage wäre, Ihnen die Menge der Eingaben vorzulegen, die ich bekomme, so würden Sie mir Recht geben. Es sind solche darunter, die sich nicht beantworten lassen ich will bloß daran erinnern, daß kaum ein Tag vergeht, wo nicht jemand einen Orden oder den Titel eines Kommerzien⸗ Raths für sich erbittet. Wollen Sie den be— treffenden Herren immer eine Antwort ertheilt wissen? (Abg. Dr. Beumer: Nein) Wenn nun der Fall, auf den Herr Dr. Beumer exemplifiziert, vorgekommen ist, daß eine Eingabe 13 Monate lang nicht beantwortet ist, so gebe ich zu, e hätte dem Betreffenden wohl in der Zwischenzeit eine Antwort er theilt werden können, diese Antwort konnte aber lediglich darin be= stehen, daß ich nicht in der Lage wäre, eine sachliche Antwort zu geben. Ob das einen großen Werth für die Betreffenden gehabt hätte, lass ich dahingestellt sein; ich will mich nur dagegen verwahren, daß aus diesem einen Vorkommniß geschlossen wird, daß man in meinen Ministerium unhöflicher Weise nicht Antwort giebt auf Anfragen, die eine Antwort verdienen.

Abg. Dr. Beumer (ul.) erklärt, es sei ihm von Arbeitern selbst

versichert worden, es kämen von Berlin so viel Gesetze, daß sie bald nichts mehr zu essen haben würden.

Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch:

Meine Herren! Ich muß konstatieren, daß der Herr Abgeordnete abermals sich nur in ganz allgemeinen Redensarten bewegt hat. Ic muß ihm anheimgeben, wenn er Angriffe gegen mein Ministeriun richten will, sie so substantiiert zu machen, daß ich darauf eingehen kann. Wenn er sagt: ich bin in der Lage, Ihnen Arbeiter vorzuführen, die sich über die Maßregeln des Ministeriums beschweren so i das kein Beweis, denn für jeden Arbeiter, den er mir vorführt, wil

ich ihm zehn andere bringen, die das Gegentheil von dem sagen, wan

er sagt.

Die Briefaffaire will ich nicht weiter ausspinnen. Ich muß nm

nochmals betonen: der Fall, der vorgekommen ist, kann keine Ver anlassung geben, dem Ministerium den allgemeinen Vorwurf zu machen daß es die eingehenden Sachen nicht beantworte. ustimmung.)

Die Einnahmen werden bewilligt.

Beim ersten Titel der Aus gaben „Ministergehalt“ wünsch

Abg. Die tz⸗Neuwied (n.) den baldigen Erlaß eines Gesch zum Schutz der Mineralquellen.

Minister für Handel und Gewerbe Freiherr vu Berlepsch:

Meine Herren! Die angeregte Frage hat allerdings an sich m der Handels⸗ und Gewerbeverwaltung nichts zu thun; allenfalls win ich als derjenige Minister, der die Bergwerke mit zu vertreten bit, in der Lage sein, auf die Anregung zu antworten. Der Berg Etat ist durchberathen; ich will mich aber dahinter nich verschanzen und sehr gern die von dem Herrn Ab' geordneten gewünscht: kurze Antwort geben. Meine Herren, e haben erneute Erwägungen über diese Frage stattgefunden, die abet einen Abschluß noch nicht gefunden haben. Die betheiligten Refssott haben sich. noch nicht verständigen können über den Weg, der in diese an sich recht schwierigen Frage einzuschlagen ist. Ich kann nur di Hoffnung aussprechen, daß dies im Laufe dieses Jahres gelingen wir.

Abg. Bröse (kons.): Die Konservativen stehen auf dem Stand punkt, daß sie eine Hilfe für das Handwerk nur auf Grund der Cin— führung von Zwangsinnungen, des Befähigungsnachweises und der Auch die organisterten Han werker stehen auf diesem Standpunkt, wie der im vorigek

Jahre hier abgehaltene, glänzend, verlaufene Handwerkertag gezeigt bat. Es sind ja die dahin gehenden Anträge Acker⸗ mann und Kropatscheck inehrere Male im Reichstag angenommen worden. Wichtig ist es zu wissen, wie en. die Regierung stellt. Der Staatssekretãr von Boetticher hat erklärt, es sei eine neue Unter⸗ suchung nötbig, da die Regierung die Verbreitung des

dwerks, nicht kenne, auch nicht wisse, wieviel Hand werke 3 In voller Uebereinstimmung mit meiner Fraktion muß ich bedauern, daß in dieser Frage die Regierung noch nicht über den Standpunkt der Enquste hinaus ist. Die Ur⸗ . der Nothlage der Handwerker wie der Landwirthe sind die leichen. Sie ullen sich außerordentlich beunruhigt, und ich richte ie dringende Bitte an die Regierung, daß die Handwerkerfrage in Fluß gebracht werde und die rreußischen Vertreter im Bundesrath angewiesen werden möchten, für die Handwerkerforderungen einzu⸗

treten.

Abg. Eckels il); Nicht daß die organisierten Handwerker den Befaͤhigungs nachweis wünschen, ist die Hauptsache. Es ist die Frage, ob die Mehrzahl aller Handwerker ihn wünscht, und das bestreite ich. Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß der Minister eine Reorgani⸗ sation der Handelskammern durchführen will. Sie geht dahin, obligatorische Handelskammern einzuführen. Ich hoffe, daß durch diese nicht die kleineren Handelskammern verdrängt werden sollen. Das würde ich bedauern. Im allgemeinen sind die Vorschläge des Ministers sehr sympathisch aufgenommen worden. Wichtig für den Handelsstand ist die Reform der Gewerbeordnung, die meiner Ansicht nach nicht zu einem gedeihlichen Resultat führen kann, wenn nicht die Landesgesetzgebung eingreift. Die wichtigste Aenderung betrifft 5 7, nach dem das sogenannte Detailreisen verboten werden soll. Dazu gebört auch das Reisen für Weingeschäfte. Hier soll allerdings eine Aus. nahme gemacht werden, doch auch Leinwand⸗Großbetriebe haben eine ausgedehnte Kundschaft . Grund des Detailreisens. Diese Art des Detailreisens ist ungefährlich, sie betrifft nur den wohlhabenderen Theil der Bevölkerung. Gefährlicher sind die Detailreisenden, die alle Klassen der Bevölkerung besuchen, und die Zahl der Legitimations— farten für Detailreisende ist sehr bedeutend gestiegen. Doch bei dem Verbot des Detailreisens bleibt eine Hinterthür, der Hausterhandel. Die Folge des Verbots wird eine sehr erhebliche Zunahme des Hausier— handels sein. Ich möchte fragen, ob es nicht möglich ist, den größeren n bedeutend höhere Steuern aufzuerlegen als jetzt. Bel den

einen seßhaften Kaufleuten hat besonders die Äeüßerung des Ministers Mißstimmung hervorgerufen, daß er die kleinen seß— haften Kaufleute auf eine Stufe mit den Hausierern stellte eine 1 die allerdings mißverstanden worden ist. Mißstimmung herrscht auch gegen die Offizier, Beamten⸗, Konsumvereine. So oft wird betont, der Mittelstand müßte gehoben werden. Zu ihm gehört

aber der kleine seßhafte Kaufmann auch.

Abg. Bu eck (ul): In der Presse wie besonders in der General⸗

versammlung des Bundes der Landwirthe sind Angriffe der schärfsten Art gegen den russischen Handel vertrag gerichtet worden. Auch hat Herr von Kardorff gesagt, wenn die Währungsfrage nicht gelöst werde, werde sich der Antrag Kanitz auch auf die Gefahr äußerer Verwicklungen hin Bahn brechen. Es ist das eine sehr ernste Sache für Handel und Industrie, zumal der Minister für Landwirthschaft nicht mit der nöthigen Entschiedenheit gegen eine etwaige Lockerung der Handelsverträge, aufgetreten ist. Die Industrie sst nicht durch alle Handelsverträge besonders befriedigt, stets aber ist betont worden, daß die Sicherstellung auf Jahre hinaus von außer otdentlicher Bedeutung sei. Ganz anders liegt es bei dem Handels⸗ vernag mit Rußland. Gestern wurde gesagt: auf die Solidarität zwischen Industrie und Landwirthschaft werde großes Gewicht gelegt, die Landwirthschaft habe bei dem Handelsvertrage mit Rußland dergehlich ihre Hand nach der Solidarität mit der Industrie ausgestreckt. Der Zentralverband Deutscher Industrieller er⸗ klärte seiner Zeit, die Industrie erstrebe keine Vortheile auf Kosten der Landwirthschaft; das war doch klar genug. Wenn dat russische Getreide durch den Zollkrieg von Deutschland abgeschnitten worden wäre, so wäre es doch nicht vom Weltmarkte abgeschnitten worden. Auf den Getreidepreis hätte es jederzeit Einwirkung gehabt. Gestern ist gesagt worden, die Industrie habe nur wenig Vortheil von dem Handelsvertrage gehabt. Ich habe den zahlenmäßigen Beweis, daß von 19 Industriegruppen bei 17 der Export nach Rußland sich in sehr erfreulicher Weise gehoben hat. Die bedeutendsten induftriellen Gruppen haben sich günstig über die Wirkung des russischen Handels⸗ vertrages ausgesprochen. Was wäre aus dem Exvort nach Rußland ohne Handelsvertrag geworden? Was für Rußland gilt, gilt noch mehr für Argentinien. Wir kaufen überhaupt keinen Zentner Ge— treide mehr, als wir brauchen. Dem Export nach Argentinien würden durch die Annahme des Antrages Heyl die schwersten Schädigungen zugefügt werden. Es ist Thatsache, daß unser Export nach Argentinien 70 bis 89 Millionen jährlich beträgt. Dieser Export ist erzielt worden durch den Fleiß und die Energie unserer deutschen Kaufleute dort; er würde aufhören, wenn wir einen Zollkrieg eröffneten, und er würde dann auf England und auf Italien übergehen. Gegenüber dem Abg. Gamp halte ich den Export für die Ernährung von Millionen Arbeitern für nothwendig, die sonst im Lande nicht erhalten werden könnten. Jede Abbröckelung des Exports setzt so und so viele Arbeiterfamilien auf die Straße. Der Abg. Gamp hat von unseren Kanälen einen starken Import gefürchtet. Weiß er denn nicht, daß auch die Eisenbahnen nach zwei Richtungen fahren und daß man von den Bahnen daher dieselben Befürchtungen haben müßte? Wenn man eine Re— vision der w verlangt wie der Abg. Gamp, so erschüttert man das Vertrauen des Handels und der Industrie, und es ist be— dauerlich, daß so etwas von einem Beamten des Ressorts des Ministers für Handel und Gewerbe geschieht. Ich bitte den Minister, für sein Theil dafür zu sorgen, daß an den Handelsverträgen nicht gerüttelt wird.

Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch:

Wenn der Herr Vorredner aus den Aeußerungen eines Beamten meines Ministeriums gefolgert hat, daß eine gewisse Beunruhigung in den Kreisen der Industrie eingetreten sei in Bezug auf die Fort— dauer der Handelsverträge, so glaube ich, daß diese Beunruhigung nicht gerechtfertigt ist. Wenn ein Beamter eines Ministeriums zu— gleich Abgeordneter ist, so kann ihm das Recht nicht beschränkt werden, als solcher seiner Ueberzeugung gemäß seine Anschauungen zu vertreten; das sind dann Aeußerungen einer Privatperson. Sollte aber in der That aus den betreffenden Aeußerungen wirklich eine Beunruhi⸗ gung in die Kreise der Industrie gebracht sein, so halte ich es für meine Pflicht, dieser Beunruhigung entgegenzutreten (lebhafter Beifall links), mit der Erklärung, daß ich meinerseits keine Nothwendigkeit aner kenne, die Handelsverträge zu revidieren, daß ich im Gegentheil der

Ueberzeugung bin, daß in der Stabilität, die wir durch die Handels— derträge vor zehn Jahren gewonnen haben, ihr wesentlichstes Verdienst liegt, und daß, wenn man diese Stabilität beseitigt, der wesentlichste Nutzen der Handelsverträge verschwinden würde. (Sehr richtig!) Ich bin deshalb der Meinung, daß es eine Pflicht des Handels⸗Ministers ist, zu einer Revision der Handelsverträge, insoweit sie nicht darin besteht, daß sie auch für unsere Industrie verbessert werden, die Hand nicht zu bieten. (Bravo!)

Abg. von Mendel -⸗-Stein fels (kons. : Ich be ie das In⸗ stitut der Landwirthschafts kammern, wenn auch nur deshalb, weil sie uns in Zukunft vor russischen Handels verträgen bewahren werden.

ie Riemen zu den Handels verträgen wurden aus der Haut der Land— wirthschaft geschnitten. Nicht Worte, wie sie die Industrie den Han— delsberträgen gegenüber gebraucht hat, sondern Thaten gelten. Keine

orderun der Landwirthschaft, auch nicht die über den Viehimport, ift berückfichtigt worden. Der russische Handels vertrag isl keineswegs

.

eine Konsequenz des öfterreichischen Auch die Handelskammern haben sich zum großen Theil ungünstig über die Wirkungen der r , . eäußert. Mit den Handelsverträgen ist ein großer beil der Kau as des Volks zerstört worden, und doch muß die Industrie nicht immer den Blick nach dem Ausland wenden, sondern ihren Absatz in erster Linie in der Heimath suchen. Die Handelsverträge bedeuten ein Abgraben der Existenz eines großen Theils des kaufkräftigen Volks. Mit dem Festlegen der Interessen der Industrie im Ausland über⸗ liefert man sie allen Schwankungen der Valuta. Der Abg. Bueck hat uns weniger Arbeiterfreundlichkeit zugemefsen wie der Industrie. Konstatiere er doch einmal, wo mehr Unzufriedenheit ist: bei den Arbeitern der Industrie oder der Landwirthschast. Solche Aeuße⸗ rungen stärken nicht die Solidarität zwischen Induftrie und Land. wirthschaft. Diese Interessengemeinschaft muß so beschaffen sein, daß Licht und Schatten gleichmäßig vertheilt werden. Warten wir erät eine längere Wirkungszeit der Handels verträge ab, bis wir ein end gültiges Urtheil fällen! Vorläufig bestreite ich, daß die Handels—⸗ verträge uns den Bortheil gebracht haben, den man erwartet hat.

Abg. Gothein (fr. Vg) dankt dem Minister für seine be— ruhigende Erklärung.

Abg. Hr. von Heyvdebran dt u. d. Lasa (kons): Der Minister bat die Stabilität als den Hauptvortheil der Handelsverträge auf⸗ k Nun, es giebt auch eine Stabilität der Nothlage, und eine olche ist für die Landwirthschaft geschaffen. Der Minister für Land⸗ wirthschaft hat eine Revision der Handelsverträge nicht von der Hand gewiesen, wenn es die Interessen der Landwirthschaft nothwendig machten. Der Minister für Handel und Gewerbe hat sich dieser Intereffen garnicht erinnert, er hat auch wohl vergessen, daß er außer Handels- auch Staats Minister ist. Die Einheitlichkeit, die in diefer wichtigen Frage so dringend erforderlich ist, scheint im Staats- Minifterium nicht vorhanden zu sein.

Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch:

Meine Herren! Ich habe nur zu erwähnen, daß die Frage einer Revision der Handelsverträge im Staats⸗Ministerium überhaupt noch nicht behandelt worden ist. Es kann deshalb nicht die Rede davon sein, daß hier die Einheitlichkeit im Staats-Ministerium irgendwie gestört sei. (Bravo! links.)

Abg. Pleß (Zentr.) fordert eine Organisation des Handwerks, den Besähsgungsnachweis und Hebung des Kredits für das Handwerk.

Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch:

Meine Herren! Der Herr Vorredner wünscht eine deutliche Erklärung von mir, und die will ich ihm geben. Die ganze Art, der Inhalt und die Fassung seines Vortrages waren derart, daß ich mir eigentlich versagen müßte, darauf einzugehen. (Sehr richtig! Ohh Ich nehme an, daß das deutlich genug ist. (Sehr gut! links.)

Im übrigen will ich den Herrn Vorredner nur darauf aufmerksam machen, daß die Frage der Organisation des Handwerks noch niemals so günstig und so weit vorgeschritten gelegen hat, wie sie augenblicklich liegt. Es sind meinerseits formulierte Vorschläge über die Organi⸗ sation des Handwerks vorgelegt; dieselben befinden sich in der Vor— bereitung, und es ist zugesagt worden, daß dem Reichstag im nächsten Jahre ein auf die Organisation des Handwerks bezüglicher Entwurf vorgelegt werden würde. Für diese Session hat der Herr Staats⸗ sekretär des Reichsamts des Innern einen Entwurf über die Errich— tung von Handwerkskammern zugesagt, und diese Zusage wird erfüllt werden.

Nun, meine Herren, der Herr Vorredner ist auch auf die Frage des Befähigungsnachweises eingegangen und hat in erbitterten Worten ausgesprochen: nur dem Handwerk wird verweigert, was allen anderen Ständen gewährt wird. Ich begreife diese wirklich auf ganz ober— flächlicher Betrachtung beruhende Behauptung nicht. Der Herr Vorredner ist nicht in der Lage nachzuweisen, daß es einen Befähigungsnachweis giebt für die Art, wie jemand sich sein Brot erwerben will. Es giebt einen Befähigungsnachweis für Beamte und da, wo ein öffentliches Interesse an der Ausübung des Berufs vorliegt, ich erinnere z. B. an die Aerzte. Aber den Be— fähigungsnachweis für denjenigen, der sich sein Brot in einem be— stimmten Gewerbe erwerben will, hat zur Zeit kein Stand. Es giebt ein Land im fernen Osten, wo wie man sagt, der Befähigungsnach⸗ weis die Bevölkerung durch das ganze Leben begleitet. Die allerneueste Zeit hat gezeigt, wohin derartiges führt. (Widerspruch rechts.)

Ich muß dem Herrn Vorredner weiter vorwerfen, daß er behauptet hat, Kredit von Staatswegen wäre wunderschön, es gäbe aber keine Organisation, die diesen Kredit in Empfang nehmen könne. Auch hier wieder eine ganz oberflächliche Beurtheilung der Verhältnisse! Wozu haben wir denn das Genossenschaftsgesetz? Es ist ausdrücklich dazu geschaffen, damit die kleinen Existenzen sich zu wirthschaftlichen Zwecken zusammenthun können. Mit demselben Recht wie der Herr Vorredner ist die ganze Landwirthschaft in der Lage, zu behaupten: keine Organi— sationen sind da, wir können keinen Kredit in Empfang nehmen. Die Landwirthschaft hat etwas ganz Anderes gethan, und ich kann den Herrn Vorredner nur bitten, sich daran ein Beispiel zu nehmen. Die große Zahl kleiner ländlicher Kreditgenossenschaften ist es, die in außerordentlich günstiger Weise für den kleinen Grundbesitz gewirkt hat. Das Handwerk ich hoffe nicht, das ganze aber die Handwerker, die auf dem Standpunkt des Herrn Vor⸗ redners stehen, sind zu träge, in diesem einfachen Falle zur Selbsthilfe zu greifen. (Oh! Sehr richtig Deshalb kann ich dem Herrn Vorredner nur empfehlen, seinen Standpnnkt in dieser Beziehung aufzugeben und besser daran zu denken, wie das Handwerk sich selbst helfen kann. (Bravo! links.)

Abg. von Eynern (ul.); Wenn Sie ur Rechten) die Soli— darität der Interessen von Landwirthschaft und Industrie betonen, wo bleibt denn diese Selidarität beim Antrag Kanitz? Der Abbruch der Handelsbeziehungen mit Argentinien würde der Landwirthschaft nichts nützen, der Industrie arg schaden. Wir können nur wieder holen, daß uns die Interessen der Landwirthschaft ebenso am Herzen liegen, wie die der Industrie. Schließlich muß ich noch mein Be⸗ dauern ausdrücken, daß der Minifter seine Zustimmung zu dem neuen Stempelgesetz gegeben hat, ohne die Handelskammern über diese wichtige Angelegenheit zu befragen.

Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch:

Der Herr Vorredner hat schon erwähnt, daß das Stempelgesetz nicht bloß die Handels- und gewerblichen Interessen berührt, sondern eine große Zahl anderer Kreise in unserem Vaterlande. Es konnte sich also nicht darum handeln, etwa nur die Handels—⸗ kammern anzuhören, sondern wenn man das wollte, so war

es nothwendig, dieses Gesetz zu veröffentlichen und es an die sämmt⸗

lichen wirthschaftlichen und sonstigen Korporationen, die in unserem Vaterlande für Handel, Industrie und Landwirthschaft, für Haus, und Grundbesitz und andere Dinge existieren, gelangen zu lassen. Wenn das geschehen wäre, so wäre die Vorlage des Gesetzes in dieser Session

nicht möglich gewesen, und da darauf der Werth gelegt wurde, so war eine Anhörung der Korporationen nicht thunlich. Ich meine, es wäre noch jetzt Gelegenheit genug, daß die wirthschaftlichen Vertretungen sich äußern.

Abg. Dr. Friedberg (ul.): Nachdem eine Erhöhung der Zölle

durch die e stlecung derselben unmöglich geworden ist, ist es natürlich, daß Projekte wie der Antrag Kanitz auftauchen. Rußland exportiert nur Roggen, der keinen Weltmarktpreis hat, sodaß bei uns kein Preis. druck bei Abschluß gegen russischen Roggen erfolgt sein würde. Der Antrag, betreffend Kündigung des Meistbegünstigungsvertrags mit Argentinien, ist von einer Anzahl Nationalliberaler unter⸗ schrieben; schon das hätte den Abg. Bueck veranlassen sollen, etwas vorsichtiger zu sein, wenigstens hätte er die Motivierung des Antrags kennen sollen. Ich habe den Antrag unterschrieben, nicht weil er agrarische Tendenz hat, sondern weil ich es für falsch halte, Handels vertrãge abzuschließen, ohne Meistbegünstigungsverträge zu kündigen. Daß der Landwirth unter dem Weizentransport von Argentinien leidet, dürfen wir auch nicht vergessen. Die Schiffe, die unsere Exxortwaaren dorthin bringen, bringen Weizen zurück. Ich will den Schutz der nationalen Arbeit allen Berufsschichten gleich- mäßig zuwenden. Die Solidarität der Interessen von Industrie und Landwirthschaft wird aber am besten gewahrt, wenn wir hier nicht unnütz Auseinandersetzungen über Dinge herbeiführen, die in den Reichstag gehören. Abg. von Waldow (kons.): Die Erklärung des Ministers wird in Handwerkerkreisen schwere Enttäuschungen hervorrufen. Den Hand- werkern liegt die Organisation in Zwangeinnungen am nächsten. Der Befähigungsnachweis hat in früheren Zeiten einen gleichmäßigen Wohlstand in Handwerkerkreisen herbeigeführt. Es ist nicht zu ver— wundern, h er jetzt wieder gefordert wird, wo die Handwerker schutzlos der Üebermacht des Kapitals preisgegeben sind. Der Minister meinte, die Handwerker seien zu indolent, sich zusammenzuschließen. Ich kenne sie besser. Wir Konservativen werden nicht aufhören, für ihre Forderungen einzutreten.

Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch:

Meine Herren! Ich habe es mir zur Regel gemacht, die Fragen, die an sich zum Reichstag gehören, hier nicht eingehend zu erörtern, und ich stehe in dieser Beziehung ganz und gar auf dem Standpunkt, den der Abg. Friedberg eingenommen hat. Die Regierung wenigstens muß sich meines Erachtens im Abgeordnetenhause eine Reserve bezüglich der Erörterung von Fragen auferlegen, die zur Kompetenz des Reichs ge⸗ hören. Den Herren Abgeordneten will ich das Recht zu reden, was sie für gut halten, keineswegs verwehren. Ich habe in die Debatten nur da eingegriffen, wo man mich angegriffen oder sonst direkt zu Aeußerungen provoziert hat, und in dieser Beziehung halte ich es für nöthig, einiges auf das zu antworten, was der Herr Vorredner gesagt hat.

Meine Herren, es muß Ihnen bekannt sein, daß der Gedanke der Zwangsorganisation des Handwerks von mir aufgegriffen worden ist. Es muß Ihnen das bekannt sein aus einer Publikation, die in die Zeitungen übergegangen ist, die Organisation für Fachgenossenschaften betreffend, deren Unterlage der Gedanke der Zwangsorganisation des Handwerks war. Wie dieser Gedanke zur Ausführung kommt, ob er sich enger an die Innungsbildung anschließen wird, steht heute noch nicht fest. Ich kann das heute nicht näher er— örtern; aber den Gedanken der Zwangktorganisation habe ich aufgegriffen, nicht den Gedanken des Befähigungsnachweises. Die näheren Ausführungen muß ich mir für die Reichstagsverhandlungen aufsparen. Dann muß ich mich dagegen verwahren, daß ich den Hand⸗ werkern als solchen Faulheit und Indolenz vorgeworfen hätte. Das hat mir vollständig fern gelegen. (Zurufe: Zum theil ) auch nicht einem Theil des Handwerkerstandes. Das hat mir fern gelegen, und wenn meine Worte dazu Veranlassung gegeben haben, so bedauere ich das lebhaft. Ich bestreite aber, daß das der Fall ist. Ich habe gesagt, der Hand—⸗ werker, der auf dem Standpunkt des Herrn Abg. Pleß steht, ist zu indolent, um nach den Mitteln der Selbsthilfe auf dem Wege der Organisation zur Kreditbeschaffung zu suchen. Ich habe den Vorwurf nicht auf seinen Gewerbebetrieb ausgedehnt, das muß mir selbst— verständlich fern liegen. Aber in jener Beziehung habe ich Recht gehabt. Ich bitte nur, daß die Herren die Freundlich—⸗ keit haben, sich umzusehen, in wie viel Fällen der Handwerker dazu übergegangen ist, sich im Wege der Genossenschaft günstigere Bedingungen für seinen Gewerbebetrieb zu verschaffen. Ich habe exemplifiziert auf die Bestrebungen der Land wirthschaft in dieser Beziehung und habe die Handwerker aufgefordert, dieselben Wege zu gehen, und nur in Bezug auf die Versäumnisse, die sie sich hier zu Schulden kommen lassen, habe ich ihnen einen Vorwurf gemacht.

Abg. Gamp (fr. kons.): Zu meinem Bedauern muß ich es mir hier versagen, auf die persönlichen Angriffe des Abg. Bueck zu er— widern. Er wunderte sich über meine Ansichten in Bezug auf die Wasserstraßen. Meine persönlichen Interessen wiesen mich auf das Gebiet des Freihandels und ich handelte gegen diese, wenn ich für die Interessen der Landwirthschaft einträte. Ich hätte von dem Abg. Bueck erwartet, daß er meine Ausführungen loyal wiedergeben würde. Er hat sie aber illoyal mit meinen Ansichten in Wider⸗ spruch stehend wiedergegeben. Ich habe mit Hinweis auf die Wasser⸗ straßen hervorgehoben, daß das Getreide die hohen Transportkosten auf den ö nicht ertragen kann. Weiter habe ich hervor⸗ gehoben, daß nicht der Export, sondern der 6 im Inlande die Industrie sicher stelle. Nun frage ich, ob der Abg. Bueck richtig zitiert hat. .

Nach 4/½ Uhr wird die Weiterberathung vertagt.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Auf eine von einem Deutschen im Auslande, in einem deutschen Konsulgrgerichtsbezirk. begangene Strafthagt findet, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, Feriensenats, vom 25. Juli 1894, das deutsche Strafgesetzbuch unmittelbar Anwendung, gleichviel, ob die Strafthat auch nach den Gesetzen des Orts, wo sie begangen ist, mit Strafe bedroht ist oder nicht. „Durch Art. 38 des in 8 9 der

usatz Konvention vom 31. März 1880 bestätigten Freundschafts,

andels, und Schiffahrtsvertrages mit China vom 2. September 1861 ist zu. Gunsten der Liesseitigen Konsulargerichtsharkeit den Angehörigen des Deutschoͤn Reichs auf. dem Gebiet des Strafrechts die Exterritorialität gegenüber der chinesischen Justiz⸗ hoheit zuerkannt, und es gehört somit der Thatort des dem Angeklagten zur Last gelegten Vergehens die Umgebung von Shanghai zu denjenigen Konsulargerichtsbezirken, für welche 8 4 des Gesetzes vom 10. Juli 1879 das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich als gültig erklärt. Da ferner die Reichsangehörigkeit des Angeklagten außer fre: steht., so findet das Strafgesetzbuch unmittelbar auf den vor— iegenden Fall Anwendung, ohne daß es nach Anleitung des § 4 Nr. 3 Strafgesetzbuchs noch der besonderen Feststellung bedurfte, daß die strafbare Handlung auch nach den Gesetzen des Orts, wo sie be gangen wurde, mit Strafe bedroht ist. (2714/94)