1895 / 66 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 16 Mar 1895 18:00:01 GMT) scan diff

den Staatssekretãr richten, ob es richtig ist, daß, wie mir gesagt wurde, die Postbilfsboten bei den Postämtern 1II. Klasse überhaupt nicht etatsmãßig angestellt werden. .

Bevollmächtigter zum Bundesrath, Direktor im 4 Wirklicher Geheimer Rath Dr. Fischer: Die von dem Abg. Bebel angegebene Arbeitszeit für die Posthilfsboten in Hannover halte ich für ganz undenkbar, da sie weit über das Maß der festgesetzten Arbeitsdauer hinausgeht. Die Meinung des Abg. Bebel, daß die , der Postämter III. Klasse überhaupt nicht etatsmäßig angeftellt werden, beruht auf einem Irrthum. In dem Fall, den er vielleicht im Auge hat, kann es sich nur um einen nicht ständig be⸗ schaͤftigten Posthilfsboten handeln, bei dem eine etatsmäßige Anstellung

allerdings ausgeschlossen ist. . 264 eine Anfrage des Abg. Rickert (fr. Vgg)) betreffs der

Fernsprechverbindung , . bemerkt der Direktor im Reichs⸗Postamt Scheffler: Bei der Herstellung der Fernsprechleitung von Berlin nach der 2stgrenze wurde von vornherein der Anschluß Königsbergs in Betracht gezogen. Es er= hoben sich aber Schwierigkeiten insofern, als die Zahl der arantierten Gespräche nicht hinreichend erschien, um die Kosten der nterhaltung der Linie zu bestreiten. Die Verhandlungen sind noch im Gange und nach den letzten mir zugegangenen Nach⸗ richten ist die . begründet, daß sie zu einem gedeihlichen Ab⸗ schluß führen werden. Eine Verhindung der Telegraphen. und Telephonanlagen sei seitens der Reichs⸗Postverwaltung nicht gefordert worden. Es sei dies von dem Magistrat und der städtischen Ver waltung Königsbergs der Postverwaltung entgegengebracht worden. Die Verwaltung sei geneigt gewesen, über jede Verbindung einzeln zu verhandeln.

Staatssekretär des Reichs⸗Postames Dr. von Stephan:

Ja, meine Herren, das Hinderniß liegt nicht bei dem Reichs⸗ Postamt, sondern bei der Verwaltung von Königsberg, und zwar weil diese darauf auszugehen scheint, sich den Bestimmungen des § 12 des Telegraphengesetzes zu entziehen, die bekanntlich dahin lauten, daß der später mit seiner Anlage Kommende auf seine Kosten die Schwierigkeiten beseitigen muß, die aus der Induktion entstehen. Das paßt der Stadt Königsberg nicht, und sie will, wie es mir scheint ich habe die Verhandlungen im einzelnen nicht verfslgt die Gelegenheit benutzen, den Kon⸗ sequenzen dieser Gesetzgebung zu entgehen. Natürlich würde das augenblicklich Nachahmung in allen anderen Städten finden, und darum können wir nicht darauf eingehen.

Was nun im übrigen die Ausführung der Leitung be— trifft, so sind wir, wie mein Hrr Kollege bereits dar⸗ gelegt hat, gern bereit gewesen, die Stadt Königsberg sofort in diese Linie aufzunehmen, schon mit Rücksicht auf die hervorgehobene Residenzeigenschaft Königsbergs und die Bedeutung seines Handels und Verkehrs. Was aber die in Königsberg vorhandene eigene Werth schätzung der Fernsprechleitung betrifft, so ist die eine etwas eigen thümliche. Ich habe hier einen Auszug aus einem Bericht von 1884, wo mit einem Vertreter einer der größten Firmen in Königsberg, dessen Haus die Verwallung brauchte zur Aufstellung eines Rohr⸗ leiters für die Telephonleitung, verhandelt worden ist, und darin ist gesagt:

Er hat mir persönlich erklärt, also dieser Vertreter eines der ersten Häuser von Königsberg, so schreibt der Ober⸗Postdirektor— daß nach Lage der Geschäftsverhältnisse in Königsberg die Stadt⸗ fernsprechein richtung damals handelte es sich nur um die Fernsprechanlage in Königs⸗ berg selbst, garnicht um die Linie von Berlin dorthin bierselbst zur Zeit und vielleicht noch lange als ein Bedürfniß nicht anzuerkennen sei. (Heiterkeit. Das sei nicht nur seine, sondern der gesammten Kaufmannschaft Meinung, welche im Vorsteheramt, dem er selbst angehöre, oft genug Ausdruck gefunden. Alfo demgegenüber haben wir wahrlich alles gethan, was wir thun konnten, nicht bloß in Bezug auf die Stadtfernsprecheinrichtung, und wir werden auch bereit sein, wenn die Stadt Königsberg sich den gesetzlichen Bestimmungen fügt, die übrigen Wünsche zu erfüllen.

Zum Titel „Kleiderkassen“ befürwortet der

Abg. Dr. m ,, (fr. VolÜlsp.) die Einführung leichterer Sommerkleidung bei den Postbeamten. Die Befürchtung, die Beamten könnten sich in ke herd Kleidung erkälten treffe doch wenigstens für die Bureaubeamten nicht zu. Wie die Militärverwaltung leichtere Kleidung für den Sommer eingeführt habe, könne dies auch die Post⸗ verwaltung thun. Namentlich für die Landbriefträger sei die Ein⸗ führung leichterer Kleidung eine Nothwendigkeit.

Abg. Prinz zu Schöngich-Carolath (ul) ist überzeugt, daß der Staatssekretär Veranlassung nehmen werde, sich mit der Frage zu beschãftigen. . .

Abg. Werner (Refp.) bemerkt, ihm sei von den Beamten erklärt worden, sie empfänden die Tuchkleidung im Sommer als eine Be— lãstigung.

Zum Titel Vergütungen an Eisenbahn⸗, Schiffs⸗ und Telegraphen-Unternehmungen“ liegt folgende Resolution des Abg. Dr. Hahn (b. k. e vor:

Der Reichstag wolle beschließen: den Reichskanzler zu ersuchen,

. zu veranstalten 1) über die Art und Dauer des Dienstes

und der Arbeit der Schiffsoffiziere und Schiffsmannschaften auf den Reichs⸗Postdampfern während des Ladens und Löschens in den Abfahrfs⸗, Anlaufs⸗ und Ankunftshäfen; 2) darüber, zu welchem Theil die Besatzung der Reichs- Postdampfer aus wirklichen See⸗ leuten besteht.

Abg. Dr. Hahn (b. k. F.): Die von mir eingebrachte Resolution liegt sowohl im Interesse des Publikums wie der Seeleute selbst. * erkenne die Verdienste des Norddeutschen Lloyd! wohl an, nach mir zugegangenen Mittheilungen aber waren bei dem Norddeutschen Lloyd auf einem Schiffe von 180 Mann Besatzung nur 36 ausgebildete Seeleute ein Prozentsatz, der sicherlich nicht ausreichend ist. Unter diesen Umständen erscheint mir die Sicherheit der Beförderung von Postsachen wie Passagieren unmöglich zu sein. Ist mir doch auch mitgetheilt worden, daß Schiffsoffiziere beim Nord- deutschen Lloyd‘ einen Dienst von 66 Stunden hintereinander hatten, während für ihren anstrengenden Dienst die größte Frische nothwendig wäre. Ich bitte Sie im Interesse der Sicherheit unserer Schiffahrt die Resolution anzunehmen.

Abg. Frese (fr. Vgg.) verliest ein Telegramm des Norddeutschen Llovd', aus dem hervorgeht, daß die Offiziere auf den Reichs- Post⸗ dampfern 4 Stunden Wache und darauf 4 Stunden Ruhe haben, die Mannschaften 4 Stunden Dienst, 8 Stunden Ruhe, ebenso, die Maschiniften. Von der Besatzung seien bei der Preußen unter 136 Mann 52 wirkliche Seeleute, bei Prinz Regent? und „Prinz Heinrich“ unter 1590 Mann 60 wirkliche Seeleute. Es sei inter⸗ national von allen Ausländern, von Amerikanern und Engländern anerkannt, daß in Bezug auf die Bemannung der „Norddeutsche Llovd? an der Spitze aller Schiffahrts Kompagnien stehe.

Die Resolution wird darauf abgelehnt. ; Zum Titel „Herstellung eines Dienstgebäudes in Döbeln“

erhält das Wort Abg. Schmidt ⸗Warburg (Zentr.): Es ist bereits mehrfach hier der Wunsch ausgesprochen worden, daß der Staatssekretär sich mehr

an einen einfachen 83. halten möge, . spieligen Steinmetzarbeiten. Ich beantrage die Zurückweisung der ition an die Kommission. Die Summe, die für das Postgebäude in Döbeln verlangt wird, ist zu hoch. Als im preußlschen Abgeordnetenhause die Rede davon war, da ü,, . zu den Postbauten die Justizverwaltung wohl etwas ko i. uen könne, erhob sich der Abg. Graf zu Limburg-Stirum und sagte, es fei eine wahre Landeskalamität, in welcher Weise die Postgebäude auf⸗ geführt werden. Ich hoffe, daß er mit seiner Partei auch im Reichs tag dagegen auftreten wird.

als an die kost⸗

Abg. Graf zu Lim burg⸗Stirum (d. kons.): Ich habe das Be

dürfniß der Postbauten nie bestritten, ich habe mich nur gegen die Pracht dieser Bauten ausgesprochen. Wenn ich im Abgeoronetenhause den Ausdruck ‚Landeskalamität?. gebraucht habe, so. mag das etwas stark gewesen sein, aber es scheint mir doch bedenklich, wenn gerade die Post, eine Zuschußverwaltung, so kostspielig baut. Denn an den Ueberschuß. den sie sich ausrechnet, glaubt doch niemand mehr. Er kommt der preußischen Eisenbahn⸗ Verwaltung zu. Diese Bauten führen ja allerdings dazu, daß der Name des Staatssekretärs im Lande recht glänzend wird, aber das kann für uns nicht bestimmend sein; wir müssen für das Gleichgewicht der Finanzen sorgen. Ich bitte deshalb, dem Antrage des Abg. Schmidt beizustimmen. ( ;

Abg. Br. Lingens (Sentr.) erklärt sich gegen den Antrag Schmidt Warburg. Die Postbauten müßten doch etwas anders aus⸗ sehen, wie Gefängnisse. ; ;

Bevollmächtigter zum Bundesrath, Direkter im Reichs⸗Postamt, Wirklicher Geheimer Rath Dr. Fischerz: Man behauptet immer, wegen des Verhältnisses der Post zu den Eisenbahnen sei die Post— verwaltung eine D n, Der Abg. Graf Limburg hat das angedeutet. Ich will aber darauf nicht eingehen. Die Kom—⸗ mission hat jede Position eingehend geprüft, und auch die Döbelner

osition. on einem zu kostspieligen Bau in Döbeln kann keine ede sein nach den örtlichen Verhältnissen. .

Abg. Merbach (Rp.): Die Postgebäude in Berlin berechtigen allerdings zu dem Vorwurf der Verschwendung, nicht aber die in der . Als wir die ersten Zeichnungen eines Neubaues für meine

aterstadt sahen, waren wir hoch erfreut. Zu unserem lebhaften Bedauern wurden aber in Berlin all' die schönen Ornamente ge⸗ strichen. Durch eine Rückverweisung dieser Position bürden wir der Kommission eine überflüssige Arbeit auf. Ersparen Sie sich die Arbeit und bewilligen Sie der Stadt Döbeln ihr Postgebäude.

Nachdem der Abg. Dr. Bach em (Zentr.) sich für die urückverweisung des Titels an die Budgetkommission und der bg. Dr. Lieber (Zentr) sich gegen dieselbe ausgesprochen,

wird der Antrag Schmidt⸗Warburg abgelehnt und der Titel bewilligt. Die weitere Berathung wird sodann auf Sonnabend

1 Uhr vertagt.

Preußischer Landtag. Herrenhaus. 4. Sitzung vom Freitag, 15. März.

Vor Eintritt in die Tagesordnung nimmt das Wort

Vize-⸗Präsident Freiherr van Manteuffel: In den nächsten Tagen feiert unser Mitglied Fürst von Bismarck seinen acht zigsten Geburtstag. Ich habe mir erlaubt, den Gesammt— vorstand des Hauses zu einer Sitzung einzuladen, um über die Vorschläge für die Feier zu berathen. Der Vorstand ist sich dahin schlüssig geworden, daß das Haus, das die Ehre hat, den Fürsten Bismarck zu seinen Mitgliedern zu zählen, diesen Tag nicht vorübergehen lassen darf, ohne dem Fuͤrsten die allerherzlichsten Glück⸗ und Segenswünsche zu überbringen. Wir sind von dem Gedanken geleitet worden, daß bei einem Manne, der selbst von seinen Feinden als der größte Staatsmann dieses Jahrhunderts an= erkannt wird, diejenige e fc der er als Mitglied angehört, die allererste Pflicht hat, ihm ihre Glückwünsche zu überbringen. Ich habe Ihnen nun den Vorschlag zu machen; das Haus wolle beschließen, daß der Gesammtvorstand dem Fürsten Bismarck die Glüäckwünsche des Hauses in Friedrichtruh selbst überbringt. Ich nehme an, daß Sie mit mir einverstanden sind, und werde mit Friedrichsruh wegen Feststellung des Tages unserer Reise in Ver⸗ bindung treten. Ich werde dann allen Mitgliedern des Hauses Kenntniß davon geben, selbstverständlich auch unserem Herrn Prä⸗ sidenten, der leider zur Zeit durch Krankheit an der Theilnahme an unseren Sitzungen verhindert ist.

Herr von Pfuel: Die Ovation, die wir dem Fürsten Bismarck durch Ueberbringung unserer Glückwünsche darbringen, wird nur eine vorübergehende 9 Wir könnten ein dauerndes Andenken schaffen, wenn wir an einen Vorschlag anknüpften, den ich mir schon im Jahre 1890 zu machen erlaubt habe, hier im Hause die Büste des Fürsten aufzustellen. Es war mir im Jahre 1890, als . Bismarck aus seiner Stellung schied, vergönnt, als erster

edner ibm einen Nachruf ju widmen. Ich habe schon damals die Hoffnung ausgesprochen, es möge uns vergönnt sein, hier im Saal seine Büste als ein Bild der Treue und Aufopferung aufzustellen, das uns anfeuern werde, in seinem Geiste fortzuarbeiten. Einen geeigneteren Moment als die Feier des achtzigsten Geburtstags des Fürsten finden wir nicht. Ich werde mir erlauben, einen dahin gehenden Antrag zu stellen, sobald wir wieder zusammenkommen, und hoffe, Sie werden mich dann unterstützen.

6 tritt das Haus in die Tagesordnung ein. ereidigt wird das neu in das Haus eingetretene Mit⸗ glied Anton Graf zu Stolberg⸗Wernigerode.

n einmaliger Schlußberathung wird der Gesetzentwurf, betreffend die Aufhebung älterer, in der r. Schleswig-Holstein und im Regierungsbezirke Casse geltender feuerpolizeilicher Bestimmungen, ohne De⸗ batte angenommen. : . .

Es folgt die Wahl des Zweiten Vize⸗Präsidenten an Stelle des verstorbenen Ober⸗Bürgermeisters Boetticher.

Auf Antrag des Grafen von Schlieben wird Ober⸗Bürger⸗ meister Becker (Köln) durch Zuruf als Zweiter Vize— Präsident gewählt.

Ober Bürgermeister Becker nimmt die Wahl dankend an und bemerkt: es werde sein Bestreben sein, wenn er die Verhandlungen zu 16 habe, die in dem Hause üblichen zuvorkommenden Formen zu wahren.

Mehrere Petitionen, den Bau einer Eisenbahn von Heilsberg nach Mehlsack als Fortsetzung der Strecke Braunsberg = Mehlsack be⸗ treffend, werden der Regierung als Material überwiesen.

Eine Petition der Vertreter der Stadt Krefeld und der Handels« kammer daselbst zur Herbeiführung besserer Bahnhofsverhältnisse in Krefeld wird der Regierung jur Berücksichtigung überwiesen.

Ueber eine Petition rein persönlichen Inhalts geht das Haus zur Tagesordnung über. ,

Mehrere Petitionen um Abzugsfähigkeit der käammunalen Grund und Gebäudesteuer bei der Veranlagung zur Einkommensteuer sollen nach dem Antrage der Budgetkommission durch Uebergang zur Tagesordnung erledigt werden.

Ober⸗Bürgermeister Giese (Altona) 2 im Interesse der ausgleichenden Gerechtigkeit die Petitionen der Regierung zur Be ar en gn überweisen. ; 1

Geheimer Ober Finanz⸗Rath Wallach bittet, den Kommissions⸗ antrag anzunehmen. Gerade im Sinne der ausgleichenden Gerechtig- keit sei die Bestimmung in das Einkommensteuergesetz e, d, die Grund- und Gebäudesteuer der Gemeinden nicht vom Cinkommen bei der Besteuerung durch den Staat abzuziehen. Die munalbesteucrung sei außerordentlich beweglich und richte

Kom

sich

nach den Bedürfnissen der einzelnen Städte. In einer S ö . eine reale, in der anderen eine personale. . die Einnahmen aus der Einkommensteuer zu außerordentlich schwan . machen, wollte man sie von der Kommunalbesteuerung abben assen. . 4 Das Haus geht dem Antrage der Kommission gemäß äber Petitionen zur Tages or dn ung über. ö bet h Sine Petition des Magistrats der Stadt Biebrich um 45 än derung des 5 33 Nr. 1 des Komm unalab ga ben gesege vom 14. Jul 1893 in der Richtung, daß es den Gemeinden 3

lassen bleibe, das Einkommen aus nichtvreußischen deutschen St

von der Gemeindebesteuerung freizulassen, Material ũberwiesen.

Schluß / Uhr.

wird der Regierung 6

Haus der Abgeordneten. 44. Sitzung vom Freitag, 15. März.

Auf der Tagesordnung stehen die dritte Berathunn des Staatshaushalts-Etats und die erste Berathun kleinerer Vorlagen. n

Ueber den Beginn der Sitzung ist gestern berichtet worde Wir tragen an dieser Stelle nur die Entgegnungen Yz Ministers der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. 3 un die Beschwerde des Abg. Brandenburg (Zentr) über R kirchliche Vermögensverwaltung im Regierungsbezirk Mersebumy und auf den Wunsch des Abg. Dr. Lotichius auf Vorlegun eines Lehrerbesoldungs⸗Gesetzes im Wortlaut nach.

Dem Abg. Brandenburg gegenüber bemerkte de Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Was die Bemerkung des Herrn Abg. Brandenbin anlangt, aus Anlaß der gestrigen Diskussion über die von der R., gierung zu Merseburg erlassene Geschäftsanweisung für die Schi vorstände, von der aus er exemplifizierte auf ähnliche Vorkommni und Uebergriffe der bureaukratischen staatlichen Verwallm auf dem Gebiete der Ausführung des kirchlichen Vermögen verwaltungsgesetzes. so kann ich in dieser Beziehung in erklären, daß ich durchaus nicht wünsche, daß das Gen von 1875 über die kirchliche Vermögensverwaltung der katholisch, Kirchengemeinden dazu mißbraucht wird, um unnöthiger Weise buten kratische Eingriffe in die Vermögensverwaltung der Gemeinden) machen. Da, wo die Sachen ordnungsmäßig erledigt werden, hah sich unsere bureaukratischen Provinzialbehörden so wenig wie möss in die Sache einzumischen. Nur da, wo Unzuträglichkeiten, Unt fertigkeiten vorkommen oder zu erwarten sind, sollen sie mit Rücksichtnahme auf die lokale kirchliche Verwaltung sich der & annehmen und Hand in Hand mit ihr Ordnung schaffen. Das der Grundsatz, der bei uns im Ministerium beobachtet wird.

Wenn nun wirklich einzelne Behörden darüber einmal hinan gegangen sind, so kann das vorkommen. In einem großen Staat Preußen ist es stets vorgekommen und wird auch künftig vorkomma daß eine Provinzialbehörde sich einmal vergreift. Sie können sͤh aber darauf verlassen, daß das, wenn es bei mir zur Kenntniß komm, nicht gebilligt wird, sondern daß ich verlange, daß nach denselben Grundsätzen, die im Ministerium gelten und die hier öffen⸗ lich vor dem Lande ausgesprochen werden, auch die Vemal⸗ tung geführt wird. Ich werde dafür sorgen, daß dies gescicht! Ich glaube auch nicht, daß erhebliche Beschwerden nach dieser Seite hin werden vorgebracht werden können.

Was die Sperrgelderfrage betrifft, meine Herren, so bin ich gan dankbar dafür, das Herr Abg. Brandenburg die Güte gehabt ba, diese Sache hier zur Sprache zu bringen. Es ist in der That in Interesse der katholischen Institute, daß diese Erklärung, die er go wünscht hat, hier abgegeben wird. Wir sind nicht in der Lage, nach träglich noch förmlich Rechenschaft zu legen über die Grundsitz nach denen die Einsammlung der Sperrgelder seiner Zeit erfoln ist. Das hat auch der Herr Abg. Brandenburg garnich verlangt. Ich wili ausdrücklich hier erklären, daß zur Ausführung de Sperrgeldergesetzes in einer Anweisung, die an die Unterbehönda ergangen ist, gesagt worden ist:

Es sei von den Provinzialbehörden zu prüfen, ob die in den Provinzial⸗ und Spezialkassen⸗Etat nachgewiesenen Leistungen n Bisthümer, deren Institute und an Geistliche als Bedürfnißzuschis anzusehen seien oder nicht; Bedürfnißzuschässe seien als erspart n verrechnen, die anderen Leistungen aufzusammeln.

Das, meine Herren, werden Sie zugeben, war der einzig moglich Grundsatz, der bei Ausführung dieses Gesetzes damals aufgestelt werden konnte, nachdem das Gesetz mal ergangen war. Nun ist g sehr wahrscheinlich, daß bei der Anwendung dieser Bestimmung auc Irrthümer untergelaufen sind. Ich will das gar nicht bestreiten. In dessen diese Sache ist abgemacht durch das Gesetz von 1891. Da i ein für allemal ein Strich gezogen. Die Sache ist gewissermahn im Wege des gesetzgeberischen Kompromisses ein für allemal erlediz

Allerdings kann nun die Möglichkeit bestehen bleiben, daß?“ konkrete Fälle giebt, in denen eine Leistung des Staates irrthünli damals als Bedürfnißzuschuß behandelt ist und jetzt wieder genll wird, und daß daraus man könnte wenigstens daran denken innerhalb rechtsverjährender Zeit das früher vorhanden Er wesene Recht als verloren gegangen bestritten werden kömmt Meine Herren, die Unterrichts verwaltung und die Finanzverwaltung sin beide darüber einverstanden, daß es selbstverständlich ist, daß durch de

rein internen Akt der Unterscheidung zwischen Bedürfnißzuschüsen un rechtlich fundierten Leistungen, die seiner Zeit die Königliche Staal⸗

regierung gemacht hat und zwar ohne den Interessenten gegenübe eine Erklärung darüber abzugeben, ob das Recht anerkannt oder es bestritten werde daß durch diesen internen Akt der Veiwaltmm irgend eine Wirkung auf die Rechtsfrage nicht hat eintreten lõnmmt daß also auch der künftigen Entscheidung auf Grund von Verjãhru⸗ dadurch nicht hat präjudiziert werden können. Darüber ben zwischen dem Herrn Finanz ⸗Minister und mir Einverstãndniß. gebe diese Erklärung sehr gern ab und hoffe, sie wird den Sm Abg. Brandenburg befriedigen, und ich hoffe, daß damit nun ent die leidige Sperrgelderfrage hier ein für allemal erledigt sein wird.

Dem Abg. Dr. Lotich ius erwiderte der Minister deo

geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Ich kann unmöglich ganz schweigen auf die .

regungen, die der Herr Abg. Dr. Lotichius hier in Beiug Lehrerbesoldungsgesetz die Güte gehabt hat, zu geben. Ich kann ö. wiederholen, was ich neulich bereits erklärt habe, daß die Grun . des Gesetzes zwischen dem Herrn Finanz ⸗Minister und mir der Verhandlung sich befinden. Mein dringender Bꝛn

, dann

nn. vertheilten Gehältern und Besoldungen der Lehrer . wrühren und bei der Gelegenheit, aber ohne Belastung der Ge⸗ we, denen wir das unter den jetzigen Verhältuissen nicht zu fenen (iehr richtig! rechts, und obne Belastung der Guts— eine entsprechende bescheidene Besoldung der Lehrer dahin gMhuführen, daß sie mit Freudigkeit ihres Amtes walten können weg daß sie ihr bescheidenes tägliches Brot haben. . 6 von dem ersten Augenblick an, wo ich in das ( . Ministerium eingetreten bin, mein dringender Wunsch gewesen; 4 bin ich fortwährend eingetreten. Ich bin weit entfernt gewesen, e Dinge aufthunehmen etwa als eine besondere Passion von meiner ate, sondern die schreienden Bedürfnisse auf diesem Gebiet haben 6 dazu genöthigt, zu thun, was in meinen Kräften stand. Ich ä deshalb auch nicht davon abgehen und werde auch nicht davon Baeben, und ich bin überzeugt, daß alle Parteien dieses Hauses, wenn é Sache verstãndig und in den richtigen Grenzen und in dem rich⸗ en Weg gemacht wird, die Hand dazu bieten werden, um endlich uf diesem Gebiet Ruhe zu schaffen. Was die Subvention des Real⸗Progymnasiums in Oberlahnstein ffft, so bitte ich, daß die Sache an mich im Geschäftswege heran⸗ chracht wird; dann soll sie geprüft werden. Hinsichtlich der Be⸗ simmmihzuschüsse muß die Leistungsfähigkeit der Gemeinden geprüft aden, und ich muß nach dem Etat der Anstalt und nach dem, was e Gemeinde leisten kann, die Zuschüsse bemessen. Das kann mer Umständen etwas unbequem für die Gemeinde sein. ber ich muß um der Gerechtigkeit willen gegen andere Gemeinden no mit Rücksicht auf meine Verantwortung gegenüber diesem hohen hause diese Prüfung eintreten lassen. Sie soll aber mit dem größten Fohblwollen eintreten, wenn die Sache an mich herangebracht wird d mir nova dargelegt werden, auf Grund deren ich eine Erhöhung 9 Zuschusses herbeiführen kann. Bei der weiteren Berathung des Etats des Ministe⸗ ums der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten nimmt h dem Abg. von Eynatten (Zentr.) das Wort der

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Herr Freiherr von Eynatten hat gemeint, der al in Brachelen wäre so recht ein Belag für das Wohlwollen, das ler der Zentrumspartei und dem katholischen Volke vom Minister⸗ he entgegentöne. Vielleicht sehen Sie die Sache doch etwas anders an, Enn Sie von mir erfahren, daß der Fall in Brachelen bisher mit keiner glb an das Ministerium herangekommen ist. (Hört! hört! rechts.) gh babe den Fall in der „Germania“ gefunden in einem etwas ge⸗ sten Artikel und habe daraus Veranlassung genommen, Bericht zu ordern, ohne daß ich hierzu die geringste amtliche Veranlassung ttebt hätte. (Hört! hört! rechts Nein, meine Herren, ist da Allt, dann wird Remedur erfolgen. Ob aber gefehlt ist, steht noch t dahin.

Das ist ja richtig, daß wir die Ordensschwestern, deren Thätig⸗ ät wir anerkennen, an das Gesetz gebunden halten, und in dem Gesetz it ausdrücklich, daß die Orden nicht befugt sind, in Volksschulen zu neͤrrichten. Und, meine Herren, daran muß ich festhalten, so lange n Gesetz besteht; das ist meine Pflicht und Schuldigkeit.

Aber, meine Herren, zu behaupten, daß wenn nun wirklich die Echulaufsichtsbehörde darauf hält, daß diese Beschränkung innegehalten nd, die in sehr vielen, in den bei weitem meisten Fällen ja von lbst innegehalten wird es ksmmen fast nie Klagen nach ieser Seite hin an mich —, wenn aber wirklich einmal meinzelnen Falle die Schwestern diese Schranken überschreiten, kann die Schulaufsichtsbehörde garnicht anders, un muß sie hingehen und muß sagen: es thut mir leid, aber etzlch seid ihr dazu nicht befugt; ich muß es euch untersagen! Das nnen die Herren: die Schwestern unter fortwährende Polizeiaufsicht len. (Zuruf bei den Nationalliberalen, Widerspruch im Zentrum.) us soll dazu dienen, den letzten Funken Patriotismus aus dem eren zu tilgen! (Sehr richtig! bei den Nationalliberalen, Unruhe Zentrum.) Nein, meine Herren, ich bin überzeugt, daß in Ihren Schwestern viel mehr Patriotismus wohnt, und daß dieser sitriotismus zu tief sitzt, als daß er, wenn dort der Schulaufsichts— ante seine Schuldigkeit thut, ausgelöscht werden kann. (Sehr htig) Nein, meine Herren, wir wissen, daß die Schwestern gute atrioten sind; sie sind viel patriotischer, als Herr von Eynatten sie nrgestellt hat. (Widerspruch des Abg. von Eynatten.) Herr von matten hat gesagt, die Sache sei ihm zu bagatell it ist sie garnicht bagatell. Wenn diese Sache an mich ankommt, werde ich sie mit allem Ernst entscheiden. Meine betten, ich bin mir bewußt, daß ich in katholischen Ordenssachen it aller Gerechtigkeit entscheide und daß ich Ihnen soweit entgegen⸗ umme, wie es irgend auf Grund des Gesetzes möglich und mit den autlichen Interessen verträglich ist. (Bravo! rechts und bei den tionalliberalen Weiter kann ich nicht gehen, weiter werde ich cht gehen. Darin werde ich mich auch nicht irre machen lassen durch ilch leidenschaftlichen Angriffe, wie sie hier gegen mich gerichtet sind. wbhaftes Bravo! rechts und bei den Nationalliberalen; Zischen bei m Polen und im Zentrum; erneuter lebhafter Beifall und Zischen.)

Abg. Hobrecht (nl): Die eifersüchtige Abrechnung beider Kon— sonen und die Klagen von seiten des Jentrums über Mangel an arität können nur zu Feindseligkeiten und zur Verbitterun führen. o lange Menschen auf Erden sind, wird es keine absolute Gerechtig= . ben; aber wir haben alle die Ueberzeugung, daß es der Minister é. an Gewissenhaftigkeit und an Gerechtigkeit fehlen läßt. Des— b soll man Klagen und Beschwerden, die sich auf geordnetem age abstellen lassen, nicht obne Noth anbringen. Auch an uns . mannigfache Klagen von seiten der protestantischen Be⸗

hrung heran, die wir aber nicht vorbringen, um nicht Oel ins mn, Ich will bier nur eine solche Beschwerde erwähnen, 13 rändung einer konfessionellen Schule für 30 evangelische

er in Pelplin, dem Sitze des Bischoss von Kulm, betrifft. Alle ict der Gründung einer solchen Schule wurden bis in die ren. Instanzen zurückgewiefen, weil man keinen Druck auf die mung behörden zu Gunsten einer kleinen Minorität ausüben wollte. endlich hat ein evangelischer Geistlicher aus der Nachbarschaft in 36 eine evangelische Privatschule errichtet. Es soll das keine Da. gegen den Minister sein, fondern die Sache soll den systematisch ö eten fl en beseitigen, als habe gerade der katholische

J 3 n erung Grund, sich über Imparität und Zurücksetzung nie, Ple entr.): Es sei bedauerlich, wenn noch Gesetze wen en, die die fegensreiche Wirksamkeit der katholischen Schwestern

* Derartige Gesetze müßten endlich beseitigt werden. Wenn

n Wandel fe daf werde, müsse man annehmen, daß man die

agen der Kathokiken nicht erhöten wolle..

1 the!

„hie Auegleichung wischen den jezt etwas bunt und

Abg. Dr. Porsch (Zentr.) führt in Bezug auf die Kinder aus Mischehen an, daß der Kardinal ⸗Fürstbischof Kopp in Breslau, völlig in Uebereinstimmung mit der Haltung des Zentrums, es für genügend halte, wenn der Vater der Kinder seine Erklärung über deren religiöse Er⸗ ziehung vor dem Rektor der Schule oder der Polizei abgebe. Eine Erklärung vor dem Magistrat zu fordern, sei für viele Väter eine unnõthige Belãstigung. zwei Minister, der Minister des Innern und des Kultus, hätten in pur, e. geiet werden müssen, um katholischen Schwestern zu erlauben, Nähunterricht zu er⸗ theilen, sollte kaum ein Mensch für möglich halten. Die Be⸗ pölkerung werde in ihrem Patriotigmus erschüttert, wenn derartige barmlose Dinge beinahe unter Polizeiaufsicht gestellt würden. Der Abg. Hobrecht habe keine Ahnung von der Erregung, die durch solche Vorgãnge in der katbolischen Bevölkerung bervorgerufen werde. Er könne auch eine große Menge von Beschwerden aus der Provinz Posen portragen, die eine angenehme Ergänzung zu den Ausführungen des Abg. von Tiedemann bilden würden. Er sei gern bereit, diese Dinge privatim dem Abg. von Tiedemann mitzutheilen. So lange die im⸗ paritätische Behandlung fortbestebe, könne man nicht von einem

Aberglauben‘ sprechen, der dazu führe, die Verhältnisse der Katho⸗

liken schwärzer hinzustellen, als sie seien.

Abg. Hauptmann SZentr) liest aus einem Manuskript eine

Ern iderung gegen eine frühere Rede des Abg. Friedberg vor, der die reimaurer gegen Angriffe desselben Redners in Schutz genommen hatte. Redner erklärt, die geheimen Gesellschaften müßten schärfer überwacht werden als die Anarchisten.

Vize⸗Präsident Dr. Freiherr von Heereman unterbricht den Redner mit der Bemerkung, daß er zu weit von dem Gegenstande der Berathung abschweife. .

Abg. Hauptmann verläßt die Tribüne.

Abg. Dr. Friedberg (al): Nach unserer Geschäftsordnung ist das Verlesen einer Rede nur dann gestattet, wenn ein Mitglied des Hauses der deutschen Sprache nicht mächtig ist. Da der Abg. Haupt- mann seine Rede verlesen bat, so muß ich annehmen, daß er der deutschen Sprache nicht mächtig ist. Ich hätte gewünscht, daß der Vorredner uns gesagt hätte, was geheime Gesellschaften' sind. Leider hat uns der Herr keine einzige Thatsache vorgebracht, die begründen könnte, daß man die geheimen Gejellschaften schlimmer behandeln sollte wie die Anarchisten.

Abg. Dr. von Jazdzewski (Pole); Der Dekan Nieczig in Brenno hat mir eine schriftliche Mittheilung zukommen lassen in Bezug auf die Anschuldigung, welche von seiten des Abg. von Tiede⸗ mann-⸗Bomst gegen ihn erhoben wurde, daß bei ihm in feiner Pfarre die polnischen Lehrer sich einer politischen Beichte unterziehen müßten, bevor sie zur Osterbeichte zugelassen würden. Der Pfarrer Nieczig erklärt nun in positiver Weise, ö die Lehrer weder bei ihm ver⸗ kehrten, noch er bei den Lehrern, daß er sie schon aus diesem Grunde einer politischen Beichte nicht habe unterwerfen können, und daß er nicht einmal wisse, ob sie überhaupt zur Sakramentalbeichte gingen. Damit fällt diese Frage in sich selbst zusammen. Ich habe es um so mehr für nöͤthig U die Angaben des Abg. von Tiedemann in jedem Punkt mög— ichst zu 1 weil die Presse der Partei, welcher der Abg. von Tiedemann angehört, mit solchen Entstellungen das Publikum über die Verhandlungen des Hauses belehrt, und dieses glaubt, daß alles, was der Abg, von Tiedemann behauptet, richtig und die Gegenbemerkungen falsch seien. Der Abg. von Tiedemann hat in der 6 einen Brief, der angeblich an ihn gekommen ist, veröffentlicht. Dieser Brief wird durch andere Zeitungen weiter kolportiert, und dadurch wird Stimmung gegen die Polen gemacht, um zu zeigen, auf welche Weise Abgeordnete ben ec, werden, welche etwa so auftreten, wie es den Polen nicht gefällt. Ich finde in den heutigen Zeitungen diesen Brief, worin dem Abg. von Tiedemann gedroht wird, vielleicht mit Faustschlägen. Er ist datiert aus Schild— esche und unterschrieben Dissen, Pfarrer“. Damit die Presse auch in dieser Beziehung nicht unrichtige Nachrichten verbreite, erkläre ich biermit, daß im Bereich der Diözesen Gnesen und Posen ein solcher Ort gar nicht existiert, ebensowenig ein solcher Pfarrer. (Zuruf von den Nationalliberalen: bei Bielefeld in Westfalen ) Ob er anderswo existiert, weiß ich nicht; um aber dem vorzubeugen, daß die Presse diesen Vorfall ausnutze, um gegen die Polen zu hetzen, erkläre ich, daß, wenn der Abg. von Tiedemann diesen Brief erhalten hat, er nicht aus der Diözese Gnesen oder Posen stammt. Abg. von Tiedem ann-⸗Bomst (fr. kons.): Ich habe neulich schon gesagt, daß es schwer ist, mit dem Abg. von Jazdzewski über⸗ haupt zu diskutieren, und wenn er immer sagt, wie peinlich und wider—⸗ wärtig es für die Polen ist, derartige Diskussionen hervorzurufen, so konstatiere ich, daß diese Worte mit seinen Thaten nicht im Einklang stehen. Weshalb hat er denn wieder darauf zurückgreifen müssen? möchte ich fragen. Was die eben von ihm verlesene Erklärung des Pfarrers betrifft, so möchte ich auf das Wort verweisen: Si fecisti, nega! Der Abg. von Jazdzewoski verlangt, ich solle hier im Hause Beweise bringen. Ich möchte ihn bitten, mir zu sagen, wie ich das machen soll. Ich kann hier keine eidlichen Zeugenvernehmungen vornehmen. Ich kann doch nur bestätigen, daß die Angaben, auf die ich mich berufe, mir mit Namensunterschrift und unter voller Verantwortung der⸗ jenigen, die sie gemacht haben, zugegangen sind, und daß die Einsender bereit sind, dafür einzutreten. Das muß jedem anständigen Menschen genügen. Wenn der Abg. von Jazdzewsti auf den Brief zurück gekommen ist, der heute in allen Zeitungen steht, so habe ich diesen allerdings erhalten. Wo Schildesche liegt, weiß ich zur Zeit nicht; die Ortsbezeichnung stimmte aber mit dem Poststempel überein. Ich bin nicht in der Lage zu kontrolieren, wo der Brief herstammt; ich habe weiter nichts gethan, als die Thatsache mitzutheilen, die geschehen ist, und die niemand, auch der Abg. von Jazdzewski nicht, ableugnen kann. Ich glaube, das ist mein Recht. Wenn der Abg. von Jazdzewski sagt, eine Parochie jenes Namens gebe es in der Provinz Posen nicht so kann ich auch dies im Augenblick nicht kontrolieren. Kein Mens hat es behauptet. Befindet sie sich nicht in der . Posen, so befindet sie sich anderswo, oder es liegt eine Mystifikation vor, die denjenigen trifft, der sie begangen hat, nicht mich. Ich habe weiter nichts gethan, als daß ich den Brief auf die Journalistentribüne ge⸗ geben habe; es war mir gleichgültig, was damit geschah. Ich erkläre zum Schluß, daß dies die letzte Antwort ist, die der Abg. von Jazdzewski von mir erhält.

Abg. Dr. von Jazdzewski (Pole): Wenn die Presse alles verdreht und falsch vorbringt, was unsererseits hier verhandelt wird, so werden Sie zugeben, daß ich verpflichtet war, vor derselben Ver⸗ sammlung, vor welcher die Anklage erhoben wurde, die Angelegenheit wieder zur Sprgche zu bringen. Wenn ein Mann so angegriffen wird, wie der Pfarrer Nieczig, wie würden wir vor dem Lande da—⸗ stehen, wenn wir einen solchen Mann nicht vertheidigen würden! Beweisen kann man die Sache allerdings durch Behauptungen nicht; aber wenn ein Mann in der Stellung eines Dekans etwas behauptet und positiv erklärt, so ist diese Behauptung einzig und allein für mich maßgebend und nicht Verstellungen, die von anonymer Seite kommen.

Damit wird der Gegenstand verlassen.

Die Abgg. von Schenckend orff (nl). . von Plettenberg⸗Mehrum (kons und Dr, Dittri Zentr.) haben, unterstützt von Mitgliedern ihrer Parteien, den Antrag eingebracht, die Regierung aufzufordern:

J. der Frage der körperlichen und werkthätigen Erziehung in den Schulen wie in den Lehrer⸗ und Lehrerinnen⸗ Seminaren eine ver⸗ mehrte Förderung zuzuwenden; 1II. zu diesem Behuf I) im nächsten Ctat entsprechende Mittel einzustellen und diese auf die bezüglichen Titel dahin zu vertheilen, daß in erweitertem . als seither gefördert werden: a. die Jugend spiele und verwandten Leibesübungen in allen Schulen, wie Lehrer⸗ und Lehrerinnen⸗Seminaren; b. der hauswirthschaftliche Unterricht in den Mädchenschulen und Kurse zur Ausbildung von Lehrerinnen für diesen Zweck; (. der e , , , i. in den städtischen Knabenschulen und in den Lehrer⸗Seminaren; Y) darauf hinzuwirken,

daß der Lehrstoff im gesammten Unterricht der Schulen weit thunlichst in enge Beziehung zum Leben gesetzt werde.

*

Abg. Freiherr von en , ,,. Censg erklãrt, von einer Begründung des Antrags, wie sie vom von cken⸗ dorff schon in der zweiten Lesung vorgetragen sei, Abstand nehmen zu wollen, um die dritte Etatsberathung nicht aufzubalten. Er bittet um Ueberweisung des Antrags an eine besondere Kommission.

Abg. Freiherr von Zedlitz Neukirch (fr. kons) schließt sich diesem Vorschlag an, da der Antrag nicht nur eine Geldbewilligung in sich schließe, vielmehr wichtige Grundsätze des Unterrichts wesens betreffe, deren sachgemäße Würdigung eine besonders zusammen⸗ gesetzte Kommission erfordere. . . .

Der Antrag wird an eine besondere Kommission

von 21 Mitgliedern verwiesen. Abg. Seyffardt (nl) bittet um Regelung der Reliktenversorgung der Volksschullehrer.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Ich möchte nur konstatieren, daß ich mit dem Herrn Abg. Serffardt vollständig darin einverstanden bin, daß die end⸗ gültige Regelung des Reliktenwesens der Volksschullehrer ein dringendes Bedürfniß ist. Die Schwierigkeit der Sache liegt in der Ueberführung der jetzigen provinziell und bezirksmäßig organisierten Kassen, in der Berechnung des Bedürfnisses, in der Vorbereitung der Sache, und dazu wird auch das voraussichtlich hier einzubringende dehrerbesoldungsgesetz dienen, nach dieser Richtung feste Grundlagen zu gewinnen.

Ich hoffe daher, daß unmittelbar, sobald wir mit der Gehalts regulierungsfrage zu stande gekommen sein werden, wir auch in diese Reliktenfrage eintreten, und ich habe jetzt schon die Referenten im Ministerium beauftragt, in die vorbereitenden Arbeiten einzutreten. (Bravo!)

Abg. Dauzenberg (entr.) wünscht die kostbaren Reste einer alten Kaiserpfalz in seiner Heimath mit Staatsunterstützung angemessen restauriert zu sehen. n

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Ich freue mich immer ganz besonders, wenn ich dem Herrn Abg. Dauzenberg entgegenkommen kann. (Heiterkeit) Wir stehen uns, glaube ich, näher, als es hier zuweilen scheint; und es wird mir eine ganz besondere Genugthuung gewähren, wenn ich auch in Zukunft außer den 1500 M, die ich im vorigen Jahre für das Bauwerk in Kaiserswerth bereits angewiesen habe, für diese Ruine auch weitere Geldmittel zur Verfügung stellen kann, um dort zu helfen, soweit geholfen werden muß. Ich werde es mir angelegen sein lassen, die Regierung darauf hinzuweisen, daß sie die Mittel auch in der richtigen Weise verwendet, und daß nicht etwa durch Ungeschicklichkeit der Arbeiter bei der Verwendung der Gelder mehr geschadet als genützt wird. Ich bin also für die Anregung dankbar. (Bravo!)

Damit ist der Etat des Ministeriums der geistlichen 2c. Angelegenheiten beendet. Die dritte Berathung der übrigen . des Etats wird ohne weitere . zu Ende geführt.

Dem Gesetzentwurf, betreffend die unentgeltliche Uebereignung zweier für den Reichstagsbau noth⸗ wendiger Abschnitte des Großen Thiergartens in Berlin an das Reich, stimmt das Haus in zweiter Be— rathung zu.

Das Gesetz zur Ausführung des preußisch⸗luxemburgischen Vertrags über den Beitritt Luxemburgs zum Vertrage, be— treffend die Regelung der Lachsfischerei im Strom— gebiet des Rheins, vom 30. Juni 1885 und zur Rege⸗ lung der Fischereiverhältnisse der unter der gemeinschaftlichen Hoheit beider Stagten stehenden Gewässer, wird, da kein An⸗ trag auf Kommissionsberathung gestellt ist, ohne solche in zweiter Lesung berathen werden.

Die Gesetzentwürfe zur Ergänzung des Gesetzes, betreffend die Fürsorge für die Wwittwen und Waisen der Geist—⸗ lichen der evangelischen Landeskirche in den neun älteren Provinzen vom 15. Juli 1889,

ferner: betreffend die Berliner Stadtsynode und die Parochial-⸗Verbände in größeren Orten,

und endlich: betreffend die Aufhebung von Stol— gebühren für Taufen, Trauungen und kirchliche Aufgebote im Amtsbezirk des Konsistoriums zu Wiesbaden, werden an eine besondere Kommission von 14 Mitgliedern überwiesen.

Das Erbschaftssteuergesetz geht an die Kommission für die Stempelsteuer.

Schluß 2 Uhr.

Statistik und Volkswirthschaft.

Ueber die Krankenversicherung im Jahre 1893 wird vom Kaiserlichen Statistischen Amt in dem ersten Heft des laufenden Jahrgangs, der Vierteljahrshefte zur Statistik des Deutschen Reichs, eine vorläufige Mittheilung veröffentlicht, aus der wir die Schlußsummen hier wiedergeben:

Durch schnittezahl der Mitglieder.

Zahl der Kassen.

Erkran⸗ kungsfãälle.

Krankheita⸗ Kassenarten. ; tage.

Gemeinde⸗ Krankenver⸗ sicherung . 3. . Betriebs (Fabrik Krankenkassen.. ,,, . ( Innungs / Krankenkassen ag riebene Hilfs⸗

8234 1326

6429

1236732 3 230 678

1782209 115 31188 483 90 528

I 33 664 481

274 63 068 Zusammen. . . 21 241 7 098 884 2796919 46162 198 Im Jahre 1892 21 588 6955 049 2478237 42756 026 Die Verminderung in der Anzahl der Kassen ift hauptsächlich durch das Ausscheiden von 528 eingeschriebenen und landesrechtlichen HVilfskassen herbeigeführt worden, welche der Anforderung der Novelle vom 16. April 1892: statt eines bisher gezahlten höheren Kranken . solches in gewöhnlicher Höhe zu gewähren, aber die Kosten für rit und Arjnei zu übernehmen, nicht nachkamen und deshalb auf . wurden oder lediglich als i re sseß weiter bestanden. ermehrt haben sich die Ortskrankenkassen um 83 und die Betriebs krankenkassen um 113 gegen das, Vorjahr. Die durchschnittliche Mitgliederzahl einer Kasse beträgt für 1893 343 gegen 3532 in 1892. Die Steigerung erklärt sich namentlich daraus, daß vom 1. Januar 1893 die im Handelsgewekbe und in dem

356 979 1274115 Sl 6 357 17354 32724 278 378 22012

5771669 l 666 620 12793 752

269 563 196744 1729 335

434 515

Geschäftsbetriebe der Anwalte, Gerichte vollzieher, Krankenkassen,

Berufsgenossenschaften und Versicherungsanstalten beschäftigten Personen