1895 / 68 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 19 Mar 1895 18:00:01 GMT) scan diff

1090 000 4 jahrlich, Marinestationen in Ost⸗Afrika mit 300 009 M jährlich, ferner besondere Aufwendungen, zum Beispiel für die Post, bis 300 000 0 jährlich. Mus Privatmitteln hat man 10 Millionen verbraucht, . die Gesammtaufwendungen sich auf 40 bis 50 Millionen Mark belaufen. Der Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe hat in seiner Programmrede als Zweck der Kolonialpolitik angeführt, den überschießenden Kräften der Heimath, einen neuen Raum zur Entfaltung zu schaffen. Wie viele überschießende Krãfte 13 Ost⸗Afrika Ünterkommen gefunden? Unter 750 Euro F n be e g 400 bis 500 Deutsche, und diese sind meist feier, nteroffiziere und Beamte. Jeder deutsche Offizier kostet dort 10 000 4, damit kann man ein Dutzend Arbeiter beschãftigen. Das Geld wird von den Leuten wieder in ihre Heimath zurückgebracht, ohne daß es den Kolonien zu gute kommt. Unsere Hauptausfuhr nach Ost Afrika besteht in Artillerie 5 Material für Munition, in Gewehren; das sind die ittel, mit denen wir die Kultur nach Afrika tragen. Daß auch für 163 000 M Flaschenbier exportiert wird, ist das einzige Er⸗ freuliche. Die Einfuhr hat im ganzen nur einen Werth von 329 0900 Der militärische Geist allein ist für die Mißerfolge nicht verantwort⸗ lich zu machen, sie liegen in der Natur der Sache. Das Gesetz von 1891 über die Schutztruppe, das ja jetzt auch für West⸗Afrika ausgedehnt werden soll, hat einen Dualismus f fen neben der Kolonial · Abthei⸗ lung ist das Reichs ⸗Marineamt für die Personalien der Schutztruppe maßgebend. Im Kleinen haben wir diesen Dualismus bei uns zwischen Gendarmerie und rm, Alle Einrichtungen der Armee übertragen sich jetzt auch auf die Schutztruppe. Die jungen Leute, die nach Ost⸗Afrika gehen, wollen sich militärisch hervorthun und ver⸗ anlassen Expeditionen auf Expeditionen. Die ostafrikanischen Stämme werden unruhig, und dadurch tritt das militärische Element in den Vordergrund. Die Gouverneure besorgen ihre Geschäfte natürlich nicht besser, als sie können; ich erinnere nur an die bekannte Hundeordnung des Gouverneurs von Schele. Warum hat dieser einen Zug gegen die Wahehe unternommen? Graf Caprivi hat ihm die Genehmigung dazu ertheilt, ohne das Kolonial- amt und den Staatssekretär zu fragen. Herr von Schele hat ver⸗ langt, künftig nicht mehr mit dem Direktor der Kolonial⸗Abtheilung, sondern direkt mit dem Kaiser zu verkehren. Durch die jungen , . ist eine Schablonenwirthschaft eingeführt worden. an will das Christenthum nach Ost ⸗Afrika tragen und er— wägt, ob man nicht mohamedanische Schulen einrichten soll. Die Verquickung der Kolonialpolitik mit religiösen Anforde⸗ rungen ist von größtem Nachtheil. Die Zuschüse für unsere Kolonien werden immer größer, während im Lande selbst über Mangel an Mitteln zur Vermebrung von Beamtenstellen, die dringend nothwendig sind, wie bei den Richtern geklagt wird. Ich bin der Letzte, der die Überseeischen Interessen Deutschlands leugnete, aber das steht fest: die Erschließung von China und Japan hat zwanzigmal mehr Bedeutung für unseren Handel als alle unsere Kolonien zusammen. . Bevollmächtigter zum Bundesrath, Direkter der Kolonial- Abtheilung im Auswärtigen Ant Dr. Kayser: Der Abg. Richter hat von unsern Kolonien ein Bild entworfen, das die thatsächlichen Zustände nicht richtig wiedergiebt. Ich werde seinen allgemeinen Aus—= Kahr ngen hier nicht folgen, sondern mich auf seine Bemerkungen über Ost⸗Afrika beschränken. Der Abg. Richter hat damit begonnen, uns die Kosten vorzurechnen, die uns unsere ostafrikanische Kolonie ver⸗ ursacht. Wenn der Abgeordnete geglaubt hat, die Kolonialverwaltung unter dem gegenwärtigen Reichskanzler, dem Fürsten Hohenlohe, dadurch charakterisieren zu können, daß er ein Urtheil der Hamburger Handels⸗ kammer anfübrte, so irrt er sich. Wir stimmen mit den Anschauungen der Hamburger Handelskammer in der Werthschätzung unserer Kolonien durchaus überein. Was die von dem Abg. Richter angeführten Kosten anlangt, so hat der Abgeerdnete eine Rechnung aufgestellt, die man im gewöhnlichen Leben eine Apothekerrechnung nennt. Er hat dabei unsere Kolonien mit Ausgaben belastet, die ähatsächlich nur zum ge— ringsten Theil auf das Konto derselben gehören, So hat er die Dampfersubventionen auf die Rechnung der Kolonien gesetzt, obgleich sicher ist, daß dieselben nur zu einem kleinen Theil den Kolonien u Nutzen kommen. Nur ein Beispiel dafür! Der „Norddeutsche lovd“ erhält für die ostasiatische Linie eine Subvention von 4 Millio- nen Mark oder noch etwas mehr, und doch kommt für unsere Kolonien nur die Verbindung von Singapore mit Neu-Guinea in Betracht. Auch die ostafrikanische Linie berührt zumeist Orte, die nicht in unseren Kolonien liegen. Noch weniger gerechtfertigt wie diese Auf⸗ rechnung aber ist es, wenn der Abg. Richter die Kosten der Marine⸗ verwaltung, welche durch die Indiensthaltung der Stationäre in Ost - Afrika verursacht werden, auf das Konto der ostafrikanischen Kolonie setzt. Auch ohne die Kolonie hätten wir die überseeischen Interessen Deutschlands an der ostafrikanischen Küste zu schützen. Die in Kamerun stationierten Schiffe haben die deutschen Interessen an der ganzen Westküste Afrikas zu wabren. Es ist also nicht richtig, daß die Marine nur den Kolonien dient. Schon diese n e. kann datüber belehren, ob die Darstellung, die der Abg. ichter gegeben hat, eine objektiv richtige ist. Der Abg. Richter fragte sodann: Was steht diesen Kosten gegenüber? Wenn er sich bei der Beantwortung dieser Frage auf die Rede bezog, welche der gegen⸗ wärtige Reichskanzler bei Antritt seines Amts gebalten hat, und in welcher die Rede davon war, daß die überschüssigen Kräfte Deutsch⸗ lands den Kolonien überwiesen werden müßten, so thut er meiner Ansicht nach dieser Rede Gewalt an. Der Reichskanzler bat in dieser Rede doch nur ein Zukunfts⸗ programm gezeichnet. Um die wirthschaftlichen Verhältnisse zu charakterisieren, bat der Abg. Richter unsern Handelsverkehr mit Oft⸗Afrika in den letzten zehn Jahren in Betracht gezogen. Er hat das wohl nur gethan, um mit möglichst geringen Zahlen operieren zu können. Es wäre richtiger gewesen, wenn er den gesammten Waaren verkehr, der sich auf 15 Hille nen Mark keläuft, in Rechnung gestellt hätte. In 2st⸗Afrila steben wir im Beginn einer guten Entwicklung. , Plantagen sind bereits angelegt, und neugebildete esellschaften sind im Begriff, das Begonnene fortzusetzen. Eine GEisenbahn ist unternommen, die schon jetzt bis auf 24 Km ven der Küste fahrbar ist. In Auesicht steht uns noch ein Projekt einer Zentraleisenbahn. Das Alles sind doch wirth⸗ schaftliche Erfelge, die so bedeutend sind, daß ein angesehener englischer Diplomat in einem amtlichen Schriftstũck sich in der anerkennendsten Weise darüber ausgesprochen hat. Ueber die Verwaltung der ostafrikanischen Kolonie ist in der Budgetkommission eingehend verhandelt worden, sodaß ich mich eigentlich darüber wundere, daß der Abg. Richter bier die alten Klagen aochmals vorgehracht hat. Im greßen und ganzen kann ich nur sagen: bei der Entsendung von Beamten in uriere Kolonien kommt es weder auf Bureaukraten noch auf Militärs, fondern nur darauf an, die richtigen Männer an die rechte Stelle zu finden. Unter dieser Schwierigkeit leiden aber alle neuen Unter⸗ nehmungen, und bei unseren Kolonien ist die Schwierigkeit um so größer, als wir etst einen kolonialen Kaufmannsstand heranzieben müssen. Ginmüthig ift anerkannt worden, taß wir eine ute Schutzttuß be baben müssen. Wir besitzen jetzt eine olcke, und es läßt sich nicht bestreiten. daß dieselbe ein werthvelles Fulturelement darstellt; denn ohne sie würde niemand in den Kolonien seinem Gewerbe nachgeben können. Die Schutztruppe bedarf jweifellos einer Organisation. Dieselbe ist ihr gegeben durch das Gesetz, das der Abg. Richter angeführt hat. Das Reiche⸗Marine⸗ amt hat Tabei nur die Funktionen ausgeübt, die eine Kommandobebörde übernebmen muß; es hat sich auf das Gebiet des Kommandos beschränkt. Die Ausdauer in den Mũbieligkeiten. wie sie der afrikanische Dienst mit sich bringt, massen wir bei unseren Offizieren dankbar anerkennnen und ich be⸗ daure, daß der Abg. Richter ihnen gegenũber keinen anderen Ton ge⸗ funden hat als den des Spotts. Ich glaube, daß er in dieser E. jehung ziemllch allein steben wied. Er hat dann auf die Epveditionen tngewiesen und die Grinordung von Leut und Kretschmar mit der Njassa⸗ Erpedition in Verbindung gebracht. Es handelte sich aber da⸗ bei nur um elaen der Raubanfälle, auf die man auch außer⸗ balb der Grryerttieeen in Innern Afrifas, stets gefaßt sein muß. Ueber die Wahehe⸗CErpedition will ich kein Wort ver-

es ist unzweifelhaft, daß sie dazu gedient hat, das amens, das im. 1891 erheblich stellen, und daß es die Folge haben wird, den rieden feitens jener räuberischen Stämme zu sichern. Lediglich weil nm an nicht glauben wollte, daß das Reichs. Marineamt mit der Sache nichts zu thun habe, ist von mir in der Kommission angeführt worden, 2. der fruͤhere Reichskanzler vielfach die Äntrãge des Souverneurs auf Expeditionen, so auch auf diejenige gegen die Wahehe allein und ausschließlich genehmigt habe. Ich möchte aber doch darauf aufmerksam machen, daß der Reichsk 1 dabei vollständig in den Grenzen seiner Zuständigkeit ge⸗ alten hat und daraus gewiß kein Vorwurf gegen ihn herzu leiten ist. Wenn ift durch die Allerhöchste Kabinetsordre vom Dezember v. J. eine Aenderung dahin eingetreten ist, daß der Reichs. kanjler nicht mehr unmittelbar auf die Anträge eingeht, so ist dies eine Selbstbeschränkung des Reichskanzlers in der Ausübung seiner verfassungsmäßigen Befugniß, die allerdings, wie ich glaube, nützlich wirken wird. ie Angriffe, welche gegen den Bureaukratismus in der Verwaltung Ost⸗Afrikas gerichtet werden, beruhen auf einer unzulässigen Verallgemeinerung von Fehlern, die vielleicht im einzelnen begangen sein mögen. Unser Beamtenthum in Ost Afrika hat eine so schwierige Aufgabe und muß sich so schwere Entbehrungen auferlegen, daß dies wohl von der Volksvertretung anerkannt werden sollte. Was die Missionen an= langt, so habe ich in meinem Amt die Erfahrung gemacht, daß das Missionswesen eines der ersten und wichtigsten Kulturelemente ist und für unsere Kolonisationsarbeit nicht r n. werden kann. Ich habe auch von jeher den Standpunkt vertreten, daß wir nicht dankbar genug sein können für jeden Missionar, der in unser Schutzgebiet geschickt wird, und ich bin der Meinung, daß wir ohne Missionare eine Kolonialpolitik überhaupt nicht treiben können. Die Missionare beider Konfessionen sind auch der Regierung für den Schutz, den sie ihnen angedeihen läßt, außerordentlich dankbar, und wenn der Abg. Richter von einer Forderung des Mohamedanismus gesprochen hat, um ein wenig die Missionsfreundlichkeit der Regierung zu diskreditieren, so ist es mir woblbekannt, daß die englische und holländische Regierung vielfach den Mohamedaniemus begünstigt haben. Aber bei uns liegt die Sache anders; die mohamedanische Bevölkerung in unserem cr er ist keine so große. Aus diesem Grunde hat die Regierung nur gezögert, dem Wunsch, daß mohamedanische Lehrer angestellt werden, stattzugeben. Die Sache unterliegt der Entscheidung des Kolonialraths, und wir können dieser ruhig entgegensehen; davon dürfen Sie sich überzeugt halten, daß die deutsche Regierung keine Mittel bewilligen wird, um den Mohamedanismus zu fördern. Daß wir als sterbliche Menschen nicht davor sicher sind, Fehler zu begehen, will ich garnicht leugnen; aber die Regierung kann für sich in Anspruch nehmen, daß sie in den letzten Jahren alles gethan hat, die friedliche Entwickelung der Schutzgebiete zu fördern, Handel und Wandel zu stärken und darauf binzuwirken., daß unfere Schutzgebiete allmählich eine Quelle der Wohlhabenheit für die Angehörigen des Deutschen Reichs werden. Wir bemühen uns, aus den Erfahrungen, welche andere Nationen auf diesem Gebiete gemacht haben, Nutzen zu ziehen, aber wir wollen dabei die nationalen Eigenthümlichkeiten bewahren. Eine Nation, welche die allgemeine Wehrpflicht als Grundlage ihrer Heeres verfassung hat, wird niemals in den Kolonien der w Offiziere des Heeres und der Marine entbehren, können. Diesen ff zieren verdanken wir zum größten Theile die Kolonien, wenigstens ihre Erhaltung. Wir werden auch niemals auf die wissenschaftliche Forschung verzichten. Gegenüber den Angriffen gegen die Beamten möchte ich hervorheben, wie viel wir in Bezug auf wissenschaftliche Sammlungen und Forschungen dem Eifer dieser Beamten verdanken; keine Nation hat im zehnfachen Zeitraume so reiche wissenschaftliche Resultate auf dem kolonialen Gebiete zu verzeichnen gebabt. Es wird auch das humane und religiöse Moment für die Zukunft weiter maß⸗ gebend bleiben. Außerordentlich viel ist geschehen, um dem Sklaven⸗ raub und dem Sklavenhandel ein Ende zu machen; am Victoriasee haben die Sklavenjagden aufgehört. Wir werden fortfahren, die Missionen beider Konsessionen in ihrem segensreichen Wirken zu fördern und uns davon nicht zurückhalten lassen durch die Angriffe oder den Spott des Abg. Richter. ;

Abg. Graf von Arnim (Rp.): Der Abg. Richter hat in schwarzen Farben gemalt. Eins hat er übersehen, daß der Plantagenbetrieb eine gewisse Zeit erfordert; der Kaffeebau kann nicht schon in einem oder zwei Jahren Erträge bringen. Wir geben für Kolonialwaaren 300 Millionen Mark an das Ausland. Der Abg. Richter hat eben einen anderen Standpunkt als wir; er sagt, die Kolonien sind nichts werth, und die Menschen, die wir hinschicken, sind noch viel weniger werth. Mit ihm ist gar nicht zu debattieren. Er sagt, die Wahehe sind so mächtig wie zuvor, unsere Nachrichten besagen aber doch etwas ganz Anderes. Der Abg. Richter hat auch vom Tropenkoller und Größenwahn der Beamten dort gesprochen. Die Kabinets⸗ Ordre vom De⸗ zember 1894 hat den Verhältnissen nur Rechnung getragen. Wenn ein Vorwurf überhaupt erhoben werden kann, so trifft er den Reichskanzler Grafen Caprivi, aber nicht den Gouverneur. Ich sebe nicht ein, wie der Direktor des Kolonialamts aus dem Ausgang der Wahebe Expedition eine Kabinetsfrage bätte machen können. Die Verfügung des Reichskanzlers hat nur etwas Halbes geschaffen. Das Kolonialamt ist nach wie vor abhängig vom Auswärtigen Amt. Ich kann dem Gouverneur von Schele einen Vorwurf nicht machen; aus dem jetzigen Zustand entsteben meiner Ansicht nach nicht Schwierigkeiten. Die Offiziere auf den Stationen haben eine über⸗ aus schwierige Stellung. Diese Statignen sind nicht Zwing Uris, sondern Zivilisations⸗ Zentren. Der Abg. Richter sollte jetzt ein⸗ gesehen haben, wie falsch es ist, an falscher Stelle zu sparen. In einer Beziehung muß ich dem Abg. Richter Recht geben: die Ostafrikanische Gesellschaft erhält Privilegien, die in diesem Umfang nicht ertheilt werden sollten; so be⸗ züglich der Usambara⸗Bahn, die zu viel zu umfangreichen Bahnbauten . Der Reichskanzler ist nach den Aeußerungen, die wir von ihm gehört haben, bestrebt, die Kolonialpolitik mit dem Verständniß und der Cnergie zu führen, die wir in den letzten Jahren vermißt haben. Es wird das stolze Gefühl sich immer mehrzverbreiten, daß Deutschland berufen ist, eine Weltmachtepolitik zu treiben.

Bevollmächtigter zum Bundesrath, Direktor der Kolonialabthei⸗ lung im Auswärtigen Amt Dr. Kayser: Nach Artikel 2 des Ab= kemmens ven 1892 ist bei Gelegenheit des Abtretens des Protektorats über Sansibar auch das Protektorat über Witu Großbritannien ab⸗ getreten worden, doch war vorgesehen, daß Großbritannien staate⸗ rechtlich nichts ändern werde. Die Gefangennahme und die Ueber⸗ führung des Sultans von Witu nach Sansibar dürfte Großbritannien nicht berechtigen, das Sultanat von Witu Sansibar zujuthbeilen, ohne vorher mit Deutschland darüber zu verhandeln. In Betreff der Ge⸗ brüder Denhardt, beides Pioniere ernster deutscher Arbeit, schweben gegenwãrtig Verbandlungen, sodaß ich auf diese . nicht näher eingeben will. Im Grundton stimme ich mit dem Vorredner überein und bin ihm außerordentlich dankbar für sein sympathisches Interesse für unsere Kolonien. Nur einiges Wenige möchte ich richtig stellen. Der Gouverneur von Deutsch⸗Ostafrika erhielt zur Bekämpfung der ausgebrochenen Hungersnoth, da der Reichstag zur Zeit nicht versammelt war, durch den Reichskanzler einen außersrdentlichen Kredit telegravhisch angewiesen. Das Emporblühen allzu kräftiger Gesellschaften unterstützen wir nicht, es ist vielmehr dafür gesorgt, 1 nicht zu Spektu⸗ lationszwecken in eine Hand zu geh Unternehmungen gelangen können. Große Mittel sind aber zunächst nöthig, um die ersten Kulturarbeiten zu verrichten. Dann erst kann das Land mit kleinen Ansiedlern besegt werden, nachdem die Forschungen über das Land selbst die nöthigen Erfolge gehabt, nachdem namentlich auch eine bessere Ver⸗ bindung mit der Küäste hergestellt ist. Der Reichstanzler Graf von Caprivi hat eine Verfügung, wie sie der Abg. Graf Arnim voraussetzte, nicht erlassen; ich hätte wohl sonst erklären müssen, daß 5 2 unmöglich sei, allen an mich gestellten Ansprüchen zu ent⸗ rechen.

Abg. von Vollmar (Sez)]; Eine Zeit, in der die Reichs finanzen vor allem durch den Militarismug zerrüttet sind, ist am wenigsten dazu angethan, uns den Luxus übeiseeischer Abenteuer zu

der frühere Reichskanzler

gestatten und Millionen nach fremden Ländern zu werfen, dan wir wie genug im eigenen Lande zu thun haben. Für das Wo deutschen Volkes war eine abweisende Stellung gegenuber Kolonialpolitik wie die unsere die beste. Da nun aber unseren Willen Kolonien vorhanden sind, kann eg nicht gleichgültig sein, wie dort en r en wird. müssen dafür sorgen, daß die Deutschen wie die Fingeborn so wenig wie möglich Schaden von der Kolonialpolitik leiden. Da diesem Standpunkt glauben wir, daß unsere Koloni nahen alles zu wünschen übrig läßt. Die Verwaltungsmaschinerie wir den Kolonien immer komplizierter, der Bureaukratismus bůrgert a ein. Der Gouverneur von Schele erblickte seine Hauytaufgabe le zügen, die denn auch zu Etatsüberschreitungen geführt haben, be

so groß, wie der Etat selbst. Ohne r, gebt es nich e,

g, ; J t immer in Kolonien; in dem Bericht des . von Schele über die Eryedin gegen die Wahehe wird aber selbst . daß die ö Wahehe aus Mangel an Lebensmitteln zu Raubzügen gezwungen habe. An solche Weise wird die Ruhe der Handelswege vernichtet, der garn wanenhandel geht immer mehr zurück. Die Ausfuhr von Clfenben ist um mehr als die Hälfte zurückgegangen. Wenn das Land beruhi sein wird, wird kein Handel mehr existieren. Die Handels. und Zo verhältnisse in OstAfrikg lassen sebr viel zu wünschen übrig. Al von Europa kommenden Waaren werden, wenn sie den Hafen wech fin nechmals gezählt. Nach der Berechnung eines kolonialfreundlichen Mannes ergiebt sh für den Handelsverkehr danach ein Unterf jed zu Ungunsten des Verkehrs um zwei Millionen. enn die Ver, hältnisse sich bessern sollen, muß das ganze System geändert werden Es wird ja davon gesprochen, daß an Stelle des Gouverneurs en Mann treten werde, der als großer Forscher und Renner von Land und Leuten bekannt ist. Selbst bei seinem besten Willen aber scheim mir ein Erfolg zweifelhaft, wenn nicht dem Militarismus ein Gnde emacht wird. Das Ausschlaggebende ist jetzt das Offizierkorps der chutztruppe. Altpreußische Verhältnisse, aber können nicht na Afrika versetzt werden. In der Kommission wurde ja schon herbor⸗ gehoben: es scheine, als ob mancher Offizier nur nach Afrika ginge um nach einigen Jahren mit einem Orden zurückzukommen. Nur infolge des Militarismus ist es auch möglich, daß neuangekommene Offiziere solchen Offizieren vorgesetzt werden, die längere Zeit schon Land und Leute don kennen. Einen Punkt muß ich zur Sprache bringen, den wir immer wieder vorbringen werden, bis Besserung erfolgt: die Behandlung der Ein, geborenen. Die Vorkommnisse d la Leist und Wehlau bilden keinet, 8 Ausnahmen in unseren Kolonien. In IOst-Afrika spielt de Nilpferdpeitsche die gleiche Rolle wie in West⸗Afrika. Die Meuter der Kompagnie Fromm, von der bisher kein Wort gesagt wurde, ist auf die grausame Behandlung der Soldaten zurüg— zuführen. Verschiedene Vorkommnisse lassen erkennen, ) die Zwilisation in Deutsch⸗-Ostafrika seitens der Deutschen alles Ander eher als eine Förderung erfährt. Ein Herr aus der Sch m, dessen Namen ich vorläufig nicht nennen will, zwang durch Hlebe nn der Nilpferdpeitsche seine beiden Diener, Schweinefleisch zu essen, schon ihnen als Mohamedaner dies verboten war. Ein Angesteltz beim Eisenbahnbau in Tanga erschoß auf der Suche nach entwichen Arbeitern einen Neger, in dessen J,. er widerrechtlich eingedmnzen war. In einem vertraulichen ericht des Auswärtigen Amt m die Ostafrikanische Gesellschaft ist ein Bericht des stellbenn. tenden Bezirks⸗Hauptmanns von Tanga enthalten, der an drücklich sagt, der herrschende Arbeitermangel sei auf die schlechte Be, handlung der eingeborenen Arbeiter zurückzuführen. Auf der Fil, mandscharo.. Station wurde ein schwarzes Mädchen getödtet, weil ez außer dem Chef noch einem Eingeborenen seine Liebe geschenkt hatte Was die Sklaverei in unseren Kolonien betrifft, so ist durch die Mi

theilungen des Afrika⸗Reisenden Krause dargethan, daß in Togo immer

noch Sklavenhandel getrieben wird. Wenn man Kolonien halten will so mag man auch so vorgehen, wie es den Interessen der Zivilisatien und dem zivilisatorischen Ruf Deutschlands entspricht.

Referent Prinz von Arenberg (Zentr.): Ueber die Meuterei in der Kompagnie Fromm sind in der Budgetkommission vertraulich Mittheilungen gemacht worden, wonach weder die Truppe noch de Führer eine Schuld trifft. Der Vorfall entstand dus einem Miß,

verstãndniß.

Bevollmächtigter zum Bundesrath, Direktor der Kolonial⸗ Abtheilung im Auswärtigen Amt Dr. Kayser: Was den Sklaben. handel in unseren Kolonien betrifft, so wird energisch gegen denselben vorgegangen. Es läßt sich nicht auf einmal alles erreichen, aber ei englisches Urtheil über Deutsch⸗Ostafrika sagt, a der Sklavenhandel ] gut wie ausgerottet ist. Die Berichte des Afrika⸗Reisenden Krause ind schon wiederholt als irrthümlich und übertrieben nachgewiesen worden. Was die einzelnen Mord. und Räubergeschichten betrifft die der Abg. von Vollmar erzählt hat, so wird ihr Werth durch die Schweinefleischgeschichte charakterisiert. Wer da weiß, welchen seltenen Genuß Schweinefleisch in Ost -Afrika bildet, wind überzeugt sein, daß kein Europäer Zwangmaßregeln anwenden wird um seine Diener zum Essen des Schweinefleisches zu veranlassen. Wat den Vorgang in Tanga betrifft so hat das dortige Ge— richt den etreffenden freigesprochen, und ich habe nicht den geri ngsten Anlaß, das Urtheil dieses Gerichts anzugreisen. Betreffs des. Vorfalls auf der Kilimandscharo , Station ist durch englische Zeugen festgestellt worden, daß das betreffende Mädchen den feindlichen Eingeborenenstämmen, welche die,. Station bedrohten, als Spionin gedient hat. Auf die anderen Einzelheiten gebe ich jetzt nicht ein. Ich freue mich aber über das kolonial. volitische Programm, das der Abg. von Vollmar aufgestellt hat. * Programm der Zivilisation; denn das ist das Programm der

egierung. .

Abg. von Salisch (. kons.): Der Abg. von Vollmar bat di Verhältnisse in Afrika sehr schwarz gemalt. Wenn es nach ihm und feinen Freunden ginge, würden fich die Üebergangsverhältnisse wobl noch bedeutend schwieriger gestalten. Wie die Herren es schildem, müßte man glauben, die Wahehe seien ein friedliches arbeitsame Volk. Daß ift keineswegs der Fall. Die Wahehe sind im Gegen. theil ein räuberisches Volt, das die unter unserem Schutze stebenden Grenzstämme überfallt. Diese Stämme verlangen unseren Schuß und er muß ihnen zu theil werden, sodaß wir unserer Schutztrurbe für ihr Vorgehen nur dankbar sein können.

Das Haus beschließt hierauf Vertagung der De batte

Präsident von Levetzow: Ich habe soeben die traurige Nachricht erhalten, daß unser Kollege Herr Pfarrer Haus (entry) Mitglier dee Hauses seit 1886, gestern Abend gestorben ist, und bitte Sie, sich ju Ehren des Verstorhenen von Ihren Plätzen zu erheben. (Dieses geschiebt/

Schluß der Sitzung nach 5i Uhr.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

45. Sitzung vom Montag, 18. März.

Auf der Tagesordnung steht die erste Berathang des Gesetzentwurfs, betreffend die Erweiterung und Ver⸗ vollständigung des Staatseisenbahnnetzes und di Betheiligung'des Staats an dem Bau von Klein bahnen. ; .

Ueber den Beginn der Sitzung ist bereits gestern berichte worden. Wir tragen hier nur die Rede des Ministers öffentlichen Arbeiten Thielen im Wortlaut nach.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen: 5

Meine Herren! Ich entspreche einem Wunsch des Herrn Finanz Ministers, wenn ich feinem Bedauern hier Ausdruck gebe, daß * durch Unwohlsein verhindert ist, an der heutigen Sitzung theilt nehmen. , z Meine Herren, die diesjährige Gesetzesvorlage über die Ermer terung und Vervollständigung des Staatseisenbahnnetzes würde um

ö. a un ju einer empfehlenden Einleitung Veranlassung geben.

daß die Vorlage in wesentlich weiterem. Umfange aus u. ist als ihre Vorgängerinnen, ist eine so wirksame Empfeh⸗

lan, , dmird. Trotz der Ungunft

die

deß es einer allgemeinen einleitenden Begründung kaum

der Finanzlage hat

ken nratzrenlerung. wefentlich mit NRäcksiüht auf die miß. in der Landwirthschaft wie in sich veranlaßt gesehen, über den Rahmen der vorjährigen

der In⸗

zugehen. (Bravo!) Thatsächlich ist das noch in einem

der Fall, als es E in die Erscheinung tritt, da 21 Etat bereits 9 Millionen

in der gegenwärtigen ja bekanntlich in dem zur Vermehrung von

Betriebẽmitteln vorgesehen sind, die im gewöhnlichen Lauf der Dinge

früb

er hier in dieser Vorlage ihre Stelle gefunden haben. Meine Herren, nun bin ich mir darüber vollständig klar, daß

Albst mit dieser Vorlage von 51 Millionen nur die Erfüllung eines perbaltnißjmãßig geringen Bruchtheils aller, und ich sage im großen Ganzen gewiß auch berechtigten Wünsche des Landes hat in Aussicht

men werden können.

Für die Staatsregierung ist es eine

cmierige und nach mancher Richtung hin undankbare Aufgabe, in käsem Jahre wie in allen früheren zwischen den in so reicher Zabl n sie herantretenden Anträgen und Bewerbungen eine Auswahl treffen 0 miüssen hinsichtlich der Dringlichkeit und hinsichtlich des Bedürf⸗ nisses der Befriedigung von wirthschaftlichen Aufgaben.

Meine Herren, die Staatsregierung darf versichern, daß sie ohne Boreingenommenheit und mit möglichst gewissenhafter Abwägung Lier Verhältnisse bei dieser Auswahl zu Werke gegangen ist. Sie nt dabei aber auch von der Erwägung sich nicht vollständig lossagen n därfen zeglaubt, daß die Auswahl in ihrer Gesammtheit auch Paum für eine wenn auch nur mäßige Rente der neuen Eisenbahn⸗ snien bieten muß. Meine Herren, in jedem Jahre vermehren wir das Staatseisenbahnnetz um eine ganz beträchtliche Anzahl von Kilo⸗ nelern. Diese Kilometer sind der Natur der Dinge nach bezüglich

bier Ertragsaussichten

überwiegend minderwerthig.

Es kann

Aso die Sorge der Staats. Eisenbahnverwaltung und damit auch der Staats⸗ Finanzverwaltung nicht erspart werden, daß allmählich durch hin zutreten so vieler in ihrem Ertrag minderwerthiger Linien die all⸗ zemeine Rente des Staatseisen bahnnetzes zurückgeht. Die Erwägung aber, daß die allgemeine Hebung der wirthschaftlichen Verhältnisse des Landes doch von dem Ausbau der Verkehrsstraßen wesentlich mit ab- bingig ist, hat die Staatsregierung bewogen, in dem weiteren Ausbau des Staatseisenbahnnetzes nicht einzuhalten, sondern Jahr für Jahr nit einer dahin zielenden, den jeweiligen Verhältnissen Rechnung tragenden Vorlage vor dem Landtag der Monarchie zu erscheinen.

Meine Herren, wenn man sich der an und für sich ganz gerechtfertigten

Gmwägung hingiebt, daß mit dieser Vorlage nur ein geringer Bruchtheil der berechtigten Wünsche befriedigt werden kann, so darf doch auch datauf hingewiesen werden, daß seit dem Erlaß des Kleinbahngesetzes e nicht mehr der Staat allein ist, welcher die Ergänzung der Schienen wege als seine Aufgabe betrachten kann, daß vielmehr seit Erlaß des gleinbahngesetzes sowohl die kommunalen Korporationen wie die Frwatunternehmer sich an dieser Aufgabe zu betheiligen haben, und RM sie sich auch rührig ans Werk gemacht haben, nicht nur eigentliche Kleinbahnen, sondern auch Nebenbahnen ins Leben zu rufen.

Meine Herren, dieses Zusammenwirken von Staat, kommunalen Köwhorationen und Privatunternehmern findet einen wirksamen Aus⸗ auch in der heutigen, zu Ihrer Berathung stehenden Vorlage näse fern, als die Staatsregierung sich entschlossen hat, Ihnen zu errklen, ihr einen Betrag von fünf Millionen zur Unterstützung

den Klinbahnen zur Verfügung zu stellen.

Meine Herren, ich will

hier fei und offen erklären, daß bei mir früher ich habe das auch nach in vorigen Jahre ausgesprochen nicht unerhebliche Bedenken gegen eine direkte Unterstützung des Staats für Kleinbahnen obgewaltet laben. Ich habe mich der Sorge nicht völlig entschlagen können, daß eine derartige direkte Unterstützung der Kleinbahnen vielleicht dazu fihten könnte, die Initiative der Selbsthilfe einigermaßen zu lähmen, deß die Jagd nach dem Glück einer Staatsbeihilfe vielleicht der Anlaß werden könnte, den fröhlichen Aufschwung, den das Kleinbahnwesen in den letzten beiden Jahren genommen hat, ungünstig zu beinflussen. Meine Herren, wenn ich mich entschlossen habe, diese Bedenken lutücktreten zu lassen, so ist das wesentlich geschehen in Hinsicht darauf, deß in weiten Kreisen unseres vaterländischen Erwerbswesens leider ni Verhältnisse zur Zeit so liegen, daß aus eigenen Kräften es viel⸗ ich schwer werden wird, so erhebliche Ausgaben für die Verbesserung der Verkehrswege zu machen. (Sehr richtig! rechts) Die Erfahtung

hat das bestätigt: wir finden in großen

Theilen unseres Vater⸗

landes, daß trotz des besten Willens die Ausführung der Kleinbahnen steckt. Aus diesem Grunde hat die Staatsregierung sich entschlossen, Ihnen vorzuschlagen, ihr fünf Millionen in die Hand zu geben, um damit den Bau von Kleinbahnen günstig zu beeinflussen und zu unterstũtzen.

Meine Herren, die Aufgabe und die Verantwortung, die damit der Staatsregierung erwächst, ist keine leichte. Die Staatsregierung hid vor eine Menge von Ansprüchen gestellt werden, die sie ibrerseitz mit aller Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit zu unter⸗ sichen, unter denen sie ohne Vorurtheil nnd Voreingenommenheit utwahl zu treffen haben wird. Meine Herren, ich bin aber der festen lebetjeugung, daß die Staatsregierung in der Lage sein wird, diese ufgabe lösen und die Verantwortung dafür vor dem Lande tragen

iu können.

Es ist anzunehmen, daß bestimmte Grundsätze auf diesem

Gebiet zwischen den drei hauptsächlich betheiligten Ressorts: dem Nessrt des landwirthschaftlichen, des Finanz- Ministeriums und des Ninisteriums der öffentlichen Arbeiten, werden vereinbart werden, wie auch bereits jetzt eine ständige Kommission eingesetzt ist, der jeder dahin

sielende Antrag zu unterbreiten ist.

; Meine Herren, mit diesen wenigen Worten möchte ich die dies- ührige Vorlage für die Erweiterung und Vervollständigung des Eisen—

nneßzes dringend und warm befürworten.

(Bravo!)

Bei der weiteren Beraihung nimmt nach dem Abg. von

Czarlinski das Wort Ab 2 lu thunl , dad

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bedenklich erscheinen. Wünschengwerth wäre es, wenn der Staat bei Kleinbahnen, die sich rentieren, auf der Zurück zahlung des gewährten Zuschusses bestände. Die in die Vorlage auf⸗ genommenen Bahnen sind sämmtlich solche, welche der Erschließung von Gegenden dienen sollen, die bisher ohne Bahnen waren; keine einzige dient der Verkürzung bestehender Verbindungen. Auch diese Seite bedarf aber der Berücksichtigung, und ich möchte die Aufmerk- samkeit des Ministers vor allem auf eine Verbindung der Weserbahn mit Göttingen sowie auch auf den Anschluß des südlichen Theils der Provinz Hannover an die Werrabahn xichten.

Abg. Knebel (nl): Leider bin ich genöthigt, einige Beschwerden gegen den vorliegenden Gesetzentwurf vorzubringen. Sie betreffen das Gebiet zwischen Rhein, Mosel und Saar; einen dicht bevölkerten Landstrich, der dringend des weiteren Aufschlusses bedarf. Nur zu sebr und zu oft muß der Westen gegen den Osten zurücktreten. Der Westen hat immer nur um Erfüllung seiner Wünsche bescheidentlich . Es scheint, es ist nöthig, daß er aufhört zu bitten und tatt dessen die Berücksichtigung seiner gerechten Wünsche fordert.

. Abg. von Tzschoppe (freikons): Unter die (kleinen Hilfs⸗ mittel“ zur Debung der Landwirthschaft gehört zweifellos die Schaf— fung neuer Schienenwege. Von diesem Standpunkt aus hätte die diesjährige Sekundärbahn. Vorlage eine hohe Bedeutung erreichen können, wenn sie gleichen Schritt gehalten hätte mit der Zunahme des landwirthschaftlichen Nothstandes. Die Erwartungen, die man an die Vorlage geknüpft hatte, sind jedoch nicht erfüllt worden. Das Klein⸗ bahnwesen kann sich aus eigener Kraft nur entwickeln bei wirtbschaft⸗ lichem Aufschwung. In der jetzigen Zeit wirthschaftlicher Depression bedarf es erheblicher Staatszuschüsse zu den Babnbauten. Unter den vielen vorliegenden Projekten beanspruchen einzelne ein Vorzugsrecht, zu diesen gehört die Linie Uelzen über Bodenteich und Wittingen nach Debis felde bez. nach Gifhorn. Dieses Projekt wäre schon im Jahre 1872 zur Verwirklichung gekommen, wenn die Magdeburg ⸗Halberstädter Bahn nicht verstaatlicht worden wäre. Diese Strecke ist also ein Opfer der Verstaatlichung geworden. Wenn ich auch den großen Segen der Verstaatlichung anerkenne, so möchte ich doch befürworten, die Pro⸗ jekte, die durch die Verstaatlichung benachtheiligt sind, jetzt besonders zu berücksichtigen. Ueber die Rentabilität der Strecke können nach achverständigem Urtheil keine Zweifel sein. Aber wo es sich um landwirthschaftliche Meliorgtionsbahnen handelt, soll ja nach den eigenen Worten des Ministers die Rentabilität nicht ausschließlich maßgebend sein, wirthschaftliche Interessen sollen da in erster Linie in Erwägung gezogen werden. Und an dieser Strecke können die landwirthschaftlichen Verhältnisse nur wrosperieren, wenn die Bahn gebaut wird. Jetzt ist nun eine Kleinbahn in Aus— sicht genommen, obwohl ich glaube, daß die Linie zu denen gehört, welche dem Staatsbahnbau vorbehalten werden müßten. Ich möchte daher bitten, den Petenten für diese Bahn einen motivierten Bescheid zugehen zu lassen. Sollte der Bau einer Sekundärbahn unmöglich sein, so muß eben der Versuch gemacht werden, wenn auch mit großen Opfern, eine Kleinbahn zu bauen. Möge der Minister auch in diesem Falle wohlwollende Mithilfe gewähren.

Abg. Conrad Flatow (kons.) dankt dem Minister für die Be⸗ rücksichtigung Westpreußens bei dem vorliegenden Gesetzentwurf, ersucht jedoch, die Bedingungen, die einzelne Gemeinden bei den Bahnbauten zu erfüllen haben, einer nochmaligen Durchsicht zu unter— ziehen, und giebt sodann zur Erwägung, ob es nicht angängig sei, eine Parallelstrecke der Eisenbahnlinie Kreuz- Bromberg mit einem Weichsel⸗ üͤbergange zu erbauen.

Abg. Graw⸗Allenstein (Zentr.) bittet um den Bau einer Linie Sens burg Rössel Korschen.

Abg. Sack (kons.) tritt für eine Strecke Spremberg Bautzen ein.

Abg. Lohmann⸗Hagen nl.) führt aus, daß der Staat mit dem Er⸗ werb der Privatbahnen die Verpflichtung übernommen habe, in um— fangreicherer Weise für den Ausbau des Sekundärbahnnetzes einzu⸗ treten. schaftlichen Niedergangs, wo er dazu beitragen müsse, Landwirthschaft und Industrie aufzuhelfen. Im Sinne dieser Ausführungen bitte er um die . der Linie Hagen —örde nach Rade vorm Wald, die im Interesse der Kleinindustrie dringend geboten sei.

Abg. Dr. Dittrich (Zentr.) befürwortet die Konzessionierung einer Kleinbahn von Elbing über Braunsberg nach Frauenburg.

Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. Micke erwidert, daß diese Konzession demnächst werde ertheilt werden. ;

Abg. Dr. Lotichius (nl) bittet um bessere Erschließung des Westerwaldes. .

36 Hodler (Zentr.) tritt für den Ausbau des Hohenzollernschen Eisenbahnnetzes ein, insbesondere für eine Lauchertthal⸗, Killer. und Eyachthalbahn. . ; 3.

Abg. Böttinger (nl. befürwortet bessere Zugverbindungen

zwischen Aprath und Vohwinkel. . Abg. Will (kons.) beklagt die geringe Berücksichtigung, die , seit Jahren in der Sefkundärbahnvorlage erfahren abe; auch diesmal sei keine der Bahnen für Hinterpommern bestimmt. Redner befürwortet demgemäß eine Abzweigung der Hauptlinie Stolp Danzig nach Leba, die später leicht eine Fortsetzung Lauen⸗ burg = Bütow —= Konitz erhalten könne. ö

Abg. Burghardt (ul.) spricht seine Befriedigung darüber aus, daß die seit Jahren gewünschte Strecke Bolkenhain Merzdorf nach der jetzigen Vorlage zur Ausführung gebracht werden solle, bedauert aber, daß die Strecke nicht als Vollbahn eingestellt sei, da nur durch eine Vollbahn der nothwendige Schnellzugverkehr zwischen Breslau und dem Gebirge ermöglicht werden würde.

Abg. Broekmann (Zentr.) empfiehlt den Bau einer Babn durch die Kreise Bittburg und Prüm, da diese Gebiete der Eifel noch sehr entwickelun gs sabig seien. Für Industrie und Handel werde im Uebermaß gesorgt, die Landbevölkerung sei das Aschenbröͤdel. Er hoffe, daß die Staatsregierung seine Wänsche als gerechtfertigt an⸗ erkennen werde.

Abg. von Woyna fr. kons.): Ich bedauere, daß auch in dieser Vorlage wieder die lastenfreie Ueberweisung des Grund und Bodens festgesetzt ist, obgleich von der Regierung wiederholt rn ist, daß das fehlerhaft sei. Es wird dadurch vor allem eine ungleiche Belastung der einzelnen Landestheile herbeigeführt; so betragen die Grunderwerbs kosten in Westfalen z. B. zwischen 3 und 11 0,o der Anlagekosten, in Hannover 22 60, in der Rheinprovinz 170,0. Noch bedenklicher erscheint der Grundsatz, wenn man berechnet, welchen Prozentsatz der Steuern diese Koöͤsten für die einzelnen Gebiete ausmachen. Hoffentlich wird die .. sich bald zu einem anderen System entschließen. Bei der Wichtigkeit der Verbindung Berlin— Breslau und der Verbindung mit Prag hätte die Bahn Merzdorf— Bolkenhain als Vollbahn vorgesehen werden sollen, wenn auch zunächst vielleicht mit Nebenbahnverkehr, zumal die österreichische Regierung Werth auf den Anschluß legt. So freundlich wir den Linien im Dsten 8 über stehen, so zweifelhaft stehe ich persönlich der Linie ber⸗ rottenbach = Katzhütte gegenüber. Da, glaube ich, hätten andere Gegenden, wie die schon genannte Eifelgegend, mehr. Berücksichtigung verbient. Mit Bahnbauten werde nothleidenden Gebirgsgegenden eher eholfen als mit einzelnen ,, . Mit großer Freude . wir die Einstellung von 5 Millionen Mark für Kleinbahnen und freuen uns, daß in dem Gesetz keine bindende Bestimmun über ihre Verwendung getroffen ist. Das Gesetz enthält eine Menge wichtiger Einzelbeiten, die so bedeutsam sind, daß wir bitten möchten, die Vorlage der um? Mitglieder verstärkten Budgetkommission zuzu⸗ weisen. Ich bitte Sie, diesem Antrage zuzustimmen.

Abg. Dr. von Lieres und Wilkau (b. k. F.) empfiehlt den Bau einer Weisnitzthalbahn.

Abg. Baensch⸗Schmidtlein (fr. kons: Alle Interessenten an der Bahn Bolkenhain— Merzdorf sind einig darüber, daß die Bahn als Vollbahn ausgebaut werden müsse; in diesem Sinne sind auch alle Bewilligungen der Kreise und der Provinz i. Diese Bahn ist ein wichtiges Glied der Linie Hirschberg Hreslau, und der Ausbau als Vollbahn würde den Anschluß der Linie Petersdorf Landes. grenze sehr erleichtern. Die letztere Linie würde das Gebirge und die Industriezentren auf beiden Seiten des Gebirges er— schließen. Auch der Absatz der Waldenburger Kohle würde durch

Diese Verpflichtung habe er um so mehr in einer Zeit wirth⸗

diese Verbindung besonders erleichtert werden. Die österreichische Regierung hat sich bereit erklärt, die Bahn auf ihrem Gebiet fort zusetzen, und 3 der Minister Graf Wurmbrand ist nach einer mir gemachten Zusage besonders geneigt dafür. Jetzt ist das Terrain für die Bahn noch billig, später wird sich die Spekulation seiner be⸗ mächtigen. Auch ich bitte um Verstärkung der Budgetkommission für die Berathung dieser Vorlage.

Abg. von Stül . (kons.) tritt für eine Bahnlinie Treuen⸗ brietzen Rathenow Brandenburg = Neustadt a. D. ein.

Abg. von Trott zu Solz (kons.) befürwortet die Fortsetzung der im borigen Jahre gebauten Strecke von Marburg über Weiden hausen bis zur Landesgrenze.

Abg. von Tepper ⸗Laski (fr. kons): Ich beklage es, daß Hessen⸗Nassau bisher so wenig mit Sekundärbahnbauten bedacht worden ist. Besonders sind das Nassauer Hinterland und der Regierungs⸗ bezirk Wiesbaden im Eisenbahnbau vernachlässigt. Diese Hint⸗ antsetzung ist um so empfindlicher, als für den betreffenden Landestheil verschiedene Projekte von der Regierung in Aus⸗ sicht genommen sind. Für die schon vom Vorredner erwähnte Linie von Marburg über Weidenbausen nach der Landesgrenze bei Herborn spricht schon, daß zwei Vertreter aus verschiedenen Kreisen in gleicher Weise dafür eintreten. Die Bahn ist auch von hervor ragender strategischer Bedeutung und bildet den Mittelpunkt und das Räckgrat für ein ganzes System von Nebenbahnen. Ebenso nothwendig ist der Bau der Strecke Raumland Frankenberg, eine Fertsetzung der Linie Erndtebrück -Raumland, durch das Thal der Eder. Ich bitte die Regierung, die Vorarbeiten für diese Strecken soweit zu fördern, daß die Projekte schon nächstes Jahr in die Vorlage aufgenommen werden können.

Abg. Linke (ul.) kommt nochmals auf die Wünsche der schlesischen Bevölkerung zurück, die Linie Merzdorf —Bolkenhain als Vollbahn 86 zu sehen. Schon von jeher sei dies der Wunsch der dortigen Bevölkerung gewesen, um zu einer besseren Verbindung mit Breslau zu kommen. Jedenfalls möge man doch die Möglichkeit lassen, die Bahn in eine Vollbahn umzubauen. Die Naturschönheiten des oberen Neissethals würden bei beguemer Verbindung eine außerordentlich große Zahl von Besuchern anziehen.

Abg. Freiherr von Eynatten (Sentr) spricht über die Rentabilität der Strecke Lindern Hains berg Jülich und bittet die Regierung. Bahnbauten nicht dilatorisch zu behandeln, sondern möglichst sofort den Betheiligten mitzutheilen, ob der Ausbau einer Line für absebbare Zeit beabsichtigt sei, damit die einzelnen Gemeinden danach ihre Entschlüsse fassen könnten.

Abg. Hirsch Gentr.) bittet um Ausbau des Bahnhofs zu Düsseldorf. .

Abg. von Enckevort (kons.) bittet um Aufschließung des Kreises Ueckermünde durch einen Bahnanschluß an die Stettiner Bahn.

Um Ji / J Uhr wird die Weiterberathung vertagt.

Statiftik und Volkswirthschaft. Zur Arbeiterbewegung.

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In Leipzig fand am Sonnabend eine Versammlung der sozial⸗ demokratischen Brauergehilfen statt. In einem Vortrag, der von den Interessen der Brauereiarbeiter handelte, wurden, wie die Lpz. Itg.“ berichtet, Angriffe gegen den nichtsozialdemokratischen Brauerbund laut. Der dürftige Besuch der Versammlung 35 Personen bewies, daß die Abneigung der Leipziger Brauergehilfen gegen die unfrucht⸗ baren Reden noch immer anhaͤlt. Der Fachverein der Brauer Leip⸗ zigs hat sich bereits vor längerer Zeit wegen Mangels an Mitgliedern auflösen müssen.

Hier in Berlin erklärte eine Versammlung der Musikinstru⸗ mentenarbeiter am letzten Sonntag den Aus stand in der Piano⸗ fabrik von Görs u. Kallmann für beendet, weil es den Fabrikanten gelungen ist, sich neue Arbeiter in ausreichender Zahl zu beschaffen. Der Augstand hat bis jetzt bereits 12 009 M gekostet. Von den ur— sprünglich etwa 80 Ausständigen sind nach dem ‚Vorwärts“ nur noch sieben ohne Arbeit. Ferner hob die Versammlung die über die Pianofabrik von Kunze u. Sohn verhängte Sperre auf.

Aus London wird der „Köln. Itg.“ geschrieben: Der Aus⸗ stand der Schuharbeiter gewinnt immer weiter an Ausdehnung. Die Zahl der Feiernden wurde am Sonnabend auf 200 000, Drei⸗ viertel der Angehörigen dieser Industrie, geschätzt. In Leicester beträgt die Zahl der Ausständigen über 30000. Wie die Londoner .A. K.“ zur Lohnbewegung in der Schuhindustrie mittheilt, ist in Leicester, wo allein 25 000 Personen außer Arbeit sind, das Verhältniß zwischen den Fabrikanten und ihren Arbeitern so wenig erbittert, daß manche n,. versprochen haben, in Fällen von außerordentlicher Noth helfend einzugreifen. In Northampton sind 15 0090 und in London 5000 Arbeiter ausstãndig. .

Aus Brüssel wird der Köln. Ztg.“ berichtet:; Die Gewerk schaft der Maler und Anstreicher des Bezirks Brüssel beschloß durch Umfrage nahezu einstimmig die Betheiligung am allgemeinen Ausstand im Fall der Annahme der Regierungsvorlage über das Gemeindewahlgesetz. ö

In Verviers sind nach demselben Blatt sämmtliche 3560 Weber der dortigen Tuchfabrik J. Simonis ausständig.

Sandel und Gewerbe.

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Köks an der Ruhr und in Oberschlesien.

An der Ruhr sind am 18. d. M. gestellt 11 348, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen. .

In 6 ien sind am 16. d. M. gestellt 2362, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen. .

Ausweis über den Verkehr auf dem Berliner Schlacht- viehmarkt vom 16. März 1895. Auftrieb und Marktpreise nach Schlachtgewicht mit Ausnahme der Schweine, welche na Lebendgewicht gehandelt werden. Rin der. Auftrieb 4832 Stück, Durchschnittspreis für 1o0 kg.) I. Qualität 120 - 124 16, II. Qualitat 100 114 M, III. Qualitt 99 - 96 M, LV. Qualität S086 M Schweine. Auftrieb 4853 Stück. (Durchschnittsvpreis für 100 kg.) Mecklenburger 92 Æ. Landschweine: 2. gute 88-90 M b. geringere 80-86 , Galizier S0, leichte Ungarn bei 20 dg Tara, Bakonver 90 M bei 245 kg. Tara pro Stück. Kälber. Auftrieb 1150 Stück. Har hfhn if ren für 1 kg.) JI. Qual. 1,10 —- 116 S6, II. Qual. 0. 96 - 1,08 M. II. Qualitt O 84 - 0 94 M Schafe. Auftrieb 13203 Stück. (Durchschnittspreig für 1 kg.) I. Qualität 0, 8ᷣę - 100 M, II. Qualität O, 75 0, Sd4 4A, III. Qualitãt

In der Generalversammlung der Deutscheu Grundschuld⸗ Bank, Berlin, vom 18. März d. J. wurde die mit einem Rein⸗ gewinn von 801 119 A abschließende Bilanz und die Vertheilung einer sofort zahlbaren Dividende von Jo = 70 6 pro Aktie, ge⸗ nehmigt und dem Aufsichtsrath und der Direktion Entlastung ertheilt.

In der gestrigen Generalversammlung der Preußischen Hypotheken⸗Akkien⸗ Bank wurde die mit einem Reingewinn von 1194 428 M abschließende Bilanz und die Vertheilung einer Dividende von 6 0, die sofort zur , n,, , . soll, ge⸗ 1 und dem Aufsichtsrath und der Direktion die Entlastung ertheilt.

Die ordentliche Generalversammlung, des Schlesischen Bankvereins vom 16. d. M. genehmigte die vorgeschlagene Ge winnvertheilung. Der Reingewinn ., 1660 837 e, wovon ent⸗ fallen für die beiden Reservefonds 166378 , für Tantièmen der Geschäftsinbaber und des Aufsichtsraths 134 454 6, als He /o Divi⸗ dende der Aktionäre 1237 500 Æ, während restliche 32 524 M auf neue Rechnung vorgetragen werden.