1895 / 72 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 22 Mar 1895 18:00:01 GMT) scan diff

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Hauses gelangt. Das vierte Buch wurde im Oktober vorigen Jahres fertig gestellt und kam gleich nach Zusammentritt des Hauses hier zur Vertheilung. Die Bearbeitung des Erbrechts, dieses allerdings ja auch recht schwierigen Theils, nahm etwas längere Zeit in Anspruch, als wir im vorigen Jahre annahmen. Ich fteue mich aber, jetzt sagen zu können, daß auch dieser Theil vor einigen Wochen vollendet worden ist, und daß es aller Voraussicht nach möglich sein wird, nach nochmaliger Textesreviston diesen Theil bald nach Ostern abzuschließen und, wenn die Herren hier wieder zusammentreten, ihnen zugänglich zu machch.

Damit sind die Aufgaben der Kommission für das Bürgerliche Gesetzbuch ihrer Hauptsache nach beendigt. Es bleiben für sie noch zwei Aufgaben zu erledigen. Die eine besteht in einer noch⸗ maligen Revision des ganzen Textes der nunmehr vorliegenden fünf Bücher, um Ungenauigkeiten auszuscheiden, Irrthümer zu beseitigen und die Redaktion des ganzen Werks in seinen verschiedenen Theilen in Einklang zu bringen. Für ein Werk, wie das Bürgerliche Gesetz⸗ buch darstellt, bedarf es bei dieser Arbeit besonderer Vorsicht und Sorgfalt, und es ist deshalb auch nicht zu verwundern, wenn die Arbeit voraussichtlich noch den Sommer in Anspruch nehmen wird. Ich kann aber darauf rechnen, daß dann, bei der, wie ich hier ausdrücklich zu meiner Freude hervorheben darf, unermüdlichen, hingebenden, bis an die Grenze des Möglichen gesteigerten Arbeitsleistung der Kommission jedenfalls auch nach dieser Rich⸗ tung hin die Arbeiten vollendet sein, und daß wir im Oktober das sachlich und formell fertige Werk der fünf Bücher des Bürgerlichen Gesetzbuchs vor uns haben werden. Dann bleibt für die Kommission nur noch ihre letzte Aufgabe: die Fertigstellung des Einführungsgesetzes zu dem ganzen Gesetzbuch. Auch diese Arbeit, meine Herren, ist keine einfache. Es handelt sich darum: einmal, Uebergangsbestimmungen zu treffen für die Zeit der Ueberführung aus den gegenwärtigen verschiedenartigen Landesrechten in das neue Reichs⸗ recht, zweitens um die Umredigierung einer ganzen Reihe bestehender reichsrechtlicher Bestimmungen, die von dem Inhalt des Bürgerlichen Gesetzbuchs berührt werden, und endlich um die Feststellung der⸗ jenigen Materien, in welchen dem Landesrecht vorbehalten bleiben

soll, eine selbständige und zum theil auch abweichende Regelung

gegenüber dem Bürgerlichen Gesetzbuch zu treffen. Ich hoffe, daß diese Aufgabe ebenfalls noch vor Schluß des laufenden Jahres wird zu Ende geführt werden können, daß also mit dem Schluß des Jahres auch das Einführungsgesetz, sachlich und formell fertig gestellt, an den Bundesrath wird gelangen können. Damit ist dann die Arbeit der Kommission definitiv erledigt. ; Nun gestatten Sie mir vielleicht im Anschluß hieran, und weil auch die Anfrage des Herrn Vorredners sich zum theil noch auf eine weitere Zukunft erstreckte, noch einige Bemerkungen zu machen über die Behandlung, die der so fertig gestellte Entwurf des Gesetzbuchs beim Bundesrath wie auch hier im Reichstag zu erfahren haben wird. Wir werden uns ja allerdings, namentlich was den Reichstag be⸗ trifft, über diese Frage definitiv erst im nächsten Herbst zu ver⸗ ständigen haben; ich glaube aber doch, daß es richtig ist, wenn ich die allgemeinen Gesichtspunkte schon jetzt berühre, damit wir unter Beachtung der Methode, die wir verfolgen wollen, auch mit einiger Sicherheit beurtheilen können, wann wir zu einem abschließenden Ergebniß unserer Arbeiten gelangen können. Nun, meine Herren, glaube ich, wird darüber nicht bloß, wie ich überzeugt bin, bei den verbündeten Regierungen, sondern, wie ich hoffe, auch bei diesem hohen Hause Einverständniß bestehen, daß, wenn das Bürgerliche Gesetzbuch mit seinen Tausenden von Paragraphen, aufgestellt auf Grund einer zwanzigjährigen Arbeit hervorragend sach— verständiger Männer, die das Vertrauen der Praxis und der Wissen⸗ schaft, und auch das Vertrauen der Regierung und des Reichstags für sich haben, an den Bundetzrath und Reichstag kommt, es sich nicht darum handeln kann, das Werk nach Analogie anderer Gesetze in allen Einzelheiten zu prüfen. Würde das geschehen, so würde zweifellos das Werk mancherlei Aenderungen in seinen Einzelheiten erfahren, und es würde nothwendig werden, nachdem die Aenderungen vorgenommen worden sind, das Gesetzbuch wiederum an eine juristisch⸗ technische Kommission zu verweisen, auf daß diese den ganzen Text abermals in Einklang bringe. Damit aber würden wir die Arbeit in das Aussichtslose verzögern; denn es wäre dann selbstverständlich eine nochmalige Vorlage an Bundesrath und Reichstag unvermeidlich. Deshalb, meine Herren, wenn wir zu einem praktischen Resultat kommen, und wir den Arbeiten der Kommission, die im Einverständ⸗ niß zwischen Reichstag und Bunderath eingesetzt worden ist, ihre

volle Würdigung zu theil werden lassen wollen, dann wird die

Behandlung des Gesetzbuches im Bundesrath wie im Reichstag eine mehr kursorische sein müssen, die sich im wesentlichen darauf be⸗ schränkt, festzustellen, ob der wirthschaftliche, politische und soziale Inhalt des Gesetzbuches im großen und ganzen die Zustimmung des deutschen Volkes beanspruchen darf. Daß es auch bei dieser Behand⸗= lung möglich ist, der Prüfung des einen oder anderen Theiles vom politischen oder wirthschaftlichen Standpunkt aus eine besondere Bedeu⸗ tung beizulegen und ihn einer etwas näheren Erörterung zu unterziehen, versteht sich von selbst; daß es aber im großen und ganzen sich darum wird handeln müssen, daß Bundesrath und Reichstag das Gesetzbuch, wie es liegt, annehmen oder ablehnen, darüber wird für denjenigen, der einen näheren Blick in das umfangreiche und schwie⸗ rige Gesetzwerk gethan hat, ein Zweifel nicht sein können. Darüber, meine Herren, können wir uns nicht täuschen: wir bekommen das gemeinschaftliche bürgerliche Recht für Deutschland entweder bald oder wir bekommen es auf absehbare Zeit überhaupt nicht.

Wenn von diesem Standpunkt aus an die Prüfung des Gesetz⸗ buches von seiten der gesetzgebenden Faktoren gegangen wird, so glaube ich, werden die verbündeten Regierungen, da sie bereits gegen⸗ wärtig laufend die Arbeiten und die Ergebnisse der Kommissions— arbeiten verfolgen, und da sie durch Vermittlung des Reichs-Justhz— amts regelmäßig über ihre Wünsche und Ansichten gegenseitig unter— richtet werden, nach meiner Meinung in der Lage sein, im Laufe weniger Monate definitive Stellung zu dem Gesetzeswerk zu nehmen. Wenn ich dabon ausgehe, daß das Gesetzbuch felbst im Laufe des Oktober an den Bundezrath gelangt, und daß das Ein⸗ führungsgesetz bis zum Schluß des Jahres, spätestens aber ju Anfang des nächsten Jahres dem Bundesrath vorgelegt wird, so wird, wie ich glaube, im Bundesrath die Möglichkeit bestehen, bis zum Februar nächsten Jahres das Gesetz an den Reichstag zu bringen. Danach würde der Reichstag im Februar nächsten Jahres in die Möglichkeit versetzt sein, seinerseits Stellung ju dem Werke

zu nehmen. Ist auch dieses hohe Haus dann geneigt, von den gleichen Gesichtspunkten auszugehen, wie die verbündeten Regierungen dies meiner Hoffnung nach thun werden, auch seinerseits also in verhält⸗ nißmäßig beschränkter Zeit die Prüfung des Gesetzbuchs zu erledigen, dann wird der Reichstag in der nächsten Session nicht auseinander gehen, ohne über das Gesetzbuch definitiv Beschluß gefaßt zu haben. Meine Herren, ich glaube, daß, wenn in dieser Weise verfahren wird, damit eine Ueberstürzung in der Sache nicht verbunden ist, und daß auch auf der anderen Seite in ganzen Fragen bei der gemeinsamen Regelung des bürgerlichen Rechts Faktoren vorliegen, die dringend darauf hinweisen, diesen Weg der Behandlung zu wählen. Ich möchte mir auch nach dieser Richtung noch einige Worte erlauben, um das Haus in die Lage zu bringen, die Frage erschöpfend zu beurtheilen.

Mit dem Inhalt des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist die Frage der einheitlichen Regelung unseres bürgerlichen Rechts noch keineswegs er⸗ schöpft; denn der Inhalt des Bürgerlichen Gesetzbuchs wird auf eine Reibe anderer Materien materieller und prozessualer Art übergreifen, die nothwendig auch ihre Regelung finden müssen, wenn wir nachher ein wahrhaft einheitlich gestaltetes Recht mit der Möglichkeit prak— tischer Handhabung haben wollen. Es werden uns also noch eine Anzahl anderer legislatorischer Aufgaben erwarten, die in unmittelbarem Anschluß an das Bürgerliche Gesetzbuch auch dieses Haus beschäftigen müssen. Da, meine Herren, mache ich zunächst darauf aufmerksam, daß es nöthig sein wird, mit der einheitlichen Regelung der Eigen— thums⸗ und Nutzungsrechte an Grund und Boden auch ein einheitliches Recht zu schaffen für die Zwangsvollstreckung zur Geltendmachung dieser Rechte. Wir haben in dieser Beziehung bis jetzt nur einzelne Grundsätze in der Zivilprozeßordnung. Sobald das Bürgerliche Gesetzbuch fertig ist, sind wir vor die Nothwendigkeit gestellt, die Zwangsvollstreckung in das Immobiliareigenthum einheitlich zu regeln. Die Arbeiten dafür sind vorbereitet, ein Gesetzentwurf ist in Auf— stellung begriffen. Wir hoffen, in der Lage zu sein, diesen Gesetz= entwurf bereits im Herbst dieses Jahres an den Bundesrath zu bringen, und ich halte es für möglich, daß er ebenfalls in der nächsten Session den Reichstag beschäftigen wird.

Zweitens, meine Herren, mit der einheitlichen Regelung des Hypo⸗ thekenwesens, wie sie durch das Bürgerliche Gesetzbuch vorgenommen werden soll, ist auch die Nothwendigkeit gegeben einer einheitlichen Regelung der Anlegung und Behandlung der Grundbücher. Wir bedürfen also einer deutschen Grundbuchordnung, ohne welche die Be—⸗ stimmungen des Gesetzbuchs über das Hypothekarrecht nicht zur praktischen Durchführung gelangen können. Auch nach dieser Richtung schweben die Vorarbeiten, und wir werden in der Lage sein, spätestens zu Anfang des nächsten Jahres einen darauf bezüglichen Gesetzentwurf an den Bundesrath zu bringen; ich halte es wiederum nicht für aus— geschlossen, daß die Grundbuchordnung zu denjenigen Entwürfen gehört, die noch die nächste Session dieses hohen Hauses beschäftigen können. *

Drittens, meine Herren, sobald wir die Regelung des Hypotheken— wesens auf einem einheitlichen Fuße für ganz Deutschland festgestellt haben, tritt an uns die Pflicht heran, eine Aufgabe zur Erledigung zu bringen, die bereits wiederholt sowohl die verbündeten Regierungen wie auch den Reichstag beschäftigt hat, die wegen der großen materiellen Interessen, die damit verbunden sind, in der That dringlich ist, die aber bisher eine Regelung nicht hat finden können, weil eine Unterlage in einem gemeinsamen Hypothekenrecht fehlt. Diese Frage betrifft die Sicherstellung der Pfandbriefgläubiger, eine pfandrechtliche Sicher⸗ heit gegenüber den Bodenkreditanstalten. Das Interesse der Pfand⸗ briefgläubiger gebietet es, diese Sicherheit zu schaffen, das Interesse der Bodenkreditanstalten gebietet es gleichfalls, nicht minder das Interesse des Grundkredits selbst. Versuche nach dieser Richtung hin sind, wie den älteren Mitgliedern dieses Hauses erinnerlich sein wird, bereits in den 70 er und 80 er Jahren gemacht worden; sie sind aber zum theil wenigstens daran gescheitert, daß uns ein gemeinschaft⸗ liches Hypothekenrecht fehlte. Nun, meine Herren, die Vorarbeiten auch nach dieser Richtung hin sind im Gange, und wenn wir auch mit dieser schwierigen Materie etwas länger beschäftigt sein werden, so hoffe ich doch, daß ein Entwurf zur Sicherstellung der Rechte der Gläubiger gegenüber den Pfandbriefinstituten so früh wird fertig⸗

den Bundesrath wird gebracht werden können, und daß er in der zweitfolgenden Session, wenn er im Bundesrath Zustimmung findet, auch dieses Haus beschäftigen wird.

Sodann, meine Herren, wird der Inhalt des Bürgerlichen Ge— setzbuchs in einer größeren Anzahl von Punkten eine Reviston unserer Zivilprozeßordnung nöthig machen und, abgesehen von den Punkten, in denen schon deshalb an eine Reviston der Prozeßordnung gegangen werden muß, haben die Erfahrungen der vergangenen Jahre und die vielfachen Anregungen, die uns zugegangen sind, den Anlaß gegeben, darüber hinaus einer Reviston der Zivilprozeßordnung in dem Sinne einer praktischeren Gestaltung ihrer Bestimmungen, ohne die Grundlage des Gesetzes zu verlassen, näher zu treten. Wir werden voraussichtlich in kurzer Zeit eine Kemmission erfahrener Juristen berufen, welche die Aufgabe hat, die Punkte festzustellen, in denen die Bedürfnisse des praktischen Prozesses auf eine Aenderung oder Ergän⸗ zung des Gesetzes hinweisen. Die Aenderungen, die sich aus dem Inhalt des Bürgerlichen Gesetzbuchs ergeben, und die Aenderungen, die eventuell aus diesen Berathungen hervorgehen werden, sollen in einem Gesetzentwurf zusammengefaßt werden, und dieser Gesetzentwurf soll im Laufe des nächsten Jahres gleichfalls fertiggestellt werden, dann alsbald an den Bundesrath gelangen, und im Falle der Zustim⸗ mung der Bundesregierungen in der übernächsten Session den Reichs— tag beschäftigen. .

Aber eine weitere große Aufgabe wird in der über nächsten Session an den Reichtztag noch herantreten, das ist eine revidierte Gestaltung unseres Handelsgesetzbuchs. Meine Herren, es ist ia natürlich, daß die Bestimmungen des Bürger⸗ lichen Gesetzbuchs auch einen tiefen Einfluß ausüben werden auf den Inhalt unseres Handelsrechts; theils dieser Umstand, theils die Er— fahrungen, die wir mit unserm, jetzt schon über 30 Jahre alten Handelsgesetzbuch gemacht haben, und die Entwicklung, welche die Formen des Handels und Verkehrs in dem letzten Menschenalter erfahren haben, nöthigen dazu, das Handelsgesetzbuch einer Revision zu unterziehen. Die Arbeiten für die Revision

sind seit längerer Zeit im Gange, sie haben unter der werkthätigen

Mithilfe hervorragender Praktiker des Reichsgerichts einen erfreulichen Fortgang genommen, und wir glauben sicher zu sein, daß wir in nicht

zu langer Zeit eine Kommission von praktischen Juristen und von

gestellt werden können, daß er im Laufe des nächsten Jahres an

Vertrauensmännern des Handelsstandes werden berufen können mit der Aufgabe, die Grundzüge der Revision zu prüfen. Auf Grund dieser Prüfung wird dann ein revidierter Entwurf an den Bundegrath ge— langen, und ich glaube annehmen zu dürfen, daß auch dieser Entwurf in der durch den Bundesrath genehmigten Gestalt in der übernächsten Session den Reichstag wird beschäftigen können.

Dann, meine Herren, bleiben noch immer einige Aufgaben zu er— ledigen, wenn das neue deutsche bürgerliche Recht nach allen Rich⸗ tungen hin seine erschöpfende Ausgestaltung erfahren soll. Wir haben noch die einheitliche Regelung des Versicherungsrechts vor uns, da dies Rechtsgebiet aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch ausgeschieden worden ist. Es bedarf noch der einheitlichen Regelung des Verlagsrechts und im Anschluß daran einer Revision der gesammten Gesetzgebung über das Urheberrecht. Und endlich, meine bedarf es prozessualer Bestimmungen für alle diejenigen Rechtsangelegenheiten, welche im Bürgerlichen Gesetzbuch behandelt worden sind, welche aber in das Gebiet der streitigen Gerichtsbarkeit nicht fallen, wie beispielsweise Regulierungen und Liquidationen im Erbschaftsrecht, vor allem aber das Verfahren im Vormundschafts⸗ recht. Ein Theil dieser gesetzgeberischen Arbeiten ist ebenfalls bereits in der Vorbereitung begriffen, und wir hoffen in der Lage zu sein, unter der Zustimmung der Regierungen der Bundesstaaten diese Ar⸗ beiten so zu fördern, daß in der letzten Session der laufenden Legislaturperiode die Entwürfe an den Reichstag werden gebracht werden können. Hiernach würden Sie, meine Herren, im nächsten Jahre das Bürgerliche Gesetzbuch, ein Gesetz über die Zwangs⸗ vollstreckung in das unbewegliche Eigenthum und die Grundbuch ordnung, in der übernächsten Session das Handelsgesetzbuch, die Revision der Zivilprozeßordnung und ein Gesetz über die pfand— rechtliche Sicherstellung der Gläubiger gegenüber den Pfandbrief⸗ instituten und endlich im dritten Jahre und in der letzten Session der Legislaturperiode Gesetzentwürfe über das Urheberrecht, über das Verlagsrecht sowie über das Verfahren in Sachen der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit, soweit diese ihre Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch finden, zu erwarten haben.

Meine Herren, ich habe mir erlaubt, Ihnen ein Bild von Ihrer umfangreichen und bedeutungsvollen Thätigkeit in der nächsten Session, soweit sich diese von der Reichs-Justizverwaltung voraussehen läßt, zu entwickeln, um klarzustellen, wie nothwendig es ist, bereits im nächsten Jahre mit Ernst und Energie an die Erledigung der Auf— gabe heranzutreten, die mit der legislatorischen Behandlung des Bürgerlichen Gesetzbuchs verbunden ist. Ich hoffe, daß Sie in dem Sinne, wie ich es entwickelt habe, geneigt sein werden, Ihre Mit⸗ wirkung bei dieser großen Aufgabe eintreten zu lassen; denn ich wiederhole es: Nach meiner Ueberzeugung werden die Arbeiten für ein einheitliches bürgerliches Recht in Deutschland in wenigen Jahren zum Abschluß gelangen oder wir werden dies große Ziel in absehbarer Zeit unseres Lebens überhaupt nicht erreichen.

Abg. von Strombeck (Zentr.) befürwortet einen von ihm ein⸗ gebrachten und von einigen seiner Parteifreunde unterstützten Antrag: die Regierung zu ersuchen, eine für das Gebiet des Deutschen ö. zende , Amtsstelle einzurichten, welcher

D von den zuständigen Behörden der Bundesstaaten hinsichtlich aufgefundener Leichname. Unbekannter die zur Feststellung der Persönlichkeit dieser Verstorhenen dienlichen Mittheilungen gemacht werden müssen, und welcher Y) hinsichtlich vermißter Personen, deren Ableben (sei es infolge von Krankheit oder Selbstmord, sei es in- folge eines Unglücksfalls oder Verbrechens) vermuthet wird, die zur Ermittlung des Perbleibs solcher Personen dienlichen Mittheilungen von den zuständigen Behörden in den geeigneten Fällen gemacht werden muͤssen und von Privatpersonen gemacht werden können.

Abg. Hr. Bachem (entr,) spricht sich für die Einführung der bedingten Verurtheilung aus. Nach den Erfahrungen anderer Staaten mit dieser Einrichtung sollte man nicht mehr zögern, ihr auch in Deutschland näher zu treten.

Staatssekretär des Reichs⸗-Justizamts Nieberding:

Meine Herren! Ich glaube, ich brauche dem Herrn Vorredner wohl nicht erst zu versichern, daß die Frage der bedingten Verurtheilung, welche in einigen Nachbarländern bereits eine gesetzgeberische Lösung gefunden hat und welche bei uns nicht nur in der Theorie, sondern auch in praktischen Kreisen lebhaft erörtert wird, auch in der Reichs—⸗ Justizverwaltung mit allem Ernste geprüft und verfolgt wird. Allerdings kann ich nicht sagen, daß wir, was die Lösbarkeit dieser Frage betrifft, so sanguinisch denken, wie in manchen juristischen Kreisen bei uns darüber gedacht wird. Es ist zweifellos, daß, wenn es gelingt, die bedingte Verurtheilung in einer praktisch brauchbaren Gestalt in das Leben einzuführen, für die moralische Sicherung der Bestraften ein großer Gewinn erhofft werden darf, sondern daß auch eine erhebliche Entlastung der Gefängnisse eintreten würde, was nach der Seite einer Erleichterung des Strafvollzugs, wie nach der finanziellen Seite hin ins Gewicht fällt. Aber, meine Herren, wenn in anderen Staaten, namentlich in Belgien, die Sache bis jetzt auf Grund der dort voll⸗ zogenen gesetzlichen Regulierung leidlich gegangen ist, so glaube ich, daß einmal die kurze Zeit, während der die einschlagende Gesetzgebung dort in Wirksamkeit sich befindet ich glaube, in Belgien ist es seit 1838 oder 1889 nicht ausreicht, um ein abschließendes Urtheil über die Frage zu gewinnen, und daß auf der anderen Seite Deutsch⸗ land in seiner weiten Ausdehnung doch so erheblich andere Ver— hältnisse darbietet, daß man nicht wird sagen können, daß Einrichtungen, die sich in einem kleineren Lande bewährt haben, ohne weiteres sich für unsere weit größeren Verhältnisse bewähren würden.

Ich möchte auf einen Punkt dabei besonders aufmerksam machen, das ist die Frage der Kontrole der zwar verurtheilten, aber zunächst nicht zum Strafvollzug gebrachten Personen. Ja, meine Herren, eine solche Kontrole ist z. B. in Belgien verhältnißmäßig leicht durchzu⸗ führen; bei uns in Deutschland hat die Sache ein ganz anderes Ge— sicht. Wir haben allerdings die Strafregister mit ihren Vermerken über die bestraften Personen, um daraus eine Kontrole zu entnehmen; wir haben sie aber nur bezüglich der wegen Vergehens oder Verbrechen Bestraften, nicht abgesehen von einzelnen bestimmten Ueber⸗ tretungen für die Personen, welche bestraft sind wegen Uebertretungen, und wenn wir mit der bedingten Verurtheilung einen Anfang machen wollen, werden wir doch unter allen Umständen den Kreis der leichteren Strafthaten, also auch der Uebertretungen, zunächst in den Bereich des neuen Gesetzes ziehen müssen. Da liegt aber gerade die Schwierig keit vor, die ich angedeutet habe. Ich sage das nicht, um eine weitere Verfolgung des Gedankens abzuwehren, dessen moralische, politische und finanzielle Bedeutung ich anerkenne; ich sage es bloß, um ju

rechtfertigen, wenn die Reichs⸗Justizwerwaltung zunächst noch ab⸗

Herren,

damit nicht nur, wenn ich so sagen soll,

wartend dem ganzen Problem gegenübersteht. Es ist uns ja aller⸗ dings gerade bezüglich dieser Frage in der Oeffentlichkeit schon der Vorwurf gemacht worden, als wenn unsere Verwaltung in Pedanterie und in Marasmus zu sehr versunken wäre, um zur An⸗ erkennung neuer Ideen und zur Erwägung ihrer praktischen Gestaltung sich aufraffen zu können. Ich hoffe, meine Herren, nach dem, was ich die Ehre hatte vorhin mitzutheilen über die Aufgaben, die gegen⸗ wärtig im Reichs⸗-Justizamt auf gesetzgeberischem Gebiet der Lösung harren, werden Sie ein abwartendes Verhalten auf unserer Seite milder beurtheilen, als dies von manchen anderen Seiten geschehen ist, und ich glaube, Sie werden geneigt sein, einigermaßen der Belastung des Reichs⸗Justizamts mit gesetzgeberischen Arbeiten dringenderer Art Rechnung zu tragen. Wir können eben nicht alle Fragen, die gerade auf strafpolitischem Gebiete jetzt so zahlreich auftauchen, auf einmal in die Hand nehmen; die Kräfte des Reichs⸗Justizamts sind das kann ich versichern bis aufs äußerste Maß angespannt.

Meine Herren, gestatten Sie mir noch ein Wort zur Resolution des Herrn Abg. von Strombeck. Ich glaube, der Herr Abgeordnete wird mir zugeben, daß die Aufgabe, die in dieser Resolution gestellt ist, eigentlich nicht auf dem Gebiet der Justizpflege liegt, sondern daß es sich, streng genommen, um eine polizeiliche Vorkehrung handelt. Nun sind in der Reichsverwaltung Wahrnehmungen des In— halts, wie sie von dem Herrn Abgeordneten hier vorgetragen worden sind, bisher nicht gemacht worden. Es sind auch von keiner Seite Anregungen gegeben worden, Einrichtungen der von ihm vor— geschlagenen Art zu treffen. Ob sich diese Einrichtungen so billig und so einfach würden gestalten lassen, wie er annimmt, lasse ich zunächst dahingestellt. Ich glaube aber, ich kann die Zusicherung geben, daß wir innerhalb der Reichsverwaltung die Frage in eine nähere Erwä⸗ gung nehmen wollen, und ich bin auch überzeugt, daß im Fall der Annahme der Resolution die verbündeten Regierungen bereit sein würden, sofern in der That das praktische Bedürfniß auf eine Lösung

von Reichswegen hinweisen sollte, diese Lösung herbeizuführen, obwohl

sie an und für sich in das Gebiet der Reichskompetenz nicht hinein⸗ gehört.

Abg. Groeber (Zentr.): Die Zentrumspartei hat seit Jahren bereits Wünsche betreffs der Abänderung der Konkursordnung hier vorgebracht. Leider ist ein Gesetzentwurf, den wir im vorigen Jahre eingebracht haben, nicht zur Erledigung gebracht. Unsere Bemühungen haben aber doch zur Folge gehabt, den die verbündeten Regierungen der Konkursstatistik größere ufmerksamkeit zu⸗ gewendet haben. Wir halten diese Statistik für außer- ordentlich wichtig, da sie als Grundlage für die Abänderung der Konkursordnung dienen muß. Für sehr wüͤnschenswerth erachten wir es, daß die statistischen Erhebungen auf die Feststellung der Zahl der rückfälligen Konkurse ausgedehnt werden. Bevor aber eine Entschei⸗ dung über die nöthigen Abänderungen der Konkursordnung gefällt wird, sollte man nicht bloß die Justizbehörden, sondern auch die kaufmännischen Organisationen zu Rathe ziehen. Eine zweite Ange⸗ legenheit, die ich zur Sprache bringen möchte, betrifft den Gesetzentwurf über die Bekämpfung des unlauteren Wett⸗ bewerbs. Ich möchte an den Staatssekretär die Anfrage richten, ob der veröffentlichte Gesetzentwurf, welcher diese Angelegenheit betrifft, noch in dieser Session den Reichstag beschäftigen wird. Die juristischen Kreise freilich haben vielfach jede Nothwendigkeit eines solchen Gesetz⸗ entwurf bestritten, aber in gewerblichen Kreisen ist man durchweg der Ansicht, daß die Regelung dieser Angelegenheit dringend er⸗ forderlich ist. .

Staatssekretär des Reichs⸗Justizamts Nieberding:

Was die Konkursstatistik betrifft, so ist der Bundesrath, als er, wesentlich in Anlehnung an die Resolution des Hauses vom vorigen Jahre, sich dahin schlüssig machte, eine solche Statistik in Zukunft zu erheben, nicht ohne Bedenken gewesen. Er zweifelte, ob von einer solchen Statistik in der That der praktische Erfolg zu erwarten sei, den sich die Mehrheit des ReichstagYt bei ihrem Beschluß davon ver⸗ sprach. Andererseits konnte auch nicht außer Betracht bleiben, daß damit eine Belastung der Gerichte verbunden ist, die bei der gegenwärtig vielfach schon vorhandenen Geschäftsüberhäufung Bedenken in sich trägt. Aber um dem Wunsch des Reichstags ent⸗ gegenzukommen, beschloß der Bundesrath die Erhebung der Statistik, welche auch in der beschlossenen Beschränkung einen ziemlich großen Umfang einnehmen wird. Wenn darin einige Punkte weggelassen sind, die die Resolution des Reichstags enthielt und der Herr Vor— redner jetzt vermißt, so hat das seinen Grund darin, daß die Gerichte nicht mehr als nöthig belastet werden sollten, und daß wir wünschten, die Erhebungen auf solche Punkte zu beschränken, von denen man mit einiger Sicherheit annehmen kann, das Er⸗ gebniß werde nützlich für die Würdigung der praktischen Handhabung des Gesetzes und seiner Abänderungsbedürftigkeit sein.

Ich möchte den Herrn Vorredner also bitten, vorläufig die Er— fahrungen, die wir mit dieser Staͤtistik machen, abzuwarten. Eine Erweiterung in dem von ihm gewünschten Sinne bedauere ich, ihm zur Zeit nicht in Aussicht stellen zu können. Ich glaube, er wird mir selbst zugeben, daß es für die praktische Behandlung der Sache auch nicht richtig sein kann, wenn man nach Jahresfrist in den an die Gerichte ergan⸗ genen Weisungen bereits wieder eine Aenderung eintreten lassen wollte; Wie gesagt: lassen Sie uns einmal erst einige Jahre abwarten und über das Ergebniß dieser Statistik ein Urtheil gewinnen, dann werden wir uns über die Frage ja wiederum sprechen können.

Was die Konkurtsordnung betrifft, so habe ich vorhin zu meinem Bedauern zu erwähnen vergessen, daß das Bürgerliche Gesetzbuch auch auf den Inhalt der Konkurzordnung eine Rückwirkung üben wird. Es wird unvermeidlich sein, entweder im Rahmen des Einführungs— gesetzes zu dem Bürgerlichen Gesetzbuch oder aber in einem besonderen Gesetze diejenigen Aenderungen zusammenzufassen, die aus dem Inhalt des Bürgerlichen Gesetzbuches sich ergeben. .

Bei dieser Gelegenheit werden natürlich dann auch diejenigen Fragen ihre Erledigung finden, die in dem vorjährigen Antrag des Zentrums berührt worden sind. Wenn die Verhandlungen der Kom⸗ mission im vorigen Jahre auch einen Abschluß nicht gefunden haben,

so hat die Reichs⸗Justizverwaltung aus den Verhandlungen doch einen Anlaß genommen, an die Bunderegierungen das Ersuchen zu richten, darüber Ermittelungen anzustellen, ob und in welchen Punkten nach den Erfahrungen der Praxis eine Abänderung der Konkurtzordnung sich als nothwendig ergeben habe. Das Resultat dieser Ermittelungen liegt dem Reichs. Justizamt noch nicht vor, und der Herr Vorredner wird das auch erklärlich finden, wenn ich ihm in Erwiderung seiner weiteren Frage sage, daß bei diesen Erhebungen nicht bloß Gerichtsbehörden, sondern auch in großem Umfang Organe des Handelsstandes gehört werden. In einzelnen Staaten wenigstens, vor allen in Preußen, sind dahin gerichtete Anordnungen erlassen, und es ist vorauszusehen, daß uns aus der Verarbeitung des sich ergebenden Material eine recht umfangreiche

Aufgabe erwachsen wird. Vorlãufig können wir über das voraussichtliche Er⸗ gebniß der Ermittelungen ein Urtheil noch nicht fällen, und ich muß also auch in diesem Punkt den Herrn Vorredner bitten, einige Geduld zu üben. Er wird ja, wenn aus Anlaß des Bürgerlichen Gesetz⸗

buchs die Revision der Konkursordnung hier im Hause legislatorisch

zur Sprache kommt, ein Mittel der Kontrole haben, ob in der That auch die Wünsche, die das Zentrum im vorigen Jahre geäußert hat, ihre Würdigung bei den angestellten Erhebungen finden.

Was den Gesetzentwurf über den unlauteren Wettbewerb betrifft, so ist es, glaube ich, dem hohen Hause bekannt, daß ein solcher Gesetz= entwurf vor einiger Zeit bereits veröffentlicht wurde; an diese Ver öffentlichung haben sich so umfassende Kritiken geknüpft, daß es bis jetzt nicht möglich gewesen ist, den definitiven Abschluß der gesetzgebe⸗ rischen Arbeit bis zur VosThƷꝓE den Bundesrath zu gewinnen. Die Arbeit wird aber, wie ich dem Herrn Vorredner versichern kann, ernsthaft gefördert, und ich glaube auch die Zusicherung hinzu⸗ fügen zu dürfen, daß in kurzer Zeit die Sache so weit reif sein wird, daß der Gesetzentwurf an den Bundesrath wird gebracht werden können. Ob er dann noch in dieser Session auch an das hohe Haus gelangen wird, hängt von der Behandlung der Sache im Bundesrath ab, über die ich mir in diesem Augenblick eine Aeußerung noch nicht gestatte.

Abg. Beckh (fr. Volksp.): Die Aufgaben, die der Staats sekretär dem Reichstag in Ausstcht gestellt hat, sind so groß, daß ich es für sehr zweifelhaft halte, daß die gegenwärtige Legislaturperiode zu ihrer vollen Erledigung ausreichen wird. Die Frage der bedingten Verurtheilung verlangt aber vor allem erledigt zu werden. Schon der Juristentag von 1890 hat sich für diese Einrichtung ausgesprochen, und ich wünschte, daß wir recht bald ihre Einführung beschließen möchten. ö

1 Dr. Enneccerus fal); Ich bin dem Staatssekretär für seine Angaben über die Fertigstellung des Bürgerlichen Gesetzbuchs dankbar; diese Angaben konnten uns nicht erschrecken, da wir von Anfang an wußten, daß dieses Gesetzbuch naturgemäß auch eine ganze , anderer Gesetze zur Folge haben würde. Diese übersichtliche

arstellung des weiten Arbeisfeldes muß in der That sowohl den Bundes- rath wie den Reichstag veran lassen, sich bei der Durchberathung dieser anzen Materie einer großen Selbstbeschränkung zu befleißigen. Ein Ver⸗ n dieser Gesetzgebung auf Jahre hinaus und damit eine Ver⸗ zögerung der Einheit des deutschen Rechts wäre ein größeres Uebel, als wenn dem Gesetz noch kleine Fehler anhaften bleiben, die man

träglich beseitigen kann. 2 ger ich ech en, ch (d. kons.) befürwortet eine Vereinfachung der

ormulare der Standesbeamten und damit eine Verringerung der chreibarbeit und des Aktenmaterials auf den Standesämtern, sowie eine einheitliche Gestaltung dieser Formulare über das ganze Reich.

Staatssekretär des Reichs⸗Justizamts Nieberding:

Meine Herren! Ich habe im vorigen Jahre auf den entsprechen⸗ den Vortrag des Herrn Abg. von Salisch eine wohlwollende Prü—⸗ fung seiner Desiderien versprochen, und diese Zusage ist auch gehalten worden. Wir haben aus Anlaß von Verhandlungen, die damals unter den Bundesregierungen über verschiedene Abänderungen in den Einrichtungen der Standesämter schwebten, auch Gelegenheit gehabt, die Wünsche des Herrn Abgeordneten in Erwägung zu nehmen. Ich habe damals nicht den Eindruck gewonnen, daß bei den Bundesregie⸗ rungen das Bedürfniß anerkannt werde, nach den Richtungen hin, die von Herrn von Salisch bezeichnet worden sind, einheitliche Bestim⸗ mungen für das Reich zu treffen, und die Herren werden verstehen, daß, wenn die Reichs⸗Justizverwaltung von vornherein dem Eindruck begegnet, daß bei den maßgebenden Landesverwaltungen ein solches Bedürfniß nicht anerkannt wird, sie ihrerseits es auch ab⸗ lehnen muß, die Initiative dahin zu ergreifen, daß Vorschriften der Art erlassen werden.

Wir, meine Herren, sind nicht geneigt, reglementarische Vor⸗ schriften in einer die Landesverwaltungsstellen zur Gleichmachung nöthigenden Weise zu treffen, wenn nicht wenigstens von einem großen Theil der Bundesregierungen das Bedürfniß nach einer Ueberein— stimmung der Vorschriften anerkannt wird. Ich möchte dem Herrn Vorredner die Erwägung anheimgeben, ob er nicht im Sinne seiner Wünsche praktischer handelt, wenn er zunächst seine Landesregierung, also die Königlich preußische Regierung, davon überzeugt, daß in der That hier ein Bedürfniß vorhanden ist, die Einrichtungen einheitlich zu gestalten. Sobald es ihm an der Hand seiner praktischen Er—⸗ fahrungen, die uns ja im Reichs⸗Justizamt nicht zur Ver⸗ fügung stehen, gelungen ist, die preußischöe Regierung von dem Bedürfniß derartiger Anordnungen zu überzeugen, wird es leichter sein, auch für das Reich übereinstimmende Vorschriften herbeizuführen. Solange aber ein so wichtiger Faktor wie die preußische Regierung der Meinung bleibt, daß es nicht erforderlich ist, mit übereinstimmen⸗ den Vorschriften vorzugehen, so lange hat die Reichs⸗Justizverwaltung auch keine Veranlassung, mit Vorschriften im Sinne des Herrn Vor⸗ redners zu kommen.

Abg. Spahn (Zentr.): Um die Berathung des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu beschleunigen, wird es sich empfehlen, alle religiösen Materien aus dem esetzbuch fortzulassen. Sodann wäre es wünschenswerth, daß uns über die Verhandlungen und Beschlüsse des Bundesraths über den Entwurf ein ausführlicher Bericht zuginge, der die Berathung im Reichstag sehr erleichtern würde. Bezüglich der bedingten Verurtheilung möchte ich bitten, uns die Resultate der his⸗ herigen Erfahrungen in anderen Staaten zugänglich zu machen.

Staatssekretär des Reichs⸗Justizamts Nieberding:

Auf die Anregung des Herrn Vorredners bin ich sehr gern bereit, hiermit die Zusage zu ertheilen, daß dem Reichstage in der nächsten Session eine Denkschrift eingereicht werden soll, welche in übersicht⸗ licher Form die Erfahrungen mittheilt, die in unseren Nachbarländern mit der bedingten Verurtheilung bis dahin gemacht sind.

Abg. Dr. Bachem (Zentr.): Der Bundesrath hat es leider ab—= gelehnt, eine Statistik darüber zu erheben, in welchem Umfange die einzelnen Religionsbekenntnisse an den Konkursen betheiligt sind. Wenn es auch bekannt ist, daß die Anhänger der . Religion zu den Konkursen und Bankerotten ein größeres Kontingent, stellen als unsere Mitbürger ,. und rotestantischen Glaubens, so ivissen wir doch nicht, in welchem h das der Fall ist. Aus der Kriminalstatistik wissen wir, daß die Juden in erheblich höherem Grade Betrug und Bankerott i en als die Christen. Es liegt mir fern, gegen die jüdischen Mit . hier einen Vorwurf zu erheben; ich wünsche nur, daß wir völltge Klarheit darüber bekommen, in welchem Maße sie an den Konkursen betheiligt sind. . ;

Die vom Abg. von Strombeck beantragte Resolution wird angenommen. ö. ö. ichs⸗ gustiz

Das Haus genehmigt dann den Etat des Reichs⸗ ö amts 6, ge l und geht demnächst über zum Etat des Reichs⸗Eisenbahnamts.

Auf eine Anfrage des Abg. Dr. Hammacher (nl) er⸗ widert der

Bevollmächtigte zum Bundesrath, Präsident des Reichs ⸗Eisen⸗ bahnamts Dr. Schulz: Das internationale Uebereinkommen auf der Berner Konferenz hat sich leider für die Ausfuhr deutscher Güter nach Rußland in mancher 5. nicht als günstig erwiesen; et ist aber zu hoffen, daß auf der nächsten Konferenz die berechtigten deutschen Wünsche auch von anderer Seite kräftige Unterstützung erfahren und zur ie, . gelangen werden.

Abg. Stelle (Soz): Artikel 46 der Reichsverfassung besagt, daß das ECisenbahntarifwesen möglichst einheitlich gestellt werden, und daß die Tarife selbst möglichst niedrige . sollen. Statt dessen sind bei den Personentarifen verschiedentli rhöhungen eingetreten. ir stehen bezüglich 33 Tarife auf einem Standpunkt, auf dem andere Länder vor 29 Jahren standen. Mit den Gütertarifen steht es .

Der Artikel 45 der Reichsberfassung verlangt, da Entfernungen die Gütertarife entsprechend ollen. Jetzt wird das in der Weise

. abt, daß einzelne Waarengruppen bevorzugt, andere enachtbeiligt werden. Von einer Einheitlichkeit der Tarife ist so wenig die Rede, daß man sich in den Tarisbestimmungen Überhaupt * mehr zurechtfindet. Ein sehr wunder Punkt in unserem Eisen⸗ bahnwesen ist die Ueberbürdung der Beamten. Eine Arbeitszeit von 30 Stunden in der Woche ist bei ihnen keine Seltenheit. Eine be⸗ sondere Erwähnung verdient dabei die Ueberbürdung der Zugführer, denen Hunderte von Menschenleben anvertraut sind. Die jahlreichen , , sind nicht in letzter Linie auf diese Ueberbürdung zurũckzuführen. Bevollmächtigter zum Bundesrath, Präsident des Reichs-Eisen⸗ bahngmts Dr. Schulz: Nach der Rede des Abg. Stolle hat es fast den Anschein, als wäre es mit dem deutschen Eisenbahnwesen recht schlimm bestellt. Ich kann ihm darin aber nicht folgen. Wir befinden uns im Gegentheil in einer recht erfreulichen Entwicklung. Der Vor⸗ redner hat auch gefragt, warum der Artikel 45 der ,,, noch nicht in Wirksamkeit gesetzt sei, welcher einheitliche und mögli ö k Tarife forderte., Das Reich kann nicht dazu übergehen, die Tarife festzusetzen. Das liegt in der Verfassung begründet. Ein solches Vorgehen des Reichs würde einen schweren Eingriff in die Finanzen und die Finanzgebahrung der Einzelstaaten bedeuten. Bei den Gütertarifen ist übrigens eine Einheitlichkeit schon in weitgehendem Maße vor⸗ handen. Ueberall werden die Güter gleich klassifiziert. Daß nicht überall gleiche Einheitssätze bestehen, ff richtig. Auf der Mehrzahl der Eisenbahnen gilt aber ein übereinstimmender Einheitssatz. Wenn ich vorhin davon sprach, daß unser Eisenbahnwesen ö. in einer 6, Fortentwicklung befinde, so kann ich das mit Zahlen belegen. Wir haben in den letzten 13 Jahren die Gütertarife im allgemeinen um 1h o/o vermindert. Dabei haben sich die Einnahmen aus dem Glüter⸗ verkehr um 25 ,υη, gehoben. Der Vorredner hat auch die Dienstdauer der Eisenbahnbeamten und Angestellten als jedes ver⸗ nünftige Maß überschreitend hingestellt. Barauf will ich nur be⸗ merken, daß uns in dieser Beziehung seit mehreren Jahren keine Be⸗ schwerden zugegangen sind. Wenn der Vorredner mit dieser angeb⸗ lichen Ueberbürdung der Eisenbahnbeamten und Angestellten die Zahl der Eisenbahnunfälle in Verbindung gebracht hat, so kann ich in dieser ift feststellen, daß wir besser eff sind als die meisten anderen änder. Die Zahl der Unfälle hat sich bei uns in den letzten Jahren bedeutend vermindert. Im vorigen Jahre kam auf 19 Millionen Achskilometer ein Unfall, während im Jahre 1881,82 schon auf 8 Millionen Achskilometer ein Unfall traf. Das zeugt doch dafür, daß es nicht schlimmer geworden ist.

Abg. Szmulag (Zentr): Man fährt in Deutschland auf der gisenbeßn weit besser als in den meisten anderen Ländern, und was Ausstattung der Eisenbahnwagen, Sicherheit des Betriebs u. s. w. betrifft, so werden wir darin von keinem anderen Lande übertroffen.

Abg. Dr. Pachnicke (fr. Vg.): Im Tarifwesen ist in letzter . zwar schon manches geschehen, aber noch lange nicht genug. Es

errscht jetzt eine gewisse Stagnation. Jenseits der Grenzen regt sich ein ganz anderer Eifer; das Ausland hat viel stärker reformiert und keine üblen Folgen zu verzeichnen. Der Widerstand gegen die Tarifreform ist weniger bei den Fachmännern im Eisenbahnressort zu suchen, als im Kastanienwäldchen zu Berlin. Die e mn der Waaren durch Verbilligung der dra ge; würde auch eine Vermehrung des Kon⸗ sums en nn. Vielleicht könnte man mit den g,, nn e Eisenbahnen zuerst den Versuch einer durchgreifenden Reform machen.

Abg. Gamp Rp.): Ich weiß nicht, warum der Abg. Pr.

. als Vertreter eines mecklenburgischen Wahlkreises das

rweriment einer Reform nicht für die mecklenburgischen Bahnen vor⸗ schlägt. Wir jedenfalls danken für Experimente, die wir auf unsere Kosten machen müssen. Daß der Abg. Stolle gerade über die Gisen- bahnüberschüsse abfällig eurtheilt hat, wundert mich. Lediglich durch die Ueberschüsse der preußischen Bahnen war es möglich, die lassen⸗ steuer für Minderbemittelte bis zu 900 0 aufjuheben.

Der Etat des Reichs⸗Eisenbahnamts wird ge— nehmigt, worauf das Haus um Hi / Uhr Vertagung beschließt.

schlimmer. bei größeren ermäßigt werden

Statiftik und Volkswirthschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Hier in Berlin hat, wie der Vorwärts“ mittheilt, die Mehr⸗ zahl der Korbmacher in der Werkstatt von F. Schügner wegen Lohnkürzung die Arbeit niedergelegt. .

Aus Zürich wird dem Berner „Bund“ berichtet; Der Schreinermeisterverein hat beschlossen, die Vorschlaͤge der Ar⸗ beiter wegen des Minimallohns und der neunstündigen Arbeitszeit ab⸗ zulehnen und die Arbeiter guf den letztjährigen Be lng aufmerksam zu machen, daß Theilausstände mit der allgemeinen Kündigung der Gehilfen beantwortet werden.

Aus Lüttich wird der Köln. Ztg.“ , . daß der Berg⸗ arbeiterausstand (vgl. Nr. 62 d. 9 sich auf, drei weitere Zechen . hat. Wie das „D. B. H.“ berichtet, durchzog gestern ein Trupp ausständiger Kohlenarbeiter aus Herstal die Straßen von Lüttich. Im sozialistischen Volkshause fand eine Ver⸗ sammlung statt, in der der allgemeine Ausstand ,, wurde. Die Gendarmerie ist von Lüttich nach Herstal und Ans beordert worden, wo die Ausständigen eine besonders drohende . ange⸗ n n. haben. , fete 1 . , ,, ö. ,,

um Gemeinde⸗Wahlgesetz, auch eine Lohner x

L ner sind die 1. igen bereits durch andere Arbeiter ersetzt orden.

ö Aus Am sterdam wurde der ‚Vofs. Ztg.' unter dem 29. d. M. eschrieben: Hunderte von Diamantarbeitern, die hier ihre riftenz nicht mehr fanden, haben sich im Laufe des letzten Jahres in

Amerika, hauptsächlich in New, Jork, niedergelassen; der 36 dahin dauerte ununterbrochen fort, bis ein ehen gefaßter * uf der Bundesregierung auch diesen Weg versperrt hat. Nach diesem Beschluß gehört die Diamantschleiferei nicht unter diejenigen neuen Industriezweige, welche die Einfuhr von Arbeitern unter ontrakt ,, Es befinden sic aber in diesem . mehr als 100 Diamantschleifer nach Amerika unter- wegtz. Wie nun . W. T. B. aus New⸗York meldet, wurden geflern 135 an Bord des . Majestie: angekommene Diamantschleifer angehalten, da vermuthet wird, daß sie unter festem Arbeitskontrakt einwandern.

Aus Lens wird der Köln. Ztg. berichtet: Der nationale Landes- Kongreß der französischen Bergleute beschloß, einen Antrag, den Arbeitern fremder Nationalit⸗t das Stimmrecht. für Er- nennung von Vertretern der Belegschaften zu greg nicht in Erwägung zu nehmen. Wie ferner W. T. B.“ meldet, hat der Kongreß den Vorschlag angenommen, wonach der Arbeitstag in den Bergwerken einschließlich der Gin! und Auzfahrt auf 8 Stunden

. t und schwere Strasen für Betriebsleiter bestimmt werden, welche Arbeiter zu einer Mehrarbeit nöthigen.