ein ganzes Dorf reguliert, indem man diejenigen Verschuldungen abstößt, die zu hoch verzinslich, die nicht amortisierbar sind u. s. w. Diese Fragen müssen nach meiner Meinung in der nächsten Zeit ernst⸗˖ lich erwogen werden. Wenn man sieht — ich habe mich selbst hier und da davon überzeugen können — daß selbst hier in der Mark ganz sichere Hypotheken bäuerlicher Besitzungen 4 bis 5 O0so Zinsen Lbringen, während unsere 3 igen Konsols nahezu pari stehen, so ist das ein Mangel einer verständigen Drganisation unseres Kreditwesens. Auf diesem Gebiet wird man der Landwirthschaft sehr erheblich zu Hilfe kommen können.
Der Herr Vorredner hat auch die Sparkassen erwähnt. Auch hier ist die Staatsregierung ebenfalls überzeugt, daß eine Verbesserung der Organisation eintreten muß. Bis jetzt ist die Sparkassen⸗ verwaltung eine sehr buntscheckige, sowohl in Bezug auf die Höhe der Verzinsung der Einlagen als auf die Höhe der Verzinsung der Aus⸗ leihungen seitens der Sparkassen, und es giebt Sparkassen, die durch⸗ aus nicht das Bestreben haben, bei ihren Ausleihungen, bei der Pflege des Lokalkredits möglichst das allgemeine Wohlergehen im Auge zu haben; sondern sie sind Erwerbsinstitute und sie halten vielfach die Verzinsung der Einlagen gegen die Verzinsung der Darlehen, die sie geben, zu niedrig. Ebensowenig ist Klarheit und Gleich⸗ mäßigkeit darüber, wie die Belegung der Sparkassengelder stattfindet. Manche Kreissparkasse hat ihre ganzen ausstehenden Kapitalien dem Kreise selbst geliehen, ebenso ist es in den Städten; sie haben oft viel zu wenig liquidierbares Vermögen. Kommt einmal ein run, so werden die allergrößten Schwierigkeiten entstehen. (Sehr richtig) Ich will das nicht weiter ausführen. Ich weiß, daß namentlich der Herr Minister des Innern die Absicht hat, dieser Frage näher zu treten, und sie müßte nach meiner Meinung in Verbindung gebracht werden mit der allgemeinen Frage, die ich vorhin berührt habe. Sie sehen, daß die Staatsregierung auch auf diesem Gebiete bemüht ist, Er⸗ leichterungen für die Landwirthschaft herzustellen. (Bravo h
Herr von Herberg; Bei der jetzigen Lage der Landwirthschaft sei mit kleinen Mitteln nicht viel en, Wenigstens solle man die vom Staatsrathe vorgeschlagenen kleinen Mittel so schnell wie mög⸗ lich durchführen. ; .
Graf von Mirbach befürwortet die Beseitigung des Fidei⸗ kommißstempels oder die Reduzierung desselben auf ein Mindestmaß.
Herr von Bemberg wuünscht eine möglichst baldige Vorlegung eines Zuckersteuergesetzes —
Damit schließt die Generaldiskussion.
Es folgt die Spezialdiskussion und zwar zunächst über den Etat der direkten Steuern.
Herr von Klitzing dankt dem Minister, daß er die Ein⸗ schätzungs'kommissionen darauf hingewiesen habe, daß sie den Satz von ö bel Abstrichen für den Gebäudeabnutz e,, dürften. Auch für die Abnutzung der Geräthe müßte ein höherer Prozentsatz als
5 oo abgeschrieben werden dürfen. ;
Graf von Mirbach schlägt vor, daß man für jedes Gebãude durch Sachverständige den Werth desselben seststellen lasse. Man komme dann mit seinem Gewissen nicht in Kollission.
Finanz Minister Dr. Miquel:
Ja, meine Herrn, die Frage wegen der Abnutzung habe ich nicht erst jetzt durch ein Zirkular klargestellt, sondern ich glaube, es sind schon drei Zirkulare genau in demselben Sinne erlassen; die hier vielleicht anwesenden Vorsitzenden der Veranlagungskommissionen werden das wissen.
Das ist gar keine Frage, daß viele Gebäude sich schneller abnutzen, als daß eine Abnutzungsquote mit zuwachsenden Zinsen von o genügte. Andererseits giebt es aber auch sehr viele Gebäude, die man nicht im Laufe von 41 Jahren neu baut, sondern die sehr viel länger stehen, wo die Abnutzungsquote von Foo zu hoch ist. Man wird das im einzelnen Falle vernünftig bemessen müssen. Auf die einzelnen Fälle können wir ja seitens der Verwaltung nicht einwirken. Es besteht ein festes, geregeltes System, das von den Organen der Selbstverwaltung ausgeführt wird, und wir können unmittelbar nur insoweit einwirken, als wir generelle Fehler bemerken, wo wir den Vorsitzenden der Be⸗ rufungskommission bezw. der Veranlagungskommission dann die richtigen Anweisungen geben.
Ich will gar nicht leugnen, daß in einer so schwierigen Sache, wo eine Verwaltung gegen die Wünsche der Steuerpflichtigen zu führen ist, wo die Behörden auch vielfach das Gefühl bekommen, daß man sich lebhaft bemüht, möglichst geringe Steuern zu zahlen, wo die Behörden sich in einem gewissen moralischen Kampf — möchte ich sagen — gegen die Steuerpflichtigen schließlich zu fühlen beginnen, daß hier und da auch einmal verkehrte Beanstandungen stattfinden; und namentlich generelle Beanstandungen ohne Berücksichtigung des einzelnen Falles würde ich nicht billigen können, sondern es muß jeder einzelne Fall besonders geprüft werden, wenn man zu einer Beanstandung kommt. Meine Herren, wenn Sie erwägen, daß leider die Bestrafungen wegen absichtlicher und nicht absichtlicher Hinterziehung im Wachsen sind, — ich glaube, im letzten Jahr haben wir 1200 Bestrafungen bereits gehabt (hört! hört) — wenn Sie auf der anderen Seite aber er⸗ wägen, daß die Zahl der Berufungen wesentlich abnimmt: so ergiebt sich hieraus auf der einen Seite, daß allerdings leider die bloße Deklaration nicht genügt, sondern daß eine Nachkontrole der Richtigkeit der Deklaration, wo die Fehler ja vielfach auf Irrthümern und ver— tehrten Rechtsauffassungen beruhen, durch die staatliche Behörde ganz unentbehrlich ist; auf der anderen Seite aber, daß die Veranlagungen doch nach und nach richtiger werden, weil die Zahl der Berufungen eben sehr wesentlich im Abnehmen begriffen ist, und ich glaube, es konnte von vornherein nicht erwartet werden, daß ein solches neues System in der Durchführung einer so schwierigen Steuer, welche den Reinertrag bei jedem einzelnen Steuerpflichtigen finden soll, in einigen Jahren vollständig zur Vollendung sich entwickeln sollte. Ich habe hier im Herrenhause immer betont, es würde Jahre dauern, ehe die Behörden und die Zensiten sich so ineinander eingelebt haben, wenn ich den Ausdruck gebrauchen darf, daß die Differenzen immer geringer werden. Im großen und ganzen, glaube ich, können wir mit den Resultaten der gesammten Veranlagung doch sehr zufrieden sein, und es hat sich jedenfalls dabei herausgestellt, daß die Reform dringend nothwendig war, wenn Sie erwägen, daß wir vom Jahre 1891 / 892 bis 1892,93 eine Mehreinnahme von 40 Millionen bekommen haben.
Graf von Frankenberg; Bei der Einschätzung von Ge⸗ bäuden wurde bis jetzt in meinem greise jährlich nach anderen Grundsätzen verfahren. Erst hatte der Landrath die Einschätzung vor⸗ genommen; als dann aber die Kommissare kamen, ging das Elend los. Die Großgrundbesitzer wandten sich an die Berufungs⸗ kommiffson, welche bestimmte Grundsätze feststellte; aher schon im nächsten Jahre änderte die Berufungskommission die Grundsätze und meinte, es sei zu viel abgeschrieben worden. Ich selber babe mich wegen der niedrigen , ,, an meinem Schloß mit einer Beschwerde an den Finanz⸗Minister
*
gewandt. der fie guch liebengwürdig aufgenommen bat. Leider ist meine Bitte, daß feste y,, aufgestellt werden nn nicht erfüllt worden. diefem Jahre ist mir von einem lied der Steuerkommission mitgetheilt worden, daß der Kommissar überhaupt noch nicht ein geschätzt 26 das solle erst im Oktober geschehen. Es wäre doch schr wünschenswerth. wenn dem Landrath, der die ein⸗ digen Verhaͤltnifse genau kennt, die Einschätzungen überlassen eben.
Finanz⸗Minister Or. Miquel:
Meine Herren! Ich möchte Beschwerden in Beziehung auf solche einzelnen Fälle, von denen der Beschwerdeführer selbst sagt, daß gegen die allgemeine Verordnung des Finanz ⸗Ministers gehandelt ist, für geeignet halten, direkt an mich schriftlich gerichtet zu werden, als hier, wo mir das Nähere garnicht vorliegt und ich wirklich sehr schwer in der Lage bin, darauf zu antworten. (Sehr richtig Ich glaube, wenn der Herr Vorredner die Güte hätte, diesen Fall uns beim Finanz ⸗ Ministerium schriftlich vorzulegen, so würden wir uns wohl zu einem gedeihlichen Ende verständigen können. (Heiterkeit)
Ober⸗Bürgermeister Bender beschwert sich darüber, daß die Kosten der Veranlagung, die früher zum theil auch der Staat ge— tragen habe, nun sämmklich den Kommunen auferlegt würden.
Geheimer Sber⸗Finanz-Rath Wallach erwidert, daß nach Ueber⸗ weisung der Grund, Und Gebäudesteuer an die Kommunen, welche ihnen s große Vortheile bringe, es gerechtfertigt sei, die Lasten der Veranlagung allein den Kommunen zu überlassen. .
Herr von , ,, eine Neuregelung der Grundsteuer. Nach Ueberweisung der Steuer an die Kommunen werde der Staat bie Reviston wohl kaum vornehmen; es sei aber nothwendig, festzu⸗ stellen, ob der Staat eine solche Revision wünsche.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Die Frage, welche der Herr Vorredner berührt hat, ist allerdings schon jetzt von erheblicher Bedeutung und wird es in Zukunft immer mehr werden. Wir haben ja die ursprünglich ver⸗ anlagte Grundsteuer seitens des Staats gar nicht weiter fortgeführt. Wie sie ursprünglich veranlagt worden ist, ist sie unverändert geblieben, aller Veränderungen, die in der Zwischenzeit in den Reinerträgen, in der Verwendungsart, in den Verkehrsverhältnissen, in den Meliora⸗ tionen u. s. w. u. s. w. stattgefunden haben, ungeachtet. Weil eben diese Grundsteuer thatfächlich als Staatssteuer eine todte Steuer war, während doch wechfelnde Zuschläge in den Kommunen zu derselben erhoben wurden, weil eine allgemeine Revision der Grund⸗ steuer im ganzen Staat fast undurchführbar ist, jedenfalls ein gleich⸗ artiges Resultat auch nicht ergeben haben würde, so war das ein Hauptgrund, diese Steuer aus dem System der Staatssteuern aus⸗ zuscheiden und sie den Kommunen zu überweisen. Der Staat wird also in Zukunft seinerseits eine neue Revision, eine neue Veranlagung der Grundsteuer in der ganzen Monarchie zweifellos nicht vornehmen und nicht vornehmen können.
Dagegen bin ich ganz der Ansicht des Herrn Vorredners — und
das Kommunalabgabengesetz giebt dazu ja in vollem Maße die Hand-
habe — daß es in vielen Kreisen und auch in vielen Einzelkommunen, um eine gerechte Grundlage der Kommunalbesteuerung zu gewinnen, dringend nothwendig ist, eine Revision der Grundsteuer nach den jetzigen Reinerträgen vorzunehmen. Wir sind auch vollkommen ent⸗ schlossen, soweit die Kräfte der Katasterbeamten ausreichen, dabei den betreffenden Kommunen thunlichst an die Hand zu gehen. Das Kommunalsteuergesetz gestattet ja sogar die Einführung ganz besonderer Grundsteuern, die nach anderen Grundsätzen veranlagt sein können wie die bisherige staatliche Grundsteuer. In allen diesen Beziehungen muß aber die Frage lokalisiert werden. In vielen Gemeinden wird es nicht nothwendig sein, irgend etwas zu thun, wo ganz gleichartige Verhältnisse auch noch heute bestehen; in anderen sind große Ver⸗ änderungen in der Zwischenzeit vorgekommen oder stehen noch bevor, und da ist das Bedürfniß vorhanden. Da mögen die betreffenden Verbände sich selbst helfen.
Der Etat der Verwaltung der indirekten Steuern wird ohne Debatte erledigt, ebenso der Etat der Lotterie⸗ verwaltung, des Seehandlungs⸗Instituts, der Münzver waltung, der Berg-, Hütten- und Salin en⸗ ver a n, der Staatsschulden verwaltung, des Herrenhauses, des Hauses der Abgeordneten und der allgemeinen Finanzverwaltung.
Beim Etat des Hu reaus des Staats⸗Ministeri ums beschwert sich
Ober⸗Bürgermeister Struckmann über die zu große Zahl von Formalien, welche bei den Schreiben der Behörden heobachtet würden. Ueber Zunahme der Schreibarbeit werde in allen Kreisen schon seit lange geklggt. Es sei zu hoffen, daß hier eine Aenderung vorgesehen werde. Es sei Zeiterschwendung, eine Adresse zu schreiben, wie: Seiner Hochwohlgeboren dem Wirklichen Geheimen Ober⸗Regierungs⸗ Rath, Regierungs . Präsidenten Dr, Freiherrn von X. Die Minister würden sich ein Verdienst zuschreiben können, wenn sie diesen For⸗ malien entgegentrãten. .
Beim Etat der Staats⸗Archive bittet
Ober⸗Bürgermeister Struckm ann um Erhöhung der Gehälter der Archivare in den irn
Geheimer Ober⸗ inanz⸗Rath Lehnert erwidert, das Finanz Ministerium stehe der Erhöhung dieser Gehälter nicht, entgegen; im i sriet Etat würde der Wunsch des Vorredners ö
nden.
Ohne Debatte werden weiter erledigt die Etats der General⸗Ordenskommission, des Geheimen Zivil⸗ kabinets, der Ober⸗Rechnungskamm er, der Prüfungs⸗ kommission für höhere Verwaltungsbeamte, des Dis ziplinarhofs und des Gerichtshofs zur Entschei⸗ dung der Kom peten zkon flikte des Gesetz⸗Sammlungs⸗ am ts in Berlin, des, Deutsch en Reichs⸗ und Preußischen Staats⸗-Anzeigers“, der Ansiebelungskommission für Westpreußen und Posen und des Minister iu ms der Auswärtigen Angelegenheiten.
Belm Etat des Finanz⸗Ministeriums beschwert sich
Ober⸗Bürgermeister Struckmann darüber, daß von der kommu⸗ nalen Umsatzsteuer die Objekte befreit bleiben sollen, die von der Staatsstempelsteuer befreit sind. .
Sber⸗Bügermeister Zweigert schließt sich der Beschwerde des Vorredners an.
Ohne Debatte wird erledigt der Etat der Bauver⸗ waltung, einschließlich der Zentralverwaltung des Ministeriums der öffentlichen Arbeiten.
Beim Etat der Handels- und Gewerbeverwal⸗ tun frag
. ber⸗Hürgermeister Dr. Baumbach, ob der Minister die staat⸗ lichen Fortbildungsschulen in Pofsen und . noch für längere Zeit förtbestehen lassen und die bisherigen Zuschüsse weiter zahlen wolle. Er hoffe auf Einführung der ohligatorischen Fortbildungs⸗ schule, die ein Korrelat sei jum Volksschulzwang. Das gewerbliche Fachschulwesen fei das beste Mittel zur Hebung des Handwerks.
Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch:
Meine Herren! Die Frage des Herrn Vorredners hat, wie mir
scheint, darguf basiert, daß er sich in einer gewissen Unruhe befunden hat über das, was der Stadt Danzig seitens des Ministeriumg für. Handel und Gewerbe zugesagt ist. Ich kann seine Frage dahin beant-
worten, daß durch die Herabsetzung des Etatstitels von 350 000 auf 300 000 M eine Aenderung in den gegebenen Zuständen in leiner Weise eintreten kann. Die Zusage, die gemacht ist, basiert darauf, daß die Stadt Danzig, wie der Herr Vorredner bemerkt bat, ein Schulgebäude für 400 00 6 aufgeführt. Es ist hierfür zugesagt, daß ihr als Aequivalent für die nächsten zwölf Jahre ein jährlicher Staatszuschuß von 8000 6 gewährt werden soll. Außerdem ist die Absicht ausgesprochen worden, die Schule in Danzig für eine ebensolange Frist als Staatsanstalt, was sie jetzt ist, zu er⸗ halten. Ob ich in der Lage sein werde, diese Absicht auszuführen Denn eine Zusage ist in dieser Beziehung nicht gemacht worden, das ff. ein Herrn Vorredner auch belannt S das wird bon den finanziellen Verhältnsssen abhängen. Im Übrigen muß ich mir versagen, auf die Frage einzugehen, ob es in der Absicht der Regierung liegt, die all⸗ gemeine obligatorische Fortbildungsschule in Preußen einzuführen. Dazu ist die Sache noch nicht reif. Wenn ich in der Denkschrift, die Ihnen bekannt ist, von der eventuellen Einführung der obligatorischen Fortbildungsschulen gesprochen habe, so hat sich diese Aeußerung nur auf die gewerblichen Fortbildungs⸗ schulen bezogen und nur darauf beziehen können; sonst hätte mich ein Beschluß des Staats⸗Ministeriums zu einer solchen Zusage ermächtigen müssen, und das ist nicht der Fall. Also diese in der Zukunft liegende Frage heute zu beantworten, bin ich nicht in der Lage. Das Inter⸗ esse der Staatsregierung wird der Ausbildung des Fortbildungswesens immer zugewendet bleiben, namentlich in der Richtung, die auch der Herr Vorredner betont hat, in der Richtung der Fachausbildung. Die Ausbildung des Fortbildungsschulwesens, des allgemeinen Fort⸗ bildungsschulunterrichts wird, wie ich annehme, immer wesentlich eine Sache der Kammer bleiben müssen. Aber wie gesagt, augenblicklich irgend welchen Ausspruch zu thun, ob die Staattzregierung intendiert, durch ein Gesetz den allgemeinen Fortbildungsunterricht in Preußen einzuführen, bin ich nicht in der Lage. Es wäre das ja auch nicht meine Sache allein. J Dieser Etat ist hiermit erledigt. ierauf wird die ,,, , des Etats vertagt. chluß 4 / Uhr.
Haus der Abgeordneten.
51. Sitzung vom Donnerstag, 28. März.
Ueber den Beginn der Sitzung ist gestern berichtet worden.
Bei der Besprechung der Interpellation der Abg. von Ploetz (kons) und von Mendel ⸗-Steinfels (kons. ):
Beabsichtigt die preußische Regierung, noch in dieser Session gesetzliche Maßregeln zu ergreifen, um die Verfälschungen der Futter und Düngemittel zu verhindern?
nimmt nach der Begründung durch den Abg. von Mendel— Steinfels das Wort der
Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammer stein⸗Loxten:
Meine Herren! Die Interpellation stellt zwei Fragen an die Staatsregierung: erstens die Frage, ob sie gewillt sei, Maßregeln ju ergreifen gegen die Verfälschung der Futter- und Düngemittel; ind die zweite Frage, ob diese Maßnahmen schon in der jetzigen Sessien ergriffen werden sollen. Der Herr Interpellant hat dann die Inter ⸗ pellation erweitert auch auf Sämereien.
Meine Herren, ich will zunächst die erstere, von mir erwähnte Frage beantworten. Ich darf zunächst daran erinnern, daß die Reicht · verwaltung bereits eine Reihe von Spezialgesetzen erlassen hat, welche den Verkehr mit Nahrungsmitteln, mit Wein und mit Butter betreffen. Ich will ferner noch bestätigen, daß es durchaus zutreffend ist, was der Herr Interpellant ausgeführt hat, daß an den Reichstag ein Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb gelangen wird. Nun theile ich mit, daß die preußische Staatsregierung mit der Reicht⸗ regierung Verhandlungen darüber geführt hat, ob es möglich und zweckmäßig sei, in diesem letzterwähnten Gesetz allen denjenigen Bedürfnissen Rechnung zu tragen, welche erkenne, die der Herr Vertreter der Interpellation hier ausgeführt hat. Die erwähnten Verhandlungen sind zwar zu einem Abschluß noch nicht gelangt. Ich kann aber namens der Staatsregierung erklären, daß man annimmt, in dem Gesetz über den unlauteren Wettbewerb seien genügende Bestimmungen zur Beseitigung der vom Herrn Interpellanten dargelegten Mißstände nicht zu treffen. Es wird daher der Weg zu betreten sein, der, wie der Herr Interpellaut durchaus zutreffend ausgeführt hat, auch bereits in anderen Staaten beschritten worden ist. Das Ergebniß wird also vorautzsicht lich sein, daß die Staatsregierung im Einverständniß mit der Reichẽ⸗ regierung zur Abstellung dieser Mängel einen besonderen Gesetz⸗ entwurf an den Reichstag gelangen lafsen wird; denn dahin gehört, meine Herren, die Sache.
Nun, meine Herren, die zweite Frage: ob es möglich sei, noch in dieser Session die Maßregeln zur Ausführung zu bringen, kann ich abschließend nicht beantworten; das hängt nicht von der preußischen Staatsregierung, sondern von der Reichsregierung ab. Ich darf aber annehmen, daß die Staats⸗ und die Reichsregierung gewillt sind, allet zu thun, um noch in dieser Session die Sache zum Abschluß zu bringen. Vorarbeiten für den Erlaß eines solchen Spezialgesetzes liegen bereit vor, sodaß es meines Erachtens möglich sein würde, den Gesetz entwurf baldigst an die Reicht vertretung gelangen zu lassen. —
Im übrigen erkennt die preußische Staatsregierung das Bedũůrfniß für einen solchen Gesetzentwurf in vollem Umfang an, und jwar aus denjenigen Gründen, die der Herr Interpellant in ausführlicher und durchaus sachgemãßer Weise vorgetragen hat. Meinerseits werde ich bestrebt sein, so rasch wie möglich diesen, wie ich anerkenne, die Land⸗ wirthschaft schädigenden Mißständen abzuhelfen. (Bravo! recht.
(Schluß in der Zweiten Beilage)
ich an ⸗
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasa (kons.): Der Minister hat zu unserer Freude eine wohlwollende Erklärung abgegeben *ich hatte das auch nicht andert erwartet — aber welchen erth hat es, mit allen Mitteln eine Erhöhung und Verbesserun der Produktion zu, bewirken, solange für die Produkte selbst ein gesicherter Preis nicht gewährleistet ist, solange die Land- wirthe noch ferner unter dem Selbstkostenpreis verkaufen müßen? Mit der Interpellation steht im engsten Zusammenhange die Frage der dauernden Hebung der Getreidepreise. Die Verhandlungen des Staatzraths will ich keiner Kritik unterwerfen; ich möchte aber fragen, zu welchen Entschlässen die Königliche Staatsregierung in dieser fene gekommen ist. Die Regierung muß einheitlich und eschloffen ihrerseits Mittel und Wege vorschlagen und seh nicht darauf beschränken, die Vorschläge der Inter⸗ effenten zu prüfen. Eg kann nicht, zur Erhöhung ihrer Autorität beitragen, wenn sie in solch prekären Lagen abwartend da⸗ steht und die Interessenten, wie es gestern der Minister für Land⸗ wirthschaft gethan hat, auffordert, selbst mit geeigneten Vorschlãgen zu kommen. Ber Hinweis auf andere Länder, wo die Landwirthschaft ebenfalls Roth leide, hat wenig Bedeutung; jedes Land hat seine eigenartigen wirthschaftlichen Verhältnisse. Wir müssen in die Lage esetzt werden, den Weltmarktpreis von uns fernzuhalten. Die , erkennt einen Nothstand der Landwirthschaft, den sie gewisser⸗ maßen selbst mit verschuldet hat, an. Ich bitte um eine bestimmte Antwort, was sie zur Abhilfe zu thun gedenkt. Die Landwirthschaft hängt jetzt an dem Munde der Staattzregierung und erwartet von ihr das erlösende Wort.
Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer⸗ stein⸗Loxten:
Meine Herren! Ich habe zunächst eine Unterstellung, die mir eben gemacht ist, zu berichtigen. Sie bezieht sich auf eine Erklärung, die ich gestern abgegeben habe. Gestern wurde infolge eines gestellten Antrags die Frage geprüft, welche gesetzliche und administrative Maßnahmen zu ergreifen seien, um den Mißständen hier auf dem hiesigen Viehhof Abhilfe zu schaffen. Darauf habe ich gestern — und das wird der steno— graphische Bericht beweisen — gesagt: Der Herr Vertreter seines Antrags habe zwar von einer Reihe administrativer Maß⸗ regeln gesprochen, die gesetzlichen Maßnahmen, die er im Auge habe, aber nicht bezeichnet. In der Richtung haben sich auch lediglich meine weiteren Aeußerungen bewegt.
Wenn Herr von Heydebrand mir nun unterschiebt, ich habe die Frage, ob und welche gesetzlichen Maßnahmen zu ergreifen seien von der Staatsregierung, abgewiesen und gesagt, sie müssen der Staats⸗ regierung aus dem Hause gebracht werden — so ist also die gegen mich erhobene Beschuldigung eine unrichtige. (Sehr richtig! im Zentrum)
Wenn ein Antrag gestellt wird, in dem gesagt wird, es sollen darüber Erörterungen stattfinden: welche gesetzlichen Maß⸗ regeln sind zu ergreifen? — dann konnte die Staats⸗ regierung mit Recht erwarten, daß auch diejenigen gesetzlichen Maßnahmen der Staatsregierung bezeichnet würden, die man für zweckmäßig erachte; lediglich in der Richtung habe ich die vom Vorredner geforderte Erklärung abgegeben. Ich habe übrigens meinerseits schon diejenigen gesetzlichen Maßregeln dargelegt, die, auf dem Gebiet der Gewerbegesetzgebung liegend, eventuell zu ergreifen sein würden, und will nun noch Folgendes hinzufügen. Meine Herren, ich glaube nicht, daß man im Reichstag der Regierung eine so weit⸗ gehende diskretionäre Gewalt einräumen würde, daß sie bei jeder Marktkonzession auf Grund der gesetzlich ihr ertheilten diskretionären Gewalt Auflagen weitgehendster Art als Bedingung der Konzessions⸗ gewährung machen könne. Ein Gesetz mit so weitgehenden Befugnissen für die Staatsregierung wird im Reichstage nicht angenommen werden; auch vielleicht kaum hier im Hause.
Meine Herren, was dann die bez. des Antrags Kanitz gestellte Frage betrifft, so nehme ich gar keinen Anstand, den Herren mitzutheilen, daß das Staats Ministerium auf Grund der Beschlüsse und der Berathungen, die im Staatsrath stattgefunden haben, zu der Ansicht gelangt ist, daß die sämmtlichen Wünsche, welche rücksichtlich der Monopolisierung zur Diskussion ge⸗ standen haben, welche jetzt in einer konkreten Form wahrscheinlich schon morgen den Reichstag beschäftigen werden, unausführbar (hört! hört) und deshalb für die Staatsregierung unannehmbar sind (hört! hört! rechts), und zwar deswegen, weil die Staatsregierung sich davon über⸗ zeugt hat, daß der unter dem Namen Graf Kanitz an den Reichstag gelangte Antrag mit den Handelsverträgen nicht vereinbar ist (sehr richtig!; die Staatsregierung ist aber gewillt, die Handels verträge, die mit Zustimmung der Reichsvertretung geschlossen sind, ehrlich aufrecht zu erhalten (Bravs! links); das er⸗ achtet sie für eine Ehrenpflicht.
Meine Herren, zweitens hat die Staatsregierung auf Grund ein— gehender Prüfung die Ansicht gewonnen, daß der Antrag nicht aus ⸗ führbar sei und daß das Ziel, welches er verfolgt, nicht erreicht werde. (Hört! hört! und lebhafter Beifall im Zentrum und links. Be— wegung rechts.)
Meine Herren, heute Morgen ist eine Denkschrift im „Reichs Anzeiger“ veröffentlicht, welche Ihnen ein vollständig klares und über⸗ sichtliches Bild gewährt über die Verhandlungen im Staats⸗ rath, über den Verlauf, den dieselben dort genommen haben, über die Gründe, die für und gegen die Anträge vor⸗ gebracht sind. Ich möchte glauben, es wäre richtiger gewesen, vor Eintritt in die gegenwärtige Diskussion die Veröffentlichung der Staatsrathsverhandlungen abzuwarten. Ich spreche namens der Staatsregierung hier mit Bestimmtheit aus, daß eine ten⸗ denziöse Zusammensetzung des Staatsraths, in keiner Richtung stattgefunden hat und daß man ein objektives Votum er⸗ langen wollte — (Rufe rechts: Das hat niemand bestritten 7) Ich berufe mich in dieser Beziehung auf den Herrn Grafen Kanitz, der zu meiner Freude hier ist; ich glaube, daß er mir das in vollstem Maße bestätigen wird. Die Verhandlungen im Staatsrath sind nach jeder Richtung hin objektiv geführt, die Staatsregierung hat sich an den Verhandlungen nicht betheiligt, sie hat an der Abstimmung nicht theilgenommen. Das Ergebniß der Verhandlungen werden die Herren
. ö K er, err nr zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen 2X.
Berlin, Freitag, den 29. März
aus der Denkschrift des weiteren und ausführlich zu entnehmen in der Lage sein.
Meine Herren, entschieden muß ich mich dagegen verwahren, daß ge⸗ sagt ist: der Landwirthschafts. Minister bezw. die Staatsregierung seien verpflichtet — wenn ich den Herrn Vorredner richtig verstanden habe —, dafür zu sorgen, daß die Getreidepreise steigen. Meine Herren, das halte ich für unmöglich. Es handelt sich um Preise, die vom inter⸗ nationalen Weltmarkt abhängig sind. (Sehr richtig!) Ich habe in meiner Etatsrede bereits ausgeführt und begründet, aus welchen Gründen voraussichtlich eine Hebung der Getreidepreise auf dem Wege der Monopolisierung nicht ausführbar sein werde. Ich kann ja vielleicht zugeben, daß Maßnahmen zur Erleichterung der bestehenden Nothlage eher zu erzielen gewesen wären, wenn wir durch unsere Handelsverträge nicht gebunden wären; llebhafte Rufe rechts: Ah, ahh) aber, meine Herren, auch das halte ich für zweifelhaft. Meine Herren, sehen Sie sich doch die Getreidepreise in Frankreich an, wo man Zollerhöhungen und andere Maßnahmen ausgeführt hat. Ein wesentlicher Erfolg ist dort nicht erreicht. Ich berufe mich auf meine allgemeinen Darlegungen in der Etatsrede; danach bestehen Mißstände, wie hier, in allen Staaten — mag dort eine Schutzzollpolitik, Protektionismus, Frei⸗ handel oder autonome Zolltarife bestehen, im wesentlichen besteht überall derselbe Nothstand.
Wenn so die Sache liegt, meine Herren, dann muß ich sagen: die Forderung, welche hier im Hause an den Landwirthschafts⸗Minister gestellt wird, derselbe sei verpflichtet, dafür zu sorgen, daß die Ge⸗ treidepreise gehoben werden, ist eine unerfüllbare. (Lebhafter Beifall links und im Zentrum) Meine Herren, der Herr Vorredner hat an den LandwirthschaftsMinister eine solche Forderung gestellt. Meine Herren, sich erkläre hiermit frei und offen: ich bin von jeher nach Kräften ein warmer Beschützer und Vertheidiger der Landwirthschaft gewesen; in meinen alten Tagen bin ich gegen meinen Wunsch in meine so schwierige Stellung berufen; ich habe die Ueberzeugung mitgebracht, daß es schwer ist, in der gegenwärtigen Nothlage die richtigen Wege zu gehen; ehrlich bin ich bemüht, solche Wege zu finden; welche Hilfsmittel ich für möglich halte, führte ich eingehend aus. Wenn aber der Staatsregierung bezw. mir die Forde⸗ rung gestellt wird, es müsse eine sofortige Hebung der Getreidepreise herbeigeführt werden, so weise ich solche Forderung als unerfüllbar zurück. (Lebhafter Beifall links und im Zentrum. Bewegung rechts. Erneuter lebhafter Beifall links und im Zentrum) Es ist das eine unerfüllbare Forderung. (Große Bewegung.) Die Staatsregierung hat bestimmt und klar gesagt: was sie kann, das will sie ausführen; das Versprechen wird sie einlösen. So lange ich wenigstens an der Spitze der landwirthschaftlichen Verwaltung stehe, werde ich meine geringe Kraft dafür einsetzen, daß das geschieht. Aber eine Forderung, wie die gestellte, weise ich mit Entrüstung zurück. (Hört, hört! und lebhafte Zustimmung links und im Zentrum, Bewegung und Zischen rechts.)
Abg. Bueck (nl: Wir stehen der Interpellation höchst sym⸗ pathisch gegenüber. Von dem Gesetzentwurf über den unlauteren Wettbewerb' werden wir wohl schwerlich durchgreifende Hilfe erwarten können; ein Spezialgesetz ist dringend . Auch ich bin für kriminelle Bestrafung der beträgerischen Fälschungen; es wäre aber eine allzugroße Härte, wenn unbeabsichtigte Mischungen, wie z. B. die der Kleie mit Samen von Unkraut, der sich unter dem Getreide befindet, auch als Betrug bestraft werden müßten. Bei der Gesetz⸗ gebung wird also mit großer Vorsicht vorzugehen sein.
Abg. von Kröcher (kons : Wir wünschen, daß die Zeit der n Erklärungen vorüber sei, die Landwirthe wollen Thaten sehen. Der Minister weist es zurück, daß die Regierung für bessere 3 der landwirthschaftlichen Produkte sorgen muß Erkennt die
egierung den Nothstand an, so muß sie einen 9 6 fassen, ob daß Deutschland ohne Landwirthschaft bestehen kann. Kommt fie zur Verneinung dieser Frage, so muß sie auf Mittel, sinnen, der Noth abzuhelfen, und das ist nur durch Hebung der Getreidepreise möglich. Will sie hierbei nicht auf den Boden des Antrags Kanitz treten, so muß sie andere Mittel zur Hebung der Getreidepreise oder vielmehr zur Stabilisierung derselben vorschlagen. Die Einwendungen, gegen den Antrag Kanitz: Ver⸗ theuerung des Brotes und einseitige nteressenvertretung, sind so oft widerlegt, daß auch ich sie nur mit Entrüstung zurückweise. Oder hält die Regierung wirklich den Nothstand der TLandwirthschaft nicht für fo groß? Ich kann die dringende Noth aus dem praktischen Leben und aus den Akten feststellen. Ich selbst habe versucht, ein Gut in der Nähe von Berlin zu verpachten zu einer Pacht, die vor 52 Jahren gezahlt wurde; ich habe auf eine derartige Anzeige kein einziges Angebot erhalten. Bas kennzeichnet die allgemeine Lage. Angesichts solcher Nothlage ist der Minister der Landwirthschaft verpflichtet, Mittel und Wege zu finden, wie abzuhelfen ist. Nach meiner Meinung ist das einzige Mittel die Hebung der Getreidepreise; weiß die egierung andere Mittel, so schlage sie sie vor! Der Worte sind genug gewechselt, laßt uns nun endlich Thaten sehen.
Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammer⸗ stein⸗-Loxten:
Meine Herren! Die Ausführungen des Herrn Vorredners sind nur nach zwei Richtungen hin im hohen Grade überraschend. Ich bin kein Parlamentarier. Ich habe dem Abgeordnetenhause nie und nur einmal in meinem Leben dem Reichstage angehört. Ich bin hierher gekommen, um eine Interpellation zu beantworten, die erwägen soll, welche Maßregeln zu ergreifen seien, um die Verfälschung der Futter und Düngemittel zu verhüten. (Sehr richtig! links und im Zentrum) Zu meiner größten Verwunderung befinden wir uns wieder mitten in der Agrardebatte, die wir vor mehreren Wochen vier Tage lang in ausgiebigster Weise geführt haben. Nun, das ist ja Geschmackssache; ich habe kein Verständniß dafür. Ich glaube auch nicht, daß viel dabei herauskommt. (Zuruf rechts: Leider) Ich bin indessen erbötig, auf die Sache einzugehen. Ferner muß ich meiner Ver⸗ wunderung darüber Ausdruck geben, wenn Herr von Kröcher die be⸗ stimmte Forderung an mich gestellt hat, ich solle in 35 Monaten — solange bin ich thatsächlich im Dienst — bereits all den Nothständen abgeholfen oder sie doch bereits zum größeren Theil beseitigt haben, die erörtert sind. (Widerspruch rechts.)
Meine Herren, es wird mir vorgeworfen, ich hätte bisher nur wohlwollende Erklärungen abgegeben, Thaten hätte man meinerseits
sie meint,
Staats⸗Anzeiger. ö . 1895.
noch nicht gesehen. Meine Herren, ich habe fleißig gearbeitet, auch eine Reihe von Maßnahmen eingeleitet, so rasch werden dieselben in⸗ dessen nicht erledigt werden können. Andere sind bereits in die Er scheinung getreten. Dem Reichstag liegt bereits ein Spiritusgesetz vor, das Zuckersteuergesetz ist in Bearbeitung und wird hoffent⸗ lich noch an den Reichstag gelangen. Ob es Annahme findet, weiß ich nicht; es liegt dies nicht in meiner Hand. Es ist dann zu meiner größten Verwunderung gejagt — zu beweisen, daß die Mittheilung richtig, bin ich nicht in der Lage —, daß von seiten der konservativen Partei gar kein Werth auf das Spiritusgesetz gelegt wird. Im Gegentheil, es soll gesagt sein, man wünsche, daß es abgelehnt würde; denn wenn man nicht den Antrag Kanitz erlangen könne, wolle man lieber, daß noch ein weiterer Nieder⸗ gang der Landwirthschaft stattfinde. (Widerspruch rechts.) Ich weiß nicht, ob das wahr ist. Ich erzähle nur wieder, was mir erzählt ist.
Dann wird mir vorgeworfen, ich hätte mich bei allen Verhand⸗ lungen lediglich auf wohlwollende Erklärungen beschränkt. Das muß ich auf das entschiedenste bestreiten. Ich glaube, daß ich eine große Zahl von Maßnahmen bezeichnet habe, an deren Durchführung ich mich mit allen mir zu Gebote stehenden Kräften betheiligen wolle und pon denen ich auch heute noch überzeugt bin, daß sie nicht leeres Strohdreschen sind, wie seiner Zeit behauptet wurde, sondern Mittel, die zweifellos der Landwirthschaft aufzuhelfen in der Lage sind. Also ich muß den Vorwurf, der mir gemacht ist, daß ich ledig⸗ lich wohlwollende Erklärungen hier abgebe, daß ich nicht in der Lage sei, bestimmte positive Vorschläge zu machen, mit voller Entschiedenheit zurückweisen. Zu meiner größten Verwunderung wurde mir, als ich meine ausführliche Etatsrede hier hielt, vorgeworfen, ich habe mich viel zu eingehend geäußert und nur kleinere Mittel vorgeschlagen, es sei das überflüssig gewesen; ich hätte mich auf wenige Erklärungen beschränken sollen; nur der Antrag Kanitz könne helfen — und heute wirft man mir sogar vor, ich wisse überall Vorschläge zur Beseitigung der Nothlage nicht zu machen. Die Mittel, mit denen noch, meine Herren, Hilfe gewährt werden kann, verwerfen Sie, während ich die hier vorgebrachten Mittel für unausführbar halte. Ja, meine Herren, ich bedauere, daß derartige Angriffe gegen meine Stellung, gegen meine Thätigkeit hier erhoben werden. Ich bin mir bewußt, meine Herren daß ich bisher gethan habe, was in meinen Kräften, stand in der kurzen Zeit, die ich hier bin, und wenn Sie mehr von dem Landwirthschafts⸗Minister verlangen, so kann ich Ihnen nur empfehlen: wenden Sie sich an Seine Majestät den König, daß er einen anderen Minister ernennt, der mehr leistet, als ich zu leisten im stande bin, der vielleicht das ausführt, was ich für unausführbar halte. (Bravol links und im Zentrum,) Dann hat der Abg. von Kröcher gesagt, er weise meinen Einwand, daß durch den Antrag Kanitz eine Brotvertheue⸗ rung erfolge, mit derselben Entrüstung zurück, mit der ich die Erklärung des Abg. von Heydebrand zurückgewiesen habe. (Widerspruch rechts.) Ich habe den Einwand überall nicht gemacht, damit fällt auch die dortseitige entrüstete Zurückweisung, da sie auf einer unrichtigen Be⸗ hauptung beruht. Ich muß lebhaft bedauern, daß derartige Er⸗ klärungen hier erfolgen. Ich kann nur abermals die bestimmte Erklärung abgeben: ich werde thun, was in meinen Kräften steht; unerfüllbare und unmögliche Dinge dürfen Sie von mir nicht ver⸗ langen. (Lebhaftes Bravo links und im Zentrum.)
Abg. Dr. Gerlich (fr., kons. ): Ich kann nur mein aufrichtiges Bedauern Über diefe Debatte aussprechen, und ich glaube im Namen meiner Freunde sagen zu können, daß sie uns ebenso überrascht hat, wie den Minister. Diese Debatte ist heraufbeschworen in einem Augenblick, den ich dafür nicht für einen glücklichen halte. Ich hätte am allerwenigsten gewünscht, daß, Vorwürfe gegen den Minister gerichtet würden, der erst wenige Monate im Amt sft, während die Ursachen der Leiden aus früherer Zeit stammen. Ich bedauere mit Ihnen außerordentlich, daß es so ge⸗ kommen ist. Man hätte der Regierung die Freiheit lassen sollen, bei den gegenwärtigen niedrigen Preisen durch erhöhte Zölle erhebliche Einnahmen zu schaffen. Statt dessen sind wir auf zwölf Jahre durch diese traurigen Handelsverträge gebunden. Aber wie kann man nur von dem Minister verlangen, daß er den Wagen aus dem Schmutze zieht? Ihm kann man doch gewiß keinen Vorwurf machen. Andererfeits möchte ich bitten; Nehmen Sie es, Herr Minister. den Landwirthen nicht übel, wenn sie klagen! Auch der Wurm krümmt sich, wenn er getreten wird, und daß die Landwirthe getreten worden sind in furchtbarer Weife, daß es ihnen schlecht geht, ist klar. Wenn darauf hingewiesen wird, daß die Landwirthschaft in anderen Ländern keine besseren Preise habe, fo möchte ich doch darauf aufmerksam machen, daß die Land⸗ wirthschaft bei uns für Schulzwecke, für den Arbeiterschutz u. f. w. belastet ist. Entlastet man sie hiervon, dann stellt man sie in gleicher Linie mit der Landwirthschaft des Auslands. Jetzt aber muß, wir für unsere Landwirthschaft Schutz verlangen. as die zur Verhandlung stehende Frage anlangt, so ist es ein Uebelstand, daß die Verfolgung von Betrügereien von den Staatsanwalten abge⸗ lehnt wird, weil es sich nicht um ein öffentliches Interesse handele. Das englische Gesetz, das ich für mustergültig halte, verlangt die Deklaration der chemischen Zusammensetzung und legt für alle Anpreisungen und Prospekte die Verpflichtung der Garantie auf. ur Untersuchung stellt der Staat besondere Analytiker an. Zu erwägen wäre, ob nicht gesundheits⸗ schädliche Stoffe in den Futtermitteln gleich an der Grenze zurück⸗ 8 werden könnten. Ich bedaure, daß der Minister erklärt, die Angelegenheit gehöre in die Reichsgesetzgebung. Soviel ich weiß, ist in 6 eine staatliche Kontrole eingerichtet, und ich meine, wenn das Reich die Sache nicht bald macht, so könnten wir sie wohl pro— visorisch für den Staat ordnen.
Abg, von Ploetz (kons): Ich bitte den Minister, bei der Gesetz⸗ gebn über den in der Interpellation beregten Gegenstand auf den eichstag nicht Rücksicht zu nehmen. Wir wissen garnicht, wie lange der Reichstag noch zufammenbleibt und wir selbst nicht sowohl die Ehre wie die Nothwendigkeit haben, ihm anzugehören. Ueberrascht kann doch der Minister durch die heutige Debatte nicht sein. Er ist gestern noch, darguf vorbereitet worden, daß heute die allgemeine wirthschaftliche Lage werde erörtert werden. (Der inister widerspricht . Es ist ein Irrthum, daß der Minister e'st seit 23 Mongten in seiner enn, ist, er ist bereits 4 bis 5 Monate darin. Wir haben ihm von Änfang an volles Vertrauen entgegen- gebracht, aber unsere Hoffnung auf baldige Hilfe von seiner Seite ist geschwunden. Was sollen nur unsere Wähler sagen, wenn wir jetzt mit leeren Händen nach Hause kommen? Die Lage der kan e ff!