1895 / 79 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 30 Mar 1895 18:00:01 GMT) scan diff

Mark würde unser Antrag 230 Millionen Mark bringen. Die Vor- theile des Antrags betreffs 3 billiger und theuerer Preise sowie für den Kriegsfall und für die Finanzlage des Reichs liegen auf der Hand. Was den Vorwurf der Brotvert ,. betrifft, so möchte ich dagegen die Frage erheben, ob die industriellen Arbeiter bei den jetzigen niedrigen Getreidepreisen besser gestellt sind. Das Gegentheil ist der Fall. Der einheimische Markt sst ruiniert, und well bie Landwirth. schaft weniger kaufkräftig ist, leidet auch die Industrie. Wag die ndels verträge und die Beziehungen unseres Antrags zu denselben etrifft, so kommen die Länder, mit welchen wir H fiber nf, vertrage —— haben, gar nicht in Betracht, sondern nur die Länder, mit welchen wir Tarifverträge haben. Ven den letzteren eigentlich auch nur Rußland und Oesterreich⸗ Ungarn. Was die Verträg⸗ an des Antrages mit dem Wortlaut der betreffenden Verträge be⸗ trifft, so mag eine einseitige Interpretation ein Hinderniß entdecken, aber wir brauchen uns dieser einseitigen Interpretation nicht anzuschließen. Wir haben vielmehr einen Weg zu suchen, um Rußland und Oester—⸗ reich Ungarn für unseren Antrag günstig zu stimmen, und daz dürfte nicht allzu schwer sein; denn die Vortheile der Handelsverträge für Rußland und Oesterreich⸗ Ungarn sind gänzlich fortgefallen, seit⸗ dem dieselben auf die überseeischen Staaten ausgedehnt worden sind. Die Absichten der Kontrahenten zu erfüllen, das ist aber die richtige Vertragstreue. Der schwerste Vorwurf, der egen den Antrag erhoben worden ist, ist derjenige der fer listis em Tendenz,. Ich erkenne eine solche Tendenz aber nicht. Durch unsern Antrag wird dem Landwirth noch lange kein festes Einkommen garantiert. Wenn unser Antrag sozialistisch ist, so waren es die Getreidezölle auch. Man sagt: Die Sozialdemokratie will die Verstaatlichung des Grund und Bodens. Das ist doch aber etwas ganz Anderes, als die theilweise Verstaatlichung eines einzelnen Bedarfsartikels. Und es handelt sich gar nicht einmal um das auf deutschem Grund und Boden gewachsene Getreide, sondern gerade um das ausländische. Wir wollen den Bauernstand und mit ihm den Gewerbe⸗ stand erhalten und stärken, und darum ist unser Antrag nicht sozialistisch, son dern antisozialistisch. Er ist auch kein einseitig agrarischer und noch weniger liegt er im einseitigen Interesse des Großgrundbesitzes. Dieser Vor⸗ wurf ist in sich selbst zerfallen, seitdem Hunderttausende kleiner Grund⸗ eller sich für unseren Antrag erklärt haben. Von dieser Stelle aus danke ich meinen Berufsgenossen in ganz Deutschland dafür. Richt eine Agitation hat die Bewegung zu diesem Umfange anwachsen lassen, e n allein die Noth der Zeit. Ich bitte Sie, nehmen Sie den ntrag an!

Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe:

Meine Herren! Die Bedeutung des Antrags, den Sie heute be⸗ rathen, liegt darin, daß derselbe von gewissenhaften patriotischen Männern eingebracht worden ist, die tief überzeugt sind, daß er für die Landwirthschaft eine Nothwendigkeit sei. Sie liegt ferner darin, daß dieser Antrag in weiten Kreisen den Gegenstand der Besprechung gebildet und große Hoffnungen erweckt hat. Der Vorwurf, der mir im Laufe des Winters gemacht worden ist, daß ich nicht rechtzeitig Stellung zu dem Antrag genommen habe, ist deshalb meines Er— achtens unbegründet.

Ein Antrag wie dieser mußte von der Regierung auf das sorg⸗ fältigste geprüft werden, und es mußte der öffentlichen Meinung Ge⸗ legenheit gegeben werden, sich über den Antrag in gegenseitigem Austausch der Ansichten in der Presse aufzuklären. Das ist nun geschehen, und damit ist die Zeit gekommen, daß auch die Regierung die Gründe darlegt, weshalb sie den Antrag nicht als annehmbar erkennt.

Der Antrag sagt: Der Ein⸗ und Verkauf des ausländischen Getreides, soweit es für den Verbrauch im Inland bestimmt ist, wird auf Rechnung des Reichs besorgt. Damit ist alles Getreide, was nicht für den Verbrauch im Inland bestimmt ist, ausgeschlossen, und es liegt darin ein Einfuhrverbot für das Getreide, das nicht in diese Kategorie fällt.

Daß dieses Einfuhrverbot mit den Handelsverträgen im Wider spruch stehe, das hat auch der Herr Antragsteller anerkannt; er hat aber die Ueberzeugung ausgesprochen, es sei möglich, auf dem Wege der Verhandlungen mit den übrigen vertrag schließenden Staaten deren Zustimmung zu diesen Einschränkungen zu gewinnen. Ich zweifle sehr, daß die Verhandlungen mit den vertragschließenden Mächten zu einem günstigen Resultat führen würden. Ich habe allen Grund dazu, das Gegentheil anzunehmen. Jedenfalls ist es rathsam und auch der Würde des Reichs entsprechend, solche Verhandlungen jetzt, nachdem die Verträge einmal abgeschlossen sind, nicht sofort wieder in Angriff zu nehmen und bei den Vertrags—⸗ mächten um eine Modifikation derselben zu bitten.

Ich kann übrigens die Sache nun unerörtert lassen; denn wenn der Antrag des Herrn Grafen Kanitz sich als nicht ausführbar erweist, so ist die Erörterung über das Verhältniß zu den Handelsverträgen müßig. Meiner Ansicht nach ist das der Fall. Ich glaube, daß der Kanitz'sche Antrag nicht ausführbar ist. Wenn der Getreidehandel in die Hände des Staates übergeht, so werden Sie mir zugeben, daß dann der Privatgetreidehandel mit auswärtigem Getreide aufhört. (Widerspruch rechts) Ich berufe mich da auf die Aeußerungen aus kaufmãnnischen Kreisen. Sie sagen: wenn der Kaufmann im Aus⸗ lande Getreide kauft, das zur Einfuhr nach Deutschland bestimmt ist, so hat er den ganzen deutschen Markt zu seiner Verfügung; er kann sich jeden Käufer aussuchen, der ihm paßt, der ihm die nöthigen Garantien bietet, und gegen die Erlegung des Zolles kann er sein Getreide ins Land bringen; da kann er sofort erkennen, welchen Vor⸗ theil das Geschäft ihm bringen wird. Wenn aber der Kanitz'sche Antrag zur Annahme käme, so würde der Kaufmann, der das Getreide vom Ausland uns verkaufen will, es verkaufen müssen, ohne zu wissen, welchen Vortheil er daraus ziehen kann. Er würde erst, wenn er mit seinem Getreide an die Grenze kommt, erfahren, welcher Preis ihm geboten wird; denn der Preis soll ja nach dem Willen des Antrag stellers jeden Tag bestimmt werden, und da zwischen dem Vertrag über den Kauf des Getreides und der Ablieferung Wochen und Monate liegen werden, so schwebt der Kaufmann in dieser ganzen Zeit in der Unsicherheit, welchen Gewinn er ziehen wird, und ob er überhaupt das Geschäft machen kann. Er weiß nicht ein⸗ mal, ob ihm das Getreide abgenommen wird; denn das Reich ist nicht verpflichtet, das Getreide, das der Händler an die Grenze bringt, zu kaufen; der Händler also ist der Gefahr ausgesetzt, daß der be⸗ treffende Beamte ihm sagt: ich brauche kein Getreide dann ist er genöthigt, mit seiner Ladung in eine andere Gegend zu gehen. (Wider⸗ spruch rechts.)

Nun, auf solche Geschäfte so sagen mir wenigstens alle Kauf⸗ leute kann sich kein Kaufmann einlassen; der Getreidehandel mit auswärtigem Getreide hört also sofort auf.

Wie gestaltet sich aber nun die Sache? Jedenfalls wird das Reich die Verpflichtung übernehmen, für die Beschaffung des für Deutschland nöthigen Getreides selbst zu sorgen. Es wird also ein Reichsdienst organisiert werden müssen, vielleicht ein Reichs-

.

Getreideversorgungsamt (Heiterkeit) mit zablreichen Agenten, die im In. und Auslande die nöthi Beobachtungen anftellen, wie sie setzt von Tänsen ben kaufmãnnischer al e e err 22 Kommt es dann zum Cinkauf, so handelt es sich um die Qualität,

um den Geschmack des Publikums, um die Bedürfnisse der Industrie,

alles Dinge, die jedes Jahr wechseln und deren Beurtheilung

eine große Sachkenntniß erfordert, zu der die vielen dazu anzustellen⸗

den Staats beamten kaum geeignet sein werden. . Meine Herren, der Handel überhaupt und der Getreidehandel

insbesondere ist, wenn ich den Vergleich anstellen darf, ein organisches Ganzes, er ist dem Organismus des menschlichen Körpers vergleichbar: wie vom Herzen aus das Blut in die entferntesten Gliedmaßen des F menschlichen Körpers Kraft und Leben bringt, so liefert der Handel in

die entferntesten menschlichen Wohnungen die Nahrung. Und wie es gefährlich ist, durch willkürliche Eingriffe in den menschlichen Körper die Blutzirkulation des Körpers zu stören, so scheint es mir auch ge—⸗ fährlich, den Organismus des Handels in seiner fruchtbringenden Thätigkeit durch Maßregeln zu hemmen —, damit will ich aber nicht sagen, daß der Staat nicht berechtigt und verpflichtet sei, Auswüchsen und Uebergriffen des Handels entgegenzutreten und durch Zölle die einheimische Produktion zu schützen.

Bedenken wir nun, daß die Zufuhr aus den Ländern, mit denen nach dem Willen der Antragsteller ein beschränkter Verkehr bestehen soll, durch Krieg oder Mißwachs abgeschnitten werden könnte, so würden daraus Gefahren entstehen, für welche die Regierung die Ver⸗ antwortung übernehmen müßte eine Verantwortung, die ich wenigstens nicht übernehmen möchte.

Der Antrag hat aber noch eine andere gefährliche Seite. Der Herr Graf Kanitz hat sich dagegen verwahrt, daß sein Antrag in sozialistische Bahnen treiben würde. Ich glaube, daß, wenn wir einmal das Monopol dieses speziellen Handels mit Getreide, was vom Auslande eingeht, haben. wir sehr leicht auch zum Monopol des Getreidehandels im Inlande kommen werden (lebhafte Zustimmung links und in der Mitte): ein Monopol, welches ja den Vortheil hätte, mit den Handelsverträgen nicht im Widerspruch zu stehen. Sind wir aber erst einmal auf dem Gebiete des Monopols betreffs des Getreidehandels, so kommen wir auch zu anderen staat—⸗ lichen Maßregeln im sozialistischen Sinne; und man weiß dann nicht, wo sie hinführen. Zuletzt könnten wir denn auch zur Verstaatlichung des Grundeigenthums kommen, die doch durchaus nicht im Interesse der Herren Antragsteller liegen würde.

Zum Schluß muß ich darauf hinweisen, daß der Antrag durch⸗ aus nicht allen Landwirthen Nutzen bringt. Ein großer Theil land—⸗ wirthschaftlicher Betriebe wird von dem Antrage einen Vortheil

durchaus nicht haben; es giebt viele, denen der Antrag nicht nur

keinen Vortheil, sondern Nachtheil bringen würde. Die Berufsstatistik, die uns vorliegt, ist aus dem Jahre 1882. Eine neuere haben wir nicht. Aber sie wird auch im großen und ganzen noch jetzt maßgebend sein. Diese Berufẽsstatistik weist nach, daß in Deutschland 5 276 344 landwirthschaftliche Betriebe existieren. Theilt man nun diese, wie es die Berufsstatistik thut, in 14 Gruppen, und umfaßt die erste Gruppe die kleinsten Betriebe bis zu 2 a und die letzte Gruppe die Betriebe von 1000 ha und darüber sieht man nun diese Betriebe darauf an, ob sie in der Lage sind, Getreide zu verkaufen und damit die Vortheile der Preiserhöhung zu genießen, so wird man sich über⸗ zeugen, daß die 6 ersten Gruppen, nämlich die Gruppen, welche bis 2 a, von 2 bis 5 a, von 5 bis 20 a, von 20 a bis 1 ha, von 1 ha bis 2 ha und von 2 ha bis 12 ha dies ist die 6. Gruppe um⸗ fassen, kein Getreide zu verkaufen haben, sondern meistens noch Getreide kaufen müssen. Bestenfalls werden die landwirthschaftlichen Betriebe von 6 ha ab bei gutem Boden im stande sein, den Bedarf an Getreide für den Besitzer und seine Familie zu decken. Nun umfassen die ersten 4 Betriebsgruppen 2 323 316 Be⸗ triebe, die 5. und 6. Gruppe 1719 922 Betriebe oder die 6 ersten Gruppen zusammen 76 aller landwirthschaftlichen Betriebe. Rechnet man auf den Betrieb 35 Personen, so handelt es sich hier um eine Bevölkerung von etwa 15 Millionen Menschen, die von der Er⸗ höhung der Getreidepreise keinen Vortheil, ja, mit relativ wenigen Aus⸗ nahmen, sogar einen direkten Nachtheil durch die Vertheuerung ihrer Lebens⸗ haltung haben werden. (Hört! hört! links) Nehmen wir an, daß die 5 200 000 Betriebe, die den Bestand der landwirthschaftlichen Betriebe überhaupt darstellen, mit 37 multipliziert werden, so ergiebt das ungefähr eine gesammte landwirthschaftliche Bevölkerung von 19 Millionen. Wenn wir also die 15 Millionen, die die Kleinbetriebe darstellen, davon abziehen, so bleibt eine Bevölkerung von vier Millionen Einwohnern, für die der Antrag Kanitz allerdings Vortheile hat. (Hört! hört! links.) Nun ist diese Zahl allerdings groß genug den Herren, die da den Kopf schütteln, sage ich, daß der Staat sein Mög⸗ lichstes thun muß, um deren Noth abzuhelfen. Ich wollte damit nur sagen, daß man Unrecht hat, wenn man bei der ganzen Diskussion immer von der ganzen Landwirthschaft spricht. (Sehr richtig! links.)

Im übrigen legt gerade die Abweisung des Antrags Kanitz der Regierung die Pflicht auf, alle im Bereich der Möglichkeit liegenden Maßregeln zu ergreifen, die geeignet sind, die Noth der Landwirth⸗ schaft zu mindern. Zu diesen Maßregeln rechne ich erstens die Börsen⸗ reform; durch Einschränkung des Börsenspiels beim Getreidehandel werden die ungesunden Auswüchse, die auf die Preisbildung des Getreides einen Einfluß haben, beseitigt. Das Gesetz wird in den nächsten Tagen dem Bundesrath vorgelegt werden. (Bravol in der Mitte)

Die Branntweinsteuer liegt bereits dem Reichstage vor.

Dann sind Schritte eingeleitet, um festzustellen, in wie weit die Transitläger, welche nicht zum Transithandel, sondern zum Innen— handel verwendet werden, fortbestehen dürfen oder eingeschränkt werden sollen.

In Bezug auf die Währungsfrage, die auch Gegenstand der Wünsche der Landwirthschaft gewesen war, möchte ich mich lediglich auf die Aussprüche beziehen, die ich bereits gethan habe.

Dann ist die Regierung ernstlich beschäftigt mit einer Reform der Zuckersteuer, zu dem Zweck, diesem landwirthschaftlichen Zweig eine lohnende Existenz zu sichern. Dabei kann ich noch bemerken, daß auch die preußische Landesverwaltung ernstlich in Erwägung gezogen hat, inwieweit sie den Wünschen entgegenkommen kann; namentlich in Bezug auf die Eisenbahnen wird jetzt ernstlich erwogen, inwieweit die Tarife auf den Eisenbahnen und den Wasserstraßen herabgesetzt oder medifiziert werden können. Eine Herabsetzung der Tarife für den Transport des künstlichen Düngers um 20 0 ist bereits verfügt.

Endlich wird darauf Bedacht genommen werden. ö. fmnanssl/ ö. derselben auf z.

unterstützung der Rentengüter und die Ausdehnung Gründung von Arbeiterstellen herbeizuführen. Ich gebe mich Hoffnung hin, daß auch die verbündeten Regierungen in gleicher n

ihre Fürsorge der Förderung landwirthschaftlicher Interessen angede 2

lassen werden. (Bravo! links und in der Mitte)

Abg. Uhden (b. k. J) macht Bedenken ihm mit unterzeichneten weisung desselben an eine Kommi

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we lade der Land . . n einige a.

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Das würde

Großgru aden bringen. nden fests

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den Verträgen seeischen Staaten

eg zu gehen, wird es uns schwer . aufrechtzuhalten. Der aber man will nicht die Wege

l zur Hebung der ö, vorgeschlagen werden, mögen an sich recht gut sein, aber sie können die Landwirthschaft nicht retten. Den Vorwurf, wir hätten Be— unruhigung ins Land getragen, weise ich entschieden zurück; wir haben vielmehr Beruhigung dadurch verbreitet, daß wir den Land

wirthen das Vertrauen wieder einflößten, daß ihre Sache ernstlich .

vertreten werde. Wenn man solche Reden hört, wie sie der preußische

Landwirthschafts⸗Minister gestern im Abgeordnetenhause und der

Staatssekretär von Boetticher jüngst auf dem Handelstage gehalten hat, so ist das allerdings geeignet, die Hoffnungen der Landpwirthe herabzustimmen, aber den Muth wird die deutsche Landwirtbschast nicht verlieren; wenn sie auch kein Vertrauen zu diefem Reichstag hat, so vertraut sie doch auf die deutschen Fürsten und den Hohenzollern= sproß auf dem Kaiserthrone. .

Preußischer Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten Freiherr von Ham merstein-Loxten:

Meine Herren! Der Herr Abg. von Ploetz hat es für zulässig gehalten, den preußischen Landwirthschafts⸗Minister wegen seiner dienstlichen Thätigkeit als preußischer Minister hier im Reichstag an⸗ zugreifen, und zwar mit denselben Darlegungen, die er gestern im Abgeordnetenhause mir gegenüber schon ausgeführt hat. Dort war ich verpflichtet, ihm Antwort zu stehen; hier verweigere ich das, weil Angriffe gegen den preußischen Landwirthschafts-Minister bezüglich seiner dienstlichen Thätigkeit als solcher überall in den Reichstag nicht gehören. (Bravo! links.)

Abg. Freiherr vön Hammerstein (d. kons. :: Auf der Redner⸗ liste ist ein Gegner des vorliegenden Antrags nicht mehr verzeichnet. Darnach scheinen die Gegner das Gefecht bereits aufzugeben. Oder haben sich die Herren mit der Angelegenheit noch nicht genügend be schäftigt, um hier darüber sprechen zu können! Der Abg. Graf Kanitz hat durchaus nicht die Unvereinbarkeit seines Antrags mit den be— stehenden Handelsverträgen anerkannt, sondern diese Frage offen gelassen. Wenn der Art. 5 des russischen Handelsvertrags eine so elastische Bestim⸗ mung enthält, warum soll uns nicht das Recht zustehen, sie auszunutzen? Wie die russische , ,, von gewissen elastischen Bestimmungen des Vertrags Gebrauch macht, haben wir in 5 Zeit wiederholt beobachten können. Der Reichskanzler meinte, Verhandlungen mit den Vertragsstaaten würden aussichtslos sein. Beruht diese Ansicht auf Thatsachen oder ist sie nur eine allgemeine Behauptung? e,. die Bemerkung des Reichskanzlers, daß es der Würde des Deuts Reichs nicht entsprechen würde, wenige Jahre nach Abschluß der. Verträge die Initiative zu deren Modifizierung zu er— greifen, muß ich Verwahrung einlegen. Die Würde des Deutschen Reichs steht hoch genug, um solche Initiative zu ertragen. Nach dem Antrage des Abg. Grafen Kanitz kann jeder Importeur importieren, er braucht nur die Differenz an der Grenze zu zahlen. Die sum— marische Behauptung seitens der Regierung, daß der Antrag undurch= führbar sei, kann mir nicht imponieren. Haben Erhebungen darüber tattgefunden? Hat man die steuertechnischen Beamten b 6 Der

bg. Dr. Paasche sagt, man solle nicht Vorschläge bringen, ohne deren Durchführbarkeit beweisen zu können. Er selbft hat vor wenigen Tagen in der Tabacksteuerkommission plötzlich ein neues System der Werthbesteuerung des Rohtabacks vorgeschlagen, das selbst der Abg. Richter als revolutionäre r sel bezeichnete. Der Gedanke eines Monopols ist nicht sozialistisch. Das vorgeschlagene Monopol würde die Zunahme des ländlichen Proletariats verhindern und dadurch die Sozialdemokratie bekämpfen. Wenn es uns nicht gelingt, die Geldquelle des Monopols uns dienstbar zu machen, dann sind unsere Geldmittel auf die Dauer unzureichend, die deutsche Groß⸗ machtstellung aufrecht zu erhalten.

e. . und befũrwortet die nch n.

Freunde erkennen

6 die

Staatssekretaͤr des Auswärtigen Amts, Staats-Minister

Freiherr von Marschall:

Der geehrte Herr Vorredner hat eine Reihe von Fragen inter⸗ natlonaler Natur aufgeworfen; darin finde ich meine Legitimation, ibm kurz zu antworten. Er hat eine bestimmte Darlegung von seiten det Regierungsvertreter vermißt, ob und nach welcher Richtung die Durchführung des Antrags Kanitz mit den bestehenden Handelt⸗ perträgen in Widerspruch steht. Ich möchte glauben, daß eine andere Frage doch die Priorität vor derjenigen hat, die eben der Herr Abg. Freiherr von Hammerstein gestellt hat, nämlich die Frage, ob der Antrag Kanitz politisch, sozialpolitisch und wirthschaftlich überhaupt durchführbar ist. Ich glaube, wir haben doch keinen Anlaß, uns darüber die Köpfe zu zerbrechen in diesem Augenblick, ob der Antrag, wenn er durchgeführt wäre, mit den bestehenden Handelsverträgen in Widerspruch stehe, so lange uns der Nachweis nicht ge— liefert ist, daß er überhaupt durchgeführt werden kann. (Sehr wahr! links) Und da muß ich offen sagen, daß die beiden letzten Herren Vorredner zur Klarstellung dieser Frage etwas sehr Wesentliches nicht beigetragen haben. (Lebhafte Zustimmung links, Zuruf) Der Herr Graf Kanitz habe das dargethan? Er hat nur dargelegt, daß der Privat handel wie vorher bestehen könne, die Händler könnten ja das Ge— treide nach wie vor an die Grenze führen, da würde ihnen von den betreffenden Reichsbeamten gesagt, wie viel sie darauf zu zahlen haben; eventuell könnten die Beamten auch sagen: ihr könnt mit dem Getreide wieder nach Hause fahren, denn es ist kein Bedarf. Kebhafter Beifall links. Jurufe rechts)

Der erstere Modus, wenn der Reichsbeamte das Getreide an nimmt, ist eine ganz unverbüllte Zollerhöhung, und zwar in der Form einer gleitenden Skala, die der Herr Abg. Graf Kanitz ent⸗ schieden zurückgewiesen hat. Denn der betreffende Händler muß dann

füt das eingeführte ausländische Getreide bezahlen den Weltmarkts⸗

preis plus der Differenz zwischen dem Weltmarktspreis und dem nach dem Antrag Kanitz festgesetzten Preis, und diese Differenz wird jeden Tag wechseln. Nun hat der Herr Abg. Freiherr von Hammer⸗ stein wiederum darauf hingewiesen, in welche ungünstige Situation diesinigen Staaten, mit denen wir Tarifverträge geschlossen haben, durch diese Verträge gerathen seien. Wenn ich mich erinnere, mit relchen Argumenten man seinerzeit unsere Begründung jener Handels—⸗ rerträge angefochten hat, wie man von einem Tribut sprach, den man Desterreich Ungarn und Rußland zahlte, wie man davon sprach, daß wir unsere Landwirthschaft den Interessen der österreichisch⸗ungarischen und russischen Landwirthschaft opfern: so kann ich nicht ohne einige Genugthuung heute konstatieren, daß man nunmehr den direkt ent gegengesetzten Standpunkt einnimmt und uns sogar einen gewissen Vorwurf daraus macht, daß unsere Unterhändler, welche man früher ungeschickt nannte, so geschickt waren (große Unruhe rechts; sehr gut! linke), daß sie unsere Vertragsstaaten zu Verträgen zu verleiten wußten, die eine so ungünstige Wirkung für dieselben hatten. Ich möchte glauben, daß, wenn jene Staaten wirklich durch diese Ver—⸗ träge in eine so ungünstige Lage gerathen sind, wir es ihnen selbst überlassen müssen, in welcher Weise sie ihre Interessen wahren wollen.

Der Herr Abg. Freiherr von Hammerstein hat dann die Frage aufgeworfen, warum wir denn mit den Vertragsstaaten nicht unter—⸗ handeln wollten, und hat an den Herrn Reichskanzler die Frage ge⸗ richtet, ob seine ablehnende Erklärung etwa darauf beruhe, daß wir bereits Zählung mit jenen Staaten genommen hätten. Das letztere ist nicht der Fall. Wir haben weder Fühlung mit den Ver⸗ tragẽstaaten genommen, noch haben wir die Absicht, das zu thun, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil wir gar nicht wissen, worüber wir mit ihnen verhandeln sollen. (Heiterkeit) Das scheint Ihre große Heiterkeit zu erregen; lassen Sie mich das etwas näher begründen. Wir haben mit den Vertragsstaaten uns derständigt auf der Basis, daß wir unsere landwirthschaftlichen Zölle ermäßigt und auf zehn bezw. zwölf Jahre gebunden haben, und haben dafür von den anderen Staaten Gegenkonzessionen, vornehmlich auf industriellem Gebiet, eingetauscht. Wenn ich nun auf dem Boden des Antrags Kanitz mit den auswärtigen Staaten in Ver— handlung treten wollte, so müßte ich den auswärtigen Staaten die Basis vorschlagen, daß von nun an nicht nur unsere

SGetreidezölle nicht ermäßigt, sondern daß sie sogar über 5 M hinaus

erhöht werden und außerdem es durchaus in unser Belieben gestellt wird, ob und welchen Betrag an ausländischem Getreide wir über⸗ haupt hereinlassen. Das heißt nicht einen bestehenden Vertrag modifi⸗ sieren, das heißt einfach, den bestehenden Vertrag negieren und den anderen Staaten Vorschläge machen, die in diametralem Gegensatze ju den Verträgen stehen, die wir mit ihnen abgeschlossen haben. Zuruf) Der Herr Abg. von Staudy ruft: Diplomatie! Ich bin ihm außerordentlich dankbar dafür, daß er der deutschen Diplomatie so große Leistungen zutraut. Ich möchte ihn nur bitten, sich des Wortes zu erinnern: ultra possé nemo obligatur. Die aus- wärtigen Staaten, welche bisher bei uns Getreide einführten, dadurch ju Konzessionen zu bewegen, daß wir unsere Getreidezölle erhöhen und außerdem nach unserem Belieben das auswärtige Getreide don unseren Grenzen ausschließen, das ist allerdings eine diplomatische deistung, die über die Grenzen desjenigen geht, was bisher von diplomatischen Künsten verlangt worden ist. (Sehr richtig! links.)

Der Herr Abg. Freiherr von Hammerstein hat dann bemängelt, daß der Herr Reichskanzler vorhin bezüglich dieser Frage von der Würde des Deutschen Reichs gesprochen hat. Mit Unrecht; denn ich muß doch sagen: wenn wir im Jahre 1892 Tarifverträge mit aus— wärtigen Staaten schließen auf der Basis einer Ermäßigung der Getreidezölle und wir zwei Jahre später zu denselben Staaten kommen und sagen: nun wollen wir alles über den Haufen werfen, nun wollen wir unsere Getreidezölle erhöhen, ich meine, das würde doch auf die auswärtigen Staaten nicht nur, sondern auf die ganze Welt den Eindruck eines ganz bedauerlichen Schwankens der Regierung machen lsehr richtig! links; Widerspruch und Heiterkeit rechts), und es würde zudem und das ist das Bedenklichste die Zuversicht und den Glauben in unsere Vertragstreue schwer erschüttern.

Ich muß es deshalb mit aller Entschiedenheit ablehnen, auf hhrund des Antrags des Herrn Abg. Grafen Kanitz mit unseren Vertragsstaaten in Verhandlungen einzutreten. (Bravo! links und in der Mitte.) .

Abg. Ri Wi en gar kein Interesse, uns n der i . ug . nr 39. betheiligen. * dn,

iesen Antrag, nur möͤglichfl rasch auf die Tagesordnung bringen, damit der gbicho tn ! . . Landwirthschafts · Minister

. bald auch mit großen Mitteln ge Jahr

bestimmte Stellung zu ihm nehmen. Das ist kee eis bitte

darum, ihn jetzt so bald wie möglich gleich im Plenum abzulehnen. Hierauf vertagt das Haus um 5 Uhr die weitere Be—

rathung auf Sonnabend 1 Uhr.

Preusßischer Landtag. Herrenhaus. 8. Sitzung vom Freitag, 29. März. ; Der Sitzung wohnen der Minister der öffentlichen Ar⸗ beiten Thie ken, der Minister für Landwirthschaft ꝛc. Frei⸗ herr von Hammerstein-Loxten, der Justiz-Minister Schönstedt und der Minister des Innern von Köller bei.

Die Berathung des Staatshaushalts-Etats wird fortgesetzt bei dem Etat der Domänen- und Forst—⸗ ver waltung.

Berichterstatter Graf von Königsmarck: Die Frage, wie der Noth der Landwirthschaft abzuhelfen seJ scheint unlösbar zu fein. Die Noth ist entstanden durch die wirthschaftlichen Verhältnisse des Jahr⸗ hunderts und durch die Gesetzgebung. Die Machtstellung Preußens kommt nur den Städten zu gute. Hin sammeln sich die großen Kapitalien an; alle Minister und hohen Verwaltungsbeamten wohnen in der Stadt. Der Gesetzesstiefel wird auf die Stadt zuge— schnitten, ihn soll das platte Land tragen, gleichgültig ob er paßt oder nicht. Das wird dann ein spanischer Stiefel. Wir wollen Ge—⸗ setze, unter denen wir leben können. Man spricht immer von den

roßen und kleinen Mitteln. Mit den großen Mitteln; der Frage der ndelsverträge, Monopollsierung des auswärtigen Getreides durch den Staat und Silberwährung, hat sich die Kommlssion nicht be— schäftigt, weil . glaubte, daß dies Sache des Reichstags sei. Sollten in, diesem Jahre die kleinen Mittel nicht verfangen, so werden wir uns im nächsten Jahre mit den großen Mitteln beschäftigen müssen. 6 den ersteren rechnen wir die Bekämpfung der Viehseuche, die Einführung der Staffeltarife, die Verminderung der Schullasten für die ländli zen Gemeinden, die jetzt 200 bis 256 0 a ur Staatssteuer für Schulzwecke aufbringen müssen, die ch nt gung der landwirthschaftlichen Interessen bei Flußkorrektionen und die. Verminderung des Schreibwerks in der Verwaltung. Diese kleinen Mitte! müssen vorerst mit aller Energie verfochten werden. Graf von Klinckowstroem: Ich glaube, der Landwirtbschaft . en. werden. In sieben ren baben sich die Schulden um ca. eine Milliarde vermehrt. Theilweise sind die Landwirthe selbst an der Nothlage schuld gewesen, W wir uns zu wenig um wirthschaftliche Fragen und um unsere Drganisatign kümmerten. Diese Fehler haben wir nun abgelegt. Der Nothstand ist eine Folge der Gesetzgebung, die den Grund- besitz als Waare behandelte. Daher kam das falsche Erb⸗ recht, die Belastung mit Hypotheken i mit Renten, die verfehlte Tarifpolitik. Da jah man ein, so gehe es nicht weiter, und Fürst Bismarck brach ohne Zaudern mit dem Prinzip des Freihandels. Wir kamen zum Schutzzollsystem, welches die Landwirthschaft in der Höhe schützen sollte, als das Ausland billiger produziert. Leider ging man dann zur Handelsvertragspolitik über. Die Kon⸗ kurrenz des Auslandes wuchs auch in Bezug auf die Vieh⸗ zucht. Dazu kamen Seuchen, der Preissturz der Butter kurz, heute wissen Bauer, Besitzer, Edelmann nicht, wo aus noch wo ein. Vor der Invasion des fremden Getreides hilft nicht einmal, wie bei einer Invasion des Feindes, das Schwert. Wenn die Regierung nun sagt, sie habe keine Mittel, so kann sie sich über die Erregung in ländlichen Kreisen nicht wundern. Wir reizen die Agitation nicht an, sondern haben genug damit zu thun, die Agitation in geregelten Bahnen zu halten. Wenn man die Fehler einsieht, muß man zu Heilmitteln kommen. Es giebt solche, die allmählich und die schnell wirken. Zu den ersteren gehören: Regelung des Erbrechts, des Schuldenwesens, der Amortisatlon. Will man aber eine Zwangs⸗ amortisation, so muß man dafür sorgen, daß die Grundbesitzer wieder Zinsen bezahlen können. Deshalb sind auch Mittel nöthig, die augen⸗ blicklich helfen. Zu den kleinen Mitteln, die die Regierung vorschlägt, gehört die Verstärkung der Meliorationsfonde. e n . ist, daß die Fonds nicht schematisch nur den Kleingrundbesitzern, sondern auch den Großgrundbesitzern zu gute kommen. In Bezug auf die Tarife hoffe ich, 8 recht bald etwas Durchschlagendes geschieht. Auch die Verhinderung der Vieh— seuchenverbreitung muß aufs sorgfältigste ins Auge gefaßt werden. Ferner ist eine Hebung des Personalkredits . Der Preissturz der Butter muß aufgehalten werden, und es würde sich empfehlen, schärfer gegen die Margarine vorzugehen. In Amerika muß jedermann, der mit Margarine kocht oder backt, dies öffentlich bekannt machen. Weiter wäre die Konkurrenz Rußlands in Gänsen zu beschränken, besonders, da durch die Einfuhr von Gaͤnsen häufig die Maul: und Klauenseuche Verbreitung findet. Dem Betrug bei dem Verkauf von Düngemitteln und Sämereien muß entgegengetreten werden. Die Bil⸗ dung von Rentengütern ist mit Vorsicht vorzunehmen; für den Osten hat der Großgrundbesitz große politische und soziale Bedeutung. Dann möchte ich zu den kleinen Mitteln zur Hebung der Landwirthschaft noch zählen eine bessere Fürsorge des Fiskus für die Landstraßen, und eine Unterstützung für den Bau von Kleinbabnen, die allerdings nur dort nützlich wirken, wo das Sekundärbahnnetz fertig ist, was in Ost— preußen noch nicht der Fall ist. Endlich erwähne ich noch die Silos, die fleilich erst in Betracht kommen, wenn etwas Näheres über die Tarise feststeht. Nun komme ich zum Antrag Kanitz. Darunter verstehe ich alle Vorschläge, die gemacht sind oder noch gemacht werden, um den Getreidepreis rasch zu heben. Es liegt mir fern, den Beschluß des Staatsraths zu kritisieren. Nur darauf möchte ich autmerksam machen, daß der Minister für Land wirthschaft am 29. Januar im Abgeordnetenhause gesagt hat, eine Monopolisierung der Getreideeinfuhr stehe nicht im Widerspruch zu dem russischen Handelspertrag. Ich wäre mit einer Kontingentierung der Getreideeinfuhr schon zufrieden. Ich glaube, der Minister wird Mittel und Wege mit uns suchen und finden müssen, die Theorie einer F der landwirthschaftlichen Noth in die Praxis umzufetzen. Die Vorschlage des Staatsraths decken sich mit den von mir genannten kleinen Mitteln. Als einzig großes Mittel bleibt die Währungsfrage übrig. Haben wir ein festes Werthverhältniß zwischen den beiden Metallen, dann werden auch die Preise der Produkte steigen, wenigstens so lange, bis die Handelsverträge zu Ende sind und wir wieder freie Hand haben. Wenn der Antrag Kanitz jetzt verworfen wird, wird er immer wiederkehren, und ich glaube, schließlich wird sich die Regierun damit befreunden müssen. Auf dem Gebiete der Währung bitte i aber nicht zu ruhen und zu rasten. Heran an die Konferenz, es ist die höchste Zeit!

Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammer⸗ stein⸗Loxten:

Meine Herren! Zunächst möchte ich meiner Freude darüber Ausdruck geben, und es hat mich außerordentlich wohlthuend berührt, daß in diesem Hause nicht lange Reden über die Nothlage der Land- wirthschaft gehalten sind, wie das gestern im Abgeordnetenhause ge= schehen ist, daß man vielmehr diese Thatsache als fest—⸗ stehend ansieht, und ich meines Orts will auch mit der kurzen Bemerkung über diese Frage hinweggehen: die Königliche Staatsregierung erkennt im vollsten Umfange an, daß die Landwirthschaft in allen Theilen Deutschlands, speziell innerhalb der preußischen Monarchie und am schlimmsten im Osten, sich in einer schweren Nothlage befindet.

Nun, meine Herren, müßte eine Regierung wirklich pflichtvergessen genannt werden, wenn sie nicht in dieser ernsten Zeit auch in ernste Erwägungen eingetreten wäre über die Maßnahmen, die

zu ergreifen sind, um der Nothlage abzuhelfen, um sie wenigstend, wenn Abhilfe unmöglich, zu mildern. Denn darüber, glaube ich, meine Herren und der Hoffnung gebe ich hier ganz bestimmten Ausdruck dürfen und können wir uns nicht täuschen, daß jede Krisis eine vorübergehende ist, und so hoffe ich auch, diese Krisis. Die Ursachen der Krisis sind so schwerwiegender Natur ich werde das späterhin noch ausführen —, daß ich glaube, durchgreifende Mittel sind nicht möglich, und so wird man im wesentlichen sich der Hoffnung hingeben müssen, daß diese Krisis wie alle Agrarkrisen vorübergehend sein wird, und daß es im wesentlichen darauf ankommt, Milderungen in diesem Zustand herbeizuführen. (Sehr richtig!)

Nun, meine Herren, will ich einem allgemeinen Gesichtspunkt Ausdruck geben. Ich glaube, im allgemein politischen, im konserva⸗ tiven, im monarchischen Interesse ist dringend nothwendig, daß wir über die Mittel, die man anwenden kann, und die die Regierung anwenden kann und will, und die sie, wenn sie sie anwenden kann, zweifellos auch anwenden wird, uns Klarheit verschaffen. Denn an die sogenannten großen Mittel hat sich eine Agitation ge⸗ knüpft, die im höchsten Grade bedenklich ist (sehr wahrh, und dieser Agitation muß gründlich die Wurzel abgeschnitten werden. (Sehr wahr! Und deshalb ist es nothwendig, daß über das, was die Regierung nach ihrer Auffassung thun kann, Klarheit geschaffen wird, und daß auch darüber Klarheit ge—⸗ schaffen wird, was die Regierung thun will. (Bravo

Meine Herren, ich will den umgekehrten Weg verfolgen, den Herr Graf von Klinckowström gegangen ist. Er hat mit den großen Mitteln geendigt, ich will mit den sogen. großen Mitteln anfangen. Im Vordergrund der großen Mittel steht der Antrag Kanitz; und was der enthält und bedeutet, meine Herren, das wissen Sie ja alle. Es giebt kaum ein Blatt, keinen Kreis, keinen landwirthschaftlichen Verein, keine Hütte in Deutschland, wo nicht in den letzten Wochen und Monaten der Antrag Kanitz verhandelt ist. Ueber den Inhalt dieses Antrags brauche ich mich nicht weiter zu äußern. Neben dem Antrag Kanitz geht eine Reihe von anderen Vorschlägen, welche ich zusammenfassen will unter dem Be⸗ griff der Getreidekontingentierung, Getreidemonopolisierung u. s. w. Herr Graf Klinckowströn hat sie näher berührt. Sie wissen, daß über diese Fragen eine sehr eingehende Be⸗ rathung des Staatsraths stattgefunden hat. Es liegt Ihnen jetzt eine objektive Darlegung der Verhandlungen des Staats raths vor. Sie kennen die Beschlüsse, die der Staatsrath gefaßt hat. Auf Grund dieser eingehenden Verhandlungen und Prüfung der Frage ist die Staatsregierung zu der bestimmten Ansicht gelangt ich habe das gestern schon im Abgeordnetenhause ausgesprochen —, daß weder der Antrag Kanitz noch einer der sonst unter den Begriff der Getreidemonopolisierung fallenden Vorschläge annehmbar ist (Ruf: sehr bedauerlich: einmal, weil sie mit den Handels verträgen im Widerspruch stehen; zweitens, weil sie nach Ansicht der Königlichen Staatsregierung sich als undurchführbar darstellen, und drittens, weil die Staatsregierung der Meinung ist, daß das Ziel, welches sie verfolgen, nicht erreicht werden würde. (Bravo!)

Hieran anknüpfend, will ich sofort ein paar Fragen beantworten, die der Graf Klinckowström am Schluß seiner Bemerkungen erörtert, welche sich auf diesen Gegenstand beziehen. Er hat darauf hingewiesen, daß ich im Abgeordnetenhause in der ersten Lesung des Etats bei der Verhandlung über den Antrag Kanitz ausgesprochen habe, ich persönlich halte die Monopolisierung der Getreideeinfuhr für vereinbar mit den Handelsverträgen. Jawohl, meine Herren, diese Ansicht kann ich in gewisser Weise auch jetzt noch vertreten. (Hört, hört! Denn wenn ich lediglich den Wortlaut der Handelsverträge zu Grunde lege, so ist den kontrahierenden Staaten das Recht der Monopolisierung gewisser Artikel vorbehalten, und wenn man diesen Gesichts—⸗ pünkt allein ins Auge faßt, so ist mit Recht zu behaupten, daß die Monopolisierung der Getreideeinfuhr nicht ausgeschlossen sei. Demgegenüber steht ein anderer Gesichts⸗ punkt, der schwerwiegender Natur ist. Was ist der Zweck der Handelsverträge? Die kontrahierenden Staaten haben sich gegenseitig bezüglich einer großen Kategorie von Artikeln freie wirth— schaftliche Bewegung zugesichert und diese freie wirthschaft⸗ liche Bewegung nur durch Festsetzung von Tarifeinschränkungen eingeengt. Für den Artikel Getreide“ ich fasse das allgemein ist lediglich die Einschränkung vereinbart, daß bei Eingang nach hier ein Zoll von 3,50 M erhoben werden soll; im übrigen ist die wirthschaftliche Bewegung der Ein. und Ausfuhr eine freie. Wenn Sie die beiden gegensätzlichen Auffassungen mit einander vergleichen, so können Sie zu sehr verschiedenem Ergebniß kommen. Wenn man wörtlich interpretiert, kommt man dazu, daß die Getreidemonopo⸗ lisierung mit den Handelsverträgen vereinbar ist. Wenn man auf den Sinn und Geist geht, so ist es gegen den Sinn und Geist und Zweck der Verträge, daß ein so wichtiger Artikel wie Getreide ich will Rußland herausgreifen von der freien Bewegung ausgeschlossen wird, indem man die Einfuhr des Getreides kontingentiert.

Ein anderer Gesichtspunkt kommt aber noch in Betracht. Staatsverträge interpretiert man nicht wie Privatverträge. Es kommt auch eine gewisse politische Rücksicht dabei in Betracht. und wenn man Veranlassung hat, wie beispielsweise gegenüber Oesterreich und vielleicht auch gegenüber Rußland, gewisse politische Rücksichten zu nehmen, so muß man im Zweifele fall ein gemeinsames Einverständniß über die Auslegung erzielen, um den Hauptzweck der Verträge: nicht bloß ein wirthschaftliches, sondern auch ein politisches Zusammengehen der Staaten, nicht zu gefährden. (Sehr wahr) So wird es darauf ankommen, nicht allein, wie wir den Vertrag auslegen, sondern wie auch die andern kontrahierenden Staaten ihn auslegen.

Bei der Gelegenheit will ich ich halte mich dafür befugt hier gleich einen Gedanken streifen, der bei allen Debatten in den Vorder- grund geschoben wird. Es wird immer gesagt, man könne über alle diese Fragen mit dem Springstock hinwegkommen; man brauche nur mit Rußland und zu Oesterreich verhandeln, so werden sie uns auf dem Gebiete der Getreidefrage die Konzessionen machen, die wir wünschen. Ich glaube, daß man in dieser Richtung Fühlung gesucht hat und auf Widerstand gestoßen ist. Eine große Gefahr könnte darin liegen, daß, würde man diesen Weg betreten, dann die kontrahierenden Staaten Gegenforderungen stellen, und die erste würde

vielleicht eine gerade für die Landwirthschaft bedenkliche sein können.

Sowohl gegenüber Oesterreich wie gegenüber Rußland könnten Kon— zessionen vielleicht bezüglich der Vieh, und Fleischeinfuhr gefordert