1895 / 80 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 01 Apr 1895 18:00:01 GMT) scan diff

formell vertrage sich der Antrag Kanitz mit den Handels · vertrãgen, aber nicht ihrem Sinne nach. halb vermeidet man Erörterungen mit den Nachbarstaaten? Man fürchtet, sie könnten ju Komplikationen, jum Krieg, zur Niederlage führen. Ist die Landwirthschaft völlig darniedergeworfen, wird die Niederlage auch kommen; nur die Landwirthichaft ist im stande, unsere Armee kräftig zu erhalten. Sozial bedeutet, die Landwirthschaft etwas ganz Anderes als die anderen Gewerbe. Diefe sind nicht berechtigt, das selbe zu verlangen wie die ancwirtbschaft, die festeste Stüße des Staats, das einzige Bollwerk gegen die Sozialdemokratie. Der Uebergang des mobilen Kapitals aus einer Hand in die andere ist gleich- gältig, der zwangsweise Uebergang eines Grundbesitzes in eine andere Hand ist stets mit der Devastation des Grund⸗ besitzes verbunden. Nun wird von Agitation gesprochen, Föchftens kommt bier der Antrag Kanitz in Betracht. Die Frage ist nicht gelöst, ob er durchführbar ist, wenn auch die Minister sagen: non liquet. Wenn die Getreidepreise so bleiben, wird nach mesner Uieberseugung der Antrag Kanitz im nächften Jahre Gesetz. Eine Agitation muß jede Partei treihen, sonst verschwindet sie von der Bildfläche. Wir wünschen die Agitation in loyalsten Formen ge—⸗ balten zu sehen, aber nicht alle draußen im Lande sind Diplomaten. Cine Agitation wie die des Bundes der Landwirthe ift nicht gefährlich. Zu der en des Ministers baben wir das größte Vertrauen. Wir glauben gern, daß er sein Möglichstes fön will die Preise zu beben. Der Reichskanzler führte die kleinen landwirthschaftlichen Betriebe ins Gefecht, die kein Getreide verkauften. Die Unrichtigfeit ist leicht nachzuweisen. Die Arbeiter bekommen ihren Lohn in 6 das sie zum theil ver⸗ kaufen; sie haben also ein Interesse an hohen Preisen, die Stellenbesitzer aber berechnen sich den Ertrag ihrer Arbeit auch nach baarem Gelde, Die Landwirthschaft steht und fällt mit den Getreideyreisen. Ich bedaure, daß ein Mann mit scharfem Verstand und großem Wissen, den ich als Parteigenossen stets jehr hoch geschätzt habe, Herr Freiberr von Marschall gesagt hat: Wir haben wegen des Antrags Kanitz weder Fühlung mit den Nachbarstaaten gesucht noch wollen wir sie suchen, Ich sehe trübe in die Zukunft, halte es aber für meine Pflicht, auf meinem Platze zu bleiben. So viel an mir liegt, will ich versuchen, den Kampf in Formen zu führen, wie sie diesemn hohen Hause ange—⸗ messen sind. . .

Herr von Bethmann⸗Hollweg: Die Noth der Landwirth⸗ schaft ist zu solcher Höhe gestiegen, daß unbedingt sofort Mittel zur Abhilfe angewandt werden müssen. Bei einem Theile der Landwirthe beißt es: jetzt entweder Antrag Kanitz oder Ruin. Ich sehe es als unsere Aufgabe an, möglichst zur Ruhe zu mahnen und sachlich die Angelegenheit zu besprechen. Ich balte es nicht für richtig zu sagen: nur dieses, kein anderes Mittel könne helfen. Ich erkenne an, daß der An · trag Kanitz geeignet ist, der Landwirthschaft rasche und ausreichende Hilfe zu gewähren, meine aber, daß der Antrag doch in verschiedenen Be⸗ ziebungen sehr bedenklich ist. Die direkte Beeinflussung des Brot⸗ preises durch die Königliche Regierung würde ein Agitationsmittel von ungeahnter Tragweite bilden. Ich habe das Zutrauen, daß unsere landwirthschaftliche Bevölkerung so viel moralische Kraft besitzen wird, um die schwere Zeit zu Überwinden. Den Staat halte ich für den ungeeignetsten Getreidebändler, den es geben kann. Auch die Ausführbarkeit des Antrags gegenüber den Handels vertrãgen kommt in Betracht. Nach ihrem Sinne sollen einzelne Handels⸗ artikel, besonders Getreide, nur gewissen fest bestimmten Beschrankungen unterworfen sein. Man würde also mit den auswärtigen Staaten in Unterhandlungen treten müssen. Da würden jedenfalls Gegenforderungen erheben werden, die sehr ins Gewicht fallen würden. Wenn ich den Antrag Kanitz für undurch⸗ führbar halte, um so mehr muß ich die Hoffnung aussprechen, daß etwas Wirkliches für die Landwirthschaft geschiebt. In der Steuerfrage müßte mehr gescheben. Die Grundfteuer ist ja nicht aufgehoben, sondern hat zumeist den Adressaten gewechselt. Ich habe auch einen Antrag eingebracht, nach dem die Rückiahlung der Grundfteuer⸗ entschadigung aufgehoben werden soll. Ueber ihn werden wir ja seiner Zeit noch sprechen. Jedenfalls bitte ich, wenn der Kampf fortgesetzt wird, dies in konzilianten Formen zu thun. ;

Ohne weitere Debatte werden die noch ausstehenden Einzel⸗Etats erledigt, der Etatsgesetzent wurf wird im ganzen angenommen.

Schluß nach 4M Uhr.

Haus der Abgeordneten. 52. Sitzung vom Sonnabend, 30. März.

Ueber den Beginn der Sitzung ist gestern berichtet worden. . ;

s 56 des Gerxichtskostengesetzes handelt von den Gebührensätzen für Grundbuch- und Hypotheken⸗ sachen.

Abg. von Cuny (nl) beantragt, den Paragraphen in die Kom- mission zurückzuverweisen, und begründet dies mit der Nothwendigkeit, die Gebührensätze für den kleinen Grundbesitz zu ermäßigen.

Justiz⸗Minister Schönstedt:

Meine Herren! Wenn jetzt noch der Wunsch nach einer weiteren

Herabsetzung der Gebühren in Grundbuch, und Sypotbekensachen wieder in Anregung gebracht werden foll te, dann wäre es doch wohl

richtiger gewesen, dies in Gestalt eines bestimmten sachlichen Antrags zu thun, statt den Antrag zu stellen, die ganze Sache wieder in die Kommission zurũckjuverweisen. Würde diesem Antrage stattgegeben, so würde eine Verzögerung herbeigeführt werden, die vie

ledigung des ganzen Gesetzes in dieser Session in Fr habe zu meinem Bedauern den Berathungen d so nicht, wie im eimelner

beiwohnen können, weiß a n die Verhandlungen verlaufen sind. Aber daß die Käammission gründlich und eingehend auch über diese Punkte verhandelt hat, glaube ich nicht in Frage stellen zu darfen, umsoweniger, als die Interessen des Grundbesitzes dort ihre vollstãndige Vertretung gefunden haben. Wenn nun speziell die Interessen des zersplitterten Grundbesitzez in der Rheinprovinz, wie er übrigens auch in anderen Provinzen, in Hessen⸗Nassau und im Eichsfelde vorkommt, hier vorwiegend ins Feld geführt werden, so sind ja für diesen die Gebübrensätze des Tarifs so niedrig bemessen

im Anfang handelt es si fängt an mit 40 3 und 20 4, die Markgrenze wird erst überschritten bei Objekten von 200 M, daß in der That hier eine weitere Ermäßigung der Gebühren kaum noch in Aussicht zu nehmen ist. Für diese kleinen Objekte stebt das⸗ jenige, was das Gesetz an Gebühren fordert, eigentlich schon in keinem Verhältniß zu der Arbeitsthätigkeit der Gerichte, die mit der Er⸗ ledigung der Geschäfte verbunden ist. Wenn man sich auch auf den Standpunkt stellt, daß der Umfang der Thätigkeit der Gerichte für die Gebührenhöhe nicht ausschließlich maßgebend sein soll, daß viel⸗ mehr ein Ausgleich stattfinden kann zwischen den Gebühren, die bei den hohen Objekten erhoben werden tõnnen, gegenüber den Gebühren bei den kleinen Objekten, so meine ich, es muß doch darin ein gewisses Maß beobachtet werden. Die Gerichte können doch nicht für 10 3 arbeiten. (Sehr richtig! rechtẽ.)

Abg. Broese (kons.) stimmt den Aufführungen des Justiz⸗ Ministers zu.

Abg. Knebel (nl. hält die Klagen des kleinen Grundbesitzers im Desten üher die Höbe der Gebühren für durchaus berechtigt. Bei zerfplittertem Grundbefitz, wie er im Westen vorherrsche, stellten sich die Gebühren weit höher als bei geschlossenem Grundbesitz.

Gebeimer Ober ⸗Justiz⸗ Rath Vietsch: In der Kommission ist eine eingehende Berathung über die Gebübrensätze gepflogen worden, und man hat sich überzeugt, daß es unthunlich sei, in der ãßigung der Gebühren für kleinere Objekte weiter zu gehen, als es 06 56 thut. In der Vorlage sind für den Grundbuchverkehr im allgemeinen fo viele Erleichterungen geschaffen, daß eine Aenderung der Geühren⸗ reihe des Z ß im Sinne des Abg. von Cuny sich nicht rechtfertigen läßt. Auch bejũüglich des von dem ĩ angezogenen ger splitterten Grundbbesiges sind besondere Erleichterungen geschaffen. Im Interesse des Zustandekommens des Gesetzes bitte ich namens der Staafsregierung, den Antrag des Abg. von Cuny abzulehnen.

Finanz⸗Minister Dr. Miquel: ö

Meine Herren! Ich kann mich dem Wunsche des Herrn Justiz- ministers und seines Herrn Kommissars in Bezug auf den Antrag des Herrn Abg. von Cuny nur anschließen. Herr Abg. Knebel sagt: wir haben keinen Antrag hier stellen, bestimmte Vorschläge nicht machen können, weil diese ganze Vorlage auf einem bestimmten System be⸗ ruht, und weil also eine neue Berathung stattfinden muß, um die Gleichmäßigkeit der einzelnen Tarifsãtze bei Aenderung von bestimmten

ichtigen Positionen wieder herzustellen. Daraus ergiebt sich von selbst, daß durch die Zurückverweisung an die Kommission das Zustande⸗ kommen dieses Gesetzes in dieser Session sehr wohl in Frage gestellt wird. Denn wenn wieder eine eingehende gründliche Diskussion aller dieser Fragen in der Kommission stattfinden soll, so kann wohl erst nach Ostern der neue Bericht erstattet werden, und es wird dann auch noch schließlich die Berathung im Herrenhause möglicher⸗ weise zu Differenzen mit dem Abgeordnetenhaufe führen können, was ja bei solchen Tarifsätzen sehr leicht ist, und so kann das ganze Gesrtz gefährdet werden. Nun geht aber aus der ganzen Haltung des Hauses sowobl wie aus den Berathungen der Kommission hervor, daß man in diesem Gesetz einen sehr wesentlichen Fortschritt erblickt, einen sehr wesentlichen Fortschritt in Bezug auf die gerechtere Ver⸗ theilung der Lasten und die Entlastung der kleineren Objekte.

Wenn der Herr Abg. Knebel, wie er das schon bei verschiedenen Gelegenheiten gethan hat, im Hinblick auf die zersplitterten Boden⸗ verhältnisse in der Rheinprovinz hier uns darlegt, daß da noch sehr viel größere Entlastungen erfolgen müßten, weil sonst eine Prägrava⸗ tion stattfinde, so ist dies bei Gesetzen, die die ganze Monarchie um⸗ fassen, überhaupt nicht ganz zu vermeiden. Ich erinnere beispielsweise an das Ergänzungssteuergesetz. In demselben Maße, wie hier ich glaube aber, mit Unrecht; werde aber darauf zurũckkommen behauptet wird, daß Landestheile mit zersplittertem Boden benachtbeiligt würden, in demselben Maße werden sie in der Ergänzungssteuer begünstigt; denn wenn die Steuergrenze von 6000 S abzüglich der Schulden für die Steuerpflicht entscheidet, so ergiebt sich ganz von selbft, daß in diesen Provinzen mit stark zersplittertem Boden die Zahl der von der Ergänzung steuer Freigelassenen eine sehr viel größere ist als in anderen Landestheilen, wo der Grundbesitz nicht so zersplittert ift, welches letztere nicht bloß auf den Often zutrifft, sondern auch auf eine Reihe von westlichen Provinzen, Hannover beispielsweise mit seinem wohlsituierten Bauernstand, Schleswig⸗ Holsftein u. 5. w. Da wird der Grund und Boden in seinem Ein⸗ kommen durchschnittlich stärker auf Grund dieses Ergänzungẽfteuer⸗ gesetzes herangezogen werden als in der Rheinprovinz. Ganz kann man das nicht ausgleichen; denn sonft müßten wir alle diese Gesetze auflösen in provinzielle Gesetze. Wenn wir hier lediglich nach den Verhältnissen der Rheinprovinz ein Gesetz machen wollten, so paßt dieses Gesetz wieder nicht für die anderen Provinzen. Herr von Cuny hat selbft gesagt, daß diese Tarifbestimmungen für den Often der Monarchie wohl vassen mögen, aber nicht für die Rheinprovinz. Mit Recht ist ihm darauf schon erwidert: wir können doch nicht lediglich allgemeine Landesgesetze aus den besonderen Gesichtspunkten einer ein⸗ zelnen Provinz behandeln!

Meine Herren, die Finanjverwaltung nimmt an diesem Gesetz kein besonderes Interesse. Denn ich glaube nicht, daß namentlich nach den Ergebnissen der Kommissionsberathung wesentliche Mehrein-⸗ nahmen sich berausftellen. Aber ich möchte doch hier eine Bemerkung machen, die ich auch schon bei Gelegenheit der Berathung des Stempel⸗ gesetzes gemacht babe.

Meine Herren, wenn wir in Preußen zu den Kosten der Justiz⸗ verwaltung einen Betrag von etwa 63 Millionen Mark zuschießen, so ift das erheblich höher als fast in allen anderen Ländern, nament⸗ ich auch in Deutschland, und da entsteht doch schließlich die Frage er gerechten Vertheilung der Lasten. Ich bin allerdings der Ansicht, der Staat als solcher, die Gesammtheit, an der Aufrecht⸗

g einer guten Justiz auch ein großes Interesse hat, und daß man die gesammten Kosten der Justizverwaltung, auch nicht einmal in Zivilsachen und in Sachen der freiwilligen Gerichts⸗ barkeit, allein den Intereffenten zuweisen kann. Geht man aber in der Entlastung der Interessenten zu weit, so entlastet man diejenigen, die doch ein besonderes Interesse bei der Führung einer Rechts⸗ angelegenheit haben und bei deren Erledigung durch die Gerichte; dann legt man denjenigen, die diese Hilfe der Juftiz nicht in Anspruch nehmen, in der allgemeinen S

Steuer die Last auf, die zum wesentlichen Theil doch die Intereffenten tragen müßten. Nach diesem Prinzip der Gebühren⸗ balancierung ift ja die ganze neuere Gesetzgebung mehr und mehr jetzt eingerichtet, das Kommunalsteuergesetz beruht voll⸗ ständig auf diesen Prinzipien. Man soll daher, wie der Herr Juftiz⸗Minister mit Recht gesagt hat, nicht zu weit gehen; man muß in allen diesen Dingen Maß halten, man kann nicht überall absolut ungleiche Verhältnisse mit gleichem Maß messen, und ich glaube, nach den Ausführungen des Herrn Kommissars des Her Justiz⸗Minifters sind doch die Entlastungen schon so bedeutend, nament⸗ lich für die kleineren Objekte und diefe Entlastungen werden gerade vorzugsweise die Rheinprovinz treffen, weil in den anderen Landes- theilen so viel Fälle kleiner Werthobjekte eben nicht vorkommen —, daß dadurch allein schon die Rheinprovinz und überhaupt die Landes⸗ theile mit zersplittertem Grund und Boden einen erheblichen Vortheil haben.

Unter allen diesen Gesichtzwunkten glaube ich, da spezielle An—⸗ träge, über die diskutiert werden könnte, überhaupt hier nicht voꝛ⸗ liegen, das Gesetz in seinen Grundlagen aber hier in Frage gestellt wird, daß das hohe Haus wohl thun wird, dem Antrage des Herrn von Cuny nicht beizutreten.

Abg. Schaffner (ul.) emrfieblt den Antrag von Cuny. Hessen⸗ Nassau und die Rheinprevinz bätten den dringenden Wunsch, die Sache noch einmal einer gründlichen Prüfung unterzogen zu seben.

Justiz⸗Minister Schönstedt:

Meine Herten! Ich möchte nur noch auf einen Gesichtepunkt aufmerksam machen.

Die im Justiz⸗ und Finanz⸗Ministerium angestellten statistischen Grmittelungen haben ergeben, daß durch die für Grundbuchsachen ge⸗ troffenen Ermäßigungen über S0 0/0 sämmtlicher Grundbuchgeschäfte betroffen werden. Es ist dies doch ein sehr weitgehendes Entgegen⸗ fommen. Nur etwa 15 bis 20 00 werden von der Erhöhung betroffen.

Sollte in der Ermäßigung noch weiter gegangen werden, so würde die

unausbleibliche Folge sein die Erhöhung der Sätze für die hohen Objekte, und ich glaube, daß das kaum den Wünschen des Abgeord⸗ netenhauses entsprechen würde.

Im übrigen mache ich darauf aufmerksam, daß, wenn nach dem

Antrag von Cuny und Knebel verfahren werden sollte, dann die Ge⸗ fahr heraufbeschworen würde, daß die Ermäßigung, die dieses Gesetz einem großen Theil des Grundbesitzes, namentlich dem kleinen, bringt, demselben mindestens um ein Jahr vorenthalten wird.

Abg. Dr. Irmer (kons) spricht sich gegen den Antrag von Cunmy aus, dessen Konsequenz der Abbruch der gegenwärtigen Berathung sein würde. l ( ; ;

Abg. von Cuny (nl) bemängelt es, daß in dem Bericht der Kommission nichts über Verhandlungen lber die Gebührensäße für kleinere Objekte zu lesen sei. J .

Abg. Bröse (kon) fübrt aus, daß auch die Rheinprovinz ge⸗ nügend in der Kommission vertreten gewesen sei, und daß gerade die Verhältnisse dieser Provinz in einer längeren Debatte besprochen worden seien. . . . z ö

Abg. Kirsch (GZentr.) ist der Ansicht, daß eine Zurückverweisung an die Kommifsion nicht ein Zustandekommen des Gesetzes in dieser Session gefährden würde; denn dann würde ja das Stemwelsteuer⸗ gesetz, mit dem man noch viel weiter zurück sei, sicher nicht mehr in diefer Session an das Plenum kommen. Redner tritt sodann im Interesse des kleinen Besitzes der Rheinprovinz für den Antrag von Cunvy ein.

Geheimer Ober ⸗Justiz⸗Rath Heller stellt einer Aeußerung des Vorredners gegenüber fest, daß derselbe die Zahl der Zensiten mit der Bevölkerungsjabl bei einer Berechnung deg Antheils der Kosten der Juftizverwaltung, die auf jeden Einzelnen fielen, verwechselt habe.

Abg. Klasing (kons.) vermißt konkrete Vorschläge von seiten des Antragfiellers und kann sich von einer Zurückverweisung an die Kommission keinen Erfolg zu Sunsten des Kleinbesitzs versprechen, obwohl er im allgemeinen der Tendenz des Antrags nicht unfreundlich gegenüberstehe. Im jetzigen Zeitvunkt aber sei es besser, dem Tarif in det Kommissionsfassung zuzustimmen, und daher werde seine Partei gegen den Antrag von Cuny stimmen.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Es ist ja immer sehr sympathisch bei jedem Menschenfreund, wenn beantragt wird, kleinere Vermögen zu begünstigen und größere stärker heranzuziehen. (Sehr richtig! rechts) Wir haben diese Debatten in ausgiebigster Weise geführt namentlich bei Gelegenheit der Frage der Degression der Einkommensteuer. Ich kann mich noch erinnern, daß damals in dem ganzen Hause der Eindruck obwaltete nachdem die Kommission einmal ein gewisses System aufgestellt hatte und die Degression in genügender Weise berücksichtigt war, all gemein die Meinung im Hause herrschte: wenn wir wieder an diesem System rütteln, so schiffen wir auf das gänzlich ungewisse Meer binaus, und man weiß dann gar nicht mehr, was aus dem ganjen Einkommen⸗ steuergesetz wird. Ganz ähnlich liegt die Sache hier; wenn Sie beispielsweise die kleineren Objekte noch weiter ermäßigen, als hier schon geschehen ist, dann werden Sie dazu kommen müssen, die größeren um so schärfer heranzuziehen, und dann werden Sie finden, daß Sie wieder andere Landestheile in hohem Grade benachtheiligen würden. Ich betone namentlich für die Herren aus dem Westen, daß das keineswegs bloß der Fall sein würde für den Osten, sondern daß weite Landestheile im Westen ebenso be⸗ nachtheiligt würden durch ein Uebermaß der Begünstigung der ganz kleinen Objekte.

Meine Herren, die große Grundzersplitterung bringt außerdem weit mehr Kosten für den Staat. Die Herstellung des Grundbuchs am Rhein kostet ganz andere Summen, als die Herstellung des Grund⸗ buchs und die Verwaltung desselben in denjenigen Landestheilen, wo geschlossener Besitz besteht. Da muß man eben zu Durchschnitts sãtzen greifen, und die sehr erheblichen Ermäßigungen für die kleineren Ob⸗ jekte, die in der Vorlage gegen das bestehende Recht vorhanden sind, kommen, wie ich schon betonte, wesentlich gerade denjenigen Pro⸗ vinzen zu gute, aus denen die Anträge hervorgehen auf Zurückver⸗ weisung an die Kommission. Nun möchte ich gerade diesen Herren die Frage vorlegen, ob sie es für richtig halten, in Betreff ihrer eigenen provinziellen Interessen, das ganze Gesetz zu gefährden und es bei dem bestehenden, diesen Unterschied in der Größe und dem Werth der Objekte viel weniger berücksichtigenden Tarifsystem zu be⸗ laffen und zu riskieren, daß die Ermäßigungen, die in diefem Gesetz doch vorhanden sind, ibren Provinzen nicht zu gute kommen oder ob sie sich sagen: dann wollen wir lieber sicher gehen, das Gesetz zu stande bringen und diejenigen erheblichen Ermäßigungen, die die Rheinprovinz und die Distrikte mit zersplittertem Boden durch dies Gesetz erlangen, in den sicheren Hafen führen. Denn darüber kann nach der ganzen Geschäftslage und besonders bei der vorgeschrittenen Session kein Zweifel sein, daß, wenn jetzt wieder in der Kommission eine durchgreifende Umarbeitung des ganzen Tarifs stattfinden muß, allerdings die Wahrscheinlichkeit eine sehr geringe bleibt, daß das Gesetz in dieser Session zu stande kommt.

Nun werden Sie sagen: ja, dann kommt es in der nächften Sesston zu stande, aber in der nächsten Session werden wir genau vor denselben Fragen stehen; in dieser Beziehung wird nichts geändert sein; die Schwierigkeiten werden ebenso vorliegen, und Sie wissen auch nicht, ob die Staatsregierung, wenn sie jetzt zurückgewiesen wird mit dem nach ihrer Meinung durchaus wohlwollenden Gesetz, die Neigung hat, im nächsten Jahre das Gesetz neu wieder vorzulegen. Alo Sie stellen sich vollständig ins Ungewisse, und ich glaube, daß es gerade im Interesse der betreffenden Prorinzen nicht gerathen ist, dem Antrag von Cunv stattzugeben.

Abg. Wil lebrand Gentr.) spricht sich gegen den Antrag von Cuny aus, da keine Aussicht bestehe, eine Aenderung des Tarifs herbeizufũhren. . J ö ö

Abg. von Riepenhausen (kons.) will eine Zurückverweisung an die Kommission und gzlaubt, da das Haus ja noch bis in den Juni binein tagen solle, daß das Gesetz dann noch in dieser Session zu stande kommen werde. Jedenfalls dürfe eine so wichtige Frage nicht von einem so schwach besetzten Hause jetzt vor den OIsterferien noch definitiv entschieden werden. Man müsse alle Fragen, die eine Begänstigung des kleinen Grundbesitzes enthielten, wohlwollend behandeln und genau prüfen.

Abg. Lon Cuny wendet sich gleichfalls dagegen, daß man noch vor den Osterferien, wenn sein Antrag abgelebnt würde, in eine dritte Lejung dieses Gesetzes eintrete, wie, sobiel er gehört habe, beab⸗ sichtigt sei⸗ ö . .

Abg. Knebel (nl.) macht darauf aufmerkfam, daß ja im Grunde genommen das Haus und die Regierung mit den Grundlagen des

en, ,

Gesetzes vollkommen einverstanden seien, und daß also die Re ierung,

wenn das Gesetz etwa durch Zurückverweisung an die Kommi sion in

dieses Session nicht mebr zu stande kommen sollte, keinen Grund . nächster Session ein Gerichtskostengesetz nicht wieder vor⸗ Abg. von Cyn ern (ul) betont, daß man im Lande es nicht so eilig mit neuen Gesetzen habe, um nicht eine gründliche RKommissions⸗ berathung der wichtigen Bestimmungen, die hier in Frage kämen, zu wünschen. Daß das Gesetz dadurch gefährdet werden könne, glaube er nicht. Das wurde nur dann geschehen, wenn die Regierung das Haus sofort nach Oftern entlassen wollte.

Abg. Dr. Irm er (kons) tritt dem Antrage von Cuny entgegen.

Darauf wird § unter Ablehnung des Antrags von Cuny angenommen.

Nach S5? findet für die Eintragung des Eigenthums von Descendenten des früheren Eigenthümers, sofern sie auf Erbfolge oder Uebertragungsvertrag beruht, nur eine Ge⸗ bührenerhebung von 5) des Gebührensatzes statt.

Ag. Herold (Zentr.) beantragt, statt Uebertragungsvertrag zu sagen Vertrag.

Justiz⸗Minister Schönstedt:

Meine Herren! Der Ausdruck Uebertragungsbertrag“ findet sich nicht in der Regierungsvorlage. Er ist von einem der Herren im Wege eines Amendements hineingebracht worden. Es würde daher wohl zunächst die Aufgabe des Herrn Antragstellers sein den ich im Augenblick nicht zu bezeichnen vermag sich selbst einmal darüber auszusprechen, was er unter diesem Ausdruck sich gedacht hat. So⸗ viel ich mich erinnere, wird in einem älteren Stempelgesetz der Aus- druck Uebertrags vertrag gebraucht nicht Uebertragung vertrag! —; darunter versteht das Gesetz solche Verträge, in denen es sich um die Uebertragung des gesammten Vermögens oder Nachlasses an Degs⸗ cendenten handelt.

Ich gebe zu, daß der Ausdruck Uebertragung vertrag“ zu miß— verständlichen Auffassungen führen könnte und daß deshalb eine Klarstellung erwünscht wäre.

Abg. Hartmann (kons.) beantragt, statt Uebertragungsvertrags zu sasen Uebertrags vertrags . .

Der Antrag Herold wird abgelehnt, der 57 mit dem Antrag Hartmann angenommen.

S 75 bestimmt in der Fassung der Kommission, daß für eine aus dem Handelsregister ertheilte Bescheinigung, sowie für beglaubigte Auszüge aus demselben in allen Fällen außer den Schreibgebühren ein Zehntheil der Gebührensätze für die Eintragung von Firmen, sowie der für Veränderuͤngen der Firmen in das Handelsregister bestimmten Sätze, mindestens aber eine Mark zu erheben ist.

Abg. Oswalt (ul.) beantragt, statt der wechselnden Gebühren einen festen Gebährensatz von 1,56 M zu erheben.

Justiz⸗Minister Schönstedt:

Die Gebühr, die aus dem Handelsregifter für Atteste erhoben wird, betrãgt 150 6; dazu kommt ein ebenso hoher Stempel, also in Summa 3 S6 Ich nehme an, daß der Herr Antragsteller Dr. Oswalt nicht beabsichtigt hat, unter diesen Satz zurückzugehen.

Im übrigen kann ich ja allerdings für die Richtigkeit des im Kommissionsberichte ausgesprochenen Satzes, daß die Kosten der Prozeßlegitimationen dem unterliegenden Gegner nicht zur Laft fallen, eine Bürgschaft nicht übernehmen. Ich stehe meinerseits auch auf dem Standpunkt, daß diese Kosten zu dem Betrage der zu erstatten⸗ den Vorbereitungskoften gerechnet werden müssen, die dem Gegner schließlich zur Last fallen. Ob daraus ein Grund zu entnehmen ist, nunmehr den Gebührenansatz des Gesetzentwurfs herabzusetzen, stelle ich zur Erwägung anheim. Ich glaube, übermäßig hoch sind diese Sätze nicht, wenn sie in masimo nur 10 4M betragen.

Was den Geundbuchverkehr betrifft, auf den Herr Dr. Oswalt auch hingewiesen hat, so tritt da für zahlreiche Fälle die Erleichterung ein, daß, wenn Grundbuch⸗ und Handelsregister bei demselben Gerichte geführt werden, die Beibringung eines Atteftes nicht nothwendig ist, sondern der Grundbuchrichter verpflichtet ist, Einsicht zu nehmen von dem Handelaregifter: so bestimmt ausdrücklich der 5 1065 der In⸗ struktion zu dem preußischen Einführungsgesetze. Ich bin nicht voll⸗ kommen sicher, ob das nicht auch in den neuen Provinzen gilt, ich glaube es aber. Also unter 3 , denke ich, wird der Hertr Abg. Oswalt in keinem Falle zurũckgehen wollen.

Dann möchte ich noch das Eine bemerken. Es ist ja richtig: ganz streng formalistisch, ist der Prozeß⸗ oder Grundbuchrichter berechtigt, ein Attest zu verlangen, was vollständig neu ift. Aber die Praxis ist doch darin nicht so streng; man begnügt sich wenigstens nach meinen Erfahrungen vielfach mit älteren Attesten nach dem Grund⸗ satze, daß Veränderungen nicht vermuthet werden. Allerdings paßt dieser Grundsatz, streng genommen, auf solche Fälle nicht, aber in der Praris verfãhrt man etwas laxer.

Die Atteste sind immer älter zu der Zeit, wo sie gebraucht werden, als zur Zeit ihrer Ausstellung; so ganz streng wird die Sache, wie gesagt, in der Praxis nicht gehandhabt.

Abg. Bröse (kons) bittet, die Faffung der Kommission an—= zunehmen.

Geheimer Ober⸗Justiz Rath Vietsch! Neben der Gebühr wird jetzt ein Stempel von 1,50 M erhoben. Würde der Antrag Oswalt angenommen und nichts über den Stempel gesagt, sJ würde der letztere in Zukunft wegfallen müssen. Zum mindesten müßte allo eine Gebühr von 3 4 erhoben werden.

Abg. Os walt: Die behauptete Stempelpflichtigkeit der in Rede stebenden Verträge tritt nur in den wenigsten Fällen ein. Mein Antrag ist im Interesse der kleinen Leute geftellt und ich bitte, den⸗ selben anzunehmen. ;

Der Antrag Oswalt wird abgelehnt und der 576 in der Fassung der Kommission angenommen. Die folgenden Wem hen bis einschließlich des 8 8 werden ohne Debatte angenommen.

Die weitere Berathung wird vertagt.

Schluß Uhr.

Die Inventarisierung der geschichtlichen Denkmäler,

über deren Stand zuletzt in der Nr. 67 des „Deutschen Reichs⸗ und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeigers vom 18. März 1893 eine Uebersicht gegeben wurde, ist andauernd in erfreulichem Fortschreiten begriffen. Es sind inzwischen im Druck erschienen: LKönigreich Preußen: ö.

Provinz Ostpreußen: von dem Werke: „Die Bau⸗ und Gunstdentmãler der Provinz Ostpreußen“, im Auftrage des ostpreußischen Provinz lal⸗Landtags bearbeitet von Molf . Heft 3: „Das Oberland“; Heft 4: „Das Ermland“.

Provinz Westpreußen: von dem Werke: „Die Bau⸗ und Kunndenkmäler der Provinz Westpreußen“, heraus⸗ gegeben von der Provinz, bearbeitet vom Landes⸗Bauinspektor Heise: Heft 9: Kreis Graudenz.

nnn Pommern: von dem Werke: „Baudenkmäler der Provinz Pommern“, herausgegeben von der Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Alterthumskunde in Stettin: Band 2, Heft 1: Kreis Stolp, bearbeitet vom Regierungs⸗ und Baurath Böttger.

Provinz Schlesien: von dem Werke: „Verzeichniß der Kunstdenkmäler der Provinz Schlesten“, herausgegeben von der Provinz, bearbeitet vom Landes⸗Bauinspektor Lutsch: Band 4, Regierungsbezirk Oppeln, Heft 2: Kreis Falkenberg, Oppeln, Nosenberg., Lublinitz, Gr. Strehlitz, Kosel, Neustadt, Ratibor, Rnbnik, Tost⸗Gleiwitz, Beuthen, Tarnowitz, Zabrze, Kattowitz. Pleß. ;

Provinz Sachsen: von dem Werke: „Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstbenkmäler der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete“, herausgegeben von der Historischen Kommission der Provinz Sachsen: Heft 17: Kreis Bitterfeld, bearbeitet von Gustav Schoenermark; Heft 18. Der Mansfelder Gebirgskreis; Heft 19: Der Mansfelder Seekreis; beide letzteren bearbeitet von Profeffor Dr. Größler und Oberlehrer Br. Brinkmann.

Provinz Westfalen: von dem Werke: Bau⸗ und Kunstdenkmäler von Westfalen“: Heft 1: Kreis Lüdinghausen.

II. Uebrige deutsche Staaten:

von dem Werke: „Die Bau⸗ und AKunstdenkmäler Thüringens“ bearbeitet von Professor Dr. Lehfeldt: Heft 13: Amtsgerichtsbezirk Allsted? (Sachsen-Weimar⸗ Eisenach), Heft 14. Amtsgerichtsbezirk Apolda und Buttstadt (desgl), Heft 15: Amtsgerichtsbezirk Gräfenthal und Pößneck (Sachsen⸗Meiningen⸗Hildburghausen), Heft 16: Amtsgerichts⸗ bezirk Großrudestedt und Kieselbach (Sachsen⸗Weimar-Essenach), Heft 17: Amtsgerichts bezirk Blankenhain und Ilmenau Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach),, Heft 18. Amtsgerichtsbezirk Weimar (desgl.), Heft 19: Amtsgerichtsbezirk Rudolstadt und Stadtilm (Schwarzburg⸗Rudolstadt), Heft 20: Amtsgerichts⸗ bezirk Königsee, Ober-Weißbach und Leutenberg (Schwarz— burg⸗Rudolstadt); ;

von dem Werke: „Anhalts Bau⸗ und Kunstdenkmäler“ vom Kunsthistoriker Dr. phil. Büttner Pfänner zu Thal in Dessau: Lieferung 3 bis 6.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Das Recht des Kommissionärs zum Eintritt als Selbstkontrahent bei der Kommission zum Einkauf oder zum Verkauf von Waaren, Wechseln und Werthpapieren, welche einen Börsenpreis oder Marktpreis haben (Art. 376 Handelsgesetzbuchs), tritt, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, J. Zivilsenats, vom 23. Januar 1895, nur dann ein, wenn am Tage der Ausführung des Ge⸗ schäfts durch Eintritt als Selbstkontrahent ein wirklich er langter Markt. oder Börsenpreis für gleiche Geschäste über dieselbe Waarengattung bestanden hat, also ein solcher Preis bezablt und nicht bloß angeboten (C. Eeld) oder nach gefragt (. Brief) worden ist; ebensowenig kann ein Markt⸗ oder Börsenpreis über Soko geschãfte derselben Waarengattung für den Eintritt als Selbstkontrahent eines des Markt⸗ oder Börsenpreises ermangelnden Termingeschäfts oder umgekehrt verwendet werden. Das Berufungsgericht hat aus den Materialien des Gesetzes überzeugend dargelegt, daß dem Art. 376 H.-G. B. die gesetzgeberische Absicht zu Grunde liegt, das Selbstein⸗ trittsrecht des Kommissionärs auf den Einkauf und Verkauf solcher Waare zu beschränken, welche einen Markt⸗ oder Börsenpreis haben, weil der Kommittent ganz der Diskretion des Kommissionärs anheim⸗ gegeben sein würde, wenn er nicht wenigstens in dem Börsen⸗ oder Marktpreise einen Vergleichungsmaßstab dafür habe, ob mit dem ihm gesetzten Preise sein Interesse gewahrt sei, und daß dementsprechend zur Rechtfertigung des berechneten Preises der Nachweis des Börsen⸗ oder Markftpreises von seiten des Kommissionärs für erforder⸗ lich, andererseits aber auch für genügend erachtet worden ist. Daraus folgert der Berufungsrichter mit Recht, daß das Bestehen eines Börsen⸗ oder Marktyreises zur Zeit der Ausführung des Geschäfts, bezw. der Erstattung der Anzeige an den Kommittenten eine Voraussetzung für das Selbsteintrittsrecht des Kommissionärs sei, ohne deren Vorhandensein dasselbe nicht ausgeübt werden dürfe. Daß unter Börsen⸗ oder Marktpreis derjenige Preis zu verstehen ist, der sich aus der Vergleichung der über die betreffende Waare an dem Börsen⸗- oder Marktplatze zur fraglichen Zeit geschlossenen größeren Zahl von Geschäften ergiebt, ift nicht zweifelhaft. Als dieser Preis gilt zunächst derjenige, welcher nach den örtlichen Einrichtungen des betreffenden Handelsgesetzes als solcher festgestellt wird, wobei nicht bloß amtliche, sondern auch außeramtliche Feststel lungen in Betracht kommen, wenn sie nur auf einer festen, anerkannten Einrichtung beruhen. Nun pflegen aber an den Börsenplaätzen nicht immer und namentlich nicht ausschließlich die wirklich erlangten (bezahlten) Durchschnitts⸗ preise notiert zu werden, sondern daneben oder ausschließlich die Durchschnitts⸗ oder die hböchsten und niedrigften Sätze von Angebot

*

und Nachfrage (. Brief und Geld!). Der hier in Betracht kommende Königsberger Börsenbericht giebt sowohl die bei Geschäfts.

abschlüssen wirklich erzielten Durchschnittspreise, wie auch die Sätze von Angebot und Nachfrage an. Die Berichte vom 4. und 5. April 1892 enthalten für nicht kontingentierten Früljahrsspiritus nur eine Geld“⸗Notiz von 41 beziehungsweise 414 , denen die von der Klägerin dem Beklagten in Rechnung gestellten Preise entsprechen. Diese Notierung bedeutet, daß für die Waare nur Nachfrage vorhanden war und daß der Nachfragende selbst zu seinem böchsten Gebot die Waare nicht erbalten hat. Die bloße Geldnotiz beweist also, daß es an den fraglichen Börsentagen zu wirklichen Abschlüssen nicht gekommen ist, weil sich zu dem ge⸗ botenen Preise ein Abgeber nicht gefunden hat. Es kann deshalb für diese Börsentage von einem Börsenpreise nicht die Rede sein. Die bloße Geld * ⸗Notierung ist kein wahrer, aus dem Durchschnitt von einer Mehrzahl geschlossener Geschäfte gezogener Preis, sondern nur ein nominaler. Das Fehlen eines Börsenpreises für Termin⸗ waare (Frübjabrsspiritus5 kann aber durch die Notierung eines wahren Preises fär Lokowaare nicht unschädlich gemacht werden. Die Klägerin selbst bat wiederholt darauf hingewiesen, daß die Preise des effektiv und des auf Zeit gehandelten Spiritus verschieden seien, und die getrennte Notierung beider in dem Börsenbericht beweist die Verschiedenartigleit beider als Gegenstände des Handelsverkehrs, die eine verschiedene Preisbildung jur Folge hat. Es darf also nicht gescklossen werden, daß der Preis für Frühjahrs spiritus an einem Börsentage derselbe gewesen sein würde, wie der an demselben Tage notierte Preis für Spiritus loko. Die Berufung der Klägerin auf einen ihrem Verhalten zur Seite stehenden Handels- gebrauch, nach welchem im Spiritushandel dem Kommissionär das Gintrittsrecht auch bei fehlendem Börfen, oder Marktpreise zuftehe, hat der Berufungsrichter aus zutreffenden Gründen zurückgewiesen...“ 345/94)

Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts.

Der Betrieb einer von einem Arzt unterhaltenen und geleiteten Privat Kranken“ Irren oder ben, me. oder einer Kur⸗ anstalt für Nervenkranke ist, nach einer Entscheidung des Ober ⸗Verwal.

tungegerichts, VI. Senats. 1. Kammer, vom 11. Oktober 1894, regel- mäßig als gewerbestenerpflichtiger Gewerbebetrieb zu erachten, und auch der Ertrag der ärztlichen Berufsthätigkeit innerbalb des Rahmens des Anstaltsbetriebs darf nicht gon dem stenerpflichtigen gewerblichen Ertrage als steuerfrei ausgesondert werden. Der Regel nach wird in der Errichtung einer 2 Nervenkranke eine

ö Anlage und in ihrem Betriebe ein Gewerbe⸗ etrieb zu erblicken sein. Es ist in keiner Weise erforderlich, daß eine derartige Anstalt von einem Arzt errichtet, betrieben und ge⸗ leitet wird. Ohne erhebliche Kapitalaufwendungen und ohne ein er⸗ hebliches Betriebskapital kann eine Kranken⸗ und Heilanftalt in größerem Umfang nicht errichtet und betrieben werden. Das ergiebt sich recht deutlich aus dem hier zu entscheiden den Fall, indem die Er⸗ richtung einer Privat ⸗Irrenanstalt für nur 70 Kranke einen Aufwand von 655 000 M nöthig gemacht hat. Das Bestreben, eine Verzinsung des angelegten Kapitals zu erzielen, bedingt schon ein derartiges Ver⸗ mögen? interesse, ein derartiges Arbeiten auf Erzielung eines aus⸗

Irren⸗ oder Heilanstalt oder einer Kuransftalt für?

reichenden Gewinns, daß die Ausübung der ärztlichen

(Rey. VI. G. 140/04)

keit demgegenüber nothgedrungen in den Hintergrund muß. Ausgeschlossen ist diesen Erwägungen gegenüber natür⸗ lich nicht, daß unter besonderen Umftãnden der Betrieb privaten Heilanstalt seitens eines Arztes nicht als Gewerbebetrieb er⸗ scheint. Dies wird aber im allgemeinen eine Ausnahme Regel und es wird dann Sache des Arjtes sein, die für die Ausnahme sprechenden Umstände besonders anzugeben. Wird hiernach im Betrieb einer Krankenanstalt ein Gewerbebetrieb gefunden, so erscheint die Ausübung des ärztlichen Berufs seitens des Gewerbetreibenden inner⸗ halb des Rahmens des Anstaltsbetriebs nicht mehr als solche, sondern als Thätigkeit im Gewerbebetriebe, sodaß ibr Ertrag in dem E des letzteren enthalten ist und nicht als besonderer steuerf von dem gewerblichen Ertrag ausgeschieden werden darf. ie

übung der ärjtlichen Thätigkeit ist in dem Gewerbebetrieb aufgegan

Di

848

von der

reier Theil

Statiftik und Volkswirthschaft.

Zur Verschuldung des ländlichen Grundbefsitzes

in Preußen.

(Stat. Corr) Unter den Quellen über die länd 2 ü

verschuldung sind zur Zeit die Ergebnisse der Ver einkommensteuer in Preußen mit an erster Stell

einerseits dag Gesammt - Bruttoeinkommen aus Grundvermögen, andererseits die von dem Gesammteinkommen, einschließlich desjenigen

L

aus Kapitalvermögen, Handel, Gewerbe, Bergbau und gewinnbringender

Beschäftigung, in Abzug zu bringenden Schuldzinsen und Renten für alle mit ein em Nettoeinkommen von über 3000 6 veranlagten Per⸗ sonen ersichtlich. Bei einer Gegenüberstellung dieser Ziffern bleiben

naheju der ganze kleinere und mittlere Bauernstand außer Betracht, desgleichen alle größeren Grundbesitzer, die in den der Veranlagung zu Grunde gelegten Wirthschaftsjahren jene Einkommen erreichten. Ferner wird für den Rest der Grundbesitzer Kapitalverfchuldung, sondern das Verhältniß zwischen Einnahmen und Schuldenzinsen in den Berichtsjahren klargestellt, welches bei gleich⸗

liche

inlagung der Staats⸗ e zu ne Ergebnisse machen namlich, und zwar nach Stadt und Land ge

nnen.

2

grenze

nicht

bleibender Kapitalverschuldung erheblich schwanken kann.

erscheinen die Schuldenzinsen insofern zu groß, als sie auch diejenigen einschließen, welche auf dem Lande von Personen mit einem Ein⸗

von mehr als 3000 M, die gar nicht oder doch nicht aus⸗ schließlich Grundbesitzer sind, gezahlt werden. Die Zahl dieser Per⸗ sonen und die Summe der auf sie entfallenden, nicht auf Grundbesitz anzurechnenden Schuldenzinsen ist indeß unzweifelhaft eine verhältniß⸗ mäßig nicht große. Andererseits sind in der Gesammtsumme der Zinsen die auf besondern Rechtstiteln beruhenden dauernden Lasten, z. B. Altentheile, nicht enthalten und auch das Einkommen aus Grundvermögen“ ist nicht durchweg Einkommen der Grundbesitzer, sondern schließt auch das Einkommen aus Dienstgrundstücken u. dgl. mit ein. Hiernach wird das Zuviel und das Zuwenig sowobhl auf Seiten des Einkommens aus Grundvermögen wie auf Seiten der Zinsen und Renten bis zu einem gewissen Grade sich aufheben, und somit wenigstens für den größeren ländlichen Grundbesitz, einschließ lich des großbäuerlichen, ein werthvolles Material zur Verschuldungs⸗ frage vorliegen. Nur wird unter sonst gleichen Umständen das Ver⸗ hältniß der Schuldenzinsen zu dem Einkommen bei der Gesammtheit dieser Besitzklassen ungünstiger sein müssen als bei den nachstehenden Ziffern, da gerade die besonders hochverschulde ten größeren und mittleren Besitzer, bei welchen die Zinsen nicht mehr als 3000 6 von dem Einkommen aus Grundvermögen übrig lassen, in den betreffenden

kommen

Nachweisungen gar nicht enthalten sind.

Die Zahl der Zensiten mit einem Enkommen von über 3000 betrug nun im Landgebiete des Gesammtstaates i. 79 340, i. J. 1894/85 78 5983, nahm also ab. Eine Zunahme hatten einige Regierungsbezirke, in welchen auch die Landgebi Industrie durchsetzt sind, wie Potsdam, Oppeln und Düsseldorf, in sehr geringem Maße auch noch einige andere, wie Königsberg, Stral⸗ sund und Münster. Besonders reich an solchen Zensiten waren i. J. 1894.95 die Bezirke Potsdam mit 8942, Schleswig mit 5892, Magdeburg mit 4825, Düsseldorf mit 4701, Merseburg mit 4541 und Arnsberg mit 4430; diese sechs Bezirke enthielten also nicht viel weniger als die Hälfte der Gesammtzahl aller ländlichen Zensiten mit mehr als 3000 M Nettoeinkommen. Weniger als tausend solcher Zensiten zählten nur die Bezirke Köslin (922), Bromberg (891),

Osnabrück (8320), Erfurt (748) und Stralsund (713).

Nicht nur die Zahl der Zensiten, sondern auch die Summe des absoluten und durchschnittlichen Einkommens aus Grundvermögen hat sich i. J. 1894/95 vermindert, nämlich ersteres von 357,64 auf 348,75 Millionen, letzteres von 4500,09 auf 4437,36 6 Mit der Zahl der Zensiten sank auch der Gesammtbetrag der Schuldenzinsen, und jwar von 136,59 auf 133,19 Millionen Mark; ihr Verhältniß zu dem Einkommen aus Grundvermögen ist nahezu dasselbe nämlich 358,19 v. H., gegen 38.26 im Borjahr. Das Sinken dieses Schuldantheils kann sich aus zweierlei entgegengesetzten Ursachen er⸗ klären: nämlich aus einer Verbesserung der wirtbhschaftlichen Verhält⸗ nisse oder umgekehrt daraus, daß bochverschuldete Besitzer die Ein⸗ kommensgrenze von 3000 M nicht mehr überschreiten und damit aus der Statistik herausfallen, so daß sich das durchschnittliche Ver⸗

schuldungsprozent der übrigbleibenden verbessert.

Auch die Verschuldungsprozente der einzelnen Regierungs- bezirke weichen in den beiden Jahren nur wenig von einander ab.

Im Jahre 1894/85 waren es die folgenden:

J. 189394

ete stark mit

in in Königsberg.. 48, 25 Schleswig 26,34 Gumbinnen. . 44.70 nnopver. 1943 . Dildes beim... 18460 Marienwerder . . 57,26 Lüneburg.. 18,02 Pot dam 54,79 Sch.. 19,97 Frankfurt.. 48,56 Osnabrũck 181 6 , I ö . Stralsund . . 49,74 Minden A, 62 i k Arnsberg.. . 27.66

romberg . 58, 17 ag . Breslau... 43,433 Wiesbaden. 24, 14 Liegnß... . . 4 gh Koblenz... . 24,36 Sn Düůsseldorfry . 27,69 nne d , Merseburgs . 29,49 . e . Lachen 14.

Sehr scharf scheiden sich bier wie auch in so vielen anderen Ver⸗ hältnissen die Gebiete östlich und westlich oder nördlich der Elbe; in den ersteren bewegen sich die Antheile der Schuldenzinsen von dem Einkommen aus Grundvermögen zwischen rund 40 und 64, in den

.

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