gesetzes. Darüber kann ja nach den bisherigen Erfahrungen nicht der geringste Zweifel sein, daß das Enteignungsgesetz dringend reformbedũrftig ist. Die Arbeiten sind aber in dieser Richtung noch nicht soweit gediehen, daß wir in diesem Jahre schon einen Gesetzentwurf vorlegen können. Das hoffen wir allerdings im nächsten Jahre zu können. Wir sind aber jetzt doch überzeugt, daß, um die hier vorliegende Frage zu regeln, der Erlaß des neuen Enteignungsgesetzes nicht unbedingt nothwendig ist, zumal auf alle Fälle, selbst wenn dieses Gesetz im nächsten Jahre zur Vorlage kommt, es ja noch sehr viele Stadien durchlaufen muß, und man nicht absehen kann, wann es definitiv zu stande kommt. Wer sich der Berathung des ersten Enteignungsgesetzes erinnert, wie da die Gegensãtze aufeinanderplatzten, wird glauben, daß es unsicher ist, ob es ge⸗ lingen wird, das Gesetz im nächsten Jahre schon zum Abschluß zu bringen. Die beiden Refsorts sind daher jetzt in Berathung, andere Vorschlãge zu machen, auch wenn das Enteignungsgesetz noch nicht vollstãndig zum Abschluß gekommen ist. Aber auch in der Zwischenzeit wird durch das jetzige Verfahren bei der Forderung der Staatskredite die Gefahr der Kreise an sich vermindert, indem wir jetzt viel genauer die Vor⸗ arbeiten für die Ziehung der betreffenden Eisenbahnlinie wie auch für die Kosten machen. Die Anschläge sind in dieser Beziehung sicherer als früher, wo die Kredite meist auf Ueberschlägen beruhten und bei der Ausführung sehr leicht erheblichere Ausgaben als nothwendig sich ergaben. Etwas besser wird schon jetzt der Zustand werden. Aber das unbedingte Festhalten an der Hergabe von Grund und Boden durch die Kreise ist nicht rathsam. In manchen Fällen wird es allerdings den Kreisen lieber sein, wenn sie nämlich in der Lage sind, den Grund und Boden billiger hergeben zu können; in andern Fällen aber werden die Kreise ein erhebliches Risiko laufen, und dann wird die Eisenbahnverwaltung viel mehr in der Lage sein, die Risiken, die mit der betreffenden Eisenbahnlinie verbunden sind, klarer und bestimmter zu ermitteln als die Kreise. Da wird dann die Regierung mit dem Kreistage sich in Verbindung setzen wegen baarer Zuschüsse, während der Staat selbst die Be⸗ schaffung von Grund und Boden übernimmt.
Ueber das Einzelne kann ich hier noch keine Mittheilungen machen, da die Verhandlungen noch schweben. Aber ich glaube doch dem Herrn Vorredner erklären zu dürfen, daß die Staatsregierung die bestehenden Mißstände vollkommen anerkennt und bemüht sein wird, denselben so bald wie möglich entgegenzutreten.
err von Schwichow führt aus. daß für die Provinz Posen seit 1890,91 keine Bahn mehr bewilligt worden sei, und giebt dem Wunsche Ausdruck, daß der Minister im Hinblick hierauf den aus dieser Propinz an ihn herantretenden Anträgen auf Bewilligungen aus dem Fuüͤnf Millionen ⸗ Fonds um so bereitwilliger entgegenkommen werde. Ferner befürwortet der Redner die Einführung des Vollbahnbetriebs auf der Bahn Posen —Schneidemühl.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Meine Herren! Ich möchte mir gestatten, Herrn von Schwichow einige Zahlen anzuführen, die, glaube ich, beweiskräftig dafür sind, daß, wenn auch die Provinz Posen nicht gerade in den letzten Jahren sehr bedacht worden ist mit neuen Nebenbahnen, sie doch im großen und ganzen eine sehr günstige Behandlung mit Bezug auf die Zutheilung von Nebenbahnen erfahren hat. Es sind seit dem Jahre 1880, also seit der Verstaatlichung, in der Provinz 826 km Nebenbahnen aus⸗ geführt worden, während beispielsweise in der Provinz Brandenburg 519, in der Provinz Pcmmern 389, in der Provinz Schlesien 680, in der Provinz Sachsen 644, in der Provinz Schleswig⸗Holstein 255, in der Provinz Hannover 6, in der Provinz Westfalen 327, in der Provinz Hessen⸗Nassau 364, in der Rheinprovinz 780 Rm gebaut sind. Mit Ausnahme von Ostpreußen, wo 1046 Km ausgeführt sind, ist also die Provinz Posen am besten gefahren bezüglich der Ausbildung ihres Nebenbahnennetzes. Daneben will ich aber sehr gern zugestehen, daß gewiß sehr viele Wünsche in der Provinz Posen noch vorhanden sind, und es sollte mich freuen, wenn es möglich sein würde, auch in der Provinz Posen in Anregung gebrachte Kleinbahnen mit Staats⸗ unterstützungen zu bedenken.
Was nun die zweite Frage anbetrifft, nämlich die Umwandlung des Nebenbahnbetriebes auf der Strecke Posen — Schneidemühl in einen Vollbahnbetrieb, so sind nicht unerhebliche einmalige und laufende Mehrkosten damit verbunden. Es muß daber zunächst festgestellt werden, ob dies Mehr an einmaligen und an ständigen laufenden Ausgaben im richtigen Verhältniß steht zu den vorhandenen Verkehrs bedürfnissen. Seit dem gestrigen Tage besteht in Posen eine Königliche Eisenbahndirektion, deren Aufgabe es sein wird, die Verkehrsbedürfnisse der Provinz zu prüfen und sich der Wünsche anzunehmen, die von seiten der Interessenten ihr nahe gelegt werden. Ich bin sehr gern bereit, sie auch auf diesen Wunsch, den Direktionen Bromberg und Posen den Auftrag zu geben, nochmals zu studieren.
Freiherr von Dürant befürwortet die Herstellung eines kürzeren Schienenweges aus dem oberschlesischen Induftriebezirk nach der öster⸗ reichischen Grenze.
SIGraf von Frankenberg begrüßt die größeren Aufwendungen, die die Vorlage für das Sekundär. und Kleinbahnwesen trotz der unbefriedigenden Finanzlage in Aussicht nehme, mit Freuden. Nament⸗ lich spricht er bezuglich der Linien Ströbel —Schweidnitz und Bolken⸗ hainMerzdorf seine Genugthuung au; doch müsse die letztere Linie nach dem Wunsch aller Interessenten als Vollbahn ausgebaut werden, damit ein Fehler der alten Tracierung der Gebirgsbahn endlich wieder ut gemacht werde. Wenn . Geld sei, so werde auf den Sekundãrbahnen eine ungeheure Verschwendung getrieben, diese Bahnen führen mit einer ganz unverhältnißmäßigen , Wegen der Vertheilung der für Kleinbahnen zu gewährenden Beihilfen sollte der Minister baldigst bestimmte Grundsätze aufstellen und veröffentlichen. Die Linie Gleiwitz Ratibor habe man früher einem Privatcomits abgeschlagen; aber der Staat habe sie bis heute nicht gebaut.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Meine Herren! Ich möchte mir gestatten, mit einigen kurzen Worten auf die Ausführungen des Herrn Grafen Frankenberg zurück zukommen. Herr Graf Frankenberg hat es beklagt, daß die Verbin⸗ dung von Gleiwitz nach Ratibor einer Privatunternehmung früher abgeschlagen worden sei, und daß die Staatsregierung, wie er glaube, auch gegenwärtig nicht gewillt wäre, eine Privatunternehmung auf dieser Strecke zuzulassen. Es ist richtig, daß in früheren Jahren eine Privatunternehmung die nachgesuchte Konzession nicht erhalten hat; neuerdings aber und noch gegenwärtig schweben Verhandlungen über die Zulassung einer Kleinbahn — wie ja auch Herr von Schwichow schon ausgeführt hat — von Ratibor nach Gleiwitz oder von Nendza nach Gleiwitz oder von irgend einem anderen Punkte aus.
Die Linie Militsch —rachenberg ist, soviel ich weiß, schon im Bau; die Schwierigkeiten, die sich da gefunden haben, sind gehoben.
Was nun Merzdorf — Bolkenhain anbetrifft, so ist über diese Bahn bereits in beiden Häusern des Landtags in den letzten Jahren viel
fach verhandelt worden. Die Provinz Schlesien hat den dringenden
Wunsch, daß diese Bahn als Vollbabn ausgebaut würde. Die Staats ·
regierung hat sich aber nicht davon überzeugen können, daß die Mehr⸗ kosten der Vollbahn im richtigen Verhältniß stehen würden zu dem dadurch gegen die Nebenbahn erreichten Nutzen. Die Bahn Merzdorf — Bolkenhain schließt an Nebenbahnen an; es würden also zunächst diese Nebenbahnen ebenfalls in Vollbahnen umzuwandeln sein, also in erster Linie Bolkenhain — Striegau. Diese Umwandlung von Bolkenhain— Striegau kostet über 2 Millionen Mark. Es würde dann weiter, wenn der erstrebte Zweck einer kürzeren Vollbahnlinie von Breslau nach dem Gebirge erreicht werden soll, auch die Linie Kanth — Striegau oder Ingramsdorf = Striegau gebaut werden müssen, und das würde einen Betrag, inkl. der Umwandlung der Strecke Kanth — Striegau in eine Vollbahn, von über 5. Millionen ausmachen; also würde im ganzen, um eine neue Vollbahn von Breslau aus ins Gebirge her⸗ zustellen, ein Betrag von etwa 8 Millionen Mark ausgegeben werden müssen. Die gegenwärtige Finanzlage schien uns aber eine Ausgabe nicht zu rechtfertigen, die ganz unverhältnißmäßig ist gegen den dadurch zu erzielenden Nutzen. Der Nutzen für den Güterverkehr ist an und für sich nicht erheblich; für den Güterverkehr wird auch die Vollbahn weniger erstrebt als für den Personenverkehr; das Motiv ist immer das: wir wollen schneller von Breslau nach dem Gebirge befördert werden. Es sind sehr genaue Ermittelungen angestellt, die ergeben haben, daß, wenn die ganze Strecke Kanth oder Ingram dorf — Striegau—=-Bolkenhain — Meridorf als Vollbahn ausgebaut würde, sich dann eine Abkürzung von 26 Minuten von Breslau bis nach Hirschberg ergeben würde. Meine Herren, dieser Gewinn von 26 Minuten schien uns in der gegenwärtigen Zeit außer Ver⸗ hältniß zu dem aufzuwendenden Kapital von 7 — 3 Millionen zu stehen, und zu diesem größeren Kapitalaufwand von 8 Millionen würde außerdem noch eine jährliche Mehrausgabe für den Vollbetrieb von etwa 160 000 ½ bei der vollen Abkürzung hinzutreten; also ein Kapital von 8 Millionen, ein jährlicher Mehraufwand von 160 000 4! Unter diesen Umständen erschien es uns durchaus gerathen und noth⸗ wendig, zunächst die Linie Bolkenhain — Merzdorf nur als Nebenbahn auszubauen; es ist dem Wunsche der Provinz Schlesien und der Stadt Breslau aber insoweit entsprochen worden, als die Tracierung der Linie genau in den Kurven und Steigungen gewählt ist, wie es auch für die Vollbahnlinie der Fall sein würde; es sind also keine stärkeren Steigungen und kein geringerer Radius in die Linie hineingelegt worden, als bei der Vollbahn traeiert war. Es bleibt alfo die Möglichkeit gewahrt, daß, wenn demnächst ein Be⸗ dürfniß hervortritt, und auch das nöthige Geld dazu vorhanden ist, diese Bahn, ohne daß unnöthige Kosten aufgewendet sind, in eine Vollbahn umgewandelt werden kann. Mit dieser letzteren Lösung haben sich die Interessenten, wie ja Herr Graf Frankenberg bereits ausgeführt hat, im großen und ganzen auch zufrieden erklärt. Aller⸗ dings, wie Herr Graf Frankenberg auch erwähnt hat, weil sie nichts Besseres erreichen konnten; aber ich meine, unter den von uns ge⸗ schilderten Verhältnissen kann der Staatsregierung unmöglich ein Vor⸗ wurf daraus gemacht werden, daß sie aus Sparsamkeit vorläufig die Nebenbahnen und nicht die Vollbahnen zur Ausführung bringt. Herr Graf Frankenberg hat ausgeführt, daß die unrichtigen Tracierungen der Linien gerade in Schlesien doch zu unnützen Kosten geführt haben, und hat als Beispiel dafür angegeben, daß die Linie von Berlin nach Breslau ursprünglich über Kohlfurt geleitet worden sei und man sich später habe entschließen müssen, die Linie von Arnsdorf nach Gassen zu bauen. Wenn die Linie von Gassen nach Arnsdorf zuerst gebaut wäre, dann hätten wir die Linie nach Kohlfurt nachträglich ebenfalls bauen müssen.
Der Betrieb der Nebenbahnen regelt sich nach der vom Deutschen Reich erlassenen Bahnordnung für dieselben. In dieser Bahnordnung ist, was die Geschwindigkeit der Züge anbetrifft, seit einigen Jahren eine Verbesserung eingetreten. Es kann auf den Nebenbahnen, die nicht auf Landstraßen liegen, die Geschwindigkeit bis zu 40 km erhöht werden; auf den Landstraßen beträgt sie allerdings nur bis zu 20 Rm. Nun muß ich durchaus zugeben, daß der Betrieb auf den längeren Nebenbahnen für die Passagiere oft recht langweilig und zeitraubend ist. Aber um den Werth der Nebenbahnen richtig zu beurtheilen, muß man sich die Zeit vergegenwärtigen, wo die Bahn noch nicht be⸗ stand. Gegenüber dem nur zu rasch vergessenen Zustand, der damals bestand, ist jedenfalls das Verkehrsmittel der Nebenbahn ein ganz außerordentlicher Fortschritt. Die Staats ⸗Eisenbahnverwaltung strebt dahin, überall da wo der Verkehrszuwachs das irgendwie rechtfertigt, den Personenverkehr von dem Güterverkehr zu trennen oder aber wenigstens den Personenzügen nur den Güterverkehr beizugeben, der sich von der Anfangs ⸗ bis zur Endstation bewegt, um den Aufenthalt auf den Stationen behufs Einsetzens und Aussetzens von Güterwagen zu sparen. Geschieht das, so ist die Geschwindigkeit von 40 km immerhin erheb— lich genug, um eine angemessene Beförderung herbeizuführen. Wo die Verkehre aber so gering sind, daß eine Trennung von Güterverkehr und Personenverkehr aus ökonomischen Rücksichten nicht eintreten kann, — ja, da bleibt allerdings nichts Anderes übrig, als daß man auch den Güterverkehr mit dem Personenverkehr in sogenannten gemischten Zügen verbindet. Auf einer großen Zahl von Nebenbahnen ist bereit? Güterverkehr und Personenverkehr entweder vollständig oder doch für gewisse Züge getrennt.
Was nun endlich die Kleinbahnen anbetrifft, so ist die Anregung des Herrn Grafen von Frankenberg: es möchten doch baldmöglichst Grundsätze veröffentlicht werden für die Gewährung von Unter⸗ stützungen aus dem Fünfmillionenfonds des vorliegenden Gesetzes, an sich gewiß sehr erwägenswerth. Allein, meine Herren, ich bitte dabei doch in Rücksicht zu ziehen, daß es für die nächste Zeit jedenfalls zweckmäßiger ist, der Staatsregierung in Bezug auf die Grundsätze für die Bewilligung von Unterstützungen nicht die Hände zu binden. Die Aufstel⸗ lung ganz allgemeiner Regeln kann meines Erachtens nicht den vom Herrn Grafen von Frankenberg beabsichtigten Zweck erfüllen. Die Aufstellung fester Grundsätze würde aber der Sache selber nicht dienlich sein. Im allgemernen ist ja schon erklärt worden, sowohl vom Herrn Finanz⸗ Minister wie von mir, daß Voraussetzung für die Bewilligung einer Beihilfe aus diesem Fonds in der Regel die Betheiligung der näher stehenden Korporationen sein müsse, also der Kreise und der Provinzen; daß in der Regel Voraussetzung sein müßte, daß die betreffenden Inter- essenten den Grund und Boden umsonst hergeben oder die Kosten dafür tragen. Aber es ist mit voller Absicht dazugesetzt in der Regel“, denn es können Fälle eintreten, wo es geboten erscheint, an der Regel nicht festzuhalten, sondern eine Ausnahme zu statuieren. Es ist ferner gesagt worden: in der Regel nimmt die Regierung in Aussicht, sich finanziell
an dem Unternehmen zu betheiligen, nicht à fonds perdu, sondern
durch Uebernahme von Aktien u. dergl. Es kann aber ebenso der Fall eintreten, wo es gerathen erscheint, auch æ fonds perdu Summen zu
geben, beispielsweise Summen berzugeben für ein größeres Bauwerk oder
in anderer Weise Hilfe eintreten zu lassen. Ich würde daher glauben, daß es in dem gegenwärtigen Moment nicht zweckmäßig ist, die Grundsãtze zu veröffentlichen, die die Königliche Staatsregierung in den betheiligten
Ressorts sich zur vorläufigen Richtschnur für ihre Erwägungen gesetzt
hat, sondern erst abzuwarten, welche Erfahrungen überhaupt mit der direkten Unterstützung seitens der Königlichen Staatsregierung gemacht werden. Sowohl der Herr Finanz ⸗Minister wie ich, sind nicht ohne Bedenken gewesen bezüglich dieser direkten Unterstützung. Wir haben uns die Frage vorgelegt, ob nicht dadurch die Initiative der Selbst⸗ hilfe gelähmt wäre, allein die gegenwärtigen Verhältnisse der Land⸗ wirthschaft und der Industrie haben uns beide bewogen, unsere Be⸗ denken zurücktreten zu lassen. Ich glaube aber, daß diese Bedenken wieder mehr hervortreten würden, wenn die Königliche Staatsregierung jLetzt durch Veröffentlichung der Grundsätze für die Ertheilung der Beihilfe festgelegt wird. Ich befürworte daher dringend, zunächst der Königlichen Staatsregierung freie Hand zu lassen, und zu vertrauen, daß sie nach bestem Ermessen in sorgfältigster Erwägung die Antrãge prüfen wird.
Herr von Rochow fragt an, wie es mit dem Bau der Linie Jüterbog Treuenbrietzen Belzig Rathenow stehe.
Ober ⸗Bürgermeister Bender warnt vor einer Ueberschätzung der Kleinbahnen für den Verkehr und bedauert, daß nicht den allgemeinen Wünschen der Bevölkerung entsprechend die Bahn Bolkenhain — Merzdorf als Vollbahn gebaut werde.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Meine Herren! Zunächst möchte ich einige Erläuterungen geben be⸗ züglich der gewünschten Fortsetzung der Bahn von Jüterbog nach Treuen⸗ brietzen. Es sind wiederholt Projekte aufgestellt worden, die im wesentlichen darauf hinausgingen, eine weitere Ringbahn um Berlin herum herzustellen. Dafür fanden sich naturgemäß Unternehmer, denen aber weniger an dem Lokalverkehr gelegen war, sondern die im wesentlichen darauf ausgingen, der Staatseisenbahnverwaltung Trans⸗ porte abzufangen. Ein Verkehrsbedürfniß für eine solche durchgehende Bahn ist zur Zeit nicht anzuerkennen und aus diesem Grunde die Konzession nicht ertheilt worden. Dahingegen würde die Staats— regierung Projekten, die eine lokale Bedeutung haben, die als Klein- oder Nebenbahnen Theile dieser Ringbahn zur Ausführung bringen wollten, um bessere Verbindungen für die Landwirthschaft und die dortigen kleinen Industrien herzustellen, gewiß woblwollend gegen—= übertreten.
Was nun die Frage Bolkenhain — Merzdorf anbetrifft, so möchte ich miregestatten, doch einige Irrthümer des Herrn Ober · Bürger meisters Bender zu berichtigen. Die Nebenbahn, die wir bauen, wird nicht länger als die Vollbahn, sondern im Gegentheil noch um i Em kürzer. Die Vollbahn hat 17,4“, die Nebenbahn 17,2 Em.
Was nun die Beförderungszeiten anbetrifft, die Herrn Ober- Bürgermeister Bender etwas zweifelhaft erschienen, so sind sie im Ministerium auf Grund der vorliegenden sorgfältigen Projekte und auf Grund der ja feststehenden Grundsätze bezüglich der Beförderung der Züge auf den verschiedenen Gefällstrecken eingehend revidiert. Die Zahlen können als feststehend betrachtet werden. Die Linie Bolken⸗ hain —=Merzdorf allein als Vollbahn auszubauen hat keinen Werth, das würde die Fahrzeit zwischen Breslau und Hirschberg nur um wenige Minuten abkürzen. Dahingegen ist, wie gesagt, die ganze Tracierung so gewählt, daß sie demnach als Vollbahntrace beibehalten werden könnte. Der Oberbau ist in diesem Falle zu verstärkten inkl. des Kiesbettes und der Bahnkörper etwas zu verbreitern.
Wenn Herr Ober⸗Bürgermeister Bender gemeint bat, hiermit würde sich ein neuer großer Weg nach Prag eröffnen, so ist das ja allerdings ein lockendes Zukunftsbild, aber über diese Linie würden wir wohl kaum jemals Schnellzüge fahren. Denn diese würden über den Kamm des Gebirges gehen müssen, der voraussichtlich nur mit der Zahnradbahn und nicht mit der Adhäsionsbahn erstiegen werden könnte. Man würde daher nach wie vor wie heute fahren, nämlich über die leistungsfähige Linie Görlitz — Dresden.
Meine Herren, der Verkehr mit dem Gebirge ist im Winter ein außerordentlich schwacher und kann es auch nur sein; denn die Be⸗ völkerung im Gebirge ist verhältnißmäßig dünn und ihre Verbindung mit der Hauptstadt Breslau im Winter verhältnißmäßig gering. Die Einrichtung von Schnellzügen im Winter würde voraussichtlich nicht die Kosten des Schnelljuges lohnen. Auch die Schnellzüge, die im Sommer gefahren werden, sind keineswegs so außerordentlich besetzt gewesen, sodaß wir wahrscheinlich, wenn der Verkehr nicht erheblich wächst, auch im nächsten Winter nicht dazu kommen werden, die Schnell⸗ züge außerhalb der Saison zu fahren. Denn es muß immerhin ein gewisses Verhältniß zwischen den Einnahmen und Ausgaben aufrecht erhalten werden, namentlich aber in einer Zeit wie der heutigen, wo die Staatsfinanzen mit einem Defizit abschließen.
. von Duürant ist der Ansicht; daß die Anlage von Kleinbahnen sich mehr für den Westen als den Osten empfehlen werde.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Wenn wir bei den kommissarischen Berathungen zwischen den beiden Ministerien die verschiedenen Linien uns betrachten, wofür Sekundärbahnen sich eignen, d. h. wo diese Einrichtungen Aus- sicht auf Rente bieten, so macht man doch die Erfahrung, daß solche Linien sich immer mehr verringern. Bei der jetzigen Vorlage besteht die Auffassung im Finanz⸗Ministerium, daß eine ganze Reihe Linien vorliegen, wo mit irgend einer Sicherheit auch auf eine nur sehr mäßige Rente nicht zu rechnen ist, wo das Kapital, welches der Staat da hineinsteckt, Gefahr läuft, für längere Zeit wenigstens à fonds perdu gegeben zu sein. Man wird wohl glauben — das muß ich hier offen aussprechen — wenigstens in der gegenwärtigen Situation der Staats- finanzen, daß ein solches à fonds perdu-Bauen doch an der Leistungs⸗ fähigkeit des Staats seine bestimmte Grenze hat, und ich erblicke gerade in der Beförderung des Kleinbahnwesens einen ganz außer⸗ ordentlich zweckmäßigen und geeigneten wirthschaftlich richtigen Ersa für viele Sekundärbahnen, die auf den betreffenden Linien, wo aller ⸗ dings eine Eisenbahnverbindung überhaupt nothwendig ist, nicht gebaut werden können, weil sie nach der ganzen Anlage und der Art des Be⸗ triebs für den Verkehr auf den betreffenden Linien viel zu theuer sind. Das ist der Hauptgrund, welcher namentlich das Finanz ⸗Ministe⸗ rium bewogen hat, über die schweren Bedenken, die der Herr Minister für die öffentlichen Arbeiten geltend gemacht hat in Beziehung auf diesen ganzen Unterstützungsfonds für das Kleinbahnwesen, wie wir ihn jetzt zum ersten Mal gewissermaßen versuchsweise aufgenommen
pon Fällen,
haben, hinwegzusehen, weil wir uns sagen mußten: es giebt eine Reihe wo eine Bahnverbindung an sich unentbehrlich ist, wo es sich aber als eine Kapitalverschwendung herausstellen würde, wenn man dies Bedürfniß mit den theuren Sekundärbahnen befriedigte, wo allerdings auch mannigfach die Interessenten nicht kräftig genug sind, ohne Hilfe des Staats selbst zu einer Kleinbahn zu kommen. Im großen und ganzen wird man daran festhalten müssen, daß man auch nur da Kleinbahnen bauen soll, wo sie eine gewisse Aussicht auf Rente geben. Ist die Gegend in einem solchen Zustand, daß selbst eine billigst gebaute und betriebene Kleinbahn nicht irgend welche Aussicht auf Rente giebt, dann ist das Bedürfniß im allgemeinen für die Linie selbst auch nicht vorhanden. (Sehr richtig Meine Herren, gewiß giebt es Fälle, wo Nothstände vorhanden sind, wo die Ver— hältnisse so liegen, daß man sich entschließen muß, von Staats- wegen, namentlich wenn die Nächstbetheiligten auch mithelfen, z fonds perdu Kapitalien aufzuwenden; das sind aber nur Ausnahmefälle, und deshalb ist nach meiner Meinung an dem Grundsatz zur Verwendung dieser Fonds als Regel festzuhalten, daß der Staat sich nur da betheiligen kann, wo die Verwendung seiner Kapitalien auch einen gewissen Rembours in Aussicht stellt; sonst ist das Unter nehmen in der Regel nicht berechtigt. Davon allerdings nehme ich diejenigen Fälle aus, wo gewissermassen Nothstandsdarlehne, wie wir sie an vielen Orten haben geben müssen, zu gewähren sind, auch dann, wenn nicht die Aussicht auf eine Rente vorhanden ist. Ich halte es auch nicht für richtig, wenn Herr Freiherr von Dürant meint, die Kleinbahnen empfehlen sich mehr für den Westen, als für den Osten. Das Vorgehen der Provinzen im Osten beweist doch eigentlich das Gegen— theil, in pommern wird mehr für Kleinbahnen gethan, wie bisher in irgend einer anderen Provinz geschehen ist; und das Bedürfniß wird dort allgemein anerkannt, sowohl von den nächsten Interessenten, als von den Kreisen, als von der Provinz. Die Provinz Pommern hat jetzt eine sehr erhebliche Anleihe in dieser Beziehung gemacht. Daß dieser Fonds, wie er hier vorliegt, seiner ganzen Natur nach im wesentlichen dem Osten zu gute kommen wird, glaube ich allerdings; aber auch da wird er nur zur Verwendung kommen, wenn die betreffenden Ver— bände, Kreise und Provinzen auch ihrerseits etwas thun. Der Staat allein wird jedenfalls auch im Osten nicht die betreffenden Kapitalien aufbringen können. Das Bedürfniß wird dort aber größer sein wie im Westen, weil allerdings anzuerkennen ist, daß im Westen die Selbsthilfe leichter ist: einmal, weil die Kapitalien reichlicher dort vor⸗ handen sind, dann aber auch, weil in den meisten Fällen im Westen die Aussicht auf eine gute Rentabilität größer ist, also der Privat⸗ unternehmer sich leichter herbeiläßt, eine solche Bahn zu bauen. Wenn nun geklagt worden ist, daß der Staat häufig Linien nicht genehmigt für Privatunternehmer oder als Unternehmen der näheren Verbände, weil er selbst in Aussicht nähme, eine solche Linie zu bauen, so kann ich doch nach meinen Erfahrungen — ich konkurriere dabei ja nicht — dreist die Behauptung aufstellen, daß in dieser Beziehung heute weit liberaler verfahren wird, als dies früher jemals der Fall war. Ich bin der Meinung, wenn Fälle vorliegen, wo der Staat zwar die Möglichkeit in Aussicht stellt, daß er demnächst eine solche Linie im Interesse seines großen Eisenbahnnetzes bauen oder wieder erwerben würde, wo aber eine bestimmte Absicht des Staats, eine solche Strecke auszubauen, nicht vorliegt, daß da einem Privat- unternehmer oder einem solchen der betreffenden Kreise und Provinzen keine Hindernisse in den Weg gelegt werden, und der Staat hat dazu um so weniger Veranlassung, als er nach dem Klein⸗ bahngesetz in der Lage ist, nöthigenfalls, wenn es seine Interessen erfordern, daß vielleicht eine Kleinbahn zur Sekundärbahn, zur Voll—⸗ bahn gemacht werden soll, sich wieder in den Besitz der Kleinbahn zu setzen. Ich kann mir nicht denken, daß die Befürchtungen und Be— schwerden des Herrn Bender begründet sind, daß so viele Formalien und Schwierigkeiten gemacht werden; der Instanzengang ist ein ein⸗ facher und regelmäßiger, und das Staats⸗Ministerium, sowohl das Ministerium der öffentlichen Arbeiten, wie das Finanz ·Ministerium, hat jedenfalls die ernstliche Absicht, keinerlei unnütze Schwierigkeiten zu machen. Die bisherigen Erfahrungen in Bezug auf die Entwicklung des Kleinbahnwesens in der kurzen Zeit nach Erlaß des Gesetzes ist ja auch durchaus nicht ungünstig; im Gegentheil, in manchen Provinzen entwickelt sich auf Grund der Selbsthilfe das Kleinbahnwesen höchst erfreulich. Ich möchte dringend bitten, daß man in Zukunft in Bezug auf die Herstellung neuer Linien auf Staats kosten sich nicht zu große Hoff nungen macht und sich auch nicht verführen läßt, durch die Aufnahme dieser 5 Millionen Mark nun wieder alles auf den großen Staats beutel zu schieben. Die Interessenten werden viel besser thun, sich ernstlich zu fragen, ob sie nicht alles leisten können; und es wird besser sein, daß da, wo dies möglich ist, sie ohne an den Staat zu rekurrieren in voller Unabhängigkeit die Sache durchführen. Denn eine gewisse Bindung wird durch eine starke Betheiligung des Staats immer ent⸗ stehen. Wenn Herr Ober⸗Bürgermeister Bender darüber geklagt hat, daß man seitens des Staats den Wünschen der Betheiligten so wenig entgegenkomme, wie auf der Strecke Breslau — Hirschberg, wo der Wunsch gehegt wurde, diese Strecke als große Voll⸗ bahn auszubauen, so möchte ich ihn doch bitten zu bedenken, daß der doch am meisten zu sagen haben muß, der das Geld hergiebt. Denn die Beträge, die die Interessenten hergeben, sind im Verhältniß zu den Kosten, die dem Staat erwachsen, doch sehr gering. Wenn der allgemeine Satz aufgestellt wird, daß leichtere Verkehrsgelegenheit auch mehr Verkehr mache, so ist der allgemeine Satz gewiß richtig; aber keineswegs müssen große Aufwendungen für leichteren Verkehr in allen Fällen rentieren, und sie dürfen nicht berechnet werden nach dem möglicherweise zukünftigen Verkehr. Nach den Zahlen, die der Herr Minister für Eisenbahnangelegenheiten gegeben hat, würden, selbst wenn Winter und Sommer auf Vollbahnen mit Schnell zügen gefahren würde, die einzelnen Personen, die auf diesen Zügen fahren, dem Staat sehr theuer zu stehen kommen. Wenn wir 8 Millionen verzinsen und dazu 130 000 Mark Betriebsunkosten, wenn ich nicht irre (3uruf: 160 000 Mark, also 160 000 Mark Betriebsunkosten mehr entstehen, und wenn im Winter auf der Linie Breslau — Hirsch⸗ berg kaum ein Verkehr besteht, der Verkehr wesentlich Vergnügungs⸗ reisende im Sommer umfaßt, so wären das kostspielige Vergnügungs⸗ reisende für den Staat (sehr richtig), und ich glaube nicht, daß das eine gerechte Vertheilung der Ausgaben des Staats sein würde. Das Gesetz wird angenommen, ebenso die Anträge
der Eisenbahnkommission. Schluß nach 4/ Uhr.
*
Haus der Abgeordneten. 53. Sitzung vom Dienstag, 2. April.
Erster Gegenstand der Tagesordnung ist die Fortsetzung der Berathung über das Gerichts kostengesetz.
Ueber den Beginn der Sitzung ist gestern berichtet worden. Wir tragen hier nur die Entgegnung des Justiz⸗ Ministers Schoönsßedt auf die Anträge der Abgg. Gorke un Stephan-Beuthen im Wortlaut nach.
Justiz⸗Minister Schönstedt:
Meine Herren! Nachdem die verschiedenen Anträge zu 8 51 hier begründet werden sind, gestatten Sie mir, die Auffassung der König⸗ lichen Staateregierung mit wenigen Worten klarzulegen. Nach einer Richtung scheint mir im Hause eine Uebereinstimmung zu herrschen, die ich theile: niemand schwärmt für zu hohe Gerichtskosten, wie auch nicht für zu hohe Steuern. Es fragt sich nur, welche Konsequenzen man daraus ziehen will, und wie weit eine Ermäßigung der im 5§ 81 in Vorschlag gebrachten Sätze zulässig ist, wenn man die Finanzlage in Betracht zieht; denn darum handelt es sich ja immer bei der Prüfung, ob Ermäßigungen in höherem Maße durchgeführt werden können, als die Regierungsvorlage sie bereits enthält.
Der erste Antrag, den der Herr Abg. Gorke gestellt hat, will ge⸗ statten, daß in Betreff der Erbbescheinigungen im Nachlaßverfahren, ebenso wie es bei den Testamenten bestehendes Recht ist, nicht, wie es die Regierungẽvorlage will, die Hälfte der Schulden in Abzug gebracht werden kann, sondern alle Schulden abgezogen werden können. Dem gegenüber möchte ich darauf hinweisen, daß schon die Konzession, die die Regierungsvorlage macht, gegenüber dem bestehenden Recht eine sehr weitgehende ist, und daß die Bezugnahme auf die für Testamente vorgeschlagenen Gebührensätze deshalb nicht eine vollkommen zutreffende ist, weil es eben schon bei Testamenten be— stehendes Recht ist, daß nur der reine Nachlaß bei der Kostenberech⸗ nung zu Grunde gelegt wird. Wenn also hier im übrigen bei dem Nachlaßverfahren, dem Erbbescheinigungsverfahren insbesondere, der Abzug der Hälfte der Kosten gestattet wird, so ist dies schon ein sehr weitgehendes Entgegenkommen. Als das Gesetz vom Jahre 1875 über die Kosten im Nachlaßverfahren berathen wurde, sind Anträge in ähn⸗ licher Richtung gestellt worden, einen Schuldenabzug zuzulassen bei der Kostenberechnung. Diese Anträge sind sehr eingehend erörtert worden, man ist aber damals zu dem Ergebniß gekommen, daß dafür nicht genügende Gründe vorlägen. Ich glaube, daß man heute wohl dabei stehen bleiben muß, daß ein weitergehender Schulden⸗ abzug, wie der Entwurf ihn zuläßt, nicht wohl zulässig ist. Ich möchte nur auf die Konsequenzen hinweisen, die sich daraus unter Umständen ergeben können, schon gegen das bestehende Recht. Die höchste Gebühr für Ertheilung von Erb⸗ bescheinigungen beträgt bisher 37,50 M Sie wurde erreicht bei einem Nachlaß von ho 000 M. Wenn wir jetzt den Fall setzen, daß einem solchen Aktivnachlaß Schulden in gleicher Höhe gegenüberstehen, so würden, falls die sämmtlichen Schulden in Abzug gebracht werden könnten, nicht mehr erhoben werden können als 60 3. Das würde doch für die Arbeit, die in Betracht kommt, und hinsichtlich des finanziellen Ergebnisses einigermaßen bedenklich sein. Ich glaube deshalb, daß die Königliche Staatsregierung auf dem Standvunkt stehen bleiben muß, der in der Vorlage vertreten ist. Ich will im übrigen bemerken, daß, wenn besonders hervorgehoben ist von einem Redner, dem ich bei der Unruhe im Hause nicht vollständig habe folgen können, es handle sich vielfach um die Erbfolge von Ascendenten auf Descendenten, diese Erbfolge schon im Gesetz nach verschiedenen Richtungen eine Begünstigung erfahren hat und darin doch ein ge⸗ wisses Maß gehalten werden muß.
Es kommt dann der weitere Antrag des Abg. Dr. Stephan, den ich wohl vorwegnehmen kann, weil bei seiner etwaigen An⸗ nahme der für die Rheinprovinz gestellte Antrag des Abg. Dr. Opfergelt gegenstandslos werden würde. Der Abg. Dr. Stephan will das Zweifache des Gebührensatzes B' ersetzen durch die Worte der in 8 56 bestimmte Gebührensatz B?. Meine Herren, auch dem stehen finanzielle Erwägungen entgegen, und ich glaube nicht, daß die Regierung diesem Antrag irgend wird zustimmen können; sie wird es auch nicht können nach dem eventuellen Antrage des Abg. Opfergelt für die Rheinprovinz aus den schon bei der Kommissionsberathung entwickelten Gründen, daß es überhaupt unzulässig scheint, für dasselbe Geschäft in verschiedenen Landestheilen verschiedene Gebühren zu erheben. Es mag richtig sein, daß die komplizierte Gesetzgebung, die in der Rhein⸗ provinz noch gegenwärtig in Geltung sich befindet, unter gewissen Um⸗ ständen mehr Kosten zur Folge hat, und daß der vorgeschlagene Gebührensatz für die Rheinprovinz in einzelnen Fällen stärker empfun⸗ den werden würde als in den alten Previnzen. Aber dag sind Zu⸗ falligkeiten, auf die nicht bei einem für die ganze Monarchie geltenden Kostengesetz Rücksicht genommen werden kann, und die nicht dahin führen können, daß dasselbe Geschäft in einer Provinz nur halb so hoch wird besteuert werden können wie in anderen Provinzen.
Im übrigen finden sich in der Vorlage auch für die Rheinprovinz bis zu einer gewissen Höhe der Objekte nicht unerhebliche Ermäßi⸗ gungen. Wieweit im einzelnen diese Ermäßigungen gehen, kann ich im Augenblick nicht sagen. Der Herr Kommissar wird, wenn darauf Werth gelegt wird, die Güte haben, das Nähere zahlenmäßig, in dieser Beziehung auseinanderzusetzen.
Ich glaube also, diesen beiden Anträgen widersprechen zu müssen.
Der Antrag des Abg. Dr. Hartmann geht ja weniger weit in seinem Verlangen auf Herabsetzung der Gebühren, wie die Stephan⸗ Opfergelt'schen Anträge; aber auch er geht der Regierung immer noch zu weit, und ich muß deshalb auch diesem Antrage widersprechen.
Was den redaktionellen Vorschlag betrifft, die Bemerkung, daß in der Kommissionsberathung einige Worte aus der Regierungsvorlage verschwunden sind, so muß ich bekennen, daß ich auch erst durch den Abg. Dr. Porsch darauf aufmerksam geworden bin. Es ist nicht der Druck bei der Gegenüberstellung der Regierungsvorlage und des Kommissionsentwurfs hervorgehoben, und deshalb würde ich auch annehmen, daß es sich nur um eine Dmission handelt. Immerhin würde es klarer sein, wenn die Regierungsvorlage in dieser Beziehung wieder hergestellt würde. Es ist richtig, daß auch in der Regierungsvorlage an einigen Stellen nur von dem Gebührensatz B ohne Erwähnung des 8 56 die Rede ist. Dann ist in demselben Ab⸗ schnitt vorher schon 5 56 genannt worden, und deshalb hat man es nicht für nothwendig gehalten, eine vollständige Wiederholung eintreten zu lassen.
Bei der Berathung des 8 89, welcher bestimmt daß bei der Gebührenberechnung bei, der Theilung eines im . eines Ehegatten, der in Gütergemeinschaft gelebt hat, der Werth der gütergemeinschaftlichen Masse nur zur Hälfte in Anfatz gebracht werde, nimmt nach dem Abg. Bachm ann (nl) das Wort der
Justiz⸗Minister Schönstedt:
Dieser Antrag des Herrn Abg. Bachmann stellt die Absicht der Regierung klar; es wird ihm diesseits nicht widersprochen.
Der Antrag Bachmann, daß, sofern dem überlebenden Ehegatten von der gütergemeinschaftlichen Masse ein anderer Bruchtheil als die Hälfte zufällt, der Werth der Masse zu diesem Bruchtheil in Ansatz gebracht werde, wird angenommen.
93 der Vorlage lautet: Für die Beaufsichtigung von Fideikommissen und Stiftungen werden jährlich nach dem Be⸗ trage des Vermögens fünf Zehntheile der in 8 33 bestimmten Gebühr erhoben. Dabei wird das angefangene Kalenderjahr sowohl am Anfang als auch am Ende der Beaufsichtigung für voll gerechnet.
Abg. von Bülow⸗Wandsbek ffr. kons.) beantragt, daß die Gebühr nur am Schluß dersenigen Kalenderjahre erhoben werden solle, in welchen eine besondere Aufsichtsthätigkeit des Gerichts stattgefunden habe. Eine Thätigkeit des Gerichts solle nur dann angenommen werden, wenn die ee err uns wenigstens eines amtlichen Schreibens
erforderlich geworden sei.
Justiz⸗Minister Schönstedt:
Meine Herren! Die Annahme des Herrn Abg. von Bülow, daß die Regierung sich mit der Streichung der Nr. 1 des 5 95 nicht würde einverstanden erklären können, kann ich nur bestätigen. Aber auch der von ihm gestellte weniger weitgehende Antrag muß nach meiner Meinung beanstandet werden, und zwar deshalb, weil ich glaube, daß seine praktische Ausführbarkeit ernstlichen Bedenken unterliegt. Es würde im Einzelfalle zu allerlei Zweifeln führen, ob in der That eine beauf⸗ sichtigende Thätigkeit der Fideikommißbehörde in einzelnen Jahren stattgefunden hat oder nicht. Der Herr Abg. von Bülow hat aller⸗ dings in dem zweiten Theil seines Antrags diese Aufgabe den Be⸗ hörden dadurch erleichtern wollen, daß er beantragt hat, festzustellen: eine Thätigkeit des Gerichts sei nur dann anzunehmen, wenn die Aus⸗ fertigung wenigstens eines amtlichen Schreibens erforderlich geworden sei. Nun, meine Herren, das scheint mir doch nach doppelter Richtung hin bedenklich zu sein. Es kann ein amtliches Schreiben zur Ausfertigung gelangt sein in einer Fideikommißsache, was eigentlich für die Beaufsichti⸗ gung des Fideikommisses ohne jede Bedeutung ist. (Sehr richtig! links.) Es kann aber auch eine Beaufsichtigung thatsächlich stattgefunden haben, ohne daß es zu schriftlichen Verhandlungen gekommen ist. Sie kann auch durch mündliche Verhandlungen zwischen den Gerichten und den Betheiligten sich zu erkennen geben.
Es würde ferner bei Annahme des Antrags von Bülow auch allen Zufälligkeiten Raum gegeben sein. Es wäre ja denkbar, daß vielleicht sehr fiskalisch gesinnte Richter Verfügungen erlassen, um die Anwendung dieses Kostenparagraphen zu ermöglichen; es wäre denkbar, daß es von einem reinen Zufall, von der Geschäftslage abhinge, ob, wenn ein Antrag im Dezember gestellt ist, für die Erledigung des⸗ selben in dem laufenden Jahr Kosten zu erheben sein würden oder nicht, je nachdem die Verfügung über den Antrag noch in demselben Monat oder aus vielleicht nebensächlichen Gründen erst im Januar erfolge.
Alle diese Umstände scheinen mir doch so sehr ins Gewicht zu fallen, daß ich meine: der gestellte Antrag wird sich nicht zur An⸗ nahme eignen, und ich glaube deshalb, Ihnen die Ablehnung empfehlen zu müssen.
Abg. Dr. Os walt (nl) spricht sich gegen den Antrag aus, der gar keine praktische Bedeutung habe.
Abg. Wil lebrandt (Zentr.) spricht sich gegen den Antrag aus.
Abg. Hartmann (kons.) erklart, daß seine Partei für den
Antrag stimmen werde.
Der Antrag des Abg. von Bülow wird abgelehnt, der Paragraph in der ursprünglichen Fassung angenommen.
Der 5 105 bestimmt, daß für diejenigen gerichtlichen Ge⸗ schäfte, fuͤr welche weder reichsgesetzlich noch in der Vorlage eine Gebühr fetge h sei, die Hälfte der im 8 33 bestimmten Gebühr erhoben werde.
Abg. Kir sch (Zentr.) beantragt die Reduzierung der Gebühren auf drei Zehntel.
Justiz⸗-Minister Schönstedt:
Für die Gebührenerhebung in Genossenschaftsregistersachen gilt das Reichsgesetz; sie wird in diesem Gesetz gar nicht behandelt. Damit erledigt sich die Frage.
Der Antrag wird darauf angenommen und der Rest der Vorlage ohne Debatte genehmigt.
Die zu dem Gesetzentwurf eingelaufenen Petitionen werden für erledigt erklärt.
Es folgt die zweite Berathung des Entwurfs einer Ge⸗ bührenordnung für Notare.
§z 1 der Vorlage bestimmt, daß die Vergütung für die Berufsthätigkeit der Notare sich ausschließlich nach den Vor—⸗ schriften uf. Gebührenordnung richte.
Abg. Dr. Porsch (Zentr,) beantragt: in dem 31 auszusprechen, daß durch das vorliegende Gesetz an den bisher geltenden gesetz lichen Vorschriften darüber, welche Geschäfte zu, der Berufsthätigkeit der Rotare gehören, und hinsichtlich welcher die Notare niemandem ihre Dienste verweigern dürfen, nichts geändert werde.
Justiz⸗Minister Schönstedt:
Ich halte den Antrag des Herrn Abg. Dr. Porsch in Ueber⸗ einstimmung mit der Mehrheit der Kommission für überflüssig. Ich bin der Ansicht, daß, wenn auch die soeben aus dem Kommissions— bericht vorgetragene Erklärung nicht abgegeben worden wäre, doch nicht die Auffassung entstehen könnte, daß diese Gebühren⸗ ordnung über den Umfang der Berufstätigkeit der Notare habe Bestimmung treffen wollen. Denn die sedes materie für solche Bestimmungen kann doch nur die Notariatsordnung sein. Wenn es für nothwendig befunden ist, in diesem Gesetz für gewisse Handlungen der Notare, die nicht zu ihrer eigentlichen Berufthätigkeit gehören, Gebührensätze festzustellen, so folgt daraus doch nicht, daß damit der Kreis der Berufsthätigkeit als solcher habe eine Erweiterung erfahren sollen.
Aus diesem Grunde meine ich, daß der Antrag auch vom Plenum, wie es in der Kommission geschehen ist, abzulehnen sein wird. Die Schwierigkeiten, die entstehen können aus dem Zweifel, ob in dem einzelnen Fall ein Notar, der zugleich Rechtsanwalt ist, als Anwalt oder als Notar thätig geworden sei, haben bisher auch bestanden, sind aber, soweit meine Erfahrung reicht, immer in befriedigender Weise gelöst worden.