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Teutscher Reichstag. 76. Sitzung vom Donnerstag, 25. April.
Das Haus setzt die zweite Berathung der Zolltarif⸗— Novelle bei der Position Speiseöl fort.
Ueber den Beginn der Verhandlung ist gestern berichtet worden. Nach dem Abg. Dr. Bachem erhält das Wort der
Abg. Richter (fr. Volksp.): Die Margarinefabritation befindet sich gegenwärtig in einer nichts weniger als günstigen Lage. Der Landwirthschaft aber wird die Vertheuerung der Margarine nichts nützen, weil diejenigen Bevölkerungsklassen, welche dieses Nahrungs⸗
mittel verbrauchen, nicht in der Lage sind, Butter zu kaufen. Man
will nun die Sache so darstellen, als ob das aus dem Auslande kommende Baumwollsamenöl ungefunde Stoffe ent. balte. Das ift Ldasselbe allgemeine Gerede, müst welchem Fürst Bismarck seiner Zeit das Einfuhrverbot für amerkka— nischen Speck und Schinken begründete. Erst seit der Wiederzulassung des amerikanischen Produkts 28 bat sich die Gefahr für die Gesund⸗ beit der Konsumenten vermindert, denn gerade das Schwein in Deutsch⸗ land ist haurtsächlich trichinös. Daß in den großen Betrieben, welche das Oel herstellen, schlechte Abfallstoffe betrügerisch mit verwandt werden, ist eine kleinkrämerliche Anschauung. Wegen mißverftandener agrarischer Interessen können wir nicht Amerika zu einem Zollkriege herausfordern, der unserer Industrie hunderte von Millionen kosten würde. Profeffor Sorhlet hat klar dargelegt, daß das Sinken der Buttervreise nicht durch die Konkurrenz der Margarine bervorgerufen ist, sondern durch die Zunahme der Butterproduttion. Damit sind auch wir einverstanden, daß den Verfälschungen und den Betrũgereien vorgebeugt werde; aber den Maßregeln, die von der agrarischen Seite vorgeschlagen werden, und die im Kleinen dasselbe wollen, was man mit dem Antrage Kanitz im Großen nicht auszuführen wagt, können wir nicht zustimmen.
Abg. von Karderff (Rr): Wir hoffen, daß die verbündeten Regierungen sich durch die Vorschläge der Gegner nicht werden be— stimmen lassen, ven dem wirthschaftlichen Standpunkte zurũckzugehen, den sie mit dieser Vorlage wieder eingenommen haben — wenigstens theilweise, denn in einigen Punkten ist die Vorlage auf den richtigen Standpunkt allerdings ja erst durch die Anträge des Abg. Freiherrn von Stumm gestellt worden. Der Vor— redner hat davon gesprochen, daß die „Agrarier! den Ver— such machten, das amerikanische Cotton sl als gefundheitsgefähr— lich zu verdächtigen. Nun, wesbalb haben denn die Amerikaner es durch eine hohe Fabrikationssteuer unmöglich gemacht, daß eine solche Fabrikation in Amerika überhaupt bestehen kann? Das läßt doch wohl annehmen, daß sie auch ven der Gefandbeitsgefährlichkeit des Cottonöls eine Ahnung haben. Jedem Landwirth wird die Thatsache bekannt sein, daß in Deutschland in weitem Umfange Baumwollsamen als Viehfutter benutzt wird, und zwar mit dem allerverderblichsten Erfolge. Ich möchte also die verbündeten Regierungen bitten, auch nach Annahme des Antrags Stumm und des Antrags Wenders, — für den ich mit meinen poli— tischen Freunden stimmen werde, — noch eine sehr ernsthafte Unter— suchung eintreten zu lassen, ob nicht im hygienischen Intereffe die Ver⸗ wendung von Baumwollsamenöl zur Speisefettbereitung zu verbieten ist. Wenn sich die Gesundheitsschädlichkeit dieses Oels berausftellen sollte, dann werden ja auch die Herren von Der linken Seite gegen jene Konsequenz nichts einzuwenden haben. Der Näbhr— werth der Margarine steht nicht entfernt im Verhältniß zu ihrem Preise, namentlich im Vergleich mit dem Preise der Butter. Die Derren, welche das Interesse der Margarinefabrikation unter Der Firma verfechten, dem armen Volke ein billiges Fettnahrungsmittel zu erhalten, befördern damit bloß, daß dem Vofke ein Nahrungsmittel geboten wird, das nicht vreiswerth ist, und sie verhindern, daß andere Nahrungsmittel dem Volke zugefübrt werden, mit denen es sich viel besser nähren könnte. Der Abg. Richter hat gemeint, wir kamen durch diesen Zoll in die Gefahr eines Zollkrieges mit Amerika. So leicht entstehen doch Zollkriege nicht, und die Amerikaner, die es Fei sich für nützlich balten, zu verhindern, daß Speifefette aus Baum— wollsamen hergestellt werden, werden uns dech nicht mit einem Zoll⸗ kriege überziehen, weil wir ähnliche Maßregeln bei uns ergreifen. Etwas hat der Abg. Richter allerdings auch gesagt, wofür ich ibm dankbar bin; daß nämlich jene Seite des Haufes uns in dem Be— streben unterstützen will, das Verfaälschen von Butter und Margarine zu verhindern. Vielleicht werden wir uns, wenn wir uns mit diefer Frage zu beschäftigen haben — was, wie ich hoffe, recht bald der Fall sein wird — hierüber verständigen.
Abg. Graf von Kanitz (d. konf): ein von der Landwirtbschaft reise
* (.
Antrags die Be⸗
irthe hätten am Verkauf haben sie dann ein igen landwirtbschaftlichen
handelt es um den Vor⸗ Zahl von Spekulanten, bier ie Erhaltung eines schaftliche Maß⸗
beutige Rede des Abg.
J (
tenz bekãmpfen.
Klassen, sondern auch
Wenn der Abg. Richter
neuen Margarinegesetze
d schon viel erreicht sein.
Persõnlich bemerkt
Statt daß di gg. von
nitz mich widerlegt baben, sie nur
osgelegt. Ich habe gesagt: Wir baben
alle übereinstimmendes Interesse daran, Ver salschungen
und Betrügereien zu verhindern. Ich babe aber werter
gesagt, wir wollen nicht, daß unter iesem Vorgeben
die Produktion der Margarine in den Augen der Bevölterung herab⸗
gesetzt wird. Ich habe mich gegen alle agrarischen Ma5nakmen erklärt
und ausdrücklich gesagt: Zu diesem Zweck kenne ich nur ein wirk ames
Mittel, nämlich die Untersuchungsstationen in den Städten zu ver⸗ mehren und überall Techniker anzustellen.
Die Abstimmung ergiebt die Annahme des Antrags Wenders. Der Antrag Stumm (Wiederherstellung der Regierungsvorlage) wird ebenfalls angenommen.
3, ist die zweite Berathung der Zolltarifnovelle erledigt.
Die Kommission hat noch eine Resolution vorgeschlagen, worin der Reichskanzler ersucht wird, baldigst einen Gesetz⸗ entwurf, betreffend Einführung eines Zolles auf Quebrachohol; und andere überseeische Gerbstoffe vorzu⸗ legen. Hierzu liegt ein Antrag Bachem-Kehler Zentr.) vor, welcher nur das zur Gerberei, nicht aber das zur Farberei benutzte überseeische Holz versteuern will.
Abg. Koepp (frs. Vg.) bekämpft die Resolution, namentlich in
ihrem zweiten Theil. Die überseeischen Gerbstoffe haben eine außer⸗
ordentliche Bedeutung für die Färberei, aber auch für andere sehr wichtige deutsche Industriczweige. Es giebt keinen überseeischen Gerb⸗ stoff, der für die Färberei nicht Bedeutung hat.
Abg. Brökmann (Zentr) tritt für die Resolution der Kom— mission ein in Verbindung mit dem Antrag Bachem. Ein Zoll auf Quehrachohol; ist eine Lebensbedingung für die heimisch Scälwald⸗ industrie, für Tausende von Wasdarbeitern und für die kleine Gerberei. Die Interessen der Färberei müssen aber berücksichtigt werden.
Abg. von Salisch (8. kons):; Nach den Ausführungen des Vorredners und nach dem ausführlichen Kommissions⸗ bericht, den wir unserem Referenten verdanken, bleibt mir nur wenig zu sagen übrig, zumal auch der Gegner des Antrags, der Abg. Koepp, es nicht vermocht hat, wesentliche Gründe gegen denselben anzu⸗ fübren; er bat nämlich weniger vom Quebrachozoll als gegen den Schluß atz der Resolution gesprochen und vorzugeweise sich gegen die Verftetung der anderen überseeischen Gerbstoffe gewendet. Daß denen gegenüber mit einer gewissen Vorsicht vorge⸗ gangen werden müsse, hat aber bereits die Kommission anerkannt, und heute empfingen wir den Antrag der Abgg. Dr. Bachem und don Kehler, welcher die zur Färberei bestimmren gerbfäurebaltigen Stoffe ron der Befsteuerung ausschließen will. Es sind nit bleß die zum Färben bestimmten Gerbstoffe, sondern — darin ist dem Abg. Koerp beizutreten — auch andere der chemischen Industrie dienende Gerbftoffe, die wir der Besteuerung nicht unterwerfen wollen. Das ist aber eine ganz besondere technische Frage. Die Kommission hat es vermieden, auf dieselbe näher einzugeben, und ich möchte glauben, daß wir heute im Plenum noch weniger im stande sein werden, uns über solche Aus— nahmen zu verständigen. Die Einzelbeiten müssen wir in diefer Be— ziehung den verbündeten Regierungen überlassen. Aus diesem Grunde möchte ich auch bitten, gegen den Antrag Bachem-Kehler zu stimmen, obwohl mir seine Tendenz sympatbisch ist. Er ist über⸗ flüssig, denn es heißt in der Resolution unter 2: „sowie auch andere überseeische Gerbsteffen. Diesen Platz, den ich bier nun einmal ein⸗ nehme, darf ich aber nicht verlassen, ohne mit wenigen Worten für unseren deutschen Schälwald einzutreten. Es ist gesagt worden, der Schälwald bedürfe eines Schutzes nicht. Wir lesen auch in vielen Petitionen, der Schälwald sei ohnehin in der Ausdehnung be⸗ griffen, er sei um ganze 3 0 der Fläche größer geworden. Diefe geringe Vergrößerung ist zum theil zurückjuführen auf die lebhafte Agitation der Gerber, welche vor 25 Jahren sich an die deutschen Forstleute gewendet und uns zugerufen Faben: Es ist geradezu nationale Pflicht, ihr müßt die Größe des Schälwaldes vermebren! — die Regierung hat ähnliche Winke gegeben — und wenn wir nun demzufolge eine mäßige Erhöhung der Schälwaldfläche haben, da heißt es: Eure Schälwaldfläcke ist jw im Wachfen, Ta braucht ibr nun keinen Schutz mehr‘. Der geringen Ausdehnung der Fläche steht aber andererseits ein Rückgang der Rindengewinnung gegenüber, insofern gröbere Rinde, die nicht aus dem eigentlichen Schälwalde stammt, die nicht Sxiegelrinde ist, kaum mehr zur Werbung gelangt. Früher wurde bisweilen auch von älteren Eichen die Rinde geworben; das geschieht nicht mehr, weil es nicht mehr einträglich ist. Die Ver— größerung der Schälwaldfläche würde übrigens trotz aller Agitation kaum eingetreten sein, wenn nicht die gegenwärtige Nolblage der Grund⸗ besitzer dahin gefübrt bätte, manchen jungen Eichenbestand zum Schäl— wald zu verwenden, der sonst als Hochwald hätte weiter wachsen dürfen. Alse die Thatsache, daß die Schälwaldfläche sich vermehrt hat, dürfen Sie nicht gegen unsere Zollbestrebungen ins Feld führen. Nun ist gesagt worden, die Schälwaldbesitzer follten nur besser wirth⸗ schaften! Wir haben eine Petition des Vereins deutfcher Gerber erhalten, worin den Schälwaldbesitzern die bärtesten Vorwücfe gemacht werden. Es wird ihnen vorgeworfen, daß sie die Rinde nicht selbst schälen, sondern den Gerbern zur Schälung überlassen. Letzteres geschiebt nun keineswegs immer, sondern nur ausnabmsweise. Unter gewissen Ver⸗ bältnissen ist aber diese Form der Wirthschaft die allein richtige. Wer eine kleine Schälwaldfläche im Gebirge besitzt, muß den Zeitpunkt für die Schälarbeit richtig wählen. Er kann nicht viele Wochen anz schälen, sondern er muß die Arbeit erst vornehmen, wenn die Eichen recht in Saft sind. Im Gebirge treten natürlich die niedrigeren und wärmer gelegenen Hänge früher in Saft als die höher und nördlich gelegenen. Es liegt daber in der Natur der Sache, daß diejenigen Leute, welche im Schälen geübt sind, ihre Arbeite kraft gern an einen Unternehmer ver- miethen und sich nun einige Wochen diesem Erwerb hingeben. Der Gerber pachtet Schläge in verschtedenen Höhenlagen, nimmt eine An ahl tüchtiger Arbeiter an, und mit diesen beginnt er die Arbeit unten an Ter warmen Südseite und endet oben an der Norbseite, wogegen der einzelne kleine Besitzer oft gar nicht in der Lage ist, seine kleineren Parzellen mit seiner Kraft zur rechten Zeit zu schälen und richtungen (Trocknen und Abfuhr) zur richtigen Zeit vorzunehmen. Es ist also dies Verfahren nicht nur althergebracht, fondern fo zweck mäßig, daß es im böchsten Grade bedauerlich wäre, wenn daran gerüttelt würde. Nun heißt es, die großen Gerdereien, die in der Entwickelung begriffen wären, würden eine Einfüh ung des Quebrachoboljes gar nicht vertragen. Warum fragt man nicht, was die klei Gerbereien, die dem Untergang nahe sind, vertragen? Die großen Gerbereien können schon eiwas ver— tragen. Von zuperlässiger Seite ist mir geschrieben worden, daß die große Wandebecker Aktiengerberei im Jahre 1894 15 0 Dividende gezahlt hat. Und dann genießen diese Gerbereien einen recht ansebn. lichen Schutz oll. Daß das Quebrachobolileder unserem Vecter gegen⸗ über erhebliche Nachtheile bat, steht fest. Zunächst ist es schwerer. Von all den Petitionen, die bier vorliegen, hat nicht ein gewagt, diese Thatsache zu bestreiten, und zweilens wird es, wenigftens von unserer Armeeverwaltung, als minder h und deren Urtheil ist 5gebender von Interessenten.
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9. 868
auszudehnen, daß sie
Die Interessen der
konkurrieren mit
Den Antrag Bachem
weil eine Trennung jwischen reinen
. ffen und en, die auch zur Färberei verwendet werden, gar
nicht möglich ist. Der von einigen Seiten beanspruchte Zoll auf
Quebrachoholz von 10 , würde einen Werthzoll von 255 , be-
deuten, eine Abnormität, die bis jetzt im ganzen Zolltarif nicht zu
finden ist. Alle konkurrierenden Lãndẽer würden es gewiß mit Freuden
seben, wenn wir unsere Exportindustrie felbst schädiglen: die ber-
Hündeten Regierungen aber sollten sich besinnen, fich auf eine solche Bahn drängen zu lassen.
Abg. Hirschel (. Ref. tritt für die Resolution der Kom⸗ mission ein. Wenn man die Schälwaldbauern ruiniere, würde die Sozialdemokratie den Vortheil davon haben.
Abg. Buddeberg (ir. Volker): Die deutsche Lederindustrie nimmt eine führende Stellung ein, man darf sie nicht durch Zölle beeinträchtigen. Die Herren don jener Seite, bie von induftrellen Fragen nicht viel versteben. machen sich die Sache leicht und sagen, es kommen bier nur großkapitalistische Interessen in Frage. Sie berũcksicht!⸗ gen nicht, daß 3 B. aus dem von ihnen als gering bingeitellten Export nach Argentinien 40 000 Arbeiter ibren Lebensunterhalt finden. Die deutsche Lederindustrie würde dem Ruin entgegengeben, fie wärde Millionen mehr zahlen müssen, viel mehr, als der Nutzen für die Schälwald⸗ besitzer betrüge. Die letzteren geböten doch nicht zu den Rothleidenden, selbst der Fiskus besitzt Gichenschälwaldungen. Durch eine rationelle
Bewirthschaftung würde den Schälwaldbesitzern am besten geholfen werden können. 3
Abg. von Kardorff (Rp.): Wenn der Abg. Buddeberg meint der hier empfoblene Weg werde zum Ruin der deut ichen dederindustri führen, so übersieht er vollkommen, daß ein großer Theil des deutschen Leders noch in der alten Weise mit Gerblobe bergestellt wird. sagt weiter, wir stellten den Ledererport nach Argentinien als gering bin, während doch dieser geringe Ewwort 40 000 Arbeiter r die darunter zu leiden baben würden, wenn der E minderte. Als wir aber darauf aufmerksam machten, Goldwäͤhrung der Exvort nach den Silberlãndern
ren: das ist nur ein unbeden Industrieprodukte, der überhaupt geführt wird. Eine große Gerbereien in Deutschland durchaus mit dem Antrage des Stumm einverstanden erklärt.
Res zun
en Konfumenten; dazu ge bis auf hinunter.
Gegen 5! / Uhr wird die weitere Berathung auf Freitag 1 Uhr vertagt.
Preuszischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 58. Sitzung vom Donnerstag, 25. April.
worden.
Auf der Tagesordnung stand die dritte Berathung der Entwürfe eines preußischen Gerichtskostengesetzes und einer Gebührenordnung für Notare.
Nachdem der Abg. Knebel (nl), auf dessen Antrag die Generaldiskussionen über beide Gesetzes vorlagen mit einander verbunden wurden, insbesondere die finanzielle Seite derselben betont und die Rückverweisung an die Kommission beantragt hatte, nahm das Wort
Justiz-Minister Schönstedt:
Meine Herten! Ich hatte erwartet, es würde diesem Antrag aus der Mitte des Hauses widersprochen werden. Da das scheinbar nicht der Fall ist, so glaube ich, es doch nicht auf eine Abstimmung über den Antrag ankommen lassen zu dürfen, ohne den Widerspruch zu wiederholen, den ich schon in der zweiten Lesung einem damals gestellten gleich. artigen Antrag gegenüber erhoben habe. Der Antrag auf Rückver⸗ weisung in die Kommission ist von dem H Abg. Knebel wiederum begründet worden von spezifisch rbeinischen Gesichtspunkten aus. Diese Gesichtspunkte sind schon bei der zweiten Lesung vorgebracht worden, sie haben aber nicht die Anerkennung des hohen Hauses ge⸗ funden, und ich glaube hoffen zu dürfen, daß das heutige Ergebniỹ kein anderes sein wird.
Ich muß gegenüber dem Ausgangspunkte der Ausführungen des Herrn Abg. Knebel bervorheben, daß darüber ja ein Zweifel nicht besteht, daß die Ermäßigungen, die der Entwurf beabsichtigt, bei Objekten von 6000 M nicht mehr zutreffen, und nur solche Beispiele hat er uns vorgeführt. Es ist zum vollen Bewußtsein des Hauses gekommen durch die Kommissions— und die Plenarberathungen, daß Ermäßigungen nur beabsichtigt aber auch erreicht sind bis zu Objekten von 5400 (, während von da ab die zum Ausgleich durchaus gebotenen Erhöhungen eintreten. Es ist auch statistisch festgestellt und hat keinen Widerspruch gefunden, daß diese Objekte bis zu 5400 1 etwa S0 d sämmtlicher in Frage stehen— der Geschäfte umfassen und daher die Erhöhungen nur einen ver— hältnißmäßig kleinen Bruchtheil betreffen. Ob die Berechnungen des Herrn Abg. Knebel im einzelnen richtig sind, läßt sich hier nicht verfolgen; es würde das einer genaueren Prüfung bedürfen; ich glaube aber bemerken zu müssen, daß eine Berechnung, die Herr Abg. Knebel in der zweiten Lesung vorgebracht hat, um damals seinen Antrag zu begründen, die Nachprüfung meiner Herren Kommissarien nicht bestanden bat, da bezüglich einer Position in derselben ein nicht un⸗ erheblicher Febler enthalten war, daß nämlich dort 24 6 Kosten ein⸗ gestellt waren, die in Wirklichkeit nach dem Gesetz nicht zur Erhebung gelangen würden.
Meine Herren, der Widerspruch oder die gegensätzliche Auffassung des Herrn Abg. Knebel und der übrigen Herren aus der Rhein vrodinz, die seinem Antrag beitreten, scheint mir einiger⸗ maßen zu liegen in dem Begriff des kleinen Mannes“. Dieser Begriff deckt sich ja allerdings nicht überall. Für den über— wiegend größeren Umfang der Monarchie ist angenommen, daß Leute, die über ein Vermögen von 6000 Æ zu verfügen haben, nicht mehr zu den kleinen Leuten gehören, und wenn die Rheinprovinz in der glücklichen Lage ist, daß sie auch solche Leute noch zu den kleinen Leuten rechnen darf, ist sie insoweit bevorjugt vor den anderen; daraus mag sich allerdings die Folge ergeben, daß dort Leute in mittleren Besitzverhältnissen unter Umständen häufiger zu höheren Kosten und Gebührenlasten herangezogen werden, als das in anderen Provinzen der Fall sein mag. Ich kann nur dringend bitten, dem Antrag auf Rückverweisung in die Kommission nicht stattgeben zu wollen; denn bei der jetzigen Geschäftslage ist, glaube ich, ein solcher An⸗ trag gleichbedeutend mit der Beseitigung der Vorlage für die laufende Session, und es würde damit der Zustand länger aufrecht erhalten werden, dessen vielfache Mängel und Unzuträglichkeiten allseitig anerkannt werden, und dessen Beseitigung allseitig als Bedürfniß angesehen wird.
Ich darf mir wohl erlauben, einen kleinen Rückblick auf den bisherigen Gang der Verhandlungen zu werfen, um ju beweisen, daß die Königliche Staatsregierung sich in keiner Weise ablehnend verhalten hat gegenüber berechtigten Wünschen, die aus der Mitte des Hauses vorgebracht sind, auf noch weitergehende Ermäßigungen. Ich hebe in dieser Beziehung hewwor, daß in der Kommission, von kleineren Punkten abgesehen, bereits in einigen sebr erheblichen Punkten recht wesentliche Herabsetzungen der Gebührensãtze beschlossen sind. Es ist unter anderem beschlossen worden, daß für Eintragung des Eigenthums von Abkömmlingen in Grundbuch die im Entwurf vorgesebene Gebühr auf die Hälfte er ⸗ mäßigt werden soll; die Gebühren für Hypothekenbriefe und be⸗ glaubigte Abschriften aus dem Grundbuch sind von 5sio auf 4si0 bejm. 3/10 herabgesetzt worden. Die Staatsregierung hat diesen Ermäßi⸗ gungen trotz ihrer finanziellen Tragweite nicht widersprochen, weil sie hat zugeben müssen, daß die Anträge auf diese Ermäßigungen der
Ueber den Beginn der Sitzung ist gestern berichtet
aeerindung nicht entbebrten. Sie ist aber dabei von der Voraussetzung
eegangen, daß es dabei im wesentlichen verbleiben, und daß er Nlenarberathung nicht wiederum recht weitgebende Ermãßigungen kechlofsen würden. Sie glaubte auch, von solcher Voraugfetzung eben zu dürfen nach dem Verlauf der ersten Berathung, indem ac meiner Erinnerung sich darin ein Einverstãndniß peischken der Staatsregierung und dem hohen Hause ergab, des in weitgebende Ermäßigungen der Gebübren mit Räcksicht auf die bestebende Finanzlage und auch mit Rücksicht auf die Interessen
ier Justij verwaltung ausgeschlofsen sein würden. Es ist hervor-
Theben worden — und dem wird man kaum widersprechen können — 21 jede Ermäßigung der Gerichtsgebühren eine Mehrbelastung *r Steuerzahler, die nicht besondere Gegenleistungen dafũr erbalten kaben, zur nothwendigen Folge baben muß — es ist hervorgehoben zerden, daß die Justiz schon jetzt mit erheblichen Zuschüssen zu nkeiten bat und die Höbe dieser Zuschüsse vielfach sich als x Hinderniß erweist für Erfüllung der berechtigten Wünsche, ĩ Justizve: waltung Fstellt werden und gestellt werden müssen in Bezug auf die Ver⸗ mebrung der Richter und Staatsanwaltstellen u. s. w. und in ge—⸗
em Umfang auch auf die Verbesserung der Gehälter der Beamten. Das, wenn eine weitere Verminderung der Einnahmen des Juftiz⸗ tat und damit eine weitere Erhöhung der Zuschüsse aus allgemeinen Staatsmitteln zur Bestreitung der Kosten der Justizverwaltung er— agen sollte, neue Schwierigkeiten für die Erfüllung aller Anträge n der von mir erwähnten Richtung sich ergeben würden, darüber be—
wobl kein Zweifel.
Nun, meine Herren, sind Sie in der zweiten Berathung aber pech viel weiter gegangen als die Kommission. Abgesehen von ver⸗ sbiedenen wenig erheblichen Punkten, ist eine Herabsetzung der Ge—= ihren insbesondere beschlossen worden in Nachlaßsachen bei Ertheilung en Erbbescheinigungen, für welche der Entwurf nur vorgeseben hatte e Zulässigkeit des Abzuges der Hälfte der Schulden. Dem vollen Sculdenabzug, meine Herren, ist von hier aus obne Erfolg widerspochen
Ich will diesen Widerspruch im Einverständniß mit dem Herrn Minifter nicht weiter aufrechterhalten, weil ich anerkenne, daß diese Beschlüsse innere Gründe und altung der Harmonie mit den entsprechenden Bestimmungen für sftamente sich anfübren lassen; es ist aber noch weiter gegangen Es ist beschlossen, daß nun bei vollem Abzug der ulden von der vorhandenen aktiven Masse nicht, wie e Vorlage wollte, der doppelte Satz erboben werden soll, mern nur der einfache Satz des 5 56 B; dieser weiteren tief ein⸗ den Ermäßigung der Gebühren kann zu meinem Bedauern die gierung ihre Zustimmung nicht ertheilen. Ich muß den Wider- much dagegen auch heute noch aufrecht erhalten, und möchte denjenigen erren, die den Wunsch haben, daß das Gesetz in dieser Session ju bade kommt, dringend empfehlen, an der Aufrechterhaltung dieser sebührenermäßigung nicht festzubalten. eine Herren, es sind doch alles recht wesentliche Punkte, die den serwurf nicht gerechtfertigt erscheinen lassen, daß die Königliche Faatsregierung die Interessen des betheiligten Publikums nicht 'hügend berücksichtigt habe. er Herr Abg. Knebel hat sich ja nun darauf berufen, daß rheinische Richter, mit denen er sich wäbrend der arnentarischen Ferien in Verbindung gesetzt hat, und ebense Verein der rheinischen Notare die Borlage als gänzlich mnehmbar erklärt haben. Demgegenüber glaube ich dech vorheben zu müssen, daß der Entwurf, bevor er einge⸗ ist, selbftverständlich der Begutachtung der rheinischen bebörden unterlegen hat, und daß diese sich im wesentlichen mit m Entwurf einverstanden erklärt haben. Die Wünsche der Herren gtare, die ja auch zum großen Theil zur Kenntniß der Justiz⸗
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waltung gekommen sind, baben auch bereits eine weitgehende Berũck⸗ tigung gefunden, und es würde nicht ausgeschlossen sein, ihnen im e der heutigen Verhandlung noch eine weitere Berücksichtigung Feil werden zu lassen. Der Umstand, daß die Gebühren vielfach für das Gefühl, für die Empfindung der Herren Notare un⸗ bemessene Höhe erreichen könnten — diese Empfindung kann man bei ich weiß nicht, ob Ihnen irgend ein Weg vorgeschlagen d, diese Empfindungen zu schonen, ob vielleicht ein gewisser hrimaler Betrag aufgestellt werden soll, über den binauszugeben Ei julässig ist. Ich babe bisher grundsätzlich den Gesichtspunkt daß die Gleichfstellung der Gebühren für Notare und aufrecht erhalten werden muß. Es ist aber ein
schluß nach diesem Grundsatz schon in der zweiten Lesung gefaßt, und Täre nicht unmöglich, daß man in dieser Beziehung weiter gebt; würde anheimstellen, solche Anträge aus der Mitte des Hauses stellen.
Im übrigen meine ich, daß das, was in anderen Provinzen erträglich beint, auch für die Rheinprovinz erträglich sein muß. (Sehr richtig! glaube, daß eine genaue Vergleichung der Tarifsätze für die Objekte n 5400 4 ergeben wird, daß nirgendwo anders die Wohlthaten Gesetzes so groß sein werden als gerade in der Rheinprovinz. e jablenmäßige Aufftellung, falls sie gewünscht wird, werden meine kten Kommissare zu geben in der Lage sein.
Venn immer auf die Zersplitterung des Grundbesitzes in der cinprobin; hingewiesen wird, so glaube ich demgegenüber herten zu dürfen, daß die Rheinprovinz es nicht allein ist, wo e Zustände bestehen, sondern auch Sachsen (sehr richtig h, das e Eichsfeld, wo die Gebührensätze, die den jetzt vorgeschlagenen srrechen, niemals Grund zu Beschwerden gegeben haben. Auch in n großen Theil der Rheinprovinz, namentlich im östlichen Theil Regierungsbezirks Koblenz mit seiner außerordentlich großen Zer⸗ mierung des Grundbesitzes, befinden sich dieselben Grundsätze seit en Jahren in Geltung, ohne daß, soweit mir wenigstens bekannt orden, darüber Klagen laut wurden.
Aus allen diesen Gesichtsvunkten glaube ich von meinem Stand⸗ st aus Sie dringend bitten zu müssen, den Antrag auf Zurück sisung in die Kommission abzulehnen. (Bravo)
1. Wil lebrand Zentr.): Eine Zurückverweisung des Ent⸗ mn die Kommission jetzt in letzter Stunde könnte nur den Er⸗ aten, daß er in der jetzigen Form wieder zurückkehrte. Gs nen nur die in zweiter Lesung erreichten Erleichterungen der Ge— m gefährdet werden. Wir? werden deshalb gegen eine Zurück. Tung stimmen.
e Fern fa lem DZentr.): Abg. Knebel hat zwei Arten Gaften herausgenommen, um nachzuweisen, daß die Gebühren nmnahme des Entwurfs höhere fein würden als jetzt. Ich
möchte nur darauf aufmerksam machen, daß bei Grbschaften in der Rbeinvrovinz kein Pauschguantum bestebt, wie Abg. Knebel ein solches angenommen hat. Bei V — * sind bei geringeren Objekten die Sebübren herabgesetzt, was hauptf ächlich wũnschens wert war. Auch ich bitte, von einer Zurũ ung des Entwurfs an die Kommission abzusehen. ⸗ ö .
Abg: Schettler (kon): Wenn eine Zurückverweisung an die Kemmissien ein anderes Resultat als das vorliegende baben sollte müßte doch auch anderes Material vorhanden sein. Da dies nicht der Fall. ift, sind dech auch keine anderen Beschläffe denkbar als die jetzt gefaßten. Ich bitte daber, den Antrag auf Zurückverweisung abzulehnen.
. Afg. Knebel; Zu meinem Bedauern sehe ich, daß mein Antrag leine Aussicht auf Annabme bat. Es kam mir aber darauf an, die WVirkangen zu konstatieren, die das Gesez baben wird. Das ist gescheben, ich ziebe nunmehr meinen Antrag zurück, werde aber selbft. verstãndlich gegen beide Entwürfe stimmen. y
Damit schloß die Generaldebatte. Das Haus trat in die Einzelberathung des Entwurfs eines preußischen Ge⸗ richts kostengesetzes ein und nahm die 85 1 bis 29 ohne Debatte an. .
Im S 30 wird festgesetzt, daß Stem pelabgaben, die neben den Gerichts gebühren zu erheben sind, als Gerichts⸗ kosten einzuziehen sind. Die Rü ckerstattung von Stempelgebühren anzuordnen, steht dem Justiz-Minister zu.
Abg. Kirsch (Zentr) stellte bierzu den Antrag, in den Para— grarben (binter Stempelgebühren J die Worte oder die Abstand. nahme von der Einziehung derfelben“ einjufũgen.
Justiz⸗Minister Schõnstedt:
Meine Herren! Der hier vorgeschlagenen Erweiterung der Zu— ständigkeit des Justi⸗Ministers wird weder seitens des Herrn Finanz⸗ Ministers noch meinerseits widersprochen.
Der Antrag Kirsch fand hierauf die Zustimmung des
auses. . .
Nach § 42 in der Fassung der zweiten Lesung sollen für Anerkennung und Beglaubigung von Unter— schriften drei Zehntel der vollen Gebühr erhoben werden. Die Regierungsvorlage hatte fünf Zehntel festgesetzt. Ein Antrag Dr. Hartmann (kons wollte diesen Satz von fünf Zehnteln wieder für die Anerkennung und Beglaubigung von zweiseitigen Verträgen einführen, dagegen für einseitige Rechts⸗ geschäfte es bei dem Satz von drei Zehnteln belassen.
Justiz⸗Minister Schõnstedt:
Meine Herren! Ich gestatte mir, diesen Antrag zur Annahme zu empfeblen; einmal aus dem von dem Herrn Abg. Dr. Hartmann vor- gebrachten Grunde, daß immerhin die Beglaubigung mehrerer Unter— schriften eine größere Leistung ist als die Beglaubigung einer einzigen Unterschrift, zweitens aber noch aus einem anderen sachlichen Gesichts- punkte. Es ergiebt sich nämlich aus dem Beschluß der zweiten Lesung die Inkongruenz, wenn ich so sagen darf, daß bei zweiseitigen Verträgen die Gebühren für Aufstellung eines Entwurfs und f demnächstige Beglaubigung der Unterschriften zurückbleiben hinter de Gebühr für die gerichtliche oder notarielle Beurkundung des zwei⸗ seitigen Vertrags. Es würde damit eine im allgemeinen Interesse nicht wünschenswerthe Begünstigung der Aufnahme von Privaturkuuden bezw. der Benutzung von Entwürfen gegeben, die, glaube ich, vielfach nicht im Interesse der Betheiligten liegt. Um diesen Widerspruch und um den Anreiz, die gerichtliche oder notarielle Beurkundung zwei— seitiger Verträge zu vermeiden, zu beseitigen, empfiehlt es sich, für die Beglaubigung der Unterschriften unter zweiseitigen Verträgen eine höhere Gebübr anzusetzen, um den Erfolg zu vermeiden, der im anderen Fall eintreten würde.
Abg. Stephan (Zentr.) erkannte diese Begründung durch den Justiz⸗Minister als durchaus zutreffend an und amendierte den Antrag Hartmann dahin, daß für die Beurkundung und Beglaubigung zwei⸗ seitiger Urkunden ein Tarif von 40 gilt.
Der Antrag Hartmann wurde mit dem Amendement
Stephan angenommen, und so 5 42 modifiziert.
Nach 5 45 der Regierungsvorlage soll für die Er— richtung von Familienfideikommissen, Familienstiftungen und Familienschlüssen das Zweifache der vollen Gebühr erhoben werden. In der zweiten Lesung war statt der zweifachen die dreifache Gebühr beschlossen worden. ,
Ein Antrag Hartmann wollte die Regierungsvorlag wiederherstellen.
Justiz⸗Minister Schönstedt:
Es ist aus dem Schweigen der Staats regi der zweiten Lesung über den gleichen Antrag geschlossen en, daß die Regie⸗ tung möglicherweise gegen diesen Antrag etwas erinnern haben möchte. Diese Auffassung würde nicht zutreffend sein. Es ist selbst⸗ verständlich, daß die Regierung von ihrem Standvunkt aus nich Werth darauf legt, daß die von ibr verlangten Gebübrensätze noch erhöht werden. Ich wollte das hiermit nur klargestellt haben und bemerke, daß die Diskussion in der zweiten Lesung einen so raschen Verlauf genommen bat, daß für die Vertreter der Regierung kaum die Möglichkeit gegeben war, sich noch zur Sache zu äußern.
Der Antrag Hartmann wurde sodann angenommen und die Regierungsvorlage in s 45 wiedechergestellt.
Ss P ordnet die Erhebung der Gebühr bei Verloosungen, Beurkundungen der Beschlüsse der Generalversammlungen von Aktiengesellschaften und so weiter. Die Kommission hat dem Paragraphen eine Bestimmung zugefügt nach der die Gebühr in keinem Fall mehr als 300 M betragen soll. ;
Abg. Hartmann beantragte, diesen Zusatz zu streichen.
Justiz⸗Minister Schönstedt:
Meine Herren! Ich bitte, mir ein paar Worte zu § 48 zu ge— statten. Zunächst muß ich erklären, daß ich in der zweiten Berathung insoweit den Antrag Oswalt nicht ganz richtig aufgefaßt babe, alt ich geglaubt habe, dies Amendement solle sich auf den ganzen 5 48 beniehen; erst aus dem Abdruck der Beschlüsse ersehe ich, daß der Satz ein Theil des letzten Satzes geworden ist, und zwar dadurch, daß man den letzten Satz des Entwurfs nicht mit einem Punkt, sondern mit einem Semikolon bat ab⸗ schließen lassen. So bezieht sich das Amendement nur auf Beschlüsse von Generalversammlungen, Aufsichtsräthen u. s. w. Ich hebe das nur deshalb hervor, weil, wenn man jetzt den Entwurf liest, das nicht mehr ganz verständlich ift, was ich in der zweiten Lesung erklärt habe, indem ich damals sagte, es könne der Fall auch für den Staat, für kommunale und sonstige Korporationen von erheblicher Bedeutung sein bei Ausloosung größerer Summen. Das trifft also jetzt nicht mehr zu.
Im übrigen will ich zu dem Paragraphen noch Folgendes be⸗ merken. Zu meinem großen Erftaunen ift mir in der, Kreuz ⸗ Zeitung“ der Vorwurf gemacht worden, daß ich durch meine Zustimmung zu dem Antrag Oswalt mich in den Dienst des Großkaxitals gestellt
babe. Verstanden habe ich eigentich nicht, wie ein solcher Vorwurf sich begründen ließ, aber ich will dem doch ganz ausdrücklich entgegen- treten und erklären, daß ich im Dienste keiner Partei stehe und stehen werde, weder in volitischer noch wirthschaftlicher Beziehung in meiner amtlichen Stellung als Justiz⸗Minister, und daß ich immer bestrebt und bemüht sein werde, mich lediglich von sachlichen Gesichtspunkten und nicht anderen leiten zu lassen. (Bravo)
Zur Sache selbst möchte ich hervorheben, daß es sich in der That nur darum gehandelt hat, zu verhindern, daß für die Notare, die allein in Frage kommen, ganz unverhältnißmäßig hohe Gebühren für relativ geringe Dienstleiftungen zum Ansatz gebracht werden. Abg. Dr. Oswalt bat für einzelne, nicht seltene Fälle solche Gebühren im Be⸗ trage von 8000 ½ und unter Umständen bei in kurzen Fristen sich wieder⸗ bolenden Generalversammlungen in der doppelten Höhe dieses Betrages berechnet. Das halte ich für ganz ungerechtfertigt, solche Gebühren den Notaren zu bewilligen; und der Gesichtspunkt, der mir entgegengestellt wurde in dem erwäbnten Zeitungsartikel, daß, wenn der Immobiliar⸗ besitzwechsel mit so erheblichen Gerichtskosten belastet sei, es dann sich auch rechtfertige, den Mobiliarverkeht in der hier vor— liegenden Frage mit so hohen Sätzen ju belasten, ist denn doch meines Erachtens ein schiefer Gesichtspunkt, weil der Staat bei dieser letzteren Gebühr absolut nicht betheiligt ist. Es ist ganz richtig hervorgehoben, daß diese Generalversammlungen wohl fast niemals — wenigstens wenn es sich um große Gesellschaften bandelt, — ibre Verhandlungen beurkunden lassen werden durch Gerichtspersonen, daß diese Beurkundungen vielmehr lediglich den Notaren zufallen und zwar nicht den kleinen Notaren, für die eine Verbesserung ihrer finanziellen Lage unter Umständen erwünscht sein könnte, sondern den großen, stark beschäftigten Notaren, die regelmãßig die Justitiare dieser großen Gesellschaften sind. Deshalb ist der Schluß, der gegen meine Haltung in dieser Sache gezogen war, in Bezug auf die Belastung des Immobiliarbesitzes, ebenso verfehlt, als wenn man sagen wollte: weil für den Großgrundbesitz ganz erhebliche Kosten ent— steben bei eintretendem Besitzwechsel, so empfiehlt es sich, die Maklergebühren bei der Börse zu erhöhen. Das würde sachlich das— selbe sein, aber eine Berechtigung zu einer solchen Begründung kann meines Erachtens nicht anerkannt werden. (Bravo)
Der Antrag des Abg. Hartmann wurde darauf mit großer Majorität abgelehnt.
S8 57 Absatz 2 bestimmt, daß für die Eintragung des Eigenthums von Abkömmlingen des bisherigen Eigenthuüͤmers, sofern sie auf Grund einer Erbfolge oder eines Uebertrags⸗ vertrages erfolgt, nur die Hälfte der sonst üblichen Gebühren gezahlt werden solle.
Abg. Klasing (kons.) beantragte, statt Uebertragsvertrãge Ver⸗ trag' zu setzen, und begründete seinen Antrag damit, das der Begriff Uebertragẽs vertrag für die Praxis zu wenig festftehend und deskalb unbrauchbar sei. Es sei außerdem zu wünschen, daß jene Erleichterung allen Verträgen zu gute komme, durch welche Cigenthum an Grund? besiz von Ascendenten auf Descendenten Übertragen wird. Sein An— trag sei von großer Bedeutung für die bäuerliche Erbfolge.
JustizMinister Schönstedt:
Meine Herren! Ich bedaure diesem Antrag auch heute wider— sprechen zu müssen. Ich habe an erster Stelle auf die finanzielle Tragweite dieses Antrags hinzuweisen. Ich schätze dieselbe ganz er— erbeblich höber als der Herr Abg. Klasing. Denn wenn an Stelle des Worts „Uebergangsverträge“ ganz allgemein Verträge zwischen Eltern und Abkömmlingen“ gesetzt vird, so umfaßt das, wie ich schon in der zweiten Lesung auseinander- zusetzen mir erlaubt habe, die sämmtlichen derartigen Veräußerungs⸗ verträge, wie sie namentlich im städtischen Verkehr sehr häufig vorkommen und in gar keinem Zusammenhang stehen mit dem Familienverhältniß und der künftigen Erbfolge. Ich glaube, daß es deshalb trotz der Andeutung, die der Herr Abg. Klasing soeben gegeben hat, auch in Zukunft nicht vorkommen würde in städtischen Verhältnissen, daß man derartigen Verträgen, Kauf⸗ verträgen im gewöhnlichen Sinne des Wortes, eine Form geben würde, die sie äußerlich als Uebertragsvertrãge erscheinen ließe; eintretenden Falls würde aber immer noch zu prüfen sei diese Form nicht lediglich zum Zwecke der Umgehung
setzes gegeben wäre, um der Wohlthat der hier fraglichen Be— stimmung theilhaftig zu werden. Die Bedenken, die der Herr Abg. Klasing in Bezug auf die Definition des Begriffs Uebertrags⸗ verträge! vorgebracht hat, sind meines Erachtens nicht von so erheb⸗ licher Bedeutung. Der Herr Abg. Klasing hat in zweiter Lesung selbst wörtlich gesagt: Es sei das ein Begriff des täglichen juristischen Lebens.“ Was darunter verstanden wird im gewöhnlichen Leben, das werden unsere Richter auch wohl zu erkennen vermögen. Nun findet sich aber eine Definition des Begriffs in dem Gesetz vom 189. April 1860 über das ebeliche Güterrecht in der Provinz Westfalen und den be⸗ nachkarten rbeinischen Kreisen. Da lautet der g 3 Absatz 3: Verträge, durch welche das gemeinschaftliche Vermögen ganz oder theilweise schon bei Lebzeiten der Cheleute in Rücksicht auf eine künftige Erbfolge abgetreten wird (Uebertragsverträge), können nur von beiden Eheleuten gemeinschaftlich geschlossen werden.“ Das ist eine Definition, die freilich nur in einem Spezialgesetz Auf⸗ nahme gefunden hat, die aber wohl auch für den Geltungsbereich des gegenwärtigen Gesetzes als maßgebend angesehen werden kann.
Wenn nun bei der Anwendung des Gesetzes von 1860 hier und da Zweifel entstanden sein mögen darüber, ob im einzelnen Falle ein Vertrag als Uebertragsvertrag anzusehen sei oder nicht, so sind diese Zweifel doch auch gelöst und durch die Gerichte entschieden worden. Wie die Schwierigkeiten dort überwunden sind, werden sie sich auch überwinden lassen, wenn es sich um die Anwendung des § 57 unseres Gesetzes handelt.
Aus diesem Gesichtspunkt, aber insbesondere auch mit Rücksicht auf die finanzielle Tragweite, der Sie doch ein etwas erheblicheres Gewicht beilegen wollen, als es bei den bisherigen Verhandlungen der Fall gewesen ist, möchte ich Sie dringend bitten, dem Antrage der Herren Klasing und Herold nicht zuzustimmen.
Abg. Krause⸗Waldenburg (fr. kons) war der Ansicht, daß die Ermäßigung sich nur bei dem Uebertragsvertrag rechtfertigen lasse. Er stimme mit der Regierung darin überein, daß nicht zu niedrige Gebühren erhoben werden dürfen; denn sonst müßte man die Steuer. zahler heranziehen für die Ausfälle, welche dadurch entstehen.
Der Antrag des Abg. Klasing wurde darauf abgelehnt.
8 63 der Vorlage bestimmt, daß Grundstücke, welche Ehe⸗ leuten gehören, als Grundstücke eines Eigenthümers zu betrachten und deshalb die Eintragungs- und Löschungs⸗
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