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menge jubelnd begrüßt, nach dem Neuen Palais. Na dem m daselbsi begrüßten Seine Majestät Ihre ö. . die Großherzogin und Ihre Majestät die Königin iktoria. Seine Majestät nahmen im Palais den Thee ein und fuhren alsdann mit dem Großherzog nach dem Schlosse, woselbst Absteigequgrtier genommen wurde. Um Si Uhr Abends fand im Alten alais am j Familientafel und Marschalltafel statt, und später wurde Hon Mitgliedern des Hoftheaters Benedix. Lustspiel Die ärtlichen Verwandten“ aufgeführt. Die Fahnen und Stan⸗ . waren zu Seiner Majestät dem Kaiser nach dem Schlosse gebracht worden. . . Gestern Vormittag besuchten Seine Majestät der Kaiser, wie W. T. B. meldet, das Mausoleum auf der Rosenhoͤhe, um an der Grabstätte des Großherzogs Ludwig und der Großherzogin Alice Kranzspenden niederzulegen. Alsdann statteten Seine Majestãt dem Prinzen und der Prinzessin zu Solms einen Besuch ab und wohnten darauf dem Gottes⸗ dĩenste bei, welchen Hofprediger Ehrhardt für die Allerhöchsten Herrschaften um 111 Uhr im Alten Palais abhielt. Um Kei Uhr traf Ihre Majestät die Ka iserin Friedrich mit dem Prinzen und der Prinzessin Friedrich Carl von Hessen in Darmstadt ein und wurde von Seiner Majestãt dem Kaiser, von Seiner Königlichen Hoheit dem 8 . und der Prinzessin Heinrich von Battenberg am Bahnho empfangen. Die Gesandten von Preußen und von England waren anwesend. Nach kurzer Begrüßung fuhren Seine Majestãt der Kaiser und Ihre Majestät die Kaiserin Friedrich in offenem Wagen nach dem Palais. Der Großherzog und die Prinzen und Prinzessinnen folgten. Am Nachmittag unternahmen der Kaiser und der Großherzog eine Ausfahrt nach dem Kranichsteiner Wildpark und wohnten später der Vorstellung im Theater bei. Ihre Majestät die Kaiserin Friedrich kehrte mit dem Prinzen und der Prinzessin Friedrich arl von Hessen am Nachmittag nach Kronberg zurücḱ; Heute fruͤh wurde die Garnison von Darmstadt alarmiert und hierauf auf dem Exerzierplatz vor Seiner Majestät eine Uebung abgehalten. Um 7 Uhr Morgens reisten Seine Majestat der Kaiser, von Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzog und der militärischen Suite zum Bahnhof geleitet, nach Salzschlirf ab, wo die Ankunft um 10 Uhr erfolgte. Vom dortigen Bahnhof begaben Sich Seine Majestät zu Wagen nach Schlitz. Ihre Majestät die Kaiserin und Königin
ertheilten gestern dem Herzog von Sagan eine Audienz.
Der Bundesrath versammelte sich heute zu einer Plenar⸗
sitzung.
Das Staats-Ministerium trat heute Nachmittag 2 Uhr im Reichstage bäude unter dem Vorfitz des Minister⸗ Präfidenten Fürsten zu Hohenlohe zu einer Sitzung zusammen.
Behufs Regelung des Pensionsbezuges der im Reichs oder Staats dienst wiederbeschäftigten pensionierten Beamten ist durch Zirkularverfügung der Minister der Finanzen und des Innern vom 9. d. M. Fol⸗ gendes angeordnet worden: .
1) In Gemäßheit der Vorschriften in den 55 A Nr. 2 und 29 des Zivil⸗Pensionsgesetzes vom A. März 1892 (GesetzSamml. S. 258) soll in Zukunft ein Ruhen der Pension der im Reichs- oder Staatsdienst wieder⸗ beschãftigten Pensionãre nur eintreten, sofern dieselben dadurch wieder die Eigenschaft von unmittelbaren Reichs⸗ oder Staatsbeamten erlangt haben. Bei Dienstleistungen, in welchen der Penfionär lediglich in ein privatrechtliches Verhältniß zu der ihn wiederbeschäftigenden Behörde tritt, findet dagegen eine Einziehung oder Kürzung der Pension in Zukunft nicht mehr statt.
2 Bevor Personen, welche zum Bezug einer Reichs⸗ oder Staatspension berechtigt sind, im Dienst einer Siaats behörde wieder beschäftigt werden, oder ihre dienstliche Stellung ver⸗ ãndern, ist in jedem Falle feftzustellen, ob dieselben dadurch die Eigenschaft von Staatsbeamten wiedererlangen oder ob sie nur in ein privatrechtliches Verhältniß zu dieser Behörde treten beziehungsweise in einem solchen bleiben. Im ersteren Falle ist den Betreffenden in einer mit ihnen aufzunehmenden Verhandlung zu eröffnen, daß sie die Eigenschaft von Staate⸗
eamten wiedererlangt haben.
3) Ein privatrechtliches Verhältniß wird regelmäßig dann vorliegen, wenn es sich um gering gelohnte, lediglich mechanische Dienstleistungen handelt, welche aus sächlichen Fonds vergütet werden. Diejenigen wiederbeschäftigten Pensionäre, welche eine im Staatshaushalts⸗Etat aufgeführte Stelle unter Bezug der mit derselben verbundenen Besoldung bekleiden, sind ftets als Beamte anzusehen. Werden die Dienstbezüge aus Fonds zu anderen persönlichen Ausgaben“ entnommen, so ist die Frage, ob ein Beamten⸗ oder privatrechtliches Ver⸗ hältniß vorliegt, nach den bestehenden dienstpragmatischen Grundsätzen zu beftimmen (efr. Zirkularerlaß vom 10. April 1883 — Min⸗Bl. f. d. i. V. S. ß ff —, wobei für die Annahme eines Beamtenverhältnisses namentlich entscheidend sein wird, ob die Betreffenden der Disziplinargewalt zu unterwerfen bezw. unterworfen sind, oder der Invaliditãts und Alters versicherung nach 5 4 des Reichsgesetzes vom X. Juni 1889 (R⸗G⸗Bl. S. 97) nicht unterliegen werden beziehungsweise nicht unterliegen.
4) Unter voruũbergeh Beschãftigung im Sinne des B Abf. 2 Zivil ⸗Penstonsgesetzes sind niemals die zur Deckung eines dauernden Be⸗ dürfnisses erfolgten, nich uf eine bestimmte Zeit be⸗ schrãnkten Dienstleistung verstehen, welche aus besonderen Umständen, etwa weil d etreffende sich nicht bewährt und die Kündigung oder jederzeitige Entlassung vorbehalten war, nicht zu dauernder Beschäftigung führen, sondern die zur Be⸗ friedigung vorübergehender Bedürfnisse bestimmten, mithin ihrer Natur nach zeitlich beschränkten Dienstverrichtungen, bei welchen eine Aussicht auf dauernde Beschäftigung nicht vor— handen ist.
5) Diejenige Behörde, welche die Wieder anstellung oder Wiederbeschäftigung eines Pensionärs verfügt, hat der Behörde, von deren Kasse die Zahlung und Verrechnung der Pension desselben erfolgt, von der erfolgten Wieder⸗ anstellung oder Wiederbeschãftigung Nachricht zu geben. 2 . . Dabei ist anzugeben, ob der Pensionãr durch die Wieder⸗
chäftigung die Sigenschaft eines Beamten wie der⸗ erlangt hat, oder ob Beamteneigenschaft au schlossen ist; ferner, ob es sich um eine dauernde oder vor⸗ übergehende Beschãftigung handelt. Auch ist die Höhe des infolge der Wiederanstellung oder Wiederbheschãftigung aus der Staats⸗ (Reichs) Kasse bewilligten Einkommens anzugeben und später von einer eg r,, dieses Einksmmens Mitthellung zu machen; der letzteren bedarf es indessen nicht in Fällen, in denen eine Einkemmengerhöhung eintritt, i bereits vorher der ganze Pensionsbezug ruhte. Endlich hat eine Anzeige der Wiederanstellungs⸗ behörde auch bei jedem Stellenwechsel und beim Wieder⸗ ausscheiden des Beamten aus dem Dienste zu er⸗ folgen. Die vorstehend angeordneten Benachrichtigungen der wicderanstellenden oder wiederbeschäftigenden Behörden sind als Justifikatorien zu den betreffenden ensionsrechnungen bei⸗ zubringen. . . .
6) Vorstehende Bestimmungen finden auf Wartegeld⸗ empfänger entsprechende Anwendung. .
7 Der Jirkularerlaß vom 19. August 1880 (Min⸗Bl. f. d. i. V. S. 261) wird aufgehoben.
Der General⸗Lieutenant Kuhlmann, Inspekteur der 1. Fuß ⸗Artillerie⸗Inspektion, hat Berlin verlassen.
Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Königlich bayerische General⸗Major von Haag ist hier angekommen.
Friedrichsr uh, 2. April. Den „Hamburger Nach⸗ richten zufolge nahm Fürst Bismarck heute Vormittag das Modell des Geschenks der deutschen Korps, bestehend in einem auf der Rudelsburg zu errichtenden Denkmal, das den Jubilar als Studenten darstellt, von einer Deputation alter Korpsstudenten entgegen, die von Dr. Hans von Hopfen als Sprecher geführt wurde. Auf die an ihn gerichtete Ansprache erwiderte der Fürst in lãngerer Rede Danach empfing der Fürst im Schi hon eine Ab⸗ ordnung aus Oldenburg, von der ihm als Geschenk zwei Stuten mit ihren Füllen vorgeführt wurden. Nach dem Empfang blieb der Fürst mit den Herren des Oldenburgischen Gomités sowie mit den Vertretern der Korps noch eine Stunde im Schlosse beisammen.
Düsseldorf, 28. April. Nachdem Sei ne Majestät der König die Zusammenberufung des Provinzial⸗Landtags der Rheinprovinz auf den heutigen Tag zu genehmigen ge⸗ ruht hatte, begab sich heute Mittag 12 Uhr, nach Beendigung des in der katholischen und in der evangelischen Kirche abge— haltenen Gottesdienstes der Königliche Landtags-Kommissarius, Dber⸗Präfident der Rheinprovinz, Wirkliche Geheime Rath Rasse nach dem Ständehause und eröffnete mit nachfolgender Ansprache den 39. Provinzial⸗Landtag:
Hochgeebrte Herren!
Den von Seiner Majestät dem Kaiser und König hierher ein—⸗ berufenen 33. Frovinzial-Landtag der Rbeinprovinz namens der König. lichen Staatsregierung berzlichst begrüßen zu dürfen, gereicht mir zur großen Ehre und Freude.
Aus den Ihnen bereits zugegangenen Vorlagen werden Sie erseben baben, das zahlreiche und bedeutsame Angelegenheiten der Beschluß⸗ fassung durch den Provinzial Landtag barren.
Von dem Provinzial⸗Ausschuß sorgsam vorberathen, entrollt Ibnen vor allem der Haushaltsplan für die Etatsjahre 1895ꝭ/96 und 1856/97 ein übersichtliches Bild der vielseitigen und dankbaren Auf⸗ e, deren Erfüllung der provinziellen Fürsorge und Verwaltung obliegt.
Bewiß ist es Ihr lebbaftester Wunsch, in gemeinsamer Arbeit mit den staatlichen und kommunalen Organen thunlichst allen auf För- derung des Gemeinwohls innerhalb der Provinz gerichteten Bestre= bungen nach Maßgabe der vorhandenen Mittel dienlich zu sein. So darf denn auch jeßt wieder eine reiche Bethätigung des Wohlwollens erwartet werden, welches der Rbeinische Provinzial ⸗ Landtag für die Bedurfnisse des Armen⸗ und Krankenwesens, von Gewerbe und Verkehr, von Kunft und Wissenschaft und vorzugsweise auch für die Intereffen der Landwirtbschaft treibenden Bevölkerung stets an den Tag gelegt hat.
Mit Befriedigung werden Sie es begrüßen, daß von dem Provinzial. Ausschuß im Hinblick auf die Schwierigkeiten, unter denen auch die rbeinische Landwirthschaft und insbesondere der Kleinbauern stand zu leiden bat, in dem Entwurf des Hausbaltsplanes eine Verstãrkung der für landwirthschaftliche Zwecke zu verwendenden Mittel vorgesehen worden ist.
Das Gebiet der Landwirtbschaft ist es auch, auf dem sich die be⸗ deutsamste unter den Vorlagen der Staatsregierung bewegt. Es ist die im Auftrage der juständigen Herren Minifter Ibrer Beschluß fassung unterbreitete Vorlage über die Errichtung einer Landwirth⸗ schaftskammer für unsere Provinz. Ich bin überzeugt, das Sie, boch⸗ geehrte Serren, mit voller Unbefangenbeit an die Prüfung dieses wichtigen Gegenstandes Ihrer Berathungen berantreten werden, und gebe mich der Hoffnung hin, daß das in der Vorlage jum lagdru gelangende Bestreben der Staatsregierung, auch dem Berufe stande der rbeinischen Landwirthe durch eine um⸗ fassende korporative Organifation die sichere Grundlage für die zur Sebung und Förderung der Landwirtbschaft erforderlichen Maßnahmen aller Art zu verleihen, nicht mur Ihr ungetheiltes Interesse bervor= ruft, sondern auch, entsprechend dem Ernst der gegenwärtigen Lage unserer Landwirthschaft, einer gerechten Würdigung bei Ihnen be⸗ gegnet. Die Staatsregierung legt auf das Zustandekommen des Unternehmens wegen seiner Bedeutung für viele wichtige und gerade jetzt dringliche Aufgaben der Landwirt kschaft einen boben Werth.
Als Königlicher Kommissar erkläre ich den 39. Rheinischen Provinzial Landtag hiermit für eröffnet.
Darauf fand die Wahl des Vorsitzenden des Provinzial⸗ Landtags sowie eines Stellvertreters desselben statt. Zum Vorsitzenden des ö Landtags wurde der Ober⸗ Bürgermeister Becker aus Köln, zum Stellvertreter des⸗ selben Graf Fürstenberg⸗-Stamm heim aus Stammheim gewählt.
Bayern.
Das Geburtsfest Seiner Majestät des Königs wurde am Sonnabend in München durch eine Reihe von Gottes⸗ diensten begangen Die Königliche Residenz, die Palais der Prinzen und der Gesandtschaften, sämmtliche staatlichen, kirch⸗ lichen und stãdtischen Gebäude hatten Flaggenschmuck angelegt. Um 10 Uhr fanden Gottesdienste in der St. Michaels⸗ Hofkirche, der proteftantischen St. Matthäuskirche und in der Synagoge statt. In der St. Michaels⸗Hofkirche er⸗ schienen Abihellungen der verschiedenen Waffengattungen der Garnison an der Spitze der Generalität mit dem Kriegs⸗ Minister Freiherrn von Asch Ihre Königlichen * . die Prinzen Arnulf, Alfons, Rupprecht u Franz, sowie der Herzog Siegfried. Um 11 Uhr begann das Pontifikalamt im Dom, das der Erzbischof von Thoma
zelebrierte. u demselben fanden sich Ihre Königli heiten der Brinz⸗Regent mit den Prinzen 64
udwig Ferdinand und dem Herzog Ludwig ein. Die Offiziere der verschiedenen Regimenter vereinigten sich Nach⸗ mittags zu Festdiners in ihren Kasinos.
. Sessen.
Die Zweite Kammer bewilligte in ihrer vorgestrigen Sitzung die Summe von 1500 000 66 zur Erbauung eines neuen Museums.
Lübeck.
Die Bürgerschaft genehmigte, dem, W. T. B. zufolge, heute einstimmig die Einsetzung einer Entscheidungs⸗ Kommission zur Lösung des zwischen dem Senat und der Bürgerschaft bestehenden Konflikts über die Einrichtung einer Lübecker Staatslotterie.
DOesterreich⸗Ungarn.
Am Sonnabend Vormittag fand in Wien die Früh⸗ jahrs⸗-Parade der dortigen Garnison vor dem Kaiser statt. Derselben wohnten der Prinz Leopold von Bayern, welcher am Morgen eingetroffen und von dem Kaiser empfangen worden war, sowie der Erzherzog Rainer bei. Der Kaiser, dem sich eine glänzende Suite anschloß, ritt die Front der Truppen ab, welche sodann defilierten. ö. Mitglieder der Diplomatie, sowie ein zahlreiches Publikum waren auf dem Paradefelde anwesend.
Die Kaiserin ist vorgestern in Venedig eingetroffen.
Bei der am Sonnabend im österreichischen Ab⸗
eord neten hause fortgesetzten . über die Dringlich⸗ eit des Antrags Sokol auf Aufhebung der Schul⸗ erlasse des Statthalters von Böhmen bekämpfte der Jungtscheche Herold die Schulerlasse leidenschaft⸗ lich. Der Unterrichts -Minister Dr. von Madenski erklärte, die Treue und Hingebung des böhmischen Volks an Kaiser und Reich seien historisch dokumentiert. Allein, wenn leidenschaftliche Kämpfe geführt würden, ergriffen dieselben auch die Phantasie der Jugend, und es träten Ver⸗ irrungen zu Tage. Dagegen habe pflichtgemäß an Abhilfe gedacht werden müssen. In zahlreichen Schulen seien Samm⸗ lungen zu nationalen Zwecken eingeleitet, das Bild des Kaisers verunglimpft und andere Ausschreitungen begangen worden. Nachdem seitens der Gesellschaft hiergegen nichts geschehen, sei es Pflicht der Schulverwaltung, die Erziehung der Jugend in gesunde Bahnen zu leiten. Der Minister führte weiter aus, daß der österreichische Staat niemals die nationale Fördernng des böhmischen Volks unterlassen habe und daß die verlangte Zurückziehung der Erlasse vom Standyunkt des Staats unver⸗ antwortlich fein würde. Der Abg. Graf Hohenwart legte den Standpunkt seiner Partei dar und hielt die Kompetenz des Statthalters zur Herausgabe der Erlasse für völlig zweifellos Namens der ganzen Majorität des Hauses erklärte er, daß dieselbe den allgemeinen Intentionenn der Erlasse vollkommen beipflichte. . einer weiteren Rede des Abg. Herold wurde die Dringlichkeit des Antrags Sokol abgelehnt. Am Schluß der Sitzung interpellierten die Abgg. von Zalews ki und Genossen den Minister des . über das von dem Regierungs⸗Präsidenten in Oppeln crlassene Verbot der Rindereinfuhr aus Galizien nach Deutsch land. Eine Einschleppung der Klauenseuche aus Galizien habe nicht stattgefunden; Galizien gehe durch das Verbot aller Vortheile aus dem Handelsvertrage verlustig. Die von Mit⸗ gliedern der meisten Parteien unterzeichnete Interpellation schließt mit der Anfrage, welche Schritte die Regierung zu thun ge⸗ denke, um die deutsche Regierung zur Aufhebung des Verbots zu veranlassen. .
Das ungarische Unterhaus beschloß vorgestern mit großer Masorität, das Gesetz über die freie Religions⸗ übung, aus welchem das Sberhaus den Abschnitt über die Konfessionslosigkeit bereits zweimal gestrichen hatte, zum dritten Mal behufs Restituierung des gestrichenen Abschnitts zurück⸗ 4 . Am Schluß der Sitzung richtete der Abg. Molnar an
en Finanz⸗Minister die Anfrage, ob die österreichisch- ungarische Bank um Verlängerung des Privilegiums eingekommen sei, welchen Standpunkt der Minister in der Bankfrage einnehme und ob nicht eine selbständige ungarisch⸗ nationale Bank errichtet werde. Graf Apponyi interpellierte die Regierung, ob die Nachricht der Blätter wahr sei, daß die Errichtung eines dem Wiener Ober⸗Hofmeister⸗Amt unterzuordnenden Hofamts in Budapest geplant sei und ob die Regierung überhaupt ein Hofamt zu errichten beabsichtige, welches einem anderen untergeordnet und keine ausschließlich ungarische Institution sei Großbritannien und Irland.
Die Königin und die Königin⸗Regentin der Niederlande find am Sonnabend Mittag in London ein⸗ getroffen.
Bei der vorgestern in Wicklow⸗Ost vorgenommenen Ersatzwahl zum Unterhause wurde O Kelly Nationalist) mit 62 Stimmen Majorität gegen Sweetman (Parnellit)
gewãhlt. Rußland.
Nach dem vorläufigen Kassenausweis betrugen im Ordi⸗ narium die Reichseinnahmen im Januar 1895 8 9662 000 Rbl. gegen 9 797 000 Rbl. im gleichen Monat 1894. Die Ausgaben bezifferten sich auf 102 981 900 Rbl. gegen 85 315 000 Rbl. 1834 Im Extraordinarium be⸗ krugen die Einnahmen 1 018 500 Rbl. gegen 8 6) 000 Rbl. im Vorjahre, die Ausgaben 15159000 Rbl. gegen 763 000 Rubel 1894 Die Hauptmehreinnahmen entfielen auf die Kroneisenbahnen mit 421 000 Rubel, die Zolleinnahmen mit 1995 600 Rubel und die Getränke⸗Accise mit 875 000 Rubel. Die Hauptmindereinnahmen ergaben die obligatorischen Jahlungen der Eisenbahngesellschaften um 2585 000 Rubel.
Italien.
Die „Riforma.“ meldet, der Tag für die Wahlen sei zwar noch nicht definitiv feligesetzt, doch würden die Wahlen sicherlich im Laufe des Mai stattfinden.
EDyanien.
Das Befinden des Herzogs von Orleans hat sich nach einer Meldung des W. T. B. aus Sevilla gebessert. obwohl die Schmerzen im Bein noch sehr heftig auftreten. Da die Heilung des Beinbruchs aber mehrere Wochen erfordern wird, so ist, wie verlautet, die Vermählung des Herzogs von Aosta mit der Prinzessin Helene von Orleans verschoben worden.
Griechenland.
Von 44 bis gestern bekannt gewordenen Wahlresultaten ind W für die Del an nisten günstig ausgefallen Trikupis unterlag mit 115 Stimmen.
3 Rumãnien. Die Session der Kammern ist bis zum 11. Mai ver⸗
längert worden.
; Serbien.
Die Skupschtina hielt am Sonnabend eine kurze belanglose Sitzung ab und dürfte heute über die Adresse ver⸗ handeln. Anfangs der Woche wird die Anleihevorlage im Finanz⸗Ausschuß, welcher aus Fortschrittlern, Liberalen und Neutralen unter dem Vorsitz des Liberalen Gwozdits zusammengesetzt ist, zur Berathung gelangen. Die vor⸗ bereitenden Arbeiten der Ausschüsse verliefen bisher ohne Zwischenfall.
Der Zentralgusschuß der liberalen Partei hatte alle gegen den Beschluß des Ausschusses auf Wahlenthaltung gewählten liberalen Mitglieder der Skupschtina aufgefordert, ihre Mandate innerhalb dreier Tage niederzulegen. Gestern stellte sich nun der aus mehr als 30 Abgeordneten bestehende liberale Klub der Skupschtina dem König vor und erklärte, die Mitglieder des Klubs wollten sich dem Beschluß des Ausschusses nicht fügen und würden die Politik des Königs weiterhin unter⸗ stützen.
Schweden und Norwegen.
Der norwegische Staats⸗Minister Gram und der nor⸗ wegische Staatsrath Hagerup sind am Sonnabend aus Christiania in Stockholm angekommen; bald nach ihrer An⸗ kunft wurde unter Vorsitz des Königs eine norwegische Staatsrathssitzung abgehalten.
Amerika.
Nach einer Meldung aus Havanna hat der Marschall Martinez Campos seinen Operationsplan festgestellt und wird sich demnächst nach Santiago begeben.
Der Gesandte von Nicaragua in Washington hat dem „W. T. B.“ zufolge Telegramme erhalten, worin berichtet wird, daß britische Marine truppen vom Kriegsschiff „Royal Arthur“ am Sonnabend früh 1 Uhr gelandet worden feien und jetzt die britische Flagge über Corinto wehe. Die Behörden und der größte Theil der Einwohner hätten die Stadt verlassen. In politischen Kreisen Washingtons glaube man, daß die Schließung Corintos als Einfuhrhafen von Nicaragua die Frage verwickele und die Vereinigten Staaten gegen ihren Willen in dieselbe hineingezogen werden könnten.
Der Präsident von Nicaragua, General Zalaya hat, wie das „Reuter sche Bureau“ aus New⸗York berichtet, ein Telegramm an ein dortiges Telegraphen⸗Bureau gesandt, worin es heißt, Nicaragua habe Protest eingelegt gegenüber der in der Besetzung von Corinto liegenden Gewaltthaͤtigkeit. Admiral Stephenson habe dem Kommandanten von Corinto die . zugehen lassen, Frauen und Kinder an einen sicheren Platz zu bringen da die Schiffe die Hauptgebäude be— schießen sollten. Die Regierung sage in ihrer Erwiderung auf das Ultimatum: Nicaragua protestiere gegenüber so ge⸗ waltthätigen Maßnahmen, welche der Souveränetät der Re⸗ publik zuwiderliefen und deren Würde und Unabhängigkeit ver⸗ letzten. Die Regierung bestehe auf dem Vorschlag eines Schieds⸗ gerichts — In Mana gua herrsche große Aufregung. Da⸗ selbst habe eine antibritische Demonstration statt⸗ ee, e. indem der Pöbel das Schild des britischen Konsulats zerunterzureißen versuchte, was die Polizei verhindert habe.
Nach einer Meldung des ‚W. T. B.“ aus London ver—⸗ laute daselbst, daß die Regierung der Vereinigten Staa ten bemüht gewesen sei, eine freundschaftliche Bei—⸗ legung des Streites zwischen England und Nicaragua herbeizu⸗ führen. Der amerikanische Botschafter Bayard habe dem britischen Auswärtigen Amt vorgestellt, Nicaragua werde, gäbe man ihm über den Termin des Uütimatums hinaus 14 Tage i die ver⸗ langte Summe zahlen. Dieser Vorschlag sei in der Voraus— setzung, daß der Staatssekretär Gresham zu Gunsten von Nearagua handele, angenommen worden. Iin letzten Moment habe sich jedoch Nicaragua geweigert, in dieses Arrangement zu willigen, und man meine, es sei nur, um einen Aufschub zu gewinnen, auf das Schiedsgericht zurückge lommen,
Die heutige „Times“ schreibt, die brinischen Kriegsschiffe würden in Corinto bleiben, bis Nicaragua nachgebe. Wenn England Nicaragua nachgeben wollte, wärde es noch andere kleine Staaten dadurch anreizen, die englische Flagge zu insultieren und britische Unterthanen zu schädigen. Wenn Nicaragua hartnäckig auf seinem Standpunkt bleibe, dürfte England noch weitere Schritte thun.
Nach einem Telegramm des „Reuter schen Bureaus“ aus San Joss haben die Regierungen von Guatemala, San Salvador und Costarica ernstlich die Regierung von Nicaragua ermahnt, die von England geforderte Summe zu zahlen. Der Präsident Iglesias habe einen Beitrag von einem Fünftel der englischen Forderung angeboten, jedoch sei Nicaragua entschlossen, wegen der gegen England herrschenden Strömung den Forderungen nicht nachzugeben.
Nach einer Meldung der „Times“ aus Santiago de Chile vom 28. d. M. soll dem Kongreß heute ein Antrag vorgelegt werden, welcher den Präsidenten zur Aufnahme einer Ankeihe im Betrage von 2 Millionen Pfd. Sterl. vom 1. Juni ab ermächtigt.
Asien.
Dem „Reuter'schen Bureau“ wird aus Jo kohama vom 25. d. M. gemeldet: Der von Deutschland, Frankreich und Rußland eingelegte Protest erkläre, die Abtretung der Halbinsel Liautong würde eine beständige Drohung gegen Peking sein und die Unabhängigkeit Koreas sowie die Auf⸗ rechterhaltung des Friedens im fernen Osten bedrohen. Das Memorandum sei als freundlicher Rath, nicht als Drohung übergeben worden. ;
Der „Times“ wird aus Peking von vorgestern gemeldet, besonders die vorgeschlagene Abtretung der Süd⸗Man⸗
churei stoße dort auf Wi derstand, weniger die Abtretung von Form osa. Die anderen Artikel des Friedensvertrags
würden als erträglich angesehen. Die Generale Sung und 36
er Führer der Schwarzflaggen Liu und mehrere Gouverneure
opponierten gegen die Unterwerfung unter Japan. 3 R lus Spwanghai erfährt die „Times“, zuverlässigen zachrichten zufolge habe Rußland China ersucht, die atifikation des Vertrags von Sim onoseki einige
age zu verschieben.
Afrika.
Nach einer in Kairo eingetroffenen Nachricht hätte der
Qberst Colpille mit dem Reste der Truppen Emin Pascha! s Wadelai, den Engpaß der Fälle von Redgaf und die Aeguatsrial-Provinz besetzt und bedrohe das Gebiet des Bahr⸗el⸗Ghazal. Der Agenzia Stefani“ wird aus Kairo emeldet · Der italienischs Konsulgragent in Esna habe in Assuan dem Araherführer Abdullah Mohamed Om ar feierlich die silberne Verdienst⸗Medgille überreicht, welche demselben von dem König Humbert für die Befreiung Rossignolis aus der Gefangenschaft in Omdurman verliehen sei. Der Feierlichkeit hätten der Kommandant der Garnison und die Scheikhs mehrerer Stämme beigewohnt; eine Kompagnie Soldaten habe die ere, erwiesen. Der italienische Konsularagent sei lebhaft begrüßt worden.
Aus Tripolis erfährt die „Agenzia Stefani“, ein von der Oase Kauar in Süud⸗Fezzan auf der Bornu⸗Route kommender Kurier habe die Nachricht überbracht, daß sich der Tod Rabah's be stätige. Indessen sei der Kurier nicht nach Bornu selbst gelangt infolge der dort herrschenden anarchistischen Zustãnde Die Meldung, daß der Scheikh Senussi sich nach Mekka aufgemacht habe, scheine sich nicht zu bestãtigen.
Parlamentarische Nachrichten.
Die Schlußberichte über die vorgestrigen Sitzungen des Reichstags und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.
— In der heutigen (79.) Sitzung des Reichstags, welcher der Staatssekretär, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher, sowie der Staatssekretär Nieberding bei⸗ wohnten, wurde zunächst die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt, begonnen.
Die Kommission beantragt, den Gesetzentwurf mit einigen Abänderungen anzunehmen, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Pentionen für erledigt zu erklären und einigen von der Kommission angenommenen Resolutionen, die sich auf die Verhältnisse der Arbeiter auf den Schiffen, die Erhebung der Gebühren und auf den Schutz der deutschen Küstenschiffahrt vor ausländischer Konkurrenz beziehen, zuzu⸗ stimmen.
Die ersten drei Paragraphen wurden in der von der Kommission ungeändert gelassenen Fassung der Regierungs⸗ vorlage angenommen; zu F liegt ein Aenderungsantrag der Kommission vor, den zunächst der Staatssekretär Nieberding bekämpfte.
Schluß des Blattes)
— Dem Reichstag ist nunmehr der Bericht der VI. Kom- mission über den derselben zur Vorberathung überwiesenen Gesetz⸗ entwurf, betreffend Aenderungen und Ergänzungen des Strafgesetz buchs, des Militär⸗Strafgeseßbuchs und des Gesetzes über die Presse (sogenannte Um sturzvorlage ), zugegangen. Der Senioren. kondent des Reichstags bat beschloffen, die zweite Berathung auf die Tage ung der Sitzung vom 6. Mai zu setzen.
— Antliches Wahlergebniß der Reichstags-Ersatz⸗ wahl im 1. Casseler Wahlkreise (Rinteln-Hofgeismar⸗ Wolfhagen): Von insgesammt M46 abgegebenen gültigen Stimmen erhielt Dr. Vielhaben (deutsch⸗sopzial 5029, von Wächter (Soz) 2265, Souchay (nl) 1245, Dr. Virchow (fr. Volksp.) 502 und Martin (hessische Rechtsp.) 164 Stimmen. Dr. Vielhaben ist somit gewählt.
— Die XVI. Kommission des Hauses der Abgeordneten zur Vorberathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Abänderung und Ergänzung einiger Bestimm ungen des Kommunal—⸗ abgabengesetzes vom 14. Juli 1893, hat sich kenstituiert und zum Votsitzenden den Abg. Hansen, zu dessen Stellvertreter den Abg. vom Rath und zu Schriftführern die Abgg. Winckler und Wallen born gewählt.
— Die XVII. Kommission des Hauses der Abgeordneten zur Vorberathung des Gesetzentwurfs, betreffend das Pfandrecht der Privateisenbahnen und Kleinbahnen und die Zwangs voll streckunz in dieselben, hat zum Votsitzenden den Abg. Dr. Irmer, za dessen Stellvertreter den Abg. Grafen Moltke und zu Schriftfübrern die Abgg. Bunzen, Dr. Lotich ius und Gor ke gewählt.
Kunst und Wissenschaft.
Am 19. d. M. wurde in Rom das Winter⸗Semester des Kaiserlichen Archäologischen Institu ts mit der üblichen an das Palilienfest anknüpfenden feierlichen Sitzung geschlossen. Unter den zahlreichen Theilnehmern, welche der Sitz ung beiwohnten, befanden sich der Kaiserliche Botschafter, der Königlich bayerische Gesandte, vom italienischen Unter⸗ richts⸗Ministerium der Unter ⸗-Staatssekretär Commendatore Costantini, die Direktoren der historischen Institute von Preußen und Oesterreich und andere Notabilitäten. Der Erste Sekretar, Herr Professor Petersen, gab zu Beginn der Sitzung einen Ueberblick über die neuen Entdeckungen von Alterthümern, welche das verflossene Jahr in Rom selbst gebracht hatte, daran knüpfend die Ankündigung eines im letzten Stadium der Vorbereitung begriffenen Unternehmens: Wiederherstellung und Herausgabe der Reliefs an der Mark⸗Aurels⸗-Säule, eines Unternehmens, das Italiener und Deutsche zum Zusammen⸗ arbeiten vereinen würde. Vom Königlich italienischen Unterrichts-Ministerium sei bereits der Hirn fast fertig gestelltn, der diese Arbeiten ermöglichen solle; die Mittel für den deutschen Theil der Arbeit sind von Seiner Majestät dem Kaiser Allergnädigst. bewilligt., worden. Es folgte der Vortrag des Herrn Barnabei über die Rekon⸗ struktion des palatinischen Stadiums, bei dem ein prächtiges farbiges Bild des einstigen Baues und zahlreiche außerordentlich fein ausgeführte erläuternde Zeichnungen zur Anschauung gebracht wurden. Sodann sprach Herr Petersen über den ö. der Ara Pacis, indem er dem zu seiner früheren Wiederherstellung benutzten Material ein nach Wien versprengtes und ein noch im Palazzo Fiano in Rom befind⸗— liches Bruchstück hinzufügte.
Der Geheime Rath Professor der Chirurgie Dr. Karl Thiersch
in Leipzig ist laut Meldung des W. T. B. gestern nach eben vollendetem 73. Leben jahre gestorben. Thiersch wurde am 20. April 1822 zu München geboren, studierte daselbst, in Berlin, Wien und Paris, wurde 1845 Prosektor für pathologische Anatomie in München, machte den zweiten schleswig- holsteinischen
* als freiwilliger Arzt mit und ftellte 1854 bei einer Cholera ⸗Cyidemie in München experimentelle Untersuchungen über die Ansteckungsfähigkeit der Cholera an. In demselben Jahre wurde er als Professer der Chirurgie nach Erlangen, 1867 nach Leipzig be= rufen. 15370 machte er als konsultierender General / Arßt im XII. Armee⸗Korps den Krieg gegen Frankreich mit. Nach einem von ihm in Gemeinschaft mit Wunderlich entworfenen Plan wurde das Stadtkrankenhaus zu Leipzig, ein Musterinftitut seiner Art, erbaut. Seine bervorragendstea Unterfuchungen beiiehen sich auf die Wundbeilung, deren feinere Vorgãnge er mikroskopisch zu erforschen suchte. Die gewonnenen Resultate wurden in dem Handbuch der Chirurgie. von Billroth und Pitba veräffentlicht. Die praktische Seite der Wund⸗ heilung förderte Thiersch als einer der Ersten durch Einführung der Salicylsäure als Berbandmittel. Auch über den Ir ne fte. lieferte er eine bahnbrechende Arbeit (Leipzig 1865).
Theater und Mufik.
Königliches Schau syiel baus.
Das fünfaktige Lustspiel Der Revisor von Nikolay Gogol, das am Sonnabend im Königlichen Schauspielbause zur Darstellung gelangt ist, gilt fär das bervorragendste komische Produkt der russischen Schaubübne. Daß Herr Max Grube, der verdienstvolle Ober -⸗Regisseur, es in einer neuen Uehersetzung von Fräulein Elsa von Schabelsky zur Aufführung gebracht 353 ist nach mehrfacher Richtung hin anzuerkennen. Aus der russischen dramatischen Literatur dringen nur selten Erzeugnisse zu uns herüber. Bei aller Bedeutung, die die russische Romanliteratur besitzt muß man gestehen, daß Ruß⸗ land eine Blüthezeit der dramatischen Poesie, etwa derjenigen Deutsch⸗ lands, Englands und Frankreichs vergleichbar, noch nicht gehabt hat. Nur das satirisch komische Sittenbild hat in Gogol's Revisor“ einen Höhe⸗ punkt erreicht. Und doch, wie schwerfällig, wie unbeholfen erscheint vieles in diesem berühmten Stück des russischen Humoristen! Die Charakteristik, die geradezu glänzend ist, erscheint durch derbe und grobe Züge oft karikiert. Feinbeiten treten selten bervor, meist schöpft die gestaltende Kraft Gogol's aus dem Allzuvollen. Da kommt es denn vor, daß er, um nur zu zeigen, wie alle Beamten einer russischen Stadt einen gefürchteten Revisor für sich zu gewinnen suchen, des Guten zu viel thut. Nicht einer tritt auf, der sich be= müht, den Revisor zu bestechen, nein, eine Menge Bestechungsscenen, freilich immer anders nuanciert, folgen einander in rasendem Tempo, ob⸗ schon das Leitmotiv: Nimm mein Geld und schweig!' immer wieder kehrt. Man thut Gogol Unrecht, wenn man ihn auf Grund dieses Stückes einen Humoristen nennt. Dazu feblt ihm das Befreiende, das Versöhnende des echten Humors. Das Lachen ist da, aber die milde Thräne menschlicher Nachsicht und menschlichen Verstehens feblt. Und das Lachen, das durch dieses seltsame Stück geht, ist auch nur bitter, gallig, erbost, gereizt. Wie könnte es auch anders sein! Was Gogol schildert, bedurfte des barten Griffels eines Sati⸗ rikers, als welcher uns der russische Dichter auch erscheint. Die Misere des kleinrussischen Beamtenlebens einer Provinzialstadt um das Jahr 1830 wird uns in ihrer ganzen Niedrigkeit ent- bullt. Dieser Stadtkommandant, diese Kreisrichter, Schul⸗ reftoren, Inspektoren der Wohlthätigfeits⸗Anstalten, Postdirektoren, diese Rentiers und Stadthonoratioren bis herab zum Polizeidiener sind Schurken, die das Volk bedrücken, auf völlig ungesetzliche Weise die Stadt plündern und durch fortdauernde Nöthigung zu „freiwilligen Gaben ausrauben. Nicht besser ist das Gesindel von Kaufleuten, die den Staat um Tausende betrügen und sich immer ducken, wenn ein gestrenger Beamter an ihrem Schwindel theilnehmen will In diese Ge⸗ sellschaft platzt die Nachricht, daß aus St. Petersburg ein Revisor kommen und alles kontrolieren wird, wie eine Bombe ein. Rathlos und bestürzt treffen die Beamten ein vaar unzulängliche Maßregeln. Da steigt in einem Hotel ein junger Petersburger Regierungs- Assessor ab, der auf der Heimreise begriffen ist. Leider besitzt er keinen Pfennig Geld mehr, und schon befürchtet er, wegen Zechprellerei ins Gefängniß wandern zu müssen, da verbreitet sich das Gerücht, er sei der Revisor, und unterstützt durch seine hauptstädtischen Manieren, findet er sich in seine Rolle und sieht, wie die ganze Stadt ein wahres Wettrennen um seine Gunst veranstaltet. Es regnet Hundertrubelscheine, die er mit
roßartiger Naivetät als Darlehen‘ annimmt, er verlobt sich mit der Tochter des Stadtkommandanten und verschwindet zur rechten Zeit. In dem Augenblick, in dem die Honoratioren erkennen, daß sie von einem Schwindler dupiert sind, kommt die Nachricht; der wirkliche Revisor sei da. Tableau und Ende des Stücks. — Gewiß; es ist ein unerquickliches Gemälde, das Gogol vor uns aufrollt, aber schon Turgenjeff, sein großer Landsmann, hat in seinen ‚Literatur⸗ und Lebenserinnerungen“ fein bemerkt, es sei zwar eine grausige Komödie jenes dunklen kleinrussischen Lebens‘, aber ihr dienten die Worte zum Motto: ‚Schilt nicht den Spiegel, wenn das eigene Gesicht schief ist.“ Turgenjeff's Bemerkung giebt uns Recht, wenn wir in Gogol mehr einen tiefen Satiriker als einen Humoristen sehen.
Die Inscenierung durch Herrn Grube war vortrefflich, und auch in der Darstellung ragten einzelne Schauspieler hervor, die aus ihren Rollen treffliche Charaktertypen schufen. Herr Keßler als Kreisrichter Liapkin⸗Tiapkin, Herr Hartmann als Postdirektor Spelin, Frau Schramm als Klempnersfrau und Herr Link als Rentier Peter Iwanowitsch Bobtschinsky erregten stürmische Heiterkeit. Aber eine Leistung aller ersten Ranges bot, Herr Vollmer als der vermeintliche Revisor dar. Wie er den jugendlichen Charakter seiner Rolle zum Ausdruck brachte und ibr trotz der ihr innewohnenden niedrigen Gesinnung immer noch einige liebenswürdige Züge lieh, wie er nach einem opulenten Weinfrühstück inmitten der ehrfurchtsvoll zuhörenden Beamtenschaft mit seinen Petersburger Bekanntschaften renommierte, wie er so, halbtrunken, mit freundlich / stumpfsinnigem Lachen erzählte, daß er mit den Gesandten Deutschlands, Frankreichs und Englands Karten gespielt habe, wie sich nach und nach seine Trunkenheit immer mehr geltend macht, das war seitens des Herrn Vollmer eine schauspielerische Leistung, der man wenige an die Seite zu stellen vermag, Der Beifall galt daher nur ihm, und es war nicht recht e n ssich, wie die Uebersetzerin vor dem Vorhang erscheinen und für den Applaus danken konnte.
; Neues Theater.
Die Nervösen“ , ein älterer Schwank Victorien Sardou's, der am Sonnabend zur ersten Aufführung gelangte, weckte bei den Zuschauern nur geringe Theilnahme. Nichts erinnert in diesem Werk an die vorzügliche Bühnentechnik des vielgenannten Theaterschrift⸗= stellers, nichts an die Fülle von Handlung, welche die besseren Stücke Sardou's auszeichnet und sich in den letzten Jahren bis zur krassen EGffekthascherei steigerte. Der Schwank Die Nervösen' bewegt sich im Stil der alten Charakterkomödie, in dem Moliere seinen. Geizigen“, seine Gelehrten Frauen? u. s. w. schrieb. Auf eine Charakterstudie der Nervositãt läuft also die Absicht der Dichtung hinaus, und alle drei Auf⸗ züge legen infolge dessen in immer breiterer Malerei karikaturartig die Eigenheiten und üblen Angewohnheiten der, vom Dichter erfaßten nervösen Typen dar; wohlhabender Müßiggänger, die mehr vor Langerweile sich einbilden, nerpös zu sein, als sie es thatsächlich sind. Der erste Aufzug wirkte durch die humoristische Darstellung der An= zeichen nervöser Ueberreiztheit bei Jungen und Alten, Ledigen und Verheiratheten sehr erheiternd und ist auch in dramatischer Hinsicht am besten gelungen. Die folgenden Aufzüge brachten fast nur eine übertriebene Wiederholung der Stimmung des ersten Aktes während auf die klare und anschauliche Fortführung der lose angesponnenen Handlung eines kleinen Liebeskonflikts vergeblich gehofft wurde. Zwei junge Liebespaare fallen sich zum Schluß in die Arme, ohne daß der Zuschauer eigentlich die Gründe und die Entwicklung,. der Liebeshändel kennt. — Auch die gute Darstellung. bei der besonders Herr Pagay in der Rolle des nervösen Vaus · besitzers Marteau und Herr Reusch in der des kerngesunden Neffen. César sich auszeichneten, vermochte der anfänglich guten Laune der Zuschauer keine Dauer zu verleihen.
Weniger deutliche Meinungsäußerung aber desto mehr Gleich. gültigkeit als Die Nervösen, rief der den Abend einleitende Schwank „Die Massagekur' von Robert Misch hervor. Der angebliche Gebrauch dieser Kur soll dem Gutsbesitzer Schöne die Gelegenheit geben, sich in der Stadt zu amüsieren und zu seiner Unterhaltung soll eine junge Wittwe, die vertraute Freundin seiner Frau und die Braut seines Jugend-