*
1 Blumen haben. Dazu kam, daß das Tempo der Dar⸗ ellung nicht flott genug war und die Kraft der Darsteller durchaus nicht ihren Rollen entsprach. Der Hauptgrund für die geringe Wärme und Theilnahme, die das Sheridan sche Stück erweckte, liegt aber in der Technik desselben. Man vergesse nicht, daß Sheridan ein hervorragender Politiker war, dessen Reden zu den Mustern oratorischer Kunst gehören, daß er unter Pitt zur politischen Oppo⸗ sition gehörte und der Regierung viel zu schaffen machte. * dieser politischen Opposition gesellte sich bald die ethische und gesell⸗ schaftliche, und aus diesem Milieu heraus ist seine Lästerschule ent- standen. Er war kaum ein Dichter., nur seine Entrüstung und sein Aerger über die Heuchelei haben ihrn den Tert zu seiner berühmten Komödie diktiert. Und wenn auch ein Mann wie Lord Byron ihn als Dichter schäste, die heutige Kritik sieht in ihm nur den . Kulturhistoriker, der mit erbarmungsloser Schärfe auf die Wühlarkeit der Lästerschulen innerhalb der englischen Gesellschaft hinwies, Wider die Heuchelei!“ kann als Motto dieses seines bekanntesten Stücks gelten. Um diesen Kampfruf in die Wirk lichkeit zu übersetzen, gruppiert er seine Genalten; links die Ehr⸗ lichen, rechts die Heuchler, die Mitglieder der Lästerschule, in der Mitte die hin und her schwankende Gestalt der Lady Teazle, die sich schließlich reuevolb der Partei der Guten zuwendet. Um die Guten und die Schlechten zum Sprechen zu bewegen, d. h. die Heuchelei aufzudecken, kommt ein reicher Onkel aus Indien, Sir Oliver Surface, der in dem übelbeleumdeten, leichtsinnigen Neffen Charles Surface einen braven Kerl, in dem tugendhaften Joseph Surface einen Schurken entdeckt. Verwechselung folgt auf Verwechselung, Mas kerade auf Maskerade, und dazwischen wird in einigen glänzenden Nuftritten die schmachvolle Thätigkeit der Lästerschule und ihrer vor⸗ nehmen Mitglieder enthüllt. Wenn auch hin und wieder ein treffendes Witzwort i wenn auch eine glückliche Bosheit die ganze gesell⸗ schaftliche Heuchelei aufdeckt, so ist doch andererseits die Tendenz des Stücks allzusehr und aufdringlich zu spüren: eine Tendenz, die sich zum Schluß sogar zu einer richtigen Moral‘ trivialisiert. Ein galliger und graufamer Witz durchzieht das Stück, und nur in einer Seene redet Sheridan nicht Moral, sondern formt Menschen. Das geschieht in einer Scene, in welcher der leichtsinnige, ewig geld⸗ bedürftige Charles Surface die Bilder seiner Ahnen verauktioniert. In den marktschreierischen Anpreisungen, mit denen er jedes einzelne begleitet, in dem frischen Tempo seines Naturells liegt eine so echte Komik, daß man diese Scene als die originellste des ganzen Werks: bezeichnen muß. .
Leider wurde das Stück durch die Aufführung nicht unterstützt, leider war auch die neue Uebersetzung des Herrn Hans Meery nicht fließend genug. Mit einer korrekten Uebersetzung ist noch nicht genug gethan. Die deutsche Konversation hat andere rhythmische Gesetze als die englische, und so hätte Herr Meery aus vielen lang⸗ athmigen Satzverbindungen, die auf der Bühne undeutsch wirkten, einzelne gute Sätze machen müssen. An der Aufführung war laum etwas zu loben: nicht ein einziger Darsteller schien sich ehrliche Mühe zu geben; man merkte, daß die Birektion müde ist und die Ferien nahen.
Im Neuen Theater findet am Sonntag Nachmittag eine Auffüihrung von Alexandre Dumas' Sittenbild „Demi Monde“ zu halben Preisen statt.
Mannigfaltiges.
Auf der Tagesordnung der gestrigen Stadtverordneten⸗ Versammlung stand u. a. die schon erwähnte Vorlage des Magistrats, betreffend die Bewilligung von 309 009 M zur Voll⸗ endung des Thurmes der Kaiser Wilbelm-Gedächtnißkirche und eines weiteren Beitrags von 50 0900 „ zur Vollendung der Kaiser Friedrich-⸗Gedächtnißkirche Der Stadtverordnete Spinola beantragte, die Vorlage einem Ausschuß zu überweisen; dieser Antrag wurde jedoch mit großer Majorität verworfen und hierauf . selbst mit allen gegen zwei Stimmen ab⸗ gelehnt.
Der Verein Berliner Presse bat für das Grab Gusta v Freytag's einen prachtvollen Widmungskranz nach Wiesbaden gesandt. In der nächsten Woche wird der Verein für den verstorbenen Dichter eine große Todtenfeier veranstalten, deren Einzelheiten noch bekannt gegeben werden sollen.
Für die Versammlung des Vereins zur Beförderung des Gewerkfleißes am Montag, den 5. Mai, Abends 7 Uhr im Kaiserlichen Postgebäude, Artilleriestraße 4B JL, ist folgende Tages⸗ ordnung festgesetzt: I) Bericht über die Berathungen, betreffend den Entwurf zu einem Gesetz über den unlauteren Wettbewerb, Bericht⸗
erstatter Herr Rechtsanwalt Dr. Edwin Katz. 2) Herr Ingenieur P. oppe und Herr Astronom F. S. Archenhold: Ueber große astronomische ernrohre, besonders über das für die Berliner Gewerbe ⸗Ausstellung
projektierte 30 zöllige Aequatorialinstrument. 3) Herr Handels ⸗Attachs
beim Kaiserlich deutschen Konsulat in Chicago Carl Haller: Ueber amerikanische Handels- und Industrieverhältnisse, besonders in Bezug auf den Waarenaustausch Deutschlands mit den Vereinigten Staaten.
In der Urania wird morgen Abend 71 Uhr Herr Dr. P. Schwahn zum ersten Mal seine Erlebnisse in der vom Erdbeben heimgesuchten Stadt Laibach in einem längeren Projektionsvortrag schildern. Eine große Anzahl von Originalaufnahmen der verwüsteten Stadt, von Professor Dr. Lubarsch unter den schwierigsten Verhält⸗
Krossen, 3. Mai. Das Dorf Pomm erzig, das größte im Kreise Krossen, ist gestern durch eine Feu ersbnunst zum größten Theil zerstört worden. Infolge des starken Nordwestwindes brannten in zwei Stunden 55 Wohngebäude und über, 150 Scheunen und Ställe nieder; auch viel Vieh ist verbrannt. Einige Personen erlitten Brand⸗ wunden. Das Pfarr- und das Schulhaus wurden mit Mühe er⸗ halten. Den meisten Leuten ist alles verbrannt, da sie bei Ausbruch des Feuers auf dem Felde waren. Das Feuer soll, dem „Krossener Wochenblatt“ zufolge, durch das Spielen von Kindern mit Zünd— hölzern entstanden sein.
Dresden. Bekanntlich tritt im September d. J. in Dresden unter dem Protektorat Seiner Majestät des Königs Albert von Sachsen die Association Littéraire et Artistique Inter- nationale ju ihrem 17. Kongreß zusammen. Das Festprogramm für den vom 21. bis zum 28. September dauernden Kongreß dürfte sich nach den vorläufigen Beschlüssen des Dresdner Zentralausschusses, wie folgt, gestalten. Am Sonnabend, den 21. September, feierliche Eröffnungssitzung im Saale des Gewerbehauses, der zu diesem Anlaß vom Festausschuß entsprechend dekoriert werden soll. Der Eröffnung geht im Kurländer Palais ein Rendezvous der Theil⸗ nehmer voraus. Am Abend: Galavorstellung im Königlichen Hof⸗ theater in der Altstadt. Am Sonntag, den 22. September, findet ein Ausflug nach Meißen statt, und zwar zu Schiff und mit der Bahn. In Meißen selbst: Konzert im Dom, Besichtigung der Albrechtsburg, am Abend , der Burg und Rückfahrt nach Dresden. Am Montag, 23. September, versammelt sich die Assoziation im Sgale des Kurländer Palais zur Berathung. Auch Dienstag. 24. Sep⸗ tember, ist der Arbeit gewidmet. Am Nachmittag findet ein großes Bankett im Gewerbehaussaale statt. Der Mittwoch, 25. Sep⸗ tember, ist Arbeitstag. Am Donnerstag wird ein Ausflug nach der Bastei unternommen. Auf der Rückfahrt zu Schiff werden die Elbufer von Rathen bis. Dresden beleuchtet, werden. Freitag, den 27. September, ist Arbeitstag. Für Sonnabend, den 28. September, ist ein Ausflug nach Leipzig geplant. Dort findet der Schluß des Kongresses statt. Die Mitglieder der Assoziation sind Gäste der Leipziger Buchhändler, In, der Buchhändlerbörse findet 9 Diner statt. Das Königliche Finanz⸗Ministerium hat für die
ahrten der err ne, drei Sonderzüge, die Sächsisch ˖ Böhmische
ampfschiffahrts Gesellschaft zwei Dampfer, die Direktionen beider Dresdner Straßenbahnen für die auswärtigen Gäste Freifahrt⸗ scheine, die Kaiserliche Ober- Postdirektion Erleichterungen im Fernschreib - und Fernsprech . wie im Postverkehr zugesagt. Die Königliche General Direktion der Hoftheater bethätigt ihr Interesse durch Veranstaltung einer Galavorstellung, die General⸗ Direktion der Königlichen Sammlungen gewährt den auswärtigen Gästen freien Eintritt bezw. Führungen in den Sammlungen. Daß die Stadt für den Kongreß die Summe von 5000 60 bewilligt hat, sowie daß zahlreiche Herren durch Zeichnung eines Garantiefonds die finanziellen Grundlagen des Unternehmens gesichert haben, bietet die Gewähr dafür, daß Dresden die Ehre des ihm bevorstehenden Besuchs bervorragender Vertreter der Literatur, Kunst und Wissenschaft aus allen Kulturstaaten Europas zu würdigen weiß.
Friedrichroda i. Th. Noch in keinem der Vorjahre sind zur jetzigen Zeit hier schon so viele ständige Gäste anwesend gewesen, wie in diesem Jahre. Auch der verflossene Winter brachte uns eine größere Anzahl von Gästen, weil Friedrichroda vor schädlichen Winden geschützt ist. Besonders Hals⸗ und Brustleidende empfinden hier den Segen der klimatischen Verhältnisse wohlthuend. Um den Sommergäsien ibren Aufenthalt hier so angenehm wie möglich zu ge stalten, wird u. a. die Oberbüchigesstraße, eine 2 Em lange, durch schönen Hochwald führende Promenade, gebaut. Die elettrische Be⸗ leuchtung geht ihrer Vollendung entgegen. Die Fernsprechleitung ver⸗ bindet Friedrichroda mit allen größeren Städten Thüringens, sowie mit
icht vom 5. Mai r Morgens.
8 *
18
Stationen. Wetter.
BDeulsche See warte. mann. Anfang 73 Uhr.
Montag: Der Herr Senator.
Bar. auf Gr
u. d. Meeressp.
red. in Millim in 0 Celsius
Temperatur ho C. — 40 R.
nissen an Ort und Stelle photographiert, wird den Vortrag illustrieren.
. und demnächst auch mit Berlin. Das Kanalisatianswerk wird noch in diesem Frühjahr vollständig beendigt. Ferner hesitzt der Ort zwei vorzũgliche Wasserleitungen, ausgiebig gespeist durch hochgelegene n Die Luft, welche über die meilenweit ausgedehnten Nadelholzwal dungen streicht, ist staubfrei, ozonreich, und infolge ihres relativ hohen Feuchtigkeitsgehalts ist das Klima mild und 3 Woblgepflegte Promenadenwege in einer Gesammtlänge von etwa IO kin mit 340 Ruhebänken führen zu schönen Aussichts punkten. Das Luftschloß Reinhardsbrunn ist nur 1Em entfernt, und der Insels⸗ berg, Thüringens schönster Berg, ist zu Wagen und zu . in wenigen Stunden zu erreichen, ebenso die Lutherstadt Eisenag
mit der romantischen Wartburg. 27 Züge der Friedrich⸗ rodaer Eisenbahn vermitteln den Verkehr. Von Berl! Magdeburg, Leipzig, Halle und Cassel werden Saisonbillets mit 45 tägiger Gültig⸗ keit ausgegeben. Die Frequenz betrug im Jahre 1394 9562 Personen
Baulust der vergangenen Jahre und das neuerbaute Kurhaus, die ge⸗
räumigen Hotels und zahlreichen Villen beugen, auch während der Höhe der Saison, jedem Mangel an Wohnungen sowie Uebert heue⸗ rungen vor. Die mäßige Kurtaxe berechtigt zum Besuch der Spiel⸗, Musik. und Lesezimmer, sowie der täglichen Konzerte am Kurhause, Illuminationen, Röunions und Kinderfeste. Für die Unterhaltung der Kurgäste ist außerdem 24 durch ein vorzügliches Badetheater, unter der Direktion des Herrn Becker aus Erfurt, gesorgt.
Leipzig, 2. Mai. Wie der Leipziger Börsenhalle' mitgetheilt wird, ist die Leipziger Wollkämmerei nicht total nieder⸗ gebrannt (vergl. Nr. I94 d. Bl.), sondern nur der Lagerschuppen der- selben, in welchem sich Wollvorräthe im Betrage von 400 000 bis 500 000 ½ befanden.
Laibach, 2. Mai. Der gestrige Tag und die heutige Nacht verliefen ruhig. Um 10 Uhr Vormittags wurde ein kurzer vertikaler und um 12 Uhr 25 Minuten Mittags ein ziemlich starker Erdstoß in der Dauer von 3 Sekunden verspürt. In Mannsburg (Krain) wurde ein Tagelöhner schwer verletzt. Die Sicherungsarbeiten schreiten rasch fort. Das Wetter ist schön. .
Florenz, 2. Mai. Heute begann vor dem hiesigen Schwur⸗ gericht der Prozeß gegen Lucchesi und Genossen wegen Ermordung des. Journalisten Band i. Lucchesi bekennt sich, wie W. T. B.“ berichtet, als Anarchisten aus Noth und gesteht, Bandi auf Anstiften eines andern Anarchisten Namens Romiti ermordet zu haben.
Konstantinopel, 2. Mai. Bei einer gestern im armeni⸗ schen Viertel ausgebrochenen Feuershrunst sind laut Meldung des . W. T. B.“ 1560 aus Holz gebaute Häuser niedergebrannt. Ein Verlust an Menschenleben ist nicht zu beklagen. 500 Personen wurden obdachlos. Der Schaden wird auf 25 000 Pfd. geschätzt.
Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.
Budapest, 3. Mai. (W. T. B.) Die hiesigen Blätter fahren fort, die Erklärungen des Minister-Präsidenten Barons Banffy über die Reise des päpstlichen Nuntius Agliardi in Ungarn zu besprechen, und heben die außer⸗ ordentliche Bedeutung dieser Erklärung hervor, welche insbesondere dadurch, daß der fun fler Mresbent sein Einverständniß mit dem Grafen Kälnoky betonte, er⸗ kennen läßt, daß die klerikale Agitation, wie sie in Ungarn in letzter Zeit zu Tage getreten ist, und in deren langer Kette die Reise des Nuntius in Ungarn nur einen Ring bildet, auch in den maßgebendsten Hofkreisen mißbilligt wird. Allgemein wird zugegeben, daß die Erklärung des Minister-Präsidenten nicht ohne Folgen auch auf das innere Parteileben Ungarns bleiben könne. Vielfach wird auch angenommen, die Opposition des Ober⸗ hauses werde in diesem Vorgange einen Fingerzeig dafür er⸗ blicken, daß die Perennierung des kirchenpolitischen Konflikts den Klerikalen nur weitere Verlegenheiten bereiten könne. Im Lichte dieser Erwägungen erscheinen die Aussichten der nächsten kirchenpolitischen . welche für den 10. d. M. anberaumt sind, günstiger.
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)
von Alex. Bisson und A. Mars, deutsch von E. Neu⸗ Sonntag: Madame Bonivard.
balben unter demselben, im westdeutschen Binnen! Lessing · Theater. Sonnabend: Zum ersten in 3 Akten (nach Beaumarchais' Memoiren) von
Bohrmann⸗Riegen. Musik von Alfred Müller⸗
Unde bis zu? Grad. Fast allenthalben ist Regen J ; j ?. . Friedrichshafen hatte Nachmittags Gewitter. Mals. Madame Bonivgrd. Schwank in Aten Norden. Anfang 73 Uhr.
ortdauer der kühlen Witterung wahrscheinlich.
Adolnh Ernst· Theater. Sonnabend: Madame Snzette. Vaudeville⸗Posse in 3 Akten von Ordonneau. Mußsik von Edmond Audran. In Scene gesetzt von Adolph Ernst. Anfang 74 Ubr. =
ausschließlich der Passanten und auswärtigen Villenbesitzer. ie rege
Belmullet .. Aberdeen. Christiansund Kopenhagen. Stockholm.
paranda.
oskau ...
7765 778
773 773
76g
— — 882
2 — 2.
heiter bedeckt wolkig
3 halb bed. wolkenlos ill wolkenlos
wolkenlos
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— — 12 —t60⏑ - RN —
Cork, Queens⸗ n, Cherbourg. , ylt mburg .. winemünde Neufahrwasser Memel ...
778 778 770 768
773 771 771
771 6
wolkenlos
. ö künster. .. Karlsruhe .. Wiesbaden. München .. Chemnitz .. Berlin.... Wien .... Breslau ...
776 770 7174 773 773 14 773 770 772
Regen heiter
heiter
heiter?) 2 Regen Regen
wolkenlos
2 halb bed. 3 halb bed.
Ile dix .. ij
. Reet...
772 766 767
1) Gestern Regen.
Nebersicht der Witterung.
Ganz Europa steht unter dem Einflusse eines . dessen Kern über den Hritischen ft. Eine flache Depression über dem
Deutschen Nordseegebiet verursacht im nordwestlichen Deutschland mäßlge südliche Winde mit Regenfall, während im übrigen Zentral⸗Europa nördliche bis
nseln lie
östliche Winde vorherrschend sind.
wolkig wolkig 3 bedeckt
) Gestern Regen.
—
3. JJ .
In Deutschland
ist das Wetter kühl, im Norden trübe, im Süden
heiter; nur in dem nordöstlichen Gebietstheile liegt
die Temperatur über dem Mittelwerthe, sonst allent⸗
Theater⸗Anzeigen.
Königliche Schauspiele. Sonnabend: Opern- haus. 112. Vorstellung. Zum ersten Male: Der Evangelimann. Mustkalisches Schauspiel in? Auf⸗ zügen. Dichtung und Murk von Wilhelm Kienzel. Nach einer von LX. F. Meißner erzählten wahren Be⸗ gebenheit. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dekorative Einrichtung vom Ober Insrekftor Brandt. Dirigent: Kapellmeister Dr. Muck. An⸗ fang 75 Uhr.
Schausplelhaus. 118. Vorstellung. Zum 59. Male: Wie die Alten fungen. Lustspiel in 4 Aufzügen von Karl Niemann. In Scene gesetzt vom Ober⸗ Regisseur Max Grube. Anfang 73 Uhr.
Sonntag: Opernhaus. 113. Vorstellung. Der Evangelimaun. Musikalisches Schauspiel in 2 Aufzügen, nach einer von Dr., Leopold Flor. Meißner erzählten wahren Begebenheit, von Wilhelm Kienzel. Anfang 78 Uhr.“
Schauspielhaus. 119. Vorstellung. Wallensteins Lager. Schauspiel in 1 Aufzug von Friedrich von Schiller. — Die Piecolomini. Schauspiel in 3. ren von Friedrich von Schiller. Anfang
r.
Deutsches Theater. Sonnabend: Neu ein⸗ diff. Prinz Friedrich von Homburg. Anfang r
Sonntag, 24 Uhr: Die Weber. — 79 Uhr: Prinz Friedrich von Homburg. Montag: Das Lumpengesindel.
Berliner Thenter. Sonnabend: Heimath. Anfang 79 Uhr.
Sonntag, 2 Uhr: Der Herr Senator. — 7 Uhr: Die Täfterschule.
Montag: Die Lästerschule:
Friedrich · Wilhelmstädtisches Theater. Chausseestraße 25 / 26.
Sonnabend: Der Obersteiger. Operette in 3 Akten von L. Held und M. Weft. Mustk von Carl Zeller. Regie: Herr Unger. Dirigent: Herr Kapellmeister Ferron. Ermäßigte Preise der Plätze. Anfang 7 Uhr. —
Sonntag: Der Obersteiger.
Neues Theater. Schiffbauerdamm 4a. /5. Sonnabend: Im Forsthanse. Schauspiel in 4 Akten von Richard Skowronnek. Anfang 74 Uhr. Sonntag: Der Hic Toupinel. Schwank in *. 3. von Alexandre Bisson, deutsch von G. von oser.
Residenz Theater. Blumenstraße Nr. 9. Direktion: Sigmund Lautenburg. Sonnabend: Fer⸗ nand' s Chekontrakt. (Eil à ia patte.) Schwank in 3 Akten von Georges Fevdeau, in deutscher Be⸗ arbeitung von Benno Jacobson. Anfang 73 Uhr.
Sonnkag und folgende Tage: Fernaud's Ehekontrakft.
Theater Unter den Linden. Behrenstr. ob / . Direktion: Julius Fritzsche. — Sonnabend: Mit voll⸗ tändig neuer Ausstattung: Rund um Wien.
antomimisches Ballet in 9 Bildern von Franz
aul und A. M. Willner. Musik von Josef Beyer. Der choreographische Theil von Josef Hahßreiter. Dirigent: Herr Kapellmelster Baldreich. — Vgrher: Dorothea. Operette in 1 Akt von Jaques Offen⸗ bach. fang 75 Uhr.
Sonntag: Rund um Wien. — Dorothea.
Zentral Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30. Direktion: Richard 4 — Sonnabend: Zum ersten Male: Unter artistischer Leitung des Herrn Adolf Brakl vom Königl. Gärtnerplatz⸗Theater in München: Figaro bei Hof. (Rokoko.) Operette
Sonntag: Dieselbe Vorstellung.
Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Zum Besten der Hilfsbedürftigen in Laibach. Bei halben Preisen. Einmalige Aufführung: Charley's Tante.
xe e r m - t 2 Q t 2 , ere mme.
Familien ⸗Nachrichten.
Verlobt: Frl. Margarete Haupt mit Hrn. Sym- nasial· Oberlehrer Dr. Ernst Fiebiger 16 — Frl. Else Beckh mit Hrn. Rittergutsbesitzer Rudolf Welter (Frankfurt a. O.).
Geboren? Ein Sohn: Hrn. Hauptmann Noel⸗ dechen (Pr. Stargardt). — Hrn. Pastor W. Budy (Arensdorf, Kr. Lebus) — Hrn. Hauptmann Hans Schach von Wittenau (Berlin). — Hrn. Hauptmann von Busse (Brandenburg a. 1. —
rn. Regierungs⸗Assessor Frhrn. von Salmuth Homburg v. d. H.). — Eine Tochter: Hrn. Hauptmann Wilhelm von Stosch (Angermünde).
Gestorben: Hr. Gymnasial⸗Direktor Dr. Carl Kunze (Lissa i. P.) — Hr. Amtsrath und Ritter⸗ gutsbesitzer Gustav Scholtz (Korschlitzy. — Frau Major ESlise Dorothea Minor, geb. Zumpt (Burk⸗ stetten, Ober⸗Bayern). — Hr. Sanitäts⸗Rath Dr. Wilhelm . (Swinemünde). — Frl. Char⸗ lotte von Plüskom (Kowhlz). — Verw. Frau Regierungs-Rath Marie von Bassewitz, geb. von Rantzau (Dobbertin i. M.). — Hr. Landrath a. D. August von der Osten (Witzmitz. — Verw. 6. Landrath Jeanette von Mensenkampff, geb. Baronesse Krüdener (Berlin).
Verantwortlicher Redakteur: Siemenroth in Berlin.
Verlag der Expedition (Scholz) in Berlin.
Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagg⸗ Anstalt Berlin 8W., Wilhelmstraße Nr. 32.
Sieben Beilagen leinschließlich Börsen · Beilage).
Erste Beilage
zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
M 106.
Berlin, Freitag, den 3. Mai
1895.
· — — — — — — — —
Deutscher Reichstag. 82. Sitzung vom Donnerstag, 2. Mai.
Ueber den Beginn der Sitzung ist gestern berichtet worden.
Erster Gegenstand der Tagesordnung ist die dritte Be⸗ . des Gesetzes, betreffend die Abänderung des Zoll⸗ tarif s.
Nachdem der sächsische Bevollmächtigte zum Bundesrath, Geheime k Dr. von Koerner sich gegen die in weiter Lesung gefallene Behauptung, es seien seine in der
ommission hinsichtlich des Honigzolls gemachten Angaben un⸗ richtig gewesen, verwahrt hat, erhält das Wort der
Abg. Wurm (Soz. ). Redner hält dem Vorredner gegenüber seine Zweifel an der Richtigkeit jener statistischen Angaben aufrecht.
Sächsischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, Geheimer Finanz⸗ Rath Dr. von Koerner verwahrt sich hiergegen nochmals.
Darauf wird die Position genehmigt.
Den in zweiter Berathung auf 200 6 festgesetzten Zoll . alkohol⸗ und ätherhaltige flüssige arfümerien,
und⸗ und Kopfwässer beantragt Abg. Werner (Refp.) auf 300 M zu erhöhen.
Der Antragsteller bemerkt, er begreife nicht, wie gerade die Sozialdemokraten sich am heftigsten gegen diesen Antrag wenden fönnten; sie würden doch nicht behaupten, daß der arme Mann ge⸗ schädigt werde, wenn die ausländischen Parfümerien theurer würden.
Abg. Möller (ul): Die Mehrzahl der Fabrikanten selbst hat sich gegen die Erhöhung des Zolls auf ausländische Parfümerien . warum soll man ihnen Wohlthaten aufdrängen, gegen die sie sich selbst sträuben? Man würde statt ihre Interessen zu wahren, sie schädigen.
Abg. Dr. Schaedler (entr.) befürwortet den Antrag.
Abg. Richter (fr. Volksp.) : Die Fabrikanten wehren sich gegen den Zoll, weil sie fürchten, das Vierzehnfache zu verlieren, wenn das Ausland diesem Beispiele folgen und gleichfalls den Zoll auf Par⸗ fuͤmerien erhöhen sollte. Die ganze Mehreinnahme, die dieser erhöhte Zoll gewähren werde, ist auf nur 130 900 Mn bexechnet, die Regierung dat aber selbst zugegeben, daß die Einfuhr durch die Erhöhung des Zolls bedeutend eingeschränkt werden dürfte; infolge dessen kann man wohl fagen, daß der erhöhte Zoll dem Staat gar keinen Nutzen, den Interessenten aber Schaden bringen würde.
Der Antrag des Abg. Werner wird angenommen.
Ohne Debatte stimmt das Haus ferner einem Antrage des Abg. Grafen von Kanitz (dkons.) zu, nach welchem das Gesetz am 1. Juli 1895 in Kraft tritt.
Auf eine Anfrage des Abg. Dr. Hammacher erklärt der
Staatssekretär des Reichs-Schatzamts Dr. Graf von Posadowsky:
Meine Herren! Nachdem diese Tarifnovelle die Genehmigung des hohen Hauses gefunden hat, werden die Aenderungen, die aus dieser Tarifnovelle sich ergeben, in das amtliche Waarenverzeichniß mit möglichster Beschleunigung verarbeitet werden. Ich bemerke aber, daß, wenn es auch nicht gesetzliche Vorschrift ist, es doch in der Billigkeit liegt, auch beim amtlichen Waarenverzeichniß, welches die Positionen des Zolltarifs deklariert, die Bestimmung des § 12 des Zollvereinsgesetzes Anwendung finden zu lassen, wonach alle Zoll⸗ tarifveränderungen in der Regel 8 Wochen vor ihrer Gültigkeit öffentlich bekannt gemacht werden sollen. Jedenfalls wird mit der größten Beschleunigung auf Fertigstellung des amtlichen Waaren⸗ verzeichnisses hingearbeitet werden; aber am 1. Juli kann nur unter der Voraussetzung die Inkraftsetzung erfolgen, daß diese achtwöchent— liche Frist eingehalten wird. Wäre die Einhaltung dieses Termins nicht möglich, so hoffe ich, wird es sich doch nur um eine 14 tãgige Differenz handeln.
Im allgemeinen erkenne ich die hohe Bedeutung des amtlichen Waarenverzeichnisses für die handeltreibende Bevölkerung an, und ich gedenke zu veranlassen, daß in Zukunft alljährlich die Abänderungen im Wege des Nachtrags oder im Wege von Tekturen zur weitesten Kenntniß des betheiligten Publikums gelangen.
Es folgt sodann die nochmalige Berathung des in zweiter Lesung gefaßten Beschlusses:
An den Reichskanzler das Ersuchen zu richten, die Einführung eines wirkfamen Schutzzolls auf Quebrachoholz und die daraus hergestellten Extrakte und Präpgrate, sowie auf andere über⸗ feessche Gerbstoffe, soweit sie zur Gerberei von Leder,. Ver- wendung finden, mit Ausnahme derjenigen, welche für die Färberei und für die chemische Industrie erheblich in Betracht kommen, bald⸗ thunlichst herbeiführen zu wollen.
Abg. von Kardorff (Rp. richtet an die Regierung die Anfrage, ob die ion schemische Industrie“ eventuell so aufgefaßt werden könnten, als ob damit auch die Gerbereien betroffen würden. Es seien ihm bereits mehrere Zuschriften zugegangen, die große Bedenken gegen eine derartige Auffassung geltend machten.
Staatssekretär des Reichs⸗-Schatzamts Dr. Graf von Posadowsky:
Meine Herren! Welches Schicksal diese Resolution haben wird, kann ich heute nicht erklären, da der Bundesrath zur Sache noch nicht Stellung genommen hat. Ich muß aber offen gestehen: der Gedanke, daß eine Gerberei eine chemische Industrie ist, ist mir bisher noch nicht gekommen. Unter chemischen Industrien versteht man doch Industrien, die Komponenten schaffen, welche nothwendig sind zur Herstellung von Ganzfabrikaten. Die Gerberei stellt aber selbst Ganzfabrikate her, wenn auch unter Benutzung von Chemikalien. Ich kann also ohne weiteres erklären: die verbündeten Regierungen werden eventuell die Gerberei unter den Begriff „chemische Industrie“ nicht subsumieren.
Abg. Möller (nl,) schließt sich dieser Auffassung an.
Darauf wird die Resolution angenommen, ebenso in der Gesammtabstimm ung die Zolltarifnovelle.
Das Haus geht demnächst über zur ersten Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend bie Abänderung des Zoll⸗ vereinigungsvertrags vom 8. Juli 1867. Der Entwurf bestimmt, daß den Kommunen die Erhebung einer Verbrauchs⸗ abgabe von Wein (Most), Schaum⸗ und Kunstwein — aus⸗ ländischem wie inländischem — bis zur Höhe von 10 Proz, des Werths oder von 5M für das el fc gestattet werden kann.
Staatssekretär im Reichs⸗Schatzamt Dr. Graf von PVosadows ky:
Meine Herren! Dieser Gesetzentwurf entspricht nicht nur den Wünschen, die in einzelnen Landtagen, insbesondere im preußischen Abgeordnetenhause, geäußert sind, sondern auch einer Resolution, die seitens eines Mitglieds dieses hohen Hauses eingebracht ist. Die Reichs⸗Finanzverwaltung steht zu dem Gesetzentwurf eigentlich in einem sehr losen Zusammenhange. Sie hat lediglich das Interesse, daß die Kommunalbesteuerung nicht eine Höhe erreicht, durch welche das bisherige Soll des Weinzolls, d. h. des Zolls auf eingeführte fremde Weine, beeinträchtigt wird. Thatsächlich hat bereits seit dem Jahre 1890 ein nicht unwesentlicher Rückgang im Ertrage des Weinzolls stattgefunden. Die Zolleinnahme für Weine aller Art betrug im Jahre 1890 18,7 Millionen Mark, im Jahre 1893 nur noch 16,3 Millionen. Immerhin liegt aber der Schwerpunkt des Gesetzentwurfs lediglich auf dem Gebiete der Kommunalbesteuerung.
Das Motiv, aus welchem die verbündeten Regierungen den Entwurf eingebracht haben, war das Gefühl, welches ja in diesem hohen Hause schon wiederholt Ausdruck gefunden hat, daß, wenn man das Bier der Kommunalbesteuerung unterworfen hat, man den Wein, der in dem überwiegenden Theile Deutschlands doch den Charakter eines Luxusgetränks trägt, von dieser Besteuerung nicht frei lassen könne.
Meine Herren, man wird den Kommunen, die für eine Erweite— rung der kommunalen Besteuerung des Weins agitiert haben, darin nicht Unrecht geben können, daß diese Besteuerung eine nicht unerheb⸗ liche Einnahmequelle für den belasteten Kommunalhaushalt eröffnen kann. Bekanntlich besteht ja fast ausnahmslos in den französischen Städten ein Oktroi auf Getränke. Aus dem Bulletin des französischen landwirthschaftlichen Ministers von 1892 geht hervor, daß z. B. in Paris in dem genannten Jahre 4498 752 hl, in Lyon 669 335 hl Wein dem städtischen Oktroi unterlagen, und selbst in Mittelstädten wie Roubaix, einer Stadt mit 104000 Seelen, wurden noch 16600 h Wein von der Kommune besteuert. Es ist ja freilich unzweifelhaft, daß Frankreich in einem ganz anderen Sinne ein Wein⸗ land ist als Deutschland; aber immerhin bieten diese Zahlen einen An⸗ halt für die Annahme, daß auch in Deutschland die Kommunalbesteuerung des Weins nicht unerhebliche Beträge den Kommunen zuführen kann.
Nimmt man in Frankreich die Städte, die über 100 000 Seelen zählen, so
varliert pro Kopf der Bevölkerung der Konsum an Wein in diesen Städten zwischen 0,15 hl bis 2,34 hl. Wenn in Frankreich der Weingenuß vielleicht allgemeiner ist als in Deutschland, so steht uns doch der Vorzug zur Seite, daß wir jedenfalls mehr verzehren, während der Franzose in seinem Quantum wesentlich knapper ist.
Wir wollen also gegenüber den Bestimmungen des Zollvereins vertrages von 1867 der kommunalen Besteuerung des Weins freiere Bahn geben: erstens in räumlicher Beziehung und zweitens in Bezug auf die zu erhebende Steuerquote. In räumlicher Beziehung erinnere ich daran, daß bis jetzt nur der Wein besteuert werden darf in den eigentlichen Weinländern, zu denen eigenthümlicherweise die Rheinprovinz nicht gerechnet ist. Es soll aber auch die zulässige Quote nicht unwesentlich erhöht werden. Nach dem Gesetz von 1867 kann die Staatssteuer einen Höchstbetrag von 106,91, wenn nach dem Werth besteuert wird, oder von 6 „½, wenn eine Einheitssteuer erhoben wird, betragen. Die Kommunalsteuer soll nicht mehr als 20 0, der Staatssteuer betragen und darf selbst in Weinländern höchstens 18 oder, wenn ein Einheitssatz erhoben wird, 1,21 * ausmachen.
Der Gedanke, die kommunale Besteuerung des Weins für Deutsch⸗ land zu erweitern, hatte bereits Ausdruck gefunden in dem Wein⸗ steuergesetz seligen Angedenkens, das Ihnen in der vorigen Tagung vorgelegt war. Es war dort angenommen, daß der der Reichs— besteuerung nicht unterliegende Wein mit höchstens 150n0 des Werths, gleich 7.50 6 pro Hektoliter, für die Kommunen besteuert werden dürfe, sofern unter Hinzurechnung der Staatssteuer nicht mehr als 180,9 des Werths oder 109 66 pro Hektoliter erhoben würden. Jetzt schlagen wir Ihnen vor, den Kommunen das Recht einzuräumen, für die Zwecke der Kommunalbesteuerung 100j0 des Werths oder in maximo 5 es pro Hektoliter zu erheben.
Auch gegen dies Weinsteuergesetz, dem wie gesagt die verbün— deten Regierungen ziemlich unparteiisch gegenüberstehen, sind von einzelnen Interessentenkreisen dieselben Einwände erhoben worden, wie seiner Zeit gegen das Reichs⸗Weinsteuergesetz.
Vor allen Dingen ist auf die Lästigkeit der Kontrole hingewiesen worden. Ich habe nun bei der Lektüre der Rede eines Abgeordneten, gehalten gelegentlich der Branntweinsteuergesetznovelle, leider erst, nachdem das Reichs⸗Weinsteuergesetz hier im Hause begraben war, die Aeußerung gefunden: Die Zirkulationssteuer für Wein fungiert in Elsaß Lothringen ganz ausgezeichnet. (Oho! links.) — Das ist nicht meine Auffassung, sondern die eines Abgeordneten, die ich in einem stenographischen Bericht gelesen habe.
Ich glaube in der That, daß, wenn auch, wie ich zugestehen will, nicht leichtwiegende Bedenken gegen das Reichs⸗Weinsteuergesetz geltend gemacht wurden, doch diese Bedenken die gleiche Schwerkraft gegen⸗ über einem Kommunal⸗Weinsteuergesetz nicht haben. Zunächst soll ja den Kommunen nichts ertheilt werden als eine F a kult ät, und die Kommunen werden selbst zu erwägen haben, ob es ihren wirthschaftlichen Jateressen entspricht, eine solche Steuer einzuführen, vor allen Dingen, ob der Ertrag, den sie sich aus der kommunalen Besteuerung des Weins versprechen dürfen, im Verhältniß zu der Last der Kontrole und namentlich zu demjenigen Betrage, den die Er— hebungskosten in Anspruch nehmen werden, stehen wird.
Meine Herren, der Satz, den wir Ihnen vorgeschlagen haben in maximo, ist, wie ich gleich bemerken will, diskutabel. Holland und Frankreich besteuern ja bekanntlich, wenn man nach dem Kopf der Bevölkerung geht, ihren Wein ganz erheblich höher noch, als hier vorgeschlagen ist. Klagen werden Sie in den Petitionen gefunden haben namentlich von badischen Interessenten, die auszuführen suchen,
daß, wenn ein Maximalsatz von 5 M erhoben würde, in Baden die billigen Weine, die bis zu 23 46 pro Hektoliter heruntergehen sollen, etwa mit 500,0 des Werths belastet sein würden. Wie gesagt, die verbündeten Regierungen halten eben die Frage des Maximalsatzes fũr diskutabel. .
Weiter ist eingewendet worden, daß in dem Gesetz keine Be—⸗ stimmung dafür sich fände, wie der Werth im einzelnen zu berechnen sei. Ich bemerke, daß man auch in dieser Beziehung dem Vorgang des Zollvereinsgesetzes von 1867 gefolgt ist. Auch dort ist bestimmt, daß die Kommunalbesteuerung einen bestimmten Prezentsatz, höchstens 20 oH0 der Staatssteuer, betragen darf, und daß die Staatssteuer nur erhoben werden kann entweder nach dem Maximaleinheitssatz, oder auch nach dem Werth. Auch dort ist nicht festgestellt, wie im einzelnen der Werth zu berechnen ist. Wir sind mit diesem Gesetz dem. gleichen Wege gefolgt, indem wir von der Ansicht ausgingen, es solle hier nur eine gewisse Freiheit von beschränkenden Bestimmungen geschaffen werden; wir wollen nicht in das Selbstbestimmungsrecht der Kommunen und der Aussichtsbehörden eingreifen, die die Kom munalbeschlüsse zu bestätigen haben werden. Wie also im einzelnen der Werth zu berechnen ist, wird Sache der Beschlüsse der Kommunen selbst und ihrer Aufsichtsbehörden sein. Hätten wir in das Gesetz spezielle Bestimmungen über diesen Punkt einführen wollen, so hätten wir eine Art Kommunalweinsteuer machen müssen, was wir
für unseres Amtes nicht hielten.
Ich kann zum Schluß nur die eine Bemerkung wiederholen: Es soll den Kommunen nur ein Recht gewährt werden, ein Recht, das eine große Anzahl von Kommunen, namentlich auch am Rhein — ich bemerke, daß der Vorstand des Rheinischen Städtebundes sich auch dafür erklärt hat —, für ein sehr werth⸗ volles zu halten geneigt ist.
Ich bitte Sie zum Schluß, meine Herren, dieses Gesetz etwas glimpflicher zu behandeln wie s. 3. das Reichs⸗Weinsteuergesetz!
Abg. Dr. Schaedler (Zentr): Wenn die Vorlage auf eine scharfe Besteuerung des Kunstweins hinaus ginge, um der Weinver— fälschung ein Ende zu machen, so würde sie auf mehr Erfolg rechnen dürfen. Um das Gesetz auszuführen, würden die Gemeinden neue Beamte anstellen müssen, denen die Kontrole obliegt. Ich fürchte, daß die Kosten dafür in vielen Fällen größer sein würden als der Gewinn aus der neuen Steuer. Nur die großen Gemeinden, welche so wie so eine Oktroi⸗Kontrole haben, werden Vortheil davon haben. Ein weiteres Bedenken gegen die Vorlage liegt für mich in dem Um— stande, aß die Kommunen durch das ihnen gewährte Recht der Wein besteuerung zu unnöthigen Ausgaben veranlaßt werden können. Wenn nur die „feine Flasche! des Wohlhabenden besteuert würde, so würde man dagegen wenig einwenden können. Aber wie steht es mit dem Kranken⸗Weline? Wie soll es mit dem sogenannten Haustrunk ge⸗ halten werden? In letzter Instanz wird auch die kommunale Wein steuer stets von den Weinbauern getragen werden. Dieser Umstand und die Thatsache, daß der Weinbau auf kleineren Parzellen durch—⸗ schnittlich nur noch mit 20 rentiert, muß meine Bedenken gegen die Vorlage verstärken. Die Steuersätze müssen entschieden niedriger ge⸗ griffen werden, als es in der Vorlage geschieht. Ich beantrage, die Vorlage an eine Kommission von 21 Mitgliedern zu verweisen.
Abg. Schmidt ⸗Elberfeld (fr. Volksp.): Die Erfahrungen, die wir mit dem neuen preußischen Kommunalsteuergesetz gemacht haben, sollten uns davon entschieden abhalten, das Recht der Kommunen zur Einführung indirekter Steuern zu erweitern. Reiche Einnahmen würden wohl nur dann zu erzielen sein, wenn die billigen Weine besteuert würden. Der Weingenuß ist, im Süden und Westen wenigstens, ein allgemeiner, als Luxusgenuß ist er im Ganzen nur ein sehr beschränkter. In früheren Handelsperträgen mit Spanien war auch die innere Besteuerung von aus dem Auslande eingeführten Weinen untersagt. Dieses Hinderniß fällt ja jetzt fort; es ist aber doch fraglich, ob die Erhebung dieser geplanten kommunalen Wein steuer nicht für den Abschluß späterer Handelsverträge hinderlich sein könnte. Die Steuererhebung selbst wäre auch mit großen Schwierig keiten und Belästigungen verbunden. Wir würden es für das Beste halten, die Vorlage abzulehnen; da aber die großen Fraktionen des Hauses sich auf eine Kommissionsberathung geeinigt haben, wollen wir einer folchen nicht entgegen sein.
Abg. Dr. Hammacher (nl): Die Stadt Wiesbaden erhebt eine Weinsteuer von 8,5 S½ pro Hektoliter. Die Verwaltung ist bisher bei Erhebung dieser Steuer noch auf keinerlei Schwierigkeiten gestoßen, man hat sich an sie schon vollkommen gewöhnt. Und diese Steuer bringt der Stadt den Betrag von 120 000 6. jährlich ein. Straßburg erhebt 19 . pro Hektoliter, und ich habe bisher nicht gehört, daß dort Schwierigkeiten entstanden seien. Dabei wird dort eine Steuer von Getränken im allgemeinen, also auch von Bier erhoben. Die Weinsteuer repräsentiert aber für Straßburg jährlich eine Einnahme von 650 000 S Die Stadt Osnabrück, in der auch eine Biersteuer erhoben wird, erzielt durch die Weinsteuer eine Jahreseinnahme von 35 009 166. Mit Recht wies der Abg. Schmidt auf den Unterschied der Bedeutung der Steuer in den Weinkreisen und anderswo hin. Während dort der Wein ein allgemeiner Verbrauchsartikel ist, ist er anderswo mehr eder weniger ein Luxusartikel. Aber gerade dort, wo der Wein kein Luxus artikel ist, wird die Wan fe ja schon erhoben. Wenn die Gegner aus den Weingegenden also wirklich mit ihrem Bedenken Recht haben, warum setzen sie nicht in erster Linie alle Hebel in Bewegung, um zunächst bei sich zu Hause die Aufhebung dieser Steuer zu be— wirken? Aber dort macht sie, wie gesagt, keinerlei Schwierig⸗ keit. Es ist eben eine Uebertreibung, wenn behauptet wird, die Steuer werde auf den Weinbau schädlich einwirken. Es verhält sich hiermit nicht anders als mit dem Bier. Wo wird das Bier am meisten besteuert? — In Bayern. Und wo ist es am besten und billigsten? — In Bayern. Es spielen eben dabei ganz andere Faktoren mit. Daß durch die Einführung der Steuer der Konsum abnehmen würde, muß ich bezweifeln. Ebenso kann ich nicht einsehen, welcher Zusammenhang zwischen der Weinsteuer und den etwa abzuschließenden Handelsverträgen bestehen soll. Im Rbeinlande wünschen die Kommunen die Steuer sehr. In einer Denk— schrift über die Städte des Rheinlandes wird dargelegt, daß diese sich auf die Dauer nicht mehr halten können, da bereits in vielen Gegenden 259 bis 409 9 direkte Kommunal- steuern erhoben werden. Selbst auf dem flachen Lande wird man der indirekten Steuern nicht entrathen können. Ich muß sagen, daß bei dem jetzigen Steuerzustande die Gemeinwesen in Westfalen, der Rhein provinz, einem Theil Sachsens, in der That dem Zustand entgegen
ehen, daß sie ohne Staatshilfe nicht mehr werden auskommen können.
arum sollte die Reichsgesetzgebung der Entwickelung der indirekten kommunalen Besteuerung, keine Qindernisse in den Weg legen. Der Abg. Schmidt stellte die Sache so dar, als würden nun in Zukunft alle Gemeinden gezwungen sein, eine solche Steuer einzu fuhren. Das ist ja aber gerade der Vorzug der Vorlage, daß sie den Gemeinden offen läßt, die Steuer einzuführen oder nicht. Die Wein«
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