Vorredner sagen, daß diese Faffung, wie sie sich in dem Kommissionsvorschlage befindet, zum theil aus der Initiative der Vertreter der Regierung hervorgegangen sei (Widerspruch), oder doch die vorbehaltlose Zustimmung der Vertreter der verbündeten Regierungen gefunden habe, oder aber, daß die Vertreter der ver⸗ bündeten Regierungen sich anheischig gemacht haben, die Zustimmung der verbündeten Regierungen zu den Vorschlägen zu erwirken (Zuruf linkf5 — bitte, meine Herren, lassen Sie mich aussprechen, Sie können sich ja dann auch darüber äußern —, die Zustimmung der Regierungen zu erwirken, und daß sie dieser Verpflichtung sich nach⸗ träglich entzogen haben. Nun, meine Herren, gestatten Sie mir, Ihnen kurz dazulegen. wie die Verhandlungen in der Kommission ge⸗ wesen sind.
Von seiten des Zentrums wurde uns kein Zweifel darüber gelassen, daß man nicht bereit sei, die Fassung der Re⸗ gierungs vorlage zu § 112 anzunehmen. Es wurde aber die Geneigtheit ausgesprochen, sich auf einer mittleren Linie zwischen vollständiger Verneinung und vollständiger Zustimmung zu verständigen, und es wurde unsere Mitwirkung in Anspruch genommen, um diese Linie zu finden. Wir haben diese Mitwirkung gern gewührt. Die Vertreter der verbündeten Regierungen haben aber sowohl bei den Besprechungen darüber als auch vor der Abstimmung in der Kommission nie einen Zweifel darüber gelassen, daß sie mit der Fassung, die schließlich der 5 112 gefunden hatte, nicht einverstanden seien. Ich berufe mich dafür auf die schrift⸗ lichen Protokolle. (Hört! hört! rechts) Sie haben ferner keinen Zweifel darüber gelassen — und das versteht sich ja eigentlich von selbst — daß alle ihre Erklärungen über die eventuelle Fassung, die den Wünschen der Herren vom Zentrum etwa entsprechen möchte, nur dann Bedeutung haben könnten, und nur dann später diskutierbar sein würden, wenn die verbündeten Regierungen nach der Gesammtlage der Kommissionsbeschlüsse bereit sein würden, auf die ursprüngliche Fassung der Vorlage selbst zu verzichten. Dar⸗ über ist kein Zweifel von unserer Seite gelassen worden.
Nun, meine Herren, kam ein Drittes hinzu. Als wir über eventuelle Fassung des § 112 verhandelten, standen wir im Beginn unserer Berathungen bei dem zweiten Para graphen der ersten Lesung der Vorlage. Wir hatten Grund zu der Annahme, daß es gelingen werde, nicht bloß bezüglich des § 112, sondern auch bezüglich der übrigen Bestim⸗ mungen der Vorlage zu einer Formulierung zu gelangen, die erwarten ließ, daß die verbündeten Regierungen ihr würden zustimmen können. Wir hatten insbesondere Grund anzunehmen, daß es bei den weiteren Berathungen bezüglich des 1II, oder wie er damals hieß S 1112, gelingen würde, die Zustimmung der Majorität der Kommission und des Hauses dafür zu gewinnen, daß der Widerstand gegen die Staatsgewalt, also §§ 113 und 114 des Strafgesetzbuchs, unter diejenigen Vergehen würde auf⸗ genommen werden, deren Verherrlichung strafbar sein sollte. Meine Herren, im Rahmen einer Vorlage, die nach anderen Richtungen hin den Wünschen der verbündeten Regierungen zu entsprechen geeignet war, unter der Voraussetzung insbesondere einer Fassung des § 111, die auch dem Heer einen gewissen Schutz gewährte, indem er verbot, Strafthaten zu verherrlichen, die, wenn sie angepriesen werden, bei⸗ tragen könnten, die Gefahr der Demoralisation in das Heer zu tragen — unter dieser Voraussetzung haben wir bei der Formulierung des Kommissionsvorschlags zu 5 112 mitgewirkt, wie das übrigens regel⸗ mäßig der Fall und natürlich ist, wenn eine Bestimmung eine solche juristisch⸗ technische Form und einen solchen materiellen Inhalt erhalten soll, daß diese für den eventuellen Fall ernsthaft in
Betracht kommen könnten. Nun hat der Herr Kriegs⸗Minister vorhin erklärt, daß er seinerseits an der ursprünglichen Fassung des § 112
festhält. Damit fällt die Voraussetzung weg, unter welcher
die Herren Vertreter des Kriegs⸗Ministeriums in eine Dis—⸗ kussion der jetzigen Kommissionsvorlage zu § 112 einge⸗ treten sind, und ich kann mir nicht erklären, weshalb der Herr Abg. Spahn jetzt noch auf jene frühere Erklärung der
Herren Vertreter des Kriegs⸗Ministeriums zurückgreift.
Auf der anderen Seite, meine Herren, haben die weiteren Ver⸗ handlungen ergeben, daß alle die Hoffnungen, die wir unsererseits an die Kommissionsverhandlungen glaubten anknüpfen zu können bezüglich der Gestaltung der Vorlage, namentlich und vor allem bezüglich des § 11La, eitel gewesen sind. Damit sind die Voraussetzungen gefallen, unter denen auch ich in der Lage war, mich an den Ver⸗ handlungen über eine andere Fassung des § 112 zu betheiligen, und ich kann wieder nicht erkennen, weshalb der Herr Abg. Spahn jetzt hier die Verhandlungen, die ich die Ehre hatte, mit den Herren von der Kommission zu pflegen, als ein Moment bezeichnet, das einen Wechsel in der Auffassung der verbündeten Regierungen hervortreten läßt. Das ist nicht der Fall, das weise ich zurück.
General ⸗Auditeur Ittenbach: Ich hatte in der Kommission erklärt, daß die verbündeten Regierungen in erster Linie an der Re⸗ gierungsvorlage festhalten. Ich war gar nicht befugt, wie ich auch in
den Kommissionsberhandlungen bemerkte, irgendwie bindende Er—⸗ klärungen ab zugeben.
Abg. Spahn Gentr.): Der Kommissionsbericht sagt über die zweite Lesung; ‚Der Kommissionsbeschluß erster Lesung wurde ohne Debatte mit 20 gegen 6 Stimmen angenommen.“ Die Regierung hätte eine Erklärung, daß sie nicht damit einverstanden sei, abgeben müssen; das hat sie nicht gethan. Der Kriegs ⸗Minister ist in der Sitzung der Kommission gar nicht einmal zugegen gewesen.
Staatssekretär des Reichs⸗Justizamts Nieberding:
Meine Herren! Der Herr Abg. Spahn hat jetzt seine Bedenken dahin formuliert — und ich lege Werth darauf, das zu konstatieren und auch gegen diese Formulierung Einspruch zu erheben —, daß er sagt, wir hätten zwar in erster Lesung der Kommissionsberathung Be— denken gegen die Fassung des 5 12 erhoben, wir hätten aber diese Bedenken bei der zweiten Berathung nicht mehr geltend gemacht; zwischen der ersten und zweiten Berathung hätte Zeit genug gelegen, um sich über diese Bedenken an der entscheidenden Stelle zu orientieren. Daraus, daß das nicht geschehen sei, und daß von unserer Seite in der zweiten Lesung kein Einspruch mehr erhoben worden sei, folgert der Herr Abg. Spahn, daß wir unsere Zustimmung zu dieser Formu—⸗ lierung gegeben hätten. Ja, meine Hern, der Herr Abg. Spahn ist doch lange genug im parlamentarischen Leben, um sich sagen zu müssen, daß eine solche Folgerung absolut unzulässig ist. Wenn von seiten der Regierung in der ersten Lesung der Kommission Einspruch erhoben worden ist und dieser Einspruch wird in der zweiten Lesung nicht wiederholt, dann haben die Herren Mitglieder der Kommission wohl Veranlassung anzunehmen, daß der Einspruch aufrecht erhalten
diese
wird; aber sie haben keine Veranlaffung anzunehmen, daß er fallen gelafsen ist. Ich muß Verwahrung dagegen einlegen, daß Sie von unserer Seite verlangen, daß wir einen Widerspruch immer wiederholen sollen, wenn er Anspruch auf Beachtung be⸗ haupten soll.
Wenn dann der Herr Abgeordnete weiter gesagt hat, zwischen der ersten und zweiten Lesung der Vorlage in der Kommission sei für uns Zeit genug gewesen, um uns über die Auffassung an maß⸗ gebender Stelle zu orientieren, so will ich darauf zweierlei erwidern. Erstens begreife ich nicht, wie ein Mitglied des Zentrums nach dieser Richtung wegen Säumigkeit gegen uns Vorwürfe erheben kann, während diejenigen Herren, die dem Verlauf der Verhandlungen in der Kommission beigewohnt haben, sich wohl erinnern werden, wie oft und wie lange wir unsererseits auf die Entschließungen des Zentrums haben warten müssen, obwohl, soweit wir erkennen konnten, Zeit genug gewesen wäre, sie herbeizuführen.
Zweitens muß ich durchaus ablehnen, irgend eine Verpflichtung dahin gehend anzuerkennen, daß die Vertreter der Regierungen im Laufe der Kommissionsberathungen zwischen zwei geschäftlichen Zeitpunkten, die lediglich die Kommission nach ihrem Ermessen bestimmen kann, eine maßgebende und bindende Erklärung der Regierungen herbeizu⸗ führen haben. Sie haben nur die Pflicht, im ganzen Laufe der Kom⸗ missionsverhandlungen die Vorlage nach Pflicht und Gewissen und nach ihrer Kenntniß von den eventuellen Intentionen der verbündeten Regierungen zu vertreten. Sie haben aber nicht die Aufgabe, während der Dauer der Kommissionsverhandlungen irgend eine Beschlußfassung der verbündeten Regierungen herbeizuführen.
Bevollmächtigter zum Bundesrath, preußischer Kriegs⸗ Minister Bronsart von Schellendorff: öh z
Den Angriff des Herrn Abg. Spahn muß ich mit der allergrößten Entschiedenheit zurückweisen. Ich kann gar nicht gezwungen werden, zu jeder Kommissionssitzung zu erscheinen. Es macht mir viel Ver— gnügen, den parlamentarischen Verhandlungen beizuwohnen und die hier gehaltenen interessanten Reden zu hören, auch eventuell einen Strauß mit irgend einem der Herren auszufechten. Ich gehe auch mit einem gewissen Vergnügen in die Kommission. Aber wenn die Budgetkommission tagt und zugleich die Kommission für die Umsturzvorlage, kann ich mich nicht theilen, ich kann nur bei der einen sein. Bei der anderen müssen Kommissare oder Vertreter der Regierungen mich ersetzen. Im übrigen muß ich erklären, daß ich mit bewußter Vorsicht aus manchen Kommissions⸗ sitzungen fortbleibe. Denn ich bin nicht in der Lage, im Namen der verbündeten Regierungen Erklärungen abzugeben; ich kann immer nur meine Meinung als preußischer Minister äußern und die ist nachher im Bundesrath nicht allein maßgebend.
6 von Kardorff (Rp.): Im Namen meiner Partei habe ich die Erklärung abzugeben, daß wir, nachdem der Kriegs⸗-Minister sich so entschieden für die Aufrechterhaltung der Regierungsvorlage ausgesprochen hat, gegen die Vorschläge der Kommission und nur für die Regierungsvorlage stimmen werden.
, Graf von Roon (okons ); Nach der Erklärung des Kriegs ⸗Ministers ist es mir sehr zweifelhaft, ob dieser Paragraph in irgend einer Fassung zu stande kommen wird. Der Abg. Haußmann hat heute, wie die Freisinnigen es immer thun, dic che chäfte der Sozialdemokratie besorgt. Der Abg. Bebel hat, wie der Abg. Auer es schon gethan hat, versichert, daß die Sozialdemokraten einen Auf⸗ stand in Waffen nicht wollen. Und doch hat er am 9. Mai die Märj⸗ Revolution von 1848 in deutlichen Worten glorifiziert. Das Jahr 1848 bleibt ein Jahr der Schande, die Märztage sind die schimpflichsten Tage in der deutschen Entwickelung. Das hätte nicht im Reichstage wiederholt werden sollen, was in Ihren Zeitungen fort⸗ während zu lesen ist. Ich will annehmen, daß Sie wirklich keinen Waffenaufstand wollen; wer bürgt uns aber für Ihre Genossen, für Ihre anarchistischen Brüder und Kinder? In der Nationalversammlung hatten die demokratischen Führer eben solche feierliche Erklärungen abgegeben, daß die Revolution niemals auf die Straße kommen würde. Und doch ist es geschehen. Zum Glück ist konstatiert, daß die Mannschaft nicht zum Aufstande geneigt war, daß die Schuld an der Schwäche des sie kommandierenden Offiziers lag. Als ihnen aber ein anderer begegnete und die Mannschaft aufforderte, das Zeug⸗ haus zurück zu erobern, geschah dies sofort. Ich habe dieses a Beweis dafür angeführt, daß die Führer oft die Tragweite der Be⸗ wegung nicht bemessen könnten, und daß, wenn die Woge einmal in das Rollen kommt, auch die Führer sie nicht mehr einzudämmen ver⸗ mögen. Wenn die Sozialdemokraten auch noch so sehr betonen, daß ihnen jede Gewalt fern liegt, so können sie doch nicht voraus wissen, was kommen kann.
Abg. von Levetzow (dkons.): Ich habe im Namen meiner poli⸗ tischen Freunde eine Erklärung abzugeben. Der § 112 nach der Kom⸗ missionsvorlage gefällt uns wenig, uns war die Regierungsvorlage weit genehmer. In Ermangelung eines Bessern hätten wir aber dennoch für die Kommissionsvorlage gestimmt, wenn Aussicht vor⸗ handen gewesen wäre, daß der 112 ein Theil eines den Bedürfnissen entsprechenden Gesetzes würde, andererseits, daß dem Bundes. rath die Kommissionsvorlage annehmbar erscheine. Diese Hoff⸗ nung hat sich nunmehr nach beiden Richtungen hin nicht er— füllt, wir glauben nicht mehr, daß ein genügendes Gesetz zu stande kommen kann, nachdem der 5 111 abgelehnt ist. Wir glauben auch nicht, daß die Fassung der ,, die Zustimmung des Bundesraths nach der Erklärung des Kriegs-Ministers finden wird. Denn wenn der preußische Kriegs- Minister sich direkt gegen einen auf das Militär bezüglichen Paragraphen ausgesprochen hat, so wird der Bundesrath ihn wohl nicht annehmen können. Wir werden daher e die Kommissionsvorlage und für die Regierungsvorlage immen.
Es wird zur Abstimmung geschritten. Für 112 nach dem Kommissionsvorschlage stimm! nur das Zentrum mit den Polen, für die Vorlage die Konservativen, die Reichspartei und die Nationalliberalen.
Der Paragraph ist damit in beiden Gestalten abgelehnt.
Zur Geschäftsordnung nimmt das Wort der
Abg. Richter (fr. Volkẽp.): Bei dem gegenwärtigen Stande der Verhandlungen scheint auf keiner Seite des Hauses mehr Interesse vorhanden zu sein, über irgend einen der folgenden Paragraphen noch zu diskutieren. Wir sind bereit, auf jede Diskussion zu verzichten, und wenn die anderen Parteien dazu ebenfalls bereit sind, so kann durch eine Reihe von aufeinanderfolgenden Abstimmungen binnen wenigen Minuten diese Vorlage aus der Welt geschafft werden.
bg. . von Man teu ff el (⸗Bkons.): Ich befinde mich in der angenehmen Lage, mit dem Vorredner übereinzustimmen.
Das Haus stimmt nunmehr über die folgenden Para⸗ graphen ohne Diskussion ab. Nachdem die konservativen An⸗ träge sämmtlich zurücgezogen sind, vollzieht sich die Abstimmung in der Weise, daß sich für die Kommissionsbeschlüsse nur das Zentrum nebst den Polen erhebt, während die Regierungs⸗ vorlage völlig fallen gelassen wird.
in vom Zentrum zu § 210 eingebrachter Antrag gegen das Duell erhält wiederum nur die Stimmen der Zentrums⸗ partei und der Polen. In der Einleitung zu Artikel L wird
Schluß Fi, ühr.
— —
Preußꝛischer Landtag. Haus der Abgeordneten.
65. Sitzung vom Sonnabend, 11. Mai.
6 den Beginn der Sitzung ist vorgestern berichtet worden.
Auf der Tagesordnung stand zunächst die erste Berat des 2 . Ja 9j ö . * hum
Nachdem Abg. Im Walle ⸗ entr.) die Ueberweisung der Vorlage an die um sieben Mitglieder zu verstärkende J kommission beantragt hatte, nahm das Wort der ;
Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Ham mer⸗ stein⸗Loxten:
Meine Herren! Ich hatte die Absicht, zu allererst daz Wort zu dieser Vorlage zu ergreifen; ich kam leider zu spät und darf das jetzt nachholen. Ich werde mich dabei auf Darlegungen allgemeiner Natur beschränken, da ich annehme, daß die Vorlage an eine Kommission verwiesen werden und dort die Staatsregierung Ge—⸗ legenheit finden wird, die Bestimmungen der Vorlage im einzelnen zu rechtfertigen.
Zunächst muß ich darauf hinweisen, meine Herren, daß die Vor⸗ lage ihre Entstehung der Initiative des hohen Hauses verdankt. (Sehr richtig) Diese Initiative ist ergriffen durch einen Beschluß vom 6. Februar 1891. Bei Gelegenheit der Berathung über ein zu erlassendes Wildschadensgesetz wurde auch dargelegt, daß das Recht über die Ertheilung und Versagung der Jagdscheine u. s. w. und auch über die Höhe der Gebühr in der preußischen Monarchie ein so verschiedenartiges sei, daß es dringend wünschens. werth erscheine, darin gleichmäßiges Recht herbeizuführen; es wurde dann ein entsprechender Antrag an die Königliche Staatsregierung beschlossen.
Eine fernere Veranlassung für die Prüfung der Frage, ob ein Bedürfniß zum Erlaß des hier vorliegenden Gesetzes vorhanden sei, gab ein Beschluß des Landes ⸗Oekonomie⸗Kollegiums und ein Antrag, welcher vom Pro⸗ vinzial Landtag in Hannover ausging. Ich will bei der Gelegenheit bemerken, daß es bezeichnend ist, daß gerade von der Provinz Hannober ein solcher Antrag ausgegangen ist, weil — das werde ich späterhin noch darlegen — in Hannover z. 3. die Jagdscheingebühr die höchste ist. Es ist doch beachtenswerth, daß gerade derjenige Landestheil, wo im Interesse der Kommunalkassen schon eine außerordentlich hohe Jagd⸗ scheingebühr besteht, doch durch, soweit ich mich erinnere, einstimmigen Beschluß des Provinzial⸗Landtags beantragt wird, die Jagdscheingebühr zu erhöhen.
Selbstverständlich hat nun die Staatsregierung zunächst die Frage prüfen müssen, ob für den Erlaß einer gesetzlichen Vorlage ein Be⸗
dürfniß vorliege, und aus folgenden Gründen bejaht die Staatsregierung diese Frage übereinstimmend mit dem Beschlusse des hohen Hauses, mit
dem Antrage des Lande? Oekonomie Kollegiums und mit dem Antrage, den der Provinzial⸗Landtag für Hannover gestellt hat, und zwar, weil die gesetzlichen Bestimmungen über die Ertheilung der Jagdscheine, über deren Versagung, über deren Wiederentziehung, über das Strafrecht und über die für den Jagdschein zu entrichtende Gebühr innerhalb des preußischen Staatsgebiets so mannigfaltige sind und so erheblich von einander abweichen, daß schon allein aus diesem Grunde für die Staatsregierung es geboten erschien, wenigstens den Versuch zu machen, gleichmäßiges Recht für diese Verhältnisse herbeizuführen. Eine einheitliche und gleichmäßige Regelung erkennt also die Staats⸗ regierung für nothwendig an, aus denselben Gründen, welche
das hohe Haus zu dem Beschluß von 1891 veranlaßten, und
weil sie sich in Uebereinstimmung befindet mit den Darlegungen, die in den Anträgen des Landes Oekonomie⸗Kollegiums und in dem Antrag des hannoverschen Provinzial⸗Landtags vorgetragen sind, und endlich weil sie selbst aus eigener Prüfung zu der Ansicht gelangt ist, daß der gegenwärtige Zustand ein zweckmäßiger nicht sei.
Nun darf ich darauf hinweisen, wie sich die gegenwärtige Vorlage zu dem bestehenden Recht verhält. Der Grundsatz, der auch jeßt schon bestand, daß die Jagdscheingebühr den Kreiskommunalkassen ode anderen an ihre Stelle tretenden kommunalen Kassen zu belassen se soll aufrecht erhalten werden. ;
Dann ist neu aufgenommen die Bestimmung über die Zulassung don Tagesjagdkarten. Während in anderen Ländern solche Tages jagdscheine ausgestellt werden, sind dieselben bisher in keinem Theile der Mon⸗ archie zulässig. Gleichmäßig soll dann geordnet werden 1) die Geltungsdauer der Jagdscheine, welche in der preußischen Monarchie verschieden geordnet ist. Ich will darauf hinweisen, daß beispielsweise in der Provinz Hannover der Jagdschein immer beginnt vom ersten September und endet am ersten September des folgenden Jahres, während in den verschiedenen anderen Landestheilen der Jagdschein zwar auch ein Jahr, aber vom Tage der Ausstellung auf die Dauer eines Jahres gilt. Dann soll 2) gleichmäßig geordnet werden die Gebühr für die Jagdscheine. Ich werde mir nachher noch erlauben, auf die verschiedenartige Höhe der Gebühr hinzuweisen, welche übrigens eingehend in der Begründung dargelegt ist. Dann soll 3) gleichmäßig geordnet werden das Gel⸗ tungsgebiet der Jagdscheine, ferner 4) gleichmäßig das Recht der Versagung und Entziehung, auch o) das Recht zur Ertheilung, dat zur Zeit sehr bestritten ist, jedenfalls ganz verschieden gehandhabt wird; dann soll 6) ferner gleichmäßig geordnet werden die unentgeltliche Ver ⸗ abfolgung der Jagdscheine. Während in den alten Provinzen Jagdbeamte, Forstbeamte u. s. w. einen Anspruch darauf haben, unentgeltliche Jagd scheine zu bekommen, giebt es andere Landestheile, namentlich sind es die neuerworbenen Landestheile, wo die unengeltliche Ertheilung don Jagdscheinen nicht zulässig ist. Es soll 7) ferner gleichmäßig ge= ordnet werden, in welchen Faͤllen die Jagd ohne Schein ausgeübt werden kann; da kommen namentlich Partikularrechte in Betracht, ich will auf das Recht zur Ausübung der Jagd auf Wa ser⸗ vögel in Ostfriesland hinweisen, das Recht soll aufrecht erhalten werden. Und 8) soll vor allen Dingen das Strafrecht gleichmäßig geordnet werden.
Meine Herren, das sind im wesentlichen die Gesichtspunkte von denen die Staatgregierung ausgegangen ist. JF habe dargelegt dasjenige, was sie aus dem bestehenden Recht unverändert aufrecht erhalten will, auch das jenige was gleichmäßig geordnet werden soll. Nun, meine Herren, glaube ich
die Aufhebung des Kanzelparagraphen gestrichen und demnächst auch ih Einleitung y n ö9f
annehmen zu dürfen, daß nach dem Beschluß des hohen Hauses vom
Damit ist die Vor lage in allen Theilen ab gelehnt; ] und dem hohen Hause
Jahre 1891 schon 3 zwischen der Königlichen Staatsregierung
dniß besteht, daß es dringend er⸗ wünscht und nothwendig ist, gleiches Recht für dieses Ver⸗ haltniß in der ganzen Monarchie zu schaffen, damit das laleidoskopische Verhältniß, das bisher besteht, das dauernd jweckmãßig nicht aufrecht erhalten werden kann, aufhört. Meinungsverschiedenheit kann möglicherweise auch daruber bestehen, ob es richtig ist, wie es die Regierung gethan hat, die Jagdschein⸗ gebühr überall für die ganze Monarchie gleichmäßig zu erhöhen. Einmal ist die Regierung zu der Meinung gelangt, daß das zweck⸗ mäßig sei, weil schon aus den Kreisen der Betbeiligten heraus, und jwar gerade aus dem Bezirk, wo die höchste Jaagdscheingebühr zur Zeit besteht, ein Antrag auf Erhöhung der Jagdscheingebühr vorliegt. Zweitens glaubt die Staatsregierung, daß die Erhöhung der Gebühr deshalb erheblichen Bedenken nicht unterliegt, weil die Gebühr auch nach der neuen Vorlage in die Kreis- Kommunalkassen fließen soll und dort zweifelsohne im Interesse der Gesammtheit der Steuerpflichtigen des betreffenden Kreises verwendet wird. Und drittens möchte ich darauf hinweisen, daß, soviel ich weiß, darüber ein Einverständniß zwischen der Königlichen Staatsregierung und dem hohen Hause bestehen wird, daß die Ausübung der Jagd keine gewinnbringende Beschäftigung, son⸗ dern ein Vergnügen, ein Luxus ist. Zum Erwerb Jagd auszuüben, ist ein verfehltes Unternehmen. Wer glaubt, aus der Jagd einen Erwerb machen zu können, irrt und täuscht sich gründlich. Ist aber die Jagd ein Luxus, kein Gewerbe, so liegt kein Grund vor, daß man demjenigen, der sich diesen Luxus gestatten will, auch im Interesse des öffentlichen Wohls eine ziemlich hohe Gebühr auferlegt. Und, meine Herren, sollte wirklich die Erhöhung der Gebühr dazu führen, daß eine Reihe von Leuten, weil sie nicht die Mittel haben, sich den Luxus zu gestatten, fernerhin die Jagd nicht ausüben, so glaube ich, ist das im wirthschaftlichen Interesse derer, welche die Luxusausgabe nicht leisten können, nur zweckmäßig und er⸗ wünscht. Es dürfte nachweisbar sein, daß eine große Zabl pon nicht günstig situirten Landwirthen wesentlich der Jagdpassion den Rückgang in ihrer Wirthschaft zu verdanken haben. Sollte also in dieser Richtung eine Einschränkung der Jagd stattfinden, so wäre das aus sozialen und wirthschaftlichen Gründen kein Unglück. Beabsichtigt ist das aber nicht. Wer sich den Luxus erlauben kann und will, der ist durch die Erhöhung der gegenwärtigen Jagdschein⸗ gebühr von der Ausübung der Jagd nicht ausgeschlossen.
Meine Herren, ich möchte dann noch hervorheben, in welchem Umfange eine Verschiedenartigkeit in der Höhe der Jagdscheingehühr zur Zeit vorliegt. In den neun alten Provinzen, in der Provinz Schleswig⸗Holftein (ausschließlich des Kreises Herzogthum Lauenburg) und in dem vormaligen Herzogthum Nassau wird eine Jagdgebühr von 3 M erhoben, in dem Kreise Herzogthum Lauenburg eine solche von 6 , in der Provinz Hessen⸗Nassau, mit Ausschluß des vor⸗ maligen Herzogthums Nassau, 7,50 αν, in den Hohenzollernschen Landen 8 50 und in der Provinz Hannover 9 M Das sind doch sehr wesentliche Verschiedenheiten, für welche ein innerer Grund nicht vorliegen dürfte, die aber wegen ihrer Verschiedenartigkeit zu allerlei Miß⸗ und Uebel⸗ ständen führen. Während es doch zweifellos die Absicht ist, daß in der Provinz Hannover zu Gunsten der Kreis-Kom— munalkasse an die Kreis- Kommunalkasse von dem, der inner halb des betreffenden Kreises die Jagd ausübt, eine Gebühr von 98 M bezahlt werden soll, entziehen sich oft die die Jagd aus— übenden Eingesessenen der Kreise dieser Gebühr dadurch, daß sie vorübergehend mal eine Jagd in den altpreußischen Provinzen mit⸗ machen, sich dort einen Jagdschein für 3. geben lassen, der dann Gültig⸗ keit für die ganze Monarchie hat. Ein Korrelat gegen die Erhöhung des Jagdscheins finden Sie darin, daß einzelne Personen, welche nur vor— lbergehend auf die Jagd gehen, die nur mal eine Treibjagd mit— machen, in der Lage sind, sich durch Entnahme einer Tages ⸗Jagdschein⸗ karte der zu hohen Jagdgebühr zu entziehen.
Endlich weise ich noch darauf hin, daß die Angehörigen des Deutschen Reichs gleichmäßig behandelt werden sollen, für Ausländer die doppelt hohe Gebühr erhoben werden soll. Das ist nach meiner Kenntniß der Verhältnisse nicht ohne Bedeutung, weil an den Grenzen der Monarchie öfter Jagden auf preußischem bezw. deutschem Gebiet gepachtet werden; das sind meist reiche Leute, die hohe Pacht bezahlen. Da scheint es auch kein Unrecht zu sein, daß man von ihnen eine höhere Jagdscheingebühr im Interesse der Kreise erhebt.
Ich enthalte mich, auf einzelne Bestimmungen der Gesetzes vorlage jetzt näher einzugehen. Sollte im Laufe der Diskussion noch Anlaß dazu gegeben werden, so bin ich zu antworten bereit. Ich nehme an, daß die Vorlage einer Kommission überwiesen werden wird. Ich bitte das Haus, die Vorlage einer loyalen und objektiven Prüfung zu unterwerfen, und hoffe auf Annahme derselben.
; . daß Einzelheiten am besten in der . , , n . sei es, daß die agdscheingebühr den Kreis-Kommunalkassen zufließen solle, Eine n. der Gebühr auf 20 S würde allerdings für diejenigen
recht hoch erscheinen, die auf eigenem Grund. und Boden die Jagd ausüäbten. Es sei deshalb vielleicht eine Einführung von zweierlei Arten Jagdscheinen angebracht: die einen für den gangen Umfang der Monarchie, die anderen für einen enger , Bezirk. Redner
,, Ueberweifung an eine besondere Kommission von 21 Mit⸗ gliedern.
Abg. Noelle (nl) erklärte sich mit den Ausführungen des Vor⸗ redners n, ,, bar aber, die Kommission auf 14 Mitglieder ; beschränken. Gegen die Erhöhung der Gebühr auf 20 „ lasse * manches einwenken. Gerade dadurch sei es möglich, daß viele
emeinden einen Mindererlös aus der Jagdpachtung haben würden. Gebühr von vielleicht
Deshalb fei wohl ein Jagdschein zu einer viell 8 bis 10 . für . 2. Bezirk, vielleicht einen landräthlichen Kreis, angebracht. Abg. von Bülow Wandsbek (fr. kons.) schloß sich namens der lfte feiner Freunde dem Vorschlag an, einen billigeren und theureren
agdschein zu bestimmen; den ersteren für die, welche in ihrem eigenen leinen . lagen wollen; der letztere kann nicht theuer genug sein. Auf die Senntagssäsger braucht man keine Rücksicht zu nehmen. Venn der Schein für die ganze ar, 20 M kostet, darf der geeis sen. höchstens 10 ½ kosten. ir beantragen gleichfalls die PVorberathung der Vorlage in der verstärkten Agrar. kommission. Dem Ausländer muß der Jagdschein auch ohne nd re n,. ö , f, , r, . nach 24 . . ägen mög — dami aiger Spionage an de e feet wird. git Jagdstrafgelder sollte man ebenfalls den Kreisen en.
Abg. Kirsch (Zentr.) erklärte mit der Ueberweisung der Vorlage an die . e , ft einverstanden. Gegen
e Bestimmungen der Vorlage habe er Bedenken, so müßten namentlich die Bedingungen, unter denen der Jagdschein zu gewähren oder zu verweigern fel, genau geprüft werden.
von Woyng (fr. kens,) befürwortete die Erhöhung der Jagd —— „um zweifelhafte Elemente von der Ausübung der Jagd fernzuhalten, hielt eine örtliche Begrenzung der Jagdscheine für ver⸗ kehrt, weil die polizeiliche Kontrole dadurch zu sehr erschwert werde, und empfahl die J,, , des Jahresjagdscheins auf 15, des Tages⸗ jagdscheins auf 8 1 Die Ausländer dürften nicht so glimpflich be. andelt werden; wer die Gesellschaft kennt und weiß, wie sie bei uns die Jagd betreibt, muß dem zustimmen. Die ussãnder mũssen mindestens 30 M für den Jagdschein bezablen. Die zweifelhafte Frage, wer die Strafen festzusetzen habe, muß in der Kommission dels ner g Hentr) beklagte die im Ges seb ; warze entr. agte die im Gesetz vorgesehene Höhe der Jagdscheingebühr und erklärte sich mit ,, berathung einderstanden. — Abg. Martens (ul) hielt es für das Beste, im Gesetz für die Jagdscheingebühr eine Grenze von etwa 6 bis 290 4 festzulegen, die Festsetzung der Gebühr selbst aber den einzelnen Kreisen zu überlassen. Der Gesetzentwurf wurde einer besonderen Kommission
von 14 Mitgliedern überwiesen. Es folgte die Berathung des folgenden, Jürgensen (nl.) eingebrachten Gesetzentwurfs: § 1. Die 55 18 bis 27 des Gesetzes wegen Aufhebung direkter Staatssteuern vom 14. Juli 1893 (GesetzSamml. S. 119) werden aufgehoben? § 2. Die auf Grund dieser Paragraphen erfolgten Rückzahlungen der Grundsteuer⸗Entschädigung werden aus der Staatskasse zu rückerstattet.
Abg. Jürgen sen (ul.) begründete den Gesetzentwurf damit, daß zahlreiche mittlere Grundbesitzer namentlich in der Provinz Schleswig n durch die infolge des Gesetzes vom 14. Juli 1883 geforderte
ückzahlung der Grundsteuer⸗Entschädigung schwer getroffen würden. Die Grundsteuer⸗Entschädigung sei bei Einführung der staatlichen Grundsteuer bedingungslos gewährt worden, und es sei eine Rück⸗ zahlung der Entschädigung um so schwerer für den Betroffenen, als die Grundstücke zum größten Theile schon auf andere Besitzer über⸗ gegangen seien.
Abg. Sattler (ul.) erklärte, dem Antrage nicht zustimmen zu können. Es solle einer Anzahl von Grundbesitzern hierdurch eine Ver—⸗ günstigung gewährt werden, die ihnen nicht zustehe. Da jetzt keine staatliche Grundsteuer mehr gezahlt werde, könnten die früher von der Grundsteuer befreiten Grundbesitzer auch keinen Anspruch mehr auf die Entschädigung machen, die ihnen seiner Zeit gewährt worden sei. Man werde es im Lande 1h perstehen können, wenn auf die Rück zahlung der Grundsteuer⸗Entschädigung verzichtet würde. Ich würde es für das Beste halten, den Antrag abzulehnen, würde aber einer kommissarischen Berathung nicht widerstreben.
Abg. von Kröcher skons. ): Meine Fraktion steht dem Antrag freundlich gegenüber. Wir haben seiner Zeit für die Rückzahlung gestimmt, wir haben aber eingesehen, daß hier nicht nur juristische Gründe zu beachten sind. Der Staatskasse bringen die Rückzahlungen keinen besonderen Nutzen, die Grundbesitzer aber werden schwer davon betroffen. Ich beantrage Ueberweisung des Antrags an die Budget- kommission. ö
Abg. Im Walle (Gentr.) erklärte sich gegen den Antrag, der im Widerspruch mit dem Rechtsbewußtsein des gesammten Volks stehe. (Widerspruch rechts) Zu beachten sei quch, daß das Gesetz vom 14. Juli 1893 zwar schon in Kraft, aber nicht schon in Wirksamkeit getreten sei. Daß eine Befreiung in eminentem Sinne bei der Auf ⸗ hebung der Grundsteuer eingetreten sei, sei nicht zu leugnen. Daß die Kommunen die Grundbesitzer zur Steuer heranzögen, sei Ie, de, da sie die größten Vortheile von den kommunalen Einrichtungen hätten. Das hänge mit der Wohlthat der Aufhebung der Grund, steuer garnicht zusammen. Gut sei es allerdings, den Gesetzentwurf einer Kommission zu überweisen, die feststellen könne, ob in Einzel⸗ fällen unbillige Härten, vorgekommen seien. Da könne man Remedur schaffen, vom Prinz ip der Rückzahlung dürfe man aber nicht abweichen.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Ich bin nicht in der Lage, die Stellung der Staatsregierung zu diesem Antrag schon jetzt bestimmt zu bezeichnen. Es handelt sich hier um einen Initiativantrag des Hauses, und das Staats.Ministerium wird wohl zu deinselben erst dann Stellung nehmen, wenn der Antrag überhaupt angenommen worden ist. Ich kann also nicht bestimmt sagen, wie die Staatsregierung sich stellen wird nach Maßgabe der Ergebnisse der Berathung über diesen Antrag.
Aber ich möchte doch darauf hinweisen, was wohl niemand bestreiten wird, daß es höchst bedenklich und, wie auch der Herr Vorredner richtig gesagt hat, höchst ungewöhnlich ist, wenn der Landtag und die Regie rung sich über eine Gesetzgebung von großer prinzipieller Bedeutung, von welcher diese hier vorliegende Frage nur ein kleiner Theil, aber ein integrierender Theil ist, nach langen, eingehenden Verhandlungen im Jahre 1893 geeinigt haben, daß nun, nachdem nichts Neues seit der Zeit dazwischengekommen ist, auch keine neuen Gründe für und wider dargelegt sind — denn alles, was für und wider gesagt ist, haben wir damals schon ausführlich er⸗ örtert — plötzlich das Haus eine ganz entgegengesetzte Stellung
zu seinem eigenen früheren Beschluß nehmen sollte. Da müssen doch, meine Herren, um einen solchen Schritt zu rechtfertigen, ganz ent⸗ scheidende und besondere Gründe und neue Verhältnisse vorliegen, die damals noch nicht existierten. So liegt hier aber die Sache nicht. Allerdings kann es ja sein, daß der Eine oder der Andere die Aus⸗ dehnung der Steuerfreiheit in einem einzelnen Kreise nicht so genau gekannt hat, wie er sie nun jetzt aus der Erfahrung kennen gelernt hat. Aber das ist doch für die Grundfrage, um die es sich hier handelt, gar nicht entscheidend. Wir sind mitten in der Ausführung dieses Gesetzes. Ein Theil der zurückjuzahlenden Entschädigungen ist bereits im Finanz⸗Ministerium festgestellt; im übrigen sind die Feststellungen schon sehr weit vorbereitet, die meiste Arbeit und die meisten Kosten sind bereits entstanden bei der Durchführung dieser allerdings sehr schwierigen gesetzlichen Bestimmungen.
Was mich persönlich betrifft, so werden Sie sich wohl noch er⸗ innern, daß ich immer anerkannt habe, daß für die Rückforderung der gezahlten Grundsteuerentschädigungen sehr viel, aber auch viel da⸗ gegen angeführt werden könnte, daß man aber anerkennen müsse, daß allerdings die Rückforderung, wie sie auch Herr Im Walle geschildert hat, dem natürlichen Rechtsgefühl entspricht. Und darauf ⸗ hin — das war für das Haus durchschlagend, das war für das Herren⸗ haus durchschlagend — ist die betreffende Bestimmung beschlossen. Wenn der Herr Haus. Minister von Wedell im Herrenhause betont hat, welche fatalen Agitationen sich an die Frage knüpfen könnten, so konnte er das nur sagen, wenn er der NUeberzeugung war, daß der Verzicht auf die Rückforderung der Ent⸗ schädigungen eben dem allgemeinen Rechtẽgefühl im Volk zuwiderlaufe, und unter diesem Gesichtspunkt, den viele der Herren, namentlich auch von der Rechten, in der Kommission besonders und ausdrücklich anerkannt haben, ist eben auch diese Entscheidung des Hauses getroffen.
Meine Herren, die finanzielle Seite hat allerdings eine so große Bedeutung nicht. Ich werde Ihnen gleich einige Zahlen geben; aber gerade daraus geht doch hervor, daß ein angeblich großer Bedruck durch diese Forderung ebensowenig eintreten kann.
vom Abg.
Ursprünglich sind an Grundbesitzer ausschließlich der Städte an Entschãdigungen gezahlt worden 29 087 233 M; die Städte haben erhalten Entschädigungen von 6119568 0 Nach den bisherigen Ergebnissen nehmen wir an, daß von dieser mehr als 35 Millionen betragenden Summe zur Staatskasse thatsächlich zurückfließen werden zwischen 9 und 10 Millionen, also noch nicht einmal ein Drittel des ganzen ursprünglichen Betrags. Das liegt in den Bestimmungen, die hier mildernd in das Gesetz hineingebracht sind, welche nicht bloß bei verkauften Gütern die Rückforderung ausschließen, sondern namentlich vorschreiben, daß nur von dem Besitzer gezahlt werden soll nach Maß⸗ gabe des Erbtheils, der auf ihn gekommen ist seit Empfang der Entschãdigung.
Meine Herren, was die Städte betrifft, so sind bis jetzt von uns festgestellt zum Wiedereinziehen 1 884 059 1; dagegen sind bereits erlassen — und die Frage des Erlasses schwebt zum Theil auch noch bei der eben genannten Summe — 1258 833 M, — alles auf Grund einer Bestimmung, die hier — ich glaube, mich recht zu erinnern — von Herrn von Buch beantragt wurde, daß in denjenigen Fällen, wo die Städte nicht eine Untervertheilung unter die einzelnen Grundbesitzer vorgenommen, sondern die empfangenen Entschädigungsbeträge in die Kämmereikasse gezogen hatten, sie von der Rückforderung befreit sein sollten, wenn sie den Nachweis führen könnten, daß sie die empfangenen Entschädigungsbeträge zu gemeinnützigen, keine Rente gewährenden Zwecken verwendet haben. Die Rückforderungsbeträge der vertrags⸗ mäßig Entschädigten — das sind also im wesentlichen die Standes herren — betrugen 669 855 1
Ich glaube, schon aus diesen Zahlen und aus dem Ergebniß der bisherigen Ermittelungen geht hervor, daß es sich im Ganzen nicht um große bedeutende Finanzfragen handelt, aber nicht bloß für den Staat nicht, sondern ebensogut für die Bezahlungepflichtigen in den aller⸗ meisten Fällen nicht. Wenn jemand das Neunfache der ursprünglich ihm auferlegten Grundsteuer als Entschädigung bekommen hat, — aber ich will ein Beispiel nehmen, die Grundsteuer, die dem Pflichtigen auferlegt wurde, betrug 1 Æ — so empfing der Entschädigte 9 4 Dieser Mann zahlt, wenn diejenigen Fälle, die den Betrag nach Maßgabe des Gesetzes vermindern, nicht vorliegen, 36 3 zurück. Diese 36 3 bilden die Rente, die er 609 Jahre lang zu zahlen hat. Also seine Lage wird unter allen Umständen besser; denn er wird befreit von einer Grundsteuer von 1 4 und zahlt statt dessen 60 Jahr lang 36 3. Ich kann also nicht zugeben, daß ein schwerer Bedruck, der die Existenz gewisser Personen, kleiner Leute, kleiner Bauern in Frage stelle, hier vorliege.
Nun sagt allerdings — und das hat ja etwas für sich — der Herr Antragsteller: ja, die Grundsteuer — und das wurde auch dort ge⸗ rufen — ist gar nicht aufgehoben, sie wird weiter erhoben in den Kommunen, und darin liegt der Hauptnachtheil für die Rückzahlungs—⸗ pflichtigen. Allerdings sagt das Gesetz nur: die Grundsteuer wird außer Hebung gesetzt, und ich habe anerkannt, daß, sollte sie mal staatlicherseits wieder in Hebung gesetzt werden, was ich für völlig unmöglich halte, daß dann das alte Privilegium wieder aufwachen würde. (Hört, hört! rechts) Das habe ich schon früher ausdrücklich anerkannt, und das erkenne ich auch heute an.
Nun allerdings können die Kommunen die Grundsteuer nach Maßgabe des Gesetzes ihrerseits heranziehen. Aber das konnten sie auch schon vorher, das ist gar nichts Neues. Die Hauptklage über die Grundsteuer war die je verdreifachte und vervierfachte sogenannte Doppelbesteuerung, die durch die Zuschläge in den Kommunen vor Erlaß des fraglichen Gesetzes stattfand. In dieser Beziehung ist nichts geändert worden. Aber noch mehr — und das sage ich den Herren aus Schleswig⸗Holstein — bei Ihnen trifft das am allerwenigsten zu. Denn erstens die ländlichen Gemeinden in Schleswig ⸗Holstein bestehen fast ausschließlich aus wirklichen bäuerlichen Besitzern; was sie an Grund⸗ steuer übernehmen, ersparen sie an der Einkommensteuer. Wo ist da von einem großen Druck die Rede? Aber noch mehr. Die Grund⸗ steuer wurde gerade in den Kommunen von Schleswig⸗Holstein schon früher scharf herangezogen, wie das überhaupt im Westen der Fall war. In Hannover beispielsweise, wie verläuft dort vielfach die Kommunalsteuersache in den Städten? Es war dort üblich, Grund-, Gebäude⸗ Gewerbe. und Einkommensteuer gleichmäßig heran⸗ zuziehen. Wenn nun in einer Stadt diese gleichmäßige Heran⸗ ziehung einfach aufrecht erhalten wird, so kann die Auffichts⸗ behörde dagegen nach dem Kommunalsteuergesetz, wie es hier geändert ist, nichts machen, und da stecken einfach die Grund und Gebäude besitzer die ganze erlassene Staatssteuer vorerst in die Tasche. Es ergiebt sich so aus der Veranlagung des neuen Kommunalsteuersystems doch auch eine wesentliche Entlastung der Grundbesitzer. Wenn ich die bisherige kommunale Grundsteuer und die Staatssteuer zusammen⸗ rechne, dann wird durchgängig eine sehr erhebliche Entlastung zurück⸗ bleiben. Das werden mir, glaube ich, alle diejenigen Herren, die in der Kommunalverwaltung thätig sind, hier bestätigen. Ich glaube also, der angeführte Grund ist in keiner Weise maßgebend.
Nun sagt Herr von Kröcher: für mich war das früher etwas Verlegenes, da ich selbst zu den Entschädigungspflichtigen gehören sollte, mich gegen das Gesetz zu erklären; nachdem ich aber gesehen habe, wie gering der Betrag ist, fällt dieser Gesichtspunkt für mich weg. Das kann doch eigentlich nicht zutreffen. Ich bin überzeugt: Herr von Kröcher hat sich gesagt, in seinem Rechtsgefühl: es ist doch eigentlich nicht richtig, daß ich eine erhebliche Entschädigung, die meine Vorfahren empfangen haben, behalte und außerdem frei werde nur durch die Staatsgesetzgebung und also die Freiheit genieße wie früher und die Entschädigung behalte. Wenn er von diesem Gesichtspunkte sich damals, wie ich glaube, hat leiten lassen — und er selbst oder einer seiner Vorfahren bei der Berathung eines früheren Antrags — ich glaube, es war schon in den fünfziger Jahren — sich selbst genau so ausgedrückt hat —, so kommt es darauf nicht an, ob man viel oder wenig Vortheil von einer Maß- regel hat. Wenn die Last, die auf den Einzelnen gekommen ist, gering ist, wenn ein wesentlicher Bedruck für die Existenz des Einzelnen nicht vorliegt, dann ist um so weniger Grund, an einem solchen Gesetz hinterher wieder zu rütteln.
Es sind das nur alles persönliche Erwägungen, die ich ausspreche. Ich kann die Stellung der Staatsregierung hier nicht näher bezeichnen. Ich bin aber der Meinung, daß man in diesem Augenblick, wo noch gar nicht zu übersehen ist, wie groß die Gesammtsumme der rückzuzahlenden Entschädigungen sein wird, auf welche Klassen der Bevölkerung sie sich vertheilt, wie die betreffende Lage dieser Be⸗ völkerung ist, ob schwere und die Existenz gefährdende Nachtheile für
einzelne eintreten können, wie das Verhältniß der Grund besitzer auf