1895 / 120 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 20 May 1895 18:00:01 GMT) scan diff

Deputation schlesischer Damen überbrachte Schrein, für welchen 172 000 Frauen und Mädchen aus der Provinz Schlesien Pfennigweise beigetragen haben, ferner die Gaben der Frauen und Jungfrauen aus alen, die mit herrlicher Malerei versehene Adresse der deutschen Ingenieure, die 72 , aus dem Königreich Sachsen u. . a. Die Ausstellung ist täglich von Mergens 19 Ubr bis Abends 3 Uhr geöffnet Der Eintrittepreis beträgt 56 A, Montags und , 14 Der Ueberschuß der Ausstellung ist zum Besten der Fürst Bismarck-⸗Stiftung. bestimmt. Besucher der Ausstellung können ihre Namen in aufgelegte Listen eintragen, die zu einem Ganzen gesammelt dem Fürst Bismarck⸗Museum in Schön bausen überwiesen werden sollen.

Die vom Verein Berliner Pressen im Festsaale des Rathkauses veranstaltete Gedächtnißfeier für Gustav Freytag, der auch die Wittwe des Dichters beiwohnte, nahm gestern einen sehr würdigen Verlauf. An der hinteren Schmalseite des Saals war ein Bild des Gefeierten aufgestellt; der weite Raum war von Damen und Herren dicht gefüllt Die Feier eröffnete ein von dem Stern'schen Gesang. verein gesungener Homnus; dann sprach Fräulein Nuscha Butze den von Ernst von Wildenbruch verfaßten Prolog. Hierauf entwarf Herr Professor Dr. Erich Schmidt in längerer gedankenreicher Rede ein Lebensbild des Heimgegangenen, in 2 Gustav Freytag nicht nur als Schriftsteller, Dichter und Forscher, sondern auch in seinem äußeren Lebensgange und besonders als Mann von echt deutscher und patriotischer Gesinnung geschildert wurde. Zum Schluß der ernsten und erhebenden Feier wurde Mozart's Ave verum“ vom Stern'schen Verein vorgetragen.

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Die Aquarien und Terrarien⸗Ausstellung, welche der Verein Triton‘ am Sonnabend im Wintergarten des Belvedere an der Jannowitzbrücke eröffnet hat, bietet ein interessantes Bild von der Ausdehnung und der fast wissenschaftlichen Gründlichkeit, mit der die Liebhaberei der Agugrien⸗ und Terrarienpflege z. 3. in Deutschland und besonders in Berlin betrieben wird. Betritt man die geschmackvoll dekorierten Ausstellungsräume, so sieht man rechts an der Fensterwand zunächst die soeben erst aus Amerika importierte Sammlung von Reptilien aller Art, etwa 150 Schlangen, Molche und Echsen, darunter ganz neue Molcharten und GEchsen von prachtvoller Färbung, sowie Baumpflanzen aus den Urwäldern Amerikas. An die amertkanische Kollektion schließt sich die Ausstellung des Vereinsvorsitzenden Paul Nitsche. Auch hier findet sich eine Fülle von Seltenheiten, wie echte Silberbarsche, Zahnkarpfen, Hundsfische und in der Schleierschwanzkollekttion auch ein schwarzer Telestopschleier⸗ schwanz. Mit einer interessanten Barschkollektion bat Ehrenwerth Berlin die Schau beschickt, sie umfaßt sämmtliche Süßwasserbarsche, u. a. auch den seltenen Jorellenbarsch Ringel⸗Berlin ist mit einem gut besetzten Seewasser⸗Aquarium erschienen, worin sich auch die schwer zu haltende Dreieckkrabbe befindet. Charakteristisch ist der von ,, , ausgestellte Durchschnitt eines Tümpels, der die reiche Thierwelt veranschaulicht, die sich in derartigen Tümpeln vorfindet. Prauste führt ferner Insekten⸗Aquarien, Gesellschafts⸗ Aquarien u. dgl. vor, auch lebende Kreuzettern hat er ausgestellt. Als Pflanzenneuheit bringt er Acorus soliis variegatis aus Japan; sehr selten sind auch die von ihm zur Schau geftellten ungarischen Johannisschleichen. An der gegenüberliegenden Wand des ersten Saales ist die Vereinsausstellung untergebracht. Man sieht hier zunächst auserwählte Objekte aus dem Museum des Vereins, Spirituspräparate, die sich durch vortreffliche Erhaltung der Farbe auszeichnen, Modelle von Apparaten, die von Vereins⸗ mitgliedern erdacht sind, u. dgl. Dann folgen 80 Glaäser, in denen der Verein eine, vollständige Sammlung aller Thiere und Pflanzen darbietet, die z. Z. von Liebhabern in Aquarien und Terrarien gejogen werden. In der Mitte des Saales sind größere Schaustücke ausgestellt: Spingbrunnenfiguren von A. Castner Nach= folger, ein Aquarium von Ellendt-Berlin mit elektrischer Beleuchtung unter Wasser, ein Riesen⸗Zimmeraquarium von Kuhn-⸗Berlin u a. Die Rotunde birgt eine ,,. von Reichelt Berlin, die alles enthält, was augenblicklich im Handel zu haben ist, von den Alligatoren an bis zu den Wasserinsekten, darunter ein Terrarium mit 10 verschiedenen Arten von Schlangen. Auf der Mitteltafel des zweiten großen Saales interessieren die selbst gezüchteten amerikanischen Barsche, die der frühere Vereinsvorsitzende Hothorn ausgestellt hat. Mit einem hübschen Ter. rarium hat Lenz Berlin , , Am Kopf der Mitteltafel i man ein Sumpfaguarium von Nitschke⸗Berlin. Heßdörfer ⸗Berlin ührt chinesisches Pfeilkraut in Zimmerkultur vor, Simon Berlin hat einen neu konstruierten Durchlüftungsapparat ausgestellt, der durch Elektrizität betrieben wird. Klatte⸗ Südende bat fünf neue Spezies des amerikanischen Sonnenfisches, zwei neue Spezies von Katzenmelfen, Neuheiten in Zandern u. dgl. eingesandt. Von der Jury der Aus⸗ stellung wurden 13 silberne und 12 bronzene Medaillen sowie 10 Diplome vertheilt. Die interessante Ausstellung bleibt bis zum 26. d. M. geöffnet. ; ;

Im Verein für deutsches Kunftgewerbe wird am Mitt- woch, den X. d. M., Ernst Flemming, erster Lehrer der Städtischen Webeschule, einen Vortrag balten Über Herstellung und Anwendung von Linoleum, Inlaid und Linkrusta. Die Sitzung findet statt im großen Saale des Architektenhauses 87 Uhr Abends.

Vor dem Deutschen Sprachverein Berlin (Gasthof zu den vier Jahreszeiten, Prinz Albrechtstr. M spricht morgen, Abends 3 Uhr, Hert Oberlehrer Dr. Violet über Platen als Sprachkünstler (. Gãäste sind willkommen.

Ueber neue Erdbeben in Oesterreich. Italien und Griechen⸗ land liegen folgende Nachrichten vor; ; Laibach, 18. Mai. Heute früh wurde hier ein schwaches Beben und ein kurzer, mäßig starker Erdstoß verspürt. lorenz, 19. Mai. Bei einem Erdbeben, welches gestern Abend 11 Uhr stattgefunden hat, wurden in der Rue Carmine dier Personen verwundet, dad on eine erheblich. Viele Häuser sind bier beschäͤdigt. Die größten Verbeerungen aber bat das Erdbeben in den umliegen⸗ den Ortschaften, namentlich in Grassina, San Martino, wo die Kirche eingestürt ist. SGalluzzo und Bandino angerichtet. Vier Personen sind getödtet und mehrere, meistens nur leicht, ver= wundet. Der Prinz von Neapel besuchte, überall von der Bevölkerung auf das lebhaftefte begrüßt, die am schwersten geschädigten Orte und sprach den Opfern Troft zu. Nach allen von dem Erdbeben be—⸗ troffenen Ortschaften wurde Hilfe entsandt. Rom, 19. Mai. In Arezzo wurde gestern Abend ein Erdstoß verspürt, der 10 Sekunden dauerte. In Siena wurden zwei, in 23 und Piacenza leichtere, in Bologna und Parma stärkere Erdstöße bemerkt. Die Grdftõße wurden auf den Beobachtunge⸗ statiöonen in Rom, Rocca di Papa und Ischia beobachtet. Athen, 19. Mai. Auf Zante fanden gestern drei neue Erd- stöße und auch heute eine Erderschütterung statt. Schaden wurde nicht angerichtet.

Straßburg i. E., 18. Mai. Heute Mittag fand die Eröffnung der hiesigen Industrie⸗ und Gewerbe⸗-Ausstellung für Elsaß-Lothringen, Baden und die Pfal; durch den Pro— tektor der Ausstellung, den Kaiserlichen Statthalter Fürsten zu Hohenlohe⸗Langenburg, statt. Gegen 12 Uhr füllten etwa 1400 Eingeladene, darunter 400 Damen, den Festsaal. Anwesend waren der preußische Minister des Innern von Köller, der K des Ministeriums des Innern von Eisenlohr, der Regierungs⸗Präsident der Pfalz von Auer und der Ober⸗Büͤrgermeister Schnetz ler aus Karle⸗ ruhe, sowie zahlreiche angesehene Personen aus Baden und der Pfalz. Ferner waren erschienen der Staatssekretär von Puttkamer, die Unter⸗Staatssekretãre von Schraut und Freiherr Zorn von Bulach, viele hohe Beamte, sowie der kommandierende General, General der Infanterie von Blume, der Präsident des Landesausschusses Dr. Schlumberger, die Generalität und höhere Offiziere, zahlreiche Industrielle und sonstige angesehene Personen aus Stadt und Land. Kurz nach 12 Uhr erschien der Statthalter, begleitet von dem Erb⸗

rinzen Ernst zu Hohenlohe Langenburg und dem Erbprinzen

bilixp zu , ,,, und wurde von dem Bürger⸗ meister Back und dem Ausstellungscomits empfangen. Die Feier wurde durch Gesang des städtischen Sängerchors eingeleitet, worauf der Bürgermeister in kurzen Worten die Anwesenden begrüßte. Die Fest⸗ rede hielt der Zweite Vorsitzende des Ausstellungscomités, Vize⸗Präͤsi= dent der Straßburger Handelskammer Schaller; derselbe gab eine Geschichte der Ausstellung und bat zum Schluß den Statthalter, die Ausstellung ju eröffnen. Der Fürst dankte für den freundlichen Empfang und gedachte in seiner Ansprache seines Vorgängers, des jetzigen Reichskanzlers, und dessen besonderer Verdienste um die Aus= stellung. Betreffs der Betheiligung von Baden und der Pfalz sagte der Statthalter nach dem Bericht der Straßb. Post“: Ein natürliches Freundschaftsgefühl, begründet in naher El mee, l schaf und Nachbarschaft, darf ich das nennen, was diese so schönen Landstriche, welche durch den Vater Rhein nicht getrennt, sondern geeint sind und welche in jahrtausendelanger Wechsel⸗ ,. Großes zusammen erlebt haben leider nicht immer in demselben Lager hier im friedlichen Wettkampfe der Arbeit zu— sammengeführt hat, um erneute, hoffentlich nie zerreißende Freund⸗ schaftsbande zu knüpfen. Der Fürst schloß mit einem dreifachen

och auf Seine Majestät den Kaiser. ierauf erfolgte ein jwei⸗ tündiger Rundgang durch die ganze Ausstellung. Dieselbe ist von mehr als 1200 Ausstellern beschickt.

Agram, 19. Mai. In Godgies und Opulin fanden heute i, la heftige Schnee stürme statt, die mehrere Stunden an⸗ ielten.

London, 19. Mai. Wie dem R. B. aus Dscheddah von heute gemeldet wird, ist ein türkisches Schiff mit 760 Pilgern

an Bord ungefähr 50 Meilen nördlich von Dscheddah gu ein el All Bord dli wurden d

St, Petersburg, 20. Mai. Bei dem großen Brand in Brest⸗Litowski am 17. d. M. (vergl. Nr. I19 d. BL.) wurden , vernichtet. Drei Viertel der Stadt sind zerstõrt. Ueber 50 Leichen sind bereits aus den Trümmern hervorgeholt; die Bewohner lagern auf freiem Felde. Die Hotels und einige größere Geschäfte. häuser wurden gerettet. Der materielle Schaden wird dem. W. T. B. zufolge auf einige Millionen Rubel geschätzt. Auch die Stadt Kobrhn steht in Flammen.

Luzern, 19. Mai. In Kirchbühl bei Sempach stärzte in⸗ folge Lockerung des Zements eine neue Scheune zusammen und begrub 24 Personen unter ihren Trümmern. Eine Person wurde getödtet, eine schwer, die übrigen leichter verletzt.

Antwerpen, 19. Mai. . W. T. B. meldet: Heute Nach- mittag fand hier zwischen katholischen und liberalen Ver. einen ein Susam m en stoß statt. Die Polizei trieb die Cämpfenden auseinander und nahm eine Verhaftung vor. Als die Menge den Verhafteten mit Gewalt zu befreien suchte, machte die Polizei von der blanlen Waffe Gebrauch; mehrere Personen wurden festgenommen.

Santiago. In Bue nos Aires am 18. d. M. eingegangenen Nachrichten zufolge ist das Gebäude deschilenischen Kongreffes in Santiago völlig niedergebrannt. Man vermuthet Brandstiftung.

Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.

Budapest, 20. Mai. (W. T. B.). In der heutigen Sitzung des Unterhauses beschwerte sich Graf Apponyi darüber, daß die Entlassung des Grafen Kälnoky ohne Gegenzeichnung erfolgt sei, ferner daß die Regierung über die Motive des Scheidens des Grafen Kälnoky im . nichts verlautbart habe, zumal es in der Oeffentlichkeit geheißen, daß die Ursache der Differenz zwischen ihm und der ungarischen Regierung, sowohl in dem konkreten Falle als auch im Allgemeinen, in der Einflußnahme der ungarischen Regierung auf die Leitun des Auswärtigen Amts zu suchen sei. Redner verlangte Auf klärung darüber, ob es wahr sei, daß ein Vorgänger des

Barons Banffy das Recht Ungarns auf diese Einfluß⸗

nahme nicht geübt habe, und wer das gewesen sei, ob Tisza, Szapary oder Wekerle. Der Minister⸗Präsident Baron Banffy erwiderte, die Enthebung des Ministers des Auswärtigen sei bisher stets ohne Gegenzeichnung erfolgt. Die Ursachen des Scheidens des Grafen Kälnoky seien wiel u subjektiver Natur, als daß eine öffentliche Besprechung der— ahn am Platze sei. Die Einflußnahme Ungarns auf die auswärtigen Angelegenheiten sei seit 28 Jahren stets ohne Versäumniß geübt worden, eine neue Auslegung des Aus— e weer. sei nicht am Platze. Die Liberalen nahmen diese rklärungen mit großem Beifall auf. Der Abgeordnete Ugron setzte darauf die Angriffe gegen die Regierung fort. Derselbe

fragte, ob die ungarische Regierung Einfluß auf die Ernennung.

des Grafen Goluchowski zum Minister des Aeußern ausgeübt habe, der sich in Bukarest gegen die rumänische Liga nicht bewährt habe und nicht genug Pole sei, um Ungarns wahrer Freund sein zu können. Der Minister⸗Präsident Baron Zanffy erwiderte, die ungarische Regierung habe ihre An⸗ sicht bei Ernennung des Grafen Goluchowski geltend gemacht, der die gemeinsamen Interessen im Einvernehmen mit Ungarn wahren werde und den zu kritisieren jetzt ebenso , d. wie unpassend sei. Unter lebhaften Zustimmungs⸗Kundgebungen der Liberalen wurde sodann von der Etnennung des 9, Goluchowski Kenntniß genommen.

Die Regierung hat im Unterhause einen Gesetzentwurf eingebracht, betreffend die Beendigung der Stromregu⸗ lierung, für welche 55 Millionen Gulden aufgewendet werden 5 die sich auf 12 Jahre vertheilen. Die Kosten waren im Rahmen des Budgets auf 20 Jahre vertheilt.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage)

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icht vom 20. Mai r Morgens.

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Stationen. Wind.

Bar. auf 0 Gr. u. d. Meeressp red. in Millim. Temperatur in O Celsius Ho C. 40 R.

Belmullet .. Aberdeen .. Christiansund Kopenhagen. Stockholm. Savaranda St. Petersbg. Moskau ... Cork, Queens⸗ k k halb bed. Cherbourg. bedeckt J 5 O wolkig 1 65 bedeckt amburg .. winemünde Neufahrwasser Memel...

3 . Münster Karlsruhe ..

wolkenlos

Breslau.. W bededkt 11 Ile d' Aix... 756 3 wolkig 14 Vina... ö ill halb ded. 13 k wollig 18

1 Nachts Regen.“) Gestern anhaltend Regen. 3) Nachts Regen.

Uebersicht der Witterung.

Die Luftdruckvertheilung ist auf dem ganzen Gebiet gleichmäßig und daher die Luftbewegung allenthalben schwach. Das Minimum, welches gestern an der belgischen Grenze lag, ist übergegangen in eine flache Depression, welche sich von Frankreich ostwärts

über Deutschland hinaus nach Westrußland erstreckt. Am. höchsten ist der Luftdruck über dem nor— wegischen Meere. In Deutschland ist das Wetter trübe, vielfach regnerisch und, außer im äußersten Nordosten, kühl; in Süddeutschland sind ziemlich reichliche Regenmengen gefallen. Zunächst noch Fort⸗ dauer der bestehenden Witterungserscheinungen wahr⸗ scheinlich. ö Deutsche Seewarte.

Theater Anzeigen.

Königliche Schanspiele. Dienstag: Opern⸗ baus. 129. Vorstellung. Frauenlob. Oper in 3 Akten von Reinhold Becker. Text von Franz Koppel ⸗Ellfeld. In Scene gesetzt vom Ober⸗ Regisseur Tetzlaff. Dirigent: Kapellmeister Wein⸗ gartner. Anfang 79 Uhr.

Schauspielhaus. 135. Vorstellung. Der Revisor. Lustspiel in 5 Au zie, von Nicolay Gogol, deutsch von Elsa von 8. elsty. In Scene gesetzt vom Ober Regisseur Max Grube. Anfang 7 an.

Mittwoch: Opernhaus. 130. Vorstellung. Der Ring des Nibelungen. Bühnenfestspiel von Richard Far Erster Abend: Die Walküre. Anfang 7 Uhr.

Schausvielhaus. 136. Vorstellung. König Ottokars Glück und Ende. Trauerspiel in 5 Aufzügen von Franz Grillparzer. Anfang 74 Uhr.

Dentsches Theater. Dienstag: Das Lumpen ae er, , gimp erm woch: Der enstigen ö Donnerstag: Weh . 6 9

Berliner Theater. Dienstag: Sans-⸗Géne. Anfang 797 Uhr.

Mittwoch: Heimath.

Donnerstag. 25 Uhr: Minna von Barnhelm. 74 Uhr: Madame Sans⸗Gene.

Madame

Cessing · Theater. Dienstag: Sodoms Ende. Anfang 77 Uhr.

Mittwoch: Niobe. Vorher: Unter vier Angen.

Donnerstag: Der Herr Senator.

Friedrich Wilhelmstüdtisches Theater. Chausseestraße 25/26.

Dienstag: Der Obersteiger. Overette in 3 Akten von L Held und M. Weft. Musik von Farl Zeller. Regie: Herr Fredy. Dirigent: Herr Kapellmeister Dahms. Græaähigte Preise der Plätze. Anfang 71 Uhr.

Mittwoch: Der Obersteiger.

Schluß der Saison am 31. Mai.

Neunes Theater. Schiffbauerdamm 4a. 6.

Dienstag: Ensemble⸗Gastspiel der Mitglieder des Larl Schultze Theaters (Hamburg) unter Leitung des Direktors Joss Ferenczp. Tata⸗Toto. Vaudeville in 3 Akten nach Bilhaud und Barrs von Victor Löon und F. Zell. Musik von Antoine Banés. In Scene gesetzt von Joss . Ditigent: Kurt Goldmann. Anfang 73 Uhr.

Mittwoch und folgende Tage: Tata⸗Toto.

Residenz Theater. Blumenstraße Nr. 9. Direktion: Sigmund Lautenburg. Dienstag: Fer⸗ nand 's Ehekontrakt. (Eil à la patte) Schwank in 3 Akten von Georges Feydeau, in deutscher Be⸗ arbettung von Benno Jacobson. Anfang 77 Uhr.

Mittwoch und folgende Tage: ernand' o Ehe kontrakt.

Theater Unter den Linden. Behrenstr. S6 /57. Direktion: Julius Fritzsche. Diengtag: Neu einstudiert: Der Zigennerbaron. Dyerette in 3 Akten nach einer Erzählung M. Jokai's von T. Schnitzer. Musik von Johann Strauß. In Scene gesetzt von Julius Fritzsche. Dirigent: Herr Fapellmeister Ferron. Anfang 76 Ubr.

Mittwoch: Der Zigennerbaron.

Bentral - Theater. Alte Jakobstraße Nr. X. Dienstag: Zum 17. Male: Unter artistischer Leitung des Herrn Adolf Brakl vom Königl. Gärtner⸗ platz Theater in München; Figaro bei Hof. Rococo.) Dperette in 3 Akten (nach Beaumarchais Memoiren von Bohrmann ⸗Riegen. Musik von Alfred Müller. Norden. Anfang 7 Uhr. Mittwoch: Figaro bei Sof.

Familien ⸗Nachrichten.

Verlobt: Frl. Ella von Hagen mit Hrn. Ser Lieutenant Ernst von Schöning (Thorn). Frl. Margarete Merkel mit Hrn. Lieutenant Georg Weis bauyt (Trebnitz). U

Verehelicht:; Hr. Hauptmann Alfred Ziethen mit Til. Frida Schering (Berlin). Hr. Haupt Steueramts - Afsistent, Prem. Lieutenant d. R. Paul Schröter mit Frl. Hedwig Titz (Breslau)

Geboren Ein Sohn: Hrn. Ober ⸗Regierungs. Rath Müller (Breslau. Eine Tochter: Hrn. Staatsanwalt Leßmann (Breslau). Hm. Rittergutebesitzer Jörs (Mahnau). Hrn. Regi. ments Arzt Dr. Bodek (Temberg) . Hrn. August von Bernuth (Philadelvhic).

Gestorben: Sr. Thierarzt und Roßarzt d. R. E. Meirich (Wilschkowitz. Hr. . emer. Dr. phil. Carl Kraft (Charlottenburg. ; Rittergutsbesitzer und Rittmeister a. D. Won

Bieler (Merbitz ). Hr. Rittergutsbesitzer 2. Prem. Lieutenant d. 8. Karl Nobbe⸗ Libbebne Alt Libbebne). Hr. Major a. D. Ottema⸗ Gottwald (Nieder⸗Schönhausen). w Thekla von Meier, geb. Freiin von Kettler Eiegniß) = Hr. Gebeimer Rechnungs⸗Rath und 6 Lieutenant a. D. Ludwig Hüter (Kleinburg Breslau).

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Verantwortlicher Redakteur: Siemenroth in Berlin. Berlag der Expedition (Scholy in Berlin. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und een Anstalt Berlin S., Wil belmstraße Nr. 32. Sechs Beilagen

leinschließlich Börsen⸗ Beilage). 5969

Mn 120.

Preußischer Landtag. Herrenhaus. 16. Sitzung vom Sonnabend, 18. Mai.

Ueber den Beginn der Sitzung ist vorgestern berichtet worden.

Zu dem Antrage von Bethmann-Hollweg, nach welchem die 85 18 bis 27 des Gesetzes wegen Aufhebung direkter Staatssteuern vom 14. Juli 1893 aufgehoben und die auf Grund dieser Paragraphen erfolgten Rückzahlungen der Grundsteuer-Entschädigung an den Staat aus der Stgatskasse zurückerstattet werden sollen, schlug die Kommission für den Staatshaushalts⸗Etat und für Finanz—⸗ angelegenheiten vor: .

in Erwägung, daß nach der Erklärung der Königlichen Staats. regierung das zur Begründung des vorgelegten Gesetzentwurfs er⸗ forderliche Material noch nicht vorhanden ist, über den vorgelegten Gesetzentwurf zur Tagesordnung überzugeben; dagegen die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, mit Rücksicht auf die Noth⸗ lage der durch die 18 bis 27 des Gesetzes wegen Aufhebung direkter Staatssteuern vom 14. Juli 1893 betroffenen Landwirthe und die Schwierigkeiten der Durchführung dieser Bestimmungen ein dem vorgelegten Gesetzentwurf entsprechendes Gesetz vorzulegen. ;

Der Berichterstatter der Kommission Herr von Pfuel theilte mit, daß die Kommission die beiden Paragraphen des Antrags im einzelnen einstimmig angenommen, den Gesetzentwurf im Ganzen aber infolge eines Kompromisses abgelehnt und statt dessen beschlossen habe, dem Hause die Annahme der obigen Resolution vorzuschlagen.

Herr von Bethmann-⸗Hollweg: Gegen das Gesetz vom 14. Juli 1893 in der Regierungsfassung wäre nichts einzuwenden, wohl aber gegen die ungerecht wirkenden Ausnahmen, die in Bezug auf die Pflicht der Rückzahlung der Grundsteuer⸗Entschädigung in das Gesetz bineingebracht worden sind. Gegen die Rückerstattung der seiner Zeit gejahlten Grundsteuer-Entschädigung an den Staat spricht an sich ebenso der Umstand, daß die Entschaͤdigung damals nicht in voller Höhe gewährt wurde, wie auch der Umstand, daß die Last der ru ndsteueĩ nicht aufgeboben ist, die staatliche Grundfteuer vielmehr nur außer Hebung gesetzt ist, die Grundsteuer aber als Kommunal⸗ steuer forterhoben wird. Deshalb sind in das Gesetz eben die mildernden Bestimmungen aufgenommen worden, die eine gerechte Vertheilung der Rückzahlung unerreichbar erscheinen lassen. Die Be⸗ lastung wird auf andere Schultern gewälzt, als seiner Zeit angenommen wurde. Nicht der leistungsfähige Großgrundbesitzer, sondern der kleine Grundbesitz wird am meisten betroffen. Ich habe mir durch Nachfrage in einzelnen Kreisen Zahlen verschafft, die dies beweisen. Redner verlas statistische Angaben über die Vertheilung der Rückzahlung in einzelnen Kreisen auf Groß. und Kleingrund— besitz) In vielen Fällen sind große Härten nachweisbar, bei einem großen Theil der Kleingrundbesitzer handelt es sich zudem bei der in erschreckendem Maße gestiegenen Noth= lage der Landwirthschaft um die Existenzfrage. Es ist nicht zu verwundern, wenn die Aufregung immer weiter um sich greift und der Kleingrundbesitzer nur in extremen Mitteln Hilfe sieht. Sollte es deshalb nicht auch für die Königliche Staatsregierung richtig sein, dem Kleingrundbesitz entgegenzukommen? 50 50 090 Grundkesitzer würden bei Annahme meines Gesetzes von einer Belastung befreit werden. Ebenso wichtig ist aber auch die Aufhebung der Rückzahlun für die Städte, in denen die Handwerker, der kleine Bürgerstand si ebenso in bedrängter Lage befinden. Ich möchte bitten, meinen Antrag mit möglichst großer Majorität anzunehmen, und richte die Bitte an die Königliche Staatsregierung, diesem Votum mit Wohlwollen gegenüber zu treten. 6 .

Ober⸗Bürgermeister Zelle: Von Ungerechtigkeit kann meiner Ansicht nach in dem Geseß vom 14. Juli 1893 keine Rede sein. Vor 30 Jahren hat der Staat die Grundsteuer⸗Entschädigung gezahlt; nachdem die Grundsteuer gefallen ist, müssen die Entschärigungen zurückgezahlt werden. Wenn ein Landwirth bis zum 1. April 100 4 Grundsteuer gejahlt hat und von jetzt ab eine Amortisationsrente von 36 M für eine Reihe von Jahren zu zablen hat, so sebhe ich nicht ein, wie man da von Ungerechtigkeit sprechen kann. Zuschläge zur Grundsteuer zu erheben, war den Kommunen ja auch früher schon erlaubt. Herr von Bethmann hat anderes Material vorgelegt, als seiner Zeit von der Regierung dem Abgeordnetenhause und seiner Kommission vorgelegt worden ist. Ich meine aber, für einen Privatmann ist es außerordentlich schwer, bei derartigen Material ⸗Sammlungen alle Täuschungen, die unbewußt aus den Quellen fließen, zu vermeiden. Wenn ein Gesetzentwurf ausgearbeitet werden soll, so ist doch wobl amtliches Material nöthig. Man geht vielfach von der Ansicht aus, die 10 Millionen, um die es sich bei den Rückzahlungen handelt, seien der vielen Schreiberei garnicht werth. Man kann aber auch umgekehrt fragen: warum wird soviel Lärm um die 300 000 M gemacht, die jährlich zurückgezahlt werden sollen und sich auf Tausende von

ersonen vertheilen? Noch eins ist aber zu bedenken. In meiner Jugend annte man noch die Autorität vor dem Gesetz. Die Schnelligkeit, mit der die Gesetzesmaschine arbeitet, mag diese Autorität abgeschwächt haben. Nichts aber ist schlimmer, als wenn in den Kreisen des Volks Ehrfurcht und Glauben an das Gesetz verloren gehen. Es giebt kaum ein Gesetz, das in den letzten 20 Jahren nicht geändert worden ist. Ein Gesetz, das seine Wirksamkeit noch garnicht recht entfaltet, jeßt schon wieder abzuändern, würde nicht sehr schmeichelhaft für die Gesetz. 16. sein. Was würde das Volk, was die ganze Presse dazu sagen? Ein konservatives Mitglied dieses Hauses bat vor zwei Jabren, als über die Rückjahlung der Entschädigung berathen wurde, hervorgehoben, daß die Rückjahlung dem Rechtsbewußtsein entspreche und ein Erlaß der Rücklahlungspflicht ein Agitationsmittel auf Menschenalter abgeben wũrde. „Graf von Zieten-Schwerin: In der Kommission wurde über den Antrag, die Resolution und die Petitionen in verschiedenen Sißungen und bei verschiedener Betheiligung der Mitglieder an den Sitzungen abgestimmt. So war es möglich, daß der Antrag des Derrn don Bethmann abgelehnt wurde, die Petitionen aber, die das⸗ Albe wollen wie der Antrag, der Regierung zur Berücksichtigung überwiesen werden sollen. Ich glaube, da ist es richtiger, auch für den Antrag selbst zu stimmen. Bie jährlichen Rückzahlungen werden von en Besitzern sicher als Steuern empfunden. Anders wäre es, wenn die gesammte gezahlte ,, auch zur Räck⸗ sahlung käme. Daß Ausnahmen von der Rückjablung stattfinden, läßt die Maßregel nicht als besonders rechtliche erscheinen. Die Stadt Berlin z. B., die große Güter erworben bat, ist von e ll abiungepflicht befreit, der Kleingrundbesitzer dagegen muß sie leisten. Seheimer Ober- Finanz- Rath Wallach: Der Herr Finanz= inister ist leider durch eine Konferenz am Erscheinen verhindert. as Königliche Staats. Ministerium hat noch keine Stellung zu dem ut siommen, ich bin alfo nicht in der Lage, in seinem Namen me ärung abzugeben. Daß die Verpflichtung zur Rückzablung der Grundfseuer. Ent scha digung einen integrierenden Bestandtbeil des 1893 Albig fenen Reformwerks bildet, ist nicht bestreitbar. Bei Berathung

1 traten erhebliche ,, zu

Tage, die ründe für und gegen die Rückzahlung sind reichlich er⸗

Erste Beilage zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Stnats⸗Anzeiger.

Berlin, Montag, den 20. Mai

wogen worden, und seitens der Staatsregierung ist kein Zweifel darũber gelassen worden. daß die Maßregel nicht nur den Großgrundbesitz, sondern auch den Kleingrundbesitz treffen würde. Auch darüber war kein Zweifel, daß man eine Rückjahlung von denen nicht fordern konnte, die von der Grundsteuer⸗Entschadigung keinen Nutzen gehabt hatten, wie dies bei , , . der Fall ist. Die Ausnahmen sind nicht willkũrlich, sondern nach festen Rechtsgrundsätzen festgestellt worden. Es ist nicht wohl angezeigt, nach so kurzer Zeit eine Aenderung des Gesetzes vorzunehmen. Die vom Herrn Antragsteller mitgetheilten Zahlen habe ich nicht prüfen können, ich glaube aber nicht, daß etwas Neues vorliegt. Darin, daß in Form einer Grundsteuerrente ein Theil der früberen Grundsteuer für eine Reihe von Jahren gezahlt wird, liegt keine neue Belastung. Die Kommunen waren auch bisher schon be— rechtigt, den Grundbesitz mit realen Abgaben zu belasten. Man kann also nicht sagen, die jetzige kommunale Grundsteuer sei an Stelle der früheren Grundsteuer getreten. Zur Zeit sind die Verhältnisse noch nicht zu übersehen, sodaß ich bitte, jetzt von einer Gesetzesän derung abzusehen.

Ober ⸗Bürgermeister Becker: Ich stehe diesem Antrage freund—⸗ licher gegenüber als mein Kollege Herr Zelle. Ich habe seiner Zeit für die Detailfassung der einzelnen Bestimmungen gestimmt, aber gegen das ganze Gesetz. Sobald aber ein Landesgeseß zu stande ge= kommen ist, ist es absolut gültig und muß ausgeführt werden. (Sehr richtig Nur aus den zwingendsten Grunden darf eine Abänderung vorgenommen werden. Das ist der Standpunkt, den man bei dem a. Wohlwollen für den Antrag meines Erachtens einnehmen muß. Liegen hier nun zwingende Gründe vor? Der Grund, daß die allgemeine Lage der Landwirthschaft seit Erlaß dieses Gesetzes un—⸗ endlich schlechter geworden ift, ist für mich noch nicht genügend. Die Behauptung, daß das Gesetz zu große Härten mit sich führe, die man nicht vorausgesehen habe, muß erst bewiesen werden. Das statistische Material, das Herr von Bethmann ⸗Hollweg vorgebracht hat, ist unvollständig. Wir müssen abwarten, bis das Material gesammelt ist. Ich schlage darum vor:

in Erwägung, daß nach der Erklärung der Staatsregierun das zur Begründung des Gesetzentwurfs erforderliche Material noch nicht vorhanden ist, die Abstimmung über den Gesetzentwurf bis zur Vorlage dieses Materials zu vertagen und die ö zur möglichst baldigen Vorlage des Materials zu ersuchen.

Geheimer Justiz⸗ Rath Dernburg: Das Gesetz ist eine Ver⸗ letzung des materiellen Rechts Der Richter muß es natürlich aus⸗ führen, aber nur so lange, als es nicht aufgehoben ist. Der Staat hat nicht das Recht, die Entschädigungen, die er gezahlt hat, zurück— zufordern, weil er von seinem Rechte, die Grundfteuer zu erheben, nun keinen Gebrauch machen will. Mit demselben Rechte könnte der Käufer eines Pferdes plötzlich den Kaufpreis zurückfordern mit der Begründung, daß er jetzt nur noch Veloziped fahre. (Heiterkeit) Es war damals ein zweiseitiges Geschäft zwischen dem Staat und den Grundsteuerprivilegierten. Ob der Staat von seinem Rechte Gebrauch machen will oder nicht, ist seine Sache, kann aber niemals ein Grund zur Rückforderung der Entschädigung sein. Hier ist eine 3 gesetzlich fixiert. Ich bitte Sie, dem materiellen Recht gebührende Würdigung zu gewähren und dem Antrage des Herrn von Bethmann-⸗-Hollweg zuzustimmen.

Bürgermeister Hamm er trat für den Antrag des Ober⸗Bürger⸗ meisters Becker ein. .

Herr von Klitzing: Ich bitte Sie, den Antrag des Herrn von Bethmann⸗Hollweg anzunehmen, den Kommissionsantrag und den Antrag des Herrn Ober- Buͤrgermeisters Becker abzulehnen. Bis dat,

ui cito dat. Das Gesetz hat in die Kreise des Grundbesitzes eine lle u getragen, von der die Herren in Berlin keine Ahnung haben. 1600 Personen haben sich schriftlich und mündlich an mich um Rath gewendet. Sie beklagen sich, daß nicht nur das Privileg, das sie von Friedrich II. erhalten hätten, nun weg wäre, sondern daß sie auch die Entschädigungen zurücklahlen und außerdem noch Steuern entrichten müßten. Die Leute sehen mit klarem Verstande ein, daß sie mehr bejablen sollen als andere, trotzdem sie durch einen unserer Könige privilegiert waren. Das ist ein unhaltbarer Zustand. Es wird eine große Aufregung in die Bevölkerung getragen, die man gerade unter den heutigen Verhältnissen vermeiden müßte. .

Graf von Klinckowstroem: Ein großer Theil derjenigen, die seiner Zeit für die Rückzahlung der Entschadigung stimmten, that dies nur, um die Steuerreform nicht zu gefährden. Herr von Bethmann⸗ Hollweg bat bereits darauf hingewiesen, daß wir zugestimmt haben, weil wir glaubten, die Hauptbelastung werde auf den Großgrundbesitz fallen. Nachdem sich berausgestellt hat, daß besonders der kleine Grundbesitz unter der Maßregel leidet, halten wir es für unsere Pflicht, den damals begangenen Fehler zu reparieren. Das Material des Herrn von Bethmann⸗Hollweg kann ich in Bezug auf Ostpreußen ergänzen, wo bis auf wenige Ausnahmen die Privilegierten Klein- grundbesitzer sind. Da u kommen die kolossalen Schwierigkeiten, die sich der Durchführung der Maßregel entgegenstellen Meist ist es absolut unmöglich festiustellen, ob ein Verkauf im Sinne des Gesetzes vor liegt oder nicht. Was die prinzipielle Seite der Frage anlangt, so muß festgestellt werden, daß die staatliche Grundsteuer garnicht auf⸗ gehoben ist. Und in diesen Zeiten der Noth und des Elends in der Landwirthschaft müssen wir uns dech fragen: lohnt es sich denn überbaupt für den Staat, für die 300 000 0, die hierbei in Frage stehen, all die Schreibereien, die Prozesse, die Erregung von Unzufrieden⸗ heit in Kauf zu nehmen? Wenn Herr Zelle fragt: was wird das Volk, was die Presse dazu sagen? so meine ich: das Urtheil des Volkes können wir in Ruhe erwarten, und der Dank eines einzigen Bauern ist mir mehr werth, als das Urtheil der ganzen Presse. ̃

Herr von Wedel⸗Pies dorf bemerkte, er habe sich seiner Zeit für die Rückzahlungspflicht ausgesprochen. Nachdem sich aber ergeben habe, daß dawon vorwiegend der kleine Grundbesitz betroffen wird, während in der Zwischenzeit die Lage der Landwirthschaft eine so überaus kritische geworden sei, stimme er dem Antrage des Herrn von Bethmann -⸗Hollweg zu. Das Bedenken des Regierungsvertreters theile er nicht, daß man an einem Gesetze, das erst zwei Jahre in Kraft sei, nicht andern sollte. Die Regierung habe ja selbst eine Aenderung des Kommunalsteuergesetzes vorgeschlagen.

Geheimer Ober⸗Finanz Rath Wallach erwiderte, das Bedenken richte sich dagegen, daß hier ein wesentlicher Punkt aus dem Organismus des ganzen Gesetzes herausgenommen werden solle, bevor sich die Wirkung der . Bestimmung völlig übersehen lasse.

Graf von Zieten Schwerin machte darauf aufmerksam, daß der Antrag des Sber⸗Bürgermeifters Becker seinen Zweck nicht erreiche, wenn nicht der Termin für die Abgabe der Erklärungen hinausgeschoben werde.

Freiherr von Sole macher erklärte sich für den Antrag des Herrn von Bethmann⸗Hollweg. ö

Der Antrag des Herrn von Bethmann-Hollweg wurde mit großer Mehrheit angenommen.

Dem Gesetzentwurf, betreffend die Erganzung des 5 98 der Hinterlegungsordnung, stimmte das Haus in ein⸗ maliger Schlußberathung ohne Debatte zu, ebenso dem Gesetz⸗ entwurf, betreffend die Aufhebung des in dem vormaligen Fürstbisthum Fulda für die Einwilligung von Ehefrauen in Bürgschaften und Expromissionen der Ehemänner bestehenden Erfordernisses der gerichtlichen Form.

1895.

Es folgte noch der Bericht der Kommission für Agrarverhält⸗ nisse über eine Petition des Dr. Stolp in Charlottenburg, betreffend die genossenschaftliche Organisation des landwirthschaftlichen Berufsstandes und Vorbeugung vor k des landwirthschaftlichen 2

Die Kommission beantragte, den ersten Theil der Petition der Staatsregierung als Material und den zweiten Theil als Material und zur Erwägung zu überweisen.

Das Haus trat diesem Vorschlage bei.

Damit war die Tagesordnung um 33,4 Uhr etledigt.

Freiherr von Manteuffel fragte den Prãsidenten, ob er Nach⸗ richt erhalten habe, wann der Landwirtbschafts⸗Minister die Inter⸗ pellation des Herrn von HertzbergLottin zu beantworten bereit sei. Dieselbe enthält die Frage, wann die Regierung mit den kleinen Mitteln“ zur Hebung der Landwirthschaft vorgeben wolle.)

Präsident Fürst zu Stolberg erwiderte, daß er offizielle Nach⸗ richt noch nicht erhalten habe; ihm sei jedoch mitgetheilt worden, daß der **. Landwirthschafts⸗Minister am Montag nicht anwesend sein werde.

Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Sache tbeilte mit, daß der Landwirthschafts⸗Minister am Montag und Dienstag sich auf amt⸗ lichen Reisen befinden werde.

Nächste Sitzung Montag 1 Uhr. (Petitionen, Kleine Vorlagen.

Haus der Abgeordneten. 67. Sitzung vom Sonnabend, 18. Mai.

Ueber den Beginn der Sitzung ist vorgestern berichtet worden. . .

Auf der Tagesordnung stand zunächst die Berathung des von den Abgg, Freiherrn von Heereman (Zentr) u. Gen. eingebrachten Gesetzentwurfs zur Wiederherstellung der durch die Gesetsze vom 5. April 1873 und 18. Juni 1875 aufgehobenen Artikel 15, 16 und 18 der Ver⸗ fassungsurkunde.

Abg. Graf zu Lim burg⸗Stirum (kons.): Ich habe namens meiner politischen Freunde nur eine Erklärung abzugeben: Die konservative Partei steht nach wie vor auf dem Boden, die Selb⸗ ständigkeit beider Kirchen, der katholischen und evangelischen, nach ihrer Individualität zu pflegen und zu fördern. Wir erachten aber den Antrag, den die Herren vom Zentrum gestellt haben, nicht für den geeigneten Weg, dieses Ziel zu erreichen, weil die Annahme dieses Antrags eine nicht zu übersehende Unsicherbeit des Rechtszustandes herbeiführen würde. Wir werden deshalb gegen den Antrag stimmen und gedenken, uns ferner an der Diskussion nicht zu betheiligen.

Abg. Langerhans (fr. Vp. ): Im Namen meiner politischen Freunde habe ich folgende Erklärung abzugeben: Einen Ausbau der Verfassung zur Erweiterung und Festigung der kirchlichen Freiheit und Gleichheit in religiösen Dingen halten auch wir für gebsten. Aber diese Ergänzung bat sich unseres Erachtens nicht zu beschränken auf den Bereich der aufgehobenen Verfassungsartikel, sondern sie muß auch die Abstellung der Beschwerden sichern, welche andere Religions⸗

gesellschaften als die beiden privilegierten Kirchen namentlich in

Bezug auf die Artikel 12 13 und 14 in berechtigter Weise erhoben. Jede Bexorrechtung von Religionsgesellschaften durch den Staat ist zu beseitigen. Die einfache Wiederherstellung der Artikel 15, 16 und 18 entspricht daher nicht unseren Ansichten, und wir können des⸗ halb dem Antrage des Zentrums nicht zustimmen.

Abg. Mott y (Pole): Angesichts der Ausführungen des Freiherrn von Heereman kann ich mich kurz auf allgemeine Gesichtspunkte be— schränken. Auch wir erachten den vorliegenden Antrag nicht für einen konfessionellen und werden ihn auch von diesem Gesichtspunkte aus behandeln. Der Abg. Hobrecht sagt, der Antrag sei deshalb unannehm⸗ bar, weil das Verhältniß zwischen Staat und Kirche nur durch Spezial⸗ gesetze geregelt werden könne, nicht durch allgemeine Bestimmungen. Aber diese Artikel haben lange Jahre bestanden, und es hat sich herausgestellt, daß auf Grund dieser Paragraphen das Verhältniß zwischen Stagt und Kirche fortbeftehen und sich entwickeln kann. Die kirchenvolitischen Gesetze sind Ausnahmegesetze, sie bedeuten den Kampf der materiellen gegen die geistige Macht. Diese Gesetze sind nicht bloß ein Unrecht, sondern auch ein großer politischer Fehler. Das bat sich bereits herausgestellt, und die maßgebenden Kreise haben erkannt, daß man mit solchen Waffen den Kulturkampf nicht fort führen kann. Der Staat hat einen theilweisen Rückzug angetreten. Der endliche Sieg der geistigen über die materielle Macht ist mir un⸗ zweifelhaft. Vorläufig handelt es sich darum, diesem Siege Bahn zu brechen. Fehler zu machen, ist menschlich; auf ihnen zu beharren, ist bedenklich; sie gut zu machen, weise. Tritt man gegen die Kirche auf. so tritt man auch auf gegen die Religion. Religion und Kirche sind aber die festesten Schilde gegen den Umsturz. Ich bitte Sie, für den Antrag zu stimmen.

Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (fr. kons ): Meine politischen Freunde werden gegen den Antrag des Abg. Freiherrn von Heereman stimmen. Wir halten es weder unter dem allgemein poli⸗ tischen Gesichtspunkt, noch insbesondere im Interesse des Friedens zwischen Staat und Kirche und des gedeihlichen Zusammenwirkens beider für ersprießlich, heute in eine Erörterung des Verhältnisses von Staat und Kirche näher einzugehen und werden daher auch auf die sachlichen Ausführungen des Herrn Freiherrn von Heereman nichts erwidern. Wir halten es auch gerade im Interesse des Friedens zwischen Staat und Kirche nicht für wünschenswerth, den seit 20 Jahren beschrittenen Weg der Regelung des Verhältnisses zwischen beiden durch Spezialgesetze jetzt wieder aufzugeben und zu dem Zustande zurück⸗ zukehren, wie er vor 1875 war. Deshalb werden wir gegen den An— trag des Freiberrn von Heereman stimmen.

Abg. Schabnasjan (fr. Vg.): Im Namen meiner politischen Freunde babe ich zu erklären, daß wir gegen den Antrag des Zen⸗ trums, wie er gestellt ist, stimmen werden.

Abg. Bachem (Zentr.): Die ablehnende Haltung der anderen Parteien hat uns betrübt wir hatten gedacht, daß die Erfahrungen des Kulturkampfes, der ja nun, Gott sei Dank, weit hinter uns liegt, Sie dazu bewegen würden, uns die Hand zu bieten. Ich kann nicht umhin, Ihnen für die ruhige Art meinen Dank auszusprechen, mit der die Sache heute hier verhandelt wurde. Aber daß Sie sich so kurz erklärt haben, müssen wir umsomehr bedauern, als uns bei Ein⸗ bringung des Antrags nicht sowohl an einer bloßen Ab⸗ stimmung, als gerade an einer ruhigen Diskusston über das gegenseitige Verhältniß von Kirche und Staat gelegen war. Denn wir haben die feste Ueberzeugung, daß Sie, wenn Sie sich auf die Sache einlassen, zu unserer Ansicht kommen werden. Ich möchte zu den Ausführungen des Abg. Freiherrn von Heereman zwei Fragen hinzufügen. Und zwar erstens: was hat es dem Staat geschadet, daß vom Jahre 1850 bis zum Jahre 1873 resp. 1875 die dann aufgehobenen Paragraphen der Verfassung bestanden haben? Niemand kann behaupten, daß sie einen Schaden angerichtet hätten. Und zweitens; Was hat es dem Staat genützt, 24 im Jahre 1873 bezw. im Jahre 1875 die beregten Artikel aus der Verfassung gestrichen worden sind? Das liegt doch wohl auf der

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