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messen: soweit es sich um im Inland belegene Vermögens⸗ objekte handelt, auf 1 v. H. des Entgelts bezw. des Werths;
oweit es sich um ausländische Objekte handelt, auf 1/ „M; ern das Vermögen aus beweglichen Objekten besteht, auf i v. H.; und soweit es aus Forderungsrechten besteht, auf
20 v. H.
4 id Lom mission hatte diese Position gestrich en.
Die Abgg. Haacke und Noelle (nl,) beantragten, sie mit einem durchgehenden Satz von 11½ „S6 und mit der Be⸗ schränkung auf die Ueberlassung von Rechten an einen anderen Gesellschafter oder die Gesellschaft selbst wieder herzu⸗— stellen.
Abg. Krause (nl) bemerkte zur Begründung dieses Antrags, daß bei Uebertragungen von Rechten innerhalb der Gesellschaft ein i. ei Stempel nicht billig erscheine.
Finanz ⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Ich kann nur bitten, den Antrag des Abg. Haacke zu dieser Position abzulehnen. Wenn die Herren auch die Bildung solcher Kapitalassociationen fördern wollen, so haben sie doch noch keine Veranlassung, die Auflösung einer solchen Kapital—⸗ association zu begünstigen. Es kann allerdings, wenn diese ganze Position ohne Annahme des Antrags Krause wegfällt, sehr wohl. die Sache so liegen, daß der Zessionsstempel berechnet wird, und es ist gar kein Grund, wenn hier in solchen Fällen offenbar eine Zession vorliegt, diese anders zu behandeln als die Zession überhaupt. Ich glaube daher, daß es richtig ist, die ganze Position so, wie die Kommission sie behandelt hat, zu belassen und den Antrag des Abg. Dr. Krause nicht anzunehmen.
Auf eine Bemerkung des Abg. Krause antwortete der Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Ich gebe dem Herrn Abg. Krause durchaus Recht, wenn er sagt: es ist kein Privilegium an sich, wenn man keine Steuern bezahlt. Aber wohl wird es ein Privilegium, wenn man aus der allgemeinen Steuerpflicht herausgenommen wird und frei bleibt, während andere in gleicher Lage zahlen müssen. Das nenne ich ein Privilegium. (Sehr richtig! rechts.)
Die Bemerkungen, die er vorher gegen uns richtete, daß wir nicht sprechen könnten von einer Begünstigung der Gesellschaften mit beschränkter Haftpflicht, weil es kein Privilegium wäre, überhaupt nicht besteuert zu werden, paßten also hierauf jedenfalls nicht. Denn hier ist eine klare Zession vorhanden, und warum soll hier diese Zession gegenüber allen anderen Zessionen frei sein? Wir sind mit ihm durchaus einverstanden, daß von einem Kauf hier nicht die Rede sein kann, und die bisherige Praxis hat dazu auch nicht geführt; aber hier ein besonderes Privilegium für diese Art Zessionen zu schaffen, dazu sehe ich keine besondere Veranlassung.
Abg. Krause (nl): Warum auch bei der Aufhebung der Gesell— schaft ein solch , eingenommen werden sollte, sei ihm unerfindlich. Meist habe die Auflösung der Gesellschaft darin ihren Grund, daß ihr wirthschaftlicher Zweck nicht erreicht worden sei.
Abg. Klasing: Man müsse es der Rechtsprechung überlassen, wo eine Zession und wo eine Veräußerung vorliege.
Abg. Reichardt (nl.) bestritt, daß hier eine Zession vorliege.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Der Herr Abgeordnetezbehauptet, die Kommission habe dasselbe gewollt, was der Antrag Dr. Krause darstellt. Das muß ich ent— schieden bestreiten. Ich bin auch in den Kommissionsverhandlungen gewesen; ich habe von einer solchen Absicht der Kommission nichts ge—⸗ hört. Wenn der Herr Abg. Reichardt nun sagt: wir sehen das nicht als Zession an, wenn ein Gesellschafter seinen Antheil an einen anderen abgiebt oder an die Gesellschaft — so kann man das ja sagen, aber die Sache ist deswegen doch noch nicht richtig; es ist immer eine Uebertragung von Rechten von dem einen auf den anderen, und warum diese Uebertragung anders behandelt werden soll wie alle anderen Uebertragungen, ist mir noch nicht klar geworden. Wenn man ein gewisses nahes Verhältniß, wie der Herr Abg. Reichardt anzu⸗— nehmen scheint, hier berücksichtigen sollte, dann müßte man doch viel— mehr die Zession vom Vater auf den Sohn oder von Bruder zu Bruder freilassen; denn sie haben doch vermuthlich noch ein etwas näheres Verhältniß als die Gesellschafter.
Abg. Krause (nl. ): Jedenfalls sei bei Auflösung von Gesell— schaften eine Besteuerung nach dem Werth nicht gerechtfertigt.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Zu meinem Bedauern muß ich nochmals auf den Gegenstand zurückkommen. Der Herr Abgeordnete spricht jetzt bloß von dem Fall der Auflösung der Gesellschaften (Widerspruch), in seinem Antrage ist aber etwas ganz Anderes enthalten, da ist von einer Ueberlassung der Rechte an dem Gesellschaftsvermögen seitens eines Gesellschafters oder dessen Erben an einen anderen Gesellschafter die Rede beim Bestande der Gesellschaft. Dann heißt es weiter: oder die Abfindung eines Gesellschafters bei Auflösung der Gesellschaft. Meine Herren, aber selbst in dem letzteren Falle kann es doch zu merkwürdigen Kon— sequenzen führen. Nehmen Sie an, jemand bringt ein Grundstück ein — wir haben ja gesehen, wie gering das besteuert ist — und nachher — es handelt sich um zwei Personen — lösen die beiden ihre Gesellschaft auf, und dann bekommt der Andere das Grundstück mit 1,50 „, während der ganze Stempel von 190 umgangen wird. Ich würde dringend bitten, in der Bevorzugung der Gesellschaften nicht so weit zu gehen.
Abg. Jansen Zentr.) empfahl, die Regierungsvorlage ohne Veränderung wieder herzustellen.
Der Antrag Haacke wurde abgelehnt und demnächst die Position in der Fassung der Regierungsvorlage ange— nommen.
Lit. e setzt für Verträge oder Beschlüsse über die Ver— einigung zweier oder mehrerer Bergwerke zu einem einheitlichen Ganzen einen Stempel von 153 Proz. des Werthes, sofern sie einem Eigenthümer, einer Gewerkschaft oder Gesellschaft gehören, von 11 (6 fest.
Abg. Engels fr. kons.) behielt sich vor, sowohl hinsichtlich der Höhe des Stempels, der die Zusammenlegung von Bergwerken vielfach erschweren würde, als bezüglich des Textes, der von „Vertragen“ spreche, wo es sich um die Zusammenlegung mehrerer in einer Hand befindlicher Bergwerke handle, eine Aenderung in dritter Lesung zu beantragen.
Nach dem zehnten Absatz der Tarifstelle 34 (Kauf⸗ und Zausch verträge) unterliegen einem Stempel von 11 6 Beurkundungen von Abtretungen der Rechte aus dem Meist—⸗ gebot an einen anderen im Sinne des 5 83 Abs. 2 des Ge— setzes, betreffend die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen, vom 13 Juli 1883.
Die Abgg. Haacke und Noelle (nl) beantragten, an
Stelle der Worte an einen anderen“ bis zum Schluß zu!
setzen Beziehungsweise dem Zuschlagsbescheid bei 3wangs⸗ versteiger un gen über unbewegliche Sachen“.
Abg. Noelle (nl): Wir sind gewiß dafür, daß dem Grund⸗ stücksschacher entgegengetreten wird. Nur in einer Beziehung möchten wir eine Aenderung: wir möchten die Rechte der Hypothekengläubiger erweitern. Praktisch geht unser Antrag dahin, daß bei Zwangs versteige⸗ rungen der Sl n seine Rechte, die er durch Erwerb des Besitz. thums in der Subhastation ezwarben hat, ohne besonderen Stempel an einen Dritten abtreten kann.
Finanz⸗Minister Pr. Miquel:
Meine Herren! Wenn in der Weise, wie der Herr Vorredner die Sache behandelt, verfahren würde, dann würde die Regierung doch in derselben Lage sein. Diese ganze Fassung der Kommission gefällt der Staatsregierung in vielen Beziehungen nicht; aber getreu der allgemeinen Auffassung, daß man solches Gesetz nur zu stande bringen kann nach einer so ausführlichen Kemmissionsberathung, wenn man nur in den dringendsten Fällen diese Kommissionsbeschlüsse angreift, verzichtet die Regierung an dieser Stelle wie an vielen anderen Stellen darauf, die Kommissionsbeschlüsse abzuändern. Den jetzt hier vorliegenden Antrag möchte ich bitten, abzulehnen. Danach soll also 1,50 0 kezahlt werden — wenn ich den Antrag recht verstehe —, wenn eine Wiederveräußerung versteigerter Gegenstände nach ertheiltem Zuschlag stattgefunden hat. Durch den Zuschlag tritt aber ein Eigenthums— wechsel ein, und es ist dann also jede weitere Veräußerung nichts weiter als ein neues Geschäft. Wenn nun gesagt wird: es ist billig, daß man den Steigerer das Grundstück wiederkaufen läßt — so mag das ja in gewissen Fällen, wenn er sich gedeckt hat mit seiner Forderung durch die Versteigerung des Verkaufsobjekts, richtig sein, in anderen Fällen tritt aber oft ein erheblicher Gewinn ein. Es ist garnicht gesagt, daß derjenige, dem der Zuschlag ertheilt ist und der das Grundstück wieder verkauft, nicht dabei ein gutes Geschäft macht. Ich glaube, solche Unterschei⸗ dung kann man doch nicht machen, wir müssen doch hier konsequent sein. Wenn der Zuschlag ertheilt wird und der Uebergang des Eigen⸗ thums stattgefunden hat, so ist die Wiederveräußerung ein vollständig neues Geschäft und als solches zu behandeln.
Abg. Gamp Sfr. kons) stellte fest, daß in der vorliegen den Pesition von animalischen Erzeugnissen, landwirthschaftlichen Bedürf— nissen nicht die Rede sei, daß also Kauf⸗ und Tauschverträge über derartige Sachen steuerfrei bleiben. ö
Abg. Noelle (nl): Gewiß handelt es sich, wenn ein Gläubiger das in der Zwangsversteigerung erworbene Besitzthum wieder verkauft, um eine zweits Veräußerung vom rechtlichen Standpunkt aus, vom wirthschaftlichen Standpunkt aus aber kann man von einer solchen nicht sprechen. . ;
Die Position wurde mit einer vom Abg. Jansen bean⸗ tragten redaktionellen Aenderung angenommen, der Antrag Haacke dagegen abgelehnt. ;
Die Tarifstelle 4 normiert den für Pacht-, Mieths— und antichretische Verträge zu zahlenden Stempelbetrag auf 1ñ10 v. H. des Zinses bezw., der antichretischen Nutzung. Bei einem Mieths- (Pacht- Zins bis zu 300 S6 jährlich bleibt der Vertrag stempelfrei. Die Stempelpflichtigkeit wird auf mündliche Verträge ausgedehnt, indem der Verpächter (Vermiether) gehalten ist, ein Verzeichniß der Vertrage anzufertigen, welches der Stempelpflicht unterliegt.
. Ein Antrag der Abgg. Haacke und Noelle (nl. will die Bestimmung dahin abändern, daß nur der schrfftliche Vertrag den Stempel zu tragen hat. .
Die Abgg. Klasing und Winckler (kons.) be— antragten, ausdrücklich auszusprechen, daß das Verzeichniß nur diejenigen Verträge aufzuführen braucht, bei denen ein Zins von mehr als 300 S für das Jahr verabredet war.
Der Abg. Kirsch brachte einen Antrag ein, der das Verzeichniß beseitigt und die Stempelpflichtigkeit auf die schriftlichen Verträge be—⸗ schränkt und jür den Uebergang der Vertragsrechte an einen neuen Pächter einen Fixstempel von 14 M vorschlägt.
Abg. Winckler (kons.): Zunächst hatten wir Bedenken, ob wir einer Veränderung des bestehenden Zustandes überhaupt unsere Zu— stimmung geben sollten. Aus den Erklärungen der Staatsregierung in der Kommission haben wir aber die Ueberzeugung gewonnen, daß ein großer Theil aller Miethsverträge sich der Kontrole hinsichtlich des gezahlten Stempels zur Zeit entzieht Der Ertrag des Stempels aus Miethsverträgen beträgt zur Zeit nur 200 009 M Deshalb baben wir uns auf den Boden des Kommissionsbeschlusses gestellt. Wir sehen auch in dem Vorschlage der Kommission einen Vortheil, daß bei einer längeren Pachtdauer der Stempel nicht auf einmal, sondern in jährlichen Raten bezahlt werden soll; wenn der Pachtvertrag vor seinem Ablauf aufgehoben wird, hat der Pächter den Stempel nicht für die ganze Dauer des Vertrags zu bezahlen gehabt. Wir glauben, die aus dem Stempel auf diese Ver—⸗ trage zu erwartende Mebreinnahme wird ohne besondere Belastung der Stempelpflichtigen zu erreichen sein.
Abg. Krause (ul.): Bei meinen politischen Freunden sind die Ansichten über die Zweckmäßigkeit der Miethsverzeichnisse getbeilt. Ich persönlich halte sie für eine arge Belästigung der Vermiether, wenn ich auch zugebe, daß sie eine wirksame Kontrols ermöglichen. Ein⸗ müthig sind meine politischen Freunde aber in der Forderung, daß die mündlichen Miethsverträge steuerfrei bleiben sollen. Für die Steuer— pflichtigkeit der mündlichen Miethsverträge ist eine stichhaltige Be— zründung nicht beigebracht worden. Diese Steuerpflichtigkeit würde gleichbedeutend sein mit der Einführung einer Miethssteuer. Der Herr Finanz⸗Minister hat in der Kommission die Freilassung der Miethsverträge unter 309 M als eine wichtige sozialpolitische Maß— regel bezeichnet. Von weit größerer Bedeutung erscheint es mir, daß nicht Verträge steuerpflichtig werden, welche bisher steuerfrei waren.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Ich erkenne von vornberein an, daß die vor— liegende Frage, soweit sie die mündlichen Miethsverträge betrifft, mit Recht verschiedene Meinungen hervsrrufen kann. Ich will nur kurz entwickeln, wie die Staatsregierung zu ihrem Vorschlag ge— kommen ist.
Eine sehr lange Erfahrung hat mit Sicherheit festgestellt, daß auf keinem Gebiet der Urkundenstempel die Defraude stärker ist als bei den Miethsverträgen. In ganz unverhältnißmäßiger Weise sind die Miethsverträge überhaupt nicht verstempelt worden, nicht bloß die Prolongationen, sondern auch die ersten Miethsverträge. Ich habe in der Kommission ja ein ganz schlagendes Beispiel angeführt, wo nun mal dies gerade konstatiert worden war: von Stettin, wo sich herausstellte, daß in allen den zahlreichen Fällen, wo die Gelegenheit war, das fest—⸗ zustellen, sämmtliche Mietbsperträge unverstempelt geblieben waren, und zwar bei den hohen Miethen sowohl, bei den sogenannten höheren Klassen, als auch in den unteren Stufen. Wir haben uns also ge— sagt, dieser Zustand kann nicht fortdauern, denn das führt dahin, daß die gewissenhaften ehrlichen Leute verstempeln, die große Masse aber nicht, und diese große Masse kann ich nicht einmal als unehrlich bezeichnen; denn in sehr vielen Fällen wird die Ver— stempelung, namentlich bei Verlängerung der Miethsverträge, aus Fahrlässigkeit unterlassen, ohne die bestimmte Absicht zu haben, dem Fiskus seinen Stempel zu entziehen.
So sind wir auf diesen Weg gekommen zu Miethsverzeichniz. Ich bleibe im Gegensatz zu dem, die persönliche Meinung des Herrn Abg. Dr. Krause ist, bei der Ansicht stehen, daß in dem Miethsverzeichniß durchaus keine Erschwerung liegt für die Betheiligten, sondern eine ganz außer— ordentliche Erleichterung. Meine Herren, es liegt doch klar auf der Hand, wenn auf der einen Seite jeder Vertrag verstempelt werden muß, wo in großen Miethshäusern ja auch innerhalb eines Jahres eine Menge Verträge ablaufen oder pro— longiert werden müssen, daß es viel läͤstiger ist, jedesmal den betreffenden neuen Miethsvertrag oder die Prolongation zu ver— stempeln, sich zu der Steuerbehörde zu begeben, um das bewirken zu lassen — denn die Marken können natürlich die einzelnen Privat— personen nicht bekommen — als wenn der betreffende Vermiether allein ver⸗ antwortlich ist, einmal im Jahre ein einfaches Verzeichniß aufstellt, welche Miethen er eingenommen hat, mit diesem Verzeichniß zur Stempelbehörde geht und nun selbst nicht einmal den Stempel auszurechnen braucht, sondern der Stempelbehörde das überlassen kann, ja wenn er garnicht einmal verpflichtet ist, selbst zu schreiben, sondern mündlich diese Erklärung zu Protokoll geben kann. Denken Sie einmal an, in Häusern, wo es sich um ein eigentliches gewerbsmäßiges Vermiethen handelt, wo eine große Anzahl von Miethsparteien in einem Hause sich befindet, wie leicht ist da, daß der betreffende Vizewirth, oder wie er heißt, nun ein solches Verzeichniß nach und nach im Laufe des Jahres über die Miethseingänge aufstellt und mit diesem Verzeichniß einmal im Jahre zur Stempelbehörde geht, während jetzt, wenn er seine Pflicht erfüllen will, er jeden einzelnen Vertrag jedesmal verstempeln muß und den betreffenden Weg, den er nach dem Miethsverzeichniß nur einmal zur Be— hörde zu machen hat, nun vielleicht 20, 30. und mehrmal zu machen hat. Ich bin also der Meinung, es ist eine Erleichterung, es ist zugleich eine große Entlastung und Sicherung des Miethers; denn er war früher ebenso verhaftet wie der Ver— miether, in Zukunft wird nur der Vermiether verhaftet sein, und mit Recht; denn der Vermiether ist doch der, der aus dieser Thätigkeit ein Gewerbe macht. Man kann namentlich bei großen Miethshäusern dieses Vermiethen als Gewerbe ansehen.
Nun führt dies alles ja allerdings etwa nur noch zu dem Antrage, den der Herr Abg. Dr. Krause motiviert hat, nämlich zum Verzeichniß über die Eingänge aus schriftlich abgeschlossenen Miethsverträgen. Aber welcher Grund, wenn Sie dieses Miethsverzeichniß annehmen, die einzelnen Urkunden also nicht mehr gestempelt werden, sondern eben das Verzeichniß — welcher Grund liegt denn nun vor, bei den mündlichen Verträgen anders zu verfahren wie bei den schriftlichen Verträgen? Ist der Druck gegen den Miether oder Vermiether größer, wenn ein schrift— licher Vertrag vorliegt, und der Stempel von Vio erhoben wird, oder wenn ein mündlicher Vertrag vorliegt? oder umgekehrt? Nach meiner Meinung ist die Leistung für das Objekt, für die Nutzung einer Wohnung, in beiden Fällen genau das gleiche. Sie können nicht sagen, daß es eine besondere Beschwerung ist, die denjenigen, der nur einen mündlichen Vertrag geschlossen hat, trifft, weil er irgend eine andere Gegenleistung empfängt.
Nun aber verliert die Bedeutung des Miethsvertrages als Kon—
trole, wie der Herr Abg. Dr. Krause nicht zu bestreiten scheint, ganz erheblich, wenn Sie die mündlichen Miethsverträge freilassen. Wenn jemand ein greßes Haus besitzt, von dem äußerlich er— sichtlich ist, daß er es vermiethet, so wird man, wenn er ein Verzeichniß vorlegt, welches offenbar zu geringe Miethen enthält, wie man überschläglich taxieren kann, anfragen können. Wenn aber die Unter scheidung zwischen mündlichen und schriftlichen Mieths— verträgen durchgeführt wird, so wird der betreffende Vermiether auf die Frage einfach erwidern: ja, ich habe mit den übrigen keine schrift⸗ lichen Miethsverträge geschlossen. Daß also die Einführung der Deklaration, wie bei der Einkommensteuer, so auch hier bei dem Miethsstempel — denn darum handelt es sich — wesent— lich an Bedeutung verliert, daß sie wesentlich die Be— deutung als Kontrole einbüßt, wenn Sie die mündlichen Mieths— verträge freilassen, das kann nach meiner Meinung garnicht bestritten werden. Nun aber ist es daneben auch garnicht wünschenswerth, eine solche Unierscheidung zu machen; ich habe in der Kommission schon aus— geführt, wie zahlreich, lästig, weitläufig, kostspielig gerade die Mieths— prozesse sind, und wie es daher für beide Theile wünschenswerth ist, daß sie schriftliche Miethsverträge machen. Wenn Sie nun die mündlichen Miethsverträge freilassen, werden Sie die schriftlichen zwar nicht nach der Höhe schärfer heran— ziehen, bezüglich dessen aber die Kontrole verschärfen; so werden Sie leicht dahin kommen, daß sich dadurch die Neigung, nur mündliche Miethsverträge abzuschließen, vermehrt und die Zahl der schriftlichen Miethsverträge sich vermindert. Deswegen ist auch gar nicht zu übersehen, wie, wenn der Antrag der Herren von der anderen Seite angenommen wird, nun schließlich das materielle Er— gebniß sich zu dem bisherigen Ergebnisse ftellen wird.
Nun sagte der Herr Abg. Dr. Krause, es handelte sich doch hier unter diesen Umständen wesentlich um die Einführung einer Mieths— steuer; und wir haben ja zur Genüge in den verschiedensten Blättern gelesen, daß, während das Fommunalabgabengesetz eine sehr abwegige Haltung gegen die Miethssteuer einnahm, nun hier wiederum eine neue Miethssteuer eingeführt werde. Die Mieths⸗ steuer, soweit sie schriftliche Verträge betrifft, besteht ja heute schon, und Sie wollen sie besteben lassen. Ob eine Miethssteuer drückend und ungerecht ist, das hängt wesentlich, wie bei fast allen Steuern, von ihrer Höhe ab. Der Stempel, um den es sich hier handelt, beträgt 1 360 der Miethssteuer, die in Berlin bisher erhoben wurde. Da können alle die Fragen der Degression, der Progression der Steuer, die gerade bei der Miethssteuer so stark in den Vordergrund treten, vollständig in den Hintergrund treten. Wenn Sie diesen Stempel vergleichen mit der in Frankfurt a. M. bestandenen Miethssteuer, so beträgt er ungefähr 1,10 der damals erhobenen Steuer. Da fann man wirklich nicht von einer lästigen und wesentlich ungerechten Miethssteuer reden.
Unter diesen Umständen ist es nicht bloß die finanzielle Rücksicht, die die Regierung veranlaßt, bei ihrem Antrag stehen zu bleiben und Sie zu bitten, die Kommissionsanträge anzunehmen, sondern es sind auch die eben berührten anderen Gesichtspunkte: die Schwächung der Kontrole und daß ein innerer Grund fehlt, den schriftlichen Mieths— vertrag schlechter zu stellen in diesem Fall als den mündlichen Ver— trag. Richtig ist es ja, daß wir hier eine Ausnahme von dem
Urkundenprinzip machen, aber eine Ausnahme, die besonderen Grund hat, und es sind auch andere Ausnahmen von dem Urkundenprinzip bereits in der Regierungsvorlage vorgesehen: eine Ausnahme, die sehr bedeutende Ausfälle verursacht, die ursprünglich sogar auf über 1 Million geschätzt wurde, nach welcher der Finanz ⸗Minister ermächtigt ist, Urkunden, die in jeder Weise den Charakter einer stempelpflichtigen Urkunde tragen, wo die Stempelpflichtigkeit längst entstanden war, diese Urkunden doch hinterher vom Stempel gänzlich frei zu lassen, deren Inhalt aus irgend welchen Gründen nicht zur Ausführung gelangen kann. Das ist eine sehr viel richtigere Ausnahme, die ja der Herr Dr. Krause
niemals bestritten hat, die er sich gern hat gefallen lassen.
Also er kann mit dem bloßen Einwande, daß es sich hier um eine Ausnahme vom Urkundenprinzip handelt, diese Vorschrift nicht schlagen.
Meine Herren, die Regierung hat allerdings die Maßnahme, die Stempelfreiheit von 150 auf 300 M zu erhöhen, als eine wichtige sozialpolitische Maßregel bezeichnet, aber sie hat auch noch viel mehr beseitigt: eine große Anzahl von Weiterungen, Belästigungen und Schwierigkeiten. Meine Herren, in der Grenze zwischen 150 und 300 Æ liegen — ich habe keine Statistik — nach meiner Meinung Millionen Miethsverträge. Man möchte sagen, fast die ganze arbeitende Klasse auf dem Lande, darüber weit hinaus und in den kleinen Städten zahlt bis zu 300 ½ Miethe. Hier in Berlin selbst wohnt der größte Theil der arbeitenden Klasse noch immer billiger als 300 40 Alse, daß diese Erleichterung eine erhebliche Bedeutung hat, daß namentlich auch die Führung des Miethsverzeichnisses bei den großen Miethshäusern, bei den großen Baugenossenschaften, bei den gemein nützigen Baugesellschaften außerordentlich erleichtert wird, wenn Sie dieselbe beibehalten, unterliegt gar keinem Zweifel. Daß hier ein sehr erheblicher Verzicht auf Einnahmen aus dem Miethsstempel liegt, brauche ich nicht weiter auszuführen. Dieser Verzicht könnte aber nur gerechtfertigt erscheinen, wenn wir auf der anderen Seite sehr große Garantien bekämen, die stempelpflichtigen Urkunden wirklich ge— stempelt zu erhalten. Wenn Sie die Kontrole abschwächen, indem Sie nur das Verzeichniß auf schriftliche Verträge anwenden, dann hat die Frage der Freilassung in den unteren Stufen von 150 bis 300 4 ein anderes Gesicht, und unter dieser Bedingung würde die Regierung jedenfalls in ihre Vorlage diese Erleichterung nicht aufgenommen haben, und es müßte dann jedenfalls ernstlich in Erwägung gezogen werden, wieder auf 150 M zurückzugehen, wenn die Herren der Meinung sind, daß bei der geringen Höhe des Stempel satzes hier überhaupt keine wesentliche Erschwerung und keine wesent— lichen Klagen entstanden seien.
Meine Herren, hier handelt es sich nun eigentlich um eine wesent— lich finanzielle Frage. Die Kommission hat die Sache auch so angesehen. Auf Grund des Beschlusses der Kommission über die Ein führung des Verzeichnisses auch für mündliche Verträge hat die Kom mission eine große Zahl sonstiger Erleichterungen, Streichungen und Ermäßigungen beschlossen. Ich weiß nicht, ob sie dazu übergegangen sein würde und ob ich nicht einen viel schärferen Widerstand entgegen gesetzt hätte, wenn man von vornherein der Meinung war, auf die Mehreinnahmen, die hier vorgesehen sind, solle verzichtet werden. Ich erinnere mich aus den Kommissionsverhandlungen sogar, daß die Frage, ob man die Policenstempel mit 1 oder 2 3 ansetzen soll, gestellt wurde, daß dabei ausdrücklich hervorgehoben wurde: wir wollen ja das Miethsverzeichniß annehmen. Dann sind wir nicht genöthigt,? 3 für den Policenstempel zu acceptieren. Hier greifen Sie eine wesentliche Einnahme heraus. Nach meiner Auffassung sind wir schon an der äußersten Grenze, und ich habe bestimmt erklärt und bleibe dabei bestehen: wenn wir Gefahr laufen wollen, an den bisherigen Einnahmen aus dem Stempel zu verlieren, so kann das der Finanz— Minister nicht verantworten, und ich bin sicher, daß das Staats— Ministerium auf meiner Seite steht.
Man kann ja natürlich das Gesammtergebniß, auch je nach dem Ausfall der verschiedenen Beschlüsse und Anträge zu dieser Position, noch nicht übersehen; aber wir nähern uns immer mehr — ich sage das ganz ernst — dem Verhältniß, wo die Staatsregierung sagen muß: wir müssen Gefahr laufen, eine sehr erhebliche Verminderung aus dem Stempel zu erleiden, und das können wir nicht verantworten, dann müssen wir lieber das Gesetz aufgeben.
Ich möchte also wenigstens bitten, daß die Herren bei ihren Beschlüssen auch diesen Gesichtspunkt nicht außer Acht lassen.
Es ist ja etwas Naturgemäßes, daß ein solches Gesetz, je länger es berathen wird, desto mehr Wünsche auf Ermäßigung verschiedener Positionen hervorruft; ich bin überzeugt: wenn wir vierzehn Tage noch berathen, dann würde schließlich kaum viel übrig bleiben. (Heiter⸗ keit. Sehr richtig!)
Das lehrt die Erfahrung bei ähnlichen Gesetzen dieser Art; der allgemein finanzielle Gesichtspunkt tritt dabei dem einzelnen Fall gegenüber in den Hintergrund.
Ich kann also das hohe Haus nur bitten, es bei der Regierungs⸗ vorlage, bezw. bei der Regierungsvorlage, soweit sie durch die Kom— missionsbeschlüsse modifiziert ist, zu belassen.
Abg. Kirsch (gentr.): Was der Herr Finanz⸗Minister über die durch das Miethsverzeichniß geschaffenen Erleichterungen gesagt hat, wäre alles richtig, wenn es sich nur um die schriftlichen Verträge handelte. In ö aber wird die Mehrzahl der Mieths⸗ verträge nur mündlich abgeschlossen, und die Heranziehung dieser be deutet eine wesentliche Erschwerung gegenüber den bestehenden Verhältnissen. Und warum soll nur der Vermiether und nicht auch der Miether getroffen werden? An anderen Stellen der Vorlage ist die Regierung nicht so einseitig vorgegangen. Eine Verminderung der Mietheprezesse würde aus der Ausdehnung der Kontrole auf die mündlichen Verträge nicht resultieren; denn diese Prozesse beziehen sich zumeist garnicht auf die Höbe der Miethe, sondern auf die Herstellung der Wohnung. Wir werden in erster Linie für den von mir eingebrachten Antrag stimmen; wird derselbe abzelehnt, so werden wir für den Antrag Krause eintreten.
Abg. Schenck (fr. Volksp) sprach sich gegen den Kommissions—⸗ ai . aus. In den Miethäeverzeichnissen liege eine große Be⸗
stigung. ö ö Klasing (kons.): Die Vorlage enthält wesentliche materielle Vortheile für die Miether wie die Pächter; darum sind wir ron unseren anfänglichen Bedenken gegen die Miethsverzeichnisse und die Be⸗ steuerung der mündlichen Verträge abgekommen. Wir hätten einer so erheb⸗ lichen Herabsetzung, wie es die Freilassung von Mietheverträgen unter 309 n ist, nicht zugestim mt, wenn uns die Erklärungen in der Kommission nicht zu der Hoffnung berechtigt hätten, daß eine große Anzahl von Mit gliedern diefe Position annehmen wolle. Heute scheint ein Umschwung eingetreten zu sein. Was meinen Antrag anlangt, so ist er wesentli tedaktioneller Natur. Ich hoffe, daß er keinen Widerspruch finden und zur Annahme gelangen wird. ö 9 Abg Freiherr von Zedlitz und Neu kirch (fr. kon): Ich bitte
ie, die Kemmissionsbeschlüsse anzunehmen und alle Antraͤge mit
Ausnahme desjenigen des Abg. Klasing abzulehnen. Die Vorlage stellt in ihrer Gesammtheit einen wesentlichen Fortschritt gegen den bisherigen Zustand dar. Es sind eine ganze Reihe von Ermäßigungen gegenüber der Regierungsvorlage beschlossen worden; und es könnte bei diesem Punkt, wenn noch weitere Erleichterungen be—⸗ schloffen würden, leicht geschehen, daß die Gesammtheit, der Beschlüsse der Staatsregierung unannehmbar wird. Ich möchte das 85 ö ö . gerade Herrn Kirsch sagen, weil das Festhalten an den Kom missions- beschlüssen einen Ausgleich bieten sollte für die Ermäßigungen der Policestempel, welche von seinen Fraktionsgenossen beantragt wurden. Wenn wir den ö Zustand, wo ein wesentlicher Theil der 6 Stempel nicht zur Einziehung gelangt, für unleidlich halten, so müssen wir das Verzeichniß annehmen. Selbst wenn das Haus sich dahin entscheiden sollte, von der Besteuerung der münd— lichen Vertrãge abzusehen, würde das Verzeichniß von wesentlicher Bedeutung sein. Es ist im Interesse der Redlichkeit und der Durch— führung des Gesetzes unerläßlich. Aber die mündlichen Verträge müssen mit zur Stempelung herangezogen werden. In der Frei⸗ lassung der Verträge bis zu 3090 6 für Miethe und Pacht liegt ein erheblicher sozialpolitischer Fortschritt. Dieser Fortschritt wäre finanziell nicht möglich obne die Besteuerung der mündlichen Verträge. Eine Freilassung dieser würde das Unwesen der mündlichen Vertraͤge und damit die Rechtsunsicherheit nur steigern. Wir werden darum für die Kommissionsfassung nebst dem Antrage des Abg. Klasing stimmen. ; ; . . ⸗
Abg. Richter (fr. Volkep.): Dieser Punkt ist einer der wichtigsten; ich beantrage darum namentliche Abstimmung über die Anträge der Abgg. Kirsch und Haacke. Es wird von jener Seite nach rechts immer von einem Kompromiß gesprochen. Sie halten sich aber nicht daran, wenn Sie glauben, eine Zufallsmehrheit zu baben. Freiherr von Zedlitz hätte die Erklärung, daß das Gesetz, falls hier eine Aenderung vorgenommen würde, unannchmbar werden könnte, lieber der Staatsregierung überlassen sollen. Läßt die Regie—⸗ rung das Gesetz an diesem Punkte fallen, so beweist sie, daß sie es nicht so werthschätzt, wie sie behauptet. Ich weiß nicht, warum wir an diesem Gesetz mehr Freude haben sollen als die Regierung. Die ganze Miethssteuer ist verwerflich, der ganze Stempel irrationell. Stempel sollte man nur auf Urkunden erbeben, die ihrer Natur nach zur Kenntniß der Behörden gelangen müssen, aber nicht auf solche, welche nur dem Privatverkehr dienen. Gegenwärtig wirft der Mieths— stempel nur 2900 000 M ab. Das ist ein Stempel, den man auf den Aussterbeetat setzen und nicht zum Ausgangepunkt einer höheren Be—⸗ steuerung machen sollte. Wird das Gesetz angenommen, so werden sich Mehreinnahmen von ungefähr 4 Millionen Mark ergeben.
Finanz-Minister Dr. Miquel:
Der Herr Abg. Richter bekämpft die Besteuerung der Mieths— verträge überhaupt; insofern steht er ganz allein, als die große Mehr⸗ heit dieses Hauses diesen Standpunkt gewiß nicht einnimmt. Er sagt, man sollte überhaupt nur solche Urkunden verstempeln, die der öffentlichen Behörde präsentiert würden. Meine Herren, wenn Sie dies Prinzip aufstellen, dann müssen Sie nicht bloß den Mieths«— vertragstempel verwerfen, sondern das ganze Gesetz ist dann nicht haltbar. (Sehr richtig! rechts.)
Ich will aber noch mehr zugeben: wenn ich sicher wäre, daß ich an anderen Stellen Ersatz bekomme für eine solche Reform, würde ich sofort darauf eingehen; aber ich bin sicher: unter der Führung des Abg. Richter wenigstens geben wir die Einnahmen preis, werden aber keinen Ersatz bekommen. (Sehr wahr! rechts.) Wenn wir so sehr im Interesse der preußischen Finanzen darauf sehen müssen, keine Ein— nahmen zu verlieren, so ist das wesentlich die Schuld des Abg. Richter. (Sehr wahr! rechts. Lachen links.)
Meine Herren, der Herr Abg. Richter spricht von der Schwierig⸗ keit, die Nebennutzungen zu besteuern. Wenn er die Beschlüsse der Kommissien gelesen hätte, würde er wissen, daß sie überhaupt nicht mehr besteuert werden.
Der Herr Abgeordnete sagt: was braucht denn das Haus mehr Interesse für das Gesetz zu haben als die Regierung; wir können bleiben unter dem jetzigen Gesetz. Einen Gegensatz, wo es sich um das Landesinteresse handelt, das zu vertreten ist, zwischen dem Haus und der Regierung weise ich zurück (Bravo! rechts); die Interessen des Landes vertreten wir ebenso gut wie der Abg. Richter. (Lebhaftes Bravo! rechts.)
Noch mehr! Will man einen solchen Unterschied machen, so habe
ich schon hervorgehoben bei anderer Gelegenheit, daß die Staats
regierung und die kundigen Stempelfiskale mit dem alten Gesetz noch hantieren können, daß aber im Volke kaum jemand ist, wenn er sich nicht speziell mit dem Stempelgesetz beschäftigt hat, der weiß, was Rechtens ist. Einen solchen Zustand zu beseitigen, ist gerade für das Volk vom größten Interesse! (Lebhafte Zustimmung rechts. Lachen links.)
Hierauf vertagte das Haus die weitere Berathung um 41M Uhr auf Sonnabend 11 Uhr.
Entscheidungen des Reichsgerichts. Die Wittwe M. verkaufte Ende September 1892 dem
Fabrikanten B. ein an das Fabrikgrundstück des B. angrenzendes, etwa 7 Morgen großes Ackerstück, für welches B. in früheren Jahren ein— mal 14 000 4 geboten hatte, für den dem objektiven Werthe ent— sprechenden Preis von 6000 M Bei den Kaufverhandlungen war E. als Vermittler thätig. G. war aus Gefälligkeit für die M., die sich im Sommer 1892 zum Verkaufe des Ackers für mindestens bob00 4 entschlossen hatte, mit B. dieserhalb in Verhandlung ge— treten, und dieser hatte ihm erklärt, was er srüher geboten, gäbe er setzt nicht mehr, jetzt gäbe er höchstens 120009 4 für den Aer. Hlerauf hatte E. der M. mitgetheilt, er hätte Mühe anwenden müssen, um den B. zu einem Gebote von 6000 „S zu bewegen, und ein höberes Gebot wäre von ihm nicht zu erlangen gewesen. Für diese Thätigkeit gewährte der Käufer B. dem Vermittler E. eine Zuwendung von 2600 Æ E. wurde wegen Betrugs angeklagt und von der Strafkammer verurtheilt. Auf die Revision des E. er— kannte das Reichsgericht, III. Strafsenat, durch Urtheil vom 29. No⸗ vember 1894, auf Freisprechung, indem es begründend ausführte: „Es kann jwar zugegeben werden, daß die wahrheitswidrigen Mit⸗ theilungen des Angeklagten an die Wittwe M. über das von B. ab⸗ gegebene Höchstgebot von angeblich nur 6000 „ und über die Be—⸗ mübungen, ihn dazu zu bewegen, als die Vorspiegelung falscher oder Unterdrückung wahrer Thatsachen sich darstellen und daß auch der Vermögensvortheil, den der Angeklagte dabei für * erstrebte, nämlich die ihm demnächst von B. gewährte Ver⸗ zütung für die Erlangung des Ackers zu einem geringeren Hreiser als den er anzulegen gewillt war, insofern als ein rechtswidriger im Sinne des § 263 Str. G.⸗B. bezeichnet werden kann, als er eben auf einer Täuschung der Wittwe M. über die Intentionen des B. beruhte. Dagegen erscheint die Annahme des Vorhandenseins der weiteren Thatbestandsmerkmale des § 263 Straf— gesetzbuchs, nämlich der Vermögensbeschädigung und des Kaufalzusammenhangs zwischen der Täuschung und der Vermögens beschädigung, rechtlich unhaltbar. — Wie das Reichsgericht in wieder⸗ holten Entscheidungen anerkannt hat, kann in dem Entgehen eines Gewinnes eine Vermögensbeschädigung im Sinne des 5 263 Strafgesetzbuchs unter der Voraussetzung gefunden werden, daß auf die Erlangung ein rechtsbegründeter Anspruch bestand, oder daß doch
thatsächliche Verhältnisse vorlagen, vermöge deren ohne die Täuschung der Gewinn dem Betreffenden ohne weiteres und mit Sicherheit zugefallen wäre, nicht aber dann, wenn es sich um die Ver⸗ eitelung ungewisser Möglichkeit oder Hoffnung auf Ver⸗ mögenserwerb handelte. Ein rechtsbegründeter Anspruch auf Erlangung solchen Gewinns in Gestalt eines höheren als des erzielten Kaufpreises für den Acker stand der Wittwe M. zweifellos nicht zu. Unverständ⸗ lich ist aber die Annahme, daß ihr solcher obne die Täuschung ohne weiteres und mit Sicherbeit zugeflossen sein würde; denn es war jener Gewinn nicht etwa von der bei Einleitung der Vorverhandlungen ab⸗ gegebenen, völlig unverbindlichen Erklärung des B. dem Angeklagten egenüber, daß er höchstens 10 000 S für den Acker geben würde, n, ee von denjenigen Festsetzungen abhängig, welche demnächst bei Abschluß des Kaufvertrags zwischen B. und der M. ohne Mitwirkung des Angeklagten getroffen wurden? .. . (307594)
— Für die Klage des Wechselinhabers aus Art. 29 der Wechsel⸗ ordnung gegen den Acceptan ten auf Sicherheitsbestellung wegen Unsicherhéit des Acceptanten ist nach einem Urtheil des Reichsgerichts, J. Zivilsenats, vom 5. Januar 1895, die im Art. 29 erwähnte Protesterhebung nicht erforderlich; nur wenn von dem Vorm ann Sicherheitestellung beansprucht wird, bedarf es der Protest⸗ erhebung. „Die Klage aus Art. 29 der W.“ O. ist an sich durch den bei⸗ gebrachten Wechsel und das vom Beklagten vorgelegte Pfändungs protokoll liquide. Auf den Protest wegen Sicherheitsleistung kommt nichts an. Nach der klaren Vorschrift des Gesetzes bedarf es gegen den Acceptanten solchen Protestes nicht, und der Protest liefert auch keinerlei Beweis für die Thatsachen, die nach Art. 29 Voraus⸗ setzung des Anspruchs auf Sicherheitsbestellung sind. (314 94.)
Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts.
Nach 5 46 der Gemeindeordnung für die Rheinprovinz vom 23. Juli 1845 gehören in denjenigen jum Stande der Städte nicht gehörigen Gemeinden, welche durch gewählte Verordnete vertreten werden, zum Gemeinderath außer diesen Verordneten auch die im Gemeindebezirt mit einem Wohnhause angesessenen meist⸗ begüterten Grundeigenthümer, welche von ihrem im Ge— meindebezirk gelegenen Grundbesitz mindestens 50 Thlr. an Haupt- Grundsteuer jährlich zahlen und die im § 35 vorgeschriebenen persön— lichen Eigenschaften (männliches Geschlecht, 24. Lebensjahr, preußischer Unterthan und unbescholten) besitzen. In Bezug auf diese Be⸗ stimmung hat das Ober⸗Verwaltungsgericht, II. Senat, durch Urtheil vom 19. Dezember 1894 ausgesprochen, daß Aktiengesellschaften nicht berechtigt sind, als meistbegüterte Grundeigenthümer im Gemeinderath Sitz und Stimme zu beanspruchen, da gewisse persön⸗ liche Eigenschaften, die von den durch 5 46 betroffenen Meistbegüterten verlangt werden, wie männliches Geschlecht, Zurücklegung des 24. Lebensjahres, begriffsmäßig nur bei physischen Personen, nicht aber bei Aktiengesellschaften vorhanden sein können.“ (II. 1741.)
— Der Inhaber eines überseeischen Personen Transport- Unternehm ens ist, nach einem Urtheil des Ober⸗Verwaltungs—⸗ gerichts, J. Senats, vom 15. Februar 1895, in derjenigen Gemeinde kom munalabgabenpflichtig, in welcher er eine Agentur unterhält, welche ermächtigt ist, im Namen des Unternehmers auf Grund der Ueberfabrtsbedingungen und sonstigen Anweisungen des Unternehmers Ueberfahrtsverträge mit Reisenden nach überseeischen Ländern für die Dampfer des Unternehmers abzuschließen und die vom Unternehmer übersandten Formulare zu Schiffskarten nach vorschrifts⸗ mäßiger Ausfüllung an Auswanderer gen den von dem Unternehmer festgesetzten Preis zu verkaufen. — Der Norddeutsche Lloyd in Bremen unterhält eine Agentur in Eydtkuhnen, welche in der erwähnten Weise zur Abschlieöung von Ueberfahrtsverträgen und zum Verkauf von Schiffskarten ermächtigt war, zur Bewilligung von Fahrpreis ermäßigungen aber nicht ermächtigt war, sondern diese nur auf eigene Kosten bewilligen konnte. Der Lloyd wurde von der Gemeinde Eydt— kuhnen für 1893.94 mit 672 M zur Einkemmensteuer veranlagt, und nach fruchtlosem Einspruch klagte der Lloyd auf Steuerbefreiung, weil die seinerseits in Eydtkuhnen bestellte Agentur zum selbständigen Abschluß von Rechtsgeschäften im Sinne des 5 2 Abs. 1 des Kom⸗ munalabgabengesetzes vom 27. Juli 1885 (welchem § 35 Abs. 1 des neuen Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 1893 entspricht) nicht ermächtigt sei. Der Bezirksausschuß wies die Klage ab, und auf die Revision des Klägers bestätigte das Ober⸗Verwaltungsgericht die Entscheidung des Bezirksausschusses, indem es begründend ausführte: ‚Nach § T des Kommunalabgaben ˖ Ges. vom 27. Juli 1885 ist ein abgabepflichtiger Gewerbebetrieb in den Gemeinden anzunehmen, in welchen sich ... eine solche Agentur des Unternehmens befindet, welche ermächtigt ist, Rechts geschäfte im Namen und für Rechnung des Inhabers . . . selbständig abzuschlie ßen“. Ein auf Streichung dieses Zusatzes gerichtetes Amendement wurde in der Sitzung des Herrenhauses vom 28. Februar 1885 zurückgezogen auf die Erklarung des Regierungskommissars, wonach seit dem Jahre 1872 ein selb— ständiger, abgabepflichtiger Gewerbebetrieb namentlich der Ver— sicherungsgesellschaften auch da angenommen sei, wo Haupt⸗ oder Generalagenten selbständig die Geschäfte betrieben, näm⸗ lich wo diese Agenten, falls sie nur eine allgemeine Instruktion hätten, im übrigen selbständig berechtigt seien, Anträge entgegenzunehmen, über deren Annahme zu entscheiden, Policen anzu—⸗ fertigen, Versicherungsgeschäfte rechtsgültig abzuschließen, wobei es im Einzelfalle zweifelhaft sein könne, ob der Agent zum selbständigen Abschluß von Geschäften befugt sei oder nicht .. . Nach dem In⸗ halt der Vollmacht und der Aussage des Agenten G. ist dieser nun zwar an die vom Kläger vorgesehenen Ueberfahrtsbedingungen gebun— den, er handelt jedoch in der Bestimmung darüber, ob, mit welchen Personen oder für welche Ueberfahrtszeiten er unter den obigen Be— dingungen und unter Benutzung der übrigens jeder näheren Angabe des Vertragsinhalts entbehrenden Formulare überhaupt Verträge formell abschließen will, ganz nach seinem freien Ermessen, wie er denn auch — wenngleich auf seine eigene Rechnung und Gefahr — niedrigere, als die ihm vorgeschriebenen Fahrpreise bewilligen kann. Wenn bei diesem Sachverhalt der Vorderrichter die Thätigkeit des G. als die eines zwar mit allgemeiner Instruktion versehenen, im übrigen jedoch selbständigen Agenten erachtet hat, so ist nicht zu er— sehen, inwiefern er hierbei die regierungsseitig erläuterte Vorschrift des 52 des Kommunalabgabengesetzes unrichtig angewendet oder gegen diejenigen Grundsätze, die aus den beiden, einen anders gearteten Thatbestand betreffenden Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts vom 21. Dezember 1886 und 14. März 1894 zu entnehmen sind, ver⸗ stoßen haben sollte. (I 221.)
Statistik und Volkswirthschaft.
Das soeben erschienene Heft 1II und IV des 1894 er Jahrganges der Zeitschrift des Königlich Sächsischen Statistischen Bureaus“' enthält an erster Stelle einen Aufsatz über „Die Be⸗ wegung der Bevölkerung im Königreich Sachsen während des Jahres 1893' von Medizinal⸗Rath Dr. med. Arthur Geißler. Die Zahl der Eheschließungen ist danach von 31 000 im Jahre 1897 auf 31 388 im Jahre 1893 gestiegen, steht damit aber immer noch hinter derjenigen der Jahre 1389 bis 1891 zurück. Von den in die Ehe eingetretenen Männern waren im Jahre 1892 27044 ledig, 3795 verwittwet und 549 geschieden; von den Bräuten waren 28 656 ledig, 2251 verwittwet und 481 geschieden. In 61 Fällen waren Bräutigam und Braut vorher geschieden. Anlangend das Alter der Eheschließenden, so waren von den Männern 38,27 0 unter 25 und 3,34 , über 50 Jahre alt, von den Frauen 60,25 0½ untea 26 und 1,25 0 über 50 Jahre alt. Die Gesammtzahl der Geburten belief sich im Jahre 1893 auf 151 293, worunter sich 146 158 Lebendgeburten und 5135 Todtgeburten befanden. 132414 aller Geborenen (87,92 υG) waren ehelich und 18879 (12,48 υά)