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Der Wirkliche Geheime Ober⸗Regierungs⸗R im
Ministerium der geistlichen, Unterrichts und Medizinal⸗Ange⸗
legenheiten Dr. Schneider ist aus Süddeutschland hierher
zurückgekehrt.
Der Regierungs⸗Rath von Reck zu Erfurt ist der König⸗ lichen Regierung zu Frankfurt a. O. und der bisher bei der Königlichen Ministerial⸗ Militär⸗ und Baukommission zu Berlin beschäftigte Regierungs⸗Assessor von Gehren der Königlichen Regierung zu Stettin zur weiteren dienstlichen Verwendung überwiesen worden.
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Nach einer telegraphischen Meldung an das Ober⸗Kommando der Marine ist S. M. S. „Cormoran? = Kommandant Korvetten⸗Kapitän Brinkmann — am 25. Juni von Durban
nach Lorenzo Marquez in See gegangen.
Württemberg.
Die Kammer der Abgeordneten überwies in ihrer vorgestrigen Sitzung die Vorlage über die Verlängerung der Befugniß der Württembergischen Notenbank in Stutt⸗
art?“ zur Ausgabe von Banknoten an eine besondere RKommission. Der ,. welcher den landwirthschaft⸗ lichen Berufsgenossenschaften weitere Umlagen für den Reserve⸗ fonds erläßt und gestattet, die Hälfte der Zinsen des ange⸗ sammelten Reservefonds zur Deckung der Genossenschaftslasten zu verwenden, wurde mit allen gegen eine Stimme ange⸗
nommen. Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach.
Dem Landtag des Großherzogthums, welcher heute zu⸗ sammentritt, ist der mit der preußischen Regierung abgeschlossene Vertrag über den Verkauf der Werra⸗ Saal⸗ und Weimar⸗ Geraer Eisenbahn sowie der mit der bayerischen Regierung abzuschließende Vertrag über den Bau einer Eisenbahn von Mellrichstadt nach Ostheim zugegangen.
Hamburg.
Der Senat erläßt im heutigen Amtsblatt folgende Be⸗ kanntmachung: — .
ö. Mr jestãt der Kaiser haben bei dem jũngst hieselbst stattgeabten Fest den Wunsch geäußert, daß der Stadt Hamburg ein kernlicher Dank ausgesprochen werde für den Allerhöchstdemselben von allen Schichten der Bevölkerung bereiteten ergreifenden Empfang. Auch Ihre Majestät die Kaiserin haben unter dem noch⸗ maligen Bedauern, an dem schönen Fest nicht haben theilnehmen zu konnen, die wohlwollend ste Gesinnung für Hamburg mit der Auf⸗ forderung ausgesprochen, daß den Hamburgern hiervon Kenntniß gegeben werden möge. Der Senat kommt dieser von den Raiserlichen Majestãten durch die Vermittlung seines Präsidenten an ihn gerichteten Auf forderung um so freudiger nach, als er sich bewußt ist, daß das völlige Gelingen der Feier, welche in Anlaß der Eröffnung deg Nord .⸗Ostsee⸗Kanals Ha mburgischerseits veranstaltet worden, nur durch das einmüthige Zusam menwirken und, die vaterlands freudige Ge⸗ sinnung Aller gesichert werden konnte, Es gereicht deshalb dem Senat zu lebhafter Genugthuung, zugleich den zahlreichen Mitbürgern, welche dem Senat und den Behörden in Anlaß dieser Feier ihre Kräfte zur Verfügung gestellt oder zu dem Gelingen des seltenen Festes in anderer Weise beigetragen haben, nicht minder aber der gesammten Bevölkerung für die sie ehrende ausgezeichnete Haltung warmen Dank und volle Anerkennung auszusprechen.“
Elsaß⸗Lothringen.
Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Baden traf gestern früh aus Baden⸗Baden in Straßburg ein und begab sich um 10 Uhr mit dem Kaiserlichen Statthalter Fürsten zu hohenlahe⸗ va ngenhu rg und dem Erbprinzen nach der Ausstellung, wo Höchstderselbe von dem Vorsitzenden des geschäftsführenden Ausschusses, Bürgermeister Back, und den anderen Mitgliedern des Ausschusses empfangen wurde. Nach einem. Rundgang durch die Ausstellung fuhr Seine Königliche Hoheit mit dem Statthalter nach dessen Palais, wo das Diner eingenommen wurde. Um 4 Uhr kehrte der Groß— herzog nach Baden⸗Baden zurück.
Oefsterreich⸗ Ungarn.
Nachdem gestern Vormittag in der Plenarversammlung der ungarischen Delegation die Uebereinstimmung der Nuntien beider Delegationen festgestellt worden war, wurden Nach⸗ mittags die Delegationen eschlossen. In der ungarischen Delegation . Baron Kallay, in der ö5sterreichischen Graf Goluchowski im Auftrage und im Namen des Kaisers Allerhöchstdessen Dank und Anerkennung für die auch diesmal an den Tag ge—⸗ legte Opferwilligkeit und Hingebung aus. Die Präsidenten Graf Andrassy und Fürst Lobkowitz hielten die Schluß— reden. Ersterer erwähnte die beruhigende Wirkung, welche die Worte des Kaisers in ganz Europa gehabt hätten, und die sehr sympathische Aufnahme der Erklärungen des Ministers des Aeußern. Die Präsidenten schlossen mit dreimaligen Eljen⸗ bezw. Hochrufen auf den Kaiser und König, in welche die Delegirten begeistert einstimmten. stach den üblichen Dankesworten für die Minister und die Präsidenten wurden die Sitzungen geschlossen. .
Nach einer Meldung aus Prag ist in Car olinenthal der Jungczeche Jonda zum Mitglied des Abgeordnetenhauses gewählt worden.
Großbritannien und Irland.
Der Großherzog und die Großherzogin von essen sind gestern Abend zum Besuch der Königin auf Schloß Windsor eingetroffen.
Im Unterhause gab gestern der Kanzler der Schatz kammer Sir W Harcourt die Erklärung ab, daß Lord Salisbury auf Befehl der Königin die neue Regierung bilde. Das Haus werde heute eine Sitzung halten, damit dem Gesetz, betreffend die Seehundfischerei im nördlichen Stillen Ocean, die Königliche Genehmigung ertheilt werden könne. Dann werde es sich bis Montag vertagen. Akers⸗Dou glas sprach seine Freude darüber aus, daß er aus den Bemerkungen Labouchére's ersehen habe, die Opposition sei bereit, mit der neuen Regierung zusammen an dem sofortigen Zustandekommen der Auflösung des Parlaments zu arbeiten. Eine fernere Erklärung werde am Montag ergehen. Redner beantragt, die Ausschreibung neuer Wahlen an Stelle von Balfour, Chamberlain, Sir M. Hicks⸗ Beach und Goschen, die jeder ein Portefeuille angenommen hätten. Sodann vertagte sich das Haus.
dem von Balfour erlassenen Wahlaufruf heißt es: 3 letzte a ,, hätte, der konstitutionellen Praxis gemäß, der Königin die, Auflöfung. des Parlaments an' rathen! sollen; die Unionisten würden in diesem Fall der Regierung die Erledigung der nothwendigen Geschäfte dieser Session in jeder Weise erleichtert haben. Die bisherige Regierung habe aber ihre Pflicht auf andere abgewälzt, und Lord Salisbury habe die Kabinetsbildung über⸗ nommen um an die Wähler zu appellieren. Der gegenwärtige Augenblick sei nicht geeignet, um die Politik auseinaderzusetzen, welche die unionistische Regierung befolgen werde, falls eine unionistische Majorität in das Parlament zurückkehren sollte.
Chamberlain sagt in seinem Wahl manifest: die Führer der Unionisten seien volllommen darüber einig, daß die ausschweifenden Pläne einer Verfassungsänderung und die zerstörende Gesetzgebung der letzten beiden Regierungen bei Seite gelegt und die aut u jan tei einer Politik auf⸗ bauender Sozialreform zugewandt, sowie gleichzeitig der Wirk⸗ samkeit der Vertheidigungsmittel die gebührende Beachtung geschenkt werden müsse. . ö
Ein von der nationalen liberalen Vereinigung veröffentlichtes Manifest verkündet für die bevorstehenden Wahlen den Kampf gegen die Unionisten für Homerule, Reform des Oberhauses und für Durchführung der anderen Punkte des liberalen Programms.
Frankreich.
Die Deputirtenkammer berieth gestern die Nach⸗ tragskredite für den Sudan. Der Deputirte Bozsrian warf der Regierung vor, daß sie Ausgaben ohne die Be⸗ willigung des Parlaments mache; der Deputirte Vigns führte Klage darüber, daß Frankreich im Senegal und Sudan 160 Millionen nutzlos aufgewendet habe, und protestierte gegen die Kolonialpolitik. Der Deputirte Le Hr isss verlangte Aufklärung über die Rückberufung der Kolonne Monteil zu dem Zeitpunkte, wo dieselbe nahe daran gewesen sei, Samory einzuschließen. Der Deputirte Bozérian brachte sodann eine Tages⸗ ordnung ein, welche die Feststellung der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit der Minister bezweckt. Der Minister⸗Prä⸗ sident Ribot erkannte die Richtigkeit der Kritik der Budget⸗ kommission bezüglich der Nachtragskredite an und erklärte, er überlasse die Entscheidung der Weisheit des Hauses. Hierauf wurde die Tagesordnung Bozsrian mit 309 gegen 54 Stimmen angenommen und die weitere Berathung auf heute vertagt. .
Das Erposé über das handelspolitische Abkommen mit der Schweiz ist gestern der Deputirten kammer vorgelegt worden. Es wird darin erklärt: der bisherige Zustand sei Frankreich nachtheiliger gewesen als der Schweiz. Die von seiten Frankreichs zu machenden Zugeständnisse bedeuteten eine jährliche Zollermäßigung von 800 900 Fr. für schweizer Erzeug⸗ nisse, während die schweizerischen Zugeständnisse den französischen Waagren eine solche von 14 Millionen Francs verschafften. — Die Zollermäßigung für die speziell die Schweiz inter⸗ essierenden Artikel ist mittels allgemeiner Gesetzesbestimmung beantragt und stellt, falls sie bewilligt wird, eine dauernde Modifikation des französischen Minimalkarifs dar, welche allen die Meistbegünstigung genießenden Staaten zu gute kommt. Es werden der Schweiz folgende Reduktionen des Minimal⸗ tarifs zugestanden: Nähseide 300 Fr. ver 199 kg; bei bedrucktem Baumwollgewebe Berechnung des Druckzuschlags nach 100 am, anstatt nach 100 m Länge des Gewebes. Seidengewebe roh 409, farbig 240, schwarz 200 Fr.; für Maschinenstickereien auf glatten Baumwollengeweben durchschnittlich 30 Proz. Abzug vom Minimalzoll. Hydraulische Maschinen bis 250 kg 15 Fr., bis 3000 kg 10 Fr., über 3000 kg. 8 Fr., Papier⸗ maschinen 8 Fr, Dynamo⸗elektrische Maschinen bis 50 kg S0 Fr., bis 1000 kg 30 Fr, bis 200 kg. 20 Fr, bis 5000 kg 18 Fr, über 000 kg 12 Fr. Kälteerzeugungs⸗ maschinen bis 250 kg 25 Fr, über 2650 kg 14 Fr. Indukte für dynamoelektrische Maschinen bis 2900 kg 75 Fr., bis 500 kg 60 Fr, bis 1009 kg 45 Fr, bis 2000 kg 40 8 über 2000 Kg 35 Fr. Bogenlampen 60 Fr. Alles per 100 kg.
Italien.
In der Deputirtenkammer theilte gestern bei der Berathung des Ackerbau⸗Budgets der Mmister für Ackerbau, Industrie und Handel Barazzuoli mit, daß die öster⸗ reichisch⸗ungarische Regierung geneigt sei, die internationale Konvention, betreffend den Garda⸗See, einer Reform zu unterziehen; eine rasche Erledigung der Angelegenheit sei zu erwarten. Der Deputirte Cibrario brachte einen Bericht über die Geschäftsordnung der Kammer ein. Die Sitzung wurde hierauf geschlossen. Als Cavallotti die Kammer verließ, wurde von seinen Freunden eine Kundgebung für ihn veranstaltet. Dabei wurden einige Individuen verhaftet, jedoch bald wieder freigelassen.
Cavallotti erklärt im „Don Chisciotte“, er werde die durch seine Veröffentlichung gegen Crispi in Rede ge⸗ stellte Angelegenheit vor die Gerichte bringen.
Schweiz.
Der Ständerath hat sämmtlichen vom Nationalrath beschlossenen Abänderungen der Eisenbahnnovelle Zemp materiell zugestimmt. Es bestehen zwischen beiden Körperschaften nur noch redaktionelle Differenzen. .
Nachdem der Nationalrath und der Ständerath sich über die Revision der Bundesverfassung behufs Ueber⸗ tragung des Militärwesens an die Eidgenossenschaft geeinigt haben, wird diese Revision im Laufe dieses Jahres der Volksabstimmung unterbreitet werden, sodaß die neue Organisation des gesammten Heerwesens bis 1897 aus— gearbeitet und in Kraft gesetzt werden kann.
Türkei.
Die „Politische Correspondenz“ meldet aus Sofia, daß glaubwürdige Berichte aus Macedonien eine gewisse Er⸗ regung der christlichen Bevölkerung konstatierten, welche allerdings vereinzelte Zusammenstöße mit der bewaffneten Macht herbeigeführt haben könnten. Andererseits besitze man in Sofia positive Anhaltspunkte für die Ueberzeugung, daß alle bisher dort veröffentlichten Meldungen, wie diejenigen der Journale „Swoboda“ und „Pravo“ von einer organisierten Echebung der Macedonier, auf tendenziöser Mache beruhten, zumal aller Verkehr über die ottomanische Grenze vollständig unterbunden sei. — Nach einer Meldung des „. T. B.“ aus Belgrad ist bei den dortigen Regierungskreisen keinerlei amtliche Meldung aus Macedo nien und Ältserbien eingegangen, welche die Berichte aus Sofia über eine aufständische Bewegung in den genannten Provinzen bestätige.
Serbien.
Außer dem Uebereinkommen mit der Bankeng be⸗ treffs der Konversion wird der Skupschtina ein be onderer 5 über die au tonome Gestaltung der Monopol⸗
verwaltung vorgelegt werden.
Amerika.
Das Comité der demokratischen Konvention von Kentucky hat, nach einer Meldung aus Louisville, Reso⸗ lutionen gefaßt, die sich entschieden zu Gunsten von sound money“ aussprechen und die Politik des Präfidenten Cleveland unterstüätzen. Die Konvention hat nach einer längeren, sehr lebhaften Debatte mit 647 gegen 233 Stimmen den Bericht des Comitès angenommen. Der Schatzsekretär Carlisle
wird die Mitglieder der Konvention heute empfangen.
Die Revolution im Staate Rio Grande do Sul dauert, in Paris eingetroffenen Nachrichten zufolge, fort. An Stelle Saldanha's, der, als er sich umzingelt sah, Selbstmord beging, hat Tavares das Kommando übernommen.
Parlamentarische Nachrichten.
Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des 6 der Abgeordneten befindet sich in der Ersten eilage.
— In der heutigen (81) 8 des Hauses der Abgeordneten, welcher der Finanz⸗-Minister Hr. Miguel, der Minister des Innern von Köller und der Justiz-Minister Schönstedt beiwohnten, wurden zunächst die Wahlen der Abgg. Meyer zu Seehausen (kons), Klasing (kons.) und von Baumbach Eons.) ohne Debatte für gültig erklärt.
Das Haus trat sodann in die zweite Berathung des Gesetzes über die Verpflegungsstationen ein.
Die Kommission hat eine Reihe von Aenderungen in dem Entwurf vorgenommen, deren wesentlichste in der Ein⸗ fügung eines Staatszuschusses von einem Drittel der Kosten (8 3) besteht. In 88 hat die Kommission die Ent⸗ scheidung über Einrichtung, Verwaltung und Benutzung der Verpflegungsstationen, die nach der Vorlage dem Ober⸗ Präsidenten zustehen sollte, dem Provinzialrath mit An⸗ hörung des Provinzial⸗Ausschusses übertragen.
In die Bestimmung des zunächst zur Diskussion stehenden S 1, welche die Errichtung von Verpflegungsstationen vor⸗ chreibt, sind von der Kommission die Worte nach Bedürfniß“ eingefügt worden. Ferner hat die Kommission diesem Para⸗ graphen den Zusatz gegeben, daß von einer Arbeitsleistung 'der in die Stationen Aufgenommenen) in besonderen Fällen Abstand genommen werden kann.
Der Berichterftatter Abg. Schilling (kons.) führte aus, daß es sehr schwer gewesen sei, in der Kommission eine Einigung über die Vorlage zu erzielen. Die Kommission hoffe mit den vorbezeich⸗ neten Vorschlägen eine Basis gefunden zu haben, welche der Mehr⸗ heit des Hauses annehmbar erscheine. .
Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (fr. kons ); Die Entscheidung über den 5 J hängt für meine Fraktion davon ab, wie eine Reihe von Fragen, die nicht in §1 erledigt werden, sondern erst später in dem Gesetz vorkommen, ihre Erledigung finden werden. Eine Frage ist die, ob die Einrichtung eine kommunale sein soll in dem Sinne, daß die Provinz entsprechend dem Kosten⸗ antheil, welchen sie übernehmen soll, auch die höbere Bestimmung sowohl hinsichtlich der Zahl und der Orte der Verpflegungsstationen als hinsichtlich der Einrichtung derselben zu treffen bat. Diese Frage werden wir bei 5 2 es officio eingehend zu erörtern haben. Noch wichtiger für die Entscheidung ist die Frage, ob ein Staatszuschuß gewährt werden soll oder nicht. Die ganze Konstruktion der Kommission beruht auf der Voraussetzung eines Staatszuschusses; die Ingerenz des Ober⸗Präsidenten, des , . raths ist in der Kommission wesentlich begründet worden mit der Er⸗ wägung, daß, wenn der Staat einen Theil der Kosten trage, ihm auch eine Einwirkung auf die Regelung der Angelegenheiten in der vor- gesehenen Weise zustehe. Auf der andern Seite ist von den⸗ jenigen, welche aus der Einwirkung des Ober⸗Präsidenten und des Provinzialraths eine unzureichende Berücksichtigung der Leistungs⸗ fähigkeit der zunächst mit Geldmitteln Betheiligten befürchten, eine gewisse Gewähr gegen allzugroße Ansprüche darin gefunden worden, daß der Staat mit einer bestimmten Summe betheiligt und der Finanz⸗Minister in der Lage ist, allzugroßem Eifer der Ober⸗Präsidenten durch den Hinweis auf die fiskalischen Inter⸗ essen einen wirksamen und heilsamen Dämpfer aufzusetzen. Fällt der Staatszuschuß fort, so fallen die beiden Grundstützen, auf denen die Kommissionsbeschlässe errichtet sind, fort, und der Gang, den Ihnen die Kommission vorschlägt, ist nicht mebr aufrecht zu erhalten. Wir müssen dann entweder uns entscheiden, die Sache ganz ruhen zu lassen oder zu einer grundsätzlich anderen Regelung der Sache überzugehen. Ich halte es daher im Interesse der Klarheit und Sicherheit unserer Beschlüsse in hohem Grade für wünschenswerth, daß die Staatsregierung schon jetzt eine Erklärung darüber abgiebt, ob auf Staatszuschuß zu rechnen ist oder nicht. Ich richte an die Herren Vertreter der Staats- regierung im Auftrage meiner Parteigenoffen die Frage: Ist darauf zu rechnen, daß ein Staatszuschuß gewährt wird oder nicht? (Leb hafte Zustimmung rechts.)
Schluß des Blattes.)
— Das Herrenhaus tritt am 5. Juli wieder zusammen. Auf der Tagesordnung stehen: Petitionen und der mündliche Bericht der Kommission für Agrarverhältnisse über den Gesetzentwurf, betreffend die Errichtung einer General⸗Kommission für d ie Provinz Ostpreußen.
— Bei der Ersatzwahl zum Hause der Abgeord⸗ neten in dem 9. Wahlbezirk des Regierungsbezirks Breslau (Fran kenstein⸗Münsterberg) wurde nach amtlicher Fest⸗ stellung der Pfarrer Langer in Bärwalde (Kreis Münster⸗ . Zentrum) mit sämmtlichen abgegebenen 215 Stimmen gewählt.
Entscheidungen des Reichsgerichts.
Hat ein Rechtsanwalt als Prozeßbevollmächtigter einer Partei von einer Thätigkeit feinerseits bei dem Beweisverfahren Abstand genommen, so kann er, nach einem Beschluß des Reichsgerichts, JI. Zivilsenats, vom 2. April 1895, die Beweisgebühr nicht be⸗ anspruchen. Die in § 13 3. 4 der Gebührenordnung für Rechts⸗ anwalte vorgesehene Beweisgebühr können die Rechtsanwalte nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts allerdings nicht bloß in solchen Fällen beanspruchen, in welchen sie eine Partei im Beweistermin der= freten haben; vielmehr kann der Anspruch darauf auch mit Rũcksicht auf eine anderweite Thätigkeit im Beweis aufnahmeverfabren gerechtfertigt sein. Es genügt aber in dieser Bee bun nicht, daß ein Rechtsanwalt zur Zeit der Beweisaufnahme Prozeßbevoll mächtigter war, sondern wird immerhin vorausgefetzt, daß er in diesem Ver⸗
. . 33 ö k..
I aten thätig ,. ist. Eine derartige Thatigkei ist aber im
orliegenden Falle, in welchem dem um Abnahme des Eides ersuchten t das Ersuchungsschreiben nebst den Akten vom Gerichtsschreiber
1berfandt wurde, und die Prozeßbevollmächtigten von vornherein auf
ine , vom Gidestermin verzichteten, nicht erfolgt.
68 / 95.
— Der Pfändung sind nach § 715 Ziff. 4 der Zivilprozeß-
ordnung nicht unterworfen: bei Känstlern, Handwerkern, 6
end Fabrikarbeitern die zur persoönlichen Ausübung des Be⸗
rufs unentbehrlichen Gegenstände. In Bezug auf diese Be—⸗ stimmung hat das Reichsgericht, IV. Zivilsenat durch Beschluß vom JJ. April 1885 ausgesprochen, daß unter den bezeichneten Gegenstãnden mur Werkzeuge und solchen gleichstehende Gegenstände, deren ferme die erwähnten Personen unmittelbar an der Ausübung ihres Berufs bindern würde, nicht aber auch Materialien un wverstehen sind deren der Künstler und. Handwerker bei der Ausübung des Berufg bedarf, .. Für diese einschränkende Auslegung ift auch aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes ein Anhalt zu entnehmen. Bei der ersten Lesung des Entwurfs einer Zivilprozeßordnung in der Reichstagskommission hat auf die Be—⸗ merkung eines Abgeordneten, daß der Ausdruck „Gegenstände“ zu all⸗ gemein sei, der Regierungsvertreter ausgeführt: man habe haupt- ächlich an diejenigen Inftrumente gedacht, ohne welche die Künstler und Handwerker ihren Beruf nicht ausüben könnten, an gewisse Lanz= und Fabrikarbeiter, die sich ihre Instrumente selbst halten mäßten; solche Gegenstände hätten meist schon an nich keinen großen Werth; der Erlös kei deren Versteigerung erreiche aber gewöhnlich nicht einmal diesen Werth und stehe außer allem Verhältnisse zu dem dem Schuldner zugefügten Nachtheil', und nach dieser Ausführung ist der Antrag, statt „Gegenstände das Wort Werkzeugen zu setzen, von der Kom- misston abgelehnt worden. Darnach stebt die Annahme, daß unter die im S 715 3. 4 gedachten Gegenstände auch die Vorräthe an Ma⸗ terialien fallen, deren der Künstler und Handwerker bei der Ausübung des Berufs bedarf, mit dem klar zum Ausdruck gelangten Sinne des Gesetzes im Widerspruch!. (75 /95.)
Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts.
Nach § 38 des Gewerbesteuergesetzes vom 24. Juni 1891 soll bei der Ausdehnung eines Gewerbebetriebes über mehrere Kom mu nalbezir ke die für die Zwecke der kommunalen Besteuerung erforderliche Zerlegung des Steuersatzes in die auf die einzelnen Betriebsorte entfallenden Theilbeträge unter Vorbehalt der Rechts—⸗ mittel von dem veranlagenden Steuerausschuß bewirkt werden. In Bezug auf diese Bestimmung hat das Ober⸗Verwaltungsgericht, VI. Senat, . Kammer, durch Entscheidung vom 31. Januar 1895 ausgesprochen, daß die Anordnung im Art. 55 Nr. 2 der Ausführungs, anweisung zum Gewerbesteuergesetz vom 10. April 1892, wonach die Vertheilung des Steuergesetzes nach Maßgabe des Ertrags und, falls ein solcher überhaupt nicht erzielt ist, nach Maßgabe des Anlage und Betriebskapitals vorgenommen werden soll, im Einklang mit dem bestehenden Recht steht. „Hiernach müssen also die von dem steuerpflichtigen Gesammtertrag auf die einzelnen Betriebsgemeinden entfallenden Erträge, soweit es über⸗ haupt die Natur des Unternehmens geftattet, r ech nun gsmäßi oder schätzungsweise festgestellt und in dem ,,, bezw. der Berufungsentscheidung zahlenmäßig angegeben werden. Die Weigerung des Steueipflichtigen, hierbei mitzuwirken, kann keinen Anlaß geben, von dieser Feststellung Abstand zu nehmen. Nur dann, wenn die Natur des gewerblichen Unternehmens selbst, die organische Verbindung der Ginzelbetriebe zu einem einheitlichen Gesammtbetrieb, die Feststellung der Einzelertrãge durch Rechnung oder Schätzung unmöglich macht, dürfen, um die Ausführung des z 38 des Gewerbesteuergesetzes zu ermög ; lichen, die auf die einzelnen Betriebsgemeinden entfallenden Quoten des Gesammtertrages unter Anwendung geeigneter Aushilfsmittel be⸗ messen werden (Art. 55, 191 Abs. 2 der Ausführungsanweisung). Welche Aushilfsmittel zulässig und geeignet sind, richtet sich nach den Umständen des konkreten Falles. Die Nothwendigkeit der An⸗ wendung von Aushilfsmitteln, die benutzten Aushilfsmittel selbst und die Umstände, welche ihre Anwendung im einzelnen rechtfertigen, müssen, um die erforderliche Nachprüfung im K ju ermöglichen, aus dem Zerlegungsbeschluß bezw. der Berufungs- entscheidung ersichtlich sein. (VI. G. 706.)
— Der Eigenthümer ist nach einem Urtheil des Ober -Ver⸗ waltungsgerichts, V. Senats, vom 6. Februar 1895, berechtigt, durch Errichtung von Steinen auf seinem Grundstück dicht an der Fahrstraße sein Eigenthum gegen Beschädigung durch Anjahren von Fuhrwerken zu schützen. ‚Der Kläger ist berechtigt, sein Eigen thum gegen diejenigen Beschädigungen zu schützen, welche demselben durch unberechtigtes Anfahren von Fuhrwerken an und auf dasselbe entstehen können. Es steht dem an sich nichts ent- e gn daß er diesen Schußz durch Errichtung von Steinen ewirkt, soweit er denselben auf seinem Eigenthum anbringt. Ist der Weg zu schmal, um denselben ohne Beschädigung der Nachbar— zrundstücke benutzen zu können, so würde die Nothwendigkeit der Ver⸗ kreiterung desselben auf Kosten des Wegebaupflichtigen in Frage kommen, nicht aber würde daraus eine Einschränkung der Berechtigung des Anliegers zum Schutze seines Eigenthums gegen Beschädigung folgen. IV. 212.)
Statiftik und Volkswirthschaft.
Auswärtiger Handel des deutschen Zollgebiets.
Nach dem Mai- Heft der vom Kaiserlichen Statistischen Amt herausgegebenen Nachweise über den auswärtigen Handel des deutschen Zollgebiets beträgt
die Ausfuhr
(100) R 21111 36
die Einfuhr . (lo0) kg im Monat Mai 1895 29 620 646
=. 1894 27 7608 8908 18129 510
mithin mehr 1895... 1811 8538 2 J82 G66. Die Mengen der Einfuhr sowohl; wie der Ausfuhr sind somit gegen diejenigen des gleichen Monats im Vorjahr erheblich gestiegen, and zwar in der . mehr als in der Einfuhr. Die Jahresabschnitte Januar / Mai ergeben für die Einfuhr Ausfuhr (100) kg (100) kg 112 067 1983 91 482 044 120 601 740 S6 192 0931 mithin in 18g5 mehr...
— 3D d
3 weniger. S534 587 — Für den Jahresabschnitt Januar Mai 1895 ergiebt sich demgemäß m Vergleich mit dem Vorjahr eine Minderung in den Einfuhrmengen und eine Steigerung in den Ausfuhrmengen. . Gesammthandel des Zollgebiets, Einfuhr und Ausfuhr zu⸗ ammengefaßt, beträgt:
(100) Eg
Mai 1895 50 732 162 ö . 45 838 318
mithin in 1895 mehr
Januar / Mai 1895 203 549 197 ö 1894 206 793771
3244574.
da nzen 3 035 635 (lo0) Eg, denen gegenüberstehen Mindereinfuhren n Ganzen 1123 797 (ioo Kg, entfaͤllt ein hervorragender Theil auf treide, und jwar bei einer Gesammteinfuhr von Getreide von
Januar / Mai 1899... ö .
3963 219 (109) Kg ein Mehr von 1210 951 (1007 Eg gegen den Mai 1894. Außerdem weisen noch Steinkohlen, Erze, . und Wollenwaaren, Oele und Fette, Droguen 24, Flachs und Hanf, Material, und Spezereiwaaren ꝛc, erheblich größere, ferner eine Reihe anderer Waarengruppen, wenn auch unerheblich, immerhin aber größere Einfuhrmengen als im Monat Mai 1894 auf. Eine Mindereinfuhr von einigem Belang trifft nur auf Holz, andere Mindereinfuhren sind unbedeutend. 2
Im Zeitraum Fanuar / Mai 1895 betragen die Mehreinfuhren gegen das Vorjahr im Ganzen 1 360 957 (100) kg, denen Minder - einfuhren im Betrage von 9 894 644 99 kg gegenüberstehen, mithin ergiebt sich im Ganzen eine Mindereinfuhr von 8534 587 (00) kg. Erhebliche Mehreinfuhr weisen auf Hanf und Flachs, Baumwolle, Petroleum, Droguen ꝛc.,, Material und Spezereiwaaren 2c., Wolle und Wollenwaaren, erhebliche Mindereinfuhr Steinkohlen, Erze, , Holz, ferner Abfälle, Steine und Steinwaaren, Oele un e.
ie Mehrausfuhren im Monat Mai gegen denselhen Menat des Vorjahrs vertheilen sich nahezu auf alle ö während nur wenige Gruppen von Minderausfuhren betroffen worden sind.
Die Mehrausfuhren des Monals betragen im Ganzen 2997 069 (100) Eg, die Minderausfuhren im Ganzen 15 054 (106) Kg, sodaß das Mehr im Ganzen beträgt 2982 006 (100) kg. Hervorragend sind die Mehrausfuhren von Steinkohlen, Spezerei⸗ ꝛc. Waaren, Erden und Erzen, Getreide, Eisen und Eisenwaaren.
Im Zeitraum Januar Mai stehen den Mehrausfuhren von 6 395 895 (100) kg gegenüber 1195 802 (100) kg Minderausfuhren, sodaß sich im Ganzen als Mehrausfuhren ergeben 290 013 (100) Kg.
In— erster Reihe hat die Ausfuhr von Steinkohlen ꝛc. zugenommen; bei einer Gesammtausfuhr von 49 354 205 (100) kg in den ersten 5 Monaten 1895 beträgt das Mehr gegen das Vorjahr 3197 378 (100) Eg, dann folgen:
Gesammtausfuhr mehr ibo] Kg (100M kKg
6 610 923 862 123
2347 931 1587 853
5999 498 294 456
698 081 85 760
15 274 076 89 692
581 641 56 990
353 319 34949
Material⸗ und Spezereiwaaren ꝛc... Getreide Eisen und Eisenwaaren 4 und Pappwaaren rden und Erze Maschinen Baumwolle und Baumwollenwaaren .. 66 und Felle 190 655 30148 olle und Wollenwaaren 302237 28 917 Unter den Waaren mit erheblichen Mehrausfuhren sind noch zu nennen die Gruppen: Blei und Bleiwaaren, Hopfen, Kupfer und Kupferwagren, . und Zinkwaaren. Erhebliche Minderausfuhren sind zu verzeichnen bei Gesammtausfuhr weniger Januar Mai 1895 gegen 1894 . (100) kg (100 kg Steine und Steinwaaren. 16747935 585 126 Thonwaaren 10925028 135 991 Abfãälle 503 409 133 803 Droguen 2c. 2 356 422 88 716 Holz und Holjwaaren 1660103 59 701 Oele und Fette 421 806 62791 124784 20757
Zur Arbeiterbewegung.
In Breslau haben die Arbeiter und Arbeiterinnen der Blatt⸗ metallfabrik von Louis Boronow, wie im „Vorwärts“ mit⸗ getheilt wird, am 24 d. M. die Arbeit eingestellt. Als Grund wird Maßregelung ihres Vertrauensmannes“ angegeben.
us Striegau wird der „Köln. Ztg. geschrieben: Wie in Altwasser (ᷣogl. Nr. 79 u. flgde. . Bl). sind jetzt auch die orzellanarbeiter in Königszelt ausständig, und eine weitere nnn ng des Ausstandes auf andere Porzellanfabriken ist wahr⸗ scheinlich.
In Nürnberg befinden sich die Tischler der Eyßer'schen — 3 im Ausstande, weil ihnen, wie der Vorwärts“ mittbeilt, eine
erkürzung der Arbeitszeit verweigert worden ist.
In Leipzig beschaftigte sich, wie die Lpz. Ztg. berichtet, der Verband der Bauarbeitgeber am 25. d. M. mit den von den ausständigen Maurern vor der Beilegung des Aus—⸗ standes geltend gemachten Nebenforderungen, welche die Dauer der Mittagspause, die Beschaffenheit der Baubuden und Bedürfnißanstalten und die Unterlassung der nachträglichen Maßregelung von Gehilfen aus Anlaß des Ausstandes betrafen. Die Bewilligung dieser schon vor Jahren zugestandenen Forderungen wurde als selbstverständlich ohne Debatte ausgesprochen. Sodann ging die Versammlung auf die geforderte Lohnaufbesserung der Zimmergehilfen über. Auch diese wurde, wenigstens theilweise, gewährt und der Stundenlohn von 35 3 auf 40 3 (gefordert waren 42 ) für die Stunde erhöht. Was die Löhne der Bauhandwerker anbetrifft, so beschloß die Versammlung, diese Lohnfrage zunächst noch nicht einheitlich zu regeln, sondern die bessere Bezahlung der Handarbeiter je nach ihren Leistungen den einzelnen Arbeitgebern ans Herz zu legen.
In Budapest sollen, wie der Vorwärts“ meldet, die Bäcker in einer Versammlung die Fortsetzung des Ausstandes beschlossen haben, da viele Meister die Forderungen immer noch nicht bewilligt haben. (gl. Nr. 148 d. Bl) .
Aus Basel wird der „Frkf. Ztg. geschrieben, daß der Aus— stand der Posamentierarbeiter (vgl. Nr. 145 d. BI.) unver- ändert fortdauert. Die Vermittlungsversuche des eidgenössischen Fabrik⸗ inspektors wurden von den Fabrikanten abgelehnt.
Kunst und Wissenschaft.
44 In der Maschinenbhalle“ des Ausstellung sparks am Lehrter Bahnhof sind gegenwärtig die Konkurrenzentwürfe für ein Bismarck-Denkmal, das seine Aufstellung vor dem Reichstagsgebäude finden soll, vereinigt. Die übergroße Zahl der Wettbewerber aus ganz Deutschland machte die Aufgabe der Jury schwierig; die ausgeschriebenen Preise sind in der in Rr. 142 d. Bl. mitgetheilten Weise vertheilt worden; die Wahl des zur Ausführung am meisten geeigneten Projekts steht noch auz. Eine Wanderung durch die Halle giebt Gelegenheit, die Leistungefähigkeit unserer deutschen Bildnerei vergleichend kennen zu lernen. Die überwiegende Mehrzahl der Entwürfe bewegt sich in den ausgefahrenen Gleisen konventioneller, akademischer Kunstübung; der Größe der Aufgabe zeigen sich nur ganz wenige Bewerber wirklich gewachsen. Sicherlich stellt der Beschauer an ein Bismarck denkmal besonzers hohe Anforderungen; aber selten waren die Bedingungen für freie Entfaltung der bildnerischen Phantasie günstiger als hier, selten war wohl auch der Impuls des Vorwurfs kräftiger und anspornender. Die Wucht und Geschlossenheit der darzuftellenden , drängt nothwendig zu einer Konzentration der ganzen
omposition in der Gestalt des Fürsten hin. Eine pomp- hafte Vielgestaltigkeit, ein reichgegliederter architektonischer Aufbau scheint von vornherein ausgeschlossen. Wie wenige Bildhauer aber haben es verstanden, die igur Bismarcks durch energische Charakteristik zum packenden Mittelpunkt des Ganzen zu erheben! Gewaltsame Pofe genügt dazu nicht: künftlerische Qualitäten müssen den Blick auf den Mittelpunkt lenken. Diese Aufgabe, mag man einwenden, läßt sich in einer Skizze kleinen Maßstabs nicht lösen. Es hätte aber jedem Bewerber zur Pflicht gemacht werden sollen, neben seinem Gesammtentwurf einen Kopf Bismarcks zu modellieren. Erst damit wäre ein Maßstab für die geistige Potenz des Urhebers und für die endgültige Wirkung des Denkmals geschaffen. Am ehesten leuchtet diese Auffassung der Aufgabe aus dem Modell von J. Floß⸗ manns in München und aus den drei verschieden charakterisierten Skizzen von Harro Magnussen bervor, deren eine mit dem Merk⸗ wort, Kraft“ durch einen dritten Preis ausgezeichnet ist.
Unter den mit dem ersten Preis gekrönten Entwürfen zeigt der des Altmeisters Siem ering die größte Selbftändigkeit der Er, findung. Nach dem Aussp des Fürsten: Lassen Sie uns nur erst Deutschland in den Sattel heben, reiten wird es allein können hat der Künstler eine jugendliche Germania zu Roß dargestellt, der Bismarck mit erhobner Hand den rechten Weg weist. Auch in der plastischen Durchführung steht dieses monumentale Bildwerk in erster Reibe. Wenig läßt sich von den übrigen ersten Preisen sasen, die F. Schaper, L. und E. Cauer, Pfeiffer und Echter⸗ meyer, Lessing und Jassoys Hilgers und B. Schmitz, Rümann, Bärwald und Schmalz davongetragen haben. Die architektonische Gestaltung des letztgenannten Projekts zeichnet sich vor vielen anderen Verfuchen durch . und Originalität aus. Das allegorische Beiwerk ist meist recht ge⸗ dankenlos dem Typenvorrath der landläufigen Symbolik entnommen; fast nirgends stößt man auf eine individuell erfundene Gestalt; die Mehrjahl der Bewerber fand sich mit den Gestalten des antiken und 8 Mythus ab; nur wenige wählten realistisch aufgefaßte
olksgruppen oder historische Begebenheiten als Soel⸗ schmuck. Kühn, aber nicht glücklich hat Uphues über Gestalt des sißenden Fürsten eine Weltkugel aufge⸗ baut, über der ein Adler mit einer jugendlichen Geniusgestalt schwebt; dieser Entwurf hat einen dritten Preis davongetragen. Ernst und großzügig wirkt das Denkmal von Pe terich (2. Preis), der Bismarck auf das Halbrund der Erdkugel gestellt und zu seinen beiden Seiten zwei kräftig modellierte Männergestalten gelagert hat, die des Erwachen des deutschen Einheits gedankens in ibrer auf⸗ horchenden Stellung versinnlichen. Ebenso verdient unter den Trägern des er e Max Klein hervorgehoben zu werden, der dem Fürsten eine mãchtige Germania zugesellt hat, während die weiblichen Idealgestalten von Unger, Götz und von Uechtritz allzu lyrisch aufgefaßt sind. Eberlein 's pemphafter, aber im Einzelnen schwächlicher Aufbau itt, . den ebengenannten und denjenigen Schilling's, Pfuhl' 's, Velzßz', Schä de 's und Herter's, mit dem zweiten Preise be— dacht worden. Die endgültige Wahl wird bei der großen Zabl der vertheilten Auszeichnungen sicherlich noch viel Mühe verursachen. Das Vorurtheil 9 die Einrichtung der Denkmals, Konkurrenzen wird jedenfalls durch die Ergebnisse dieses Wettbewerbs kaum entkräftet oder widerlegt werden können.
— In Obenaltendorf bei Harburg fand man kürzlich, etwa
2 m tief, im Torfmoor verwachsen, eine noch gut erhaltene männ⸗ liche Leiche, die aus dem Zeitalter Karl's des Großen zu stammen scheint, also etwa 1000 Jahre alt sein dürfte. Der Lehrer Meyer in dem genannten Ort, dem das Verdienst gebührt, den Fund gerettet zu haben, beschreibt das Skelett, der Nat. Ztg. zufolge, als das eines 7 Fuß hohen, sehr kräftigen Mannes mit langen hellblonden aren, dessen Füße mit dem germanischen Bundschuh und dessen Aberkörper mit einer groben wollenen Decke bekleidet war. Die Bekleidungestücke sind für das Museum in Stade erworben worden. Sie besteben aus einer braunen wollenen Decke mit Franzen, dem bekannten ärmellosen sagum, das als Mantel umgeschlagen und auf der linken Schulter durch einen Dorn oder eine bronjene Gewandnadel zusammengehalten wurde; einem Bundschuh aus einem einzigen Stück gegerbten Leders, das, mit Schlitzen ver— sehen, durch die ein Riemen läuft, sich genau der Form des Fußes angeschmiegt hatte. Das gefundene Guck ist reich mit eingepreßten und eingeschnittenen Ornamenten versehen (man trug diese Schuhe nur bis zu Anfang des 9. Jahrhunderts); endlich zwei silbernen, kreisförmigen, doppelten Riemenzungen von 11 mm Größe und 3 mm Dicke. er Finder der Objekte behauptet, dieselben hätten in der Nähe des Kopfes gelegen; ganz unmöglich ist ja freilich nicht, daß diese Zungen, ähnlich den Spitzen unserer Schnürbänder, zur Befestigung des Mantels auf der Schulter durch einen Riemen dienten, obgleich diese Befestigung in der merovingischen Zeit noch ganz unbekannt war. Welche vorzüglichen Konserbierungsmittel der Gerbstoff des Moores enthalten muß, geht daraus bervor, daß nach dem Bericht
des Herrn Meyer die Hautstücke dieses alten Germanen pergament- artig das Knochengerüst umhüllten und selbst die Haare in demselben noch befestigt waren.
— Wie aus Rom gemeldet wird, ist B. Ehr le zum Präfekten der vatikanischen Bibliothek ernannt worden, als Nachfolger des verstorbenen P. Bollig.
Land⸗ und Forstwirthschaft.
Der Bericht über die Verhandlungen der XXIII. Ver- sammlung 1895 des Deutschen Landwirthschaftsraths vom 4. bis einschl. 8. März, welchen auf Grund der Sitzungsprotokolle und der stenographischen Aufzeichnungen der General⸗-Sekretär Dr. Traugott Mueller erstattet hat, ist jetzt im Druck erschienen. Vorangeschickt sind dem Bericht die Verzeichnisse der Dele⸗ girten und stell vertretenden Delegirten, des ständigen Aus⸗ schusses sowie der im Deutschen Landwirthschaftsrath vertretenen landwirthschaftlichen Zentralpereine, ferner das Statut und die Ge⸗ schäftsordnung. Dann folgt ein gedrängtes Protokoll der Plenar— versammlung nebst Uebersicht der gefaßten Beschlüsse und dem Geschäfts⸗ bericht pro 1394. Die ausführlichen Verhandlungen und Referate si id so⸗ dann nach den Gegenständen übersichtlich zusammengestellt. Sie betrafen: die reichsgesetzliche Regelung des Verkehrs mit Dünge⸗ und Futter—⸗ mitteln; die Frage: Welche Maßregeln können zur Hebung der Getreidepreise in Deutschland ergriffen werden 3; die Reform der Zuckersteuer; die Errichtung landwirthschaftlicher Schöffen. gerichte; Maßnahmen zur Bekämpfung der Tuberkulose; die Reform des Branntweinsteuergeseßes; die Wirkung der Beseitigung des Identitätsnachweises in Verbindung mit der Frage der Heseitigung der gemischten Transitläger; die Ab⸗ änderung des Tabacksteuergesetzes, und die Aenderung der Organisation des Landwirthschaftsraths. Am Schluß endlich sind die Berichte der Kommissionen über die Feuerversicherung, die Reform des Vieb— . ö und die ländliche Arbeiterfrage vollständig mit⸗ geteilt.
Sandel und Gewerbe.
Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 26. d. M. gestellt 11 736, nicht rechtzeitig ve,, ,. . n erschlesien sind am 25. d. M. gestellt 4243, nicht t zeitig gestellt keine Wagen. 2 .
— Ueber die gestrige Zechenbesitzer⸗Versammlung des Rheinisch⸗ Westfälischen Kohlensyndikais in Essen — 63 die Hils. Westf. Ztg.: Das Hauptinteresse nahm der dritte Punkt der Tages- ordnung: Nochmalige Lesung des Entwurfs zum neuen Syndikatsvertrag in Anspruch. Außer verschiedenen lediglich redaktionellen Aenderungen and der Antrag der Zeche Zollverein‘, lautend: ‚ Die Auflösung des Syndikats kann nach Ablauf der ersten fünf Vertragsjahre mit ein- jähriger Kündigung durch Beschluß von „5, der Gesammtstimmen er⸗ folgen, einstimmig Annahme. Der Antrag der Zeche Graf Bismarck auf prozentuale Steigerung der Förderung der neuen Schachtanlagen wurde gegen die Stimme dieser Zeche abgelehnt, jedoch erklärte sich der Vertreter der Zeche bereit, persönlich darauf hinzuwirken, daß die gestellte Bedingung von der Zechenverwaltung fallen ge⸗ lassen werde. Ebenso fand sich nach längerer Berathung der Vertreter der Zeche Schlägel u. Eisen bereit, bei seiner Verwaltung dahin zu wirken, daß die von der Gewerkenversamm— lung gestellte Bedingung, es müsse die Betheiligung der Zeche vor ihrem Eintritt in das Syndikat um 120 000 t erhöht werden, fallen gelassen werde. Es handelt sich hier lediglich darum, daß für eine einzurichtende neue Schachtanlage die vertragsmäßige Mindestförde⸗ rung gewährt werde. Der allgemeine Eindruck in der Versamm— lung war der, daß das Zustandekommen der geplanten Syndikats⸗ verlängerung als . zu betrachten sei, und es wurde desbalb be⸗ schlossen, zum Abschluß des notariellen Vertrages eine Versamm⸗