1895 / 161 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 09 Jul 1895 18:00:01 GMT) scan diff

Genossenschaftsbanken zu machen, um den Personalkredit des länd⸗ lichen Interesses zu fördern, so ist dies auch die unerläßliche Bor⸗ bedingung, allmählich zu einer Verschuldungsgrenze zu kommen und die wachsende reale Verschuldung des Grund und Bodens, die schließlich zum Ruin führen muß, allmählich hintanzuhalten. Diese Gesichtspunkte führen naturgemäß auch zu einer Aenderung des Erbrechts, des römi⸗ schen Erbrechts, welches zwar auch durch seine verpflichtenden Bestim⸗ mungen über den Pflichttheil ein Zwangsrecht ist und keineswegs ein sogenanntes Recht der freien und individuellen Disposition des Erblassers. Solche Anschauungen kann man nicht bei einem kleinen Zipfel zur Geltung bringen; da gehören geläuterte, klare Gedanken dazu, ein fe'ter Plan, eine sorgfältige Berücksichtigung aller verschiedenartigen, im Laufe der Geschichte entstandenen Verhältnisse in unserem Vater⸗ land, eine große Vorsicht, allmählich den Umschwung und andere Ge⸗ sichtẽ punkte und Anschauungen herzustellen, wie wir sie alle seit fünfzig Jahren und länger gelernt haben. Genau so steht es nun mit dem Fideikommi5. Selbst gelehrte Theoretiker und Praktiker, welche mit diesen von mir ja nur oberflächlich skizzenhaft angedeuteten Gesichts- punkten einverstanden sind, welche sich bewußt sind, daß wir in dieser Beziehung vor einem Umschwung in unserer Gesetzgebung steben, tragen doch Bedenken, schrankenlos das Fideikommiß zu gestatten. So nützlich auch in vielen Beziehungen das Fideikommiß wirken kann, so ist doch ebenso richtig, daß die Proklamation der Unverãußerlich · keit, der Untheilbarkeit, der Unverschuldbarkeit durch einen Stifter für alle Generationen, wie ein Gelehrter sagt, in gewissem Sinne pro⸗ klamieren heißt die Herrschaft des Todten über den Lebendigen. Meine Herren, ich bin kein Gegner des Fideikommisses; aber auch das Fideikommiß, wie alle solche staatlichen Ordnungen, muß vor Mißbrauch behütet werden. Einen Stempel von 3 00 halte ich für eine höchst mechanische und dem Wesen der Sache nicht entsprechende Art von Schranke und Hinderniß. Nein, unser ganzes Fideikommißwesen muß nach anderen Gesichtspunkten reformiert werden. Die todte Hand kann nützlich sein, sie kann aber auch im Uebermaß schädlich sein. Die Todte Hand in dem gewöhnlichen Sinne ist der Besitz von Grundeigenthum in der Hand des Staats, der Stif⸗ tungen, der Kirche, der Korporationen; aber die Erträgnisse dieser Todten Hand werden für das gemeine Wesen benutzt. Die Er⸗ haltung des Besitzes in der Familie halte ich für ein staatliches Bedürfniß, aber es muß seine Schranke an den all—⸗ gemeinen staatlichen Interessen finden. Schon heute kenne ich Bezirke, wo die Entwickelung des Fideikommißwesens über sein natürliches Be⸗ dürfniß hinausgeht, und wir haben keine andere Schranke als diese drei Prozent, das zu verhindern. Wir haben andere Landestheile, wo vielleicht die drei Prozent die Einführung des Fideikommisses und die Befriedigung des Bedürfnisses solchen geschlossenen Besitzes alljusehr ein⸗ geschränkt haben. Nicht in den drei Prozent ist das Kriterium zu suchen, sondern in einer organischen Ausbildung unseres Fideikommiß wesens nach den angedeuteten allgemeinen Gesichtspunkten. Wenn wir dazu einmal übergehen, dann werden wir uns fragen? Sind die Fideikommisse in Preußen richtig vertheilt, oder hängt ihre Ver⸗ theilung lediglich vom Zufall und Belieben des Einzelnen ab, von dem Interesse der einzelnen Familie? Ist es richtig, die Frage des Fidei⸗ kommisses lediglich nach juristischen Gesichtspunkten durch die Ober- Landesgerichte zu beurtheilen, oder bedarf es hier einer Behörde, die die

Frage vom allgemeinen wirthschaftlichen Gesichtsvunkte aus behandelt? Ist es richtig, die Einschränkungen in der wirthschaftlichen Ausnutzung des Fideikommißobjekts durch den einzelnen Besitzer in vollem Maße

aufrechtzuhalten? Ist es nicht nothwendig, in dieser Beziehung etwas mehr Freiheit, wie in England, auch dem preußischen Fideikommiß⸗ besitzer zu geben? Sind die Grenzen der Bildung der Fideikommissen richtig gezogen in Preußen mit 7500 M beziehungsweise 30 000 7 Ift es in einem Lande aufrechtzubalten, daß, abgesehen von den Pro⸗ vinzen des Allgemeinen Landrechts, in allen übrigen Provinzen ganz verschiedene Gesetze in Beziehung auf die Fideikommisse gelten? Ist es richtig, daß allein in Hannover das Stammgut eine andere und nach meiner Meinung in vieler Beziehung bessere Form der Geschlossenheit des Besitzes besteht? Ist es richtig, daß in den alten Provinzen die Grenze 7500 S Reinertrag, in anderen Landes—⸗ theilen 1200 M, in anderen Gebieten gar keine Grenze besteht? Auf welche Güter welcher Größe soll das Fideikommiß angewandt werden? Soll das verschieden entschieden werden in allen einzelnen Provinzen?

In dem Augenblick, wo wir diese organische Reform in Angriff nehmen, wird die Stempelfrage auch die jetzt mindestens dem Schein nach vorhandene Einseitigkeit verlieren. Diese Frage wird ein Theil werden einer im allgemeinen sozialen und wirthschaftlichen Landes interesse nothwendigen Reform. Die Gegner des Fideikommisses werden dann eher verstummen müssen gegenüber dem reformierten Fideikommiß. Wenn Sie jetzt, meine Herren, das Stempelsteuergesetz an dieser einen Frage scheitern lassen, gefährden Sie dann nicht auch eine wirklich durchgreifende organische Reform, die auf so viele ent⸗ gegengesetzte Anschauungen und Schwierigkeiten aller Art stößt? Ich appelliere an die hohe Einsicht und Weisheit des hohen Hauses, aus einer großen zusammenhängenden Gesetzgebung, die, wie ich zu Gott hoffe, die Gesetzgebung der Zukunft wird, nicht einen einzelnen Punkt herauszureißen und dadurch der Sache ich wage es offen zu sagen einen gewissen gehässigen Anstrich zu geben. (Sehr richtig) Dazu steht die Sache wirklich zu hoch. Ich appelliere an diejenigen, welche in den großen allgemeinen Gesichts⸗ punkten mit der Staatsregierung einverstanden sind, ihr in dieser Beziehung keine Schwierigkeiten zu machen. Ich kann nicht sagen, daß das Fideikommiß⸗Gesetz morgen kommt, oder in der nächsten Session; denn es ist eine sehr schwere Aufgabe; aber daß im Fort⸗ gang dieser Gesetzgebung, die wir jetzt doch entschlossen begonnen haben, dieses Gesetz eins der ersten sein wird denn hier ist das Bedürfniß am stärkften darüber kann doch wohl kaum ein Zweifel sein.

Meine Herren, wohin soll es führen, wenn die in den letzten Generationen uns vor Augen stehende, rapide anwachsende, von Jahr zu Jahr progressive Verschuldung des Grund und Bodens weitergeht? Muß da nicht der ganze Grund und Boden schließlich jede Selbst⸗ stãndigkeit, jede Gesichertheit in seinem Bestande verlieren, von dem mobilen Kapital völlig abhängig, ihm unterworfen werden? Wie kann eine Staatsregierung das ruhig anseben! Muß nicht alle Welt, die eine stabile und kontinuierliche Entwickelung will und sie erstrebt, nicht auf Mittel sinnen, wie wir dieser gefährlichen Entwickelung Einhalt thun! Haben wir nicht längst gelernt, daß die bloße Freiheit auf wirthschaftlichem Gebiet, vor allem aber auf dem Gebiet des Grund⸗

besitzes die Dinge nicht allein kuriert, sondern daß da, wo die Sitte nicht stark genug ist und schließlich wird sie auch in der heutigen Entwicklung überwunden der Staat als solcher gesetzliche Schranken stellen muß?

Sie können daher nach meiner Meinung und es wäre Klein muth, wenn Sie dieses Vertrauen nicht hätten das volle Ver⸗ trauen haben, daß diese Stempelfrage in ganz anderer Form, mit anderen Garantien sehr bald wiederkommen wird und Sie in der Lage sein werden, dann die Sache ohne irgend welche Mißdeutungen, die Ihnen unterstellt werden könnten, objektiv zu behandeln.

Meine Herren, das Zweikammersystem, von dem ich im Eingange gesprochen habe, legt natürlich gewisse Rücksichten auf; sonst ist es auf die Dauer nicht haltbar. Es ist etwas Anderes, wenn das andere Haus mit einer kleinen Majorität ein solches Gesetz votiert; das kann sich ändern, da kann man sagen, darauf ist kein entscheidendes Gewicht zu legen. Wenn aber die konservative, die freikonservative, die nationalliberale Partei, das Zentrum und selbst die Gemäßigteren unter den Freisinnigen dies Gesetz acceptieren, und wenn man dann Aenderungen macht, ohne dazu genöthigt zu sein, wenn das Herren⸗ haus, das die großen Prinzipien des Staatslebens vor allem zu stabi⸗ lisieren und zu befestigen hat, eine solche Gesetzgebung in Frage stellt und ich brauche ja nicht weiter auszu⸗ führen, daß das thatsächlich der Fall sein würde so halte ich das allerdings nicht für wohlgethan. Das Herrenhaus ist gewiß souverän, jedes Haus ist für sich souverän, es kann rechtlich thun, was es will; aber daß die allgemein politische Lage, das Verhältniß zum anderen Hause, die Natur des Gesetzes, um das es sich handelt, doch gewisse Rücksichten auferlegt, Reserven aufjwingt, darüber, glaube ich, brauche ich nicht weiter zu reden, ich bin überzeugt, in dieser Be⸗ ziehung die Zustimmung in diesem hohen Hause zu finden.

Meine Herren, wenn ich nun schließlich noch auf die einzelnen Bestimmungen eingehe, die in den Anträgen liegen, so sind sie nach meiner Meinunz, was namentlich den Antrag des Herrn Grafen Mir bach angeht, ohne die erforderliche innere Begründung; was den An⸗ trag des Herrn Grafen von Pfeil anlangt, so entspricht derselbe keinem wirklichen Bedürfniß. Meine Herren, jeder von uns kennt die Grundsteuer, ihre verschiedenartige ungleiche Veranlagung und wie sie im Laufe der Zeit noch viel un⸗ gleicher geworden ist. Eine Schätzung nach dem Dreißigfachen des Grundsteuerreinertrags ist doch viel⸗ und tausendmal ungleicher als die Schätzung im einzelnen Fall nach dem Werth des Objekts (sehr wahr!); ich glaube wirklich diesen Satz garnicht beweisen zu brauchen. Zuruf: doch! doch) Ich habe in meinem Ministerium aus der Erbschaftssteuer, aus der Fideikommißverwaltung und aus anderen Verwaltungszweigen eine lange Reihe von solchen einzelnen Schätzungen aufstellen lassen. Da stellt sich heraus, daß wir zahlreiche Fälle gehabt haben, wo die Betheiligten als richtigen Werth sogar mehr als das Hundertfache des Grundsteuerreinertrags anboten; andere sind uns vorgekommen, wo selbst der dreißigfache Reinertrag des Grund und Bodens zu hoch war. Wir haben auch in einer Reihe von Fällen, und gerade beispielsweise in dem Gesetz über die Verwandlung der allodifizierten Lehen in Fideikommisse das Vierzig⸗ fache des Grundsteuerreinertrags und das Zwanzigfache des Nutzwerths der Gebäude; das ist der sogenannte Lehnswerth, der doch eine besondere Begünstigung sein soll. Dieser mechanische Satz, das Dreißigfache des Grundsteuerreinertrags würde zu Ungerechtig⸗ keiten führen, wie sie die heutige Einschätzung längst nicht herbeiführt; er würde in einzelnen Fällen zu boch sein, im allgemeinen zu niedrig. Meine Herren, ich appelliere in dieser Beziehung an die Sachkenntniß dieses hohen Hauses.

Nun, meine Herren, wenn man verbessern will, dann muß man auch doch wirklich verbessern. Ich kann aber garnicht anders als meine Ueberzeugung aussprechen, daß der Antrag in Wahrheit eine Verschlechterung wäre.

Nun will der Antrag zugleich die Schulden abziehen. Das steht im Widerspruch mit dem ganzen Prinzip des Veräußerungsstempels. Wie können Sie denn einem Hausbesitzer und die Städte bezahlen dieses Veräußerungsstempels von 19/0 gegenübertreten, wenn er sagt: Wenn ich mein Haus verkaufe und vielleicht verkaufen muß Erbschafts halber wie könnt ihr mir die Schulden anrechnen und bei der Fideikommißbildung werden sie abgezogen? Ist es überhaupt gerathen, bei einer neuen Gesetzgebung für das Fideikommiß es soll doch eine Erleichterung des Fideikommisses sein die Bildung von hochveischuldeten Fideikommissen und bei den gering ver—⸗ schuldeten Fideikommissen kommt der Abzug des Schuldenbetrags ja wenig in Betracht geradezu zu begünstigen? Hoch verschuldete Fideikommisse sind bei der heutigen Gesetzgebung über Fideikommisse bei der absoluten Einschränkung der freien Verfügung des jeweiligen Besitzers oft statt Wohlthat Plage (Zustimmung), und mir sind in der Praxis schon Fälle vorgekommen, wo lediglich darin der wirth⸗ schaftliche Ruin der Familie lag.

Was nun den Antrag des Herrn Grafen Pfeil betrifft, so ist schon in der Kommission dagegen eingewandt, daß ja ein Fideikommiß⸗ besitzer, der nicht in der Lage ist, das baare Geld für den drei⸗ prozentigen Stempel aufzubringen, vorher ein amortisables Darlehn bei irgend einer Landschaft aufnehmen könne. Die Sicherheit wird doch wobl noch unter allen Umständen vorhanden sein; denn das Grundstäck soll ja den Reinertrag von 7500 M nachweisen; was braucht der Besitzer in dieser Beziehung also Staatshilfe? Warum soll man sich hier dem Vorwurf aussetzen, daß das Herren⸗ haus verlangt, daß der Staat durch seine Garantie die Zahlung der Steuern, die er gefordert hat, sichern soll? Dazu ist ein dringendes Bedürfniß jedenfalls nicht vorhanden. Herr Graf Pfeil, der die Sache ja sehr obiektiv in der Kommission behandelt hat, hat gesagt: ja, vielleicht leistet der Fideikommißbesitzer nachher diese Amortisation nicht wirklich und schiebt sie auf seine Nachkommen. Auf eine solche unwirthschaftliche Handlungsweise hin, die zugleich doch eigentlich ein Vertrauensbruch gegen die Nachkommen wäre, kann man doch keine Gesetze bauen; da wird doch das Herrenhaus nicht der Meinung sein, daß ein Bedürfniß vorliege, solche Schranken gegen einen einzelnen nicht gewissenhaften Wirth zu legen.

Aber weiter im einzelnen. Man soll ein Darlehn bei der Rentenbank aufnehmen. Unsere Rentenbanken können keine Darlehen geben; sie sind ursprünglich eingerichtet, um die Ablösung zu befsrdern und zu erleichtern. Eine Rente ist konstituiert, sie liegt auf dem Grundstũck, man verwandelt diese Rente in Kapital, indem man darauf Rentenbriefe ausgiebt, die der Staat garantiert. Auf Kapital darlehen sind die Rentenbanken überhaupt nicht eingerichtet. Wir

haben dies Prinzip spãter ausgedehnt und haben gewisen maßen die Thätigkeit der Renten danken wieder neu

indem wir damit die Bildung von Rentengũtern F. günstigen wollten. Aber auch dort ist eine feste Rente radizien auf Grund und Boden, und diese Rente wird kapitalisiert. Baar Darlehn giebt die Rentenbank überhaupt nicht.

Wenn der Staat Stundungen unter der Bedingung festz Amortisation geben müßte, und wenn dazu ein dringendes Bedũrfnij vorhanden wäre, so brauchte man den Umweg Über di Rentenbanken nicht, dann könnte der Staat das ja machen wie er es bei den Domänenrenten bereits gemacht hat wo man die Rentenbanken überhaupt nicht herangezogen hat. Der Antrag ist auch geschäftlich nicht richtig gestellt, aber es komm darauf nicht an. Wenn Sie nun die Wahl haben, einen solchen An⸗ trag anzunehmen, von dem man mit gutem Gewissen sagen kann: J ist dafür nur ein geringes Bedürfniß in allen Fällen vorhanden, um wenn Sie durch die Annahme eines solchen Antrags nach meiner An sicht in der öffentlichen Meinung auch ich will sagen, die un. begründete Anschauung erwecken, daß hier der Staat zum ersten Mal angehalten wird, seinen Kredit zu interponieren für die Zahlung einer Steuer, die er selbst fordern kann, und Sie durch einen solchen Antrag möglicherweise das ganze Gesetz zu Falle bringen: so glaube ich doch nicht, daß es richtig ist, selbst wenn man eine gewis⸗ Hinneigung zu diesem Antrag hat, ihn hier per majora anzunehmen.

Ich appelliere an die bohe Weisheit dieses Hauses und bitte all Anträge abzulehnen und das Gesetz im übrigen, wie es die Kom— mission beantragt, anzunehmen. (Lebhafter Beifall)

Herr von Diest beantragte, die Verhandlung über den Gejez entwurf infolge der bedeutsamen Rede des Finanz ⸗Ministers bi Dienstag oder Mittwoch zu vertagen.

Der Antrag fand indessen nicht die nothwendige Unter= stützung durch 15 Mitglieder des Hauses, die Verhandlnng wurde also fortgesetzt.

Graf von Zieten⸗ Schwerin: Ich stimme darin mit den *. Finanz · Minister überein, * ein schrankenloses Bilden bon

ideikommissen nicht wünschenswerth ist. Ich gebe auch zu, daß auf das Zweikammersystem Rücksicht genommen werden muß. Bei eine so schwierigen Sache aber, wie der vorliegenden, ist es sicher nicht an, ebracht, ohne einen schriftlichen Bericht der Kommission zu der, r,, In iwei Tagen ist der Entwurf in der Kommission be= handelt worden. Ein Stempel soll keine fortlaufende Steuer semn, Dieses Prinziv wird hier verlassen, bei Pacht. und Miethsverträgen u. s. w. kehrt der Stempel jährlich wieder. Nun wird gesagt der Stempel sei minimal; auch beim Ergänzungs ften⸗ gesetz sprach man von dieser Steuer als einer Lappalie. Bei z Veranlagung aber zeigt es sich, daß es sich keineswegs überall mn Lappalien handelt. Durch die Stempelsteuer werden auch Dhzche getroffen, die schon der Einkommen · oder der Ergãnzungssteuer unter liegen. Ich glaube so sehr ich auch die fleißige Ärbeit des A. geordneten hauses anerkenne = das Richtigste wäre es, den Gesetzen wurf in die Kommission zurückzuperweisen. Freilich würde dann daz Gesetz in dieser Session nicht mehr zu stande kommen. Wenn aber die jetzige Wirthschaft von 1822 bis 1895 bestehen konnte, würde a auf ein Jahr wohl auch nicht ankommen. Erft vor kurzem haben wir das Einkommen. und Ergänzungssteuergesetz beschlossen und geben schon an eine Aenderung der Gesetze. Ich mochte vor einer Üübereilten Annahme neuer Gesetze warnen.

Ober⸗Bürgermeister Giese: Meine politischen Freunde haber mich beauftragt, zu erklären, daß wir die Kommissionsvorschläge an— nehmen werden. Die gestellten Anträge haben in der Kommission eingehende Erörterung gefunden. Ein Vorwurf, als habe sie nicht gründlich genug gearbeitet, kann der Kommission nicht gemacht werden. Wir haben Antraͤge, die wir für wünschenswerth erachten, nicht ge—= stellt, um das Zustandekommen des Gesetzes nicht zu gefährden. Ich hoffe, daß das auch von anderer Seite nicht geschehen wird, zumal der Derr Finanz⸗Minister in seiner Rede eine organische Regelung des Fideikommißwesens in Aussicht gestellt hat. 8* bitte also, die zu dem Entwurf gestellten Antrãge abzulehnen.

Graf zu Inn⸗ und Knyphausen: Ich möchte in diesem Moment nicht die Verantwortung für ein Scheitern des Gefez—⸗ entwurfs tragen. Mit Bedauern habe ich gehört, daß die Anträge der Herren Grafen Pfeil und Mirbach das Gesetz gefährden könnten, vielleicht könnten wir aber dem in den Anträgen enthaltenen Ge danken in Ferm einer Resolution beistimmen. Der von freisinnige Seite im Reichstag gestellte Antrag auf Aufhebun , , ist eine starke Provofation, der gegenüber wir die hohe Bedeutung ke— sonders der bäuerlichen Fideikommisse betonen müssen. Das wäre, wenn die Bildung von bäuerlichen Fideikommissen von jede Stempelabgabe befreit würde, und ich schöpfe aus der heutigen Gr klärung des Herrn Finanz⸗Ministers wenigftens die Hoffnung, daß en der Berechtigung, den Fideikommißstempel zu erlassen, in möglich großem Umfange Gebrauch gemacht wird. . ö

Freiherr von Manteuffel: Es liegt mir fern, gegen die Kom mission wegen der Behandlung der Vorlage einen Vorwurf zu er⸗ heben. Wir bedauern einzig und allein, daß es digt möglich war einen schriftlichen Bericht zu erstatten. Der Herr Finanz- Minista hat davon gesprochen, das Zweikammersystem setze Kompromist voraus, und dann die pure Annahme des Gesetzes empfohlen. Ih komme zu einem anderen Schluß. Wir offerieren dem Abgeordneten hause ein Kompromiß dahin, daß wir dem Gesetz unsere Zustimmunz ertheilen wollen, wenn eine einzige kleine Aenderung bezüglich de ö , . vorgenommen wird. An dem Abgeordneten. ause ist es, dieses Kompromiß anzunehmen. Daß das Gesez daran scheitern würde, befürchte ich nicht, und wenn der e Finanz ⸗Minister meinte, falls das Gesetz jetzt nicht zu stande omme, werde kein Minister sich dazu verstehen, die Arbeit noch einmal zu machen, so erkläre ich mich gern bereit, das Gesetz als Initiatm⸗ antrag einzubringen, freilich mit einigen kleinen Abänderungen be züglich des Fideikommißstempels. Der Herr ö eine roße Agrarrede gehalten, unter deren großen Gesichtspunkten der Staatsministerialbeschluß und das = , , , vollstãndig ver⸗ schwanden. Er hat ausgeführt, daß eine so starke Strömung für die Agrarreform vorhanden sei, daß garnicht daran * denken sei, dieselbe einzudãmmen. das der Sn warum sollen wir denn nicht einem der vorliegenden Anträge zustimmen? Was die Werthbemessung betrifft, die der Berechnung des Fideikommißstempels zu Grunde gelegt wird, so halte ich es für ungerecht, daß durch die Einbeziehung der vorhandenen Schulden in die Werthbemessung ein Stempel für ein Objekt berechnet wird welches in dem angenommenen Werthe garnicht existiert. Die Ce fabr, daß siark verschuldete Fideikommisse gebildet werden, halte is nicht fär vorliegend; vor einer solchen Frivolität bewahrt uns sche⸗ die Gewiffenkaftigteit unserer Fideikommißstifter. Wir begeba also weder eine Unklugheit, noch bekunden wir Gehässigkeit, wenn n dem Wunsch nach einer Ermäßigung des Fideikommißtstempels Arz druck geben. Wir vertreten damit nur unser gutes Recht. raf von Pfeil-Hausdorf: Bei meinem Antrag handeln es sich nicht um eine Ermäßigung des Fideikommißstempels, sondem um die Art und Weise der Aufbringung dieses Stempels. Sold welche den Fideikommißstempel überbaupt nicht zablen können, möchte ich in keiner Weise das Wort reden. Wer ein Fideikommiß stiften muß auch den Stempel bezahlen können. Aber bie Ärt und Wen, wie diese Zahlung jetzt erfelgt, schließzt eine lngerechtigkeit den rad. eborenen Kindern des Fideikommißstifters gegenüber ein. tempel muß in einer kurzen Frist bejahlt werden, und diese Zablun erfolgt jetzt von dem angesammelten Vermögen auf Kosten der nach geborenen Kinder. ein Antrag will in dieser Beziebung

; leichterung schaffen, und ich kann sagen, daß zahl⸗ ,,. von Fideikommissen nur darum zurũggehalten werden, al man die Annahme meines Antrags erwartet, Der Herr Finan Nmister sagt. die Fideikommißstifter kõnnten sich auf andere Weise a, nöthige Geld beschaffen, Jo durch die Landschaften. e Institute eien aber nicht überall, und zudem bietet die Inanspru mabme der Landschaften noch andere Schwierigkeiten, welche bei den Renten banken fortfallen. Der Herr Finanz ⸗Minister hat ein organi- es , Regelung des Fideikommißwesens, angekũndigt. 3 ie Mitglieder der Regierung wechseln, und diese Zusage bietet ms keine . Die vorliegenden Anträge sind kleine Anträge

annt worden. Nun, an solchen kleinen Anträgen wird das große kin delsteneraescd zerüiß nicht heitern. ö

Herr von Levetzow: Ich muß die Kommission in Schutz ahmen. Wenn sie die Vorlage erst vor drei Tagen in die Hand be⸗ bmmen hätte, so hätte sie ja vor einem unübersteiglichen Berge steben nüssen. Aber die Kommission hat sich bereits vor drei Monaten ge= zildet; sie trat vollkommen informiert an ihre Arbeit heran, da alles m Abgeordnetenhause eingehend besprochen worden war. Daher lsonnte sie sehr gut alles so schnell erledigen. Es ist keklagt orden, daß kein schriftlicher Bericht der Kommission vor⸗ liegt. Es ist dieses durchaus nicht Regel. Es hat dies auch niemand keantragt, und ich glaube, daß niemand Lust bat, noch weiter in den Semmer hinein hier zu ie, und ein schriftlicher Bericht Tärde eine Verlängerung der Session um mindestens acht Tage be= denten. Die Kommission hat die Gejetzesvorlage sehr eingehend ge⸗ prüft und ist zu einer einstimmigen Einigung gelangt, bis auf den inen Punkt, die Taufziffer 24. Nun, so wichtig ist dieser Punkt ach nicht, daß von ihm das Wohl und Wehe des Vater lmdes abhängig ist. Wenn es sich dabei noch um die Einführung nes neuen Fideikommißstempels handelte aber es soll ja beim Aten bleiben. Wenn durch das Gesetz eine Mehreinnahme von zwei Nillionen erzielt werden sollte, so habe ich nichts dagegen. Ich weiß kaum etwas am Gesetz zu ändern, obwohl auch meiner Ansicht nach der Fdeikommißfstempel zu hoch bemessen ist. Die Analogie des Verkaufs. sempels paßt nicht hierher, schon aus dem Grunde nicht, weil keim Fideikommiß der Stempel vorausbezahlt wird und die Zinsen eine bedeutende Summe ausmachen, um die somit der Stempel er⸗ käbt wird. Gegen den Antrag von Mirbach muß ich mich aber wenden. Ebenso auch gegen den Antrag Pfeil. Dieser hat keinen chten Effekt, denn die Rentenbanken sind keine Darlehnskassen. Gine K der Vorlage an die Kommission halte ich für sehr jwecklos. ö Referent Professor Dr. Dambach: Nachdem Herr von Levetzow die gegen die Kommission erhobenen Vorwürfe zurückgewiesen hat, nichte ich nur hervorheben, daß trotz der Abstimmung en bloc doch uf die einzelnen Positionen eingegangen worden ist.

Damit wurde die Generaldebatte geschlossen.

Freiherr von Bodenhausen zog nunmehr seinen Natrag zurück, desgleichen Graf von Zieten-Schwerin zen Antrag des Grafen von Mirbach in dessen Namen.

In der Einzelberathung wurde die Tarifstelle 24 (Fidei⸗ lomm stem pel) vorangestellt. Es nahm dazu das Wort

Graf von Klinckowstroem: Nachdem der Antrag des Grafen Mirbach zurückgezogen ist, bleibt nur noch der Antrag des Grafen

Feil, der den Stempel in Höhe von 3 0 voll bestehen läßt, nur die

lung desselben dadurch erleichtern will, daß der Stempel allmählich . und der Stifter eines Fideikommisses dadurch in den Sund gesetzt wird, den Stempel zum theil auf seine Nachkommen n übertragen. Der Herr Finanz⸗Minister hat gegen den Antrag wenig einzuwenden gehabt; er meinte nur, der Stifter eines Feidei⸗ kanisses könne eine amortisable Hypothek aufnehmen und davon den Sempel zahlen. Wir aber wollen eine Rechtsschuld, keine Hypotheken- uld, bei der die Gefahr naheliegt, daß die Zahlung der Amortisa⸗ tingguoten eingeftellt wird. Wir halten an dem Antrage fest, gegen den sich ja auch die Regierung nicht erklärt hat.

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen, di aus der Rede des Herrn Grafen von Klinckowstroem hervorgehen tnnten, von dem ich bedaure, daß er meine Ausführungen nicht richtig derstanden oder, wie ich annehme, nicht gehört hat, möchte ich dagegen entschieden mich wenden, daß Herr Graf von Klinckowstroem annimmt, ich hätte eigentlich keine wesentlichen Bedenken gegen den Antrag des herrn Grafen von Pfeil vorgebracht. Ich habe, glaube ich, das störkfste dagegen vorgebracht, nämlich, daß der Antrag zwar völlig mnöthig, aber auch höchst gefährlich ist (Heiterkeit) gefährlich nit Rücksicht auf das Zustandekommen des Gesetzes, genau so wie der zurückgezogene Antrag des Herrn Grafen von Mirbach. Bas nun jetzt Herr Graf Klinckowstroem sagt, trifft doch in keiner Deise zu und kann nicht durchschlagend sein. Darüber kann doch kein Zweifel sein, daß ein Fideikommißstifter, ehe die Fideikommiß⸗ urkunde vollzogen wird, das Recht hat, bei den Landschaften ein mortisierbares Darlehen aufzunehmen und allmählich zu tilgen. Nun wird gesagt: ja wenn nun aber der Mann sich allmählich einen Fonds msammelt, wie er bei den Landschaften üblich ist, so kann er denselben wieder in seinem Privatnutzen verwenden, und die Fideikommißschuld dird nicht amortisiert. Vorher war die Deduktion des Herrn Frei⸗ deten von Manteuffel eine andere: nämlich zu sagen, daß ein vernünf⸗ tiger anständiger Mensch ein bochverschuldetes Fideikommiß machen därde, das könne man dem Fideikommißinhaber garnicht zutrauen. Denn eine Kautel hier nothwendig wäre, könnte es auch auf dem Derwaltungswege geschehen, und wenn wirklich in dieser Beziehung Unträge an das Ministerium kämen, bei Genehmigung von Fidei⸗ kemmißurkunden den Verzicht auf eine solche Unterbrechung der Amortisation zu verlangen, so wäre das nicht schwer. Dazu brauchen xir also diese ganzen Bestimmungen nicht.

Meine Herren, es ist, glaube ich, von dem Herrn Berichterstatter nit Recht hervorgehoben, daß die Sache so, wie sie hier in dem Antrag steht, überhaupt nicht geordnet werden kann. Aber Herr Graf nn Klinckowstroem hat durchaus Unrecht, wenn er meint, dann hätte 2 Kommission das verbessern sollen. Nein, die Sache war nicht zu Tbessern; (sehr richtig) Sie können beispielsweise nicht ein neues uckbuch machen. Wie wollen Sie das Grundbuch plötzlich von ate auf morgen einführen in den Provinzen, wo es noch garnicht kiteht? Es soll die Rentenbank ein Darlehn geben. Ich fordere Le diejenigen hier im Hause auf, welche die Rentenbank nd ihre Verfassung kennen, zu sagen, ob das möglich ist. Die zentenbank hat gar kein Kapital. Woher soll sie die Mittel be—= mmen? Die Rentenbank findet nur Renten, die auf Grund und Beden baften, und giebt dafür vom Staate garantierte Rentenbriefe us. Wenn der Antrag gänzlich von der Rentenbank abgesehen hätte, dann würde die Sache vielleicht noch eher praktisch durchführbar ge—⸗ desen sein.

Ich glaube also, es kann nicht gesagt werden, daß ich den den Antrag nicht viel gesagt hätte. Ich wiederhole: ich kalte ihn in keinem Fall für nöthig. Der Zweck, die Erleichterung der Fideikemmißstiftet, den Herr Graf von Pfeil im Auge hat, kann auch so, namentlich in den alten Provinzen, wo die Sache wesentlich in Frage kommt, mittels der landschaftlichen oder sonstiger

amortisabler Darlehen erreicht werden, und man soll nicht ein so wichtiges Gesetz, welches ich wiederhole es in keinem anderen Punkte bisher irgend eine Anfechtung gefunden hat, nicht gefährden auf Grund eines Antrags, von dem man wirklich sagen muß, er ift für den Zweck nicht erforderlich. In der heutigen Zwangslage, wo die gegnerischen Parteien in ihren Blättern deutlich genug andeuten: schickt das Herrenhaus das Gesetz an das Abgeordnetenhaus zurück, so wird ausgezählt, und das Gesetz ist hinfällig geworden in einer solchen Zwangslage möchte ich das hohe Haus wiederholt dringend bitten, den Antrag nicht anzunehmen.

Meine Herren, Freiherr von Manteuffel das möchte ich bei dieser Gelegenheit noch nachholen hat gemeint: was schadet es, wenn ein solches Gesetz nicht zu stande kommt. Das nächste Mal würde aus der Initiative des Hauses selbst ein Gesetz gemacht werden können. Ich möchte Herrn Freiherrn von Manteuffel, der doch ein sehr erfahrener Mann ist in den parlamentarischen Verhand⸗ lungen, fragen, ob er glaubt, daß das so leicht ist, über 100 verschiedene Positionen eine Verständigung zu erzielen. Die Stimmung kann ja im nächsten Jahre ganz geändert sein. Der Herr Ober ⸗Bürgermeister Giese hat mit großem Recht gesagt, wir haben auch viel aufgegeben, wenn wir hier stillschweigen und keine Anträge stellen. Früher war die Klage berechtigt, daß der Grundbesitz bei der Veräußerung im Stempelwesen überlaftet sei. Nachdem aber die erste Börsensteuer im Reich gemacht ist, nachdem die Wechsel—⸗ stempelsteuer eingeführt ist, nachdem die erste Börsensteuer verdoppelt ist, nchdem wir nahezu 40 Millionen davon einnehmen, da hat die ganze Sache ein anderes Gesicht bekommen. (Zuruf: Ja, gewiß) Aber noch mehr, meine Herren, in diesem Gesetz selbst könnten, wenn man sich über Mehrbelastung beklagen wollte, die Herren des gewerblichen Lebens, der Handel und das Gewerbe, sich auch beklagen über Erhöhungen; lesen Sie nur das Kapitel über die Gesellschaftsbildung. Hier aber ge— schieht weiter nichts, als daß der bestehende Stempel vorläufig bleibt. Ich möchte daher die Meinung des Herrn Freiherrn von Manteuffel, daß es so leicht wäre, ein solches Gesetz auf den Berg, auf den es nunmehr gebracht ist, noch einmal hinaufzuwälzen, nicht aufkommen lassen.

Ober⸗Bürgermeister Struckmann und Ober⸗Bürgermeister Becker baten im Interesse , , des Gesetzes den Grafen Pfeil, seinen Antrag zurückjuziehen.

In namentlicher Abstimmung wurde der Antrag des Grasfen Pfeil mit 64 gegen 55 Stimmen abgelehnt.

Der Tarif und der Gesetzentwurf wurden sodann auf Vorschlag des Ober⸗Bürgermeisters Becker en bloc an— genommen. .

Die von der Kommision beantragten Resolutionen gelangten ebenfalls zur Annahme.

Die Gesetzentwürfe, betreffend die Erbschafts steuer und die Bewilligung von Staatsmitteln zur Ver— besserung der Wohnungsverhältnisse von Arbeitern, wurden ohne Debatte angenommen.

Namens der Budgetkommission berichtete Herr von Reiners dorff kurz über die Denkschrift, betreffend die Durchführung des Großschiffahrtsweges durch den Breslauer Stadtbezirk. Die Kommission beantragte, die Denkschrift durch Kenntnißnahme für erledigt zu erklären.

Graf von Frankenberg: Das jetzt endlich zur Ausführung kommende Projekt der Breslauer Oderkanalisierung halte ich für keine Verbesserung des früheren, denn der Großschiffahrtsweg soll nur 3 km statt 6 Km Länge erhalten, und ferner wird er bei Hochwasser nicht passierbar sein. Es ist aus dem Bericht nicht klar zu ersehen, ob die neue Schleuse immer vassiert werden muß oder ob fie nur bei Hochwasser funktionieren soll. Jedenfalls ist eine solche Schleuse immer ein Hinderniß. Im letzten Abschnitt ist für mich der folgende Satz dunkel: In dem Abkommen ist der Wunsch der Stadt Breslau wegen künftiger Entlaftang von der sie gefaͤhrdenden Hoch⸗ wassermenge Rechnung getragen und zu diesem Behufe von der Stadt⸗˖ bauverwaltung die Verpflichtung übernommen worden, die Möglichkeit der Vermehrung der Hochwasserführung durch die Alte Oder um 200 ebm in der Sekunde aufrecht zu erhalten. Ich entnehme daraus, daß die Staatsregierung für die Zukunft eine noch größere Entlastung der Stadt vom Hochwasser in Aussicht genommen hat. Das wird in dem vorbezeichneten Umfange nicht billig sein, und die Hoffnung auf eine Ersparniß, die der Bericht ausspricht, wird sich schwerlich erfüllen. Ferner möchte ich mein Bedauern aus- sprechen, daß der Kangl doch nicht so breit ausgeführt werden soll, daß überall jwei Schiffe aneinander vorüberfahren können. Mir ist

esagt, daß an sechs Stellen, d. b. in Zwischenräumen von G6 Em, le reid cen angelegt werden sollen. Das ist für die große Schiff⸗ fahrt auf der Oder ein Hinderniß, das später zur Verbreiterung des Kanals nöthigen wird, und es werden sich hier die finanziellen Er— fahrungen, die man beim Kanal von Fürstenwalde nach der Spree gemacht hat, wiederholen. . ;

Geheimer Ober Baurath Keller erwiderte, daß die Schleuse

nur eine Flutbschleuse sein soll, die fortwäbrend geöffnet und nur dann geschlofsen wird, wenn Hochwasser vom Kanal abgehalten werden muß. Die Entlastung der Stadt Breslau vom Hechwasser solle durch Erweiterung des Strauchwehrs geschehen. Man habe zu diesem Zweck die Profile entsprechend gelegt und die Dämme entsprechend eschoben. Die ganze Anlage werde sich billiger gestalten, weil das 36 etwas eingeschränkt worden sei. Ausweichstellen befänden sich nicht bloß an sechs Stellen, sondern es beständen noch Privatanlagen von Adjazenten, die außerhalb des Fabrwassers Ausladestellen für ihre Güter auf eigene Kosten eingerichtet haben. .

Das Haus schloß sich dem Antrage der Kommission an.

Die Nachweisungen über die in den beiden Etats jahren vom 1. April 1893/94 und 1894̃95 auf Grund des Gesetzes vom 14 Juli 1893 zu Elementarschulbauten gewährten Stagtsbeihil fen wurden durch Kenntnißnahme erledigt.

Die Budgetkommission berichtete hierauf über die Rech⸗ nungen der Kasse der Ober⸗Rechnungskamm er fuͤr das Jahr vom 1. April 1893 bis 1894. Auf Antrag der

Kommission wurde über die Rechnungen, soweit dieselben sich

auf die preußische Verwaltung beziehen, in Uebereinstimmung mit dem Hause der Abgeordneten Decharge ertheilt. Dieselbe Kommission beantragte, über eine Petition von Verwaltungs— beamten der Orts⸗Krankenkassen und Berufsgenossenschaften in Berlin um Gewährung des Steuerprivilegiums der Staats⸗ beamten zur Tagesordnung überzugehen. Das Haus beschloß dem Antrage gemäß. ; Auf Antrag der Kommission für Eisenbahnangelegenheiten wurde über eine Petition um Erwirkung ermäßigter Güter⸗ tarife auf den preußischen Staatseisenbahnen für die n . rung von Futtermitteln und Saatgetreide, welche von Land⸗ wirthen für den eigenen Wirthschaftsgebrauch bezogen werden, zur Tagesordnung übergegangen. 966. der nn,, Uhr. i

Nächste Sitzung: Dienstag L/ Uhr. (Jagdscheingesetz)

Haus der Abgeordneten.

88. Sitzung vom Montag, 8. Juli. 5 den Beginn der Sitzung ist gestern berichtet worden.

Den 4 Gegenstand der Tagesordnung bildete die Berathung des in abgeänderter Fassung vom Herrenhause dr, . Gesetzentwurfs, betreffend die Abände⸗ rung und Ergänzung einiger Bestimmungen des Kommunalabgabengesetzes vom 14 Juli 1893

Art. 1 des Gesetzentwurfs wurde in der ihm vom Herren⸗ hause gegebenen Fassung angenommen.

Im Art. 2 3 50 hat das Herrenhaus einen Satz ein— geschaltet, der ausdrücklich feststellt, daß der für das Gesammt⸗ einkommen berechnete Steuersatz auf die verschiedenen Wohnsitz⸗ gemeinden des Zensiten nach der Zahl derselben gleichmäßig vertheilt wird.

Abg. Im Walle (Zentr.) hielt den Zusatz für äberflüssig, weil der § 45 schon eine entsprechende Bestimmüng enthalte.

Geheimer Ober-Regierungs Rath Noe ll bemerkte, der Zusatz sei nothwendig, weil der 5 49 nur das Verhältniß zwischen Wohnfitzgemeinden und Forensalgemeinden regele, in S530 es sich aber um das Verhältniß von k zu Wohnsitzgemeinde handle. . Art 3 des Gesetzentwurfs wurde darauf gleichfalls in der Fassung des Herrenhauses angenommen.

Damit war die Tagesordnung erledigt.

1 1 von Köller erklärte sodann, es sei ihm nicht möglich, eine Tagesordnung für eine nächste Sitzung festzustellen, bevor die noch ausste henden Entscheidungen des Herrenhauses über die dort zur Ver⸗ bandlung kommenden Gegenstände gefallen feien. Er werde daher die nächst: Sitzung nach den Umständen anordnen. Abg. Freiherr von Heerem an (Jentr) bemerkte: wobl allseitig sei das Gefũhl im Hause verbreitet, daß es bedauerlich sei, daß so viele Petitionen unerledigt blieben. Das Petitionzrecht sei ein ver⸗ fassungsmäßiges Recht; es werde aber illusorisch gemacht, wenn das arlament die eingegangenen Petitionen garnicht in Berathung nehme. ie Schuld an diesem in der abgelaufenen Seffion befonders ftart hervorgetretenen Uebelstand liege auf verschiedenen Seiten. Einmal habe man im Haufe zu viel und zu lang über Dinge gesprochen, die mit einer kürzeren Verhandlung abgethan gewesen waren. Noch mehr Schuld aber treffe die Regierung, welch: wichtige Vorlagen erst in einem sehr vorgerückten Stadium der Seffion eingebracht habe, und er glaube im Namen des ganzen Hauses zu rechen, wenn er die Bitte an die Staatsregierung richte, solche Vorlagen fruüber zur Verhandlung zu stellen. Für eine ruhige und sachgemäße Behandlung der Petitionen sei es jetzt zu spät, obwohl verschiedene derselben eine sorgfaͤltige Prüfung verdlenten, fo namentlich die Petitionen betreffs der Sicherstellung der Forderungen der Bauhandwerker. Er hoffe, daß man in der nächsten Sefston durch eine sorgfältigere Einhaltung der Schwerinstage und eine größere Fürsorge für die Petitionen eine Wiederkehr des jetzigen Uebelstands vermeiden werde.

Abg. von Eynern (nl) schloß sich diesen Ausführungen an, war aber der Ansicht, daß die Regierung an dem Mißstande weniger Schuld trage als das Haus selbst, welches bon den Mitgliedern mit Initigtivanträgen überschuttet worden sei.

Präsident von Köller wies darauf hin, daß die Geschäfts—

ordnung der Berathung von Petitionen enge Grenzen ziehe, da die Petitionen und Initiativanträge nur in der Reihenfolge zur Be— rathung kämen, in der sie für die Behandlung im Plenum fertig ge— stellt würden. Abg. von Dett en (Zentr.) war der Ansicht, daß die Unzu— stiedenbeit im Lande über die Behandlung der Petitionen durch das Haus allgemein sei. Es sei dringend nothwendig, hier Remedur ein- treten zu lassen.

Abg. Freiherr van Zedlitz und Neukirch (fr. kons.) theilte den Wunsch des Abg. Freiherrn don Heereman, daß die Regierung wichtige Gesetzentwũürfe möglichst frühzeitig einbringe, und sprach die a aus, daß in der nächsten Session durch eine strengere Ein=

altung der Schwerinstage eine Besserung herbeigeführt werde.

Schluß der Sitzung 121 Uhr.

Kunsft und Wissenschaft.

Sechsunddreißigste Plenarversammlung der historischen Fommission bei der Königlich baverischen Akademie der Wissenschaften. Bericht des Sekretariats.

München, im Jrni 1895. Die Plenarversammlung hat 9 Allerhöchstem Befekl in der Pfingstwoche am 7. und W Juni stattgefunden. Der Vorstand der Kommission, der Wirkliche Gebeime Rath von Sy bel, Sxcellenz; war auch diesmal durch Unwohlsein und ärztliche Anordnung gehindert, die Reise nach München zu unternehmen. Den Statuten gemäß übernahm der Sekretär der Kommission, Professor Cornelius, die Leitung der Verhandlungen, an welchen außer ihm folgende ordentliche Mitglieder theilnahmen: die Geheimen Regierungs⸗Räthe mm ler und Wattenbach und Professor Lenz aus Berlin, der Geheime Rath von Hegel und Professor von Bezold aus Erlangen, Pro— fessor Huber aus Wien, Professor Mever von Knonau aus Zürich, der Geheime Hofrath von Rockinger, der Geheime Rath von Maurer, der Ober ⸗Konsistorial-⸗Rath Preger, der Ober⸗ Bibliothekar Riezler, die Professoren Heigel, Stie ve und Lossen von hier; ferner die außerordentlichen Mitglieder Professor Quidde von hier und Dr. Wrede aus Göttingen.

Seit der letzten Plenarversammlung, Mai 1894, sind folgende Publikationen durch die Kommission erfolgt:

1) Allgemeine deutsche Biographie. Sd. WXXTVIN, Lieferung 2 und 3. Bd. TXXVIII. Bd. XXXL, Lieferung 1, 2, 3.

2) Chroniken der deutschen Städte. Bd. TXIII: Bd. IV der Chroniken der Stadt Augsburg.

3 ö und Akten zur Geschichte des dreißigjährigen Kriegs.

Die Hansereze sse werden mit dem nächsten, dem 8. Band, abschließen. Derselbe ist so weit vorbereitet, daß der ausgeber, Dr. Koppmann, im August den Druck zu beginnen hofft.

Die Chroniken der deutschen Städte, unter der Leitung des Geheimen Raths von Hegel, sind bis zum 24. Band fort- geschritten, dem dritten und letz ten in der Reihe der niederrheinischen und westfälischen Städtechroniken. Derselbe ist im Druck begriffen. Er wird Auszüge aus den Stadtbüchern von Soest und die von dem Priester Johann von Wassenberch verfaßte Chronik von Duisburg in den Jahren 1474 1517 enthalten, beides von Archivar Ilgen in Münster bearbeitet, welcher auch eine Geschichte der Ver= fassung von Soest hinzufügen wird.

Die Jahrbücher des Deutschen Reichs unter Otto II. und Otto III, hofft Dr. Uhlirz im Laufe dez Jahres 1896 druckfertig zu stellen. Die Arbeit für die Jahrbücher unter Heinrich IV. und Hein— rich . bat Professor Meyer von Knonau unterbrechen müͤssen, um Zeit für die Biographie Georg's von Wyß und die Herausgabe von dessen Werk über die dich e r i n der Schweiz zu ewinnen. Er wird sich jetzt wieder dem dritten Band seiner Jahr ücher zuwenden. Dr. Si monsfeld arbeitet fortdauernd für die Jahrbücher unter Friedrich J. Die Arbeit für die Jahrbücher unter

riedrich II. liegt in den Händen des Geheimen Hofraths inkelmann. .

Von der Geschichte der wier in Deutschland sind noch im Rückstand die Geschichte der Geologie vom Geheimen Rath von Zittel, die Geschichte der Physik , , . Karsten und die von Professor Lands berg übernommene Vollendung von Stintzing s