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Nichtamtliches. Deutsches Reich.
Preußen. Berlin, 2. November.
Seine Majestät der Kaiser und König empfingen gestern Abend 6 Uhr 15 Minuten auf der Wildparkstation Seine Majestät den König von Portugal und ge— leiteten Allerhöchsidenselben zu Wagen unter Begleitung einer militärischen Eskorte nach dem Neuen Palais, woselbst Ihre Majestät die Kaiserin und Königin den hohen. Gast begrüßten. Am Bahnhof sowie am Neuen Palais waren Ehrenwachen aufgestellt. Abends 8 Uhr fand bei Ihren Majestäten Familientafel statt, an welcher die in Potsdam anwesenden Prinzen theilnahmen.
Heute Vormittag von 9 Uhr ab nahmen Seine Majestät der Kaiser die Vorträge des Chefs des Generalstabs der Armee und des Chefs des Militärkabinets entgegen.
Ueber den Empfang Seiner Majestät des Königs von Portugal wird dem „W. T. B.“ berichtet: Zu Ehren des hohen Gastes Ihrer Majestäten war der für den Allerhöchsten Hof bestimmte Bahnhof Wildpark in schönster Weise festlich geschmückt. Auf dem mittleren Bahnstei war ein Königszelt in den portugiesischen Farben ie el. errichtet worden, dessen Dach von einer aus Lau gewundenen Königskrone, geschmückt mit blauen und weißen Blumen und solchen in den deutschen Farben, überragt wurde. Flankiert war das Dach von vier Flaggen⸗ masten, welche deutsche und portugiesische Fahnen trugen. Die ganze Bahnhofsanlage war taghell erleuchtet. Um 6i/ Uhr Abends lief der Sonderzug des Königs in den Bahnhof ein, wo Seine Majestät der Kaiser und König den hohen Gast erwarteten. Außer Seiner Majestät waren auf dem Bahnhofe anwesend: Seine Königliche Hoheit der Prinz Friedrich Leopold, die in Potsdam wohnenden Prinzen des Königlichen Hauses, der Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Staats⸗Minister Freiherr von Marschall, ahlreiche andere hohe. Würdenträger, der Polizei⸗ ö von Potsdam, sowie die Offiziere des Allerhöchsten Hauptquartiers. Auf dem Bahnsteig hatte eine Kompagnie des Garde⸗Jäger⸗Bataillons mit der Fahne und den Hornisten des Bataillons als Ehrenwache Aufstellung genommen; die direkten Vorgesetzten des Bataillons waren ebenfalls zugegen. Beim Einlaufen des Sonderzugs intonierten die Hornisten der Garde-Jäger die portugiesische Nationalhymne. Die gegen⸗ seitige Begrüßung der Beiden Monarchen war eine äußerst ö Seine Majestät der Kaiser stellten auf dem Bahnsteig dem König zunächst die anwesenden Prinzen vor, dann wurde die Front abgeschritten, und die Kompagnie des Garde— Jäger⸗Bataillons defilierte. Beide Majestäten fuhren hierauf in einem offenen Vierspänner mit Vorreitern, eskortiert von einer Eskadron des Regiments Gardes du Corps, nach dem Neuen Palais. An dem Wege dorthin bildeten die Mannschaften des Lehr⸗Infanterie⸗Bataillons mit Magnesiumfackeln Spalier. Die Anfahrt der Majestäten vor dem Neuen Palais erfolgte an der Gartenseite des Muschelsaales. Auf der Gartenterrasse, am Mitteleingang, stand die Leib⸗ Kompagnie des 1. Garde-Regiments z. F. als Ehrenwache, welche den König ebenfalls mit der durch das Musikkorps des Regiments ausgeführten portugiesischen Nationalhymne empfing und nach dem Abschreiten der Front defilierte. Am Muschelsaale hatten ein Zug der Schloßgarde⸗Kompagnie und der zweite Zug der Leib⸗Gendarmerie Aufstellung genommen. Im Neuen Palais begrüßten alsbald auch Ihre Majestät die Kaiserin und Königin und die älteren Prinzen Soͤhne den hohen Gast. Abends 8 Uhr fand bei Ihren Kaijerlichen und Königlichen Majestäten im Apollo⸗Saale des Neuen Palais Familien— tafel statt.
Seine Majestät der König von . hat, wie „W. T. B.“ ferner meldet, im Neuen Palais die zu ebener Erde gelegenen Rothen Kammern bezogen. Allerhöchstderselbe begab sich heute Vormittag um 10 Uhr zu Wagen nach Pots⸗ dam und legte im Mausoleum bei der Friedenskirche am Sarge Seiner Majestät des Hochseligen Kaisers Friedrich einen prachtvollen Lorbeerkranz nieder. Sodann stattete der König in Klein ⸗Glienecke und Potsdam den dort wohnenden Prinzen und Prinzessinnen Besuche ab. Das Frühstück nahm der König bei den Erbprinzlich Hohenzollern schen Herrschaften ein und fuhr gegen A Uhr Nachmittags mittels Sonderzuges nach Berlin, um auch den hier wohnen⸗ den Fürstlichkeiten Besuche zu machen. Um 5 Uhr Nach⸗ mittags gedachte Seine Majestät nach dem Neuen Palais zurückzukehren, woselbst Abends um 7 Uhr zu Ehren des Königs, und zwar im Marmorsaale, Galadiner zu etwa 150 Gedecken i ind n Um S8is Uhr Abends findet im Neuen Palais eine Theater-Aufführung durch das Personal des Königlichen Schauspielhauses statt. Zur Darstellung ge⸗ langen die Lustspiele „Militärfromm“ und „Mißverständnisse“.
Der Kolonialrath setzte am Donnerstag Nachmittag seine Verhandlungen über die Landfrage in Ost -Afrika fort. Nach Erledigung dieses Gegenstandes und nachdem eine Kom⸗ mission für die Berathung des Gesetzentwurfs über das Aus⸗ wanderungswesen gewählt worden war, wurden die Sitzungen des Kolonialraths vertagt.
Die Kommission besteht aus den Herren Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg⸗Schwerin, Staats⸗Minister von Hof⸗ mann, Staatssetretär a. D. von Jacobi, Dr. Scharlach, Dr. Schröder, Adolf Woermann, Dr. Wiegandt.
In der Türkei hat das zuletzt im Februar 1884 ein⸗ heitlich geregelte Paßwesen (vergl. Nr. S3 des „Reichs—⸗ Anzeigers“ vom 5. April 1884 unter „Türkei) einige Ab— änderungen durch eine Verordnung vom 7. Djemazi⸗ul⸗ Akhir 1312 (6. Dezember v. J.) erfahren, aus der wir im Interesse der nach der Türkei reisenden Deutschen Folgendes hervorheben. 3
Ein Paßzwang besteht in der Türkei nach wie vor, und die Pässe můͤffen auch jetzt noch von der türkischen diplo⸗ matischen Vertretung oder von einem türkischen Konsulat in dem Lande, von wo die Reise angetreten wird, mit einem im allgemeinen nur für eine Reise gültigen
Visa versehen sein, wofür die bisherige Gebühr von
Piastern oder 4 S6 beibehalten ist. Kommt in⸗ dessen der Reisende aus einem Lande, wo sich keine türkische Vertretung befindet, und berührt er nur auf der Reise ein Land, wo ein türkischer Vertreter wohnt, so braucht er jetzt nicht mehr, wie ie. die Visierung seines Passes dort nach⸗ holen zu lassen, sondern es genügt ein ordnungsgemäß von der Heimathsbehörde ausgestellter Paß.
ehlt diesen erf , zuwider das Visa auf dem Paß
des Fremden, so muß er die doppelte 53 von 40 Piaster zahlen. Ist er überhaupt ohne Paß, so muß er sich binnen 148 Stunden, während deren er polizeilich überwacht wird, einen von dem Konsulat seines Heimathlandes aus⸗ gestellten Paß oder eine gleichwerthige amtliche Bescheinigung verschaffen, widrigenfalls ihm das Betreten des türkischen Gebiets untersagt wird; außerdem muß dann die doppelte Visagebühr gezahlt werden. . .
Der Paß muß bei der Ankunft der zuständigen Behörde vorgelegt werden. Die bisher für alle Fremden bestehende Pflicht, sich binnen 6 Monaten nach der Ankunft eine Auf⸗ enthaltskarte zu lösen, ist dagegen in Wegfall gekommen.
Der General der Infanterie von Grolman, Gouver— neur des Invalidenhauses hierselbst, hat Berlin verlassen.
Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Senator der freien Hansestadt Bremen Dr. Pauli ist von Berlin abgereist.
Bayern.
Wie die „Augsburger Abendzeitung“ meldet, betraute Sine Königliche Hoheit der Prinz⸗Regent den Hofmarschall Grafen Seinsheim mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Oberst⸗Kämmerers und ernannte den Premier⸗-Lieutenant Grafen Moy zum Zeremonienmeister.
Reuß j. L.
Der Landtag überwies in seiner gestrigen Sitzung den Etat und eine Anzahl von Vorlagen, sowie einige Petitionen zur Vorberathung an die Ausschüsse. Der Ankrag der Re⸗ gierung auf gerichtliche Verfolgung des Verlegers und des Druckers eines ö, Wahlflugblattes wegen Beleidigung des Landtags (dicht, wie irrthümlich von „W. T. B.“ gemeldet worden war, des Ministeriums) wird in der nächsten öffentlichen, noch unbestimmten Sitzung zur Verhandlung kommen.
Samburg.
Der Senat hat der Bürgerschaft den Etatsentwurf für 1896 vorgelegt, der in Einnahme mit 80 863 578,42 M, in Ausgabe mit 81 961 52742 M, also mit einem Fehibetrage von 1097 949 „6 abschließt. Der Senat beantragt, 5 Einheiten der Einkommensteuer zu erheben.
Deutsche Kolonien.
Im „D. Kolonialbl.“ wird ein Gouvernementsbefehl des Kaiserlichen Gouverneurs von Deutsch-Ostafrika Br. von Wissmann vom 29. September d. J. veröffentlicht, laut dessen er an diesem Tage die Geschäfte des Gouvernements übernommen, den Regierungs⸗Rath Dr. Bumiller mit der Führung der Ge— schäfte des abwesenden Chefs der Finanz-Abtheilung, den Kom⸗ pagnieführer Freiherrn von Eberstein mit der Führung der Geschäfte des Bezirksamts Kilwa, den bisher mit seiner Ver— tretung betrauten Beamten Berg mit der Führung der Ge—⸗ schäfte des Bezirksamts Lindi beauftragt, und den zum Aus— wärtigen Amt kommandierten Hauptmann Heymons dem Gouvernementsbureau zugetheilt hat.
Des weiteren enthält das „D. Kolonialbl.“ eine Ver⸗ ordnung des Kaiserlichen Gouverneurs von Deutsch⸗Ostafrika vom 25. September d. J., . das Schürfen innerhalb dieses Schutzgebietes betrifft. Ihren Vorschriften unterliegt die Aufsuchung folgender Mineralien: Edelsteine, Edelmetalle (Gold, Silber, Platin) und andere Metalle, gediegen oder als Erze, Mineralien, welche wegen ihres Gehaltes an Schwefel oder zur Darstellung von Alaun, Vitriol und Salpeter verwendbar sind, Steinkohle, Braunkohle und Graphit, Bitumen in festem und fili Zustande. Wer schürfen will, hat bei der Bergbehörde, deren Aufgaben von dem Gouverneur wahrgenommen werden, um Ertheilung der Erlaubniß nachzusuchen. Die Schürferlaubniß, welche über— tragbar ist, wird für die Dauer von sechs Monaten ertheilt. Für dieselbe ist monatlich, von der Ertheilung ab, im voraus eine Gebühr von fünf Rupien zu entrichten. Wird die Gebühr nicht bei der Fälligkeit gezahlt, so ist die Schürf— erlaubniß erloschen. Die Schürferlaubniß giebt dem Inhaber das Recht, in dem Gebiet, für welches sie ertheilt ist, auf einer von ihm zu wählenden kreisförmigen Fläche von zwei Kilometer Durchmesser zu schürfen und dabei Andere von dem Schürsen auf dieser Flache auszuschließen. Der Schürfer ist ferner berechtigt, während der Dauer seiner Schürferlaubniß nach Anweisung der Bergbehörde und vorbehaltlich der dem Grundeigenthümer etwa zu gewährenden Entschädigung eine Bodenfläche von höchstens zwei Hektar zur Errichtung der erforderlichen Baulichkeiten und zum Weiden von Zugthieren und Vieh zu benutzen. Grundstücke, auf welchen das Schürfen untersagt ist, dürfen hierzu nicht gewählt werden. Der Schürfer, welcher einen Fund macht, hat der nächstgelegenen Verwaltungsbehörde unter möglichst
enauer Bezeichnung der Fundstelle und Einsendung einer robe Anzeige zu erstatten. Die Verwaltungsbehörde ist ver⸗ pflichtet, die Anzeige unverzüglich an die Bergbehoörde weiter zu reichen. Die Bergbehörde hat fel enen, ob das Mineral am Fundorte in abbauwürdiger Beschaffenheit vorkommt. Wird ein ol Vorkommen festgestellt, so hat die erstattete Anzeige die Wirkung, dem Schürfer für die Gewinnung des Minerals die Rechte des Finders zu wahren. Die näheren Bestimmungen über den Inhalt und Umfang dieser Rechte bleiben vorbehalten. . .
Ueber seine Inspektionsreise im Süden des Schutzgebiets Deutsch⸗Ostafrika berichtet der Kaiserliche Gouverneur unter dem 1. Oktober d. J. Folgendes:
Ich besuchte zunächst das Rufidji⸗Delta, welches das Usambara des Südens zu werden verspricht. Den nördlichsten Arm des riesigen Deltas flußaufwärts dampfend, machte ich zu meiner Freude die wiederholt sich aufdrängende Beobachtung, daß wir in dem dort wachsenden Mangrovenwald einen derartig enormen Reichthum an guten Hölzern haben, daß eine Abnahme desselben in absehbarer Zeit . dann nicht zu befürchten ist, wenn unsere ganze Kolonie und der
pet Theil der afrikanischen Ostküste aus diesem Reservoir sich ver⸗ orgen würden. Für unsere baulichen , i. gewinnen gerade die Mangrovenhöljer deshalb an Werth, weil sie die einzige Holzart sind, welche dem Termitenfraß erfolgreichen Widerstand bietet.
ch sah mich veranlaßt, der Frage der Schlagegebühr und des auf Holzausfuhr ruhenden Zolles näher zu treten, und mußte feststellen, daß infolge der unverhältnißmäßig hohen Besteuerung der Holzschlag außerordentlich zurückgegangen ist. Ich beabsichtige infalgedessen, die cee n m n, die bisher in Höhe von 30 ,½ vom Werthe, sowie den Zoll, der bisher in Höhe von 100s0 vom Werthe erhoben wird, künftig bedeutend herabzusetzen, und habe die Ueberzeugung, daß nicht nur der Selscheg in wünschens⸗ werther Weise wieder sich bedeutend vermehren, sondern daß mit dieser Maßregel auch unsere Einnahmen wachsen werden. Es scheint mir der Erwägung werth, ob es sich nicht empfehlen dürfte, durch einen erfahrenen Forstmann eine rationelle Ausforstung des Delta⸗ gebiets einzuleiten. Vom nördlichsten Arme des Rufidfi, etwa 15 Seemeilen stromaufwärts von der Mündung, ging ich über Land nach unserer am südlichsten Arme des Deltas gelegenen Versuchs—⸗ plantage Mohorro. Wie solches in einem Delta erklärlich, führte der Marsch durch fast absolute Ebene, die von unzähligen, zum theil aber nur zeitweise laufenden Wasserarmen und Tümpeln durchbrochen war. In der ganzen Gegend fand ich schönen tiefschwarzen Boden.
Die Versuchsplantage Mohorro ist noch nicht eingehend genug
mit der Kultur ergiebiger Tropenpflanzungen fortgeschritten, um ein endgültiges Urtheil abgeben zu können. Zuvörderst sind nur größere Landstrecken urbar gemacht und einheimische Körnerfrüchte gevflanzt worden. Immerhin beweisen die Samenbeete, die zum großen Theil schon aufgegangen sind, daß jede nur denkbare Niederkullur in diefem Delta möglich sein muß.
Da eine bedeutende Anzahl von Pflanzungen unmittelbar an den mächtigen Wasserarme des Deltas angelegt werden können, so sind die Verkehrsbedingungen für eine Abfuhr der Produkte nach der See hervorragend günstige zu nennen. Ich habe einen derzeit die Küste bereisenden Pflanzer, der sich in Usambara ankaufen wollte, eingelazen, sich die Verhältnisse am Delta mit anzusehen. Der betreffende Herr wird sich nunmehr voraussichtlich im Rufidjidelta niederlassen, um dort das erste Privatunternehmen ins Leben zu rufen. In der That finden sich an den Ufern des Deltas eine große Anzahl der schönsten Ansiedelungsplätze. Die vielfach vorhandenen prachtvollen Mango—⸗ bäume und Palmen versprechen ein ebenso reizvolles wie schattiges Heim abzugeben. Es wäre wirklich außerordentlich wünschenswerth, die Aufmerksamkeit privater Unternehmer auf diese günstigen Ansiedelungs⸗ bedingungen hinzulenken.
Dem Rufitj⸗Dielta ist ein ganzer Insel⸗Archipel vorgelagert, die zum größten Theil im Laufe der Jahrhunderte sich auf Korallen auf— gebaut hahen. Die größten der Inseln, wo sich Trinkwasser vorfindet, sind bewohnt und zwar angesichts der Heuschreckenplage sogar ziemlich dicht bevölkert. Sie scheinen ebenso günstige Vorbedingungen für den Landbau als auch vornehmlich für die Viehzucht zu bieten. Von der kleinen Insel Schole aus, wo sich die Hauptansiedelung des ganzen Inselbereiches vorfindet, besuchte ich die größte der Inseln, die den Namen Mafia führt. Mafia zeigt überall da, wo leichter Humus und Sand zurücktritt, rothen und fetten Boden. Die Insel, deren höchste Spitze sich wohl kaum über 25 m erhebt, ist von zahl reichen, das ganze Jahr hindurch fließenden Bächen durchschnitten. Auch finden sich eine größere Anzahl von kleinen Süßwasser⸗Seen und Teichen auf, der Insel zerstreut. Weit ausgedehnte Kokosplantagen sowie zahlreiche schattige Mangos geben derselben einen besonderen landschaftlichen Reiz. Ein Fruchtbaum, hier Mabibu, von den Por⸗ tugiesen, welche dessen Früchte zu einem starken Branntwein brennen, Caju genannt, wilde Dattelpalmen sowie Dickungen von wild wachsenden Ananas fielen mir bei der Durchquerung der schmalsten Stelle der Insel, die im Innern den Charakter der Parklandschaft trägt, beson⸗ ders auf. Der größte Theil von Mafia scheint unter Kultur zu stehen; Maniok, Bohnen, Erbsenbäume, süße Karteffeln, Bananen und Reis machen den Hauptbestandtheil der Pflanzungen aus. Körnerfrüchte, wie Mais und Hirse, werden indessen garnicht gebaut. Die Vieh⸗ zucht in Mafia steht höher als irgendwo in der Kolonie. Der Grund hierfür ist in dem Umstand zu suchen, daß die Insel von der Vieh⸗ seuche der Jahre 1890/91 verschont geblieben ist; dann aber auch, weil die dort wachsenden kurzen, weichen Gräser sich besonders für Rindvieh⸗ futter zu eignen scheinen. Ich habe indessen das Verbot der Rindvieh⸗ ausfuhr nach fremdem Besitz — insbesondere nach Sansibar — noch nicht aufgehoben, da mir der Viehbestand noch immer nicht hinreichend gesichert zu sein scheint. Kleinvieh und Esel, welch letztere übrigens nur zum Reiten benutzt werden, werden ebenfalls ausgiebig gezüchtet. Der Fischreichthum im ganzen Mafig Archipel ist ein großer, wie die große Anzahl von Herden jagender Delphine beweist. Während meiner Ab— wesenheit von Bord wurde ein Pottwal dicht am Schiff beobachtet, der an Länge den Dampfer ‚Robuma“ übertraf. Auch Schildkröten werden an dem Inselstrande häufig gefangen. Auf einer kleinen be⸗ nachbarten Insel besuchte ich eine Stelle, woselbst Fischer in der Höhlung eines Affenbrotbaums Hunderte von Schildkrstenschädeln aufgestapelt haben. Sie sehen dies wahrscheinlich als ein wirksames Zaubermittel an, das ihnen zu gutem Fange verhelfen soll. Auch der . dujong wird am Strande von Mafia beobachtet und häufig gefangen.
Von Wild kommt nur die Zwerg ⸗Antilope und das rothe Fluß⸗ schwein vor. Das letztere repräsentiert so ziemlich den eiagzigen Feind der Anpflanzungen und zwingt die Eingeborenen, ihre Felder mit starken Einfriedigungen zu versehen. Zahlreiche Sumpf- und Wasser⸗ vögel halten sich befonders an den kleinen Südmasserseen der Insel auf; Perl⸗ und Savannenhühner sowie unzählige Tauben ver⸗ vollständigen die Thier. Fauna. .
Der einzige Sport der nie durch Kriege oder sonstwie von außen her aufgestörten Eingeborenen besteht in dem Fange der Wildschweine, deren Fleisch sie jedoch perschmähen. Mit ausnahmsweise starken und guten Hunden werden die Schweine aus der Dickung herausgetrieben und von den Leuten mit Speeren erlegt. ö
Die Bevölkerung, aus Arabern, Beludschen und Küstenleuten als Besitzer der Schamben und ihren Sklaven bestehend, sowie aus einigen Indern, welche die Hauptexportartikel Kopra und Sesam aufkaufen, beschäftigt sich industriell nur mit dem Flechten sehr schöner Matten und mit dem Bau von Fahrzeugen, für welch letztere sie die Hölzer aus dem Rufidji⸗Delta holen.
Wenn irgendwo in Deutsch⸗Ostafrika die Verhältnisse der Anlage eines Sanatoriums günstig sind, so würde dies auf der südöstlich von Mafia liegenden Insel Schole der Fall sein. Diese Insel liegt dem Einfluß beider Monsune offen, und es können ihr weder von der Küste noch auch von der Insel Mafia irgend welche gesundheits—⸗ schädliche Mikroben zugeführt werden. Die landschaftliche Lieblichkeit der zum größten Theil im tiefen Schatten schöner Mangobäume liegenden Insel möchte das Ihre dazu beitragen, den Aufenthalt zu einem besonders angenehmen und reizvollen zu machen. Aus oben Gesagtem möchte hervorgehen, daß auch auf der Insel Mafia recht günstige Vorbedingungen vorhanden sind, die die Besiedelung durch deutsche Pflanzer empfehlen lassen. . ; .
Auf meinem Wege von Mafia nach Kilwa besuchte ich eine andere größere Insel, Songa⸗ Songa. Der von scharfkantigem Korallenfels gebildete Boden läßt dortselbst nur eine dürftige und niedrige Vegetation emporkommen. Die Einwohner einer i igt Insel befindlichen größeren Niederlassung leben hauptsächlich von Fisch⸗ fang und der sehr ausgedehnten Ziegen⸗ und ihne n ht Da es kein Raubwild giebt, weidet das Kleinvieh die Infel in ihrer ganzen Aus- dehnung ab und wird nur zeitweise dem Dorf zugetrieben., Erwähnens⸗ werth sind dort zwei tiefe, an ihren Wänden fast senkrechte Einbrüche, in deren Sohle sich die beiden einzigen, trinkbares Wasser gebenden Wasserstellen befinden. Da das Wasser doch immerhin noch einen ziemlich hohen Salzgehalt aufweist, ist es mir unbegreiflich geblieben, wie Menschen und Vieh hierbei bestehen können. ö
In Kilwa Kiwindie hielt ich mich auf der Hinreise nur kurze Zeit auf. Sie genügte aber, um mich über die unhaltbaren Ver bältnisse, die durch die Nachbarschaft des Räuberhauptmanns Hassan bin Omar geschaffen sind, mehr, als mir lieb war, zu unterrichten.
Dem stellvertretenden Sezirksamtmann gah ich Anweisung, alle kleineren unbewohnten Inseln des Mafia⸗Archipels, woselbst also nur Fischer verkehren, mit Kokospalmen anzupflanzen.
Ich stellte dem Bezirksamt einen der Zollkreuzer zur Verfügung und theilte die nördlichen Inseln des Mafia Archipels, welche bis dahin in Bezug auf Verwaltung zu Dar⸗es⸗Salam gehörten, dem Bezirksamt Kilwa zu.
In Lindi erwartete mich die gleiche unangenehme Nachricht, nur mit dem Unterschied, daß es hier der Mjaohäuptling Machemba war, der das Hinterland von Lindi beunruhigte und die von Lindi aus führenden Straßen gefährdete. ;
Von den englischen Missionsstationen Massasi und Newala traf bei meiner Anwesenbeit in Lindi die Bitte um den Besuch eines Gouvernements beamten ein, welcher die zwischen verschiedenen Häupt⸗ lingen ausgebrochenen Streitigkeiten, die schon zu Gefechten geführt hatten, schlichten sollte. Ich sandte daher den stellvertretenden Be— züksamtmann, Lieutenant Stentzler, mit 60 Mann dorthin und gab ihm gleichzeitig den Auftrag, auf dem Hinmarsch das nördliche Grenzgebiet Machembas, auf dem Rückmarsch das südliche zu rekognoszieren und alles in Erfahrung zu bringen, was später für einen eventuellen Strafzug gegen ihn bon Wichtigkeit sein könnte.
Herr Perrot, der schon früher in Usambara ein noch jetzt be⸗ siehendes Plantagenunternehmen ins Leben gerufen hatte, hat jetzt auf dem südlichen Ufer des Lindiflusses sich angekauft. Der Genannte ist über die dortigen günstigen Bodenverhältnisse so entzückt, daß er seinem derzeitigen Unternehmen eine schnellere Zukunft zuspricht als selbst den Pflanzungen in den Usambarabergen. Herr Perrot beab— sichtigt, hauptsächlich Liberiakaffee und Kokospalmen zu pflanzen, und zwar auf gutem rothen Boden mit günstigen Bewässerungsverhältnissen, der schon zum größten Theil von Eingeborenen gerodet war.
Von Lindi lief ich in dem Sudihafen ein, um den bedeutendsten Araber unserer Südküste Abd el Kadr zu besuchen, das Haupt von etwa fünfzig in jener Gegend ansässigen Arabern. Abd el Kadr hat ergiebige Geschäftsbeziehungen zu unserem Feind Machemba, was er auch offen eingesteht und was ihn stets dazu angehalten hat, den Aus—= bruch von Feindseligkeiten zwischen Gouvernement und Machemba zu verhindern. Die Meinungen über seine Aufrichtigkeit sind getheilt, und ich halte es für durchaus nicht unmöglich, daß die Araber bei noch längerem Zaudern des Gouvernements, gegen Machemba etwas zu unternehmen, an der Fähigkeit, dies Vorhaben auszuführen, zweifeln und sich Machemba anschließen werden, was nicht allein durch die be— deutende Anzahl ihrer Sklaven, sondern hauptsächlich infolge der un— liebsamen Thatsache selbst für uns ein die ganzen Verhaäͤltnisse er— schwerendes Moment sein würde.
Mikindani, wohin ich mich zunächst wandte, hat sich in seinem Verhältniß zu Lindi seit der Zeit, wo ich mit der Führung des Reichskommissariats beauftragt war, völlig geändert. Der Karawanen— handel hat sich nach und nach gänzlich von Lindi abgewendet und nach Mikindani konzentriert, wozu wohl hauptsächlich die unsicheren Ver— hältnise im Hinterlande von Lindi beigetragen haben mögen. Der Haupthandelsartikel in diesem Gebiet ist Gummi und zwar solcher von allererster Qualität.
In Mikindani ist kürzlich ein geräumiges, schönes Wohnhaus für Europäer gebaut worden und wird demnächst fertiggestellt werden. Außerdem sollten noch Kaserne, Pulverhaus, Wirthschafts« und Ver— waltungsgebäude aufgeführt werden, da — wie es hieß — das alte . unbrauchbar sei. Da solches nur bei dem oberen Stock des Vordergebäudes der Fall war, so befahl ich die Inangriffnahme der Ausbesserung des Forts, und wir werden dadurch nicht allein wieder eine uneinnehmbare Befestigang erhalten, sondern nun auch Räumlichkeiten, die für lange Jahre jeden Bedarf decken werden. Ein europäischer Pflanzer, Herr von Quast, der seit fünf Jahren hier ansässig ist und zunächst mit sehr un— günstigen Verhältnissen zu kämpfen hatte, ist jetzt auf dem Punkt angelangt daß er sich auch ausgedehnteren Kaffee und Kokospflanzungen zuwenden kann. Nur wenige Seemeilen südlich des schönen Mikindani— bafens fuhr ich in Mtwa ra ein, vielleicht dem besten Hafen unserer ganzen Ostküste. Die Einfahrt sowohl wie die Geräumigkeit als auch der ge— botene Schutz entsprechen jeglicher Anforderung. Bequem könnte hier die gesammte Kriegeflotte des Deutschen Reichs vor Anker gehen; auch wäre auf die denkbar efnfachste Art die Einfahrt in den Hafen zu befestigen. Von dieser hafenreichen Küste wandte ich mich zur Rovumamündung und versuchte mit dem mich begleitenden Zollkreuzer den Fluß auf— wärts zu gelangen. Dieses Vorhaben mußke leider aufgegeben werden, da der Rovuma in seinem Unterlauf so breit und versandet, in seinem Mittellauf so voller Felsenbarren und Steine ist, daß wir auf die Aussicht, ihn zu dem Verkehr nach dem Innern zu benutzen, verzichten müssen. Nachdem besuchte ich das seit meiner Abwesenheit dem deutschen Gebiet zugefügte Kionga und traf dort Anordnungen zu den sür die Verwaltung nöthigen Bauten.
Auf meiner Rückfahrt lief ich die vorher nicht berührten, zum Amtsbezirk Kilwa gehörigen Häfen und Orte Kiswere und Kilwa Kissiwani an. Ersterer Ort, vor einiger Zeit von Hassan bin Omar verbrannt, war im Wiederaufbau begriffen. Letzteres, mehrfachen Räubereien desselben Häuptlings ausgesetzt, war von dem größten Theil der Bevölkerung . Die fast leere Stadt mit den mächtigen Ruinen, die in früheren Jahrhunderten von Portugiesen. Arabern und Per⸗ sern erbaut wurden, machte einen um so traurigeren Eindruck als Kissiwani einst mit Mombassa die mächtigste Stadt an der ganzen Ostküste gewesen ist. Den Morgen nach meiner nur wenige Stunden dauernden An—⸗ wesenheit sind abermals Räuberbanden des Hassan bin Omar dort eingefallen, und ich erfuhr bei meiner Ankunft in Dar⸗es⸗-Salam, daß schon an der ganzen Küste die Nachricht verbreitet sei, Hassan bin Omar habe im Sinne gehabt, mich bei dem dort angesagten und bekannt gewordenen Besuch aufzuheben. In Kilwa Kiwindje traf ich den unlängst vom Urlaub zurückgekehrten Bezirksamtmann Freiberitn von Eberstein und beauftragte ihn, sich möglichst über diejenigen Verhältnisse bei Leffe bin Omar zu unterrichten, welche bei der dringend nothwendig gewordenen Strafexpedition von Wichtigkeit sein könnten. Zum Schluß ist noch zu erwähnen, daß der größte Theil der an den Küstenorten an⸗ sässigen Inder sich von mir bewegen ließ, ihren arabischen oder sonstigen Schuldnern in Anbetracht der hoffentlich nun überwundenen a d g,, leichtere Bedingungen zu stellen. Am 28. Sep⸗ tember traf ich wieder in Dar⸗es⸗Salam ein, woselbst ich den „See⸗ adler im Hafen liegend vorfand. 3
Kilwa wurde am 18. August unter Betheiligung der dortigen Europäer und der zahlreich versammelten farbigen Bevölkerung die feierliche Enthüllung einer von der Deutsch— . Gesellschaft dem Andenken ihrer im Aufstande des Jahres 1888 gefallenen Beamten Krieger und Hessel gewidmeten Gedenktafel vorgenommen. Dieselbe ist an dem früheren Gesellschaftshause, jetzigen Polizeihause, in welchem die Genannten ihren Tod fanden, angebracht.
Der Kaiserliche Gouverneur des Schutzgebietes Kamerun von Puttkamer hat sich wegen Erkrankung nach Las Palmas begeben. Seine Vertretung wird von dem Kanzler 2. i.
Seitz wahrgenommen.
Großbritannien und Irland.
Der Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha ist gestern Nachmittag in London eingetroffen und hat dem i. von Wales einen Besuch abgestattet.
Die „London Gazette“ meldet, daß der frühere Ober⸗ befehlshaber des Heeres, der Herzog von Cambridge, zum obersten persönlichen Adjutanten der Königin und zum Chef⸗Ehren⸗Oberst der Armee ernannt worden sei.
Lord Wolseley hat vorgestern Abend einen Spezial⸗ Armeebefehl erlassen, worin er erklärt, er übernehme, gehorsam
dem Befehl der Königin, das Kommando der Landstreitkräfte der Krone als Nachfolger des Herzogs von Cambridge. Er werde suchen, die großen Traditionen der englischen Armee aufrecht zu erhalten, und rechne vertrauensvoll auf die loyale Unterstũ 4. aller Mitglieder des Heeres bei dem Wunsch, die militärische Kraft des Heeres zu heben.
Bei den gestern in England und Wales vorgenommenen Munizipalwahlen ergab sich bis Mitternacht, daß die Konservativen 55 Sitze, die Liberalen 38 Sitze, die Unab⸗ hängigen 5 Sitze, die Arbeiterpartei 3 Sitze errungen haben.
Zur Uebung bei den Infanterie⸗- und Artillerie⸗Truppen— theilen der Garde, zwei Bataillonen der 49 Reserve⸗Infanterie— Brigade und der 23. Artillerie⸗Brigade im Lager von Kraßnoe Selo waren, wie der Russ. Invalide“ mittheilt, 3357 Reserven und zwar 3090 Infanteristen und 267 Ar— tilleristen eingezogen. Sie waren zu einem Detachement von fünf kombinierten Bataillonen und drei Batterien zusammengestellt. Bei der Besichtigung derselben durch den Ober⸗-Kommandieren⸗ den, Großfürsten Wladimir, wurden die Kompagnien, ein kombiniertes Bataillon und zwei Batterien in allen reglemen— tarischen Formen gesehen. Trotzdem daß ein Drittel der Reservisten nur ein Jahr gedient hatte, und davon zwei Drittel zum Jahrgang 1885 gehörten, soll die Besichtigung zur vollen Zufriedenheit ausgefallen sein.
Frankreich.
Der König von Griechenland ist gestern Abend von Paris nach Wien abgereist.
Decrais hat die Annahme des Portefeuille des Aeußern mit der Begründung abgelehnt, daß er das Verlangen habe, in der Zurückgezogenheit zu verharren. Statt seiner hat nun Berthelot das Portefeuille des Auswärtigen übernommen. Combes hat sich entschieden, an Stelle des Kolonial— Ministeriums das Portefeuille des Unterrichts zu übernehmen. Das Portefeuille der Kolonien wird wahrscheinlich dem Deputirten Krantz (Epinal) übertragen werden.
Rußland.
Gestern, an dem Jahrestage des Todes Kaiser Alexander's III, fand in der Peter Pauls-Kathedrale ein Trauergottesdienst statt, welchem der Kaiser, die Kaiserin-Wittwe und die übrigen in St. Petersburg an⸗ . Mitglieder des Kaiserlichen Hauses bei— wohnten.
Italien. Der Papst ertheilte gestern mehreren Personen Audienzen. Spanien.
Der Erzbischof von Sevilla, Kardinal Benito Sanz y Forez ist gestorben.
Türkei.
Die Mitglieder der Kontrolkom mission sind, wie „W. T. B.“ aus Konstantinopel erfährt, bereits gewählt; ihre formelle Ernennung verzögert sich indeß infolge der an⸗ dauernden Weigerung der Interventionsmächte, den Minister des Auswärtigen als Vorsitzenden zuzulassen.
Schakir Pascha und der Vali von Erzerum haben telegraphisch gemeldet, daß am 30. Oktober einige junge Armenier in das Regierungspalais in Erzerum eingedrungen seien und dort auf den Gendarmerie⸗Kommandanten geschossen hätten. Dieser sei nicht getroffen, dagegen ein Unteroffizier getößtet worden. Die Wachorgane hätten das Feuer erwidert und die eingedrungenen Armenier getödtet. Darauf habe sich in der Stadt eine Schlägerei zwischen Mohamedanern und Armeniern entwickelt, bei welcher etwa fünfzig Personen ge— tödtet worden seien. Ein Armenier, der vor dem Zwischenfall seinen Religionsgenossen angerathen hatte, die Läden zu schließen, sei verhaftet worden. Eine Untersuchung sei ein⸗ geleitet. Dank der Maßnahmen der Behörden, sei die Ruhe wieder hergestellt.
Nach den letzten Nachrichten aus Marasch wäre ein Oberst mit ungefähr 400 Soldaten in der Kaserne von Zeitun von einer beträchtlichen Anzahl armenischer Insurgenten eingeschlossen. Bewaffnete Armenier in Marasch erwarteten nur eine Benach⸗ richtigung von Zeitun aus, um Ausschreitungen zu begehen; von allen Seiten stroͤmten Armenier herbei und steckten . Dörfer in den Distrikten von Anderin und Albistan in Brand. Wie aus Aleppo telegraphisch gemeldet wird, begab sich am 29. v. Mts. der in Cefer Hias (?) wohnhafte armenische Priester nach Urfa, um die Armenier aufzureizen, welche die die Straßen durchziehenden Patrouillen . und einen Gendarmen verwundeten hätten.
In Wien ist die Nachricht eingetroffen: ein dem Aus— wärtigen Amt in Konstantinopel zugegangenes gemeinschaft— liches Telegramm des Militär⸗Komm andanten und des Kaimakam von Beiruth melde, die dortigen Mohamedaner seien von den Armeniern angegriffen worden, wobei es auf beiden Seiten Todte und Verwundete gegeben habe. Die Lokalbehörde habe die Ordnung wiederhergestellt und die unter den Mohamedanern herrschende Aufregung beruhigt. — Am 24. Oktober hätten in Marasch 15 Armenier einen jungen Mohamedaner getödtet und 26 Armenier einen Aufruhr im Bazar angestiftet; es sei dem Gouverneur gelungen, die aufrührerische Menge durch Zureden zu beruhigen. An demselben Abend hätten die Armenier von neuem die Mohamedaner und die Gendarmerie angegriffen, doch sei die Ordnung wieder hergestellt worden. Der zum Zweck der Unter— suchung an Ort und Stelle entsandte Gendarmerie— Kommandant von Marasch sei von 2000 Meuterern ange— riffen worden; der Gendarmerie⸗Kommandant und vier Gen⸗ . seien getödtet bezw. verwundet worden. Agitatoren aus Zeitun hatten die muselmanische Ortschast Camaraly angegriffen, dieselbe geplündert und einige Einwohner ver⸗ wundet. Die Armenier aus Marasch und Zeitun seien in verschiedene Gegenden eingefallen; in Marasch werde zu einer neuen Erhebung aufgewiegelt. — Nach Be⸗ richten aus dem Vilajet Bitlis beträgt die Zahl der Todten und Verwundeten auf Seite der Moha⸗ medaner 173, auf Seite der Armenier 179. — Aus Güm⸗ müschehane wird eine Erregung unter den Armeniern gemeldet; der General⸗Gouverneur von Trapezunt habe Maß— regeln zur Aufrechterhaltung der Ordnung getroffen. In Karput hätten die Aufrührer eine Bewegung hervorgerufen, weshalb die Geschäfte eiligst geschlossen worden seien. Dem General- Gouverneur sei es gelungen, die Gemüther ohne Blutvergießen zu beruhigen und die Wiedereröffnung der Geschäfte zu veranlassen — Nach dem jüngsten Tele⸗ gramm des interimistischen Vali von Bitlis verbreiteten
armenische Agitatoren Alarmgerüchte, um die Mohamedaner zum Angriff gegen das armenische Quartier aufzureizen. Es seien Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Ordnung ge⸗ troffen — In Aleppo seien mehrere Europäer insultiert worden. Ein deutscher Konsularbeamter habe sich nach Ilgün begeben, um die Untersuchung des Brigantenüberfalls einzu⸗ leiten. Den letzten Berichten zufolge sei kein Deutscher ent⸗ führt, sondern nur eine 453 Pfund enthaltende Kasse ge⸗ plündert worden; ein Deutscher sei verwundet worden.
Bulgarien.
Die gestrige Sitzung der Sobranje wurde zumeist durch Formalitäten ausgefüllt. Der Präsident theilie mit, auf efehl des Prinzen Ferdinand würden heute in sämmtlichen Kirchen des Fürstenthums Reguiems für den Kaiser Alexander III. von Rußland stattfinden. Die Sobranje faßte einstimmig den Beschluß, zum Zeichen der Trauer an— läßlich des Jahrestages des Todes des Kaisers Alexander III. heute keine Sitzung abzuhalten. Die nächste Sitzung wurde
auf Montag anberaumt.
Amerika.
Der japanische Gesandte in Washington hat dem Präsidenten Cleveland ein Handschreiben des Kaisers von Japan überreicht, worin dieser den Vereinigten Staaten von Nord⸗Amerika seinen Dank ausspricht für die guten Dienste bei dem Zustandebringen des Friedens zwischen Japan und China. Das Schreiben schließt mit der Erl en die Bemühungen der Vereinigten Staaten seien nicht allein darauf gerichtet gewesen, die Greuel des Krieges zu mildern und die Friedensverhandlungen zu fördern, sondern auch darauf, die Bande der Freundschaft, welche Japan und die Vereinigten Staaten verbänden, enger zu knüpfen.
Aus Havanna wird berichtet, daß die Aufständischen den kleinen Dampfer „Soledad“ angegriffen und alle Passagiere beraubt hätten. Auch führen sie fort, zahlreiche Zuckerplantagen in Brand zu stecken.
Statistik und Volkswirthschaft.
Zur Arbeiterbewegung.
Aus Leipzig berichtet die ‚Lpz. Ztg.: Die Steinmetz⸗ gehilfen hatten in einer früheren Versammlung beschlossen, gegen⸗ über einer zwischen Gehilfen und Arbeitgebern eines bestimmten Arbeitsplatzes entstandenen Streitigkeit die Entscheidung der aus Arbeitgebern und Gehilfen bestehenden Schiedekommission anzurufen. Wie nun am Dienstag in einer Versammlung der Gehilfen mitge— theilt wurde, ist der Schiedsspruch zu Gunsten der Gehülfen aus. gefallen, indessen will die Kommission die Angelegenheit auch noch der Innung unterbreiten. Es wurde beschlossen, vor weiteren Schritten den Beschluß der Innung abzuwarten.
Hier in Berlin sind, wie die Zeitungen melden, die Arbeiter
der Pianofabrik von W. Steuer wegen Lehnstreits in den Aus⸗ stand getreten. Aus Glasgow meldet W. T. B.“, gestern babe eine Ver— sammlung der Marine Maschinenbauer aus Belfast und vom Clyde beschlossen, daß wegen der Weigerung der Arbeiter, die ihnen angebotenen Bedingungen anzunehmen, die Maschinenbauer vom Clyde am 3 November mit der Aussperrung der Arbeiter vorgehen sollten. Wie aus Belfast berichtet wird, betrug die Zahl der Aus— ständigen auf den Schiffswerften gestern 5000.
; Nach Mittheilung des Statistischen Amts der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 20. Oktober bis inkl. 26. Oktober er. zur Anmeldung gekommen: o863 Lebendgeborene, 489 Eheschließungen, 25 Todtgeborene, 595 Sterbefälle.
Kunst und Wissenschaft.
Seine Königliche Hoheit der Prinz⸗Regent von Bayern hat, der M. Allg. Ztg.! zufolge, den Professor und Maler Hubert Her⸗ komer zum Mitglied des Maximilians Ordeas für Wissenschaft und Kunst ernannt.
Land⸗ und Forstwirthschaft.
Der fran zösische Ackerbau⸗Minister hat durch Verordnung vom 25. v. M., unter Aufhebung des Verbots vom 18. November 1892, die Ein, und Durchfuhr von Rindvieh, Schafen, Ziegen und Schweinen aus den Niederlanden nach bezw. durch Frankreich gegen Beibringung von Ursprungs⸗ und Gesundheits⸗ e nn wieder gestattet.
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.
. Spanien.
Durch Königliche Verordnung vom 25. v. M. ist die seiner Zeit gegen Konstantinopel angeordnete Quarantäne unter den üblichen Be— dingungen aufgehoben worden. (Vergl. R. Anz. Nr. 233 vom 283. September d. J.)
Handel und Gewerbe.
Die unten aufgeführten Stücke der 5proz. italienischen Rente sind mit den dazu gehörigen Kupons vom 1. Januar 1896 ab ihrem Eigenthümer in Rio de Janeiro in Brasilien am 20. September d. J. abhanden gekommen. Da die Ver⸗ muthung naheliegt, daß sie gestohlen worden sind, wird vor dem Ankauf gewarnt. Es empfiehlt sich, die Papiere, falls sie etwa zum Kauf angeboten werden, anzuhalten und der nächsten J Mittheilung zu machen. Von den fraglichen
ententiteln lauten sechs mit den Nummern 147 524, 166 363, 176 148, 183 676, 186 938 und 191 809 über eine Jahresrente ö Lire und eine Nummer 589 943 über eine solche von
ire.
Die Kravattenfabrik Introini C Co.. Via Cesare da Sesto 15, in Mailand ist am 22. Oktober d. J. in Konkurs erklärt worden. Konkursverwalter ist der Rechtsanwalt Cav. Giuseype Bergmann. Die erste Gläubigerversammlung findet am 8. November um 11 Ubr statt. Frist zur Einreichung der Rechtstitel: 30 Tage. Schluß der Prüfungen: 29. November um 11 Uhr.
Wien, 2. November. (W. T. B.) Ausweis der Südbahn in der Woche vom 22. Oktober bis 28. Oktober 876 370 Fl., Mehr⸗ einnahme 6989 Fl.
Theater und Mu fik.
Konzerte.
Die gestrige Aufführung der „Missa solemnis“ von Beethoven durch den Chor der Sing⸗Akademie bildete ein musikalisches Ereigniß von hoher Bedeutung. Das selten gehörte Werk (vor mebreren Jahren wurde es von dem Königlichen Theater⸗ chor und von dem Stern'schen Gesangverein unter M. Bruch's