1895 / 296 p. 8 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 12 Dec 1895 18:00:01 GMT) scan diff

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von den Fürsten aus; das Volk trat dafür ein und gerade unsere Gesinnungsgenossen haben gefochten in Baden. Liebknecht und Engels sind dabei betheiligt gewesen und zahlreiche Arbeiter. Wo waren damals die Junker zur Rechten), Ihre Parteigenossen? Damalg waren die Kon= servativen russenfreundlich. sse verhinderten die Befestigung von Breslau, damit ein russisches Heer nicht gehindert werde, in Preußen einzudringen. Damals waren die Väter des National- vereins auch Hochverräther; damals tbeilte der Natignalverein das Schicksal unserer Vereine; der Vereinssitz mußte nach Coburg verlegt werden. 1866 erst machten die Konservativen die Schwenkung, die wir nicht zu machen brauchten. Wir haben niemals vergeffen, daß 1866 der Bruderkrieg unnöthig war, daß damals Abmachungen mit Napoleon getroffen waren, die sich mit der deutsch. nationalen Ehre wirklich nicht vertrugen. Daß der Krieg von 1870 künstlich herbeigeführt wurde durch die spanische Kandidatur eines Hohenzollern, daß damals aus der Chamade eine Fanfare gemacht wurde, ist allgemein bekannt. Sollen wir eine solche Politit unter⸗ stützen? Thun Sie doch nicht so, als wenn die patriotische Gesinnung bei Allen von Ihnen geherrscht hat! In der baverischen Kammer be— durfte es des stärksten Druckes der Regierung, um eine Mehrheit der Kammer für die Mobilmachung der Armee zu stande zu bringen. Selbst nach den großen Siegen von 1870 traten noch Abneigungen gegen die Einheit Deutschlands mit preußischer Spitze in Süd- deutschland hervor. Lesen Sie doch das Tagebuch Kaiser Friedrich's III. Da, am 17. Januar 1871, schrieb Kaiser Friedrich als Wort seines Vaters auf: Mein Sohn ist ganz und gar bei dem neuen Stand der Dinge, während ich mir nichts daraus mache und nur zu Preußen halte. Und vom 18. Januar 1871 heißt es im Tagebuch des Kaisers Friedrich: Wie schwer dem König dieser Tag geworden ist. Wenn wir so sprechen, dann werden wir als Hochverräther angeklagt. Der Krieg mußte eine emige , . zwischen Frankreich und Deutschland hervorrufen. Die

nnektierung von Elsaß⸗Lotbringen war ein Fehler, wie er niemals gemacht worden, so lange Deutschland eine Geschichte hat. Die 25 Jahre haben uns Recht gegeben; Europa ist ein großes Kriegs⸗ lager geworden und Rußland der Schiedsrichter Europas. Sogar die ‚Vosstsche Zeitung“ hat in einer Korrespondenz aus Paris darauf hingewiesen, daß die Feier des Jubeljahres in Paris bedenklich wirken könnte. Wenn wir zum Frieden und zur Freundschaft mahnen und die internationale Volksverbruüderung auf die Fahne schreiben, ist das ein Verbrechen? Das Christenthum selbst kennt keine Volks— unterschiede; alle Christen sind Brüder. Sie verlangen aber jetzt von uns Sozialdemokraten, daß wir Engel sein sollen. Eine Art Engelhastigkeit gehört doch dazu, wenn uns zugemuthet wird, die Regierungtzeit eines Monarchen zu feiern und zu ehren, unter dem wir als Partei geächtet wurden, dem wir das 12 Jahre dauernde Sozialistengesetz, unter dem Viele von uns von Haus und Hof gejagt und unter Aufsicht der Polizei gestellt wurden, verdanken. Wenn Sie uns zumuthen, das zu vergessen, so muthen Sie uns zu, Engel zu sein; das wollen wir nicht sein, das können wir nicht fein. Unsere Reden und unsere Presse sind vor 25 Jahren so scharf gewesen, daß das heute Veröffentlichte nur ein leises Säuseln ist. Seitdem sind wir ja ruhiger geworden, aber nicht so ruhig, daß wir uns als Hunde behandeln lassen. Wenn die Konservativen oder das Zentrum oder die Nationalliberalen als eine Rotte von Menschen bezeichnet worden wären, die nicht verdienten, Deutsche zu heißen, hätten Sie das ruhig hingenommen? Sie haben ja ein besonders feines Ehrgefühl und hätten gleich zum Degen oder Pistolen gegriffen. Unsere Methode ist eine andere. Wir sagen: Auf einen Schelm anderthalbe. Wir haben erwidert, und die Folge war eine große Fluth von Anklagen; eine Interpretation der Gesetze, die ganz neue Gesetze schaffte, hat zur Verurtheilung geführt. Wenn wir nicht von Erbitterung und Zorn erfüllt wären, Sie müßten uns verachten. Welche Wirkung hat das ganze Gesetz gehabt? Wenn immerfort auf das Bestehen einer Partei hingewiesen wird, welche Alles umstürzen will, muß nicht der ruhige Bürger an eine voll⸗ ständige Erschütterung des deutschen Staates glauben? Der Kredit Deutschlands ist seit 25 Jahren nicht so niedrig gewesen wie heute. Sehen Sie einmal die Witzblätter im Ausland an; da müßte Ihnen ja die Schamröthe in das Angesicht steigen. Wie kann Deutschland, die erste Militärmacht, noch Achtung verlangen im Auslande, wenn stetig versichert wird, daß die Revolution jeden Augenblick droht, daß die Armee nothwendig sei zur Niederschlagung derselben? Was nützt denn die Verschickung der schönsten Bilder . der Blindheit in der Beurtheilung der Zustände. Wir sind niemals Feinde der einheitlichen und freiheitlichen Entwicklung Deutschlands gewesen; wir haben das größte Interesse daran, daß nichts geschieht, was die Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft aufhält; sie soll zu ihrem natürlichen Ausleben kommen. Zur Förderung der Entwicklung war es nothwendig, daß an Stelle der Kleinstaaterei der deutsche Nationalstaat, vielleickt der Einheitsstaat trat. Die kapitalistische Entwicklung Deutschlands ist von uns freudig begrüßt worden, denn sie ist die Vorbedingung für unseren endlichen Sieg. Stampfen wir unsere Anhänger aus dem Boden? Und könnten wir mit Engelszungen reden, wir würden nicht einen Anhänger finden, wenn wir nicht auf die Zustände der Gesellschaft hinweisen könnten. Daß an die Stelle der bürgerlichen Gesell⸗ schaft die sozialistische treten wird, ist unsere Ueberzeugung, dafür kämpfen wir. Der Einzelne ist in dieser Entwicklung nur ein Sandkörnchen, dessen Widerstand wirkungslos ist. Wir wollen keinen gewaltsamen Umsturz; das muß jeder erkennen, der objektiv denkt. Wir wären Narren, wenn wir den Entwicklungsprozeß unterbrechen wollten! Sie feiern jetzt das 25 jährige Jubiläum der Siege; wir feiern das 25 jährige Jubiläum unserer Verhaftung wegen Versuchs und Vorbereitung zum Hochverrath. Wir wurden damals von dem Schwurgericht, den Klassenrichtern, verurtheilt, der Fachrichter hätte uns freigesprochen. Jetzt macht man uns immer wieder die Vorwürfe, daß wir Umsturz und Hochverrath beabsichtigen. Die Stumm, die Mirbach, die Manteuffel, die Junker, die National liberalen, das sind die Umstürzler, welche die sozialistische Bewegung fördern. Die Handwerker⸗, die Bauernbund⸗ und die Antisemtten⸗ bewegung sind die Folge der Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft. Daß die Handwerker und Bauern proletarisiert sind, das lockert den Boden für uns. Wollen Sie das ändern, dann machen Sie ein Ausnahmegesetz gegen die Kapitalisten, gegen die Krupp, Stumm und Heyl. Aber das dürfen Sie nicht. enn wer regiert? Ach, man glaubt zu regieren und wird regiert. Herr von Stumm regiert, er geht nach Berlin, um scharf zu machen. Aber allmächtig ist auch Herr von Stumm nicht, obwohl es so scheint. Das sind die Männer, welche auf Jagdpartien und Abendgesellschaften alles durchsprechen und scharf machen helfen. Daß so regiert wird, das weiß jeder, dazu bedarf es garnicht des Stöckerbriefes von dem Scheiterhaufenanzünden. Solche Briefe öffnen nur dem Blinden die Augen darüber, daß die Camarilla an der Arbeit ist, um ein Bild von der Sozialdemokratie zu geben, welches paßt wie die Faust aufs Auge. Waͤhrend so alles für uns arbeitet, sollen wir die schönste Entwickelung uns selbst zerstören wollen? Engels kommt in der Vorrede zu einer Broschüre von Marx bezüglich der Frage, ob die Sozialdemokratie durch Gewalt siegen kõnne, zu dem Schluß, daß gewaltsame Revolutionen alles schlechter machen, als es von selbst geworden wäre. Wenn der Kriegs⸗Minister sagte, die Feuerspritzen reichen aus wozu dann das Reden und Drohen? Alles arbeitet darauf hin, einen Staatsstreich zu machen, die Gewalt von oben anzuwenden, weil wir die Revolution nicht machen wollen. Rufen Sie die asiatischen Horden gegen die Sozial. demokratie zu Hilfe! Was sagte das Organ des Herrn von Kardorff während des fozialdemokratischen Parteitages in Breslau? So seien die Tribunen der Sozialdemokraten, die es verlernt haben zu kämpfen, weil ibnen woblbesetzte Tafeln lieber seien als ihr träges Blut für die Masse zu verspritzen. So werden wir verhöhnt, so sucht man gegen uns aufzureizen, als gegen Leute, die ein faules deben führen. die ihre Ideale preisgegeben haben. In den Offizier⸗ kasinos spricht man nur von dem inneren Feind, von der Nieder. schlagung der Sozialdemokraten, wobei man im Blut waten müsse bis ju den Knien. Anderes ist gar nicht zu erwarten, wenn die Hetze Tag für Tag und Woche für Woche in dieser Weife betrieben wird.

Die Rechtsprechung ist geradezu tendenziös geworden. Die politischen Gegner werden verurtheilt, die heerschenden Klassen aber bleiben straf. frei. Da muß im Volk der Glaube entstehen, daß das Recht Schwindel ist, daß es nur für die herrschenden Klassen gilt. Das zeigt sich auch bei der Auflösung unserer Organisatiͤn. Die Ver trauensmänner und Kommissionen betrachtet man als Vereine, die in 9 Verbindung gestanden haben. Wir haben die Klippen des Vereinsgesetzes zu vermeiden gesucht, während die bürgerlichen , an deren Spitze Landräthe und sonstige Beamte steben,

rganisationen haben, die den Gesötzen direkt widersprechen. Wenn das Gesetz gegen uns in Anwendung gebracht wird, dann werde ich verlangen, daß dasselbe Gesetz auf die anderen Parteien von Herrn von Bennigsen bis zu den Herren von Karderff und von Manteuffel zur Anwendung kommt. Diese dorpelte Buchführung in der Rechtsprechung können wir nicht dulden. Freilich, wo ist denn der Rechtsstaat se⸗ blieben? Liebesgaben für die Reichen und indirekte Steuern für die großen Massen, das ist der Rechts staat. Zur Bekämpfung der Sozial demokratie müßte die Reichspolitit ganz anders eingerichtet werden. Man sollte der Wissenschaft dankbar sein, daß sie billigere Nah- rungemittel erfunden hat; aber man sucht die Margarine zu ver- drängen, man vertheuert den Zucker. Das soll christlich sein? See schleppen uns ja die Waffen haufenweise zu! Die Schweineeinfuhr aus Rußland wird verboten, um die Fleischpreise zu steigern, und dabei haben wir in Oberschlesien eine Bevölkerung, die sich in der elendesten Lage befindet, in einer Lage, die an die Fulis er⸗ innert. Man holt die Arbeiter zu Hunderten aus Rußland, was die Einschleppung der Cholera nach Hamburg zur Folge hatte. Das ist der Patriotismus der Unternehmer und unserer großen Agrarier. Herr von Kardorff bekämpft die christlich-⸗sozialen Geist⸗ lichen, Herr von Stumm wehrt sich gegen jede arbeiterfreundliche Auslassung der Minister. Die Herren am Regierungstische sind eben nur der Verwaltungs ausschuß für die herrschenden Klassen. Herr von Boetticher hat ja gestern mitzetheilt, daß man bei der Arbeiter⸗ versicherung zuerst die Arbeitgeber heranziebt; erst wenn die Alles fertig gemacht haben, dann fragt man die Arbeiter. Was ist aus der Sonn⸗ tags ruhe geworden? Nichts; die Großindustrie hat das Wort geführt. Im Interesse der Steuerzabler ist eine Konvertierung dringend noth—⸗ wendig, aber sie erfolgt nicht, weil dadurch viele arme Leute ge—⸗ schädigt würden. Der Mann aber, der 100 M in der Reichsanleihe angelegt hat, ist hundertmal reicher als derjenige, der keinen Pfennig in der Tasche hat und nicht weiß, wo er Geld verdienen soll. Er muß aber durch die indirekten Steuern beitragen zu den übergroßen Zinsen der Anleihen. Und daneben die Steigerung der Ausgaben für Militãr und Marine, für den Pensionsfonds! Gerade in der Frage der Pensionierungen hätte der Reichstag alle Ursache, einmal ein ernstes Wort zu sprechen. Angesichts der Friedensgemein⸗ schaft der europäischen Völker, welche auf dem bekannten Gemälde dargestellt ist, könnte man daran denken, die Armee zu vermin dern; aber für die kulturwidrigen Aufgaben wird das Geld ausge⸗ geben, für die Kulturaufgaben bleibt nichts übrig. In Preußen sind 19 009 Lehrer und 3560 Lehrerinnen angestellt, welche weniger als 80) M Gehalt haben; aber dafür kann kein Geld aufgetrieben werden, ebensowenig wie für die wissenschaftlichen Institute, die sich im traurigsten Zustande befinden. Aber für große Dome und Kirchen ist Geld vorhanden. Hätte ein Sozialdemokrat die Kameelinschrift gemacht, er wäre auf Grund des 5 166 des Strafgesetzbuches ver⸗ urtheilt worden; aber den Baurath Schwechten packte man nicht, weil man sonst auch Andere hätte packen müssen, denn die Inschrift war schon auf dem Modell vorhanden. In Bezug auf die aus— wärtige Politik hätte der Reichstag wohl eine Erklärung verlangen können über den Widerspruch, der sich in den Zeitungen herausgestellt hat. Denken Sie an die systematischen Begnadigungen der Duellanten und Sittlichkeitsperbrecher, wenn sie den höheren Klassen angehören! Das giebt den Nährboden für die Sozialdemokratie. Das Martyrium hat stets noch eine Partei gefördert, und wir können deshalb auch jetzt sagen: Vivent nos amis les ennemis!

KriegsMinister Bronsart von Schellendorff:

Die Militaria, die Herr Abg. Bebel zur Sprache gebracht hat, sind im wesentlichen Wiederholungen und Variationen eines bekannten Themas, mit dem er alljährlich von dieser Stelle bei der Berathung des Etats sein Publikum außerhalb des Hauses zu unterhalten pflegt. Er wird selbst nicht von mir erwarten, daß ich eingehend darauf antworte; das hohe Haus vielleicht noch weniger, nachdem ich bei früheren Gelegenheiten schon nachgewiesen habe, welche geringe Beweis⸗ kraft seine Argumente haben, wenn er Angriffe gegen die Armee richtet. (Oho! bei den Sozialdemokraten.)

Alles, was der Abgeordnete über den Pensionsfonds, die Ver⸗ abschiedungen und die Höhe des Militär⸗Etats überhaupt gesagt hat, haben wir schon wiederholt behandelt. Es ist mehrfach den Herren auseinandergesetzt, weshalb das so ist, weshalb der Pensions⸗ fonds anschwillt, weshalb er voraussichtlich nach Maßgabe der er— lassenen Gesetze noch weiter anschwellen wird, und weshalb es noch einige Zeit dauern wird, bis ein Beharrungszuftand eintreten kann.

Der Herr Abgeordnete hat auch die Feuerspritze wieder zur Sprache gebracht. Meine Herren, ich habe früher davon gesprochen als von einem heiteren Bilde, indem ich gerade mit Rücksicht auf Ihre Betheuerungen, daß Sie keine Gewaltthätigkeiten im Sinne hätten, hervorhob, die Armee hätte auch nicht das Bestreben, sich Lorbeeren zu erwerben, indem sie auf der Straße mit unbotmäßigen Pöbelhaufen kämpfte. Da hatte ich gesagt: neidlos überlassen wir das der Polizei und der Feuerwehr. Nun stellt der Abg. Bebel es gegenüber der Annahme, daß eventuell doch die Armee berufen sein sollte, gegen Unordnungen einzuschreiten, so dar, als hätte ich eine sehr harmlose Auffassung davon. Meine Herren, das war nur eine Liebenswürdigkeit von mir. (Heiterkeit) Ich bin ein Feind jeder Drohung; aber darüber besteht für mich kein Zweifel, daß, wenn bei solchen Gelegenheiten die unbotmäßigen Massen von der Polizei nicht mehr niedergehalten werden können, wenn sie die Organe der Obrigkeit überwältigen, dann die Ordnung hergestellt werden muß, dann die Armee berufen ist, dies prompt, rasch und ohne Schwäche zu thun; und daß es dann mit nassen Zylinderhüten abgehen wird, das glaube ich nicht, sondern es wird blutige Köpfe geben. (Heiterkeit) Im übrigen hat Herr Bebel sich nicht so viel mit meinem Etat beschäftigt wie sonst. Er hat einen großen Theil seiner Rede verwandt, um eigentlich sich zu entschuldigen oder eine Erklärung dafür abzugeben, weshalb seine Partei bei der Feier unserer Ruhmestage ein so eigenthümliches Verfahren beobachtet hat. Ich glaube: ich werde mich darüber mit ihm nicht verständigen, und das kann ich mir nur dadurch erklären, daß es der Sozialdemokratie vollständig unbekannt scheint, welchen Sturm von Entrüstung im Lande, vor allem aber in der Armee, die Schamlosigkeit und Niedertracht hervorgerufen hat, mit der in sozialdemokratischen Versammlungen und Zeitungen die edelsten Ge⸗ fühle der Nation verhöhnt und verspottet worden sind. (Bravo!) Sie scheinen auch zu glauben, daß die Armee ein schlechtes Gedächtniß hätte (Zwischenruf die Armee? Gewiß, die Armee ist die ganze Armee. Zwei Millionen rechne ich mindestens dazu.

Sie glauben, daß die Armee ein schlechtes Gedächtniß hat und es rasch vergißt, wie soialdemokratische Schmierfinken mit ihren in die Gosse getauchten Federn das geheiligte Andenken unseres großen

Kaisers in frecher Weise besudelt haben. (Große Unruhe.) Sie irren sich, die Armee hat das nicht vergeffen, es bleibt Ihnen auf dem Kerbbolz! (Bravo! und Unruhe) Ich verlasse den Herrn Abg. Bebel. (Glocke des Prãsidenten.)

Ich wende mich zu den ersten Etatsrednern. Der Herr Abg. Fritzen streifte in seinen Ausführungen auch die Frage, wie es mit der Militär ⸗Strasprozeßordnung stände. Er deutete an, daß ich viel. leicht in der Kommission Gelegenheit finden würde, die gewünschte Auskunft zu ertheilen. Das war auch meine Absicht. Der Herr Abg. Richter stellte die Frage aber schon etwas positiver, wenn ich sagen darf, stürmischer, und wenn ich ihn recht verstanden habe, gab er auch seiner Verwunderung darüber Ausdruck, daß ich wegen mangelnder Befähigung noch nicht meinen Abschied genommen hätte. Das ist nun nicht ganz in Uebereinstimmung mit den Be- mängelungen, die er über die Anschwellung des Pensionsfonds ge—⸗ macht (große Heiterkeit), indem er schwere Klage darüber geführt hat, daß so viele Generale verabschiedet werden. Ja, meine Herren, wenn ich gehe, so ist es doch einer mehr. Um nicht den Schein zu er—⸗ wecken, als wollte ich der Antwort auf die vorberegte Frage aus⸗ weichen, erkläre ich, daß die Berathungen über die Militär⸗Straf⸗ prozeßordnung im preußischen Staats⸗Ministerium nahezu ihren Ab⸗ schluß gefunden baben; ich glaube, daß demnächst der Gesetzentwurf den verbündeten Regierungen zugehen wird, daß er dann im Bundes⸗ rath noch eine Anzabl geschäftlicher Stadien zu durchlaufen haben wird, und daß, wenn das geschehen ist, er unverweilt dem hohen Hause zur BVerabschiedung zugehen wird. Ob es noch in dieser Tagung erfolgen wird, das kann ich allerdings nicht mit Bestimmtheit schon jetzt voraussagen.

Es ist dann weiter vom Herrn Abg. Fritzen auch die Frage gestellt, wie sich die vierten Bataillone bewährt hätten. Der Herr Abg. Richter hat sie allerdings gleich dahin beantwortet, daß die vierten Bataillone bis jetzt Alles geleistet hätten, was von ihnen gefordert und erwartet sei. Diese Ansicht kann ich aber nicht theilen. In den in den letzten Wochen eingegangenen Berichten sprechen sich unsere kommandierenden Generale einstimmig ungünstig über die gegenwärtige Stärke und Zusammensetzung der vierten Bataillone aus. Sie erkennen es einstimmig an, daß die vierten Bataillone wohl geeignet sind, eine theilweise Entlastung der anderen Bataillone zu ermöglichen; sie heben aber auch hervor, daß dieser Vortheil nicht schwer genug in die Wagschale fällt, um die Nachtheile und Gebrechen aufzuwiegen, an denen die vierten Bataillone leiden. Von den Herren Generalen ist bei der Gelegenheit auch der dringende Wunsch ausgesprochen worden, daß die vierten Bataillone eine Um⸗ formung erfahren möchten, etwa dergestalt, daß sie in den Rahmen unserer bewährten Heeresorganisation besser hineinpassen, daß sie nicht minder⸗ sondern vollwerthige Truppenkörper bilden, die im Frieden wie im Kriege ebenbürtig den anderen Verbänden zur Seite gestellt werden könnten. Es fehlt auch nicht an Vorschlägen, wie das etwa gemacht werden könnte. Im Prinzip kommen sie wohl alle auf dasselbe hinaus; eine kleine Meinungsverschiedenheit besteht nur in einem Punkt. Die Einen nehmen an, daß die bestehenden Schwierigkeiten am leichtesten gehoben werden könnten durch eine Er⸗ höhung der Präsenzziffer (Sehr gut! links); die Anderen sind der Meinung, daß die Präsenzziffer nicht wohl geändert werden kann. Dieser Auffassung trete ich bei. Ich bin der Meinung, daß durch das Gesetz vom Jahre 1893 die Präsenz endgültig festgelegt ist bis zum 1. April 1899. Ob es in dieser Tagung schon möglich sein wird, feftzustellen, wie dem erkannten Mangel abgeholfen werden könnte, kann ich augen⸗ blicklich nicht übersehen, denn ich habe erst zu kurze Zeit die Berichte in Händen und möchte nach keiner Richtung hin vorweg Erklãrungen abgeben, die ich vielleicht später nicht aufrecht erhalten könnte. Jedenfalls werde ich der Sache alsbald nähertreten müssen, um zu erwägen und bedenken, wie wirksame Abhilfe geschaffen werden könnte. Jedenfalls hoffe ich wenn ich mich in dem Rahmen der bestehenden Präsen; halte und eine wesentliche Erhöhung der laufenden Aus⸗ gaben nicht erforderlich wird —, auf das bereitwillige Entgegen— kommen des hohen Hauses rechnen zu dürfen.

Es ist weiter auch von einigen Herren die Frage der zwei⸗ jährigen Dienstzeit gestreist. Meine Herren, darüber hat sich keiner von den kommandierenden Generalen geäußert. Darüber hat wohl auch niemand ein Urtheil abgeben können; die zweijährige Dienstzeit ist eine Einrichtung, die erst zu kurze Zeit bei uns besteht. Ein end⸗ gültiges Urtheil läßt sich in so kurzer Zeit nicht fällen; ich glaube, daß dazu eine längere Reihe von Jahren nothwendig sein wird. 8 kann aber heute schon sagen, daß die formelle, die äußere Ausbildung, auch die Schulung im Schießen nicht schlechter geworden ist, als sie früher war. (Hört, hört! und Sehr gut! Das Erxerzieren, die Griffe, der Parademarsch sind gerade so tadellos wie bisher. (Zuruf bei den Sozialdemokraten. Heiterkeit.) Leider wird mit diesen an sich nothwendigen Kunstfertigkeiten keine Schlacht gewonnen (Sehr richtig! rechts); dazu ist es nothwendig, daß wir den jungen Wehrpflichtigen zu einem selbständig denkenden (Heiterkeit bei den Sozialdemokraten) und handelnden Soldaten erziehen, der in jeder Gefechtslage zielbewußt seine Waffe zu gebrauchen versteht. (Lebhafte Zustimmung.) Und zwar verlangen wir von ihm nicht bloß das; er soll auch, wenn die Offiziere außer Gefecht gesetzt sind, seinen jüngeren Kameraden ein Beispiel geben, er soll aus der Deckung hervortreten und rufen: Alles auf mein Kommando hören! ich übernehme die Füh⸗ rung ; er soll endlich, selbst tödtlich verwundet, die Kammer noch aufschlagen, die letzte Patrone in den Lauf schieben, um damit wenigstens noch einen Gegner mit nach Walhalla zu nehmen. (Heiter⸗ keit Ob es möglich ist, in zwei Jahren oder in drei den Mann so weit zu bringen, ist eben strittig, wir haben im Kriege tausend- fach ein solches Verhalten unserer Leute beobachtet und wünschen, daß es auch ferner geschehe Nachdem wir den Versuch mit der zweijährigen Dienstzeit begonnen, bin ich der Meinung, daß wir ihn ehrlich durchführen müssen, und daß dajn eine Reihe von Jahren nothwendig ist. Das Einfachste wäre allerdings ein großer Krieg; den würde ich aber als Probe auf das Exempel doch nicht empfehlen, wenigstens nicht, vom Zaun zu brechen, vorschlagen. (Heiterkeit) Ich glaube, daß wir unsere Erfahrungen auch im Frieden sammeln können, und zwar zunächst bei Truppenzusammenziehungen, wo Reserve⸗ und Landwehrleute vor schwere Aufgaben gestellt werden; dann werden wirklich Sachverständige sehr wohl in der Lage sein, ein ruhiges, sach⸗ verstãndiges militärisches Urtheil zu gewinnen über eine Frage, die meiner Ansicht nach eine rein technische, keine politische ist. (Bravo)

Abg. v. Podbielski 8 kons.): Für die sorgfältige Aufstellung des Etats können wir dem Staatssekrekär des Reichs⸗Schatzamts nur

danlbar sein, namentlich soweit es die Marine betrifft. Für die Kolonien ist eine Steigerung der Ausgaben eingetreten. Wir hoffen, daß das auf die Kolonien verwandte Geld Fruͤchte trägt. Aber ich darf es doch nicht unerwähnt lassen, daß wir für die wenigen Deutschen in Ost⸗Afrika und den anderen Kolonien sebr erhebliche Ausgaben haben, während nur die Kolonie Togo sich selbst erhält. Wir werden darauf Acht haben müssen, daß nicht die Bureaukratie in der Verwaltung überwuchert. Der Etat des Reichs ⸗Heeres ist fnaprp aufgeftellt, er enthält keine unnützen Forderungen. Die Er⸗ rarnisse an den Naturalien zeigen Ihnen die Nothlage der Landwirth⸗ *. es sind 11 Millionen weniger ausgegeben worden. Das spricht allein fär sich. Es ist gesagt worden, es sei ein böses Gift im Antrag Kanitz. Ich gehe darauf heute nicht ein. Ich will nur feststellen: es ist ein Vorschlag ehrlicher Art gemacht, wir haben den Antrag ein⸗ geschrãnkt. Man sagt, auch die Grundrente muß sich eine Reduktion gefallen lassen. Aber es handelt sich nicht mehr um das Weniger, sondern darum, daß überhar ö. nichts mehr da ist. Es wird ja von der Begehrlichkeit der ostelbischen Junker gesprochen. Jemand, der so ange in Preußen thätig war, wie Herr Richter, der follte doch wissen, daß die ostelbischen Junker niemals darauf ausgegangen sind, sich zu bereichern. Der ostelbische Junker war der Mann, der Gut und Blut für seinen König und sein Vaterland eingesetzt hat. Wir wollen uns als Männer über solche Sachen streiten, aber verdächtigen Sie nicht die Männer, die fest und treu zu ihrem Kaiser noch heute stehen d feste und treue Stützen des Thrones sind. Ich trete für den Antrag Kanitz ein, weil ich dem Bauern helfen will; denn dem geht es schlecht. Wenn unser Vorschlag nicht acceptabel ist, so muß die Regierung doch anerkennen: so gebt es nicht mehr weiter. Sstelbien ift ein Agrar⸗ staat, danach müssen sich die Gesetze richten; die wirthschaftlichen Verhältnisse müssen auf gesunde Grundlagen gestellt werden. Die Gesegzgebung kann nicht bloß dem Einen helfen, sondern muß Alle berũcksichtigen. Worunter leidet der Handwerker der kleinen Stadt? Weil der Jandĩcth nicht mehr von ihm kaufen kann, weil er seinen Verbrauch einschränkt. Es sind ja land und forstwirthschaftliche Kommissarien bei den Gesandtschaften thätig. Glaubt man, daß dieses kleine Mittel helfen wird? Wir wollen das Beste hoffen, aber die akute Schwierigkeit wird dadurch nicht überwunden. Man hat ge⸗ sprochen von der Viehsperre zur Hebung des nationalen Vieh⸗ standes und seiner besseren Verwerthung. Es handelt sich darum: wollen wir unbeschränkt jedes kranke Vieh hereinkommen und unseren Viehstand gefäbrden lassen, oder wollen wir eine Kontrole üben, daß nur gesundes Vieh über die Grenze kommt. Wäre es nicht sebr viel richtiger, daß wir an der Grenze auch eine Kontrole des Setreides vornehmen lassen, daß nur gesundes Getreide hereinkommt? Richtiger wäre es doch, für die Verpflegung der Massen, nur gutes Getreide zu beziehen. Wir können dem Minister von Hammerstein nur dankbar sein, daß er eine Viebkontrole ermöglicht hat. Die Alters und Inraliditätgversicherung erfordert in diesem Jahre ein Mehr von 2665 000 M. Ich hoffe, daß die Versicherung Früchte tragen wird. Wir werden aber Veranlassung haben, beim Spezial⸗-Etat auf die Frage der Revision näher einzugeben, namentlich, ob die finanzielle Lage eine Aenderung und Erleichterung gestattet. Beim Kanalamt mahnten wir, zunächst eine vorläufige Einrichtung zu treffen; wir sind damals niedergestimmt worden. Das große Kanalamt ist ein⸗ gerichtet, aber der Verkehr entspricht den großen Kosten nicht, es wird ein Zuschuß von 200 000 erforderlich. Dem Post⸗Etat können wir nicht ohne weiteres zustimmen: nicht bezüglich der neuen Postanstalten, sondern bezüglich der Bauten. Die Forderungen dafür ehen über die Grenze unserer Finanzlage hinaus. Der Redner esprach hierauf die einzelnen Bauten, für welche theure Bau⸗ plätze gekauft seien, so z. B. in Dresden, und fuhr dann fort: Das Schlußergebniß der Postverwaltung ist das schon oft besprochene. Sind die Ueberschüsse noch Ueberschüsse oder handelt es sich nur darum, daß die Post auf den Staatsbahnen so billig fährt? Die Frage der k ist vom Reichstag ablehnend beantwortet worden; die egierungen sind mit ibrer Vorlage unterlegen. Der Schatzsekretär will jetzt ähnliche Fragen nicht vorlegen. Wir haben aber wohl die Pflicht zu fragen, wie können wir Wandel schaffen? Denn all— jährlich sich etwas leihen, wie lange soll das gehen? Wir müssen

sich im Reichstag viele Interesfen geltend machen, welche den Gan der Regierungen erschweren. Damit hat der Reichskanzler = Finger in die Wunde gelegt. Wir laborieren fortgesetzt daran, daß der Reichstag sich zum theil in Interessengruppen aufgeläöst hat, die kein gemeinsames Ziel finden können. Gegenüber der Zerriffenheit der Parteien giebt ez nur eine einzige Politik für die Regierung: namlich die der absolutesten Gerechtigkeit; es darf keine Partei der anderen auch nur im geringften vorgezogen werden. Die scharfe Hand⸗ habung der Geseße gegenüber den Sozialdemokraten widerfhricht der schwãchl ichen ltung der Regierung gegenüber den Agrariern. Wenn man verfolgt hat, wie die Wirkungen der Handelsverträge bon Ldiesen dargestellt werden, dann versteht man nicht, wie die Regierung dazu schweigen konnte. Ueber welche Lappalien haben wir nicht Denkschriften, warum ist keine Denkschrift vor⸗ gelegt worden über die Wirkung der Handelsverträge? Man will der agrarischen Partei nur nicht zeigen, wie vollständig unbe— rechtigt ihre Vorwürfe sind. Ich würde mich verpflichten, in fünf Tagen eine Denkschrift fertig zu stellen aus gedruckt vorliegenden Handels- lammerberichten n. s. w. Welcher Art sind die Angriffe gegen die Vertragspolitik gewesen? Ich rerweise auf die Veröffentlichung des Grafen Strachwitz, der die Handelsverträge als einen verlorenen Krieg bejeichnete, Graf Kanitz hat behauptet, daß sämmtliche Handelskammern die Wirkungslosigkeit des russischen Handels vertrags festgestellt hätten. Die Reglerung läßt sich die Angriffe rubig ohne Gegen⸗ wehr gefallen, trotzdem sicherlich die Sachverstãndigen der Meinung sind, daß der Abschluß der Handels verträge die segens⸗ reichste Aktion war, die jemals vollzogen wurde. Ebenso ruhig legt die Regierung die Hände in den Schoß auf dem Gebiete der Währung. Herr von Kardorff bielt am ersten Tage der Etats—⸗ debatte eine große Rede, ohne die Währung zu erwähnen, was bisher noch niemals der Fall war. Das läßt tief blicken. Allerdings eine blamablere Niederlage, als sie die Doppelwãhrungsmänner seit einem Jahre erlitten baben, ist noch niemals dagewesen. Ueber die Konferenz, welche vom Reichstag angeregt ist, hat man nichts gehört. Eine Aeußerung des französischen Ministers Ribot führte Graf Mirbach an als Beweis für die Nothwendigkeit einer Konferenz. Herr Ribot gehört aber schon, wie das bei französischen Ministern häufig ist, zum alten Eisen, und Herr Balfour ist Minister geworden, aber er hat den Bimetalliften eine schwere Enttäuschung bereitet, indem er eine Konferenz als vollständig aussichtslos darstellte. Es ist komisch: die Bimetallisten brauchen bloß etwas zu prophezeien, sofort tritt das Gegentheil ein. Die Währungskonferenz ist von der Regierung doch nur einberufen worden, weil man befürchtete, daß das deutsche Gold verschæinden würde nach Amerika und Indien. Das Gegentheil aber ist eingetreten. Von dem Zerren an der Golddecke hat man nichts gemerkt. Als behauptet wurde, daß es mit der Gold produktion vorbei sei, wurden die großen Goldfelder in Transvaal erschlossen. und die Produktion steigerte sich sehr erheblich. Desterreich hat das Gold, welches es zur Herstellung seiner Währung braucht, an sich gezogen; auch Rußland hat seine Gold⸗ vorräthe an sich genommen. Also überall ist das Gegentbeil von dem eingetreten, was die Bimetallisten vorausgesagt hatten. Und trotzdem kokettiert die deutsche Regierung noch immer mit der Währungs—⸗ konferenz. Es ist doch garnicht verständlich, daß man bei dem guten Stand unserer Währung noch an solche Konferenzen denkt, daß man nicht einfach jeden Gedanken daran energisch zurückweist. Es wäre erwünscht, wenn die Regierung eine deutliche Erklärung abgeben würde, wie das der württembergische Finanz⸗Minister z. B. schon gethan hat. Die verbündeten Regierungen sollten ihre Verdienste nicht unter den Scheffel stellen, sondern uns die Freude machen, einer Regierungshandlung applaudiren zu können. Für das Prestige Dentschlands ist es nicht zuträglich, im Auslande den Glauben zu erwecken, als ob wir nicht wüßten, welche Währung für Deutschland zweckmäßig sei. Eine Aenderung der Währungsverhältnisse würde ein Unglück ersten Ranges sein. Die Regierung kommt den Agrariern entgegen durch die Vorlage über die Margarine und ähnliche Dinge, sowie durch das Börsengesetz. Das Börsen⸗ gesetz wird in allen landwirthschaftlichen Versammlungen, wenn auch mit wenig Kenntniß, doch mit um so mehr Aufwand von Lungenkraft als nothwendig bezjeichnet. Ich bin der

mäßigung der Steuer zur Hebung des Konsums würden wir sofort annehmen. Durch die Erhöhung der Steuer von 18 auf 24 4 wird der Konsum vermindert, obgleich gerade Deutschlands Konsum noch zurücksteht hinter dem anderer Länder. Das ist eine Seite der Medaille. Die Vorderseite der Medaille ist die Schneidigkeit gegen die Sozialdemokratie. Der Büůrgermeister von Kolberg 1 gemaßhregelt worden, weil er den Saal einer stäãdtischen Wirthschaft auch den Sozialdemokraten überlassen hatte. Die Herren von dem sezial⸗ demokratischen Parteivorstand werden wahrscheinlich angesichts der neuesten * des Herrn von Köller demselben dankbar sein, daß er sie von ihren Geschäften entlastet hat, daß sie jetzt alle 47 unter sich die Arbeit erledigen können. Die Majestãtsbeleidigungsvrezesse, die in großer Zahl verhängt werden, machen im Publikum keinen großen Cindruck, namentlich, wenn es sich dabei um Lappalien, um unglücklich gewählte Ausdrücke u. s. w. handelt. Dadurch thut man der Sozialdemokratie keinen Abbruch, sondern führt ihr eher Anhänger zu. Glaubt man mit solchen Kraftworten, die man bier im Reichstag losläßt, die direkt an die Grenzen der Beschimpfung heranreichen, die Sympathien der Allzemeinheit zu er⸗ werben? Als der Sozialismus noch Mode war, als der Professoren⸗ und Pastorensozialismus falonfähig war, habe ich ihn schon bekämpft. Mit dem eigentlichen Sezialismus, mit dem Kollektivismus lockt heute die Sozialdemokratie keinen Hund mehr vom Ofen. Die Sozial⸗ demokratie hat dadurch an Kraft gewonnen, daß das Volk eine andere Meinung von ihr bekommen hat. Man glaubt nicht mehr an das Theilen und an den Zukunftsstaat. Die Sozialdemokratie zieht ihre Kraft aus der Solidarität der Arbeiter, aus dem Gefübl, daß die Arbeiter, die von der Macht ausgeschlossen sind, ausgebeutet werden. Das führt der Sozialdemokratie die Anhänger zu. Deshalb hat die Regierung dafür zu sorgen, daß sie durch ihre Maßregeln nicht den Glauben schürt, daß ungerecht gegen die Sozialdemokraten und die Arbeiter verfahren wird. Die Sozialdemokratie ist nur durch die strikteste Gerechtigkeit zu bekãmpfen. Behandeln Sie sie mit derselben Nachsicht wie die Agrarier, so werden Sie der Sozialdemokratie erheblichen Abbruch thun; die große Armee würde dadurch zusammen⸗ schmelzen, denn sie besteht zum großen Theil aus Unzufriedenen, welche die Begünstigung gewisser Interessengruppen als ungerecht empfinden. Gerecht muß man sein, nicht bloß gegenüber den Sozial⸗ demokraten, sondern auch gegenüber anderen Elementen. Wenn eine große Daupt- und Staatsaktion daraus gemacht wird, wenn ein dänischer Schauspieler in Hadersleben auftritt, so muß das Mißstimmung erregen. Auch den Elsaß⸗Lothringern sollte man ihre Ausnahme⸗ geseßgebung nehmen und sie zu gleichberechtigten Bürgern Deutschlands machen. Statt Repressivmaßregeln sollte man die Politik der nationalen Großberzigkeit führen; das würde das Ausland besser ver⸗ steben als alle Betheuerungen, daß wir die Reichslande behalten wollen. Die Art und Weise, wie die sozialdemokratische Presse das Sedanfest und den Kaiser Wilhelm J. behandelt hat, halte ich für ungeziemend; aber trotzdem ist es unpraktisch und unmotiviert, die Sozialdemokratie mit den Mitteln zu bekämpfen, wie es geschieht. Denn dadurch erzielt man keine Wirkungen, sondern höchstens das Gegentheil des Beabsichtigten. Wenn wir eine Feier des 25 jährigen Bestehens des Reichs veranstalten wollen, die sich im Auslande sehen lassen kann, dann sollte man damit beginnen, daß man strikte Ge⸗ rechtigkeit walten lasse gegenüber allen Parteien.

Abg. Dr. Ennecce rus nl) protestiert gegen die den Reichs⸗ gerichts⸗Rath Stenglein betreffende Ausführung in der Rede Bebel's.

rr Bebel habe sich auf eine Abhandlung in der „Zukunft bezogen. In diesem Artikel finde er trotz sorgfältigster Durchsicht nichts, was auch nur entfernt in dem Sinne gedeutet werden könnte, wie Bebel angegeben habe. Nur ein Satz finde sich darin, der dahin ausgelegt werden könnte, aber nur von jemand, der nicht verstehen wolle, was er gelesen. (Redner verliest den betreffenden Passus) Der Redner erklärt, sich jedes Urtheils über diese Behauptung enthalten zu wollen. Das öffentliche Urtheil werde das Verfahren Bebel's beim richtigen Namen nennen. Er habe hier ebenso die Thatsachen auf den Kopf gestellt wie bei seinen Ausführungen über die Ursachen des großen Krieges von 1870 und der Feier der damaligen Ruhmesthaten und noch mehr über die Bedeutung der Reformation. Er überlasse die ganze Rede des Herrn Bebel der öffentlichen Meinung.

klar darüber werden, daß wir Ausgaben

nur ein Versteckenspi⸗len sein.

und einstehen für die Machtstellung des Vaterlandes.

daß es noch eine Reibe von Arbeitern giebt, die stolz sind auf ihr

deutsches Vaterland.

Abg. Dr. Barth (fr. Vg.): Der Reichskanzler hat erklärt, daß

auf das Ordinarium übernehmen und nicht durch Anleiben decken müssen; denn das würde Wir stehen auf dem Standpunkt, daß das Reich nicht ein lästiger Kostgänger der Einzelstaaten sein soll, es soll den Einzelstaaten durch Ueberweisungen helfen. Der Reichsgedanke hat wohl etwas gelitten, wir müssen ihn daher kräftigen

Meinung, daß dieses Gese wird, daß höchstens der Possendichter sein wird. Das

Induftrie. Ich hoffe auch, ebenfalls ihre Prämien Belastung der

wenigstens nicht viel Schaden anrichten örsenkommissar eine komische Person für Margarinegesetz wird auch nicht viel Wirkung haben, ebenso wenig wie das frühere Margarinegesetz. Das Zuckersteuergesetz wird gemacht im Interesse der ausführenden Glaubt inan wirklich, daß die Vorlage ein Kampfmittel sein wird? Werden die Agrarier in Frankreich und anderwärts nicht erhöhen? deutschen Konsumenten übrig., und es Prämiensystem doch nicht aufrecht erhalten werden können.

wiederholt.

Schließlich bleibt bloß eine wird das

Eine Er⸗

Darauf wurde ein Vertagungsantrag angenommen.

Persönlich bemerkt Abg. Frhr. v. Stumm (Ry. ): Herr Bebel hat die mir von einer skandalsüchtigen Presse in den Mund gelegten Worte Nachdem ich öffentlich erklärt habe, daß ich diese Worte weder dem Sinn noch dem Wortlaut nach gesprochen, muß ich jeden, der diese Erklärung gelesen hat, was ich allerdings vom Abg. Bebel nicht annehme, und mir trotzdem diese Worte in den Mund schiebt, für einen bewußten Verleumder erklären.

Schluß 5 Uhr.

Nächste Sitzung: Donnerstag 1 Uhr.

1. Untersuchungs⸗Sachen.

2. Aufgebote, Zustellungen u. dergl.

3. Unfall⸗ und Invaliditäts⸗ 2c. Versicherung. 4. Verkäufe, Verpachtungen, Verdingungen ꝛe. 5. Verloosung ꝛc. von Werthpapieren.

DOeffentlicher Anzeiger.

S &

Kommandit ⸗Gesellschaften auf Aktien u. Aktien⸗Gesellsch. Erwerbs⸗ und Wirthschafts⸗Genossenschaften. Niederlassung ꝛc. von Rechtsanwälten. Bank⸗Ausweise.

Verschiedene Bekanntmachungen.

) Untersuchungs⸗Sachen.

[54192 Steckbrief.

Gegen den unten beschriebenen Kaufmann Gustav Krohn, geboren am 25. Oktober 1853 zu Wuster— haufen, evangelisch, welcher flüchtig ist, ist in den Akten J. III. 1108. 95 die Untersuchungshaft wegen Konkursvergehens und Untreue verhängt. Es wird ersucht, denselben zu verhaften und in das hiesige Untersuchungsgefängniß, Alt⸗Moabit 12 a., abzuliefern.

Berlin, den 3. Dezember 1895.

Königliche Staats anwaltschaft J.

Beschreibung: Alter 42 Jahre, Größe 1 m 70m, Statur untersetzt, Haare blond, Stirn frei, Bart blonder Vollbart, Augenbrauen blond, Augen blau⸗ grau, Nase gewöhnlich, Mund gewöhnlich, Zäbne vollständig, etwas schwarz, Kinn Sval, Gesicht rund und voll, Gesichtsfarbe roth, Sprache deutsch.

54193 Steckbriefserledigung.

Der gegen den Kommis Oskar Julius Lemke wegen Unterschlagung unter dem 13. September 1899 in den Akten U. R. I. 304. 1890 erlassene Steckbrief wird zurückgenommen.

Berlin, den 7. Dezember 1895.

Der Unter suchungsrichter beim Königlichen Landgericht J.

Isoõd341] Bekanntmachung. ;

Der unter dem 7. November 1895 hinter dem Steinsetzergesellen Friedrich Adomat erlassene Steck= brief. abgedruckt in Stück Nr. 276 des Deutschen

Anzeigers pro 1895 Nr. 48 264, ist erledigt.

Tilsit, den 2. Dezember 1835.

Königliches Amtsgericht.

logd62] Stra fvollftreckungs⸗Ersuchen.

Der Arbeiter Ferdinand Marquardt, am 27. Juli 1869 in Berlinchen geboren, zuletzt in Leuschentin wohnhaft in, ist durch vollstreckbares Urtheil des Königlichen Schöffengerichts e, . vom 24. Oktober 18395 wegen Beleidigung, Bedrohung

und Hausfriedensbruches zu zwei Wochen Gefängniß verurtheilt. Es wird um Strafvollstreckung und Nachricht zu den Akten D. 47. 985 ersucht. Berlinchen, den 7. Deiember 1895. Königliches Amtsgericht.

54422 Bekanntmachung. Gemäß 333 d. R. St ⸗P.-O. wird hiemit be— kannt gegeben, daß durch Beschluß der Strafkammer des K. Landgerichts Aschaffenburg vom 9. (neunten) Dezember 1895 das im Deutschen Reiche befindliche Vermögen des am 28. September 1863 in Mainz geborenen, in Karbach bei Marktheidenfeld zuletzt wohnhaften Heinrich Struth, gegen welchen öffent⸗ liche Klage wegen Verbrechens wider die Sittlichkeit nach 5 176 Ziffer 3 R.⸗St. G. B. erhoben wurde, mit Beschlag belegt wurde. A.- 3. 1712/1895. Aschaffenburg, 19. Dezember 1895. Der Erste Staatsanwalt: Schedel.

54421]

ö. der Strafsache gegen den Johann Georg Seip von Ober ⸗Sensbach wegen Urkundenfälschung wird auf Antrag der Gr. Staatsanwaltschaft das im Deutschen Reich befindliche Vermögen des An⸗ geklagten nach 5 332 me, ,. mit Beschlag belegt.

Darmfstadt, 6. Dezember 1895. Gr. Landgericht der Provinz Starkenburg. Strafkammer II. . (gez) Baur. (gez) Schneider. (gez) Herzberg er. 8* , (L. S.) Wießner, Gerichts. Assessor.

54261) K. Staatsanwaltschaft Heilbronn.

In der Strafsache gegen Karl Theodor Guth von Heilbronn wegen Verletzung der Wehrpflicht wurde durch Beschluß der hiesigen Strafkammer vom 5. d. M. die am 8. April d. J. angeordnete Vermögensbeschlagnahme aufgehoben.

Staatsanwalt Hartmann.

——

2) Aufgebote, Zustellungen und dergl. 5275

In Sachen des Ingenieurs Carl Fehlert zu Berlin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. jur. Haeusler, Klägers, wider den Zivilingenieur Ernst Raßmus zu Blankenburg, Beklagten, wegen Hyvothekkapitals und Zinsen, wird, nachdem auf Antrag des Klägers die Beschlagnahme der dem Beklagten gehörigen 5,64 a der Theil e., f., L, E. des Plans Nr. 318 auf der Lehmkuhle und 2,11 a der Theil e., g., C. des Weges Nr. 1103, eingetragen Band VIII Bl. 1602 des Blankenburger Grundbuch, zum Zwecke der Zwangs versteigerung durch Beschluß vom gestrigen Tage verfügt, auch die Eintragung dieses Beschlusses im Grundbuche am selbigen Tage erfolgt ist, Termin zur Zwangsversteigerung auf den 12. Februar 1896, Morgens 10 Uhr, vor Herzoglichem Amtsgerichte Blankenburg angesetzt, in welchem die Hypothekgläubiger die Hypothekenbriefe zu über⸗ reichen haben.

Blankenburg, den 7. Dezember 1895.

Herzogliches Amtsgericht. S. Sommer.

654317 . Nach heute erlassenem, seinem ganzen Inhalt nach

durch Anschlag an die Gerxichtstafel und durch Abdruck in den Amtlichen Mecklenburgischen Anzeigen bekannt gemachtem Proklam finden zur Zwangsversteigerun der beschlagnahmten Erbpachthufe Nr. 3 zu Wendis Waren, bisher dem Erbpächter Adolf Haase gehörig, mit Zubehör Termine: .

1) zum Verkauf nach zuvoriger endlicher Regu⸗ lierung der Verkaufsbedingungen am Mittwoch, den T6. Febrnar 1896, Vormittags 10 Uhr,

2) zum Ueberbot am Mittwoch, den 18. März 1896, Vormittags 10 Uhr

3) zur Anmeldung dinglicher Rechte an das Grund⸗ stück und an die zur Immobiliarmasse detselben ge⸗ hörenden Gegenstände am Mittwoch, den 26. Fe⸗ bruar 1896, Vormittags 9 Uhr, im hiesigen Amtsgerichtsgebaͤude statt.

Auslage der Verkaufsbedingungen vom 12. Fe⸗ bruar 1896 an auf der Gerichtsschreiberei und bei dem zum Sequester bestellten Forstkandidat Herrn Plagemann hieselbst, welcher Kaufliebhabern nach vorgängiger Anmeldung die Besichtigung des Grund⸗ stücks mit Zubehör gestatten wird.

Goldberg, den 7. Dezember 1895.

Großherzoglich Mecklenburg⸗Schwerinsches Amtsgericht.

54318 In Sachen des Viehhändlers Wilhelm Heimann zu Harlingerode, vertreten durch Rechtsanwalt Rudolph zu Goslar, Klãger⸗ wider den Hüttenmann Ernst Klotz zu Oker. Beklagten, wegen Forderung, wird, nachdem auf Antrag des Klägers die Beschlagnahme des dem Beklagten gehörigen Brinksitzerwesens No. ass. 53 zu Oker zum Zwecke der Zwangsper⸗ steigerung durch Beschluß vom 29. November 1895 verfügt, auch die Eintragung dieses Beschlusses im Grundbuche am gleichen Tage erfolgt ist, Termin zur Zwangs versteigerung auf Sonnabend, den 14. Marz 1896, Nachmittags Bz Uhr, vor Herzoglichem Amtsgericht Harzburg im Gasthause zur hohen Raft“ zu Oker angesetzt, in welchem die Hypothekgläubiger die Hypothekenbriefe zu überreichen haben. Harzburg, den 29. November 1895. Herzogliches Amtsgericht. Unterschrift.)

oz 16] Spezial. stonłkurs Aufgebot und Zwangsverkanf einer Hufenstelle.

Nachdem über die auf den Namen des Hufners ranz Friedrich Wilhelm Soetebeer in Gr. Pampau m Schwarzenbeker Schuld⸗ und Pfand⸗Protokoll Band XVII Blatt 19 Seite NI eingetragene, in Gr. Pampau belegene, nach dem Auszug aus der Grundsteuermutterrolle 49 ha 82 a 32 dm große Hufenstelle nebst Zubehör, etwaigen Wirthschafts⸗ vorräthen und Inventarium infolge Antrags der Wittwe Catharina Margaretha Elisabeth Geerdts, geb. Loß, in Mölln, vertreten durch den Amts. borsteher Schefe in Schwarzenbek, auf Grund eines vollstreckbaren Zahlungsbefehls des Königlichen Amts- gerichts hierselbst zur Befriedung der gedachten