1896 / 19 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 21 Jan 1896 18:00:01 GMT) scan diff

ist die Zeit des Aufrũckeng und die

ng verringert worden; es haben erhebliche

stattgefunden, namentlich in Bezug auf

haben den Erholungsurlaub eingeführt es

sind inzwischen durch die Gesetzgebung für die Wittwen und Waisen sehr erhebliche Erleichterungen eingetreten; die Abzüge, welche früher 3 0 betrugen, sind abgeschafft; die Post hat ihren Unterstützungsfonds vermehrt, hat Spar. und

Vorschußvereine ins Leben gerufen, den Beamten bedeutende Unter⸗

stützungen und Erleichterungen bei der Lebensversicherung bewilligt, die

Kleiderkassen begründet, gesellschaftliche Vereine hervorgerufen,

Bibliotheken, Post. und Telegraphenschulen, die Kaiser⸗Wilhelms⸗ stiftung begründet, die so außerordentlich wohlthätig in allen ihren

Beziehungen wirkt, und das ganze Niveau des Post⸗ und Tele⸗

graphenbeamtenstandes ist gehoben worden. Darüber herrscht völlige

Uebereinstimmung.

Ich glaube doch, meine Herren, daß nach diesen wirklich großen Maßregeln, die zur Verbesserung der Stellung und des Wohles der Beamten getroffen sind, von einer wirklich begründeten Unzufrieden⸗ heit für jeden, der sich das überlegt, nicht die Rede sein kann. Mir schreibt der Ober⸗Postdirektor aus Frankfurt am Main:

Gestern meldete sich bei mir der Postverwalter R. aus G.

es ift das ein kleiner Ort im Nassauischen, im Frankfurter Bezirk mit der Bitte, ihn als Beispiel vorzuführen, falls es sich in Berlin bei der dritten Lesung des Etats darum handeln sollte, einen hungerleidenden Postbeamten vorzuführen. Er wiege 225 Pfund, seine Frau 175 Pfund, beide zusammen also 4 Zentner. Er würde die Reise nach Berlin auf eigene Kosten ausführen. (Heiterkeit)

Mit der Noth wird es wohl also so schlimm nicht sein.

Natürlich reicht bei dieser großen Vermehrung des Verkehrs ich werde nachher noch einige Zahlen in Bezug auf die Packet⸗ und Briefsendungen anzuführen die Ehre haben der Raum nicht mehr aus, und darum die Baulust, wegen deren ich so viele Kämpfe mit den geehrten Herren nach meiner Meinung ungerechtfertigter⸗ weise auszustehen gehabt habe. Wir haben allerdings in den letzten 25 Jahren 1667 Posthäufer gebaut, darunter 448 siskalische und 1219 auf dem Miethswege, aber auf unsere Anregung, unter unserer Aufsicht und entsprechend unseren Verhältnissen. Nun, meine Herren, es sind das ja hohe Zahlen; wenn man sie aber relativ anwendet und nicht absolut nimmt, so zeigt sich, daß gegenüber diesen kolossalen Anforderungen, gegenüber dem sehr schwachen Material, das wir vor⸗ fanden in den einzelnen deutschen Gebieten, die wir alle erst postalisch annektieren mußten, daß dies nur ein mäßiger Aufwand ist. Glauben Sie nicht, daß wir von irgend welcher Lust zum Bauen ergriffen sind! Ich habe seit drei Jahren 170 Maurer an meinen Wänden, die klopfen an allen Seiten so, daß die Nerven bei mir und den Meinigen dadurch sehr angestrengt werden. Also ein Ver⸗ gnügen ist das nicht. Es giebt einen alten Spruch, der sagt:

Bauen ist eine Lust das sage ich nicht, aber was jetzt kommt Aber hätte ich das gewußt, Daß es macht so viel Verdruß, Und daß es so viel Thaler kußt, So hätte ich euch was gehust't!

Ein alter wahrer Spruch, den wir hierauf anwenden können.

Ich bemerke aber, daß wir diese Bauten niemals aus Anleihen u. dgl. genommen haben, sondern so zu sagen aus unseren eigenen Mitteln, wenn ich dieses Wort auf die Gelder des Reichs anwenden darf. Es ist dabei das Geld alles im Lande geblieben; die Bau⸗ materialien: Holz, Steine, Eisen, Dachschiefer, Glas alles haben wir aus dem Inlande genommen; es besteht darüber ein von mir gegebener strenger Erlaß. Es sind viele Hunderttausende von Arbeitern beschäftigt, Unternehmer und Lieferanten.

Nun nehmen Sie an, welch kolossaler Vermögenszuwachs ist der Reichs Postverwaltung, also dem Reich, dadurch entstanden! Er zählt nach vielen Hunderten von Millionen, und der Werth dieser Gebäude steigt von Tag zu Tag.

Nun komme ich auf den Verkehr. Die Zahl der Briefsendungen belief sich vor 25 Jahren auf 3657 970 O00; im Jahre 1895 ist dieser Briefverkehr gestiegen auf 2360 Millionen, also beinahe 23 Milliarden, das macht täglich 6 Millionen Briefe. Nun denken Sie, was in diesen Briefen für ein Austausch, für eine Bewegung von Gedanken, Empfindungen und Gefühlen steckt an die vielen Geschäftsbestellungen, den Austausch der Gelehrten und Künstler über ihre Ansichten, Schriften und neue Erfindungen und Forschungsresultate, so bewegt sich doch da ein ganz ungeheures Kulturkapital. In diesen Zahlen sind die Zeitungen noch nicht einbegriffen; auf die komme ich noch.

An Postkarten wurden damals befördert es war das erste Jahr, als die Postverwaltung sie eingeführt hatte im Jahre 1870, Millionen, jetzt 443 800 000; also eine riesige Anzahl, und es sind dem Aerar durch die Einführung der Postkarten mehrere Hundert

Millionen Reineinnahmen geschaffen worden.

Sehr erheblich hat sich auch der Briefverkehr Deutschlands mit dem Auslande gesteigert; er belief sich damals auf 68 381 O00 S, und beträgt gegenwärtig nach der Schaffung des Weltpostvereins 30 100 000 ½ Eg ist also auch hier in 25 Jahren eine ganz exorbi⸗ tante Steigerung eingetreten. Diese verdanken wir einmal den Er—⸗ leichterungen des Weltpostvereins, aber auch dem Aufschwung der Wohlfahrt im ganzen deutschen Reich, und namentlich dem Umstande, daß unsere im Auslande befindlichen Landsleute, deren Anzahl ich auf über 8 Millionen schätze, inklusive der in den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika wohnenden, sich seit der Einigung der deutschen Stämme in ihren Interessen und Empfindungen immer fester schaaren um das Banner des Deutschen Reichs, und ihre Beziehungen hierher immer mehr kräftigen und ver⸗ mehren. Das beweist auch die Zunahme und der glückliche Stand unserer überseeischen Postdampfschiffe.

An Zeitungsnummern wurden damals, im Jahre 1870, 191 Mil- lionen befördert, jetzt 890 Millionen. Die Abrechnung, die das Zeitungsamt in Berlin mit dem Auslande führt, erstreckt sich auf So00 ausländische Postanstalten in Italien, Norwegen, Schweden, Frankreich, Rußland, kurz, in den bedeutendsten Ländern der Welt, und zwar über die vierteljährlichen Zeitungsgelder; und alles geht in Ordnung zu. Ich habe noch nie einen Verleger klagen hören, daß er nicht pünktlich bezahlt worden wäre.

Die Zahl der Packete hat sich von 28 Millionen. gesteigert auf 132 Millionen bis 1895. Nun vergegenwärtigen Sie sich, welche Vortheile für Handel und Industrie darin stecken, namentlich auch

s für die kleineren Geschäfte und Handwerker, fur die Millionen mitt. lerer Gewerbe und auch für die Fischerei und die Landwirthschaft. Ich erwähne hierbei u. a. die Butterhandlungen und Käsehandlungen und sonftige Molkereiprodukte; ferner die Eiersendungen u. dgl., kurz, die Landwirthschaft macht den ausgiebigsten Gebrauch davon. Auch kommen hier vor die feinen Gemüse, Spargel, Morcheln u. s. w.; das geht alles durch die Pest in diesen Zehnpfundpacketen, ebenso wie ein großer Theil des Buchhandels. Dadurch hat der Verkehr un—⸗ mein zugenommen.

Der Geldumsatz der Post betrug 1870 S000 Millionen und ist gegenwärtig auf 21 000 Millionen gestiegen. Alse 21 Milliarden beträgt der Geldumsatz der Post für ein Jahr. Nun bedenken Sie aber, daß eine große Zahl von Sendungen garnicht oder nicht voll⸗ ständig deklariert sind. Oft ist es kaum der zehnte Theil. Sie sehen also, um welche ungeheuren Summen es sich bei diesem Geldumsatz durch die Post handelt. Es sind das Zahlen, die sonst kaum auf irgend einem Gebiet vorkommen werden. Ich kann es nicht genau wissen, aber ich glaube, es trifft das ungefähr zu, daß, wie gesagt, kaum der zehnte Theil dieser 2. Milliarden Mark deklariert ist. Es würde sich das also auf 210 Milliarden Mark steigern.

Mit Postanweisungen sind außerdem befördert worden damals 366 Millionen Mark. Jetzt sind es 5475 Millionen Mark, also auch 5 Milltarden baares Geld, was durch die Postanweisungen befördert wird. Unsere Post nimmt hier die Stelle eines Transport- und eines Bankgeschäfts ein. Die Postanweisungeu übermitteln Postvorschuß⸗ sendungen ebenso an die Mandatare. Das ist eine sehr segensreiche Einrichtung für den Handelsstand und die rasche Abwicklung der Kredite, die überhaupt dem langen Kreditgeben und nehmen entgegen wirkt., und sie hat sich außerordentlich bewãhxt.

Endlich komme ich, um damit die Verkehrsnachweifungen zu schließen, auf den Telegraphenverkehr. Die Zahl der Telegramme im Jahre 1870 belief sich auf 7 Millionen im Deutschen Reich; jetzt haben wir 33 Millionen. Ich habe von Anfang an, wie mir im Jahre 1875 die Telegraphie übertragen wurde, meine Aufmerksamkeit darauf gerichtet, dieses Institut zu popularisieren, es vollsthümlich zu machen. Damals war es wesentlich in den Händen der ersten Ge⸗ werbetreibenden, der kräftigsten Kapitalisten, der Börsen, der großen Handelsfirmen, der Seehäfen und dergleichen. Und mit großer Freude habe ich nun seit Jahren gesehen, wenn ich mir in irgend einem Postamt die Depeschen geben lasse und sie dabei flüchtig durchgehe, wie viele mit recht schlechter, dürftiger Handschrist geschrieben sind, vom Volke ausgehend. Das ist von großem Nutzen und großer Be⸗ deutung. Ich habe infolgedessen eine eigene Statistik darüber auf⸗ nehmen lassen. Da hat sich Folgendes ergeben. Der Telegraphen⸗ beamte fagte mir nicht immer, aber häufig, das beziehe sich alles auf den großen Börsenhandel, das Arbitragegeschäft u. s. w. Das ist aber nicht richtig. Es hat sich nach dieser Statistik gezeigt, daß nur 34 Oo dieser Art waren. 10 9υάη— kommen auf Staats depeschen, Zeitungs⸗ depeschen, die übrigen H oo entfallen auf den Gemüths— verkehr, Familienangelegenheiten u. s. w., den kleinen Geschäfts⸗ mann, den Handwerker. Das sind doch äußerst wichtige Zahlen, und ich kann sagen, ich habe eine große Genugthuung darüber empfunden, daß es durch die Ermäßigung des Tarifz und die Ver— vollkommnung des Telegraphen gelungen ist, daß nun auch der kleine Mann immer mehr zum Telegraphieren fortschreitet und daß die Telegraphie in der That ein volksthümliches Institut wird.

Ich komme nun endlich zu der Finanzlage, die ich ganz kurz dahin charakterisieren kann: wir hatten 1870 bei der Post 76 Millionen Ein⸗ nahmen bei der Telegraphie war ein Defizit —. Der Ueberschuß war 6 300 000 M, wir haben heute in dem Etat, der vorliegt, an Einnahmen 2943 Millionen statt 76 Millionen und haben 26 Mil. lionen reinen Ueberschuß nach Abzug aller extraordinären Einnahmen. Einmal, wo es sich um Anlegung unterirdischer Leitungen handelte, um alle Festungen und Seeplätze vor allen Dingen unterirdisch zu verbinden, damit sie vor den Schneestürmen, die in unseren Breite⸗ graden große Verwüstungen anrichten, geschützt sind, haben wir eine Anleihe aufgenommen von 52 Millionen Mark und dann noch einmal 5 bis 6 Millionen für Ankauf eines Kabels nach Norwegen. Das sind die einzigen Anleihen, sonst ist alles in der ganzen Zeit vom Postfonds übernommen worden. Nun ist in die Zeit das möchte ich zum Schluß noch erwähnen wie Sie wissen der Weltpostverein gefallen und ich möchte hier nur eines dabei erwähnen: nicht das billige Porto, das er geschaffen hat, 20 Pfennige, 10 Pfennige für Postkarten und dergleichen, 5 Pfennige für Kreuzbandsendungen ist sein Vortheil, sondern die freie Beherrschung aller Verbindungen auf der ganzen Erde, soweit sie dem Weltpostverein beigetreten sind. Wir ver⸗ fügen über sämmtliche Eisenbahnen, über sämmtliche Dampfschiffe, mögen sie gehen, wo sie wollen, auf dem ganzen Erdkreise. Wenn früher ich will einmal ein Beispiel anführen ein Briefbeutel gemacht werden sollte, etwa nach Brasilien, nach Rio de Janeiro, so mußten Staatsverträge vorangehen mit Frank⸗ reich, England, mit Spanien und Portugal. Es dauerte oft Jahre lang, ehe solche Verträge abgeschlossen und ratifiziert wurden; heute ist weiter nichts nöthig, als daß vom Posstamt Berlin einfach ein Zettel abgeht des Inhalts: von übermorgen ab schicken wir Euch einen Briefsack, dann geht alles nach den geordneten Bestimmungen des Weltpostvereins vor sich mit der größten Pünkt⸗ lichkeit, und es ist ein besonderer Vorzug, der sich da ergiebt, er liegt wohl in der Natur der Sache —, daß bei uns eine Art demokratischer Verfassung existiert —; in der Beziehung nehme ich einmal an, was von jener Seite gesagt ist es werden alle Sendungen und Telegramme ganz gleich behandelt, der letzte Brief des kleinsten Mannes kommt zu unseren Gegenfüßlern nach Neuseeland mit derselben Pünktlichkeit, wie die wichtitzsten Staatsdepeschen und die Briefe der größten Handlungshäuser. Es kam dann das Jahr 1875, wo die Telegraphie noch der Postverwaltung übertragen ward, und 1877 die Reicht⸗ druckerei. Sie wissen alle wiederholt ist das hier von Ihnen in anerkennender Weise hervorgehoben —, daß die Reichsdruckerei mustergültige Leistungen aufzuweisen und eine bedeutende Entwickelung, namentlich im Kunstgebiet, genommen hat. Derzeit sind dort nahe an 1400 Arbeiter beschäftigt, und der Ueber⸗ schuß der Reichsdruckerei, der reine, Netto Ueberschuß, beträgt 13 Millionen Mark jährlich. Ez wurden große Bauten und Er⸗ weiterungen vorgenommen, große Maschinen wurden an⸗ geschafft, die vollkommensten Schnellpressen. Sie dienten den

mannigfachsten¶ Interessen der Welt; es werden da all—

jäbrlich Hunderte von Missionen Postkarten, 500 Nillionen BVersicherungzmarken und Tausende von Millionen Werthzeichen der BPostverwaltung hergestellt ebenso für die Reichsbank die Ba zabllose Massen von Aktien u. dergl. Dann kam das Jahr 18 und das Gesetz, dem Sie Ihre Zustimmung ertheilt haben, nicht ohne daß ziemlich lange Kämpfe vorangegangen waren, über R ü berseeischen Postverbindungen, die von Jahr zu Jahr sich immer besser bewähren, wir werden vielleicht heit haben, im Laufe der Session darüber in nahere Berathung einzutreten. Auf verschiedenen dieser großen Dampfer sind Seepostbureaux eingerichtet, unsere Beamten fahren von Bremen und Hamburg nach New. Jork und kommen zurück, und die ganze Kor. respondenz, die so enorm zugenommen hat, daß sie nicht mehr auf dem Lande zu bewältigen ist, wird wäbrend der Fahrt auf dem Meer verarbeitet und sortiert, und wenn das Schiff in Bremerhaven oder New. Vork an Land geht, so geht die Post mit den nächsten Zügen gleich weiter bis München oder New⸗Orleans. Dann kamen die Kolonien dazu, wo wir jetzt bereits aus gedehnte Post⸗ und Telegraphenverbindungen haben, sogar bis zu den Marschallinseln. Dann wurde der Postverwaltung durch die sozialpolitischen Gesetze über die Versicherungen xx. auf einem ihr eigentlich fernliegenden Gebiet eine große Last auf. gebürdet. Es sind hier eine Anzahl Gesetze in den 25 Jahren verabschiedet worden, von denen ich zum Schluß erwähnen möchte auf dem Gebiet des Post, und Telegraphenwesens das Postgesetz das Posttaxgesetz, das Gesetz über die Portofreiheiten, dann das Vost⸗ eisenbahngesetz von 1875, dann das Postdampfergesetz und endlich noch das Telegraphengesetz.

Nun, meine Herren, ich komme zum Schluß. Sie werden aug dem Bilde, das ich die Ehre hatte, vor Ihnen zu entwickeln, gewiß entnommen habe, welch eine volle, ja hundertfältige Frucht wir auf diesem hier vorliegenden Gebiete von dem Baum des Deutschen Reicht gepflückt haben. Es ist das eine der wohlthätigen Folgen der Einigung der deutschen Stämme gewesen, die das Ansehen, die Stellung Deutschlands, die Macht und Wohlfahrt befördert haben, und durch die der Unter nehmungegeist, das Selbstvertrauen der Deutschen gestärkt worden sind; und es ist unverkennbar, daß lediglich in dieser Kraft, in der Wiederherstellung des geeinigten Deutschen Reichs die Basis, daz Fundament dieser großartigen Entwickelung des Verkehrs, die ich vorhin aufrollen konnte, besteht. Wir danken vor allem auch diese fortschreitende Entwickelung, die sich in den letzten 19 Jahren besonders accentuiert hat, der Er⸗ haltung des Friedens, auf die unser erhabener Monarch mit größter Fürsorge und Weisheit bedacht ist, und der Steigerung der Kraft der Nation, der Stellung und des Ansehens Deutschlands im Rathe der Völker.

Ich kann aber nicht schließen, meine Herren, ohne die lebhaft em⸗ pfundene Pflicht der Dankbarkeit zu erfüllen auch gegen die Vertretung der deutschen Nation, welche bei allen Vorlagen, die die Reicht⸗ Postverwaltung die Ehre gehabt hat, vor das hohe Haus zu bringen, sei es in Form von Gesetzentwürfen, sei es in Form der Etats, stets ein bereitwilliges Entgegenkommen in voller Erkenntniß der Bedürfnisse des Volks und auch des internationalen Verkehrs stets an cen Tag legte, und welche der Ver— waltung die eigentliche Stärke gegeben hat, ibre Vor⸗ lagen, die bis dahin bloß potentielle Kraft hatten, mit aktueller Kraft erfüllt zu sehen. Meine Herren, wenn sich diese Art konser⸗ vativer Strömung und Stimmung erhalten und weiter bewähren sollte, wie ich zu hoffen wage: dann dürfen Sie versichert fein, daß es der Reichsverwaltung nicht an Kraft fehlen wird, in der bisherigen Weise weiter zu wirken, zur Förderung der Zivilisation, zum Segen unseres Volks und zur Ehre des deutschen Namens auf dem großen Forum des Weltverkehrs. (Lebhaftes Bravo!)

Der Referent Abg. Dr. Bürklin theilt aus der Kommission mit, daß dieselbe sich wiederum mit der Frage der Sonntagsruhe beschäf⸗ tigt habe; man dahe ausgeführt, daß Einrichtungen, die in anderen Laͤndern, z. B. in England möglich feien, auch bei uns möglich sein sollten. Die Kommission habe folgende Resolution vorgeschlagen: Der Reichstag wolle den Beschluß wiederholen, den Reichs tanzler zu ersuchen, veranlassen zu wollen, daß die Annahme und Bestellung gewöhnlicher Packete von der Reichspost an Sonn und Festtagen mit Ausnahme der Weihnachtszeit vom 18. bis 35. Dezember auf Cil⸗ sendungen beschränkt werde.“ Ferner theilt der Referent mit, daß die Kommission über die Frage der Dienstaltersstufen in einer beson· deren Sitzung verhandeln wolle; Aenderung der Ziffern des Clatz habe die Kommission nicht beschlossen.

Abg. Sin ger (Soz.): Wenn der Herr Staatssekretär mit einem Dank an den Reichstag dafür, daß derselbe seine Verlagen ge⸗ nehmigt habe, geschlossen hat, so kann ich mit einem Gegendank nicht erwidern; denn der Reichstag hat mit seinen Wünschen bezüglich der Beamten u. s. w. kein befonderes Entgegegenkommen gefunden. Die Postverwaltung wird von Beamten nicht als demokratisches Institut betrachtet werden, sondern als bureaukratisches, ja als ein Institut, in welchem der Despotismus herrscht. Vergessen hat der Staatssekretär, das vorzuführen, was die Post nicht gethan hat. Die Post ist auf das Geldmachen eingerichtet worden, hat aber nicht bie Interessen des Publikums wahrgenommen. Ich erinnere an die Beseitigung der Doppelbriefe, Ermäßigung der Telephongebühren, die abgelehnte Einführung der Karten⸗Briefe. Sachliche Ein. wendungen haben wir niemals gehört. Früher war der Leiter der Postverwaltung bahnbrechend, jetzt wird die deutscke Postverwaltung von den Veriwaltungen anderer Länder und von Privatverwaltungen längst übertroffen. Pie Berliner Privat⸗ institute und ihr Aufblühen sind der beste Bewels dafür, daß die Postverwaltung nichl mehr genügend den Interessen des Publi⸗ kums. Rechnung trägt. Die Beamten find durchaus nicht so zufrieden, wie Herr von Stephan es geschildert; die Klagen kommen an alle Reichstagsmitglieder in großer Zahl. Der eine starke Beamte und seine Gattin sind keineswegs Beweis dagegen. Ein Rundgang durch die Bureaux würde ,. von Stephan eines Anderen belehten. Das Beispiel war wohl nur auf die Lachlust der Hörer berechnet. Er mag sich nur die Landbrie träger ansehen, welche 30440 km machen; sie werden nicht so stark sein, wie der an⸗ geführte Beamte. Die Einwendungen gegen die wiederum vorgeschlagene Resolution waren nicht berechtigt. Man sagte eigentlich nur, daß wir in Deutschland den puritanischen Sonntag nicht wollen. Darum handelt es sich nicht. Wie der Sonntag verwenden wird, ist Sache der Beamten, wir wollen ihnen nur den freien Sonntag verschaffen. Geschehen ist manches für die Sonntagzruhe, aber es reicht nicht aus; der ir Schalterdienst am Sonntag. Nachmittag sollte wegfallen. Ich empfehle, einen Theil der diätarischen Dienstzeit und die militärische Dienstzeit hei der Anstellung einzurechnen. Ein wunder Punkt in' der sozialen Fürsorge der Post für ihre Beamten ist die Urlaubs frage, die erst durch die Anregung von der linken Seite des Reichstags in Fluß Ebracht ist. Der Postdirektor Gries bach hat für Berlin eine Ver⸗ y erlassen, welche eine Ginschränkung der Urlaubsertheilung an die Unterbeamten anordnet, weil bie 361 der Gesuche von im Jahre 1893 auf 306 im Jahre 1894 gestiegen sei.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

Gelegen.

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich

M 19.

3weit? K Preußischen Staats⸗Anzeiger.

Berlin, Dienstag, den 21. Januar

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Ein Landbriefträger, der 24 Jahre im Dienst ist, der 1879s71 acht Schlachten mitgemacht hatte, bat um 7 Tage Urlaub, um seine todt⸗ kranke Schwiegermutter besuchen zu können. Er erhiest nach langem Hin. und Herschreiben zuerst 3, endlich ? Tage Urlaub. Man giebt a schon in der Privatindustrie, allerdings hauptsächlich in der sozial⸗ r e, den Arbeitern Urlaub. Die Kautionen der Post⸗ beamten sind herabgesetzt, aber die Rückzahlung des Differenzbetrages verzögert sich sehr erheblich; es muß Vorkehrung getroffen werden, daß die Beamten sofort in i ihres Eigenthumß kommen. Die Postverwaltung mag ferner die Hilftzkräfte in verkehrreichen Zeiten daher requirieren, wo sie in der bürgerlichen Gesellschaft zu haben sind. Die Soldaten sind nicht dazu da, der bürgerlichen Gesellschaft . zu machen. Bei Fernsprechern werden auch Zivilpersonen beschäftigt, so z. B. in Berlin ein Kandidat der Theologie und ein Primaner. Gegen die Mitglieder des Vost . Assistentenverbandes richten ich die Maßregelungen in erster Linie. Das Organ des Verbandes führt auß der letzten Zeit wiederum eine Reihe seklatanter Fälle vor, in denen Maßhregelungen stattgefunden haben, die mit den Rechten der Beamten nicht vereinbar sind; Redner führt einige dieser Fälle an und fährt dann fort: Die Postverwaltung hat es abgelehnt, Forde⸗ tungen des Post. Assistentenverbandes an einen Postbeamten einzuziehen, während sie für jeden Privatmann solche Dienste leistet. Der Reichs⸗ tag hat es bekundet, daß er nicht wünscht, daß unter den Postbeamten Propaganda gemacht wird für die Ehrungen ihrer Vorgesetzten. Auf diesem Gebiet muß die größte Freiwilligkeit berrschen. Zum Schluß möchte ich den Wunsch aussprechen, daß der Tag nicht fern sein möge, wo der Reichstag den Lobpreifungen der Postberwaltung zustimmen lann, wo die Klagen der Beamten beseitigt sein werden.

Abg. Dr. Schädler (Zentr.): Ich muß mich dem Vorredner anschließen in der Klage darüber, daß unserer Resolution über die Sonntagsruhe nicht nachgegeben worden ist. Sowohl die Packet⸗ bestellung als auch der Schalterdienst sollte an Sonntagen be⸗= schränkt werden. Einheitlich läßt sich aber diese Frage nicht regeln, sondern muß auf die ordentlichen , Rücksicht genommen und dabei auch die Sonntagsheiligung erücksichtigt werden. Auch bezüglich der Urlaubs bewilligungen sollten' die Interessen der Unterbeamten etwas mehr berücksichtigt werden, denn nicht bloß der große Beamte, sondern auch der tlein? bedarf einmal der Aus⸗ svannung. Bezüglich des Post⸗Assistentenverbandes geht die allgemeine

uffassung des Reichstags dahin, daß die Haltung der Postver⸗ waltung diesem Verbande gegenüber von allen Parteien einstimmig verurtheilt wird. Bedauerlich ist, daß dem Wunsch des Reichstags bezüglich der Zivilanwärter und ihrer Gleichstellung mit den Wilitäranwärkern im Postdienst nicht nachgegeben worden ist. Die letzteren werden leichter zur Prüfung zugefassen und ge⸗ langen eher jur Anstellung als die ersteren. Die Besprechung der Frage der Sonntagsruhe will ich dem o sehr verdienten Spezialisten auf diesem Gebiete überlassen, ich will nur auf die Abänderung des Posttaxgesetzes in Bejug auf die Beförderung der Zeitungen hinwelsen. Die Frage ist ja innerhalb der Verwaltung schon in Erwägung gezogen worden. Es scheint, als wenn die Aenderung eine große Belastung des Zeitungsgewerbes zur Folge haben würde, denn es soll der Grundsatz aufgeftellt werden, daß für jede Zeitung bezahlt werden soll nach der Zahl der erscheinenden Nummern, nach dem Gewicht des Papiers ꝛc. Der alte Tarif entsprach den früheren Verhãltnissen; die Abonnementspreise waren damalg ziemlich gleichmäßig; heute ist das nicht mehr der Fall; der Abonnemen ispreis ist jetzt vielfach sehr niedrig, weil viele Zeitungen auf die Anzeigen den n th legen. Redner verweist darauf auf die Petition des eutschen Buchdruckerverbandes, der über die Frage sachliches Material beibringe, und spricht zum Schluß die Hoffnung aus, daß auf diesem Gebiet, dem Herrn Staatssekretär eine baldige Reform, die allseitig befriedige, gelingen werde.

g Dr. Lingens (Zentr.): In Bezug auf die Sonntagsruhe bat der Reichstag seine Entschließungen schon mehrfach festgelegt, aber sie sind von den verbündeten Regierungen noch nicht durchgeführt worden; der Grund wird daraus entnommen, de die Resolution verbunden war mit einer Einschränkung des isenbahnverkehrs am Sonntag. Aber dieser Grund ist ebensowenig zutreffend wie die anderen Gründe, daß der kleine Mann und die Soldaten durch die Schließung der Posf am Sonntag geschädigt werden, weil die Kapitalkräftigen von den Eilsendungen Gebrauch machen würden. Einer eingehenden Erörterung ist die Frage nicht mehr bedürftig. Ich hoffe, daß die Postverwaltung, nachdem sie 25 Jahre im Reich ibres Amts gewaltet hat, auch in den nächsten 25 Jahren eifrig

fortschreiten wird.

Abg. Werner (deutsch⸗soz. Refp.) bemängelt, daß die Post⸗ verwaltung den Reichstagsbeschlüssen nicht entgegengekommen sei beim Zeitungstarif, bei den Fernsprechgebühren, die namentlich in den kleineren Staͤdten erheblich ermäßigt werden müßten. Die steigenden Einnahmen der Postverwaltung beweisen, fährt Ver Redner fort, daß die Ermäßigung möglich ist. Auf die Erfindung eines Ferngespräch⸗ zählers braucht man nicht zu warten. Es scheint in der Postverwal= zung eine gewisse Zukunftspolitik zu herrschen; der Mann der Zukunft

int dem Herrn Staatssekretär keine Neuerungen mehr zu gönnen; er scheint sie erst selber durchführen zu wollen. Die Sonntagsruhe für die Beamten ist noch nicht genügend durchgeführt; daß jeder dritte Sonntag frei fein soll, ist noch nicht überall eingeführt. Eg sind manche Postassistenten noch gar nicht in die Sonntagzruhe einge⸗ chlossen worden. Der hn, , , in Kiel ließ Sonntags Briefe sählen und nachwiegen, weil der Post⸗Assistentenverband eine Ver⸗ sammlung an diefem Sonntage hatte. Die Unterbeamten bekommen einen Urlaub, außer in dringenden Fällen. Bei der Vertheilung der Fratifikationen follte eiwatz mehr ö, , . und nicht bloß das Wohlwollen der . entscheidend sein. Aus Kiel wird be— richtet, daß unverheiratete Beamte mehr erhielten als verheirathete; einem Beamten, der wegen Krankheit um eine Gratifikation bat, wurde sie ab e lagen, weil er sich nicht im Postverein sehen ließe. Pinter jeder Lokomotive foll ein Schutzwagen fahren; auf der Linte

issel= Frankfurt fährt aber stets der . hinter der Lokomotive. Die Postverwaltung sollte im Interesse ihrer Beamten da egen ein⸗

reiten, da die verunglückten Postbeamten nur sehr geringe ensionen zibalten. Die Maßregelungen sind schon berührt worden; ein gutes Verhältniß ann daraus nicht entsteben, wenn die Poftberwaltung ihre eigenen Beamten polizeilich überwachen läßt. Herr von Stephan nag das Beste wollen, aber er ist als alter Mann nicht mehr im stande, überall durchzugreifen.

ö. Freiherr von Stumm (Rp.): Die Postverwaltung hat den Veschlüssen des . nicht immer Hie, Man sollte zicht vergessen, daß der Bundesrath ein gleichberechtigter Faktor ist. Es ist leicht, Resolutionen vorjuschlagen; aber es ist nicht richtig, wenn man die Verwaltung zu Ausgaben drängt, ohne ihr die Ein— nahmen zu bewilligen. Ist Fenn nden Ueberschuß der Reichs. Post⸗; derwaltung ein wirklicher Ueberschuß? Vergesfen Sie doch nicht, daß en deutschen Eisenbahnen unentgeltliche Leitungen obliegen, dle auf etma ionen Mark berechnet sind. ine Dulfer würde duch ergeben, daß sämmtllche en, en von der Post⸗ verwaltung unter dem Selbstkostenpreise gefahren werden. . das Einschreiten der ö gegen die Assistenten⸗ 1 vom Hause einstimmig verurtheitt fei, ist nicht richtig.

ch bin der Po tverwaltung immer dankbar gewefen für die Fürforge,

die sie ihren Beamten zu theil werden läßt. Daß auch einmal ein Tadel ausgesprochen wird, mag richtig sein; aber bei der mangelnden Besetzung des auses kann man daraus, daß kein Wider- spruch erfolgt, nicht schliehen, daß das Haus damit einverstanden war. Was den Antrag Lingens betrifft, der inzwischen eingebracht ist, und dahin geht, daß auch Fronleichnam und Allerheiligen als Feiertage gelten fehln, so ist diese Frage Sache der Einzelregierungen; daß die Postverwaltung sich den Anordnungen dieser Instanzen nicht fügen sollle, kann man wohl nicht annehmen.

Staatssekretär des Reichs ⸗Schatzamts Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner:

Meine Herren! Die Pflicht der Kollegialität gebietet mir, das Wort zu ergreifen zu den heftigen Angriffen, die seitens eines der Herren Vorredner gegen den Staatssekretär des Reichs⸗ Postamts gerichtet worden sind. Es handelt sich wesentlich um drei Forderungen: um die Ermäßigung der Telephon“ gebühren, um die Ermäßigung des Stadtbriefportos und um die Erhöhung des Einheitsgewichts für einfache Briefe. Die Erfüllung dieser Forderungen würde nach Mit theilung des Herrn Staats sekretãrs der Reichs ⸗Postverwaltung einen Ausfall von 15 Millionen Mark bedeuten, und die Reichs Postverwaltung ist der Ansicht und stützt sich dabei auf die Erfahrung, daß derartigen Ermäßigungen keineswegs immer eine Erhöhung der Einnahmen durch Steigerung des Verkehrs gegenüberstehe; sie glaubt insbesondere, daß bei weiterer Ermäßigung des Briefportos oder bei Erhöhung des Einheitsgewichts wahrscheinlich der Briefverkehr nicht mehr entsprechend wachsen würde. Die Reichs Postverwaltung würde an sich gewiß durchaus geneigt sein, den Forderungen des hohen Hauses entgegenzutommen, sie ist aber, da sie ein sehr gewaltiges reichs staatliches Monopol ausübt, dabei auch unbedingt gebunden an die Interessen der Finanzverwaltung. Es ist vorhin von den Ueberschüssen der Post gesprochen worden. Meine Herren, wenn Sie von den Ueberschüssen der Post sprechen, müssen Sie doch von dem sogenannten Reinertrage noch die Kosten für die Bauten abrechnen, und ferner die Zinsen des Theiles der Reichsschuld, die auf der Reichs⸗Postverwaltung ruht. Machen Sie dieses Exempel, so hat der wirkliche Ueberschuß der Post im Jahre 1894/95 nur 183 Millionen betragen; würden also die ver⸗ bündeten Regierungen geneigt sein, den vielfachen Wünschen auf weitere Ermäßigungen der Gebühren entgegenzukommen, die hier ge⸗ äußert sind, so würde der Ueberschuß von 183 Millionen voraus⸗ sichtlich auf wenige Millionen reduziert, mit anderen Worten, es würde, obgleich die Staats. Eisenbahn verwaltung sehr erhebliche Leistungen für die Reichs ⸗Postverwaltung unentgeltlich zu besorgen hat, das Monopol der Reichspost nur noch einen verschwindenden Beitrag für die Einnahmen des Reichs liefern. Ich kann dem hohen Hause versichern, daß deshalb die verbündeten Regierungen nicht geneigt sind, noch irgend wesentliche Konzessionen in Bezug auf die Erträge, die jetzt die Reichs- Postverwaltung bringt, zuzugestehen, so lange ihnen nicht von dem hohen Hause andere Einnahmen als Ersatz zur Ver⸗ fügung gestellt sind. (Sehr gut! rechts.)

So lange wir noch mit einem Defizit rechnen, so lange in den Einzelstaaten noch eine ganze Reihe von dringend nothwendigen For⸗ derungen auf dem Gebiet der allgemeinen Landeskultur unbefriedigt ist, sind die verbündeten Regierungen nicht in der Lage, auf diesem Gebiet weitere Liberalitäten zu üben. (Hört, hört! rechts.)

Ich komme schließlich zum Post⸗Zeitungstarif. Ich kann dem hohen Hause versichern, daß der Herr Staatssekretär der Reichs⸗ post mit mir auf das eingehendste diese Frage geprüft hat; wie außerordentlich schwierig aber die Lösung derselben ist, werden die Herren, die sich mit der Sache näher beschäftigt haben, aus der Fachpresse gesehen haben, welche vielfach gerade entgegengesetzte Vor⸗ schläge gemacht hat. Wir haben bei jedem Verfahren, das wir glaubten vorschlagen zu sollen, für jede vielgelesene einzelne Zeitung das Exempel gemacht, wie sich jetzt die Leistung derselben stellt und wie sie sich in der Zukunft stellen würde, und sind hierbei stets auf die allergrößten Be⸗ denken gestoßen. Entweder wurden grohe, sehr potente Zeitungen ganz außer⸗ ordentlich entlastet, oder es wurden kleine, billige Blätter mit einem minimalen Abonnementsbetrage zu stark belastet. Wir glauben, jetzt einen Ausweg gefunden zu haben: den Postzeitungstarif nach der Richtung zu regeln, daß eine feste Abonnementsgebühr, sowie eine feste Jahresgebühr für jede Wochenausgabe erhoben wird und endlich eine Berücksichtigung des durchschnittlichen Gewichts stattfindet. Wir sind bei diesen Verhandlungen auch von der Auffassung ausgegangen, daß es weniger darauf ankommt, bei der Neuregelung des Post⸗ zeitungstarifs der Reichs Finanzverwaltung irgendwie wesentliche neue Einnahmen zuzuführen, als eine wirklich gerechte Vertheilung der Last gegenüber der Leistung herbeizuführen, und ich glaube, letzteres dürfte Ihren Wünschen entsprechen. Der Postzeitungstarif ist durch die Ver⸗ handlungen zwischen dem Reichs- Postamt und der Reichs Finanz verwaltung jetzt so weit geregelt, daß wir glauben, in nicht allzu langer Zeit den Versuch machen zu dürfen, die Zustimmung der ver⸗ bündeten Regierungen zu demselben einzuholen. Bis dahin, meine Herren, bitten wir Sie, sich noch weiter zu gedulden.

Abg. Dr. von Jaz dzews ki (Pole): Ich weise darauf hin, daß an besonderen katholischen Feiertagen andere Ressorts den Beamten gestatten, daß sie ihren religiösen Pflichten nachkommen; die Post⸗ verwaltung könnte das wohl auch thun. In den polnischen Bezsrken entstehen Schwierigkeiten daraus, daß wir so viele Beamte haben, die der Landessprache nicht mächtig ind. Es wäre wünschenswerth, wenn nach dieser Richtung hin dem polnisch redenden Publikum ent⸗ gegengekommen würde. Redner beschwert fich hierauf darüber, sich die gern nen, in großer Zahl an den Verein zur Vertheidigung des Deutschthums angeschloffen haben. Dadurch werde das Ver⸗ trauen zu den Beamten geschwächt. Jeder aus dem Staats sãckel bezahlte Beamte sollte sich . Bestrebungen, die sich gegen einen bestimmten Theil der Bevölkerung richten, fern halten.

Unter⸗Staatssekretär Dr. Fischer:

Meine verehrten Herren! Von den Bemerkungen, die seitens der Herren aus dem Hause zum Post⸗Etat gemacht worden sind, sind nach meinem Dafürhalten durch die Erklärungen, die der Herr Reichs. Schatzsekretär vorhin abgegeben hat, für jetzt wohl diejenigen als er=

1896.

ledigt zu betrachten, welche Vorwürfe gegen die Reichs. Postverwaltung deshalb erhoben haben, weil sie in Tariffragen es an Entgegenkommen gegen die Resolution dieses hohen Hauses habe fehlen lassen. Denn ich meine, nach den Erklärungen des Herrn Schatz sekretãrs wird niemand im Hause daruber zweifelhaft sein können, daß diese Fragen nicht ausschließlich von der Postverwaltung abhängen, und daß es namentlich nicht in ihrem Gutbefinden allein steht, wie die finanziellen Verhältnisse des Reichs und die dadurch bedingten Einnahmeverhältnisse sich zu gestalten haben. Ich darf mich daher darauf beschrãnken, Stellung zu nehmen zu den Aeuße⸗ rungen der Herren Vorredner, in denen einerseits die Sozialpolitit der Postverwaltung und andererfeits das Verhältniß derselben zu den verschiedenen Klassen der Beamten zum Gegenstand der Erörterung gemacht worden ist.

Wenn ich beim ersten Punkt, beim sozialpolitischen, beginnen darf, bei der Sonntagsruhe, so, glaube ich, werden Sie doch aus den Erörterungen, die hier stattgefunden haben, schon den Eindruck gewonnen haben, daß wenn die Resolution, die Sie im vorigen Jahre bezüglich der Einschränkung des Sonntagpacketdienstes angenommen haben, dem Bundesrath unannehmbar erschien, das nicht erfolgt ist ohne ganz ein⸗ gehende Erörterungen und ohne Prüfung der sachlichen Gründe. Es scheint mir nicht zweckmäßig, diese Gründe jetzt noch einmal in dem gegen⸗ wärtigen Augenblick zu rekapitulieren; ich beschränke mich darauf, zu sagen, daß die ablehnende Haltung ihren Grund wesentlich darin hat, daß die dienstlichen Erfordernisse und die abweichenden sehr verschiedenartigen lokalen Verhältnisse eine so schablonenmäßige Regelung, wie sie in der Resolution vorgesehen war, nicht gestatten. Die örtlichen Verhältnisse liegen eben sehr ver⸗ schieden; es ist namentlich Rücksicht zu nehmen auf die Ankunft der Züge, welche die Posten bringen, und deswegen kann man mit einer ganz generellen Vorschrift diese Sache nicht regeln. Aber wir haben uns auf diese rein negative Haltung nicht beschränkt, sondern ge⸗ glaubt, auf einem positiven Wege in besserer förderlicherer Weise vor⸗ gehen zu können, um die Ziele zu erreichen, die uns mit den Herren gemeinsam am Herzen liegen, nämlich eine größere Einschränkung der Sonntagsarbeit und eine größere Erweiterung der Sonntagsruhe für unsere Beamten. Ich behaupte, daß diese beiden Ziele durchaus zu den sozialpolitischen Aufgaben gehören, welche die Reichs⸗= Postverwaltung seit einer langen Reihe von Jahren verfolgt, und wenn man da nicht mit durchgreifenden Maßregeln vorgehen kann, so ist es doch auch hier die ruhige Arbeit, die Sandkorn auf Sandkorn häuft und von der Schuld der Zeiten sehr viel streicht, und das ist auch im vergangenen Jahre geschehen. Ich kann als einzelne dahin gehörige Maßregeln anführen, daß wir den Schalterdienst am Sonntag Nachmittag, wo er bisher noch 2 Stunden dauerte, auf eine Stunde beschränkt haben, daß wir bei einer ganzen Anzahl von Zweigpostanstalten, wo ein geringeres Bedürfniß für Offen⸗ haltung der Schalter vorlag, den ganzen Sonntags dienst aufgehoben haben, nicht nur am Nachmittag, sondern auch am Vormittag. Wir haben ferner den Begleitdienst der Bahnposten am Sonntag auf ein erheblich geringeres Maß zurückführen können, als dies bisher der Fall war. Dadurch wird einer größeren Zahl von Beamten als bisher ein reichliches Maß von Sonntagsruhe gewährt.

Der Herr Abg. Schaedler sprach den Wunsch aus, die Statistik, welche wir über die Betheiligung der Beamten an der Sonntagsruhe im Jahre 1891 dem Reichstage mitgetheilt haben, zu erneuern. Ich gestatte mir, zu bemerken, daß Jahr für Jahr diese Statistik hier mitgetheilt wurde und eine solche auch jetzt hier vorliegt, und daß hie Ziffern, welche sie enthält, wiederum einen Fortschritt bezeugen gegen⸗ über denen, die dem Herrn Abg. Schaedler vorliegen.

Wenn der Herr Abg. Werner die Triftigkeit dieser Ziffern vor— hin zu bemängeln suchte durch Anführung eines einzelnen Postamtẽs, so stelle ich die Frage: was will denn das beweisen? Wir haben unsere Ziffern auf Grund amtlicher Ermittelungen aufgestellt, wonach für das Gesammtverhältniß der Beamten nahezu 100 o derselben jeden dritten Sonntag frei haben. Dem gegenüber ist eine Behaup⸗ tung, daß bei einem einzelnen Postamt fünf Beamte keine Sonntags ruhe hätten, gänzlich belanglos.

Wenn weiter zur Sonntagsfrage der Wunsch ausgesprochen und zu einem Antrage verdichtet ist,

der Reichstag wolle beschließen:

den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, darauf einzuwirken, daß in überwiegend katholischen Postbezirken an den Tagen Allerheiligen und Fronleichnam den Postbeamten dieselbe Ruhe gewährt werde,

wie an den Sonntagen. so möchte ich mir erlauben, zunächst auf die thatsächlichen Verhält⸗ nisse hinzuweisen. Nach den Ausführungsbestimmungen zu unserer Postordnung gilt als Regel, daß die Landbriefbestellung am Charfrei⸗ tag, am ersten Osterfeiertag, Bußtag, Himmelfahrtstag, ersten Pfingst⸗ und ersten Weihnachtsfeiertag gänzlich ruht; dasselbe ist bereits jetzt in katholischen Gegenden am Fronleichnam der Fall. Ein Theil also dessen was in dieser Resolution begehrt wird, ist bereits durch allgemeine Vorschriften bestehenden Rech⸗ tens. Ich meine, daß auch bezüglich des Allerheiligentags in überwiegend katholischen Gegenden faktisch der Dienst sich wohl schon so gestaltet haben wird, daß sich in vielen Fällen eine Befreiung der Beamten katholischer Konfession vom Dienst an diesem Tage durchführen läßt. Dies wird wohl auch außerhalb der Land⸗ briefbestellung für den Fronleichnam bereits an vielen Orten that⸗ sächlich der Fall sein. Mit einer solchen Geltenlassung faktisch vor⸗ handener Verhäͤltnisse regelt sich die Sache zweckmäßiger als durch allgemeine Bestimmungen, bei denen die Frage aufgeworfen werden kann, ob hier nicht die Post in ein ihr nicht zustehendes Ressort, in die Befugnisse der allgemeinen Landesverwaltung ein⸗ greist. Ich halte den von mir angedeuteten Weg für den zweckmäßigen. Soweit meine Wahrnehmungen reichen, können Sie sich darauf verlassen, daß die Postverwaltung dies mit Wohlwollen auffaßt und fördert. . Damit glaube ich das Kapitel der Sonntagtruhe verlassen und