1896 / 20 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 22 Jan 1896 18:00:01 GMT) scan diff

Namentlich in der Provinz werden viel zu prächtige und großartige . 42 welche die Beamten von ihrem dürftigen . gar t möbliren können. Da sollte gin werden; nicht

k lige, sondern einfache und zweckmäßige Bauten! Die Finanz- noth, von der Graf Pesadowsly sprach, muß auch herhalten, wenn das Publikum seing Wünsche laut werden läßt auf, billigere Be. stellung der Stadtbriefe, Heraufsetzung des Briefgewichtes, Ermäßi⸗ an der Telephongebühren, Ermäßigung des Jeltungstarifes. Die 5 hefe Ausfall sind durchaus willkürlich berechnet; die zu erwartende Zunahme des Verkehrs ist viel zu gen, angeschlagen. Be⸗ 8 dringlich ist die Reform des Postzeikungs tarifs, der für die großen

lärter schon so drückend gewerden ist, daß sie, wie z. B. die Köl— nische Zeitung“, in steigendem Maße sich der direkten Versendung 26 die Cisenbahn und der Vermittelung von Botenfrauen kedienen. Da bei der Erhöhung des Meistgewichts einfacher Briefe auf 29 9 der Postfiskus nichts verlieren würde, haben früher meine Kollegen Schmidt und Müller überzeugend nachgewiesen. Das Telephonwesen hat der Staatssekretär rechtzeitig zum Monopol gemacht und ist von seinem Standpunkte aus mit Recht stolz darauf. Das Publikum hat aber wenig davon. Der 290. deutsche Handelstag bat festgestellt, daß, wenn auch der absoluten Zahl nach Deutschland das größte Fernsprech. netz hat, doch in Schweden schon auf 320, in der Schweiz, Dänemark und Norwegen auf eine noch erheblich geringere Anzahl Einwohner ein Anschluß kommt, in Deutschland erst auf 573. Wir sind also keines⸗ wegs in dieser Richtung am meisten vorgeschritten. Wenigstens sollte der Vorschlag, de es gestattet würde, zu einem geringeren Satz auf 3 oder 6 Monate sich anzuschließen, berücksichtigt werden. In rigorosester Weise ist vorgeschrieben, daß die Benutzung des Telephons nur dem Angeschlossenen freistehen soll; da aber diese Bestimmung in dieser Strenge ganz unausführbar ist und auch nicht ausgeführt wird, so sollte dieser hureaukratische Zopf doch endlich beseitigt werden, Die Hauptsache aber ist die Verbilligung. Der Preis für Stadtanschlüsse beträgt außer der Garantie 159 SM. Das ist viel zu hoch. Die aufgenommenen Erhebungen ergeben eine kolossale Zunahme der Entwicklung des Fern⸗ sprechnetzes in den letzten zehn Jahren; von 1884 auf 1885 stieg die Entwicklung um 109 ,υά,, während gleichzeitig . der Kosten von 259 auf 200 M eintrat. Diese Ergebnisse lassen er⸗ kennen, daß die Steigerung gerade auf die Ermäßigung der Ge⸗ bühren zurückzuführen ist. Wird eine weitere Ermäßigung gewährt, so sind eine Reihe von Verkehrs⸗ und Industriebezirken zur Anlage von Fernsprechanstalten bezw. zum Anschluß an das Fern⸗ sprechnetz entschlossen. In Oesterreich haben die ermäßigten Preise des Zonentarifs dieselbe Steigerung des Verkehrs mit sich gebracht. Gerade für die Städte unter 100 009 Einwohnern ist die Ermäßigung der Fernsprechgebühren eine Nothwendigkeit, und beschränkt man die Herabsetzung von, 159 auf 100 6 auf diese, so kann höchstens ein Ausfall von 4 Million in Frage kommen. Wir müssen gerade in diesen kleineren Städten dahin kommen, wohin man in Schweden und Norwegen längst gekommen ist, daß jeder kleine Handwerker seinen Telephonanschluß hat; der nüßt ihm viel . als der Befähigungsnachweis und das ganze Zwaͤngsinnungs— wesen!

Staatssekretär des Reichs⸗Postamts Dr. von Stephan:

Ich wünsche dem geehrten Herrn Vorredner Glück dazu, daß er bei der kurzen Zeit, die ihm nur zu theil geworden ist, doch seine Vorbereitungen so gründlich hat durchführen können, um diese langen Ausführungen zu machen. Es versteht sich ja von selbst, meine Herren, und jeder vernünftige Mann wird es an— erkennen daß ihm bei dieser kurzen Zeit auch manche Irrthümer haben unterlaufen müssen, und ich bin zuletzt der Mann, der das aus- stellen möchte; im Gegentheil, ich finde das vollkommen begreiflich. Aber hier mit solchen I'Lꝗrthümern Anträge zu stellen nein, Anträge hat der Herr Abgeordnete ja nicht gestellt, aber Ausführungen zu machen, wie er sie dargelegt hat, ist doch, glaube ich, eine etwas be—= denkliche Sache. Ich werde nachher darauf zurückkommen.

Ich möchte hier zunächst punktweise die einzelnen Angelegenheiten berühren, die er zur Sprache gebracht hat. Das erste war eine lokale Angelegenheit und betraf den Ort Neuenrade im jetzigen Dortmunder, früheren Arnsberger Ober⸗Postdirektionsbezirk. Wenn ich den Herrn Vorredner recht verstand, so beschwerte er sich darüber, daß, obwohl von dem Ort seit längerer Zeit eine Eingabe oder sogar Eingaben gemacht seien, wie er gesagt hat, gar keine Antwort erfolgt sei. Das war mir außerordentlich über⸗ raschend, meine Herren; denn das Reichs. Postamt hat seit langen Jahren die Gewohnheit, nicht bloß eine, sondern immer zwei Ant⸗ worten zu geben, nämlich sofort nach dem Eingang jeder Beschwerde einen Vorbescheid: Ihre Beschwerde ist eingegangen, sie wird geprüft werden und wenn das erfolgt ist, dann weiden Sie den sachgemäßen Bescheid erhalten, und dann wird letzterer ertheilt.

Nun sah ich eben die Akten nach, die ich mir inzwischen habe kommen lassen. Erstens handelt es sich nicht um eine Eingabe der Stadt oder der Gemeindebehörde Neuenrade, sondern um die Be— schwerde eines einzelnen Fabrikanten aus diesem Ort in persön— lichen Angelegenheiten gegen den dortigen Postverwalter, der zugleich Ehrenämter bekleidet. Das ist die erste Unrichtigkeit. Nun sind aber diesem Mann, obwohl es eine rein persönliche Be⸗ schwerde war, die er auch anderweitig hätte abmachen können als da— durch, daß er den Postverwalter bei seiner vorgesetzten Behörde ver⸗ klagte, thatsächlich drei Antworten, nachdem die Sache untersucht worden ist, zu theil geworden, und zwar unter dem 28. Ok— tober, unter dem 4. und unter dem 15. Dezember. Er ist auf Grund sachlicher, ganz objektiver Prüfung abgewiesen worden. Das war das Recht der Behörde, nachdem sie die ganze Angelegenheit hat unter⸗ suchen lassen, und damit ist diese Sache erledigt.

Ich möchte nun den geehrten Herrn Abgeordneten bitten, wenn solche rein lokale Angelegenheiten es war ja Zufall, daß ich mir die Akten noch aus der Leipziger Straße habe beschaffen können; seine Ausführungen haben mir Zeit genug dazu gelassen, (Heiterkeit) aber es kann oft genug vorkommen, daß man das nicht kann, und hat man die Akten nicht, so kann man nicht erwidern ich möchte bitten, solche Sachen im Wege schriftlicher Anfragen abzumachen —. Es ist unsre Pflicht, und wir sind herzlich gern bereit, das zu thun, was Sie wünschen; wir werden Ihnen gern auch über solche lokale Angelegenheiten Aufschluß geben. Aber sie hier zur Sprache zu bringen, das hält auf. Man weiß nicht immer, ob man sich so informieren kann, wle ich es gerade in diesem Moment habe thun können.

Sodann brachte der geehrte Herr Vorredner die Angelegenheit wegen Anstellung der Landbriefträger zur Sprache. Er fragte, warum sie nicht mit 16 Jahren glaube ich aufrücken, sondern mit 18 Jahren. Ich verstand das im ersten Augenblicke garnicht und bezog das auf die Dienstaltersstufen. Das ist aber, wie ich aus seinen weiteren Ausführungen entnahm, nicht der Fall; er meinte das Annahmealter, also wenn zuerst ein solcher junger Mann in den Dienst als Hilfsbote damit fangen sie an, was oft mit dem eigentlichen Briefträgerthum verwechselt wird eingestellt wird. Meine Herren, das ist einfach Sache der Erfahrung gewesen. Wir haben mehrere Jahre lang das Anfangs⸗

alter auf 16 Jahre bestimmt; es hat sich aber gezeigt, daß die jungen Leute bei diesem Alter noch nicht Charakterfestigkeit genug besitzen bei den mancherlei Versuchungen, die an sie herantreten, bei der freien Bewegung, die sie auf dem Lande überall haben es wird ihnen da auch mancher Vortheil geboten u. dgl. daß sie da nicht Widerstands⸗ fähigkeit genug haben, und daß es für die Sicherheit des Dienstes und für die Sittlichkeit des Personals besser ist, ein reiferes Alter zu nehmen. Und aus diesen Gründen, die doch das hohe Haus billigen wird, hat die Verwaltung von ihrem guten Recht Gebrauch gemacht, die Bedingungen festzustellen, unter denen sie Personen in ihren Dienst aufnehmen will. Deshalb ist eben diese Altersgrenze von 16 auf 18 Jahre hinaufgerückt worden. Eigentlich sind das auch keine Gegenstände, die hier zur Sprache gebracht zu werden brauchten.

Dann sprach der geehrte Herr Vorredner von dem Gehalt der Ober⸗Postsekretäre. Hier bin ich in der glücklichen Lage, mit ihm vollkommen in dem regsten, lebhaftesten Bedauern darüber überein⸗ zustimmen, daß diesen hochverdienten Beamten die Gehaltszulage nicht zu theil geworden ist. Die Verwaltung empfindet das sehr schmerzlich, vielleicht schmerzlicher als die einzelnen Herren dieser Klasse. Aber darin weichen wir sehr von einander ab, wenn der geehrte Herr Vor— redner gesagt hat, die Verwaltung wäre daran schuld, oder sagen wir, in diesem Falle die verbündeten Regierungen, meinetwegen auch die Finanzverwaltung, nicht die Postverwaltung. Das ist ein Irrthum, geehrter Herr Abgeordneter. Die Schuld daran trägt der hohe Reichstag. (Sehr richtig) Wir haben im Jahre 1899 den Plan der Gehaltsaufbesserungen vor⸗ gelegt, nicht bloß für die unteren und mittleren Beamten, sondern auch hinauf bis zum Postrath, und es ist im Reichstag damals alle die Herren, die damals mitgewirkt, werden sich dessen entsinnen gerade bei den Ober⸗Postsekretären Halt gemacht worden. So liegt die Sache; bitte also, nicht die Schuld auf andere Schultern abzuwälzen, wo sie nicht hingehört; wenn man auf die Sache nicht näher eingeht, kann ohne weiteres Mißtrauen und Haß gegen die Verwaltung hervorgerufen werden, die in dieser Sache gewiß ihr bestes gethan hat.

Dann erwähnte der Herr Abgeordnete: das mit dem Finanz— abschluß der Postverwaltung ist doch eine eigenthümliche Sache, die Eisenbahn macht verschiedene Leistungen gratis für die Postverwaltung. Allerdings, wie jedermann weiß, auf Grund eines Gesetzes und als Gegenleistung für die den Eisenbahnen seiner Zeit abgetretenen, werth⸗ vollen Rechte der Postverwaltung des Staates. Die Frage wird hier aber nicht berührt; es denkt keiner daran, dieses Recht abzuschaffen und das Reich darum zu kränken. Die Sache liegt aber auch im Geldpunkt ganz anders! Diese 12 oder 15 Millionen, die wir be— zahlen würden an die Eisenbahn, wenn die einzelnen Postwagen be— zahlt werden sollten, kommen reichlich auf durch die Portofreiheit. Das ist eine viel größere Leistung, die der Postverwaltung obliegt, ohne daß sie dafür Rechte bekommen hat. Schaffen Sie die Portofreiheit ab, so haben wir das ganze Geld, um die Eisenbahnfahrt bezahlen zu können. Also mit der Finanzlage der Postverwaltung hängt das absolut nicht zusammen.

Dann kam der geehrte Herr Vorredner, damit auch alles berührt würde, auf die Bauten. Meine Herren, ich habe ja gestern schon auseinandergesetzt, was uns wider unsern Willen gezwungen hat, nämlich die ungeheuere Vermehrung des Dienstes und die mangel⸗ haften Zustände, die wir in vielen der früheren deutschen Postkreise vorfanden, in dieser Weise die Bauten zu forcieren. Wir sind ja jetzt ziemlich ans Ende gelangt; ich habe von vorn— herein gesagt, daß wir mit den Bauten in 30 Jahren spätestens fertig sein werden; sie werden in 5 Jahren um sein, dann werden wir auch mit diesen Bauten im allgemeinen fertig sein. Ganz auf— hören kann das ja natürlich nie bei einer so gewaltigen Entwicklung. Sehen Sie den Verkehr in den großen Städten an; wo erst vor 10, 20 Jahren gebaut ist Dresden und Leipzig haben Sie ja im Etat —, müssen wir jetzt schon wieder Erweiterungen vornehmen infolge des gewaltigen Verkehrs. Also diese Erweiterungen werden nie aufhören, und sie werden zum theil mit Rücksicht auf die Theuerung des Ankaufs für Grundstücke und die bevorzugte Lage, in der sich jetzt die Postzebäude befinden, große Summen erfordern. Das ist richtig, und ich möchte es gleich roranschicken; aber mit den Neubauten werden wir fertig werden. Im übrigen sage ich: fertig wird kein Mensch, wie schon der alte Satz sagt: ars longa, vita brevis!

Wenn dann der Herr Abgeordnete von den Dienstwohnungen ge— sprochen hat, daß die Beamten sich über die zu großen Dienstwohnungen beklagten, so müssen wohl zwei Naturen in der Brust der Beamten wohnen; denn uns sind gerade die umgekehrten Klagen vorgebracht, daß die Wohnungen nicht groß genug seien. Ich habe dafür ver— schiedene aktenmäßige Beispiele vor mir.

Dann kam der Herr Abgeordnete auf die Ausführungen meines werthen Herrn Kollegen vom Reichs -Schatzamt von gestern. Er be— zweifelte, daß die Summe von 15 Millionen in den Zeitungen steht übrigens, das möchte ich bemerken, 50 Millionen, das ist ein Druckfehler, es muß heißen 15 Millionen zutreffend sei. Ja, meine Herren, es kommt ja auf 1 oder 2 Millionen hierbei nicht an. Die Berechnung, die der Herr Abgeordnete ganz richtig zitiert hat, mit 11 bis 12 Millionen, war aus dem Jahre 1894; inzwischen hat sich der Verkehr ungeheuer vermehrt, der ganze Briefverkehr, die Telephonabonnements u. s. w., und dadurch selbstverständlich auch die Summe dieser Ausfälle. Es würde, wenn man zusammennimmt, was die Ermäßigung der Fernsprechgebühren selbst in dem geringeren Grade, wie der Herr Abgeordnete und das erkenne ich dankbar an vorgeschlagen hat, obwohl es nicht ausführbar ist, nämlich sie in den kleinen Städten einzuschränken, immer noch ein sehr erheblicher Posten von 5. Millionen Ausfall übrig bleiben. Vann kommt die Erhöhung des Briefgewichts von 15 auf 20 g. Ja, meine Herren, wollen Sie glauben, daß das einen Ausfall von 4 bis 5. Millionen Mark jährlich ausmacht, wofür nicht ein einziger Brief mehr geschrieben wird. Und nun komme ich auf einen Punkt, den der geehrte Herr Vorredner und das halte ich der Eile zu gut, mit der er sich in diesem ziemlich fremden Terrain hat präparieren müssen —; der Punkt, den er ganz über— sehen hat, ist der, daß mit jeder Vermehrung, namentlich auf dem Gebiete des Fernsprechwesens, die Ausgaben ungemein wachsen. Das haben Sie völlig übersehen. Es sind überall neue Leitungen und Anlagen zu machen, es entstehen neue Betriebsausgaben, die Beamten und ebenso die Lokale sind zu vermehren. Im nächsten Jahre werden Sie eine Vorlage bekommen über Bauten wegen Telephonanlagen in den großen Städten; da

werden Sie sich verwundern (Heiterkeit, und Sie werden mit Ihn

Anträgen auf Herabsetzung der Gebühren und der Erwartung, dadurch eine Mehreinnahme entstehe, sehen, wie weit Sie kommen Sie werden sich verwundern darüber. ;

Dann hat der Herr Vorredner das Fernsprechwesen in anderen Ländern erwähnt. Ich möchte mir erlauben, dem hohen Hause in aller Kürze doch einige Notizen darüber u machen, wie es damit eigentlich steht. Das Neichspostgebie hat gegenwärtig in 442 Orten Stadt⸗Fernsprecheinrichtungen, Dester⸗ reich in 86 Orten, Belgien in 16, Spanien in 48, Frankreich in 294 Orten (gegen 442 bei uns), Ungarn in 39, Italien in 53 Orten die Niederlande in 16, Rußland in 37, Schweden, welches ja ber Herr Vorredner zitiert hat, in 302 und die Schweiz in 155 Orten. Nun kommt in Betracht, daß in der Schweiz kein Privattelephon besteht das war vielleicht ein Irrthum des verehrten Herrn Vor⸗ redners in Schweden und Norwegen, ja, da hat er Recht; in der Schweiz betreibt der Staat das Telephonwesen, und die schweizerische Verwaltung ist zweimal in der Lage gewesen, ihre viel zu mãß igen Tarife erhöhen zu müssen, in pejus von Ihrem Standpunkte, von meinem in melius, indem sie sich entschieden darin vergriffen hatte, die Tarifsätze zu weit herabzusetzen; sie hatte nicht gerechnet mit den vermehrten Ausgaben bei dem vermehrten Betriebe. Das ist der Punkt, der von allen Handelskammern, mögen sie so gelehrt sein, wie sie wollen ich habe Respekt vor ihren Berichten und lese sie aber nicht bloß die, die der Herr Vorredner liest, die für, sondern auch solche ich habe sie hier —, die gegen die Herabsetzung der Gebühren sich aussprechen das ist der Punkt, der von den meisten Handelskammern nicht berücksichtigt worden ist. Also so steht die Sache mit der Schweiz.

In Schweden und Norwegen liegen die Berhältnisse ganz anders; das können Sie nicht vergleichen mit Deutschland. Es sind dort einzelne Höfe, da sagte die Gesellschaft zu dem betreffenden Wirth oder Hofbesitzer: wir werden dir das Telephon anlegen, willst du daß übernehmen? aber du mußt die Leute anstellen! und die bekommen 35 M Gehalt. Aber mit solchen Verhältnissen können wir in Deutschland nicht rechnen. Was würden Sie, die Sie sich der Be amten so sehr annehmen, sagen, wenn wir Fernsprechbeamte mit 35) 6 jährlich annehmen wollten! Das sind Zustände, die sich mit den unserigen nicht vergleichen lassen, und was ich gehört habe über die Zustaͤnde des Betriebs in diesen Ländern, ist nicht sehr erfreulich. Außerdem das konnte der Herr Vorredner nicht wissen; ich nehme es ihm nicht übel Sie vergleichen immer die jährlichen Abonnementsgebühren. Die scheinen in Schweden und Norwegen allerdings sehr niedrig, aber es sind eine Menge anderer Umstände, die dabei in Betracht kommen: dort müssen die Leute die Apparate alle bezahlen, die wir unentgeltlich liefern, und die Leitungen bis in ihre Gebäude hinein. Das erscheint nicht im Tarif, also, wenn man solche Vergleiche anstellen will, muß man sich genauer informieren, und ich gebe zu, daß dies in der Kürze der Zeit nicht möglich war. (Heiterkeit)

Ich habe dann noch eine Bemerkung ich habe mir das noch notiert in Bezug auf das Fernsprechwesen zu machen. Der Herr Vorredner hat gesagt, es wäre in dem einen Jahr ein plötzlicher Aufschwung gewesen in der Zunahme der Telephonabonnenten. Das ist ganz richtig die Zahlenangaben stimmen —, daß von 1884 auf 18865 ein Ruck sich bemerkbar machte; aber das ist nicht der Er— mäßigung der Gebühren von 209 auf 150 „6, wenigstens nicht ich will mich vorsichtig aussprechen dieser Ermäßigung zuzuschreiben, sondern dem Umstand, daß die öffentliche Meinung damals durch drang, daß sie sich von den großen Vorzügen des Telephon, das man bis dahin mit einem unbegründeten, aber wor— handenen Mißtrauen betrachtete, überzeugt hatte, und von da an kam regelmäßig alle Jahre auch ohne weitere Ermäßigung der Ge— hren die Zunahme der Abonnenten. Ich kann übrigens sagen, daß an einer so großen Zunahme der Abonnenten uns nichts liegt, eben wegen der bedeutenden Mehrkosten in den Ausgaben für die Betriebe— einrichtungen, die damit verbunden sind. Der Herr Vorredner hat aber als Beweis das möge er mir nicht übel nehmen ich glaube, sehr unglücklicherweise den Zonentarif von DOesterreich. Ungarn angeführt. Nun, meine Herren, Sie werden vor drei Tagen in den Zeitungen die Verordnung gelesen haben, wonach der Zonentarif in Ungarn ganz bedeutend erhöht worden ist, weil man eben gesehen hat, was jeder Kenner einer wahren Ver— kehrspolitik längst vorausgesehen hat: daß ein kolossaler Andrang von Reisenden kommen würde, das ist ja klar, wenn man die Gebühren so herabsetzt. Aber es fragt sich sehr, ob die Kosten, um den Betrieb so zu erweitern, nicht weit überwiegen. Ich habe das vorausgesehen, und Ungarn hat diese Erfahrung zur richtigen Stunde für uns ge—⸗ macht. Also das Beispiel war nicht glücklich gewählt, Herr Ab— geordneter.

Von den Handelskammerberichten habe ich schon gesprochen und will sie nicht weiter verfolgen, ebenso die Berichte des Handelstaget. Das ist eine hohe und sachverständige Versammlung, auf deren Rath— schläge ich Werth lege; das möchte ich aber historisch und thatsächlich anführen, daß der vorjährige Handelstag sich gerade gegen die Er= mäßigung der Fernsprechgebühren ausgesprochen hat. Also Sie sehen, auch da schwanken die Ansichten.

Endlich das ist der letzte Punkt, und ich glaube damit meine Ausführungen schließen zu können hat der Herr Vorredner den Zeitungstarif behandelt, der jetzt natürlich in keiner Rede fehlen kann, die bein Post⸗Etat vorkommt. (Heiterkeit. Meine Herren, es ist das eine sehr wichtige und ernste Sache, wo die verschiedenen Parteiströmungen, ⸗Ansichten und Vorschläge sich direlt en tgegenstehen. Der Herr Vorredner steht anscheinend auf dem Standpunkt, daß die Post jetzt zu viel an den Zeitungen profitiere und daß demgemäß der Tarif ermäßigt werden müsse. Das, glaube ich, kann ich ihm schon jetzt sagen, wenn wir auch noch nicht schlüssi geworden sind denn die Verwaltung beschäftigt sich augen blicklich damit, und was die verbündeten Regierungen machen werden, weiß ich nicht. Es kommt auch noch die Reservatstellung bon Bayern und Württemberg in Betracht aber das kann ich Ihnen sagen, daß von einer Ermäßigung der schon jetzt auf ein Minimum herabgesetzten Zeitungsgebühren nicht die Rede sein kann. Wie der Reicht - Schatzsekretär schon gesagt hat, beabsichtigt die Finanzverwal⸗ tung keineswegs, bei der Gelegenheit ein gutes Geschäst f machen, aber die Gerechtigkeit muß hergestellt werden in dem Verhältniß der Vergütung zu Leistung. schwer, den Durchschnitt zu finden. Alle diejenigen, die tertish werden, werden natürlich schreien, und die anderen, die ermißhsst

Es ist doch furt

weiden, werden still sein, wie das ja gewöhnlich der Fall ist, und die Reglerung unterstützen. Sie haben ein ganz klares Bild en miniature schon jetzt im voraus in den Vorschlägen, die in der Fachpresse und in zahlreichen Eingaben an uns gekommen nnd. Alle diese Vorschläge widersprechen einander, und wenn man näher zusieht, wenn man sie unter das Mikroskop nimmt, wie wir das bei der heutigen Stellung der Presse, die einen gewaltigen Kulturfaktor bildet, thun, dann finden wir, daß schließlich der Vor= schlag direkt vom Standpunkt des betreffenden Zeitungsverlegers aus= geht. Sie können überzeugt sein, daß wir die Sache mit dem größten Gifer fördern und sie nicht länger aufhalten werden, als nöthig ist. Wenn Sie aber bedenken, daß wir in Deutsch— land jetzt 000 Zeitungen haben, daß g10 Millionen Exemplare jährlich

perschickt werden, so muß die Sache doch ganz gründlich erwogen werden.

Wir haben schon wiederholt sämmtliche Zeitungen durchrechnen lassen nach den neuen Tarifen. Das ist eine ganz ungeheure Arbeit, und wir sind noch nicht soweit gekommen, daß wir sagen können: das ist ein Vorschlag, mit dem wir mit Vertrauen an den Reichstag gehen können, der Vorschlag ist sturmfrei. Mit halben Maßregeln möchten wir eben nicht vor Sie treten.

Nun kommen aber auch schon jetzt die verschiedenen Interessen nicht der einzelnen Zeitungsverleger, sondern auch ganzer Gruppen; die großen Zeitungen gegen die kleinen; die gelehrten Zeitungen mit Illustrationen wollen natürlich nur möglichst wenig Prozente vom Einkaufspreis zahlen, weil ihre Preise infolge der hohen Herstellungs— kosten, Honorare an gelehrte Mitarbeiter, Ausgaben für Illustrationen u. s. w. schon an sich sehr hoch sind.

Was die Frage der Besteuerung der Zeitungen nach dem Papier⸗ gewicht betrifft, so ist mir dies durchaus nicht sympathisch, d. h. ich sage das nur persönlich. Wie ich nachher hier sprechen muß, wenn der Bundesrath einen Beschluß gefaßt hat, weiß ich nicht: „Ich habe hier nur ein Amt und keine Meinung“ sage ich mit Questenberg im Wallenstein'. Meine persönliche Meinung geht ganz entschieden gegen das Gewicht, weil dadurch ein neuer, dritter Faktor in die Berechnung hineingezogen wird. Jeder Tarif, der aus mehreren Urelementen be— steht, ist nicht gut; es ist das beste, einen möglichst einfachen Tarif zu haben.

Wenn der Herr Vorredner dann bezüglich der Kölnischen Zeitung“ mittheilte, daß sich die Zeitungsfrauen in die Eisenbahn vierter Klasse setzn und so die Zeitung bis nach Bonn und Koblenz vertheilen und er mich damit gegen diese Leute hat hetzen wollen, daß die Post sich das nicht solle gefallen lassen ja, das fällt mir garnicht ein. Ich gönne diesen armen Leuten gern ihr Brot; sie sollen diese Beförderung ausführen; geradeso wie wir es der Privatpost gönnen. Das ist einer der Gründe, weshalb wir das Stadtpost⸗Porto nicht ermäßigen. Die große Postverwaltung steht so da mit ihren reichen Mitteln, daß sie froh ist, wenn ihr etwas an Arbeitslast abgenommen wird. Es ist gerade ein umgekehrter Standpunkt, den ich einnehme, und ich glaube, daz ist eigentlich der wenn nicht kaufmännische, so doch ethische und sittliche und einer großen Verwaltung mehr gebührende und richtigere Standpunkt.

Abg. Dr. Förster - Neustettin (D. Nefp.) kann nicht umhin, einem gewissen Pessimismus Ausdruck zu geben; denn Jahr für Jahr würden im Reichstage dieselben Klagen und Beschwerden erhoben, dieselben Anregungen gegeben, und Jahr für Jahr erhalte das Haus dieselben Antworten von der Post⸗ berwaltung. Nur in einigen untergeordneten Punkten sei man dem Hause entgegengekommen. Dennoh gebe er die Hoffnung nicht auf, daß doch endlich einmal etwas dabei herauskommen werde. Vom Bundesrathstisch werde immer schwereres Geschütz aufgefabren. Herr von Stephan und Herr Fischer hätten von heftigen Ängriffen gesprochen. Das sei doch nicht zutreffend; man müßte sonst auch den ironischen Ton, in welchem Herr von Stephan Herrn Lenz— mann geantwortet, als heftig bezeichnen. Die Post sei leider zu sehr an die Berechnungen der Finanzverwaltung gebunden und unterlasse deshalb, vielfach Maßregeln, deren Zweckmäßigkeit ihr sicher⸗ lich einleuchte. Aber auf den reinen ö babe sich die Postverwaltung nicht stellen klaffen; der Einspruch der , , hätte nicht abschreckend zu wirken. Bei den gewaltigen Aufgaben, welche zur Sicherheit des Reichs vom Reichstag gefordert werden, frage man nicht dar⸗ nach, wo die Gelder hergenommen werden, das sei cura posterior. Befriedige man die berechtigten Ansprüche der Beamten, so trage man zu der Sicherung des Reichs eben so viel bei, wie durch die Bewilligung von Militärvorlagen. Die Mehrheit des Hauses werde Mehrferderungen dieser Art auch auf die Gefahr hin bewilligen, daß die Gelder nicht gleich bereit lägen. Redner verweist auf den un— permeidlichen Rückgang der Einnahmen. Jede Verkehrsverbesserung sei doch auch eine, finanziell vortheilhafte Maßregel. Mit finanzieller Engherzigkeit hätte man auch früher das Jo Porto, das Weltpostporto, die bisherigen Verbilligungen der Telephongebühren nicht erreicht. Eine schablonisierende Regelung des k am Sonntag verlange der Reichstag keineswegs; in dieser Beziehung solle die Verwaltung freie Hand haben, wenn nur am Sonntag keine ge⸗ wöhnlichen Packete bestellt würden. Unter⸗Staatssekretär Fischer habe gestern bestritten, daß der Erholungsurlaub nur in geringem Umfang und nicht unpartelisch ertheilt worden sei; die für Berlin angeführten Zahlen genügten aber nicht. Die Verwaltung könne nicht einseitig über die Bedürfnißfrage in dieser Hinsicht entscheiden. Der Erholungs⸗ urlaub sei ein Necht jedes Beamten; nach dem Alter und der Dienstzeit abgestuft, müsse er jedem Beamten zu theil werden. Ueber die Aeußerungen des Freiherrn von Stumm, der der Regierung ausdrücklich seinen Dank dafür aussprach, daß sie den Ausschreitungen der Beamten energisch entgegengetreten fei, sei er geradezu erschrocken , weil er in diesem so allgemein ausgesprochenen Satz eine ozialpolitische Gefahr erblicke. Allerdings fei Herr von Setumm einig mit der Verwaltung in der Abneigung gegen den Post⸗ Asssstentenverband, der doch nur von seinen staarsbürgerlichen Rechten Gebrauch mache. Herr von Stumm fordere mit feiner Ausführung geradezu zu einem Mißbrauch der Verwaltungsbefugnisse auf, womit lediglich Sozialdemokraten gezüchtet würden. Staatserhaltend könne man jedenfalls eine solche Aufforderung nicht nennen, eher gehörten sie in das Kapitel des Umsturzes von oben. Die obersten Beamten der Post brauchten wahrlich nicht erst scharf gemacht zu werden, sie seien gegen die unteren doch schon scharf genug, Andererseits müsse er auch den Verfuch des Abg. von Jazdziewsti zurückweifen, der den deutschen Postbeamten in den polnischen Theilen berschränken wollte, von ihren staatsbürgerlichen Rechten Gebrauch zu machen. Redner bemängelt ferner wiederum die Einrichtung mancher deutschen Postanstalten im Innern, plädiert ebenfalls für billigere Postbauten und tritt, wie im Vorjahre, dafür ein, den Milltäranwärtern auch im ersten Jahr ihres Dienstes wenigstenz eine Entschädigung von 4 des Steilengehalts gewährt werde, Eine „informatorische Beschaftigung dieser Personen kenne das Gesetz nich. Gebe man den höheren Beamten gern Zulagen, so n man auch die Ansprüche des kleinen und kleinsten Beamten efrledigen, sonst befördere man auch auf diese Weise den Umsturz don oben. Die beharrliche Ignorierung dieser Forderung sehe fast wie eine Mißachtung der im Reichstag zur Kenntniß der Veiwaltung gebrachten Beschwerden aus. Schließlich stellt Redner zur Erwägung, ö nicht von Amte wegen auf eine mehr unparteissche Behandlung er Priwatdepeschen und derjenigen des „Wolff schen Telegraphen?

Bureaus. hinzuwirken wäre. Oft würden Privatdepeschen bei der Telegraphenverwaltung zurückgestellt, weil man denen des Wolff 'schen Bureaus“ den Vorrang einräume.

Es sind inzwischen zwei Anträge der Abgg. Dr. Schädler und Genossen (Jentr) eingegangen. Zum Ausgabetitel Staate sekretãr!/ ist der folgende gestellt:

„Den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, mee , bald einen Gesetzentwurf zur Umgestaltung des bestehenden Po tzeitungstarifs dem Reichstag vorzulegen, zu diesem Zweck in eine eingehende Prüfung der von sachverständiger Seite gemachten Vorschläge ein⸗ treten zu wollen, jedenfalls aber in dem neuen Postzeitun gtarif 6. das Gewicht der zu befördernden Zeitungs nummern zu berück- ichtigen.“

Bundeskommissar, Geheimer Ober Postrath Syd ow: Der Militär, der vielleicht drel oder vier Jahre lang in der Front ge⸗ standen hat, kann nicht in drei Monaten alle Zweige des Post⸗ dienstes sich zu eigen machen; dazu gehören mindestenz sechs bis neun Monate. Hätte die Verwaltung, was ihr Recht gewesen wäre, diese Leute in den ersten neun Monaten auf ihre Militärpension ange⸗ wiesen, so wären sie vielleicht in Bedrängniß gerathen. Um dies zu vermeiden, haben wir von Anfang an ihnen trotz des Bundes⸗ rathsbeschlusses von 1882 einen Tagessatz bon 250 bis 275 M, für die infer natorische und Probedienstzeit gewährt. Wir haben das. Verhältniß als ein solches angesehen, welches von den Bestimmungen von 1382 überhaupt nicht getroffen wurde. Allerdings behielt dabei die Militärverwaltung die Pension ein Jahr länger auf dem Etat, und nur sie hätte sich darüber zu beschweren gehabt. Sie hat das auch gethan, zog ihre frühere Zustimmung zurück, und wir waren zu einer Neuordnung dieser Geldfrage gezwungen. Inzwischen war auch das Gehalt der Postverwalter erhöht worden, und dieser Umstand mußte ungünstig auf das Verhältniß der Militäranwärter zurückwirken. Um, sie nicht zu schädigen, haben wir von der informatorischen Dienstzeit abgesehen und alles als Probedienstzeit be⸗ handelt. Ein Recht auf Nachzahlung haben nach dieser Darstellung die früheren Militäranwärter abfolut nicht.

Abg. Dr. Hammacher (nl: Dem gestrigen Angriff auf den Verein zum Schutz der deutschen Interessen in den polnkschen Landes⸗ theilen muß entschieden entgegengetreten werden. Der polnische Redner hatte kein Recht, die Verwaltung aufzufordern, die Post⸗ beamten vom Beitritt zu dem Verein zurückzuhalten; die Verwaltung hätte auch hier erklären sollen, daß die Beamten, welche dem Verein beigetreten sind, ihre Dienstpflicht in keiner Weise verletzt oder ver— nachlässigt haben. Ich bedaure sehr, daß man solche ungerecht⸗ fertigten Angriffe hier im Reichstag überhaupt noch zurückweifen muß. Die Gerechtigkeit fordert die Anerkennung für Herrn von Stephan, daß seine Energie, sein organisatorisches Talent unser Postwefen zur heutigen Entwickelung gebracht hat und daß eins feiner größten Verdtenste die Monopolisierung des Fernsprechdienstes ist. Aller⸗ dings ist die Ausdehnung dieses Dienstes in weniger bevölkerten Gegenden nur durch das Monopol zurückgehalten worden. Ein gut Theil der Unzufriedenheit und Erbitterung der Beamtenschaft t auf das System der Hienstalterszulagen zurück, welches ledig- ich auf. Andrängen des Reichstags zur Einführung gelangt . Herr Förster überschätzt den Einfluß des General Postmeisters auf die Reichs⸗Finanzverwaltung; leider sind unsere Reichs finanzen auch auf die leberschüsse aus der Postverwaltung angewiesen. Daraut ergiebt sich, wie unbegründet ein Theil der jetzt wiederholten Angriffe gegen die Reichs-⸗Postverwaltung in Wirklichkeit ist. Post und Telegraph sollen lediglich der Hebung des Verkehrt und der wfrth— schaftlichen Thätigkeit des Landes dienen. Dann darf aber das Post⸗ wesen nicht auf die Erzielung von Ueberschüssen hingewiesen werden. Wohin man damit kommt, stellt sich anschaulich in . dar, wo die Ueberschüsse der Eisenbahnperwaltung, statt zur Tilgung ver⸗ wendet zu werden, in dem großen Betrage von 200 Millionen zur Deckung allgemeiner Staatsausgaben dienen inüssen. Herr von Stephan hegt gewiß denselben Wunsch und wäre gewiß der Erste, die Ge— sammtheit der geäußerten Wünsche zu erfüllen, er müßte ja sonst seine ganze Vergangenheit verleugnen; aber die Schwierigkeiten liegen auf finanziellen Gebiet. So lange die Reichsfinanzen nicht anders geordnet werden, können wir die Ueberschüsse der Post— veiwaltung nicht entbehren. Vom Standpunkte des Verkehrs— wesens müßte aber doch ernstlich geprüft werden, ob nicht in einem oder anderem der immerzu wleder zur Sprache gebrachten Punkte reformirt werden könnte. Die Bedenken gegen die Herab—⸗ setzung des Briefportos könnte die Verwaltung wohl fallen lassen, wenn sie beachtet, daß das Publikum allmählich von leichterem Briefpapier zu schwererem Briefpapier übergeht: ein Fortschritt, der durch die Herabsetzung des Portos noch weiter gefördert werden würde. Das Fernsprechwesen hat sich im Deutschen Reiche ganz ungleichartig verbreitet. In Dänemark ist fast jeder Ort, jedes Borf mit dem übrigen Lande durch eine Fernsprechstelle verbunden. Aehnliches wird ja für Deutschland nicht so bald durchführbar sein, aber die Verwal⸗ tung sollte doch zu einer besseren Entwickelung des Fernsprechwesens auf dem Lande selbst den Anstoß geben. Das Bedürfniß nach Benutzung des Fernsprechnetzes dringt in immer erhöhtem Maß in das bürger. liche Leben ein, vor allem in das Geschäftsleben; in den kleineren Orten ließe sich zudem der Kernsprechdienst erheblich billiger als in großen Städten herstellen. Man sollte auf diesem Gebiet auch den Gemeinden und der Privatthätigkeit einen Wirkungskreis geben, damit auch diese Erfahrungen sammeln, die nachher für die richtige Be⸗ messung der Telephongebühren verwerthet werden können. Die telephonische Verbindung der Vorortbewohner mit dem Hauptorte kostete bisher 209 M: ein Einheitssatz von 150 4 50 fester Abonnementsgebühren. Aus der Gerresheimer Petition geht hervor, daß die Verwaltung jetzt eine Aenderung beabsichtigt oder theil⸗ weise schon durchgeführt hat; es sind in einzelnen dieser Vororte Telephonanlagen eingerichtet, und man verlangt jetzt für jede ein—⸗ malige Benutzung der Verbindung mit dem Hauptort eine besondere Gebühr von 50 J. Damit hat man den Telephonverkehr in einer Weise vertheuert, welche mit dem früheren Verfahren der Postverwaltung und mit den Verkehrsinteressen in Widerspruch steht. Deshalb. unterstützen auch wir auf das Lebhafteste den Petitionsantrag, die ö den verbündeten Regierungen zur Berlücksichtigung zu empfehlen. .

. Freiherr von Stumm (Rp.) erklärt, dem Antrage Schädler wegen des Postzeitungstarifs nicht zustimmen zu können. Von der Rede des Abg. Förster habe er nicht viel im Zusammenhange ver— standen, weil er sich in einer Unterhaltung befunden habe. Er habe natürlich nur von Ausschreitungen der Beamten gesprochen und habe von seinen Aeußerungen nichts zurückzunehmen. Weiter spricht

ch Rexner gegen den Antrag Lingens wegen Fronleichnam und

llerheiligen aus; man könne für die Postbeamten nicht Ausnahme⸗ gesetze machen. Sollen die Postbeamten nicht arbeiten, dann müssen in überwiegend katholischen Gegenden auch die Arbeiter feiern. Er sei gern bereit, soweit mitzugehen, weil es nach den neuen Bestimmungen über die Sonntagsruhe in der, Gewerbeordnung völlig unklar ge— worden, welches gesetzliche Feiertage seien. Am Rhein sei der

. nach einer amtlichen Auskunft des Handels—⸗

Ministers kein gesetzlicher

36 gan clit Regierung ekundet.

Abg. Dr. Lingen Zentr) hält sich für verpflichtet, die ihm zu⸗ gegangenen e e Petitionen, wesche sich theilweise in sehr bitteren und harten Ausdrücken darüber ausließen, daß den Petenten immer noch keine Sonntagsruhe gewährt werde, wenigstens zu erwähnen, um daran die Erklärung zu knüpfen, daß es in der Postverwaltung wie in der Militärverwaltung nicht genüge, wenn entgegenkommende Erklärungen im Reichstag abgegeben würden, die praktische Erfüllung der abgegehenen Versprechungen aber ausbleibe. Er finde, daß die gestrigen Erklärungen des Unterstaats⸗Sekretärs 6 bezüglich des Packereiverkehrs gar keine Gewähr dafür böten, daß wenigstens etwaß in dieser Beziehung für die Beamten geschehen werde.

Abg. Iskraut (d. * Resp.) ist mit dem Abg. Lingens und im Gegensatz zu dem Standpunkt des Freiherrn von Stumm der

eiertag, wohl aber der Allerheiligentag; abe eine ganz entgegengesetzte Auffassung

Meinung, daß die Frage der Sonntags⸗ und . allerdings zur Kompetenz des Reichttags gehöre, da die entsprechende 1 . rung direkt an die Reichs. Postverwaltung anknüpfe. Außerdem gt Redner eine Beschwerde darüber zur Sprache, daß ein jud Rabbiner ohne amtlichen Auftrag zwei Posteleven ein schlechtes S teugn ausgestellt habe. . bg. Br. För st er (Neustettin) bleibt dabei, daß den Militär= anwärtern, die im Postdienste stehen, hinsichtlich der Besoldung ö. die Beschäftigung vor der definitiven Anstellung nicht ihr volles

Recht werde. . .

Abg. Dr. Hitze (Zentr.) tritt dem Abg. Freiherrn von Stumm ent⸗ gegen. Das Zentrum wolle keineswegs soweit gehen, den Fron leichnams und Allerheiligentag als gesetzliche Feiertage in katholischen Bezirken erklären zu lassen; es verlange nur von der Postverwaltung, daß sie diese beiden 26 bei der Gewährung der Sonntagsruhe fur ihre Beamten als Feiertage behandle, .

Abg. Schall (dkons.) erkennt die Tendenz des Antrages Lingens als berechtigt an; die Erledigung der Frage müsse aber im preußischen Landtage erfolgen; er werde in diesem Sinne im Ab⸗ geordnetenhause wirken. Seine Partei habe das Vertrauen zur Post ; verwaltung, daß sie auf dem Wege immer ausgiebigerer Gewährung der Sonntagsruhe fortschreiten werde. . .

Abg. Freiherr von Stumm: Da es nicht möglich sei, zwischen katholischen und evangelischen Arbeitern und Arbeitgebern eine voll⸗ ständige Trennung zu schaffen, so müßte nothwendig der Feiertag ein allgemeiner sein.

Abg. Dr. Lieber (Zentr.) kann nicht einsehen, weshalb man dem Antrage Lingens, dessen Tendenz allgemeine Billigung finde, nicht zu⸗ stimmen wolle. Der Reichskanzler fei doch in vollem Maße befugt, wie der Antrag besage, darauf einzuwirken“, daß die beiden Tage für die Postbeamten als Ruhetage gelten.

Damit schließt die Diskussion. Die Abstimmung über die Anträge Lingens und Schädler wird ausgesetzt, da diese An⸗ träge noch nicht drei Tage dem Reichstage vorgelegen haben. Die Resolution der Kommission, betreffend den Packetverkehr, wird vom Hause anscheinend einstimmig angenommen und das Gehalt des Staatssekretärs bewilligt.

Im Titel 2 wird das Gehalt von 16 000 6 für einen neuen Direktor mehr gefordert. Die Kommission hat die Nothwendigkeit der Forderung infolge des vermehrten Dienst⸗ bedürfnisses anerkannt. Zu demselben Ergebniß ist die Kom⸗ mission hinsichtlich der sämmtlichen in Antrag gebrachten Per⸗ sonalvermehrungen der Zentral- und der Betriebs verwaltung gekommen.

Der Titel wird bewilligt, ebenso die sonstigen Ausgaben für die Zentralverwaltung. Nur beim Postausgabetitel „Postarchi“ wird von dem Abg. Werner über wenig interessanten Inhalt und einseitige Wiedergabe der parla⸗ mentarischen Verhandlungen in diesem Blatt Beschwerde geführt und die Abschaffung desselben anheimgestellt.

Unter⸗Staatssekretär Dr. Fischer:

Meine Herren! Es ist mir schmerzlich, zu vernehmen, daß das „Postarchiv“, welches seit dem Jahre 1871 besteht und noch niemals Anlaß zu irgend einer Erörterung hier im Reichstag gegeben hat, jetzt für die Postagenturen, wenn dem Antrag des Herrn Abg. Werner Genüge geschieht, auf den Aussterbe⸗Etat gesetzt werden soll. Ich möchte Sie bitten, diesem Wunsche keine Folge zu geben. Es thut mir ja leid, daß das ‚Postarchiv! vom Herrn Abg. Werner lang⸗ weilig gefunden worden ist; ich muß auch sagen, es muß darauf ver⸗ zichten, allen Abgeordneten kurzweilig zu sein. Der Zweck geht ganz anderswo hin. Der Zweck richtet sich dahin, daß es allen Dienststellen die Möglichkeit geben will, sich über den Zusammenhang des Dienstes zu unterrichten, und nach der Richtung hin hat sich das Postarchiv' als ein außerordentlich zweckmäßiges und nützliches Mittel erwiesen. Ich kann versichern, daß mir nicht zehn‘, sondern hundert⸗ mal auf meinen Dienstreisen gerade von Post⸗Agenten, im Schwarz⸗ wald, in den Vogesen, in Litthauen gesagt worden ist, wieviel Be—⸗ lehrung und Anregung diese Leute, die den Postdienst doch nur als Nebenamt übernommen haben, gerade aus dem ‚Postarchiv“' schöpfen, und daß sie dank des Materials, welches ihnen durch das „Postarchivn zugänglich gemacht wird, eine Stellung in ihren Gemeinden einnehmen, die sie sonst nicht einnehmen könnten. Das sind die Motive gewesen, von denen wir ausgehen, und ich möchte Sie bitten, es dabei auch zu belassen.

Abg. Werner hält den Ausführungen des Unter⸗Staatssekretärs gegenüber seine Behauptungen aufrecht.

Bei den Ausgaben für die Betriebsverwaltung, Titel „Ober⸗Postsekretäre“, tritt Abg. Werner für die Auf⸗ besserung des Gehalts dieser Beamtenklasse ein.

Der Titel wird bewilligt. Zum nächsten Titel „Assistenten“ liegen zwei Anträge vor.

Abg. Werner beantragt: „Den Reichskanzler zu ersuchen, die Gleichstellung der Post⸗ und Telegraphen ⸗Assistenten fowie der Postrerwalter aus der Klasse der Zivilanwärter mit den Assistenten sowie den Postverwaltern aus der Klasse der Militäranwärter in der Zulassung zur Sekretärprüfung von neuem in Erwägung zu ziehen.

Auf die Begründung des Antrags erwidert

Staatssekretär Dr. von Stephan:

Ich wollte nur das berichtigen, was der Herr Abgeordnete soeben gesagt hat, daß ich für meine Person aus der Carrisre der Post—⸗ Assistenten hervorgegangen sei. Das ist falsch: ich bin aus der Carrisre der Eleven hervorgegangen. Das war damals ganz anders. Solche und ähnliche Nachrichten laufen ja, meine Herren, zu hunderten herum. Wenn Sie sich näher erkundigten, und zwar bei denen, die das kennen, bei uns, und nicht bei denen, die Ihnen diese Nachrichten zutragen, so würde das für die Behandlung hier im Plenum zuträg⸗ licher sein.

Abg. Dr. Schädler (Zentr.) beantragt: „Den Reichskanzler zu er= suchen, falls eine erneute Prüfung der Frage, ob die Zivilanwärter unter den Post⸗ und Telegraphen. Assistenten den Militäranwärtern in der Zulassung zum Sekretärsexamen gleichgestellt werden können, wieder zu einer verneinenden Entscheidung führen sollte, wenigstens die Zulassung zum Setretärsexamen denjenigen unter den Zivilampärtern, welche die Berechtigung zum einjährig, freiwilligen Dienst haben, zu ge⸗ währen und bei den übrigen Zivilanwärtern die iin ng zum Sekretärsexamen von dem anderweit zu erbringenden Nachweis einer entsprechenden Vorbildung abhängig zu machen. Redner bezeichnet den Antrag als einen Mittelweg, der namentlich die Zurücksetzung be⸗ seitigen solle, welche die zum einjährigen Dienst Berechtigten bisher , die immer noch mit dem Ober⸗-Pestafsistenten ihre Carrière abgeschlossen sehen.“

Unter⸗Staatssekretär Dr. Fischer:

Meine Herren! Ich habe Sie zu bitten, beiden Anträgen Ihre Zustimmung nicht zu ertheilen. Was den Antrag des Herrn Abg. Werner anbelangt, so nimmt er die Resolution auf, die bereits zwei⸗ mal die Zustimmung des hohen Reichstags gefunden hat. Ich be— schränke mich im Hinblick auf die Verhandlungen, die vor einigen Jahren aus Anlaß des Antrags des Herrn Abg. Gröber hier stattgefunden haben, darauf, ganz kurz noch einmal die Bedenken zu rekapitulieren, die gegen die Annahme dieses Antrages hier be—