1896 / 21 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 23 Jan 1896 18:00:01 GMT) scan diff

gläubiger doch so weit sicher gestellt werden, daß sie im ordentlichen Rechtswege ihren Spruch verlangen können.

Meine Herren, wenn die Sache aber so liegt, daß Sie bei jedem Um- und Neubau im ganzen Land, in kleinen und großen Städten denn dahin geht der Antrag zunächst doch eine doppelte Taxe mit den daran sich knüpfenden Auseinandersetzungen der Parteien, mit den daraus sich ergebenden Prozessen haben wollen was dazu das Land sagen würde, darüber bin ich nicht zweifelhaft.

Also, meine Herren, meine ich, stehen dem Antrag Bassermann in seinem zweiten Theil so erhebliche Bedenken gegenüber, daß das Haus gut thun würde, wenn es im Sinne des Unterantrags des Herrn Freiherrn von Stumm diesen Theil des Antrags ablehnen wollte. Das Haus behält sich die freie Hand vor, es verpflichtet sich zu nichts und kann in der Kommission vollständig objektiv erwägen, ob man auf den Weg zurückkommen will.

Was den ersten Theil des Antrags betrifft, so ersucht er ganz im allgemeinen die verbündeten Regierungen, eine Gesetzesvorlage zur Abhilfe der den Bauhandwerkern drohenden und auch zu theil gewordenen Schäden einzubringen. Meine Herren, ich hoffe, Ihre Kommission wird den Antrag in dieser Allgemeinheit nicht annehmen und wird die Verpflichtung fühlen, wenn sie den Weg der Reichsgesetz⸗ gebung den Regierungen empfehlen will, auch im Großen und Ganzen den Regierungen anzudeuten, wie der Weg, der eingeschlagen werden soll, beschaffen ist. Denn nachdem, wie der Herr Antragsteller selbst gesagt, 20 bis 30 Vorschläge vorliegen, wie hier zu helfen fei, bis dahin aber kein Vorschlag die überwiegende Anerkennung gefunden hat; nachdem die ernsten Erwägungen, die im Schoße der Regierungen statt⸗ gefunden haben, bisher auch noch zu keinem brauchbaren Resultat geführt haben; nachdem der preußische Justiz⸗Minister das Abgeordneten⸗ haus in die Lage versetzt hat, alle Vorarbeiten, die auf diesem Ge⸗ biete ausgeführt worden sind, zu würdigen, und das Abgeordneten⸗ haus in Uebereinstimmung mit dem Justiz⸗Minister sich dahin aus⸗ gesprochen hat, daß die Mittel, die in Vorschlag gebracht worden, nicht die geeigneten sind: so wird, meine ich, der Reichstag sich nicht darauf beschränken können, mit einem Vorschlage an die verbündeten Regierungen zu treten, der sachlich überhaupt noch nichts enthält. Ich hoffe also, daß Ihre Kommission sich bemühen wird, nach dieser Richtung hin den Antrag zu ergänzen und mit dem realen Inhalt zu versehen. Geschieht das, dann können die verbündeten Regie⸗ rungen für die Hilfe, die ihnen durch die Arbeit der Kommission gewährt ist, nur dankbar sein. Bei einer so schwierigen und so weit⸗ tragenden Aufgabe, wie die hier in Rede stehende zweifellos ist, können die Regierungen sich nur freuen, daß sie schon im Vorstadium der gesetzgeberischen Arbeit die Unterstützung des Hauses finden. In diesem Sinne begrüße ich den ersten Theil des Antrags Bassermann freudigst. (Bravo!)

Abg. Freiherr von Stumm (Rp.): Zur Begründung meines An⸗ trags hat schon der Staatssekretär einige Momente angeführt. Das französische Recht ist in seinem auf die Obligationen bezüglichen Theile geradezu miserabel, und mit Freuden hat man in der Rhein provinz seine Aufhebung und die Einführung des Grundbuchs be— rüßt. Der ganze Hypothekenkredit würde, wenn man die Be⸗ , des Antrags Bassermann wieder aufleben ließe, am Rhein wieder in die Hände von Geschäftsleuten übergehen und die Er⸗ langung von Hypotheken für den kleinen Mann aufs äußerste er⸗ . werden. Es wird viel zu sehr davon ausgegangen, daß der

auschwindel in großen Städten die Regel sei; so schlimm ist es doch noch lange nicht, und in kleinen Städten und auf dem Lande ist doch noch meistens das Baugeschäft in soliden Händen. Jeden Bauherrn, also auch den Arbeiter oder den Bauer, der sich ein Häuschen baut, als Kaufmann hinzustellen, das geht mir zu weit; ob die Bausperre viel Zweck hat, kann ich nicht beurtheilen. Es soll und muß etwas geschehen, um den Bauhandwerker zu schützen, und warten wollen wir damit auch nicht bis zur Emanation des Bürgerlichen Gesetzbuchs; weiter aber sollten wir in unserem späteren

air den verbündeten ,, , nichts erklären.

Abg. Dr. Rinte len (Zentr.): Wir haben schon im vorigen Jahre in unserem Antrage zur Abänderung der Konkurzordnung einen dem Antrage Bassermann ganz ähnlichen Antrag gestellt. Das Zentrum hat also ebenfalls längst den entsetzlichen sozial⸗politischen Schäden abhelfen wollen, welche durch die Unredlichkeiten gewisser Bauunter⸗ nehmer den . zugefügt werden. Wir haben damals von der weiteren Verfolgung der Anregung Abstand genommen, nachdem uns der preußische Justiz⸗Minister nal frt hatte, es sei die Absicht der Justizverwaltung, die Sache durch die Reichs oder Landesgesetz bung zu regeln. Nachher sind wir aber auf das Bürgerliche Gesetz⸗ 6 vertröstet worden, und die Sicherheitshypothek, die dieses vor⸗ schlägt, genügt Herrn Bassermann nicht und uns auch nicht. Die Belaftung von Grundstücken über ihren Werth hinaus ist ein reines Spekulatlons- und Schwindelgeschäft. Die Bauhandwerker müssen ein Risiko bestehen bei der übergroßen Konkurrenz, wenn sie überhaupt nur Arbeit haben wollen; warum soll ihnen denn also nicht das Gesetz zu Hilfe kommen zum Nachtheil der Schwindler, die diese Leute ausbeuten? Wo der Bauschwindel nicht vorkommt, da kann das Gesetz doch auch nicht schaden, da bleibt es eben ohne alle Wirkung. icht bloß Preußen, auch Baden und Bayern haben ein starkes Bedürfniß nach dem Gesetz; weshalb soll also ein solches nicht von Reichswegen erlassen werden? Das Privilegium der Bau⸗ handwerker liegt so sehr in der Natur der Sache, daß jeder ,. Einwand zurücktreten muß. Wir haben es hier mit einer ozialen Forderung allerersten Ranges zu thun, und wir hoffen, daß der Antrag Bassermann womöglich in seiner jetzigen Form zur Annahme gelangt.

Staatssekretär des Reichs⸗Justizamts, Wirklicher Geheimer Rath Nieberding:

Nur zwei Bemerkungen auf die Ausführungen des Herrn Abg. Nintelen. Der Herr Abgeordnete hat gegenüber meiner Mittheilung, daß ein großer Theil der deutschen Staaten das Bedürfniß nach einer Gesetzgebung, wie hier in Anregung gebracht, nicht anerkannt habe, weil ein Bauschwindel, der den Handwerkern und Arbeitern gefährlich wird, bei ihnen nicht bestehe, damit zu beseitigen gesucht, daß er einzelne Staaten vorführte, in denen dieses Bedürfniß zweifellos hervorgetreten sei, unter anderen Baden und Bayern.

Nun, meine Herren, was Baden anbetrifft, so muß ich dem Herrn Abgeordneten erwidern, daß die badische Regierung im Gegensatz zu seiner Aeußerung ein Bedürfniß nicht anerkannt, und ich muß doch davon ausgehen, daß die badische Regierung im stande ist, die Verhältnisse ihres Landes völlig zu übersehen, daß sie auch den Willen hat, die Interessen ihrer Bauhandwerker, soweit nöthig, zu schützen, und daß, wenn in der That Uebelstände da sein sollten, sie sich nicht gegenüber einer gesetzgeberischen Aktion indifferent ver⸗ halten würde. Was Bayern betrifft, so liegt die Erklärung der bayerischen Regierung uns noch nicht vor; ich kann also über dieses Land mich bejahend oder verneinend nicht aussprechen. Württemberg

dagegen und Hessen haben sich in demselben Sinne ausgesprochen wie Baden, und es läßt das erkennen, daß die Verhältnisse dort ziemlich Übereinstimmend liegen. Dietz kann nach meiner Ansicht

die Auffaffung der badischen Regierung gegenüber den Ausführungen des Herrn Abg. Rintelen nur bekräftigen.

Der Herr Abgeordnete hat zweitens gesagt, es schade ja gar⸗ nichts, wenn man das Gesetz allgemein einführe; denn dort, wo kein Bauschwindel sei, komme es nicht zur Anwendung, und da sei es gleichgültig, ob das Gesetz bestehe oder nicht. Nein, meine Herren, das ist nicht richtig; das Gesetz schadet unter allen Umständen da⸗ durch, daß die Sicherheit des Hypothekenverkehrs beeinträchtigt wird auch dort, wo kein Bauschwindel vorkommt. Denn überall fällt ja die Sicherheit für den Hypothekengläubiger weg, die er jetzt hat, daß kein ihm unsichtbarer Gläubiger später kommt, der ihm vorgeht. In der Möglichkeit, daß ein solcher Gläubiger kommt, in der Gefahr, die darin ruht, liegt eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Grundkredits, auch für diejenigen Landestheile, in denen kein Bau⸗ schwindel herrscht. Ein Gesetz, wie er es sich denkt, würde in den verhältnißmäßig doch kleinen Bezirken, wo Bauschwindel vorliegt, zweifellos den Handwerkern nützen in den großen Landesgebieten, wo der Schwindel glücklicher Weise fehlt, werden zweifellos die Grund⸗ eigenthümer und die Gläubiger Schaden dadurch erleiden.

Abg. Pachnicke (freisf. Va.): Das Bedürfniß ist in der That kein allgemeines, wie es hier dargestellt wird; die Uebelstände sind nicht nur nicht überall, sondern auch nicht überall gleich schwer vor handen. Es ist der Verlust von 45 Millionen in einem Jahr ge⸗ nannt worden: die Zahl ist ungeheuerlich übertrieben, wenn man die

ahl der Neubauten in Rechnung stellt. In Wirklichkeit handelt es ich wohl um 4 bis 5. Millionen, eine Summe, immer noch . enug, um ein Cinschreiten in Erwägung zu ziehen. Unzählige Male f es auch der Mangel an Umsicht und Vorsicht, wie sie jeder ordent⸗ liche Hausbater üben muß, der zu diesem beklagenswerthen Verlust der Bauhandwerker geführt hat. Mit dem Antrage der deutsch⸗sozialen Reformpartei wird ein fest verankertes Schiff losgelöst und den Wellen preisgegeben: es wird der öffentliche Glaube des Grundbuchs vernichtet und die Bauthätigkeit in die ö. gewisser Baugesellschaften gegeben, welche mit noch größerer Skrupellosigkeit die Bauhand⸗ werker ausbeuten würden. Dem Antrag Bassermann raubt die doppelte Taxe von vornherein die Möglichkeit praktischer Durchführung. Die Berliner Bauplatzsteuer hat auch die Taxe des Mehrwerths zur Grundlage; mehr als Dreiviertel aller Betheiligten haben reklamiert; das spricht genügend für die unüberwindliche Schwierigkeit, die sich einer solchen Lösung entgegenstellt. Eine Kommissionsberathung hätte keinen sonderlichen Zweck, aber es kann ja auch auf dem Wege der Unter⸗ haltung über die Anregung informatorisch manches gewonnen werden. Es handelt sich um nichts Alltägliches, sondern um etwas Außer⸗ gewöhnliches; mit demselben Rechte, wie hier die Bauhandwerker, könnten die Arbeiter Sicherung durch Gesetz dagegen verlangen, daß ihnen der Unternehmer nicht mit dem dohn durchgeht. Daher ist größte Vorsicht bei der weiteren Erwägung der Anträge geboten. Man verpflichte den Bauunternehmer fuͤr fremde Rechnung auf das Handelsgesetzbuch; damit wird sicher relativ mehr erreicht, als auf dem Wege angeblicher Radikalmittel.

Abg. Dr. von Bennigsen (ul.): Ich beantrage, nur den ersten Theil des Antrags Bassermann, und zwar ohne kommissarische Berathung, sofort im Plenum anzunehmen, da mir eine Meinungs— verschiedenheit über diesen bei der Mehrheit nicht vorhanden zu sein scheint. Es sind doch so schwere Uebelstände in so vielen ver⸗ schiedenen Theilen Deutschlands hervorgetreten, daß es von Werth ist, daß sich der Reichstag im Sinne des ersten Theils des Antrags Bassermann an die verbündeten Regierungen wendet. Hoffentlich wird uns dann in der nächsten Session eine Vorlage gemacht werden, zumal große statistische Erhebungen auf diesem Gebiet nicht für nothwendig erachtet worden sind.

Staatssekretär des Reichs-Justizamts, Wirklicher Geheimer Rath Nieb erding:

Meine Herren! Wenn der Herr Abg. von Bennigsen jetzt vor⸗ schlägt, den Antrag Bassermann sofort durch Beschluß des Hauses zu erledigen, damit die verbündeten Regierungen baldmöglichst ernsthaft an die gesetzgeberische Arbeit auf diesem Gebiet heran⸗ treten, so hat er, glaube ich, nicht das gehört, was ich vorhin die Ehre hatte dem Hause auszuführen, daß nämlich die Reichsverwaltung und die preußische Verwaltung seit längerer Zeit mit dieser ernst⸗ haften gesetzgeberischen Arbeit beschäftigt sind und daß uns nur die Schwierigkeit der Materie bis jetzt abgehalten hat, zum Ab— schluß auf diesem Gebiete zu kommen. Daß wir in dieser Session, die an und für sich schon nicht nur für das Haus, sondern auch für die Regierungen schwer belastet ist, die Sache nicht zum Beschluß bringen können, das steht außer allem Zweifel; ob das bis zum nächsten Jahre möglich sein wird, lasse ich dahingestellt. Ich kann nicht übersehen, ob bis dahin alle Bedenken, die in der Sache liegen, überwunden werden können.

Ich habe aber auch die Ehre gehabt, hier auszuführen, daß in Preußen verschiedene Vorschläge parlamentarisch diskutiert worden sind und nicht praktikabel befunden wurden und daß es mir für den Reichstag doch bedenklich zu sein scheint, wenn er sich mit einem Ersuchen an die Regierung wendet, welches nur ein ganz allgemeines Programm enthält, ein fernes Ziel, ohne jenen Weg anzugeben, der zu ihm geleiten kann. Wenn sich der Reichstag in der That so für die Frage interessiert, daß er ein formelles Ersuchen an die Regierung für nöthig hält, obwohl ich die Ehre hatte zu erklären, daß die Regierung mit der Frage beschäftigt sei: dann, meine ich, ist es wünschenswerth, daß uns der Reichstag dabei hilft, die Wege, die zum Ziele führen können, ausfindig zu machen. Der jetzt empfohlene Beschluß wird nach meiner Meinung sehr wenig sein. Die Re—⸗ gierungen werden ihre Arbeiten, dadurch nicht gehindert, aber auch nicht unterstützt, weiter führen und so gut und bald es geht, zum Abschluß zu führen suchen. Wenn Sie dagegen geneigt sind, uns durch die Arbeiten einer Kommission zu fördern, so würden wir das

viel willkommener heißen.

Abg. Dr. von Buchka (d. kons. ): Wir sind mit den Antrag stellern der Meinung, daß der Mißstand des Bauschwindels zu den bedenklichsten Folgen zu führen droht und daß das uns gestellte Problem gebieterisch eine Lösung verlangt. Da wir aber in beiden Anträgen die richtige Lösung nicht finden können, stimmen wir zunächst für Kommissionsberathung, können also der Anregung des Abg. von Bennigsen nicht Folge geben.

Abg. Stadthagen (Soz.): Das wirthschaftliche Leben hat ich nicht nach juristischen Prinzipien zu richten, sondern umgekehrt.

ie kann man an dem zum Himmel schreienden Mißstande, der hier zur Erörterung steht, dadurch vorbeizukommen suchen, daß man sich über die Verletzung eines juristischen Prinzips entrüstet? Das Ber“ liner Gewerbegericht ist im Anfang seiner Thätigkeit mit Erfolg gegen die Bauschwindler vorgegangen und hat namentlich die alleinige Haftbarkeit der Strohmänner abgelehnt und auch die heran⸗ gezogen, die den wirthschaftlichen Rutzen der betreffenden schwindel⸗ haften Manipulation gehabt haben. Leider hat aber diese er⸗ sprießliche Wirksamkeit des . durch die zugelassene Berufung an ein gelehrtes Gericht ihre Schranken gefunden; das Berufungsgericht hat ausgesprochen, die Arbeiter hätten sich die Folgen eines Abschlusses mit bloßen Subunternehmern und Scheinunternehmern hig zu . as I die schönsten ö. e, wenn Sie

ichter 6 en, die mit einer solchen Verständnißlofigkest für die Ver⸗ hältnisse des wirthschaftlichen Lebens ausgestattet sind! Keineswegs

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anz Neues; nach dem im vo

handelt es sich hier um etwas vorigen Jahre ergangenen Binnenschiffahr e haftet Schiff und Fracht für den Arbeitslohn des Schiffsmanns. Wenn das bestehende Vertragg⸗. recht verhindert, den Schwindel und den Schwindler zu fassen, obwohl der Thatbestand klar vor Augen liegt, so ist eben das Recht und ö Rechtsprechung krank und bedarf der Abänderung. Der Abg. Pachnicke kennt die Menschen und die Verhältnisse nicht, wenn er die Arbeiter an Vorsicht und Umsicht mahnt und sich jeder Maßregel widerfetzt, die dem Bauschwindel in etwas entgegentreten will.

Abg. Basserm ann Knl.) verzichtet auf en zweiten Theil seines Antrages und auf Kommissionsberathung.

Abg. Beckh (fr. Vp. : Mit der Lösung der Aufgabe, wie sie das Bürgerliche Gesetzbuch bringt, sind wir speziell in Bayern durchaus einperstanden. Der Vorschlag des Abg. Bassermann würde bei jeder, auch der kleinsten Forderung in Anwendung gebracht werden und nur den Realkredit erschweren. Dennoch sind auch wir für noch weiter— gehende Schutzmittel, wenn solche gefunden werden könnten. Bis jetzt scheint das nicht der Fall zu sein. Nach den heutigen Erklärungen des Staatssekretärs der Justiz brauchen wir überhaupt keinen Antrag mehr anzunehmen; sollte der Reichstag aber einen materiellen

Beschluß fassen wollen, so nimmt er am besten den Antrag Stumm Bennigsen an. ;

Abg. Freiherr von Stumm (Rp. tritt nochmals für seinen Antrag ein und führt . den Abg. Rintelen aus, daß die Befriedigung

des Kreditbedürfnisses des kleinen Mannes und die Bekämpfung des Bauschwindels doch zwei ganz verschiedene Dinge seien.

Abg. Dr. Lieb er (Zentr.) ist erfreut, daß der Abg. Bassermann

. Antrag auf Kommissionsberathung und den zweiten Theil seines

ntrags zurückgezogen habe. Der Abg. Dr. von Buchka, fährt Redner fort, hat die Einladung des Staatssekretärs zu gemeinsamer Kom missions⸗ berathung, damit man erfahre, wie ungefähr die Ausführung des angeregten Gedankens aussehe, mit einer Harmlosinkeit aufgenommen, die ich nicht mehr besitze. Es hat mich diese Einladung ein wenig an den alten Reichskanzler Fürsten Bismarck erinnert, der uns (das Zentrum) seiner Zeit aufforderte, doch selbst ausgearbeitete Gesetzentwürfe über den Arbeiterschutz und zwar in acht Tagen ein zubringen. Mit dem Eingehen auf Kommissionsberathung würden wir die Sache nicht fördern, sondern verschleppen. Ich kann nur hoffen, daß die Sache heute zur Entscheidung und der darin angeregte Gesetz⸗ enslwurf recht bald an das Haus kommt.

Damit schließt die Debatte. zunächst

Abg. Bassermann (ul.): Die Eintragung der Bauunternehmer in das Handelsregister wird den Schäden, welche die Bauhand⸗ werker erleiden, nicht abhelfen, die Einsicht in das Grundbuch für die Bauhandwerker ebenso wenig. Die wichtigen Gründe, welche für eine reichsgesetzliche Regelung der Angelegenheit sprechen, sind durch die Anführungen von der Gegenseite nicht erschüttert worden. Der Bauschwindel schreitet von Provinz zu Provinz fort. Wenn Herr Pachnicke die Bauhandwerker auf ihre eigene Vorsicht verweist, so widerspricht das den thatsächlichen wirthschaftlichen Verhältnissen und allen Aeußerungen der sachverständigen Interessentenkreise. Wenn ich auch den zweiten Theil des Antrages zurückgezogen habe, so sehe ich voraus, daß man sich schließlich darauf wird vereinigen müssen, an den Mehrwerth anzuknüpfen, den die Arbeiten und Lieferungen der ö und Arbeiter geschaffen haben. Bekommen wir keine

orlage, so wird in der nächsten Session mein Antrag als Initiativ— antrag wiederkehren.

Abg. Liebermann von Sonnenberg (deutsch⸗soz. Refp.): Die deutsch⸗soziale Reformpartei kann den Torso des Antrags Basser⸗ mann nicht annehmen, weil er ganz überflüssig ist. Es muß eine materielle Beschlußfassung erfolgen, nachdem die Sache fünf Jahre schon im Flusse ist. Ich nehme den letzten Theil des Antrags Bassermann wieder auf und auch den Antrag auf Kommissions⸗ berathung. Will man den Bauhandwerkern nicht helfen, dann mag man es ihnen direkt sagen.

2. Pr. von Bennigsen bemerkt, daß die Wiederaufnahme eines Antrags oder eines Theils desselben nur bis zum Schluß der Diskussion zulässig sei.

Der Antrag auf Kommissionsberathung wird abgelehnt, desgleichen gegen die Stimmen der Antisemiten, Sozial⸗ demokraten und der Abgg. Schall, Jacobskötter, Sachsse (dk) der Antrag der deutsch-⸗sozialen Reformpartei. Der Antrag Bassermann wird gegen die Stimmen der deutsch⸗sozialen Reformpartei angenommen.

Darauf wird die Sitzung vertagt.

Schluß 5 Uhr. Nächste Sitzung Donnerstag 1 Uhr. (Fortsetzung der Etatsberathung: Post⸗Etat.)

Das Schlußwort erhält

Preuszischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

4. Sitzung vom 22. Januar 1896.

Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der ersten Berathung des Staatshaushalts-Etats für das Jahr 1896.97.

Nach der gestern mitgetheilten Rede des Abg. Dr. Bachem nimmt das Wort der

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Ich bedauere, daß ich den Herrn Kultus⸗Minister wegen seiner Abwesenheit entschuldigen muß, weil er heute zu einem Vortrage bei Seiner Majestät befohlen ist und daher hier nicht erscheinen konnte. Wohl auch hat der Herr Minister nicht erwarten können, daß jetzt hier bei dieser Generaldebatte diese speziellen konfessionellen Fragen in den Vordergrund gestellt würden. Er hat wahrscheinlich geglaubt, soweit diese Fragen zur Diskussion überhaupt kämen, daß sie zurück gestellt würden bis zum Kultus⸗Etat. Ich bedauere daher, daß ich nicht in der Lage bin, auf alle diese Beschwerden, welche der Herr Vor⸗ redner in dieser Richtung vorgetragen hat, zu antworten. Nur auf Einiges kann ich aus eigener Kenntniß mich äußern.

Zuerst hat der Redner sich darüber beklagt und als Mangel an Parität angesehen, daß den Staatsbeamten nicht erlaubt sei, an der Beisetzung des Kardinals Melchers sich zu betheiligen, während bet der Beisetzung des Bischofs Reinkens der Herr Ober⸗Präsident er⸗ schienen sei. Nun, meine Herren, das ist sehr einfach. Offiziell be⸗ theiligen sich die Staatsbeamten nur bei der Beisetzung von Bischöfen, welche im Amt gestorben sind. Der eine ist im Amt gestorben, der andere nicht. Selbstverständlich hat es der Königlichen Staatsregierung ganz fern gelegen, dem altkatholischen Bischof irgend einen Vorzug durch die Betheiligung des Ober ⸗Präsidenten bei der Beisetzung desselben zusprechen zu wollen. Es ist natürlich auch den Staatsbeamten in keiner Weise irgendwie verwehrt, privatim, als Menschen, als Katholiken bei der Beisetzung des Kardinals Melchers sich zu bethelligen; aber eine offizielle Beiheiligung konnte aus dem vorbezeichneten Grunde nicht stattfinden. Hier ist also von einer imparitätischen Behandlung in keiner Weise die Rede. Würde die Sache umgekehrt gelegen haben in Bezug auf das Verbleiben des Verstorbenen bis zu seinem Tode im Amt, so würde auch umgekehrt verfahren worden sein.

Meine Herren, wenn der Herr Abgeordnete nun sich beschwert hat, daß bis jetzt Niederlassungen der Redemptoristen noch nicht bewilligt seien, so kenne ich nicht die geschäftliche Lage der elntelnen Anträge,

die in dieser Beziehung gestellt sind; aber er hat recht vermuthet, daß die preußische Staatsregierung für die Zulassung der Redemptoristen geftimmt hat, weil eine nochmalige eingehende Erwägung das Staats⸗Ministerium zu der rechtlichen Ueberzeugung geführt hat, daß dieselben allerdings nicht als Affiliierte des Jesuitenordens unter das betreffende Gesetz fielen. (Lachen im Zentrum.) Ich glaube nicht, daß die Absicht besteht, diese Zulassung nur rein als eine theoretische zu behandeln und thatsächlich solche Zulassung in Preußen überhaupt nicht zu genehmigen. Aber, wie gesagt, spezieller kann ich über die Lage der einzelnen Fälle keine Auskunft geben; das muß ich dem Herrn Kultus⸗Minister vorbehalten; er wird gewiß Gelegenheit nehmen, bei Gelegenheit der Berathung seines Etats sich darüber zu ãußern.

Nun beschwert sich der Herr Abgeordnete weiter über die un—⸗ gleiche Behandlung der Staatszuschüsse für Zwecke der evangelischen und katholischen Kirche, und er nennt uns da eine Reihe Zahlen aus den verschiedenen Jahren zum Beweis der größeren, wohlwollenderen Dotation für protestantische als für katholische Zwecke. Meine Herren, das ist doch nun wirklich etwas Mechanisches. (Sehr richtig! rechts. Widerspruch und Lachen im Zentrum.) Sie lachen, meine Herren; der Herr Abgeordnete vergißt, daß gewissermaßen ein Staats- vertrag über die Dotation der katholischen Kirche vorhanden ist, welche nach Maßgabe der Bulle de salute animarum die Dotation der katholischen Kirche als solche ein für alle Mal fixiert, während die fortlaufenden Bedürfnisse der evangelischen Kirche, da sie eine solche Dotation, wie die katholische Kirche, niemals erhalten hat (sehr richtig h naturgemäß zur Befriedigung gelangen müssen. Deswegen, glaube ich, war es nicht zum Lachen, wenn ich sage: die Aufzählung der Zahlen ist etwas recht Mechanisches; daraus kann man irgendeine Imparität garnicht herleiten. Wir prüfen in jedem einzelnen Falle die Bedürfnisse und die Stellung des Staats zu diesen Bedürfnissen und danach wird der Etat auch aufgestellt. Gerade auch für die katholische Kirche sind fortlaufend steigende Ausgaben des Staats. Ich will nur an die Pfarrstellen im Rheinland erinnern, welche fortdauernd und in der aus giebigsten Weise durch den Etat befriedigt sind.

Meine Herren, auf die Frage der Anstellung der Beamten gehe ich nicht näher ein. Ich kann versichern, daß die preußische Staats regierung, ohne Rücksicht darauf, ob der betreffende Kandidat katholisch oder protestantisch ist, die Beamtenanstellungen nach Maßgabe der Tüchtigkeit, der Vorbildung, der Befähigung für die betreffende Amts— stelle regelt, und ich glaube, man kann da unmöglich das geht aus den eigenen Ausführungen des Herrn Abg. Dr. Bachem hervor verlangen, daß gerade ein Drittel der Anstellungen auf Katholische und zwei Drittel auf Evangelische kommen. (Widerspruch im Zentrum) Es kann auch einmal um⸗ gekehrt sein und ist in manchen Behörden auch umgekehrt gewesen; solche Fälle könnte man auch anführen. (Sehr richtig! rechts und bei den Nationalliberalen.)

Meine Herren, der Herr Abg. Dr. Bachem selbst hat gesagt, daß die katholische Bevölkerung nach der Kopfzahl gerechnet über— haupt hier ein sehr bedenklicher Maßstab nicht so vpiele junge Kandidaten präsentiert habe, und er hoffe, daß, wenn dies in Zukunft der Fall würde, dann eine gleiche Behandlung dieser neu eintretenden Kandidaten aus der katholischen Bevölkerung stattfinden werde. Ich glaube, er kann sich darauf verlassen, daß, wenn dieser Fall eintritt, diese Hoffnung sich auch in vollem Maße erfüllen werde. Das gegenwärtige Staats⸗Ministerium hat doch auch in neuester Zeit bewiesen, daß auch nach dieser Richtung hin keine Einseitigkeit herrscht; ja, ich freue mich darüber, daß auch bei dem gleich von mir zu erwähnenden Fall eine einseitige Auffassung auch bei der protestantischen Bevölkerung garnicht hervorgetreten ist. Ich nenne z. B. den früheren Führer und angesehenen Volksvertreter aus dem Zentrum, den jetzigen Präsidenten Freiherrn von Huene. Meine Herren, wir haben ihm die Stelle angeboten, weil wir ihn für den geeignetsten Mann für diese Stelle hielten, und ich habe nicht gefunden, in keinem Blatte, auch nicht in dem engherzigsten protestantischen Blatte, daß darüber irgend eine Beschwerde sich erhob. (Sehr wahr Meine Herren, in diesem Augenblick ist beispieltweise auch noch die erste Stelle des Reichs⸗ anwalts einem Katholiken übertragen. So könnte man viele Beispiele anführen, wo an die wichtigsten Stellen katholische Männer gestellt sind. Ich glaube daher, hier ist das Mißtrauen, welches in den Worten des Herrn Abg. Bachem lag, doch gänzlich unbegründet.

Doch nun wieder von dieser Abschweifung auf das geistliche Gebiet, das ich nur nothgedrungen betreten habe, auf die finanzielle Frage zurück! Ich bin erfreut, aussprechen zu können, daß die Stellung des Zentrums zu diesen großen Finanz- reformfragen, obwohl vorläufig sie zu demselben Resultat geführt hat, wie der Herr Abg. Richter die Frage behandelt hat, doch in wesentlichen Dingen von der Auffassung der freisinnigen Volkspartei abweicht. Denn erstens hat das Zentrum bisher wenigstens immer anerkannt, daß eine angemessene fortlaufende Schuldentilgung durchaus erwünscht, ja nothwendig sei, und zweitens geben die Herren vom Zentrum zu, daß eine Ausgleichung der schwankenden Verhältnisse der Finanzen des Reichs und der Einzel⸗ staaten und gegenüber den Betriebsverwaltungen in den einzelnen Staaten sehr angebracht und zweckmäßig sei. Meine Herren, ich will auf die Frage, ob der Vorschlag der Herren vom Zentrum, solche Reservefonds gegenüber den schwankenden Spannungen zwischen Matrikularumlagen und Ueberweisungen iu basieren, innerhalb der Einzelstaaten möglich ist, vorläufig nicht tiefer eingehen. Es genügt mir vorerst, wenn die Herren im Zentrum mein Bestreben, die kolossalen Schwankungen in unseren inneren Ctatsverhältnisfen durch Reservestellungen gegenüber den Schwan⸗ kungen der Betriebsverwaltung auszugleichen, unterstützen. Ich habe die feste Ueberzeugung: wenn wir die andere Frage demnächst gründlich diskutieren, nachdem zugegeben ist, daß solche Ausgleichungen erfor⸗ derlich sind, so werden die Herren vom Zentrum sich überzeugen, daß es durchaus unmöglich ist und jedenfalls nicht richtig, die Aus— gleichungen gegen die Schwankungen des Finanzverhältnisses des Reichs und der Einzelstaaten innerhalb der letzteren zu suchen, sondern daß die einzig richtige Stelle das Reich selbst ist. Derartige Ausgleichungs⸗ fonds kann nur der vernünftig verwalten, der die ganze Verwaltung, aus der sie hervorgehen, führt, nicht aber ein Dritter, der auf die Finanzgebarung eines andern Staatg keinen Einfluß üben kann. Aber, wie gesagt, das soll uns vorläufig hier nicht beschweren. Ich hoffe, daß es wenigstens in dieser Session noch gelingen wird, die großen Schwankungen innerhalb der Betriebs perwaltungen in Preußen einigermaßen auszugleichen.

Meine Herren, ich halte es für Sie vielleicht doch von Interesse, wenn ich mal die Schwankungen, welche sich aus den Nettoeinnahmen der Eisenbahnen in der Rechnung gegen den Etat ergeben, kurz hier mittheile. Ich will nicht weiter zurückgehen als auf 10 Jahre. Da haben wir 1886/87 in der Rechnung der Eisenbahnverwaltung gegen den Etat ein Mehr von 12483 000 Æ , im folgenden Jahre 51 365 000 SM, im weiter folgenden Jahre 1888/89 52 Millionen Mark, dann 42 Millionen. Dann kommt auf einmal im Jahre 1890ỹ91 ein Minus von 19 Millionen, im Jahre 1891/9 ein Minus von 59 Millionen, dann 1892,93 ein Minus von 30 Millionen, im Jahre 1893ñ)94 ein Plus von 40 Millionen und im Jahre 1894/96 ein solches von 14 Millionen. Da können Sie sehen, welche kolossalen Schwankungen im Etat der Eisenbahnverwaltung sich ergeben in der Wirklichkeit gegen die Ver⸗ anschlagung. Daraus können Sie auch ersehen, daß es vollstãndig unhaltbar ist, wenn der Abg. Richter gestern mir besonders Irrthümer in dieser Beziehung vorwirft. Im Gegentheil, die Schwankungen in den letzten Jahren sind gegen den Etat geringer geworden. In frü— heren Jahren, wo ich noch nicht im Amt war, waren die Schwan⸗ kungen noch größer.

Und wie stellte sich nun das Verhältniß in jener Zeit dem Reich gegenüber? Da stellt sich das Verhältniß der Ueberweisungen gegen die Matrikularumlagen nach der Rechnung seit dem Jahre 1885/86 folgendermaßen: im ersten Jahre ein Plus der Ueberweisungen von 7 Millionen Mark, im zweiten von 11 Millionen, im dritten von 5 Millionen ich nenne nur runde Zahlen —, 1888/89 von 41 Mil⸗ lionen, 1889/90 von 80 Millionen, 1890/91 von 46 Millionen, 1891392 von 41 Millionen, 1892/93 von 25 Millonen, und nun springt es von dem Plus von 25 Millionen im Jahre 1893,94 plötzlich auf ein Minus, d. h. ein Mehr an Matrikular— umlagen gegen die Ueberweisung von 20 Millionen. Wir haben also hier eine Differen; in einem einzigen Jahre von 45 Millionen. Dann fällt es wieder auf ein Minus von 2 Millionen, steigt wieder auf ein solches von 6 Millionen und ist jetzt etatisiert auf ein Mehr an Matrikularumlagen gegen die Ueberweisungen von 8 Millionen.

Hier ergiebt sich nun weiter, daß meistens die Rückgänge in den Ueberschüssen der Eisenbahnen zusammenfallen mit der Verschlechterung unserer finanziellen Situation dem Reich gegenüber, also die Wirkung eine doppelte ist. Das ergiebt sich auch aus der fortlaufenden Reihen⸗ folge der Ueberschüsse und der Fehlbeträge im Gesammt ⸗Etat. Jeder, der unbefangen über diese Dinge nachdenkt, muß sich doch sagen: Eine verständige Finanzverwaltung, die planmäßig operiert und nicht wie ein unverantwortlicher Abgeordneter (Heiterkeit) von der Hand in den Mund leben will, muß suchen, hier Wandel zu schaffen und soviel wie möglich diesen unsern ganzen Etat von Jahr zu Jahr erschütternden Zustand zu beseitigen, soviel wie möglich diese kolossalen Differenzen auszugleichen.

Es sollte dies nur eine vorläufige Mittheilung sein; wir werden ja hoffentlich noch in dieser Session ein Gesetz hier berathen können, welches nach dieser Richtung den erforderlichen Versuch macht.

Der Herr Abgeordnete hat nun gemeint, ez sei ja schon einiges geschehen nach der Richtung des Ausgleichs, und er hat in dieser Be⸗ ziehung namentlich die Erhöhung des Betriebsfonds der General⸗ Staatskasse angeführt. Ja, meine Herren, der Betriebsfonds kann doch nicht als Ausgleichsfonds dienen; der muß ja arbeiten in der Eisenbahnverwaltung und in den übrigen Staats perwaltungen. Den kann man nicht beliebig herausziehen, um Aus⸗ gaben zu decken. Außerdem wäre das verfassungsmäßig gar nicht zulässig. Also glaube ich nicht, daß hier bereits nach dieser Seite ein einziger Schritt geschehen ist. Allerdings wird eine verständige Be⸗ handlung des Verhältnisses des Extraordinariums zum Ordinarium schon manches auszugleichen vermögen, und ich bin sehr erfreut, daß der Herr Abg. Dr. Bachem dies auch seinerseits anerkannte. Aber nun möchte ich ihn darauf hinweisen, daß, wenn er dies anerkennt, er damit von selbst zugiebt, daß das Programm, welches er als ein Pro⸗ gramm des Zentrums andeutete, die Ausgleichung gegen die Schwan⸗ kungen in den Finanzen des Reichs innerhalb der Einzelstaaten zu bewirten, schon nach dieser Richtung hin als unzweckmäßig sich erweist; denn nur der kann durch eine richtige Stellung des Extraordinariums zum Ordinarium ausgleichend mitwirken, der die Verwaltung selbst führt. Das thun ja wir aber nicht, die Einzelstaaten im Reich, das thun die Reichsregierungen, das thut der Reichstag.

Ich glaube daher die Hoffnung nicht aufgeben zu dürfen, daß es doch schließlich gelingen wird, mit Zustimmung der Herren vom Zentrum denn die baben die Entscheidung gegenwärtig in der Hand im Reichstag zu einer gedeihlicheren Ordnung des Finanzwesens zu kommen. Meine Herren, man hat den ursprünglich von mir vorge— schlagenen Entwurf einer Reichsfinanzreform in manchen Einzelheiten getadelt. Ich habe aber immer erklärt: wer etwas Besseres bieten könne, um den Zweck zu erreichen, der soll mir willkommen sein. Das Wesen der Sache besteht in der finanziellen Auseinandersetzung bei den staatlichen Körperschaften, und ich möchte das den Herren vom Zentrum nochmals ans Herz legen diese Finanzreform liegt nicht bloß im Interesse des Reichs, sondern vor allem im Interesse des dauernden Bestandes der Einzelstaaten. Wir in Preußen haben das große Vermögen, die großen Betriebsverwaltungen, sodaß der Beitrag zu den Staatslasten durch die Steuern so verhältnißmäßig gering ist, wir können die jetzigen Verhältnisse noch eher ertragen; die große Menge der kleineren Staaten, die keine Eisenbahnen besitzen, geringe Forsten, keine Bergwerke, die allein auf die Steuern angewiesen sind, die lönnen die Schwankungen nicht aushalten. Wer die föderative Natur unseres Deutschen Reichs erhalten will, darf auf diese Seite der Sache nicht verzichten. (Bravo)

Justiz⸗Minister Schönstedt:

Meine Herren! Bezüglich der Betheiligung der Behörden an der Beisetzungsfeierlichkeit des verstorbenen Kardinals Melchers in Köln möchte ich mir gestatten, den Bemerkungen des Herrn Finanz⸗ Ministers noch einige erläuternde Worte hinzuzufügen, in der Hoff⸗ nung, daß damit die Angelegenheit aus den Erörterungen dieses Hauses endgültig verschwindet.

Herr Dr. Bachem hat der Auffassung Ausdruck gegeben, daß den Justhbeamten in Köln die Betheiligung an dieser Feierlichkeit aus. drücklich untersagt sei, und hat sich dafür berufen auf eine Verfũgung der Vorstandsbeamten des Ober . Landesgerichts, die als vertraulich er · lassen war und die durch irgend eine grobe Indiskretlon, deren Urheber nicht ermittelt ist, in die „Kölnische Volkszeitung“ gelangt ist.

Meine Herren, mit dieser Verfügung hat es folgende Be⸗ wandtniß. Es war dem Ober Landesgericht zu Köln zu Händen seiner Vorstandsbeamten eine Einladung seitens der erjzbischöflichen Behörde zugegangen zur Betheiligung an den Beisetzungsfeierlichkeiten, und in dem dieser Einladung beigefügten Programm war den Behörden ein bestimmter bevorzugter Platz sowohl im Zuge wie in der Kirche angewiesen. Die Vorstandsbeamten hatten Anlaß genommen, diese Einladung bei den Mitgliedern der Behörde in Umlauf zu setzen, und sie befand sich noch im Umlauf, als von hier aus eine auf die Anfrage eines höheren Beamten der Rheinprovinz ergangene Entscheidung telegraphisch dorthin gelangte, daß eine Be⸗ theiligung der Behörden an der Beisetzungsfeier nicht stattjufinden habe. Daraus nahmen die Herren Vorstandsbeamten des Ober⸗ Landesgerichts Veranlassung, die demnächst in der, Volkszeitung“ ver⸗ öffentlichte Verfügung zu erlassen, der allerdings die Worte hinzugefügt waren: „zur Nachachtung'. Die Hinzufügung dieser Worte, die ja vielleicht besser unterblieben wäre, hatte aber keineswegs den Zweck, den Beamten die Privat ⸗Betheiligung an dieser Feier⸗ lichkeit irgendwie zu untersagen (Widerspruch im Zentrum), sondern nur der Auffassung entgegenzutreten, die durch den Umlauf hätte hervorgerufen werden können, daß seitens der Vorstandsbeamten eine Betheiligung der Behörde als solcher beabsichtigt sei. Eine solche Auffassung konnte berechtigt erscheinen, und nur in diesem Sinne war die Verfügung mit den Worten zur Nachachtung“ zur Kenntniß der übrigen Beamten gebracht worden. Daß sie vielleicht von einzelnen Beamten mißverstanden ist, und daß in der öffentlichen Meinung das Mißverständniß entstanden ist, es habe der Privatbetheiligung der Beamten entgegengetreten werden sollen eine Auffafsung, die an keiner Stelle auch nur einen Augenblick bestanden hat das findet ja vielleicht in der Fassung der Verfügung eine Erklärung; aber eine derartige Absicht hat, wie ich wiederhole, nie und nirgendwo bestanden.

Abg. Rickert (fr. Vgg): Ich stimme mit dem Finanz⸗Minister darin überein, daß die Anstellung der Beamten erfolgt ohne Rücksicht auf die Konfession. Wir können doch nichts dafür, daß Fürst Bismarck ein Protestant war; wir hätten auch nichts dagegen gehabt, wenn er Katholik gewesen und Reichskanzler geworden wäre. Der Herr Finanz Minister hat ein freundlicheres Gesicht gezeigt; das sehe ich lieber als ein düsteres Gesicht. Ich will auch die Schwankungen beseitigen, aber ich halte fest an den Vorbedingungen dafür, der Be⸗ willigung eines beweglichen Faktors im Reiche. Die mechanische Trennung der Finanzen reicht nicht aus. Wenn die kleinen Staaten ein größeres Interesse an der Finanzreform haben, so verstehe ich das nicht recht; denn was wir von den Finanzen der Einzelstaaten gehört haben, ist durchaus nicht geeignet, zur Schwarzseherei zu verleiten. Ich will auf die Einzelheiten des Etats nicht eingehen. ch will nur er⸗ klären, daß wir uns darüber freuen, daß vermehrte Ausgaben für die Landwirthschaft verwendet werden sollen. Wir werden alles unter⸗ stützen, was die Regierung bringt: Meliorationen, Kleinbahnen u. f. w. Das sind rationelle Unterstützungen. Wir können uns freuen, daß die Thronrede mit vollem Recht von dem Aufschwung gesprochen hat. Dieser beginnende Aufschwung ist thatsächlich vorhanden. Es macht sich sehr eigenthümlich, wenn Graf Limburg⸗Stirum auch gestern wieder unternommen hat, von den Handelsverträgen zu sprechen, als ob sie dem Vaterland keinen Vortheil gebracht hätten. Darüber werden wir uns nicht einigen. Mein Freund Gothein, der darüber einen sehr instruktiven Vortrag gehalten hat, wird, vielleicht ver⸗ geblich, sich bemühen, Sie zu überzeugen. Freilich, wir sprechen ja fast eine verschiedene Sprache. Wenn der Krieg Aller gegen Alle infolge des Ablaufs der Handelsverträge ausgebrochen wäre, würde die Thronrede von einem Aufschwung reden können? Wenn man den Domänen-Etat nicht von Jahr zu Jahr, sondern für große Zeiträume mit einander vergleichen würde, würde man zu einem anderen Urtheil kommen. Ich bin einverstanden damit, daß das Extraordinarium beim Eisenbahn⸗Etat so ausgiebig

estaltet ist. Aber das Volk wartet jetzt schon Jahre lang auf die in

Aussicht gestellte Tarifreform, die leider durch den Widerspruch des Finanz · Ministers aufgehalten wird. Wir werden bald im ö sein gegenüber der Übrigen kultivierten Welt, denn selbst Rußland geht mit Tarifreform vor. Eine rationelle Tarifreform wird feine finanzielle Schädigung, sondern eine Vermehrung der Einnahmen her⸗ beiführen. In Zeiten der finanziellen Knappheit ist eine Zurũckhaltung zu verstehen, aber die Zeit des Aufschwunges ist doch die geeignetste für eine Reform. Nicht aus der Opposition treten die Wünsche her= por, sondern aus sonst regierungsfreundlichen Kreisen, nament- lich im Westen; in der Industrie wird der Unmuth immer größer. In Abwesenheit des Kultus- Ministers widerstrebt es mir, die Beschwerden über die. Schulen vorzubringen, welche ich vorbringen wollte; ich will aber ganz entschieden da⸗ gegen protestieren, daß jetzt der Zeitpunkt günstiger geworden ist für ein Schulgeseßz nach Zedlitzschem Muster. Wir sind heute noch bereit, einem solchen Gesetz mit allen Mitteln entgegenzutreten, und wir sind sicher, daß die Bewegung im Lande dagegen eben so stark wie früher sein würde. In Bezug auf die Behandlung der Lehrer sind wir ven anderen Staaten weit überholt, sogar von Mecklenburg. Das Dotationsgesetz wird lange nicht die Wünsche der Lehrer erfüllen. Das Volk erstrebt die g ich der Schule, der Kultus⸗Minister dagegen die geistliche Aufsicht. Für uns bringt das Dotationsgesetz i idr fle herbei; denn wir wollen die Wünsche der Lehrer endlich erfüllen. Wir hoffen, daß das Gesetz verbessert wird, nament- lich durch Beseitigung der Benachtheiligung der Städte. Wir wollen die, kleinen Gemeinden unterstützen. Wer war es denn, der den Minister nicht unterstützt hat in Bezug auf die Befeitigung der jammerlichen Schulbauten? Ich hoffe, weil das ö nothwendig ist, wird eine Verständigung herbeizuführen sein. ie Rede des Grafen Limburg. Stirum war eine Aeußerung auf die Rede des eint, als wenn ein

Wasser au welche nichts sehnlicher wünschen,

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wünschen, 8 wir hoffen, da

Regierung, wel 2 an dieser Agitation nicht

rei 9 Regierung unt 2 Handelsvertrügen haben

te üũssen. 2