sich nicht darauf beschränkt habe, zu berichten über ihre Er⸗
auf- hebungen, sondern daß sie, namentlich was das Bäckergewerbe anlangt,
habe.
nut e
Nun hat der Herr Vorredner gemeint: die Kommission für Ar beiterstatistik babe nicht so viel an Aufgaben erledigt, als ihr im Interesse einer fortschreitenden Besserung unserer gewerblichen Ver- hältnisse zugemuthet werden könnte. Wenn ich mir das Verzeichniß der Arbeiten ansehe, mit denen die Kommission befaßt worden ist, so kann ich nicht finden, daß die Beschäftigung keine ausgiebige ge⸗ wesen ist. Und wenn nicht so viele Sitzungen in der Kommission ge⸗ halten worden sind, wie es der Herr Vorredner wünscht, so bitte ich ihn, das dem Umstand zuzuschreiben, daß eben der hochverdiente Vorsitzende der Kommission, der Unter- Staats sekretär Dr. von Rottenburg, durch sein körperliches Be⸗ finden abgehalten gewesen ist, die Arbeiten so zu fördern und Sitzungen so zahlreich abzuhalten, wie das dem Interesse der Sache entsprochen haben würde. Herr von Rottenburg, der übrigens in diesem Augenblick noch nicht in den Ruhestand übergetreten ist, ist keineswegs, wie ich gleich hier bemerken will, von irgend einer Seite herausgegrault. Seine Vorgesetzten, und ich nicht zum wenigsten, beklagen es außerordentlich, daß dieser treffliche und für sein Amt, insbesondere für die Förderung der sozialpolitischen Aufgaben vorzugs⸗ weise geeignete Mann allerdings, durch seinen Gesundheitszustand ge⸗ nöthigt, seinen Dienst wird aufgeben müssen.
Die Kammission hat im übrigen fleißig gearbeitet, und die Be⸗ richte, die sie erstattet hat, sind dem Reichstag zugängig gemacht worden. Wenn der Herr Vorredner gleich im Anfang seiner Aus führungen mit der Klage hervortrat, daß die Arbeiten der Kommission, soweit sie bis jetzt überhaupt an den Reichstag gelangt sind, nicht in ausreichender Zahl mitgetheilt sind, so glaube ich kaum, daß dieser untergeordnete Punkt ihm billigerweise hätte Veranlassung geben sollen zu einer besonderen Anklage. Hätte sich der Herr Vorredner an mich ge⸗ wendet, und gesagt: ich bitte mir noch einige Exemplare der Drucksachen aus, so hätte er sie sofort erhalten. Und wenn der Herr Vorredner im allgemeinen den Wunsch ausgesprochen hat, daß der Reichstag nicht, wie er sich geschmackvoll ausdrückte, mit Knickrigkeit, sondern in ausgiebiger Zahl die Drucksachen erhalte, so kann ich ihn nur auf meine im vorigen Jahre über diesen Punkt gemachte Bemerkung verweisen. Ich sagte: ‚Wir haben die Erfahrung gemacht, daß die Drucksachen, die dem Reichstage zugehen, nicht alle ausgegeben werden, und des⸗ halb ist ihre Zahl in einer gewissen Beschränkung gehalten. Wenn aber der Reichstag mehr wünscht, das spielt bei uns keine Rolle; einige 50 oder 100 Exemplare mehr stehen gern zur Dis- position.
Was nun, meine Herren, die Arbeiten der Kommission anlangt, so befindet sich die Erhebung über die Zustände im Bãäckergewerbe bereits beim Reichstag; die Drucksache ist vertheilt, der Bericht der Kommission ist ausgegeben, und wenn auch zwischen dem Zeitpunkt, in welchem dieser Bericht der Kommission erstattet ist, und dem, in welchem er fruktifiziert ist, allerdings eine längere Periode verstrichen ist, so werden Sie doch diese Verzögerung nicht einer amtlichen Stelle, am wenigsten dem Reichsamt des Innern zuschreiben dürfen, sondern Sie werden daraus den Schluß zu ziehen haben, daß über die Behandlung der Materie in den berufenen Instanzen Meinung verschiedenheiten vorgekommen sind, und daß es erst des Austrages dieser Meinungs— verschiedenheiten bedurft hat, bevor man der Sache hat Fortgang geben können. Dieser Zustand ist in der That rücksichtlich der Er⸗ hebung im Bäckergewerbe eingetreten. Erst unter dem 15. Dezember des vergangenen Jahres hat die Königlich preußische Regierung im Bundesrath den Antrag auf Erlaß einer Verordnung gestellt, die darauf abzielt, die Mißstände im Bäckergewerbe zu beseitigen und insbesondere rücksichtlich der Festsetzung der Arbeitszeit in diesem Gewerbe be⸗ stimmte Vorschriften zu treffen. Diese Vorlage ist, wie gesagt, unterm 16. Dezember v. J. ergangen. Der Bundesrath hat darauf beschlossen, sie den zuständigen Ausschüssen zu überweisen. Diese Ueberweisung ist erfolgt, und wenn bisher das Plenum des Bundes raths über die Materie noch nicht Beschluß gefaßt hat, so werden Sie zugeben, daß in einer so wichtigen Angelegenheit, die die Inter⸗ essen so zahlreicher Kreise berührt, in denen auch innerhalb des Ge—⸗ werbes keineswegs die Auffassungen übereinstimmen, es sehr natürlich ist, wenn diese Zeit vom 16. Dezember v. J. bis zum 28. Januar d. J. nicht hingereicht hat, um diese Vorlage zu verabschieden. Dies wird indessen demnächst geschehen und, wie ich hoffe, werden dann die berechtigten Klagen über die Be⸗ handlung der Gehilfen und Arbeiter im Bäckergewerbe ihre definitive Abstellung finden.
Was die Erhebungen der Kommission für die Arbeiterstatistik über die Verhältnisse im Handelsgewerbe anlangt, so ist der Bericht darüber erstattet, und in den nächsten Tagen wird dem Reichstage — wie ich hoffe, in einer ausreichenden Anzahl — der Bericht zugehen.
Mit den Erhebungen über das Müllergewerbe wird sich voraus—⸗ sichtlich die Kommission in der nächsten Sitzung beschäftigen. Dabei wird es sich um die mündliche Vernehmung von Auskunftspersonen handeln, und es wird, wenn diese Vernehmung stattgefunden hat, die Enquèête an sich beendigt sein. Es wird dann der Kommission ob⸗ liegen, dem Reichskanzler darüber einen Bericht zu erstatten. Ich bemerke, was die Klagen über die mangelnde Häufigkeit der Sitzungen anlangt, daß die letzte Sitzung der Kommission im Dezember vorigen Jahres stattgefunden hat und die nächste für Februar in Aussicht genommen ist. Ich glaube daher, daß man ihr eine Säumigkeit nicht wird vorwerfen können.
Weiter wird sich die Kommission mit der Enquste über das Gastwirthsgewerbe zu beschäftigen haben. Da liegen die Erhebungen und die Antworten auf die schriftlichen Umfragen bei den Organen der Wirthe und der Angestellten im Druck vor. Ueber das Ergebniß wird die Kommission in der nächsten Sitzung zu beschließen und zu berichten haben.
Rücksichtlich des Verkehrs gewerbes ist die Einleitung von Er⸗ hebungen in Aussicht genommen, und außerdem ist die Kommission mit der Enquéte, die der Reichstag gewünscht hat, rücksichtlich der Sonntagsarbeit im Binnenschiffahrtsverkehr beschäftigt.
einen formulierten Gesetzentwurf vorgelegt habe. Ich habe auch von diesen Vorwürfen in der Presse Kenntniß genommen und muß
zugeben, daß die Fassung der Bestimmung über die Einsetzung der Kommission nicht gerade der Auffassung widerspricht, welche dahin geht, daß es nicht Aufgabe der Kommission sei, formulierte gesetzgeberische Vorschläge zu machen. Auf der anderen Seite ist aber ausdrücklich in diesen Bestimmungen der Kommission das Recht, Anträge zu stellen, gewahrt, und es ist über die Form, in der sie ihr Gutachten bezüglich der von ihr vorgenommenen Er⸗ hebungen erstatten soll, keine bestimmte Vorschrift getroffen, sodaß ich mich nicht auf den Standpunkt derjenigen stellen kann, welche es der Kommission verdacht haben, daß sie einen Gesetzentwurf vorgelegt hat. Jedenfalls — und darauf kommt es doch allein an — ist ihr von seiten der Reichsverwaltung ein solcher Vorwurf nicht gemacht worden.
Meine Herren, Sie sehen aus meinen Mittheilungen einmal, daß die Kommission bereits reichlich in Thätigkeit getreten ist, daß sie noch eine Reihe von Aufgaben zu erledigen hat, und ich zweifle garnicht daran, daß auch über den Kreis der von mir gestreiften Aufgaben hinaus die Kommission ein weiteres reiches Feld der Thätigkeit finden wird. Daß alle diese Aufgaben Zeit erfordern, daß sie sich nicht von heute auf morgen erledigen lassen, das werden mir die Herren bei objektiver Würdigung der Verhältnisse wohl zugeben.
Ich möchte damit meine Bemerkungen zu diesem Gegenstande schließen und nur noch die Versicherung hinzufügen, daß es jedenfalls nicht an der Reichsverwaltung liegen wird, wenn auf dem Gebiete der Sozialpolitik eine Verzögerung eintreten sollte. Wir stehen nach wie vor auf dem Standpunkt, daß, was den Arbeiterschutz anlangt — und hier handelt es sich ja vorwiegend um ein Kapitel des Ar⸗ beiterschutzes — die Gesetzgebung und die Verwaltung voranzu⸗ schreiten hat.
Abg. Bebel: Warum nur 100 Exemplare der Protokolle mehr? Warum nicht für jeden Abgeordneten eins? Sie werden alle unter⸗ gebracht werden; der Herr Staatssekretär kann ohne Sorge sein. Die einzige Rücksicht auf einen erkrankten Vorsitzenden reicht doch
nicht aus, die Aussetzung der Sitzungen der Kommissson auf 13 Monate zu motivieren. Warum hat der Bundesrath nicht hier und auf
In der Zigarrenfabrikation ist durch eine solche erordnung das Sweatersystem zum völligen Verschwinden gebracht worden. Die heutige Ueberwachung des Zustandes der Bäckereien auf Reinlichkeit und Hygiene ist völlig ungenügend; die Fabrikinspektion ist nicht zahlreich genug vertreten, und die Polizei hat dazu keine Zeit; wir enn, eine besondere Wohlfahrts polizei. Was der Durchführung der Arbeiterschutzmaßregeln am meisten hinderlich ist, ist die liebe i gn auf die Kleinmeister, diese Stützen des Zunftzwanges, die e. ö chen Schutzmaßregeln irgendwie finanzielle Einbuße erfahren önnten.
Abg. Dr. Pach nicke (fr. Vg. erkennt sowohl das Verdienst des Vorredners, als auch die Berechtigung der Einwände der Gegner gegen eine einseitige Regelung der Frage im Bäckergewerbe auf dem 1. der Verordnung an. Wolle man etwas auf diesem Gebiete thun, so sollte man den Reichstag nicht unbefragt lassen.
Abg. Molkenbuhr (Soz.) sucht Material für die Beurtheilung der Frage der Arbeitszeit in den Bäckereien zu geben. Von der Verkür.
zung wurden nur die größeren und größten Bäckereien betroffen, und diese könnten sie am ersten ertragen. Die von den Bäckermeistern erhobenen Einwände hätten die Kommission nicht überzeugen können. Vor dem Polizeifozialismus brauche man sich nicht zu fürchten. Es wäre eine nützlichere Beschäftigung für die Polizei, wenn sie hier für die Abstellung von schlimmen Üebelständen thätig wäre, sie könnte sich damit sehr viel Popularität erwerben.
Die Ausgaben werden bewilligt, ebenso diejenigen für das Bundesamt für das Heimathwesen, das Schiffsver⸗ messungsamt und die entscheidenden Disziplinar⸗ be hörde n.
Um 5ißs Uhr wird die weitere Berathung ö. Nächste Sitzung Mittwoch 1 Uhr. (Anträge, betr. das Wahlgesetz zum Reichstage und das Vereins- und Versammlungsrecht.)
Prenszischer Landtag. Haus der Abgeordneten.
6. Sitzung vom 28. Januar 1896.
Auf der Tagesordnung steht die zweite Berathung des Staatshaushalts⸗Etats für 1896/97, und zwar zu⸗ nächst des Etats des Finanz⸗Ministeri ums.
Nach der gestern mitgetheilten Rede des Abg. Grafen von Hoensbroech (Zentr) nimmt das Wort der
Finanz ⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Ich möchte dem hohen Hause vorschlagen, eine ausführliche, eingehende Diskussion über die Ausführung des Kom⸗ munalabgabengesetzes zu vertagen bis zu dem Augenblick, wo wir — was sehr bald der Fall sein wird — dem Hause eine Denkschrift mit zahlenmäßigen Nachweisungen über die Durchführung des Kommunal⸗ abgabengesetzes in der Monarchie vorlegen. Das Haus wird dann erst in der Lage sein, über die Frage zahlenmäßiges Material zu haben, um die Sache nach allen Richtungen hin zu prüfen. Es wird sich dabei zeigen, wie vollständig unbegründet gerade die Klage des Grund⸗ besitzes ist, wie bisher noch entgegen den Bestimmungen des Gesetzes, vielfach jedenfalls gegen den Geist und die Absicht des Gesetzes, der wesentliche Vortheil, der Erlaß der gesammten Realsteuern den Grundbesitzern zu gute gekommen ist, namentlich auf dem Lande. Aber ich will zur Zeit weiter auf die Sache nicht eingehen; wir werden das zahlenmäßige Material, soweit wir es besitzen, dem Hause voll⸗ ständig vorlegen, und das Haus wird dann selbst prüfen können, ob die Ausführung in Sinn und Geist des Kommunalabgabengesetzes und der Anschauung der Mehrheit dieses Hauses geschehen ist oder nicht, oder ob wir vielleicht im anderen Falle nach dieser Richtung noch viel nachzuholen haben. :
Der Herr Vorredner hat — wenn ich ihn recht verstanden habe, ich habe nicht alles verstehen können — von dem Kreise Geldern ge= sprochen. Ja, wie liegt nun im Kreise Geldern die Sache? Ich habe hier zufällig eine Aufstellung über den Kreis Geldern; danach wurden infolge des Kommunalabgabengesetzes an Realsteuern mehr
belastet um 1 bis boo 18 Gemeinden. Ziehen Sie von diesen
anderen Gebieten von seinem Verordnungẽrecht nn, gemacht?
. .
4
.
Wir haben hier eine
Mehrbelaftungen von 1 bis S0 o die erlassenen 100 ½0 Staatssteuern ab, nete Herten so seben Sie gleich det eint Jenn arherordernige Entlaftung der Gemeinden stattgefunden hat. Zwischen ol bis 190 o wurden mehr belastet 4 Gemeinden; aber auch hier find die 100 o Gebäude Grund ⸗, Gewerbesteuer abzuziehen, und kommt daher ein sehr erheblicher Erlaß an Grund und Gebäudesteuer zum Vorschein. Sie können das auch noch auf eine andere Weise sehen, Herr Graf. Aufstellung über diejenige Zabl von Gemeinden, wie sie belastet gewesen sind früher mit Grundsteuer und wie heute. Da haben wir früher 14 Ge⸗ meinden, welche belastet waren mit 1 bis 100 0,0 Grundsteuer, jetzt 6; wir haben 12 Gemeinden, welche belastet waren früher mit 101 bis I50 oι, jetzt sind das 15 Gemeinden. Wir haben eine Gemeinde, die belastet war mit 151 bis 200 ½, jetzt sind es 5. Aber, meine Herren, in allen diesen Fragen müssen Sie die gesammten erlassenen Staatssteuern abziehen, und dann kommt in allen diesen Fällen eine erhebliche Entlastung heraus.
Ich will, wie gesagt, auf die sehr bedeutenden Fragen, die hier erörtert sind und die ja auch durch Petitionen angeregt sind, nicht näher eingehen. Ich glaube, es wird das Haus richtig handeln in seinem eigenen Interesse und in dem Interesse der vollständigen Klar⸗ heit aller Verhältnisse, wenn es die Denkschrift vor sich hat, die wir dem Hause sobald als thunlich mittheilen werden. Dann erst wird eine gründliche und erschöpfende Diskussion möglich sein.
Abg. Dr. Arendt (fr. kons.): Die Privatnotenbanken haben zum großen Theile aufgehört, nur der . Bank ist ein zeitweiliges . mit Rücksicht auf ihre süddeutschen Beziehungen zuge⸗ tanden worden. Ich möchte die Hoffnung aussprechen, daß auch diese Privatbank ein Ende nehmen möge. Dann wird Preußen dahin wirken können, daß die anderen süddeutschen Banken ihr Privileg verlieren im Interesse der Einheit des Notenwesenz. Das Bankgesetz hat Gelegenheit gegeben, daß alle zehn Jahre der Bundesrath sich mit dem Privileg der Privatbanken befassen kann. Ich hoffe, daß, wenn der Termin wieder herankommt, die Gründe, welche man früher ins Gefecht führte, sich nicht mehr als wirksam erweisen, namentlich weil Preußen mit einem guten Beispiel vorangegangen ist, seinen Privatbanken das Notenprivileg zu entziehen. Waß diese Banken für den Kredit leisten, können sie auch ohne Notenprivileg leisten, oder es kann von der Reichsbank geleistet werden. Wenn der Finanz · Minister mit seinen Anschauungen noch an der Stelle stehen wird, an der er jetzt steht, so wird er sich vielleicht nicht die Gelegenheit entgehen lassen, eine Aufkündigung der Reichsbankantheile ergehen zu lassen und die Reichsbank zu erwerben, die ja heute schon vom Reiche verwaltet wird. Wenn die Privatnotenbanken sämmtlich beseitigt sein werden, dann werden auch die Mißstände aufhören, daß eine deutsche Bank⸗ note an öffentlichen Kassen nicht angenommen wird. — Ich möchte ferner den Finanz Minister bitten, auf den Erlaß eines deutschen Checkgefetze ß hinzuwirken. Die Ausbreitung des Checkwesens ist volkswirthschaftlich außerordentlich nützlich; es liegt aber bei uns voll ständig im Argen, weil es einer gesetzlichen Grundlage entbehrt. Durch Erleichterung des Checkverkehrs würde sich der Bedarf an barem Geld vermindern. Ich habe zu meiner Freude gesehen, daß die preußische Zentral. Genossenschaftskasse das Checkwesen fördern will.
Unter ⸗Staatssekretär Meinecke: Die preußische Regierung hat von jeher den Standpunkt im Bundesrath vertreten, daß es wünschenswerth sei, die Privatbanknoten gänzlich aus der Welt zu schaffen, sie hat den preußischen Privatbanken das Privilegium ge⸗ nommen. Das Gleiche zu thun bezüglich det Frankfurter Bank, mußte die Regierung Abstand nehmen, so lange die anderen Banken, . B. die Mannheimer, das Notenprivilegium behielten und die badische Regierung darauf bestand, daß es ihr nicht genommen wird. Wir hoffen, daß, wenn das Notenprivilegium abläuft, die Regierung dieses Privilegium aufheben wird unter der Bedingung, daß die anderen Privatbanken auch ihr Privilegium verlieren, damit die Aufhebung lediglich der Reichsbank zu gute kommt. Die Frage eines Gheckgefetzes ist vielfach erörtert worden; es haben sich aber auch vielfach entgegenstehende Auffassungen kundgegeben. Man will nicht allzu sehr das baare Geld durch Geldzeichen ersetzen, die Kredit dar⸗ stellen; aber die Sache ist noch nicht abgeschlofsen. Es wird zahin gestrebt, daß der Checkverkehr zwischen den preußischen Staats kassen und der Reichsbank gefördert wird.
Abg., von Eynern (ul.): Die beiden angeregten Fragen gehören eigentlich in den Reichstag. Ihre unvorbereitete Erörterung dürfte kaum einen Eindruck machen. Herr Arendt hätte seine Anregung
in die Form von Anträgen kleiden sollen. Denn die Frage der Privi⸗
legien der Privatnotenbanken berührt nicht Preußen allein, sondern kleinere Einzelstaaten, die auf die 6 . ihrer Privatbanken ein größeres Gewicht legen. Bezüglich des Checksystems stehe ich mit meinen Wünschen auf seiten des Herrn Arendt. Aber das größere Publikum gewöhnt sich nicht recht an den Checkverkehr. Weshalb Herr Arendt gerade für das Checksystem eintritt, weiß ich nicht Es wird dadurch das baare Geld im Verkehr unnöthiger, also auch das eliebte Silber des Herrn Arendt entbehrlicher. Die , . des ,, liegt in erster Linie in der Hand des Minssters des Innern. Wir glauben dem neuen Minister Gelegenheit, geben zu ollen, sich darüber auszusprechen. Der neue Minister ist ja bekannt mit den Klagen, welche namentlich aus dem Westen kommen, weil man dort das Zuschlagssystem zur Gebãudesteuer nicht gekannt hat. Da f Zuschläge zur Gebäudesteuer erhoben werden müssen, ist die Unzufriedenheit im Westen sehr groß. Wenn die Agitation der Haus⸗ und Grundbesitzervereine dahin geht, gegen die unberechtigte Anwendung des Gesetzes und gegen die gesetzwidrigen Erlasse der Minister anzukämpfen, so hat sich das Haus damit zu be⸗ schäftigen; denn es ist doch nichts Kleines, wenn einem Minister vor⸗ geworfen wird, daß seine Erlasse gesetzwidrig sind. Ich hätte daneben ewünscht, daß wir die Petitionen im vorigen Jahre hier hätten im
lenum besprechen können. Das ist leider nicht geschehen. Ich möchte die Mitglieder der Gemeindekommission bitten, da die Petitionen schon wieder eingelaufen sind, so fleißig zu arheiten, daß wir binnen kürzester Frist die Angelegenheiten besprechen können. ie Denkschrifst ist ja nothwendig zur Beurtheilung des Verhaltens des Ministeriums. Die Räthe des Finnen nr lere und des Ministers des Innern haben ja schon im vorigen Jahre scharf Stellung gegen die Petitionen ge—= nommen. Die Vestimmungen des Kommunalabgabengeseßze sind augenscheinlich höchst unklar; es ist jetzt gestattet, Verschiedenes heraus zulesen aus dem Gesetz.
Abg. Graf von Hoensbroech (Zentr. ): Wir můüssen allerdings die weitere Diskussion zurücksetzen bis zum Erscheinen der Denkschrift. Aber das fann ich dech nicht unwidersprochen hingehen lassen, daß immer die 100 9G erlassener Staatsgrundsteuer abgezogen werden müssen. Das beweist nur, daß die Realsteuern nach wie vor starl belastet 34 Redner bleibt dabei, daß in 19 Gemeinden des Kreises Geldern, die er aufjählt, die Realsteuer um 40 olu*6 ju⸗ genommen hat.
(Schluß in der Zweiten Beilage.)
M 26G.
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Ich bin dem Herrn Grafen sehr dankbar, daß er mir diese Liste zur Verfügung stellt. Unsere Angaben beruhten auf den Berichten der Behörden, wahrscheinlich dem Bericht des Landraths. Man kann das ja nicht so schnell, die Zahlen des Herrn Vorredners, genau über⸗ sehen, ich bitte sie aber genau nachzusehen, dann wird sich finden, daß die Gesammtbelastung des Grundbesitzes in den Ge neinden unter Berücksichtigung des Erlasses von 100 ½ Grund⸗ und Gebäudesteuer seitens des Staats in allen den Fällen, die der Herr Vorredner mit- getheilt hat, jetzt ein bedeutend geringerer ist als vor dem Erlaß des Kommunalgesetzes. Wir haben keineswegs, indem der Staat auf die debung der Grund⸗ und Gebäudesteuer verzichtete, einfach den Grund— eigenthümern diese bisherigen Belastungen schenken wollen. Das ist eben der Grundirrthum; sondern wir haben diese staatliche Besteuerung in eine kommunale verwandeln wollen und mehr als bisher die Besteuerung der Gemeinden auf Objekten basieren wollen, welche mit der Gemeinde auf Gedeih und Verderben verbunden sind. Meine Herren, das fikkalische Interesse tritt hier zurück, das tritt jedenfalls nicht wesent⸗ lich in den Vordergrund; denn wir bekommen ja von den Steuern in die Staats kasse überhaupt nichts, es sind rein kommunase Steuern; sondern es tritt in den Vordergrund die richtige orm der Kommunal⸗ besteuerung und der Vertheilung der Kommunallasten, und diese zu erreichen, war der wesentliche Zweck des Kommunalabgabengesetzes.
Abg. Dr. Arendt (fr. kons): Bisher sind die Dinge, die zum Etat vorgebracht werden, immer vorgebracht ohne vorherige Ankündigung. Das Privilegium der deutschen Notenbank ist eine rein preußische Angelegenheit, nicht eine Sache des Reichs. Die preußische Regierung kann zur Beseitigung der weiteren bestehenden Privatnotenbanken ihren Einfluß im Bundesrath benutzen, und das ist auch der Fall zur Schaffung eines Checkgesetzes. Das Silber kommt für den Ver—⸗ kehr mit Checks nicht in Betracht. Wir wollen den Verkehr aber durchaus nicht mit Silber belasten.
Abg. von Eynern (nl): Wenn solche Dinge hier vorge— bracht werden sollen, dann entspricht es den Gepflogenheiten unker den Parteien, das anzukündigen, weil sonst alle Anderen außer dem Redner, der sich vorbereitet hat, in Verlegenheit gesetzt werden: das sieht dann aus, als wenn die einzelne Rede unwidersprochen geblieben ist. Das wird nachher publizistisch verwerthet. Darüber habe ich meine Meinung geäußert, und dieses Recht möchte ich mir vorbehalten. Wir haben auch niemals einen Minister überfallen, sondern ihm
immer vorher Mittheilung gemacht, daß wir diese oder jene Frage an— regen wollen.
Abg. Dr. Arendt (fr. kons.): Die Ausführungen des Vorr widersprechen dem Gebrauch 9 Hauses. fan e n, f. niemals als Parteisache betrachtet worden. Was die Verständigung mit dem Minister betrifft, so geht das Herrn von Eynern nichts an.
Das Gehalt des Ministers wird bewilligt.
Bei den Ausgaben für Ober-Praäͤsidenten, Re⸗ gierungs-Präsidenten u. s. w. klagt Abg. Da mink an über die belästigenden, bevormundenden Polizei⸗ verordnungen, welche den Landwirth in der Verwendung seiner roduktiven Kräfte beschränken, so z. B. bezüglich der Auf⸗ tellung der Stroh⸗ und Getreidemieten in gehöriger Entferuung von dem Wohngebäude. Das sei besonders da unbequem, wo Wohn⸗ und Stallgebäude unter einem Dache seien.
Auf eine Anregung des Abg. Bröse (kons.) bezüglich der Möglichkeit, daß mehrere Kreis⸗Sekretäre auf einem Landraihs⸗ amt vorhanden seien, von denen doch nur einer die Stell⸗ vertretung des Landraths führen kann, erklärt der
Minister des Innern Freiherr von der Recke:
Meine Herren! Die von dem Herrn Vorredner angeregte Frage ist bereit in der Budgetkommission zur Verhandlung gekommen. Ich habe mich in derselben bereits dahin ausgesprochen, daß ich die recht⸗ lichen Bedenken des Herrn Vorredners und desjenigen Herrn, der sie in der Kommission zur Sprache brachte, nicht theile. Ich bin nicht der Meinung daß der Wortlaut des Gesetzes einer der⸗ artigen Einrichtung entgegensteht. Ich glaube aber nicht, daß es auf diese Frage erheblich ankommen wird, denn die ganze Maß— regel charakterisiert sich als eine reine Uebergangsmaßregel. Diese zweiten Kreissekretäre, wenn ich mich so ausdrücken darf, werden sehr bald von der Bildfläche verschwinden, indem sie an andere Landraths—⸗ ämter versetzt werden. Thatsächlich haben auch, wie bereits hervor⸗ gehoben ist, die zweiten Kreissekretäre keinen Uebelstand ergeben. Ich bin übrigens gern bereit, der Anregung des Herrn Voiredners ent— sprechend in Erwägung zu ziehen, ob es nicht behufs Hebung sämmt⸗ licher Zweifel zweckmäßig sein wird, den zweiten Kreissekretär nicht als selbständigen hinzustellen, sondern ihm unter Beilegung eines ent— sprechenden Titels etwa „Zweiter Kreissekreiär“ eine gleiche Stellung zu geben, wie den bisherigen Assistenten.
Abg. Gothein (fr. Vag.) bedauert, daß seine Anregung, die Stellung der Polizei⸗Bureaubecamten, die hinter den anderen Beamten zurückstehen, zu verbessern, nicht Frucht getragen habe. Dadurch werde veranlaßt, daß die besseren Elemente sich den anderen Stellen zu⸗ wenden, zumal diese Polizeibeamten durch die sozialpolitische Gesetz. uns sehr erheblich mehr belastet seien. Stimmenfang sei mit einer Anregung nicht verbunden, denn die Pelizeibeamten stimmten doch nicht für ihn und seine Freunde,
Geheimer Ober⸗Finanz⸗Rath Lehnert: Die Regierung will auch eine Gehaltserhöhung herbeiführen; es würde sich dann um die ge⸗— sammten mittleren Beamten handeln; aber die Regierung hält es für unmöglich, bei einer einzelnen Kategorie allein vorzugehen. Die Beamten müssen sich gedulden, bis die allgemeine, Besoldungs⸗ verbesserung durchgeführt werden kann. Wir wollen hier nur zwei lassen zu einer Klasse vereinigen; dabei eine Gehaltsänderung ein treten zu lassen, lag kein Anlaß vor.
Abg. Rickert (fr. Vgg. ): Es ist schwierig, von dem Finanz— Minister etwas zu erreichen. Die Polizei⸗Sekretäre sind vollständig gleich beschästigt mit den Kreis⸗Sekretären; sie sollten auch in Bezug auf das Gehalt gleichgestellt werden. Das kann doch keine großen Konsequenzen zur Folge haben.
Geheimer Ober -Finan,⸗Rath Lehnert: Die Konsequenzen lömmen in jeder Session; es wird dann immer auf die früheren Bewilligungen für andere Beamte hingewiesen, die gleich beschäftigt sind. Ven Gymnasiallehrern folgen die Bibliotheksbeamten und diesen die Archivbeamten.
; Abg. Wal lbrecht (ul.); Die Polizeibeamten in Charlottenburg kekommen schon ein höheres Gehalt; warum sollen die Polizeibeamten in den Provinzen nicht ebenfalls berucksichtigt werden? Die Ver⸗
. Zweite Beilage zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗AUnzeiger.
Berlin, Mittwoch, den 29. Januar
tröstung auf die allgemeine Gebaltsaufbesserung ist eine sehr mißliche.
Abg. Wetekamp (fr. Vp): Auf die allgemeine Gehalts⸗ erhöhung können wir nicht warten; eine Gehaltsregulierung der einzelnen Beamten ist eine Vorbedingung dafür.
/ Abg; don Puttkamer ⸗Ohlau (kons. ): Die Vereinigung der beiden Klassen der Bureaubeamten ist eine Nothwendigkeit und bringt auch eine erhebliche Vereinfachung des Etats mit sich. Bezüglich der Besoldung der Polizei. Sekretäre der Provinzialbehörden und der 23 Polizei besteht eine große Verschiedenheit, die beseitigt werden
e.
Bei den Ausgaben für Remunerierung der Hilfsarbeiter
bei den Regierungen und Ober⸗Präsidien weist
Abg. Bartels (kons.) darauf hin, daß auf 248 etatsmäßige Arbeiter 329 Hilfskräfte entfallen. Die Regierungs⸗Assessoren erhalten erst drei Jahre nach ihrem Examen die erste Remuneration, die aber völlig unzureichend bleibt. Es handelt sich dabei nicht um einen Uebergangszustand, die Arbeit bleibt und muß bewältigt werden. Deshalb müssen die etatsmäßigen Stellen vermehrt werden. Auch bei der Justiz bestehen in dieser Beziehung Mißstände; aber die K 1 sich durch Kommissorien u. s. w. einen
a e * 1 1 * 3 . k auch eher Richter als ein Regierungs
Minister des Innern Freiherr von der Recke:
Meine Herren! Ich freue mich, hier erklären zu können, daß die Königliche Staatsregierung der von dem Herrn Vorredner gemachten Anregung sympathisch gegenübersteht. Es ließe sich ja der Uebel—⸗ stand, daß an manchen Regierungen fast gar keine Regierungs⸗-Räthe sind, während andere Regierungen solche in größerer Anzahl besitzen, dadurch aus der Welt schaffen, daß Versetzungen ins Werk gesetzt würden von den mit Regierungs⸗Räthen stark besetzten nach anderen schwach bedachten Regierungen. Dieses Mittel würde ich aber doch nur im Nothfall empfehlen können; außerdem würden auch dem Staat dadurch sehr erhebliche Kosten entstehen. Die Staatsregierung muß aber anerkennen, daß zwischen der Zahl der nichtetatsmäßig angestellten und der etatsmäßig angestellten Mitglieder ein gewisses Mißverhältniß besteht, was übrigens erst in den letzten Jahren sich besonders geltend gemacht hat. Sie wird daher eine mäßige Vermehrung der etats— mäßigen Stellen in Erwägung ziehen.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Wir haben jetzt 360 besoldete Assessoren und 190 nicht remunerierte Assessoren. Das ist allerdings zur Zeit ein ungünstiges Verhältniß; übrigens muß man bedenken, daß dieses Ver⸗ hältniß im Laufe der Zeit immer ein sehr schwankendes gewesen ist. Es kommen Perioden, wo das Avancement viel günstiger ist; es kommen aber auch Perioden, wo das Avancement erheblich ungünstiger ist. Wir haben in den letzten Jahren den Fonds für die Remune— rierung der Assessoren erheblich erhöht; es hat der Minister des Innern bereits nach der Richtung für den nächsten Etat mit seinen Ansprüchen und Wünschen sich angemeldet.
Im Ganzen wird jetzt ein Diätenbezug, der bekanntlich von 1500 M bis 4200 M geht, gegen das Ende des dritten Assessoren⸗ jahres eintreten.
Das ist doch nichts Neues; denn seit Jahrzehnten haben die Assessoren stets einige Jahre dem Staat umsonst gedient, und das ist auch nicht bloß in Preußen, sondern mehr oder weniger in allen Staaten der Fall. Trotzdem erkennen wir auch unsererseits an, sowohl daß es erwünscht wäre, den Diätenbezug der Assessoren in einer kürzeren Periode eintreten zu lassen und also in dieser Beziehung noch ein Jahr zu gewinnen, als auch, daß es erwünscht wäre, die Zahl der etatsmäßigen Stellen einigermaßen zu erhöhen. Wir werden mit dem Herrn Minister des Innern darüber weiter in Verbindung treten, und nach Maßgabe der Finanzlage werden wir auch diesen Gegenstand zur Lösung zu bringen suchen. Meine Herren, ich sehe schon jetzt, daß doch hier nicht im allgemeinen nach dem Grundsatz des englischen Parlaments verfahren wird, welches, wenn ich nicht irre, im Jahre 1868 beschloß, zu verbieten, daß irgend ein Antrag in das Parlament gebracht würde, der Mehrkosten verursachte. (Heiterkeit) Seit der Zeit hat das englische Parlament dieser Resolution geachtet. Wenn Sie Gelegenheit hätten, wie ich das pflichtgemäß thun muß, die Verhandlungen der französischen Kammer über das Budget zu lesen, so werden Sie finden, daß alle Redner der Parteien ohne Aus—= nahme darin einig sind, zu sagen: die Finanzlage ist in Frankreich so, daß wir nicht dulden werden, daß irgend ein Redner einen Antrag stellt oder eine Rede hält, welche den Staat zu noch weiteren Aus— gaben drängt. (Heiterke t.. Meine Herren, ich möchte doch wieder hier an etwas erinnern. (Abg. Rickert: Die Marine haben sie erhöht! — Das geschieht auf Antrag der Staatsregierung, geht aber nicht aus dem Parlament hervor. Ich werde Herrn Abg. Rickert gern die stenographischen Berichte zur Disposition stellen; dann werden Sie finden, mit welcher Sorgfalt, mit welcher Sachkenntniß die französischen Deputirten ihre Finanzlage behandeln. (Heiterkeit) Meine Herren, ich glaube, wenn am Schluß unserer Berathungen irgend ein böser Geist die sämmt⸗ lichen hier an die Staatsregierung gerichteten Forderungen auf allen Gebieten mal zusammenstellen würde, so würden das wohl schließlich mehrere Hundertmillionen werden. (Heiterkeit) Aber nichtsdesto⸗ weniger — ich sage das nur im allgemeinen — möchte ich die Be— merkungen des Herrn Abg. Bartels durchaus nicht für unbegründet erklären. Wir werden sehen, was sich thun läßt. Aber ich kann nur sagen: wir haben vier Defizits gehabt; das letzte Jahr schließt auch noch mit einem Defizit ab; wir hoffen, daß das laufende Jahr nicht mehr mit einem Defizit abschließt. Da können wir uns doch nicht in die Meinung hineinreden, daß wir jetzt in so glänzenden Finanz- verhältnissen wären, daß wir uns alle Wünsche erlauben können und namentlich — Wunsche erlauben, das kann man ja noch eher, aber nicht verlangen, daß alle Wünsche befriedigt werden. Dies ist jeden falls auch noch in den nächsten Jahren in keiner Weise möglich.
Abg. Jerusalem (Zentr) : Ich möchte doch dem entgegentreten, als ob die Justiz Assessoren besser ständen; sie erhalten Diäten bis zu 2400 M, während die Regierungs Assessoren Diäten von 1500
1500 M erhalten, während ein Richter ein so hohes Gehalt erst nach 10 bis 14 Jahren erhält. Stellen Sie Verwaltung und Justiz mit
1896.
Rücksicht auf die gleiche Vorbereitung vollständig gleich. Wir sind damit vollständig einverstanden.
— Abg. Rickert (fr. Vgg.): Die Regierung verweist bei un- bequemen Anregungen immer auf das Ausland. Wenn die Stellung des Parlaments bei uns so wäre wie in England, dann würden wir die Konsequenzen ziehen. Da das Parlament diese Stellung aber nicht hat, können wir den , nicht anerkennen. Trotzdem ö wir sehr bescheiden mit unseren Anforderungen. In . at in der Budgetkommission ein Redner die Anregung zur Vermehrung der Flotte gegeben; der Minister hat die Anregung aufgenommen. Als ich mit dem Abg. Miquel in der Budget- kommission saß, zwangen Miquel, Lasker, Wehrenpfennig u. A. den Minister Camphausen, für die Schule mehr zu thun.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Ich glaube, diese Rede war eigentlich nicht nothwendig als Er⸗ widerung auf dasjenige, was ich gesagt habe; denn ich habe ja an⸗ erkannt, daß der Wunsch, des Abg. Bartels in vielen Beziehungen nicht unberechtigt sei, daß wir, wenn die Finanzverhältnisse es ge⸗ statten, in der einen oder andern Weise diesem Wunsche entgegen⸗ kommen würden. Ich habe nur die Gelegenheit benutzen wollen, um darauf aufmerksam machen zu wollen, daß doch der Strom der
Wünsche wieder sehr lebendig zu fließen anfängt und daß wir schließ⸗ lich an der Grenze ankommen, wo man sagen kann: alle diese Wünsche sind überhaupt nicht mit den Finanzmitteln zu befriedigen.
Meine Herren, sehr oft werde ich persönlich dafür verantwortlich gemacht, daß der eine oder andere der aus dem Lande oder in der Presse oder hier geltend gemachten Wünsche nicht erfüllt wird, und ich scheue mich garnicht, diese Verantwortlichkeit zu übernehmen. Wenn ich wünschte, daß man mich vielfach mit freundlicheren Augen ansähe, ohne Rücksicht auf meine Pflichten als Finanz- Minister, so würde ich ja auch solches Gefühl der Verantwortlichkeit weniger haben und ich würde denken: du kannst nachher deinem Nach⸗ folger überlassen, die Fehler, die du etwa gemacht hast, zu korrigieren. Das würde aber sehr pflichtvergessen sein.
Meine Herren, welche Finanzlage fanden wir vor fünf, sechs Jahren vor, und wie wurde dieselbe verschlechtert durch die Ver⸗ schlimmerung der Reichsfinanzen! Wenn wir jetzt in gesichertere Finanzverhältnisse gekommen sind, so war das eben nur dadurch möglich, daß sehr viele Wünsche nicht befriedigt, sondern zurückgestellt wurden mit Rücksicht auf die Gesammtlage unserer Finanzen. Das wird der Abg. Rickert nicht bestreiten. Daß es mir viel angenehmer wäre, alle Wünsche befriedigen zu können, ist ja selbstverständlich. Ich habe häufig mit innerer Trauer eine Reihe von Ansprüchen zurück⸗ weisen müssen, weil sie sich eben mit unserer gesammten finanziellen Lage nicht vertrugen.
Nun ist hier mehrfach ausgesprochen — ich glaube, das wird nicht bestritten werden können und ich kann es ja wiederholen, weil hervor⸗ ragende Abgeordnete selbst dies mehrfach ausgesprochen haben — daß heutzutage viel weniger, wenigstens als früher, die Landtage Garanten guter Finanzen sind, im Gegentheil, daß das fortwährende Drängen auf Steigerung der Ausgaben des Staats ohne die gleiche Geneigt⸗ heit, die erforderlichen Einnahmen zu bewilligen (sehr richtig!), in den letzten Jahren immer größer geworden ist. Da wird die Verant⸗ wortlichkeit des Finanz ⸗Ministers doppelt groß. (Sehr richtig In meiner Jugend, als ich zuerst in die Parla— mente trat, war die Stellung derselben eine ganz andere, so ähnlich — obgleich da auch kein verantwortliches Ministerium war — wie die Stellung, welche das englische Parlament nach der Resolution von 1868 eingenommen bat. Da war die Hauptaufgabe, zu ver⸗ hindern, daß die Ausgaben zu stark wuchsen. Heut ist oft das gerade umgekehrt. Ich hätte nach meiner Gesammtanschauung nichts dagegen; ich bin der Meinung, daß die Aufgabe des Staats eine viel größere ist, als er sie nach den heutigen Mitteln erfüllen kann. Das ist ja eben der kardinale Gegensatz, in dem ich zum Herrn Abg. Richter stehe. Ich sage: ich hätte nichts dagegen, wenn das Land nur bereit wäre, auch die erforderlichen Einnahmen zu bewilligen (Zuruf: Reichstag! — oder das Reich. (Heiterkeit) Ich fasse das zusammen. Wenn nun aber das Reich das nicht thut, wenn wir das nicht erzwingen können, dann müssen wir uns eben hier nach der Decke strecken. (Sehr richtig) Ich bleibe dabei stehen, was ich am Schluß meiner Etats⸗ rede sagte: mehr als je beruht die Kraft des Staats auf gesicherten Finanzen. (Bravo!)
Abg. Friedberg (nl): Der Anregung des Abg. Bartels stehe ich sehr sympathisch gegenüber; aber die Vermehrung der Stellen der Regierungs⸗Räthe, um das Aufsteigen der Assessoren zu beschleunigen, ist doch nicht richtig. Stellen sollen nur geschaffen werden, wo sie nothwendig sind Wir haben schon viel zu viel Bureaukratie. n Widerspruch steht mit der schlechten Lage der Regierungs⸗Assessoren der kolossale Andrang derselben zu einzelnen Regierungen. In der Verordnung über die Vorbildung der Regierungs⸗Assessoren steht die Vorschrift, daß die sich Meldenden nationalwirthschaftliche Vor⸗ lesungen gehört haben sollen. Sie belegen ein Kolleg, ohne es jemals zu besuchen. Diese indirekte Einführung eines Zwangskollegs ist
unberechtigt. Man sollte lieber ein Zwischenexamen einführen. Dann würde der Andrang geringer werden. Die Anregungen des Finanz⸗Ministers möchte ich dahin erweitern, daß Herr Bartels, wenn der Minister seiner Anregung nachkommt, dem Minister nicht seinen Dank ausspricht dafür, daß er etwas auf Kosten der Steuer⸗ zahler gethan hat.
Finanz ⸗Minister Miquel:
Ich würde sehr dankbar sein, wenn bei jeder Mehrbewilligung jeder Abgeordnete das Bewußtsein hätte, daß er das auf Kosten der Steuerzahler thäte. Aber das vermisse ich bisweilen, und das liegt auch einigermaßen in unserer ganzen Finanzkonstruktion. Schließlich denkt wohl Einer: das wird wohl die Eisenbahn noch tragen können; nun kommen aber Andere, die wieder sagen: die Eisenbahnen zahlen dem Staat schon viel zu viel, die Eisenbahnen müssen den Gewerbe⸗ treibenden, müssen Handel und Verkehr zu gute kommen, und so kommen wir von einem ecireculus vitiosus in den andern.
Da ich einmal das Wort habe, so möchte ich noch dem Herrn Vorredner erwidern, daß auch die Staatsregierung sich sehr wohl bewußt ist, daß man aufs neue erwägen muß, ob die Vor⸗
bildung der Verwaltungsbeamten, wie sie sich heute auf Grund des
Gesetzes vollzieht, in allen Punkten richtig ist. Es finden
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