1896 / 28 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 31 Jan 1896 18:00:01 GMT) scan diff

Meine Herren, die Ausgaben für die Volksschulen in Preußen belaufen sich gegenwärtig auf rund 170 Millionen Mark. Das sind 139 060 der gesammten Einkommensteuer und 149 0n0 der Einkommen⸗ steuer der physischen Personen. Diese 170 Millionen Mark aber ver⸗ theilen sich auf Stadt und Land, wie folgt. Es kommen davon 75 Millionen Mark auf die Städte und 95 Millionen auf das platte Land. (Hört! hört! rechts) Also die 170 Millionen Mark Volks— schulkosten beanspruchen in den Städten 89 0 der Einkommensteuer, dagegen auf dem Lande 320 0,09. (Hört! hört! rechts. Meine Herren, ich habe hier noch ein paar besondere Beispiele, die wirklich, wie mir scheint, ganz überzeugend sind. Ich werde sie in der Kommission vollständig mittheilen, wenn es verlangt wird. Ich will nur wenige konkrete Fälle herausnehmen.

In den Städten des Regierungsbezirks Königsberg betragen die gesammten Volksschullasten in den Städten 96 9υG der Einkommen- steuer, in der Stadt Königsberg 46 ½ (hört! hört! rechts), auf dem Lande 561 0/9. (Hört! hört! rechts) Meine Herren, in den Städten des Regierungsbezirks Posen betragen die Schulkosten für die Städte 168 0οC, auf dem Lande 626 der Einkommensteuer. (Hört! hört! rechts.) Im Bezirk Wiesbaden beträgt die gesammte Volksschullast in den Städten 38 060 und auf dem Lande 4770, der gesammten Einkommen steuer.

Ja, meine Herren, das ist doch ein Zeichen, daß die Städte, zum theil wenigstens, nicht das bisher geleistet haben, was sie hätten leisten müssen (sehr richtig!ꝰ rechts), daß sie jedenfalls viel weniger geleistet haben als das Land und daß ihnen große Staatszuschüsse zu theil ge⸗ worden sind, auf die sie, wenn man den Maßstab der Leistungs⸗ unfähigkeit anlegt, den die Verfassung verlangt, keinen Anspruch haben. (Sehr richtig! rechts) Nun, meine Herren, wir wollen ihnen ja das nicht nehmen, wir wollen ihnen ja das lassen; wir wollen ihnen wenigstens etwas davon lassen, aber den ganzen Betrag ihnen belassen, das können wir namentlich auch deshalb nicht, weil zwischen dem Schulentlastungsgesetz, wodurch Sie auf mechanische Weise für jede Lehrerstelle, unerörtert, ob die Gemeinde, die sie zu unter⸗ halten hat, leistungsfähig war oder nicht, einen bestimmten Betrag aus Staatsmitteln bewilligt haben zwischen diesem Gesetz und heute die ganze Steuerreform liegt, und, meine Herren, durch die Steuerreform sind wir genöthigt, wir müssen diesen Gegensatz zwischen dem zu stark belasteten Lande und den bevorzugten Städten aus⸗ gleichen. Es ist bei der Einbringung der Steuerreform ausdrücklich anerkannt, daß die Ueberlassung der Grund⸗ und Gebäudesteuer, sowie der Gewerbe⸗ oder Betriebssteuer an die Gemeinden erfolgen soll behufs Erleichterung und anderweitiger Regelung der öffentlichen Lasten der Gemeinde. Nun, welches sind die öffentlichen Lasten der Ge— meinde? Zu ihnen und das haben wir alle gewußt gehören in erster Linie die Schullasten. Wir haben die Steuerreform nicht damit belasten wollen, woran ich anfangs gedacht hatte, daß wir diese ganze Regelung der Schullasten mit in das Kommunalabgabengesetz hineinbrächten. Wir konnten das auch nicht wohl thun, und es ist mir sehr wohl überzeugend gewesen, was damals der Herr Finanz⸗Minister eingewandt hat, der sagte: Du mußt erst die Grundlage haben, wir müssen erst die Wirkung der Steuerreform vor Augen sehen, dann kann man auf gesunder Grundlage auch diese Dinge regeln. Und freilich wäre das ja eine Art Kompensationsobjekt gewesen, aber auf der anderen Seite wäre es auch eine ungeheure Erschwerung für das ohnehin so schwere Steuerreformwerk zweifellos geworden. Des halb habe ich damals davon Abstand genommen, habe damit aber auch mich selbst moralisch gebunden, die Sache jetzt vorzunehmen.

Nun ist ja durch die Steuerreform die Bedeutung der Ein⸗ kommensteuer noch gewachsen; die Leistungsfähigkeit ist noch viel schärfer nach der Einkommensteuer jetzt zu prüfen, als sie es jemals vorher gewesen ist. Deshalb sind auch alle diese Mißverhältnisse zwischen Stadt und Land durch die Einkommensteuer viel schärfer ins Licht getreten.

Meine Herren, dazu kommt nun noch eins. Sie haben den Gemeinden die Realsteuer überwiesen. Wie wirkt das? Man sagt uns: nun gut, dann laßt auch die Landgemeinden die Realsteuern nehmen und davon die Schullasten bestreiten. Ja, meine Herren, das kann nur ein Städter sagen, der überhaupt nie auf dem Lande ge⸗ wesen ist. (Sehr richtig! rechts) Meine Herren, wir haben in Pommern Landgemeinden, in denen kein Gut ist. Die zahlen, die haben ein jährliches Einkommensteuersoll von 18 ; sie haben eine einklassige Schule wesentlich auf Staatskosten natürlich, wieviel kostet die Schule? Sie kostet einige 10000, der Einkommensteuer. (Sehr richtig! rechts) Was kosten die Schulen in Berlin? Meine Herren, da liegt doch die Sache ganz anders; in Berlin kosten die Schulen hl, S Go davon. Ist es da nicht richtig, ist es nicht die einfache Konsequenz, daß wir diese Dinge ordnen? Kann ich diese armen Landgemeinden, die 80, 50, 100, meinetwegen 200 Einkommensteuersoll haben, auf die Gebäudesteuer verweisen? Sie nehmen ja gar keine Gebäudesteuer ein, sie können sie auch garnicht einnehmen. Hier in Berlin beträgt die Gebäudesteuer, die wir ihr einfach geschenkt haben, neun Millionen jährlich! Ja, meine Herren, darüber kann man nicht hinweg, kann man auch beim besten Willen nicht hinweg! Ich kann bekennen, daß ich vor der gesammten Berliner Verwaltung, auch vor der Schul⸗ verwaltung, großen Respekt habe. Ich muß das anerkennen, daß hier außerordentlich viel geschehen ist. Es muß auch noch manches ge⸗ schehen das will ich nicht in Abrede stellen aber es ist bereits und wird noch in Berlin Ausgezeichnetes geleistet. Aber das kann mich doch nicht abhalten, solche handgreiflichen Ungerechtig⸗ keiten abzustellen, Ihnen wenigstens den Vorschlag zu machen, zu dieser Abstellung die Hand zu bieten.

Wie gesagt, ich will mich auf diese Zahlen beschränken, ich will mir die Sache aufsparen bis auf die Kommissionsberathung. Ich habe die Hoffnung, daß Sie alle es mir angefühlt haben werden, daß ich nicht leichtfertig, sondern mit meinem Herzblute für diese Vorlage eintrete nicht für jede Kleinigkeit, es wird auch da Punkte geben, wo wir unt verständigen können, und wo ich mich verständigen kann, werde ich die Hand dazu bieten, und das um so lieber, als ich den Eindruck habe, daß dies gar keine Parteisache ist, daß hier wirklich mal das ganze Haus in der Anerkennung für die hohe Bedeutung, die das Schulwesen für Preußen immer gehabt hat es ist ja die schönste Perle in der Krone unserer Könige —, daß darin alle Parteien übereinstimmen und alle Parteien in dem guten Willen einig sind, hier zu helfen, den Lehrern zu helfen, soweit es nöthig ist, und der Schule einen eminenten Dienst zu erweisen. Wir werden Ihnen das be— weisen, daß, wenn wir auf diesem Gebiet nichts thun, wenn es mit

dadurch

der Hilfslosigkeit der Gemeinden und mit dem Mangel an Mitteln, die ja auch bei uns trotz der großen Dispositionsfonds nicht ausreichen, wenn es da so weiter gehen soll wie bisher, daß unser ganzes Schul⸗ wesen in die drohende Gefahr kommt, zurückzugehen und das darf es unter keinen Umständen. Wir müssen diese Ehre und diesen Ruhm Preußens, unser Schulwesen auf der Höhe erhalten. Wir haben es noch auf der Höhe und wollen es auch auf der Höhe erhalten, und ich bin ganz davon überzeugt, daß Sie alle mit mir darin übereinstimmen und, soweit Sie können, uns die Hand dazu reichen werden. Und so werden wir gemeinsam in treuer Arbeit hoffentlich ein Werk zu stande bringen, für das uns nicht nur die gesammte Lehrerschaft Preußens, sondern die Schule Preußens, die Gemeinden und das ganze Vaterland danken wird. (Lebhaftes Bravo)

Abg. Dittrich (Zentr.) bedauert, daß die Vorlage nicht allen Wünschen der Lehrer und der Gemeinden entspreche. Anzuerkennen sei der Muth, daß der Minister endlich an die Regelung dieser überaus schwierigen Frage herangetreten sei. Die Lehrer erhalten nunmehr einen festen Boden für ihre Gehaltsverhältnisse statt der bis- herigen Unsicherheit; es fragt sich nur, ob dieser feste Boden sich auch zu einem goldenen für die Lehrer ausgestalten wird. 900 A sind keine erhebliche Summe, aber man muß hoffen, daß es der gemein⸗ samen Fürsorge der Unterrichtsverwaltung und der Gemeinden gelingen werde, die Gehaltsfrage zur Zufriedenheit zu regeln. Bedenklich sei es dabei, daß die Beschlußfassung der Gemeinden erfolgen soll nach dem ,, von 1887, dessen Wirkung die Begründung selbst als eine eher hindernde, denn förderliche bezeichnet habe. Bezüglich der Alterszulagen bestimmt der 5] in sehr dehnbarer Fassung, daß ein rechtlicher Anspruch darauf nicht besteht, die Versagung der Zulage soll jedoch nur bei unbefriedigender Führung zulässig sein. Könne das nicht bezogen werden auf die politische . der Lehrer oder ihre Zugehörigkeit zu gewissen Vereinen? Wenn auch als Kautel ein gefügt sei, daß die n ell. der Zulage nur mit Genehmigung der Bezirksregierung erfolgen solle, so wäre doch vielleicht die Mitwir⸗ kung des Her lssere besser. Bedenklich sei, daß die Auseinandersetzungen zwischen den kirchlichen und den kommunalen Schulleistungen im Verwaltungswege und nicht vor Gericht erfolgen sollen. Bei Be⸗ rechnung des Bien lte soll nur die Dienstzeit an öffentlichen Schulen in Anrechnung kommen. Damit sei die Exlstenz der Pripat⸗ schulen untergraben, denen sich kein Lehrer mehr zuwenden werde, wenn ihm die Dienstzeit nicht angerechnet wird. Was gewinnen denn die Gemeinden von diesem Gesetze? Die Städte mit mehr als 20 000 Einwohnern verlieren mehr als 3 Millionen Mark, die kleineren Städte gewinnen 1 Million, das platte Land dagegen 4 Millionen Mark. Man hat von einem bedenklich agrarischen Charakter des Ge⸗ setzes gesprochen; das ist bei der traurigen Lage der Landwirthschaft mir nicht ganz unsympathisch; aber es ist damit nicht so arg. Die 400 000 ½υ, welche zur Erhöhung des Diensteinkommens auf das Minimum bestimmt sind, vertheilen sich auf 4000 Gemeinden, die allerdings meist im Osten liegen. Wenn auch den großen Gemeinden etwas entzogen wird, so bleiben doch immer noch große Staatsleistungen für sie übrig. Jedenfalls wissen die Gemeinden genauer, was sie zu leisten haben, aber sie erfahren nichts von ihren Rechten bei Berufung und Anstellung der Lehrer. Es bleibt beim Alten, und die Regie⸗ rung wird auch in Zukunft die Rechte der Gemeinden immer mehr einschränken. Wenn sie den Gemeinden aber alle Rechte abnimmt, dann müßte sie auch die Unterhaltungspflicht allein übernehmen. Im vorigen und im Anfang dieses Jahrhunderts betrachtete niemand die Schule als eine Einrichtung des Staates, sie war Sache der Familie bezw. der zur Gemeinde vereinigten Familien. Das Recht der Familie und der Gemeinde muß gewahrt werden, namentlich bei Berufung der Lehrer. Bezüglich der Vertheilung der Schul⸗ lasten wird ebenfalls alles beim Alten bleiben. Nach der Verfassung soll ein Schulgesetz, das Alles umfaßt, erlassen werden; bis dahin bleibt es bei den bestehenden Bestimmungen. Trotzdem sieht die Regierung in der Verfassung kein Hinderniß, eine Einzelheit gesetzlich zu regeln. Die Ansichten sind darüber sehr verschieden. Aber die Garantie muß bestehen, daß zwischen den Einzelregulierungen ein emeinsamer Gedanke, eine gleiche Grundrichtung vorhanden ist. a ist die Frage, ob die Vorlage mit Artikel 25 der Ver⸗ fassung übereinstimmt, wonach die Schullast eine Gemeindelast ist, bei der der Staat nur bei nachgewiesener Leistungsunfähigkeit helfen kann. Bedauerlich sei es, daß der Minister sich außer stande fühlt, ein umfassendes Schulgesetz vorzulegen. Die Konservativen haben es erklärt und wir erklären dasselbe: wir sind auch heute noch bereit, einem auf christlicher Grundlage beruhenden Schulgesetze zuzustimmen. Hoffentlich gelingt es in der Kommission, eine Grundlage zu schaffen für die Schule auch in ihrer Eigenschaft als Erziehungsanstalt.

Abg. Seyffardt⸗ Magdeburg (ul.) hält es für zweckmäßig, die Erörterung der Einzelheiten der Kommission zu überlassen. Mit dem Unterrichts. Minister bin ich sonst einverstanden, aber dies mal weichen wir von einander ab. Die früheren Gesetze haben den Lehrern nichts gebracht, sie haben nur den Trägern der Schullasten Nutzen gebracht. Nur die Alterszulagen und die Reliktengehälter sind den Lehrern und ihren Hinterbliebenen direkt zu gute gekommen; im übrigen besteht eine große Verschiedenheit in den Gehältern der Lehrer. Die Klagen der Lehrer hätten es nicht zu diesem Gesetze gebracht, wenn nicht ein Bedürfniß für die Verwaltung vorhanden wäre, weil manche Stellen garnicht besetzt werden können. Dieses Bedürfniß hat zum Erlaß eines Spezialgesetzes geiwungen. Die Art, wie die Kosten getragen werden sollen, wird manchem bedenklich er⸗ scheinen. Der Minister wird sich vergeblich bemühen, diese Art als berechtigt darzustellen, indem er die bisher gewährten Zuschüsse an nicht bedürftige Gemeinden als unberechtigt bezeichnete. Dann wären die damalgen Gesetze ein Verfassungsbruch gewesen! Aber man betrachtete die Staatsleistungen nicht als Bedürfnißzuschuß, sondern als die Abfindung des Staates für seine verfassungsmäßige Gewährleistung auskömmlicher Gehälter für die Lehrer und für die Nichterhebung des Schulgeldes. Sind denn alle Landgemeinden leistungsunfähig, daß man ihnen unbedingt Zuwendungen macht, während man den Städten nimmt, wie der heilige Christophorus aus dem Leder der Reichen den Armen Schuhe machte? (Heiterkeit; Rufe: Crispinus) Nun, dann war es der heilige Criepinus! In dieser Form können wir das Gesetz nicht annehmen, aber ich persön⸗ lich hoffe, daß wir eine Verständigung erzielen werden; dazu mitzu—⸗ wirken, wird Sache aller Freunde der Schule sein. Die Land— gemeinden und Gutsbezirke der vier nordöstlichen Provinzen sind durch die Gesetzgebung entlastet worden von 3919 909 M auf 752 000 S, Die gesammten Landgemeinden sind um 19 Millionen entlastet worden, während die Städte seitdem 14 Millionen Mark mehr bezahlen trotz der erhöhten Zuschüsse. Ich will nicht das Land schlechter stellen als früher, aber auch die Städte nicht ver⸗ kürzen lassen in ihren Bezügen.

Abg. Schröder (Pole): Früher hieß es immer, die Besoldungs⸗ frage könne nur innerhalb eines umfassenden Schulgesetzes geregelt werden, oder man müsse wenigstens in Verbindung damit eine Reihe bon Gruntsätzen für die Organisation festlegen. Die Kom⸗ mission wird die Aufgabe haben, in dieser Beziehung nachzuholen, was die Vorlage versäumt hat. Redner bestreitet, daß die Land⸗ gemeinden übermäßig bevorzugt seien; sie seien leistungsunfähig wegen der landwirthschaftlichen Nothlage; die Schullasten betragen in manchen Gemeinden 500 und mehr Prozent der Einkommensteuer. Redner macht Bedenken gegen 5 7 geltend und verlangt einen recht lichen Anspruch der Lehrer auf die Alterszulagen, ferner die Wahrung der Rechte der Familie und Gemeinde bei der Berufung der Lehrer. Nach dieser Richtung hin würden die Polen in der Kommission wirken.

Abg. von . und der Lasg (kons): Es scheint sehr zweifelhaft, ob es möglich sein wird, die Vorlage bei Wahrung unseres prinzipiellen Standpunktes zu stande zu bringen. Bisher nahm man allgemein an, daß die Besoldungsfrage nur geregelt werden könne innerhalb der Regelung der gesammten Schuluniter⸗ haltung. Jetzt sagt der Minister, daß er eine solche Gesammtvorlage

nicht machen könne. Ich hoffe, daß er nach eingehender Prüfun zu einer solchen Vorlage kommen wird, die eine Schule auf 3 licher, konfessioneller Grundlage schafft, und wenn es nicht dieser Minister ist, dann wird ein anderer dazu bereit sein. Wir halten nach wie vor an dem christlichen Charakter der Volksschule fest. ir können uns auf den Boden der Vorlage stellen, weil dieseg rinzip nicht verletzt wird und weil der Zusammenhang, der zwischen der Besoldungsfrage und der Schulunterhaltungspflicht besteht, sorg⸗ fältig vermieden ist. Wir haben ja auch schon andere Einzelfragen, die Pensionierung der Lehrer und ihrer Hinterbliebenen Ac., ge— regelt und müssen anerkennen, daß hier ein dringliches Bedürfniß erfüllt wird, und daß mit Glück eine anderweitige Regelung der Staatz— zuschüsse versucht wird. Wir betrachten es als richtig, daß das Schwer—⸗ n. nicht auf die Erhöhung des Grundgehaltes, sondern auf die lterszulagen gelegt ist. Die Lehrer treten in verhältnißmäßig jungen Jahren in ihr Amt, wo ihre Bedürfnisse noch nicht so erheblich sind. Auch die Grundsätze für die Dienstaltersberechnung ze. scheinen uns die richtigen zu sein. Es ist erfreulich, daß endlich die 10 000 Lehrer, welche noch nicht 9090 „.' Mindestgebalt hatten, dieses Minimum erhalten sollen. Auch die anderen Vorschläge stellen eine immerhin nicht unerhebliche Verbesserung der Lehrerbesoldungen dar. Aber das darf nicht erreicht werden auf Kosten der Mehrbelastung der Minder⸗Leistungsfähigen. Nach dieser Richtung hin werden die vor⸗ handenen Bedenken beseitigt werden müssen. Die Vertheilung der gu schis nach der Stellenzahl birgt die Gefahr in sich, daß die eistungsfähigen übermäßig begünstigt werden; die Begrenzung der Alterszulagen auf Orte unter 19000 Einwohner war auch eine unzweckmäßige Ordnung. Bedenklich war auch die Grundsatz⸗ losigkeit bei der Vertheilung der Bedürfnißzuschüsse; es müßte bei der Prüfung der Prästationsfähigkeit der Gemeinden der Selbstverwaltung eine Mitwirkung eingeräumt werden, weil sonst zu leicht nach der Schablone verfahren wird. Wenn die Schullasten verglichen werden mit der Summe der veranlagten Steuern, so ist das falsch; denn auch bei einem hohen Betrag an Grund⸗ und Gebäude⸗ steuer kann bei starker Verschuldung eine Leistungsunfähigkeit vorhanden sein. Daß die Städte nur für 20 Stellen Zuschüsse erhalten sollen, ist auch eine zu schematische Regelung. Die Prästationsfähigkeit der Gemeinden über 25 000 Einwohner wird man im allgemeinen als vorhanden annehmen; diesen Städten, die der Sitz der Behörden 2c. sind, werden dadurch aus Staatsmitteln ohnehin schon erhebliche Zu⸗ wendungen gemacht. Was den Städten entzogen wird, das kommt nicht den Landgemeinden, sondern den Lehrern selbst zu gute, die da— durch veranlaßt werden können, auf dem Lande zu bleiben, sodaß nicht so häufig ein Wechsel entsteht, wenn die Lehrer an die besser dotierten Stadtschulen gehen. Aus diesem Grunde hoffe ich, daß eine friedliche Vereinbarung stattfinden wird, daß es später gelingen wird, zu einem Schulgesetz auf christlicher Grundlag' zu gelangen.

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Ich glaube, der Herr Kultus-Minister, der ja prinzipaliter hier betheiligt ist, aber auch ich und die ganze Staatsregierung dürfen unsere besondere Befriedigung über die Aufnahme, die der Gesetzentwurf bisher in der Generaldiskussion dieses hohen Hauses erfahren hat, aussprechen. Bisher haben sich sämmtliche Redner mit der Tendenz und auch im wesentlichen mit den eigentlichen Grundlagen dieses Gesetzentwurfs vollständig einverstanden erklärt, haben das dringende Bedürfniß des Erlasses eines solchen Gesetzes anerkannt und sich auch klargemacht, daß dieses Gesetz weiteren Reformen im Schulwesen selbst keinerlei Hinderniß für die Zukunft entgegenstellt. Die Hoffnung, daß wir dieses Gesetz im Einvernehmen mit den beiden Häusern des Landtags zu einem gedeihlichen Abschluß bringen werden, ist durch die bisherige Diskussion nicht wenig gewachsen.

Es ist nicht meine Absicht, in diesem Augenblick auf alle von Ihnen angeregten Fragen einzugehen. Ich beabsichtige nur, die Stellung der Finanzverwaltung und die Gesichtspunkte, die dieselbe vorzugsweise interessieren, hier in aller Kürze dem hohen Hause noch⸗ mals vorzuführen. Ich leugne garnicht, daß die Finanzverwaltung mit erheblichen Bedenken an diese ganze Gesetzgebung heran⸗ getreten ist. Denn einestheils bei unserer gesammten Finanzlage war es nicht leicht, zu dem Entschluß zu kommen, 3 Millionen dauernde Ausgaben für das Schulwesen wieder auf die Staatskasse zu übernehmen, und zwar zu einer Zeit, wo so viel dringende andere Ausgaben und Aufgaben an den Staat herantreten, die zu lösen unsere Mittel noch nicht gestatten. Ich brauche nur mal an die dringende Aufgabe der Aufbesserung einer großen Anzahl von unseren Beamten zu erinnern. Man könnte sich leicht dem Vorwurf aussetzen, daß man hier zu Lasten dieser anderen Bedürfnisse das Interesse der Lehrer und der Schule voransetze. Dann aber auch möchte ich weiter sagen, daß ein wesentliches Bedenken für die Finanzverwaltung darin liegt, daß wir dies Gesetz vorlegen müssen, ohne eine bessere Ordnung der Schulpflicht und eine richtigere Konstruktion der Schulbezirk vor uns zu haben. Hätte man sie, so würde es viel leichter sein, ein solches Gesetz zum Abschluß zu bringen, wie dies unter den gegen wärtigen Verhältnissen möglich ist.

Schließlich, meine Herren, leugne ich garnicht, daß eine Schwierig⸗ keit dieses Gesetzes liegt in dem Umstand, daß wir genöthigt sind, um zu einer gerechten Vertheilung der Verwendungen des Staats für die Schule zu gelangen, in bestehende, vor noch nicht langer Zeit er—⸗ lassene Gesetze einzugreifen und großen städtischen Korporationen Be⸗ züge in Zukunft zu entziehen, die sie bisher gehabt haben. Natürlich glaube ich, daß selbst ein großer Theil der Herren, die an diesem Punkt einen so entscheidenden Anstoß nehmen, mir Recht geben werden, wenn ich sage, daß sie heute zu der Frage einer Rücknahme dieser Verwendungen ganz anders stehen als zu der Frage, ob die Verwendungen ursprünglich mit Recht und guter Vernunft gemacht sind. Viele von den Herren werden mir zugeben, jetzt selbst auf dem Standpunkt stehen, nach den ge⸗ machten Erfahrungen, daß damals nach dieser Richtung ein schwerer Fehler gemacht ist. Sie meinen nur, nachdem der Fehler gemacht ist, müsse man den Fehler aufrechterhalten.

Wenn wir trotz dieser Bedenken von seiten der Finanz⸗ verwaltung uns entschlossen haben, in Gemeinschaft und voller Ueber— einstimmung mit dem Herrn KultusMinister für diesen Gesetzentwurf einzutreten und auch ferner für das Zustandekommen desselben ein zutreten gedenken, so sind es die Gründe, welche der Herr Kultus⸗ Minister in so beredter Weise bereits dargelegt hat. Wir haben die Verkehrtheit darf ich wohl sagen der bisherigen Verwendung von Staatsmitteln für Schulzwecke in einer so eklatanten Weise vor Augen gehabt, daß wir uns sagen mußten: bei einer weiteren Entwickelung ist das unhaltbar, und die bestebhende Regelung wird sogar im Laufe der Zeit immer ungerechter. Sodann aber, und vor allem haben wir die Dringlichkeit einer endlichen Durchführung der Verfassung auf diesem Gebiet und die Dringlichkeit der Abhilfe wahrer Nothstände in Bezug auf die Ordnung des Lehrergehaltwesens so unbedingt anerkennen müssen, daß wir über alle jene Bedenken

hinwegzugehen gezwungen waren. (Schluß in der Zweiten Beilage.)

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Köni

AM 28.

(Schluß aus der Ersten Beilage)

Nun ist offenbar, wie ich das vorausgesehen habe, die Ver⸗ änderung in den Zuwendungen an die großen Städte, wie sie der Entwurf vorschlägt, das Hauptbedenken und Haupthinderniß. Ich bin überzeugt: wenn ich in der Lage wäre und es verantworten könnte, nach den Wünschen des Abg. Seyffardt diese 3 Millionen, die die Städte verlieren sollen, einfach auf die Staatskasse zu übernehmen, so wären alle anderen Anstände sofort beseitigt. (Sehr richtig! bei den Nationalliberalen Man hätte dann in der gewöhnlichen Weise den großen Beutel in Angriff genommen, ohne sich weiter darum zu bekümmern, wer wieder in diesen großen Beutel Geld hineinthut. Das ist allerdings die leichteste und einfachste Manier, über solche Schwierigkeiten hinwegzukommen. Ich bin aber der Ueberzeugung sonst würde ich dem Entwurf nicht zugestimmt haben daß wir den großen Städten keinerlei Unrecht zufügen, daß ihnen dadurch kein wesentlicher Bedruck zufällt und daß eine neue gerechte Vertheilung der Staatszuwendungen dieses Verfahren gegen die großen Städte geradezu erheischt. Es ist so oft gesagt und man liest es in der Presse, namentlich der leider nicht anwesende Abg. Richter führt ja immer diese Beweisführungen: ja die großen Städte empfangen zwar viel, aber sie leisten auch viel. Wer bringt die Einkommensteuer zum größten Theil auf? (Sehr richtig! links) Darauf erwidere ich diesen Städten dasselbe, was ich jedem Privatmann sage, wenn er sich bei unsern Verhältnissen über hohe Steuern beklagt: sei glücklich, daß du sie leisten kannst (große Heiterkeit, sehr richtig! rechts), und daß dein Vermögen so groß ist. Wenn sich das Kapital, die Industrie, Handel und Wandel in so erheblichem Maß in den großen Städten konzentriert, daß sie infolgedessen leistungsfähiger sind, auf den Kopf höhere Prozentsätze der Einkommensteuer bringen wie arme Landgemeinden, so ist es Recht und Gerechtigkeit, daß sie dementsprechend auch zu den Staatsleistungen herangezogen werden. (Sehr richtig! rechts) Diesen Grundsatz haben wir soweit wie möglich bei der Steuerreform mit Zustimmung dieses ganzen hohen Hauses durchgeführt.

Auch das neueste Gesetz, das Ergänzungssteuergesetz, bringt natürlich in den großen Städen mehr auf, wie auf dem Lande, aber nicht nach Maßgabe der Leistungsfähigkeit, im Gegentheil, da könnte man vielleicht sagen, daß der Grund und Boden, der vor Augen liegt, richtiger eingeschätzt werden konnte, als das nicht sichtbare ge⸗ werbliche Anlage⸗ und Betriebskapital und selbst das Rentenkapital. Nach Maßgabe der Leistungsfähigkeit leistet das Land mindestens ebensoviel wie die Städte. Aber wenn wir auf die Frage, wie die Finanzstellung geworden ist, verändert worden ist in Bezug auf die Städte und das Land durch die Steuerreform, kommen, so wird gar nicht bestritten werden können, daß durch die staatliche Steuerreform nicht minder als durch das Kommunalabgabengesetz die Städte, namentlich die großen Städte, mindestens nicht schlechter weggekommen sind als die Landbevölkerung. Ich habe hier früher bereits aus⸗ geführt und ich bin bereit, der Kommission die Zahlen noch näher darzulegen daß in den Städten und auf dem Lande gerechnet, die Grund und Gebäudesteuer auf den Kopf der städtischen Bevölkerung gerechnet mehr austrägt wie auf dem Lande. Die ganze Gewerbesteuer wird wesentlich in den Städten erhoben, während auf dem Lande das Aufkommen der Gewerbe⸗ steuer sehr gering ist, meistens, abgesehen von den großen Industriebezirken, und jetzt erst recht gering ist, weil bekanntlich da jetzt 50 0/0 aller Handwerksbetriebe von der Gewerbesteuer freigekommen sind, also von der Gewerbesteuer überhaupt nicht getroffen werden. Erwägen Sie ferner, daß die indirekte Besteuerung für die Land⸗ gemeinde so gut wie eine todte ist, daß sie mit Erfolg und Erheblich⸗ keit nur in den großen Städten fließt; erwägen Sie ferner, daß die Prinzipien des Kommunalabgabengesetzes in Bezug auf die Gebühren und Beiträge für die kleinen Landgemeinden auch fast ohne Bedeutung, für die Städte, und zwar nach ihrer Größe, sehr werthyyll und sehr bedeutsam sind: so werden Sie mir zugeben, daß zwar ein Un⸗ wissender einem anderen Unwissenden erzählen kann (Heiterkeit), daß diese Steuerreform einen agrarischen Charakter habe (Heiterkeit), daß man aber vielleicht mit größerem Recht das Gegentheil behaupten kann. (Sehr richtig! rechts.)

Meine Herren, so ergiebt sich denn aber auch nun weiter, daß fast degressiv die Belastung mit Kommunalabgaben aller Art, von unten herauf bis nach oben hin abnimmt. Vergleichen Sie die Drucksache 13 des Hauses der Abgeordneten von 1892/93. Damals schon war die gesammte direkte Gemeindebesteuerung in Prozenten der staatlichen Einkommensteuer, also der Leistungsfähigkeit, die sich darin ausdrückt, in den Städten über 10 000 Einwohner 1665, in den kleinen Städten 203, auf dem Lande 239. Also auch hier ergiebt sich das Ver⸗ hältniß, daß eine geringere Belastung der Einwohner der großen Städte in der gesammten Kommunalbevölkerung damals vorhanden war. Heute wird sich, glaube ich, das Verhältniß noch viel günstiger für die großen Städte gestalten.

Nun erkenne ich aber diesen ganzen Gegensatz gar nicht an. Gewiß, ein Vertreter einer großen Stadt oder ein Vertreter einer Landgemeinde hält sich naturgemäß, da wenn ich den prosaischen Ausdruck gebrauchen darf das Hemd ihm näher sitzt als der Rock, daran, die Dinge anzusehen von dem Standpunkt des ihm nächst liegenden Interesses. Für den Staat aber ist die ganze Unterscheidung absolut gleichgültig, ob der Steuerpflichtige in der Stadt wohnt oder auf dem Lande. Für den Staat kann nur in Betracht kommen die größere oder geringere Leistungsfähigkeit (sehr richtig), das ist für

den Staat allein entscheidend. Dieser ganze Gegensatz zwischen Stadt

und Land wird überhaupt viel zu sehr aufgebauscht, wie nach meiner Meinung heute auch viel zu sehr aufgebauscht wird der Gegensatz zwischen Landwirthschaft und Industrie. (Sehr richtig! links.) Gewiß sind in manchen Fällen einzelne Gegensätze und Interessen. verschiedenheiten vorhanden, im großen Ganzen laufen die Interessen aber gemeinsam; wenn es der Landwirthschaft sehr gut geht, wird es

auch der Industrie gut gehen l(sehr wahr) und umgekehrt, wenn es

Zweite Beilage glich Preußischen Staats⸗Anzeig

Berlin, Freitag, den 31. Januar

der Industrie gut geht, werden auch die Landwirthe besser stehen. (Rufe: Nein) Meine Herren, es ist keineswegs so, wie Sie meinen; für die schlesischen Landwirthe z. B. ist es sehr wichtig, ob es der Industrie gut geht oder nicht. Die Summe des zum Konfum ge⸗ langenden Fleisches, der Kornfrüchte, der Eier, der Butter, der Milch, selbst des Holzes für die Bergwerke wird erheblich wachsen und dadurch auch die Lage der Landwirthschaft sich bessern.

Ich wollte das nur einschalten, weil ich der Meinung bin, man solle diese Gegensätze nicht auf die Spitze treiben. Wenn Sie sie aber auf die Spitze treiben wollen, dann ist hier ein ganz anderer Gegensatz angebracht, nämlich der Gegensatz der kleineren und mittleren Städte gegen die großen; der könnte hier sehr wohl in Frage kommen. Denn die Städte von 10 000 bis 25 000 Ein—⸗ wohnern gewinnen sehr erheblich durch dieses Gesetz, und nur die ganz großen Städte können dabei zu kurj kommen. Also ich möchte bitten, im weiteren Verlauf der Sache diese Gegensätze möglichst in den Hinterhalt treten zu lassen, sondern sich einfach zu fragen, wo ist die größere Finanzkraft und die größere Leistungsfähigkeit, und fich daran zu erinnern, daß wir grundsätzlich hier im preußischen Staat jetzt die Staats und Kommunallasten nach der Leistungs⸗ fähigkeit vertheilen. Dann werden Sie sich überzeugen, daß der Standpunkt der Staatsregierung ein durchaus berechtigter ist.

Es ist doch auch zu untersuchen, ob das, was wir hier thun, wenn es an sich der Gerechtigkeit entspricht, nicht doch für die großen Städte einen zu schweren Druck herbeiführt. Man darf ja sehr viele Dinge, die durch die ausgleichende Gerechtigkeit an sich geboten sind, dennoch nicht thun, wenn plötzliche Eingriffe und Veränderungen doch zu schwere Uebelstände für die Betroffenen herbeiführen. Wir werden Ihnen in der Kommission nachweisen, daß diese Behauptungen doch nicht gerechtfertigt sind. Ich glaube, die Stadt Berlin und die größten Städte verlieren natürlich am meisten durch die Beschränkung auf die 25 Stellen wird doch nicht nöthig haben, mehr als 5 oso zur Einkommensteuer zuzuschlagen. Nun erlebten wir Steuerpflich⸗ tigen der Stadt Berlin in letzter Zeit, daß, ohne daß die Bevölkerung wußte, zu welchem Zweck, vor kurzem die Zuschläge zur Einkommen⸗ steuer in Berlin um 5 oso erhöht wurden. Das wird nicht sehr an= genehm empfunden, aber ein wesentlicher Druck für die Bevölkerung

von Berlin ist dadurch auch nicht herbeigeführt. Wer weiß wie!

ich das aus der Erfahrung kenne wie sehr die Zuschläge zur Ein⸗ kommensteuer in den Kommunen schwanken, auch wie leicht es ist, einige Prozent Zuschlag zu erheben, ohne daß davon viel die Rede ist (Heiterkeit und Widerspruch), ohne daß davon viel die Rede ist, meine Herren der kann unmöglich glauben, daß die großen Städte so schwer geschädigt würden, daß das nicht zu verantworten sein könnte. Nun sagen Sie: ja, der Staat kann das doch übernehmen. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit darauf lenken, was denn das eigent⸗ lich heißt. Das heißt, den leistungsfähigsten Körperschaften im Staate Vortheile zuzuwenden oder sie diese Vortheile weiter genießen zu lassen, zu wessen Lasten? zu Lasten des Gesammtstaates; denn eine andere Kasse ist doch nicht da als die Kasse der preußischen Steuerpflichtigen. Ent weder müssen Sie die Steuern erhöhen, oder müssen andere dringende Ausgaben, die ebenso gerecht vielleicht viel dringender sind, noch zurückstellen; ein Drittes giebt es nicht.

Nun hat sich und das ist bei der Abrechnung, der ver⸗ gleichenden Gegenüberstellung der Leistungen des Landes und der Bevölkerung auch von größerer Bedeutung die Aus gabe des Staats für das Schulwesen bereits so weit gesteigert und so rapide erhöht, daß wir jetzt die gesammten Schullasten aller Gemeinden zu einem Drittel bis zur Hälfte zahlen. Zu diesen Ausgaben des Staats leistet die Landbevölkerung nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit auch, und schon daran scheitern alle diese Gegenüberstellungen.

Meine Herren, es ist von dem Herrn Abg. Seyffardt mit Recht die Frage erwogen, ob das Gesetz, welches wir hier reformieren wollen, der Verfassung eigentlich entspreche oder nicht. Man hat damals gesagt: durch die Verfassung sei es nicht verboten, Zu— wendungen zu machen an dritte Personen, folglich auch nicht an Schulgemeinden. Man hat sich so damit juristisch geholfen, das gebe ich zu; aber soviel ist doch unzweifelhaft, daß wir durch solche kolossale Leistungen des Staats aus dem System unserer Verfassung dem Geiste und dem eigentlichen Grundgedanken nach herausgekommen sind (sehr richtig); denn die Verfassung konstituiert diese Last als eine Gemeindelast, und ich trete mit vollerpersönlicher Ueber⸗ zeugung nicht bloß meinem Herrn Kollegen, sondern auch den Herren Rednern aus dem Hause bei, daß dies eine wahre Wohlthat ist. Ich würde es für ein Unglück halten, wenn die ganze Schullast und folgeweise die gesammte Schulverwaltung ausschließlich in die Hände des Staats gelegt wäre. (Sehr richtig! rechts Je stärker wir aber die Aus⸗ gaben des Gesammtstaats für die Schulen steigern, je näher kommen wir diesem Ziel, und schließlich wird es heißen: jetzt hat der Staat schon so überwiegende Leistungen für das Schulwesen übernommen, daß er nun auch berechtigt ist, allein das Schulwesen zu dirigieren.

Meine Herren, ist dies nun richtig, so muß man doch doppelt bedenklich sein, die direkten Ausgaben des Staats für das Schulwesen ohne die dringendste Noth noch weiter zu erhöhen. Man muß wenigstens doch Vorsorge dagegen treffen, daß das permanente, kraft Gesetzes eintretende Steigen dieser Ausgaben des Staats in ungemessener Weise fortdauert. Hat man denn damals daran gedacht ich habe die Verhandlungen durchgelesen, ich habe nichts davon gefunden —, daß naturgemäß das Steigen der Bevölkerung vor allem in den großen Städten stattfindet? Sehen Sie sich doch die Statistik an, sehen Sie sich ferner an, wie die Schulklassen und die Lehrerzahl in den großen Städten sich permanent erhöht und vermehrt haben, und sagen Sie sich auf der anderen Seite, daß die Bevölkerung auf dem Lande kaum steigt, leider sogar in manchen Provinzen zurückgeht.

Es ist ja klar: wenn wir hier nicht irgend einen Wandel schaffen, so wird in steigender Weise der Staat für die großen, am meisten leistungsfähigen Städte eintreten. (Sehr richtig) Ein solcher Zustand kann nicht aufrechterhalten werden. Ehe das Gesetz erlassen wurde

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, 1896.

war in Privatkreisen, selbst in der Budgetkommission von diesen Dingen auch die Rede, und da war man eigentlich allseitig einverstanden, daß es durchaus berechtigt sei, hier durch eine Aenderung des Gesetzes Wandel zu schaffen. Jetzt, wo die Sache nun Wirklichkeit wird, wird man, wie das so häuflg geht, bedenklich, und es tritt die Gefahr, das Näherliegende der Interessen naturgemäß bei dem einzelnen Abgeordneten am stärksten in den Vordergrund. Aber ich hoffe, daß bei der Berathung in der Kommission, der wir hierüber noch mehr Material liefern werden, die ja doch durchaus objektiv und billig denkenden Herren aus den großen Städten selbft sich überzeugen werden, daß ihnen der Staat hier kein Unrecht zufügt, sondern gewissermassen nur eine bisher genossene, nicht begründete Bevorzugung von ihnen zurücknimmt, und daß das nicht geschieht aus irgend einem Gegensatz gegen die großen Städte, wo wir ja namentlich in vollem und hohem Maße an⸗ erkennen, daß gerade die großen Städte sich um das Schulwesen hohe Verdienste erworben haben, sondern nur der ausgleichenden Gerechtig⸗ keit wegen. Wir wollen das Land keineswegs bevorzugen, ebensowenig wie wir die Städte benachtheiligen wollen. Das ist gar nicht die Ab⸗ sicht der Vorlage, sondern ihre Absicht ist nur, zu einem dauernden, für die Schule und die Lehrer gerechten und für die Bevölkerung nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit eingerichteten Schulwesen zu gelangen. (Bravo h

Abg. Glattfelter (Zentr.): Erfreulich ist, daß von allen Seiten das Wohlwollen für den Lehrerstand betont . Daß ein Minimalgehalt festgestellt wird, ist erheblich, aber man müßte nun auch Grundsätze finden, damit je nach den lokalen Verschiedenhetten die Gemeinden gezwungen werden können, über das Minimum hinaug⸗ zugehen; denn die Verfassung garantiert den Lehrern ein auskömm⸗ liches Gehalt. Daß die Lehrer kein Recht auf die Alterszulagen haben sollen, hat in Lehrerkreisen unangenehm berührt. n , Lehrer kann die Verwaltung strafen; es ist nicht nöthig, die Gewährung der Alterszulagen in die diskretionäre Gewalt der Behörden zu legen, was den Mißbrauch zu . Zwecken fördern könnte. Redner begrüßt die Alterszulagenklassen, die den Gemeinden und der Schul- verwaltung eine freiere Auswahl unter den Lehrern gestatten, daß nicht mehr die jüngeren Lehrer betzorzugt werden. Die . des Vingnz⸗Ministers, mit welcher derselbe es rechtfertigt, daß den graf, Städten die Zuschüsse entzogen werden, bezeichnet Redner als nicht zutreffend; man werde diese Frage in der Kommisston prüfen müssen.

Abg. von Tzschoppe (fr, kons): Die Verfassung stellt nur eine Reihe von allgemeinen Grundsätzen für die Schule auf; es wird auf den Erlaß eines Schulgesetzes verwiesen, bis dahin sollen die be—⸗ stehenden Bestimmungen gelten. Ob die gesetzliche Regelung eine allgemeine oder eine spezielle sein soll, ist offen gelassen. Das Haus hat mehrfach 2 zugestimmt; deshalb ist auch das vor⸗ liegende r r, n. Uebereinstimmung mit der Verfassung. Vom Standpunkt der Lehrerschaft ist die Vorlage mit Freuden zu b grüßen, denn sie enthält die Erfüllung vieler Wünsche. as Minimalgehalt wird festgestellt, im übrigen aber die Gehaltsregelung den Beschlüssen der Gemeinden und der he n. überlassen; die Berüchfichtigung der örtsichen Verhältntsfe benicht fich nicht Ftoß auf die Theuerungsverhältnisse, sondern auch auf die Leistungsfähig⸗ leit der Gemeinden, die an letzter Stelle den Ausschlag giebt. Wir hoffen, daß die Kreis- und Bezirksausschüsse die Interesfen der Lehrer wahren werden. Die , . stammen in ihren Anfängen aus den siebziger Jahren; mit zwei Zulagen fing man an, seitdem ist das System ie et worden und wird et hervollstandigt in sofern, als auch hierfür nur ein Minimum festgestellt wird, während den lokalen Verhältnissen entsprechend darüber hinausgegangen werden kann. Ob die Alterszulagenklassen so nothwendig sind, wie die Ruhegehaltsklassen, ist zweifelhaft. Erfreulich ist es, daß die außerpreußische Dienstzeit den Lehrern angerechnet werden soll. Daß die Lehrer keinen Ansprüch guf die Alterszulagen haben, hat unan-= genehm berührt; aber diese Vorschrift besteht für alle Beamten mit Ausnahme der Richter. Ich bin der Meinung, daß in der Zustim⸗ mung der Bezirksregierung eine Garantie liegt; sch zweifele auch nicht, daß nur in den seltensten ng von der Verweigerung der Zulage Gebrauch gemacht worden ist. Die Neigung, sich mit Land— wirthschaft zu befassen, geht in den Lehrerkreisen zurück; es fehlt ihnen an den Kenntnissen und auch an der Zeit. Man verpachtet das Dienstland, um sich nicht vor den Bauern ju blamieren. Die übrigen Bestimmungen sind vom Standpunkt der Lehrerschaft zum großen Theil zu bewilligen. In diesem Urtheil werden wir uns nicht beirren lassen durch die . einzelner jugendlicher Heiß porne, die noch leine Kenntniß der Verbältnisse haben. Vom Standpunkte der Schulunterhaltungspflichtigen ist die Vorlage nicht so erfreulich. Die Kosten der Erhöhung des Gehalts auf das Minimum wisft ja der Staat tragen; aber es liegt die ä m t mn vor, daß darüber ö 4 die Behörden zu Hunsten der Lehrer welter gehen, als nöthig ist; es wäre zu wünschen, . Minister den G del strenge An⸗ n. giebt, über das Minimalgehalt und über das Minimum der Alterszulagen nicht ohne Noth hinguszugehen, auch bei den Schulbaulasten nicht übermäßige Ansprüche zu machen. Die Be—⸗ schränkung der Zuschüsse bedeutet für die größeren Stäbte einen erheblichen Verlust, sodaß einzelne meiner Freunde der Vorlage mit Besorgniß gegenüberstehen, wenn sie auch die Gründe der Regierung vollständig würdigen. Der Zuzug zu den Städten ist noch immer im Wachsen, wenn auch bei Berlin ein gewisser Stillstand eingetreten ist; der . hat sich dort mehr nach den Vororten gerichtet. Der

uzug besteht meist aus jugendlichen Personen; diefe verlassen, w sie die Schule verlassen haben, das Land; ee, mu 9 die Ernährung und Schulbildung der Jugend sorgen. Barauf muß Rück t genommen werden. Die 3 richt nur von Bedürfnißzuschüfsen, aber der Staat ist darüber inausgegangen; wenn er sich jetzt auf den alten Standpunkt zurückzteht, fo 9 rin

manche Härte für die Städte. Man könnte diese Härten

indem man vielleicht statt für 25 für 30 . Zu g . oder für 25 Erste Lehrer. Darüber könnte man sich ß wohl in der Kommission verständigen. Deß ein umfassendes Schulgesetz etzt erlassen werden müsse, halten wir nicht für nothwendig. 5 Zeitpunkt ist dafür ein ungünstiger. Die Zerklüftung des Folkes in wirthschaftlicher, politischer und nn. Beziehung ö so groß, . man sie nicht erweitern darf. Der Kampf unter den en nne tenden Parteien könnte nur zu einem Pyrrhussiege führen der ei . . 5 3. ö 36 sein, die durch ihre

urfsarbeit am letzten Ende abzielt auf ein Umsturz der Staats. und Ge sel h ste rr ng ; .

Um 4 Uhr wird die weitere Debatte bi i ö h atte bis Freitag 11 Uhr