when ber ellen hektek ber Kanten denn
Dame, wird. Jedermann weiß doch, daß die an gen, in der nächsten Zeit Eventualitãten entgegengeht, die sie für Monate ihrer Thätigkeit
an der Bühne entziehen. Das Kontraktsformular des Bühnenvereins
enthält diese Bestimmung, und die , m nl. hat ihre i
,,. ö n . . 1 5 7 , . . . , . 3. ö (6 die e eiten; aber der denutsche nenverein hat sich bereits industrie se gedenken im ᷓ ) Firmen m ᷣ r . ö. von Ar 49 seien darin . . sei
I und theilweise mit Erfolg um Abhilfe der bestehenden Miß⸗ stände bemüht. Der sogenannte Generalrevers kommt bei den einigen 90 Hühnen des Deutschen Bühnenvereins kaum noch vor. Auch die Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger hat dagegen ge⸗ arbeitet, aber mit ihrer eigenen Agentur haben sie freilich bisher wenig Glück gehabt. Ich habe erste Namen unter Kontrakten gesehen, die halsabschneiderische Bestimmungen enthielten; ja, sie hatten die Bestimmungen eben nicht gelesen. In Fällen, wo wirklich die Agenten eine Nothlage ausbeuten, haben die Gerichte zu Gunsten des Ausgebeuteten entschieden, namentlich wenn über die ursprüngliche Kontraktszeit hinaus die Schauspieler den Agenten tributär blei—⸗ ben sollten; diese Bestimmung ist, als contra benos mores verstoßend, als null und nichkig erklärt worden. Die angeführte
ausordnung ist nicht bei dem genannten , . in Uebung; denn irektor des Wiesbadener Hoftheaters ist bekanntlich Herr von 6 und nicht der von Herrn Reißhaus genannte Herr Willy asemann. Auch unter den Schauspielern giebt es merkwürdige Leute; es sind nicht lauter Engel. Der Theater⸗Direktor Goethe schickte einen widerspenstigen Schauspieler Tage lang auf die Schloßwache und bestrafte widerspenstige Schauspielerinnen mit wochenlangem Stubenarrest. So weit gehen wir ja heute nicht, aber mit den paar . Strafen, welche Ihre Anträge zulassen wollen, die ein iertel der Tagesgage nicht überschreiten dürfen, kommen wir auch nicht durch. Te fe. ist, daß das gesellschaftliche Niveau des Schau⸗ spielerstandes sich immer mehr hebt. Auch im Deutschen Reichstag ist den Mitgliedern der deutschen Bühnen sicher unser volles Interesse und unsere volle Sympathie zugewendet; geht es wirklich nicht mehr anders, so werden wir gewiß auch zu gesetzlichen Maßnahmen auf diesem Gebiete bemüht sein. Aber es i ein schwieriges und eigen⸗ artiges Gebiet, welches in Angriff zu nehmen erst nach den um— fassendsten Erhebungen und Unkersuchungen angezeigt sein wird.
Abg. Dr. von Wolszlegier-Gilgenburg (Pole) schließt sich dem Antrage des Zentrums an: ohne Kommissionsberathung dem⸗ nächst in die zweite Lesung einzutreten. Bedenken hat Redner gegen die Fassung des Artikels 2, der die Konzession für den Schauspielunter⸗ nehmer von dem Nachweis der nöthigen Mittel abhängig macht. Diese Fassung sei so allgemein daß ste Alles in das Belieben der Behörden stelle, und die Situation in den östlichen Landestheilen er muthige nicht dazu, den Behörden solche Wen, zu geben, die leicht im Interesse ganz anderer als künstlerischer Rücksichten benutzt werden könnte. Das Verbot des Winkelschanks, wie es die Vorlage eventuell gegen die Schnapskonsumpereine in Anwendung bringen wolle, sei nur zu big en. Die Bestimmung, welche den Droguenhandel einschränken soll, verwirft Redner; man dürfe den Apotheken nicht diesen Liebesdienst erweisen. In Berlin sei ein Droguist bestraft worden, weil er ein Mittel gegen Hühneraugen, ein anderer, weil er eine graue Salbe verkauft habe, die zur Vernichtung ewisser Schmarotzer gebraucht werde. Würde die Vorlage mit 6 dehnbaren Ausdrucksweise angenommen, so würde der Droguen⸗ handel überhaupt unmöglich sein. Man sollte den Droguisten nur verbieten, starke Gifte zu verkaufen. Der vorgeschlagenen Beschränkung des Detailreisens könne er nur freudig zustimmen; im Osten seien diese Reisenden, namentlich die Vertreter einer gewissen aufdring⸗ lichen und ungeheuer beredsamen Rasse, ein wahre Landplage geworden. Die guten großen Geschäfte ließen heute überhaupt nicht mehr reisen; die Weinreisenden vertrieben nur ganz minderwerthige Sorten. Die Reisenden der Schneiderbranche aber müßten für den Osten, wo die Städte viel dünner gesät seien, noch ausgenommen werden, denn sie bedienten die Kundschaft auf dem Lande sehr gut und überhöben sie der Sorge, für die Ausbesserung ihrer Kleider selbst sorgen zu müssen. Die eigentlichen . seien im Osten nicht aufdringlich und auch nicht zu zahlreich vorhanden; sie seien dort auch nicht überflüssig. Immerhin aber sei er geneigt, die Ausnahmebestimmung des Art. 11, die Erweiterung des Kreises der vom Hausierbetriebe ausgenommenen Waaren, zuzugestehen, wenn bezüglich des Wortes Schmucksachen“ eine bessere Präzisierung gefunden wird. Gegen die Verschärfung der Strafbestimmungen müsse er sich aber ganz entschieden erklären.
Abg. Galler (Volksp.): Gewiß sind im Betriebe des Hausier⸗ ewerbes Mißbräuche aufgetreten, welche das ansässige Gewerbe hire können. Bei der wirthschaftlichen Verschiedenheit des weiten Gebiets des Deutschen Reichs hätte die Abstellung und Regelung besser den Einzelstaaten überlassen bleiben sollen. Die Vor⸗ lage greift tief in althergebrachte Geschäfte und Geschäfts verbindungen ein; ich erinnere Sie nur an die Vorstellungen der Bielefelder Leinenindustrie. Nicht der Kleinhandel, der kleine Gewerbebetrieb wird die Erbschaft der Hausierer antreten, sondern der Groß— betrieb, das Großkapital. Die Vorlage zeigt Len charakteristischen Zug der Zeit, alle Krankheiten am Gesellschaftskörper durch Palliatip— mittelchen zu heilen. Heute sind es die Hausierer, morgen die Konsumvereine, dann die Margarine; immer neue Erscheinungen verfallen demselben Rezept. Dem nothleidenden Gewerbe 61 auch durch Handwerkerkammern geholfen werden; wird denn auch nur ein Paar Stiefel mehr gefertigt werden, wenn diese Kammern eingeführt sind? Ich seb⸗ voraus, daß man auch dem⸗ nächst ein 8. gegen die großen Bazare machen wird. Die Vor⸗ lage wird nicht verhindern, daß das Kleingewerbe in dem harten , den es jetzt führen muß, unterliegt. Mit solchen
ittelchen wird der Krankheitszustand nur gesteigert, der hervor⸗ erufen ist durch den übertriebenen Militarismus, der des Volkes
ark verzehrt und zu den unerschwinglichen Lasten führt, unter denen das Volk seufzt. Daß die verbündeten Regierungen es abgelehnt haben, die vexatorischen Bestimmungen gegen den Buchhandel auf- zunehmen, die das Zentrum befürwortete, ist erfreulich. Daß das Zentrum eine tiefwurzelnde Abneigung gegen den Buchhandel hat, weiß ich ja. In dem Entwurf ist aber noch eine Bestimmung stehen geblieben, die dem Buchhandel durchaus nicht paßt. Das ist die Bestimmung, daß von der Kolportage ausgeschlossen sein sollen die⸗ jenigen Lieferungswerke, wo nicht die Zahl der Lieferungen des Werkes und dessen gie ehr auf jeder Lieferung an einer in die Augen fallenden Stelle verzeichnet ist. Unter diesen Bedingungen kann ja oft mit dem Druck des Werkes nicht zur rechten Zeit be⸗ gonnen werden. Mißbräuchen in dieser Hinsicht, die wirklich Ueber⸗ vortheilung des Publikums bedeuten, ist das letztere Manns genug, selbst entgegenzutreten. Zum Schluß tritt Redner im Interesse der württembergischen Hausierer mit Sämereien für die Streichung der neuen Nr. 10 des 8 56 ein, wonach vom Hausierbetrieb Bäume aller Art, Sträucher, ämereien und Blumenzwiebeln, Schnitt⸗ und Wurzelreben und Futtermittel ausgeschlossen sein sollten. Die 2000 Ein wohner von Gönningen seien von altersher auf diesen Hausierbetrieb mit Sämereien angewiesen und würden brotlos, wenn das Gesetz nach der beantragten Richtung ergänzt werden sollte.
Abg. Quen tin (nl) tritt ebenfalls für Kommissioneberathung ein. Er bemängelt zunaͤchst die Bestimmungen des Art, 7, welcher den bisher , n. Gemeindebeschluß für die Erlaubniß zum Betrieb des Hausiergewerbes für CGinheimssche in Wegfall bringt. Bisher hätten die Städte den Hausierbetrseb der Einheimischen inner- halb der Gemeinde nicht für einen selbständigen Betrieb, sondern für einen Ausfluß des stehenden Gewerbes an n und so sollte es auch bleiben. Die Gemeindebehörden übe * en doch die wirth⸗ schaftlichen Bedürfnisse der Gemeinde besser als die höheren Ver- waltungbehörden, und man sollte ihre Autonomie nicht beschränken. Viel bedenklicher aber sei Art. 8, dem er in der Fassung des Ent⸗ wurfs absolut nicht zustimmen könne. Die Bielefelder Leinenindustrie a ihren Absatz schon seit Menschenaltern in einer Form, die nach Art. 8 verboten sein würde. Hunderttausende seien mit ihrer
ntergange geweiht, wenn der Artike 5 werde. Der Antrag
Erhöhung dieser Arbeitslöhne zu
anzen Existenz daran betheiligt, , wären dem ese
Kanitz strebe gefetzlichen Schutz der Interessenten für ihre
Lebenshaltung und Existenz an; hier werde durch die Gesetzgebung die Existenz von Hunderttausenden kaltblütig preisgegeben. Ueber die ganze Konsequenz der Vorlage sei zur Zeit noch gar kein vollständiges Bild zu gewinnen; daß das Detailrelsen zu einer Kalamität für die öffentliche Sicherheit geworden sei, dafür könne er in den Motiven der Vorlage
ein vorzügliches, genieße Weltruf. Die Kundschaft dieser Firmen gehe bis in 1 Adel hinein. In dieselben in gkeiten geriethen die Nähmaschinen⸗ und Möbelfabrikation und die Industrie der landwirthschaftlichen Maschinen. Wolle man den durch diesen Vorschlag schwer Geschädigten nicht volle Gerechtigkeit widerfahren lassen, so möge man wenigstens eine , bewilligen, um ihnen den Uebergang zu einem andern Erwerbe zu ermöglichen.
Hierauf wird ein Vertagungsantrag angenommen. Schluß i. Uhr. Nächste Sitzung Dienstag 1 Uhr (Besprechung der zur Währungsfrage abgegebenen Erklärung des Reichskanzlers und Fortsetzung der eben abgebrochenen Berathung).
Preusßischer Landtag. Haus der Abgeordneten.
16. Sitzung vom 10. Februar 1896.
Ueber den Beginn der Sitzung ist gestern berichtet worden.
Das Haus setzt die zweite Berathung des Staatshaus⸗ halts⸗Etats für 189697 und zwar des Etats der an , ,. fort.
ei den Einnahmen aus dem Arbeitsverdienst der Gefangenen (1 950 000 S6) weist
Abg. Müers ki (Pole), wie bereits mitgetheilt worden ist, auf die Konkurrenz hin, welche die Gefängnißarbeit dem Handwerk mache.
Justiz⸗Minister Schönstedt:
Meine Herren! Der Herr Abg. Dr. Mizerski hat selbst zu⸗ gegeben, daß es außerordentlich schwierig ist, die Nothwendigkeit einer angemessenen Beschäftigung der Gefangenen in Einklang zu bringen mit dem Interesse der Privatindustrie, welcher diese Gefangenen Kon⸗ kurrenz machen. Die Klage ist ja nicht neu, sie ist ja wiederholt vorgebracht und eingehend erörtert, und zwar in dem Sinne, daß nicht in einer über das Maß des Erträglichen hinausgehenden Weise eine solche Konkurrenz der Privatindustrie bereitet werde. Die Königliche Staatsregierung ist nach allen Richtungen hin bemüht gewesen, dieser Konkurrenz Schranken zu ziehen, soweit es in ihren Kräften liegt.
Wenn die Klage erhoben worden ist von dem Herrn Abg. Mizerski, daß die Arbeiten in den Gefängnissen an Unternehmer zu viel zu niedrigen Preisen vergeben würden, so kann es von der Gefängniß⸗ verwaltung selbst nur in hohem Maße bedauert werden, daß es ihr nicht gelingt, höhere Preise zu erzielen, als sie thatsächlich gezahlt werden. Aber es würde, glaube ich, unrichtig sein, eine nackte Vergleichung anzustellen zwischen den Löhnen, die an Gefangene gezahlt werden, und den Arbeitslöhnen freier Arbeiter. Es kommt dabei eine ganze Reihe von Umständen in Betracht, die die Arbeitsleistung der Gefangenen als minderwerthig erscheinen lassen. Darauf hat schon der Herr Abg. Mizerski hingewiesen, daß man es hier zu thun hat mit Arbeitern, die der nöthigen Vorschulung, der nöthigen Uebung entbehren. Es ist ferner in Betracht zu ziehen, daß ein sehr häufiger Wechsel in den für einen bestimmten Arbeitszweig zur Verfügung gestellten Arbeitern sich zu vollziehen pflegt, daß ferner die Rücksicht auf die Gefängnißdiseiplin für den Arbeitgeber erhebliche Erschwerungen bringt, die er selbst—⸗ verständlich bei seinem Angebot zu berücksichtigen hat. Thatsächlich steht fest, daß die Konkurrenz zu den öffentlichen Ausschreibungen und Vergebungen der Arbeitskräfte der Gefängnisse eine außerordentlich geringe ist, und vielleicht läßt sich daraus der Schluß ziehen, daß die Vortheile, die mit den scheinbar niedrigen Arbeitslöhnen der Gefangenen für die Unternehmer verbunden sind, doch diesen sachver⸗ ständigen Herren selbst nicht so groß erscheinen; sonst würde es gewiß nicht der Fall sein, daß die Bewerbung um Gewährung von Arbeits⸗ kräften eine so geringe ist.
Wenn der Herr Abg. Dr. Mizerski gesagt hat, die Vergebung der Ar⸗ beiten zu so niedrigen Sätzen sei zurückzuführen auf die mangelnde Sach⸗ kenntniß der Gefängnißbeamten, und es sei in Erwägung zu ziehen, daß den Gefängnißverwaltungen technische Beiräthe zur Seite gegeben würden, die die gemachten Angebote zu prüfen hätten, so ist das ein der Erwägung nicht unwürdiger Gedanke und ich bin gern bereit, soweit die Justizverwaltung dabei in Frage kommt, sie einer näheren Prüfung zu unterziehen. Daß dabei viel erzielt werden könnte, glaube ich be⸗ zweifeln zu sollen.
Daß übrigens die Staatsverwaltung sich bemüht, dieser Konkurrenz das Nachtheilige für die Privatindustrie zu nehmen, könnte ich noch aus Anordnungen des letzten Jahres beweisen. Am 7. Oktober v. J. ist eine allgemeine Verfügung an die Ober⸗Staats⸗ anwalte dahin ergangen, daß die Beschäftigung von Gefangenen mit Strickerei auf Strickmaschinen, weil über diese Konkurrenz die Privat⸗ industrie sich erheblich beschwert hat, thunlichst einzuschränken sei, daß von Neueinführung der Industrie da, wo sie nicht besteht, abzusehen sei und daß im übrigen in denjenigen Fällen, in welchen eine Verwendung von Gefangenen zum Zweck des Strickens auf Maschinen für die Zu⸗ kunft noch stattfindet, dahin zu wirken sei, daß die Höhe der von den Unternehmern zu zahlenden Lohnsätzen zu dem Lohnsatze der freien Arbeiter in einem angemessenen Verhältniß steht. Sie erkennen daraus das Bestreben der Staatsregierung, für eine möglichste sorgen. Zugleich schweben im Schoße der Königlichen Staatsregierung z. 3. noch Erwägungen, ob nicht der Konkurrenz der Gefängnißindustrie gegen die Privat⸗ industrie dadurch einigermaßen die Schärfe zu nehmen sei, daß die einzelnen Ressorts für verpflichtet erklärt werden, diejenigen in ihren Ressorts erforderlichen Gegenstände, die in Gefängnissen hergestellt werden, unter gewissen Voraussetzungen natürlich, möglichst aus den Gefäng⸗ nissen zu entnehmen, und deshalb die Thätigkeit der Gefängnisse für die Privatindustrie nach Möglichkeit einzuschränken. Diese Verhand⸗ lungen sind noch nicht abgeschlossen; selbstverständlich findet dieser Vorschlag auch erhebliche Bedenken, weil auch immer das Interesse des Staats bei Vergebung der Lieferungen für staatliche Bedürfnisse berücksichtigt werden muß und dieses nicht immer voll befriedigt werden kann, wenn diese Gegenstände aus den Gefängnissen bezogen werden, die insbesondere auch, wie schon Herr von Mizerski hervorgehoben hat, in Bezug auf die Qualität der Leistungen vielleicht nicht überall den Leistungen der Privatindustrie ebenbürtig sind.
Es ist ferner im August vorigen Jahres empfohlen worden im Interesse der in Justizgefängnissen bestehenden Webereien, daß die Gefängnißperwaltung alle Webereierzeugnisse, die in ausreichendem
ö
Maße in den Gefängnißwebereien hergestellt werden können, au
Privatindustrie einzuschränken habe.
Endlich ist die Justizverwaltung überall bereit, Gefangene zu landwirthschaftlichen Meliorationsarbeiten abzugeben in gleicher Weise wie dies seitens des Ministeriums des Innern bereits angeordnet is. Die Justizverwaltung stößt aber bei der Verwendung der Gefangenen zu solchen Arbeiten deshalb auf größere Schwierigkeiten, weil die Zahl der lang dauernden Gefängnißstrafen bei ihr viel geringer ist und weil selbstverständlich die Gefängnißverwaltungen zu einer Arbeit im Freien, die eine strengere Aufsicht erfordert, die unter Umständen die Diseiplin zu lockern geeignet ist, nur solche Ge— fangenen heranziehen, die sich durch längere gute Führung schon im Gefängniß bewährt und einer derartigen Bevorzugung — denn als solche wird das angesehen werden dürfen — sich würdig ge⸗ macht haben. Im übrigen ist den Herren bekannt, daß nach der Vor⸗ schrift des Gesetzes eine Beschäftigung der Strafgefangenen im Frelen nur mit ihrer eigenen Zustimmung zulässig ist und dadurch eine ge— wisse Schranke für ihre Verwendung gegeben ist.
Ich glaube hiernach, daß der Staatsregierung nicht der Vorwurf
gemacht werden kann, sie thue nicht alles, was in ihren Kräften steht,
um den Beschwerden der Industrie, insbesondere der Kleinindustrie, entgegenzukommen.
Ich darf noch erwähnen, daß überall dahin gestrebt wird, daß die Gefängnisse sich möglichst derjenigen Industrien enthalten, die in der näheren Umgebung hauptsächlich Gegenstand des Kleingewerbes und der Hautindustrie sind. Auch das läßt sich aber nicht vollständig durch- führen, und es bleibt, wie gesagt, immer die große Sorge, für die die Gefängnißverwaltung auch verantwortlich ist, daß für angemessene Arbeit der Gefangenen im Interesse ihrer Erziehung und im Interesse ihres späteren Fortkommens gesorgt werden muß.
Auf die zum ersten Titel der Ausgaben: „Gehalt des Ministers“ gemachten, gleichfalls schon gestern mitgetheilten Bemerkungen der Abgg. Brandenburg (Hentr.) und von Eynern (nl. erwidert der
Justiz⸗Minister Schönstedt:
Ich nehme an und wünsche es, daß aus den Ausführungen der beiden Herren Vorredner sich nicht etwa eine Kulturkampfdebatte ent⸗ wickeln wird, welche die Harmonie, die sonst bei der Behandlung dez Justiz⸗Etats zu herrschen pflegt, in unerfreulicher Weise stören würde Ich glaube auch nicht, daß es die Absicht der beiden Herren gewesen ist, einen derartigen Kampf von neuem hier hervorzurufen.
Auf den Fall Thümmel einzugehen habe ich keine Veranlassung. Ich glaube auch, die Ausführungen des Herrn Abg. Brandenburg dahin richtig verstanden zu haben, daß er auf sie eine Antwort von seiten det Regierungstisches nicht erwartet. Es handelt sich um die Kritik eines richterlichen Urtheils. Ich lehne es grundsätzlich ab, mich über richterliche Urtheile zu äußern. (Bravo!) Ich würde es für höchst bedenklich halten, wenn ich von meiner Stelle aus — es giebt Urtheile, die mir auch nicht zusagen — mich auf eine Kritik solcher Urtheile hier einlassen wollte. (Sehr richtig) Ich werde daß grundsätzlich für alle Zeiten ablehnen. Ich glaube, daß ich der Justiz damit viel besser diene, und daß es ein viel größeres Unglück wäre, wenn von seiten der höchsten Spitze der Justiz der Versuch gemacht würde, die kritische Sonde an gerichtliche Urtheile zu legen, als wem hier und da Urtheile vorkommen, die nicht jedermann gefallen und Re den Betheiligten nicht überall bequem sind.
Thatsächlich habe ich im übrigen die von dem Abg. von Eynem ausgesprochene Annahme zu bestätigen, daß, wenn in der That in evangelischen Kreisen geglaubt werden sollte, es sei eine Anweisung ergangen, dem Pastor Thümmel besonders scharf auf die Finger zu sehen, daß eine solche Annahme lediglich ein Produkt einer freien Phantasie ist, daß eine derartige Anweisung nach keiner Richtung hin ertheilt ist.
Herr Abg. von Eynern hat dann allerdings die mir etwas neue Behauptung aufgestellt, es sei in evangelischen Kreisen die Meinung verbreitet, daß in der Justizverwaltung eine Be⸗ vorzugung der Katholiken stattfinde. (Heiterkeit im Zentrum) Mir ist eine derartige Auffassung bisher nicht entgegengetreten. (Hött! hört!) Ich fühle mich aber frei von der Bevorzugung irgend eine Konfession bei den Anstellungen, die meiner Bestimmung unterliegt und ich glaube, daß meine bisherige Amtsführung für einen Vorm in dieser Richtung nach keiner Seite hin irgend einen Anlaß, ihn eine Unterlage gegeben hat. Ich bin zugleich in der Lage, dem Ham Abg. von Eynern diejenige Statistik, die er gewünscht hat, schon jh zu geben in Bezug auf die Vertheilung der Konfessionen in den Richterstellen.
Der Prozentsatz der Katholiken in der Gesammtbevölkerung bon Preußen betrug, auch abgesehen von der von Herrn von Cynern zu Grunde gelegten Beschränkung auf die Männer, nach der Zählung vom 1. Dezember 1890 34,3 o/o. Unter den etath⸗ mäßig angestellten höheren Justizbeamten befinden sich 28 0 Katholiken, unter den Beamten der fünften Rangklasse — dat sind also im wesentlichen die Beamten erster Instanz: Landrichter, Amtsrichter, Staats anwalte — nehmen die Katholiken einen Projent⸗ satz ein von 24,4 0/0 (hört, hört! bei den Nationalliberalen); bei den Stellen der vierten Rangklasse: also Landgerichts. Direktoren, Ober— Landesgerichts⸗Räthe, Erste Staattanwalte, beträgt das Verhältniß 1853 0½ (hört, hört! im Zentrum) und bei den Beamten der dritten Rangklasse, also Präsidenten und Ober ⸗-Staatsanwalte, haben die Katholiken einen Prozentsatz von 2290so.
Im großen Ganzen also entspricht die Vertheilung der Kon— fessionen dem Verhältniß auch der Justizbeamten in der Gesammthei. Nur bei den Beamten der vierten Rangklasse stehen die Katholiken um etwa 6 0½ zurück gegen das Gesammtverhältniß. Meine Herren, daraus auf eine Zurücksetzung der Katholiken schließen zu wollen, würde nach meiner Meinung durchaus verfehlt sein. Diese Thatsach erklärt sich zum nicht unerheblichen Theil daraus, daß in der Rhein⸗ probinz die Zahl der katholischen Juristen eine ungewöhnlich grohe ist. Diese konkurrieren bei der Besetzung der höheren Stellen aul einem doppelten Grunde in verhältnißmäßig geringem Maße: einmal weil sie sich von ihrer schönen Heimathsprovinz nicht trennen wollen, und dann weil ihre Verwendung in anderen Dre vinzen, da sie nur im rheinischen Rechtsgebiet ausgebildet sind und ihre Erfahrungen gesammelt haben, doch vielfach auf Schwierigkeiten stößt und ihre Verwendbarkeit nicht eine so unbe⸗ schränkte ist, wie für die übrigen Richter im Bereich der preußischen Monarchie.
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artigen Gefängnissen zu beziehen und dadurch die Konkurrenz mit der
glaube, daß die Zahlen, die ich mitgetheilt habe, zur all.
ñ j n. dienen werden, und daß ich nicht dem Vorwurf auggesetzt sein werde: es ließe sich aus der Vertheilung in den höheren
Gtellen auf eine Zurücksetzung oder eine Bevorzugung der einen oder
anderen Konfession schließen. (Bravo) ;
Geheimer Ober⸗Justiz Rath Vierhaus: Die Gesammtzahl der Referendare ist von 5919 im Jahre 1884 gesunken auf 2973 im Jahre 1892; dem entsprach ein Sinken der Zahl der Assessoren auf 7749 im Anfang 1896, aber jetzt zeigt sich wieder ein Steigen der Zahl, der Referendare. Es werden etwa Ho0 jährli ge⸗ fraucht, 230 etwa werden für die Richter, und Staats- anwaltöstellen gebraucht, 1509 wenden sich der Rechtsanwalt⸗ schast zu; die übrigen gehen zur Regierung und zu anderen Ver- waltungen über. Die Vermehrung der Stellen der Richter ist eine beträchtliche gewesen, und wenn auch noch einige Jahre damit weiter vorgegangen werden wird, so ist doch diese Permehrung eine vorüber . Dann wird wieder eine Verschlechterung eintreten, zumal nicht mehr so viel Assessoren zur Rechtsanwaltschaft übergehen. Der Vorbereitungsdienst der Referendare dauert durchschnittlich 4 Jahre I. Mongte 8 Tage. Bezüglich der ersten Anstellung der Assessoren sind die Verhältnisse sehr verschieden. Die ungünstigen Amtsgerichte in den östlichen Provinzen werden meist mit jüngeren Beamten besetzt. Es findet natürlich eine besondere Berücksichtigung der r . statt, welche die große Staatsprüfung besonders gut bestanden haben; die Anstellung erfolgt durchschnittlich nach 5 Jahren 5. Monaten. Die
ahlung der Diäten ist aus gesetzlichen Gründen bei den Justiz— . eine andere als bei den. Regierungs- Assessoren; es dürfen nur Diäten für die wirkliche Beschäftigung gewährt werden. Wann der Assessor die ersten Diäten erhält, kann garnicht ermittelt werden, weil manchmal Assessoren, die kurz vor der definitiven Anstellung stehen, ohne Diäten sind, während erst ernannte Assessoren Diäten bejtehen, weil sie beschäftigt werden. Die Höhe der Diäten beträgt 200 M monatlich.
Abg. Bu sch (kons.) spricht sich gegen die Wiedereinführung der Berufung aus. Man sollte lieber die erste Instanz mit größeren Garantien umgeben. Man sollte eigentlich von der ersten Instanz mit den neuen Strahlen eine photographische Aufnahme machen, denn der erste Richter steht mehr unter dem ersten Eindruck. Das Wiederaufnahmeverfahren ist ein jämmerlicher Nothbehelf; es ist durchaus geeignet, die Autorität der Gerichte zu untergraben. Wenn der Verurtheilte nur die nöthige Gerissenheit und einen geeigneten Rechtöanwalt hat, dann kann leicht ein Wiederaufnahmeverfahren herbeigeführt werden, wobei die Belastungezeugen meist nichts mehr wissen, während die Entlastungszeugen, meist gute Freunde und Ver⸗ wandte, in ihren Aussagen sehr bestimmt sind, sodaß schließlich der Richter zu einem non liquet kommt, Man sollte eine Entschädigung fur unschuldig Verurtheilte nur gewähren, wenn die Unschuld nach— gewiesen ist.
Justiz-Minister Schönstedt:
Meine Herren! Ich glaube, daß wir nach der gegenwärtigen Sach⸗ lage in eine Erörterung der Frage von der Erweiterung der Berufung und einer Neuregelung des Wiederaufnahmeverfahrens doch hier in diesem Hause nicht werden eintreten können. (Lebhafte Zustimmung im Zenttum und links.) Die verbündeten Regierungen haben zu dieser Frage Stellung genommen in dem Entwurf, der gegenwärtig der Berathung des Reichstags unterliegt. Die verbündeten Regie⸗ rungen haben in dem Entwurf anerkannt und in der Begründung ausgeführt, daß insbesondere nach ihrer Auffassung das Wieder—⸗ aufnahmeverfahren der Verbesserung bedarf. Es ist, wenn ich mich nicht irre, in der Begründung selbst auch der Satz ausgesprochen, daß nicht jede Freisprechung im Wiederaufnahmeverfahren einen Justizmord darstellt, sondern daß diese Freisprechungen vielfach auf einer zwar wesentlich anderen, aber auch viel weniger zuverlässigen Grundlage erfolgen, als diejenige war, die zu dem ersten Urtheil geführt hat. Die Bundesregierungen haben also eine ganz bestimmte Stellung zu dieser Frage eingenommen. Gegenwärtig unterliegt die Frage der Berathung und Entscheidung des Reichstags; wie dieser sich dazu stellen wird, läßt sich mit Zuver⸗ lissigkeit noch nicht übersehen. Aber ich glaube, es würde den parla⸗ mentarischen Gewohnheiten nicht entsprechen, wenn ich schon jetzt, auch nur andeutungsweise, mich darüber aussprechen wollte, wie, falls die Vorlage der Reichsregierung abgelehnt oder erheblich verändert wird im Reichstag, wie dann die verbündeten Regierungen und speziell innerhalb derselben die preußische Regierung sich dazu stellen werden. Ich würde eine derartige Erklärung hier für verfrüht ballen; sie würde auch über meine Befugnisse, da ich hier nicht als
Ressort Minister, sondern als Mitglied des Staats. Ministeriums zu teden hätte, hinausgehen. (Zustimmung.)
Abg. Wille brand (Sentr.) befürwortet eine Besserstellung der Kanjlisten und Kanzleigehilfen, deren Lohn durch die neue Kanzlei⸗ ö beeinträchtigt sei, die auch eine dauernde Anstellung be⸗ anspruchen.
Justiz⸗Minister Schönstedt:
Meine Herren! Ich habe zu dem bewährten Arbeitseifer und der Leistungsfähigkeit dieses hohen Hauses und seiner Kommissionen das Vertrauen, daß die vorliegenden Petitionen der Lohnschreiber um eine Verbesserung ihrer Lage auch im Hinblick auf die berechtigten Sympathien, die der Stand der Lohnschreiber hier in diesem Hause findet, so rechtzeitig zur Erledigung gelangen werden, daß wir in eine ein ⸗ gehende Prüfung dieser Frage nach Erstattung des Berichts der Petitions⸗ kommission rechtzeitig gelangen werden. Ich glaube mich daher für heute eines Eingehens auf die von Herrn Abg. Willebrand vorgebrachten Einzelheiten enthalten zu können. Ich will nur eins bemerken: richtig ist, daß ich die neue Kanzleiordnung im wesentlichen fertig vorgefunden habe. Sie ist nicht das Kind meines Herzens, und ich kann sagen, daß es mir einigermaßen schwer geworden ist, meine Unterschrift dazu zu geben, weil ich die Tragweite der neuen Bestim⸗ mungen nicht vollständig zu übersehen vermochte. Ich kann hinzu⸗ setzen, daß die Veränderungen, die die neue Kanzleiordnung gegen das frühere Kanzleiregiment gebracht hat, im wesentlichen ver— anlaßt waren durch die Erinnerungen der Ober⸗Rechnungskammer, glaube ich, daß die Kanzleigehilfen in der Justizverwaltung erheblich besser gestellt seien als in anderen Ressorts, daß von ihnen geringere deistungen verlangt würden, und daß es sich nicht rechtfertigen lasse, in verschledenen Ressorts derartige Unterschiede aufrecht zu erhalten, O daß ferner aber mitbestimmend für die Aenderungen im Gebiet des Formularschreibens die Erkenntniß war, daß die Formularsachen sehr hoch eingeschätzt waren und sich daraus sehr zahlreiche Klagen derjenigen Ranzleigehilfen ergaben, die mit Glattschriften beschäftigt wurden, ber eine Bevorzugung derjenigen, die überwiegend Formulararbeiten zu erledigen hatten, und ein Ausgleich in dieser Beziehung ließ sich nicht herstellen.
Wenn nun der Herr Abg. Willebrand gesagt hat, es würde nahe gelegen haben, die Sätze für Glattschriften zu erhöhen und dadurch diesen Ausgleich zu finden, so würde diese Auffassung von seiten der
Vertreter des Finanzressorts, glaube ich, nicht ohne weiteres adoptlert pan . ssorts, z ch, nicht oh op
Meine Herren, ich habe gesagt, daß ich die Tragweite der Be⸗ stimmungen der neuen Kanzleiordnung nicht zu übersehen vermochte. Ich übersehe sie auch in diesem Augenblick nicht. Ich habe deswegen schon vor einiger Zeit Veranlassung genommen, die Herren Ober⸗Landetz⸗ gerichts · Präsidenten zu einer Berichterstattung daruber aufzufordern, wie die neue Kanzleiordnung sich in der Praxis bewährt. Diesen Berichten sehe ich nach Abschluß des Etatsjahres, nach dem 1. April entgegen, dann wird sich das Material für die Beurtheilung der Frage ergeben. Ich darf mir gestatten, den Schlußsatz der in dieser Richtung erlassenen Verfügung den Herren vorzulesen; er lautet dahin:
Endlich wollen Euer Hochwohlgeboren sich auch über die wirth⸗ schaftliche und soziale Lage der Kanzleigehilfen im allgemeinen äußern. Gegenüber den vielfachen, von den Lohnschreibern erhobenen Beschwerden wird daran festzuhalten sein, daß einerseits der Staat keinen Anlaß hat, lediglich aus Rücksicht auf die Kanzleigehilfen Leistungen zu übernehmen, die dem Werthe der gelieferten Arbeiten nicht entsprechen, daß aber andererseits überall da, wo die Justiz⸗ verwaltung Kanzleigehilfen zu beschäftigen hat, ihnen auch bei dem nöthigen Fleiße die Existenzmöglichkeit gewahrt bleiben muß.
Ich habe darin die Gesichtspunkte zum Ausdruck gebracht, die für die Justizverwaltung in dieser Frage maßgebend sind.
Nun hat der Herr Abg. Willebrand als einen der lebhaftesten Wünsche der Kanzleigehilfen hier vorgebracht, daß auch bei den Amts- gerichten eine etatsmäßige Anstellung solcher Lohnschreiber stattfinden möge. Die Schwierigkeiten, die dieser Anstellung entgegenstehen, hat aber der Abg. Willebrand auch selbst schon hervorgehoben; ich glaube nur, daß er den Punkt nicht genügend berücksichtigt hat, wie die Konkurrenz der Militäranwärter sich fühlbar machen würde für die gegenwärtigen Lohnschreiber. Der Herr Abg. Willebrand geht von der Ansicht aus, daß ja, wenn auch das Vorrecht der Militäranwärter auf Berücksichtigung bei etatsmäßigen An⸗ stellungen voraussichtlich nicht eingeschränkt werden könne, weil die Militärverwaltung sich dem ohne Zweifel widersetzen würde, doch in⸗ direkt für die Privatschreiber ein Vortheil sich dann ergeben würde, wenn Militäranwärter sich um solche ausgeschriebenen Stellen nicht bewerben würden. Die Thatsache würde richtig sein; aber ich glaube, die Erfahrungen, die der Herr Abg. Willebrand erwähnt hat, sind für den vorliegenden Fall nicht zutreffend. Es ist ja richtig: für die Kanzleigehilfenstellen, wie wir sie jetzt haben, für die Lohnschreiberstellen, für die auch an erster Stelle die Militär—⸗ anwärter zu berücksichtigen sein würden, melden sich Militäranwärter nur in sehr geringer Zahl, und sie fallen deshalb fast immer den Zivilanwärtern zu. Das würde sich sofort ändern, wenn diese Stellen in wirklich etatsmäßige Kanzleigehilfsstellen verwandelt werden. Die bisherige Erfahrung zeigt, daß da, wo Kanzleistellen bei den Landgerichten und den höheren Behörden ausgeschrieben werden, es an Bewerbungen aus dem Kreise der Militär⸗ anwärter nicht fehlt, daß sie ohne alle Ausnahmen mit Militäranwärtern besetzt werden können und auch besetzt werden müssen. Der Erfolg, den der Herr Abg. Willebrand von einer solchen Einrichtung sich verspricht, würde daher, glaube ich, der umgekehrte sein. Es würde einer großen Zahl von Privatleuten, die gegenwärtig eine, wenn auch nur bescheidene Existenz als Lohnschreiber finden, die Existenzmöglichkeit genommen werden dadurch, daß ein großer Theil dieser Stellen in die Hände der Militäranwärter übergeht. Den Gesichtspunkt bitte ich bei der weiteren Erörterung und Erwägung dieser Frage nicht aus den Augen zu lassen. Daß ich im übrigen mit den besten Wünschen und mit dem besten Willen den berechtigten Ansprüchen der Kanzleigehilfen entgegenzukommen bereit bin, soweit es in meinen Kräften liegt und soweit ich über die finanzielle Seite dieser Sache zu bestimmen habe, brauche ich Ihnen nicht zu versichern. (Bravo h
Abg. von Waldow (ons.) bemängelt, daß den Amtsvorstehern niemals Mittheilung gemacht wird von den Entscheidungen der Ge⸗ richte über den Widerspruch gegen ortspolizeiliche Strafen, damit die Ortzpolizei sich mit ihren Anordnungen danach richten kann und
Stellung nehmen kann zu dem gerichtlichen Urtheil. Auch sollten die Staattanwalte nicht immer die Amtsvorsteher zu Untersuchungen
heranziehen.
Justiz⸗Minister Schönstedt:
Meine Herren! Der von dem Herrn Abg. von Waldow zuerst ausgesprochene Wunsch hat gewiß vom Standpunkt der Amtsvorsteher aus seine volle Berechtigung. Ich gebe zu, daß für die Amtsvorsteher ein lebhaftes Interesse besteht, zu erfahren, welches Schicksal die von ihnen erlassenen und demnächst durch Widerspruch angefochtenen Strafverfügungen gehabt haben. Nach den bestehenden Vorschriften erfahren die Ortepolizeibehörden und die Amtsvorsteher von den gerichtlich erfolgenden Verurtheilungen nur insoweit von Amtswegen etwas, als es sich um Vergehen und Verbrechen handelt, nicht aber, wenn es sich um Uebertretungen handelt, und diese bilden doch die große Mehrheit, in denen es zum Erlaß ortspolizeilicher Strafen kommt. Auf der anderen Seite steht aber mit der Erfüllung des Wunsches des Herrn Abg. von Waldow eine recht erhebliche Vermehrung des Schreibwerks in Verbindung, und ich glaube, daß hier in diesem Hause alle Parteien darin einig sind, daß einer Vermehrung des Schreibwerks möglichst entgegengetreten werden muß. Ich lese wenigstens alle Tage Klagen in den öffentlichen Blättern und höre es auch in anderen Kreisen, daß viel zu viel geschrieben würde, und ohne bedeutende Zunahme des Schreibwerks würden sich diese Mittheilungen in den sehr zahlreichen Uebertretungsfällen nicht machen lassen. Ich bin bereit, in die Erwägung der Frage einzutreten, ob dem Wunsche Erfüllung gewährt werden kann.
Wenn dann der Herr Abg. von Waldow weiter hervorgehoben hat, daß die Herren Amtsvorsteher nicht in der Lage wären, ihre eigene Auffassung von den Sachen, in denen sie Strafverfügungen erlassen haben, zur Geltung zu bringen dem Gerichte gegenüber, so glaube ich, würde die Möglichkeit den Herren dadurch gegeben sein, daß sie in den Sachen, die inebesondere sachliches Interesse bieten, und von denen sie glauben, sie werden nicht richtig von seiten des zu ständigen Gerichts in ihren thatsächlichen Unterlagen beurtheilt werden, daß sie sich dann mit dem Amtsanwalt rechtzeitig in Verbindung setzen und ihm sofort die nöthigen Informationen geben. Einen anderen Weg wüßte ich nicht. Mit dem Augenblick, meine Herren, wo die Sache in die Hände des Gerichts gelangt, scheidet der Amtsvorsteher aus; der Amtesanwalt hat die Vertretung vom Standpunkt des öffentlichen Interesses aus, und vielleicht würde es in vielen Fällen mit erheblicher Mühewaltung nicht verbunden sein, wenn bel Einreichung der Akten an das Gericht der Amts. vorsteher gleich ein paar erläuternde Bemerkungen machte, die den
Amtsanwalt in die Lage setzten, auf eine richtige Beurtheilung hin zuwirken. Ich möchte den Herren empfehlen, diesen Weg einmal zu versuchen. . Was die Klage über die über mäßige Inanspruchnahme der Amts. vorsteber seitens der Staatsanwaltschaft und der Gerichte angeht, so ist diese Klage nicht neu. Sie ist schon im vorigen Jahre hier und auch im Herrenhause erhoben worden und, wenn ich mich recht erinnere, hat sich der damalige Minister des Innern bereit erklärt, mit dem Justiz⸗Minister in Verbindung zu treten. Darauf habe ich vergeben gewartet; eine Mittheilung ist mir nicht zugegangen, und meinerseits einzutreten für die Interessen der Amtsvorsteher habe ich Bedenken tragen müssen, weil das Interesse derselben nicht zusammenfällt mit dem der Justiz. Die Justiz ist in der That schwer in der Lage, der Ver⸗ mittelung und Mitwirkung der Amtsvorsteher in diesen Sachen zu entbehren. Ueber welche Organe verfügt sie sonst? Sie kann sich an die Gendarmen wenden, die doch zum größten Theil nicht in der Lage sind, zuverlässige Protokolle aufzunehmen. Ganz wesentlich fällt dabei noch der andere Gesichtspunkt in Betracht, daß, wenn auf die Mit- wirkung der Amtsvorsteher in größerem Umfange verzichtet wird, sich mit Nothwendigkeit daraus eine größere Belastung des Publikums ergeben würde; denn es würde dann oft unausbleiblich sein, die Personen, um deren Vernehmung jetzt die Amtävorsteher ersucht werden, zur gerichtlichen Vernehmung an den weitgelegenen Sitz des Amtsgerichts zu laden. Ich fürchte sehr, daß das größere Beschwerden zur Folge haben würde, als die an sich nicht unberechtigten Beschwerden, daß die Amtsvorsteher in vielen Dingen infolge der neuen Verwaltungs ˖ und Justizeinrichtungen belastet werden. Ich möchte appellieren an die bewährte Opferwilligkeit der Herren, daß sie soviel wie möglich den Anforderungen der Gerichte und Staatsanwaltschaften auch fernerhin entgegenkommen. Ich selbst bin bereit — und das ist auch früher geschehen — den Staatsanwalten und Gerichten zu empfehlen, daß sie nach Möglichkeit die Ersuchen an die Herren Amtsvorsteher beschränken. Vollständig darauf zu verzichten, würde ohne Gefährdung anderer Interessen kaum möglich sein.
Abg. Freiherr von Eynatten (Sentr.:: Die Beschwerde⸗ kommissison des Herrn von Eynern scheint ja recht flott an der Arbeit zu sein. Der Etat weist wieder eine erhebliche Vermehrung der Richterstellen auf, aber diese Vermehrung wird die Arbeits- belastung noch nicht hinreichend vermindern. Die fortschreitende Be—⸗ völkerungszunahme müssen wir bei der Vermehrung der Richter nicht außer Acht lassen. Redner empfiehlt zur Abhilfe die Rückkehr zu einer möglichst einfachen Rechtspflege und die Verminderung des Schreibwerks. Die Generalakten sind so angewachsen, daß kein Richter sie mebr beherrschen kann. Eine Geschäftsbelastung der Richter ent⸗ springt aus der Kompliziertheit des Verfahrens; es müsse eine Ver⸗ einfachung der Subhastationsordnung und des Mahnverfahrens herbei⸗ geführt werden. Die Justizverwaltung übernimmt als Mädchen für Alles die Ausbildung der jungen Juristen, die anderen Verwaltungen nehmen ihr dann die besten Kräfte weg. Die Scheidung zwischen Justiz und Verwaltung sollte sofort nach dem Referendarexamen eintreten. Die Justizverwaltung sollte nicht mehr Referendare an⸗ nehmen, als sie ausbilden kann.
Justiz⸗Minister Schönstedt:
Meine Herren! Die Beschwerden über zu viel Schreibwerk bei den Behörden habe ich ja schon vorhin erwähnt. Ich kann meiner⸗ seits nur bemerken, daß von der Zentralstelle aus alles geschieht, was möglich ist, um das Schreibwerk zu vermindern. Ich darf in dieser Beziehung an die Verfügung erinnern, die ich bald nach meinem Eintritt in mein gegenwärtiges Amt erlassen habe und die allgemein bekannt geworden ist. Ich darf hinzusetzen, daß inzwischen den Herren Ober⸗Landesgerichts⸗Präsidenten und den sonstigen Justizbehörden eine Reihe von Anregungen gegeben ist, die möglicherweise zu einer weiteren Verminderung des Schreibwerks führen könnten, und daß ich vor nicht langer Zeit den Gerichtsbehörden eine vortreffliche Schrift, die vielen von Ihnen bekannt sein wird, nämlich die des Herrn Ministerial⸗ Direktors Rothe „Ueber den Kanzleistil' habe zugehen lassen und sie auf die darin enthaltenen überaus werthvollen und nützlichen Winke hingewiesen habe, und ich hoffe, daß das nicht ganz ohne Erfolg
sein wird. . Die von Herrn Freiherrn von Eynatten erhobenen Klagen über Ueber⸗
bürdung der Justizverwaltung durch den starken Andrang von Referendaren schlägt in ein Gebiet, das uns wohl demnächst beschäftigen wird, und zwar bei Gelegenheit des Gesetzes über die Einführung von Dienstalterszulagen für die richterlichen und höheren Justizbeamten, und in Verbindung damit werden wir auch Gelegenheit haben, der Frage näher zu treten, wie einem übermäßigen Andrang zum Justim= dienst vorgebeugt werden könne. Ich darf wohl die Bitte aussprechen, daß bis dahin diese Frage zurückgestellt wird.
Abg. Brandenburg Gentr.) protestiert dagegen, daß Abg. von Eynern seine Rede an des Redners durchaus nicht provokatorische Aeußerungen angeknüpft habe.
Abg. Dr. Borsch, (Zentr. : Die Klagen des Herrn von Eynern können nicht ohne Widerspruch bleiben. Er hat eine thatsächliche ziffermäßige Unterlage für seine Beunruhigung nicht beigebracht; er sprach von Gefühlen, hat aber vergessen, daß er unsere Gefühle nicht
eschont hat. Bei der Zahl der Studierenden hat man die evange⸗ kin Theologen alle eingerechnet, die katholischen nicht; man hätte sich an die Juristen allein halten sollen. (Zuruf des Abg. von Eynern: Habe ich gethan) Katholische Richter wollen garnicht in evangelische Gegenden, aber einflußreiche Stellen haben es zu verhindern gewußt, daß katholische Richter in katholische Gegenden kommen. ie vom Minister angeführten Zahlen zeigen, daß die Zentralstelle bemüht ist. Parität walten zu lassen. Ber Minister hat die Kritik richterlicher Urtheile abgelehnt; einzelne Urtheile sollten nicht erörtert werden; der Stuhl des Richters sollte über dem Streit der Parteien stehen; das ist aber nicht immer der all. Ein erkennender Richter hat neulich das Zentrum wegen einer Stellung jum Umsturzgesetz als eine nicht staatserhaltende artei bezeichnet. Die Judikatur aus § 166 des Strafgesetzbucht at eine bedauerliche Entwickelung genommen, entgegegesetzt der bei den in f mn, ier verfährt man sehr scharf, dort sehr milde, obgleich es sich doch auch um etwas Zartes und Empfind⸗ liches handelt. 5 166 wirkt nicht mehr sehr einschneidend; die katholische Kirche könnte ihn entbehren, wenn nicht die Rücksicht au die anderen Konfessionen mitspräche. Was würde Herr Thümm erst sagen, wenn ĩ! 166 nicht mehr bestände! Das Auftreten des errn Thümmel sollte auch Herr von Eynern mißbilligen. Solche chamlosen Angriffe auf die katholische Kirche. . (Lachen bei den Nationalliberalen) Verstehen Sie denn nicht, daß man darüber entrüstet sein kann? In Breslau hat er vor 2000 Leuten gesprochen; der katholischen Presse wurde der Zutritt nicht gestattet. Als die Schles. Volksztg. lrotzdem einen Bericht brachte, sprach man von Denunziation und Spionieren. Er sprach nicht eiwa in polemischer Weise über Tagesfragen, sondern von unserem innersten e r Leben, von der Zauberei bei der Messe ze. Eine . y e Beschimpfung hat wohl auch in evangelischen Kreisen En . hervorgerufen. Wenn Herr Thümmel auch freigesprochen ist, gerecht feriigt ist er nicht worden, und ein Märtyrer . er auch nicht.