Von den Betriebsunfällen ereigneten ih. 6. den Staatsbahnen bei einer Betriebslänge von d auf den Privatbahnen bei einer Betriebslänge 2 Je ein Unfall kommt auf
1
Kilometer
Tausend Betriebslänge
Zugkilometer
bei den Staatsbahnen 171 118 bei den Privatbahnen 342 153
Wenn die Verwaltungen nach dem geometrischen Mittel aus den Betriebslängen und den geleisteten Zugkilometern ge⸗ ordnet werden, so treten an die ungünstigste Stelle:
bei den Staatsbahnen:
die Main⸗Neckar⸗EKisenbahn und die Verwaltungsbezirke der Königlichen Eisenbahn⸗ Direktionen in Essen und in Elberfeld, bei den Privatbahnen: die Prignitzer Eisenbahn und die Hessische Lüdwigseisenbahn.
Im Monat Januar d. J. haben 304 Schiffe mit einem Netto⸗Raumgehalt von 51 769 Reg⸗Tonnen den Kaiser Wilhelm⸗Kanal benutzt und an Gebühren zusammen 37 158 „ entrichtet.
Der Wirkliche Geheime Ober⸗-Baurath im Reichs⸗Eisen⸗ bahn⸗Amt Streckert hat eine Dienstreise angetreten.
Hannover, 11. Februar. Der Provinzial⸗Landtag erklärte sich in seiner heutigen Sitzung mit dem Antrage des rovinzial⸗Ausschusses auf Errichtung einer vierten Provinzial⸗ rrenanstalt einverstanden, mit der Maßgabe, daß die Pläne und Kostenanschläge dem nächsten Provinzial-Landtag zur Genehmigung vorgelegt werden sollen. Das Fischereigesetz wurde sodann in zweiter Lesung nach den Vorschlägen der Kommission angenommen.
Bayern.
In der Kammer der Abgeordneten betonte gestern, dem „W. T. B.“ zufolge, bei der allgemeinen Berathung des Ju stiz⸗Etats der Abg. Lerno (Zentr.), daß in der Zen⸗ trumspartei keiner sei, der nicht das Zustandekommen des Bürgerlichen Gesetzbuchs lebhaft wünsche; aber man habe gewisse Bedenken wegen der Stellung der Kirche und wegen der allzuleichten Mobilisierung des Grunsdbesitzes. Zur Beseitigung dieser Bedenken sei eine Kommissions⸗Be⸗ rathung nothwendig gewesen. Er hoffe, daß die Kommission diese Bedenken beseitigen werde, glaube aber 36. daß die Kommissionsarbeiten sich noch in dieser Reichstagssession würden erledigen lassen. Dr. Orterer (Zentr.) trat dieser Erklärung bei. Der Justiz⸗Minister ö von Leonrod dankte dem Abgeordneten Lerno für seine Ausführungen und vertheidigte die von den Sozialdemokraten angegriffene Reichs⸗ Justiznovelle.
Sachsen.
Die Erste Kammer bewilligte gestern die Kap. 73 bis mit 87, mit Ausnahme des Kap. 77 a, des Staatshaushalts⸗ Etats für 1896/97, welche das Departement der Finanzen nebst dessen unmittelbaren Dependenzen betreffen.
Sessen.
In der gestrigen Sitzung der Zweiten Kammer ge⸗ langte der Antrag der Abgg. Osann und Genossen auf Neuorganisation der höheren Stagtsbehörden zur Berathung. Der erste Ausschuß will diesem Antrage statt⸗ gr fn wissen und beantragt demgemäß: das Staats⸗
inisterium zu, ersuchen, die Frage der Neuorgani— sation der höheren Staatsbehörden in Erwägung zu ziehen, demnächst eine Kommission zur Berathung darüber zu berufen und zu einer entsprechenden Neu⸗ organisation der höheren Staatsbehörden zu schreiten. Das Staats⸗Ministerium hat sich, der „Darmst. Ztg.“ zufolge, zu dem Antrage Osann dahin geäußert, daß es die Zeit für die Verwirklichung solcher Pläne noch nicht für gekommen erachte, wenn es auch zugebe, daß man eine Neuorganisation wünschen und im Auge behalten müsse. Der Staats⸗Minister Finger begründete die Stellungnahme der Regierung im einzelnen und sagte zu, die Frage der Reorganisation der höheren Staatsbehörden sobald als irgend möglich in Bearbeitung nehmen zu wollen. Der Verlauf der weiteren Debatte zeigte, daß man im Hause überall mit dem Antrage DOsann eln verstanden ei; nur wurde seitens der Abgg. Wasser⸗ burg und Ulrich auch die finanzielle Seite der Frage betont. Der Antrag des Ausschusses gelangte hierauf einstimmig zur Annahme.
Mecklenburg⸗Schwerin.
In dem Befinden Seiner Königlichen Hoheit des Groß— herzogs ist, nach einem den „Meckl. Nachr.“ zugegangenen Telegramm aus Cannes von gestern, eine wesentliche Aende⸗ rung nicht eingetreten. Die Erholung schreitet langsam fort.
Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach.
Seine Königliche Hoheit der Großherzog hat am ver⸗ gangenen Sonntag den neu ernannten oͤsterreichisch-ungarischen außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister Grafen von Lützow empfangen und aus dessen Händen das Beglaubigungeschreiben seines Souveräns entgegengenommen. Der Gesandte wurde hierauf Ihrer Königlichen Hoheit der Großherzogin vorgestellt und zur Großherzoglichen Tafel gezogen.
Mecklenburg ⸗Strelitz.
Der neuernannte preußische Gesandte Graf von Wall— witz ist am 8. d. M. von Seiner Königlichen Hoheit dem ,, behufs Entgegennahme des Beglaubigungs⸗ schreibens in Audienz empfangen worden. Später wurde der Gesandte auch von Ihren Königlichen Hoheiten der Groß⸗ herzogin und der Erbgroßherzogin empfangen und zur n Tafel geladen.
Schwarzburg⸗Sondershausen.
Der Landtagsausschuß ist zur Wiederaufnahme seiner , . Thätigkeit unter dem Vorsitz des Landtags⸗ Präsidenten Hartmann⸗Arnstadt am 10. d. M. in Sondersz⸗ hausen zusammengetreten.
Oesterreich⸗ Ungarn.
Der ruft General⸗Major Graf Golenistschew⸗ Kutusow ist gestern Nachmittag in Wien eingetroffen und wird heute die Reise nach Sofia fortsetzen. .
Der böhmische Landtag septe gestern die Debatte über das Budget fort. Der Abg. Kramar SJungezeche) ent⸗ wickelte dabei die materiellen Vortheile, welche die Deutschen von einem Staatsrecht haben würden; nur sollten sie nicht die Erhaltung ihrer Sonderrechte verlangen. Die Jung⸗ czechen würden mit dem Großgrundbesitz zusammengehen, wenn derselbe wirklich bereit sei, die staatsrechtlichen Grundsätze der Jungczechen zu verwirklichen. Sodann trat Kramar energisch den Bemerkungen des Abg. Baxa über die Krone und die Dynastie entgegen und sagte, es gehöre zum staatsrechtlichen Programm der Jungezechen, für die Erhöhung des Glanzes der Krone zu wirken. Redner fuhr fort: während in Rußland und Frank⸗ reich die Reaktion förmliche Triumphe feiere, sehe man in Deutschland und Oesterreich durch Vermittlung der Kronen, mit Fit der ö. Fortschritt und soziale Reformen gedeihen.
er Abg. Prinz Friedrich von Schwarzenberg wies auf die wirthschaftlichen Verhältnisse Böhmens hin und erklärte, die Großgrundbesitzer Böhmens ständen auf der historischen Basis des Staatsrechts, wenn es auch nothwendig sei, Kon⸗ zessionen zu machen. Redner hielt es für das Beste, zur Basis die Fundamentalartikel zu nehmen, welche als einer der glücklichsten Versuche zur Lösung der böhmischen Frage er⸗ schienen. Die Großgrundbesitzer, sagte der Redner, strebten somit an, daß der Kaiser sobald es ihm gut erscheine, das Staatsrecht durch seine Krönung zum König besiegele. Der Streit zwischen den beiden Stämmen des Landes erlösche aber vor der erhabenen Person des Kaisers. „Wir werden,“ schloß der Redner, „die materiellen Interessen und das Staats⸗ recht Böhmens vertheidigen, ebenso aber die Interessen des deutschen Volkes wahren, in Treue für den Kaiser und das Vaterland.“ Der Abg. Kaizl (Jungczeche) erklärte, er sei durch die Rede des Prinzen Schwarzenberg sympathisch berührt worden. Nach längerer Debatte wurde zum Generalredner für das Budget der Abg. Dr. Fournier und zum Generalredner gegen 2 der Abg. Dr. Herold gewählt.
Das ungarische Unterhaus beschäftigte sich gestern ausschließlich mit der Angelegenheit Pulszky. Der Abg. Graf Julius Szapary befürwortete den Antrag auf Einsetzung einer parlamentarischen Untersuchungskommission und reichte für den Fall, daß dieser Antrag nicht angenommen werde, einen Antrag ein, wonach das Unterhaus das in der An⸗ k des Museums für die schönen Künste befolgte Vorgehen der früheren und der jetzigen Regierung miß— billigen und die Vorlage der Akten fordern solle. Zur Be⸗ gründung ⸗ seines ersteren Antrags führte der Redner aus, die Regierung habe durch Anweisung einer größeren Summe für die Erwerbung von Kunstwerken für das Museum ihre Befugnisse überschritten. Unter gespannter Aufmerksam⸗ keit des Hauses erklärte hierauf der Abgeordnete, ehemalige Minister-Präsident Dr. Wekerle, daß er die volle Verant⸗ wortung für das, was er gethan, übernehme und die politische Solidarität mit seinen früheren Kollegen aufrecht⸗ erhalte. Er erörterte sodann die Frage, ob die frühere Regie⸗ rung berechtigt gewesen sei, die in Rede stehenden Summen auszugeben. Die Zustimmung zum Ankauf von Bildern im Werth von 167 900 Fl. habe er erst gegeben, als das Haus den Vorschlag zur Errichtung eines Museums der schönen Künste bereits angenommen gehabt habe. Die Verausgabung der für Ge⸗ mälde bestimmten Gelder vor Verständigung mit dem Parlamente sei deshalb erfolgt, weil die Gelegenheit zu Bilderankäufen infolge des Kursstandes eine außerordentlich günstige gewesen sei und die Ankäufe durch eine vorherige parlamentarische Erörterung sicherlich vertheuert worden wären. Schon in seinem Bericht, den er im Oktober 1894 der Landeskommission für die Millenniumsfeier überreichte, habe er erklärt, daß die Kosten für das Museum der schönen Künste von 1896 bis 1899 flüssig zu machen sein würden, obwohl die entsprechende Vorlage erst im Jahre 1896 werde eingebracht werden. Das Haus sei aber von der Sachlage unterrichtet gewesen. Die Regierung habe zwar ohne Rechtsbasis, aber im Bewußtsein ihrer Ver⸗ antwortung gehandelt und habe, ohne wichtige Interessen zu verletzen, nicht anders handeln können. Einen eigentlichen Schaden habe der Staatsschatz auch nicht erlitten, da die an— geschafften Kunstgegenstände mehr werth seien, als sie gekoster hätten. Im übrigen wies der Redner darauf hin, daß der Minister die Gemälde durch Sachverständige habe untersuchen lassen und auch Strafanzeige erstattet habe. Redner bat den Minister, die für das Museum für schöne Künste bestimmten Kunstwerke auch durch einen ausländischen Fachmann untersuchen zu lassen, und bekämpfte sodann noch den Antrag des Grafen Szapary, der mit den gewohnten parlamentarischen Formen unvereinbar sei. Eine materielle Verantwortung könne nur eine Versetzung in Anklagezustand gar Folge haben, und eine politische Tragweite habe i, Antrag nicht. Der Abg. Graf Szapary sah sich einer Be⸗ merkung des Vorredners gegenüber zu einer kurzen Entgegnung veranlaßt, worin er darauf hinwies, daß die unter seiner Ver— waltung vorgekommenen Mehrausgaben in den Schluß— rechnungen nachgewiesen worden seien, was man von den in Rede stehenden unpräliminierten Ausgaben nicht behaupten könne. Er habe die unpräliminierten und die Mehrausgaben stets verurtheilt, und da diejenigen seiner Kollegen, welche diese Beträge verausgabten, nicht die Konsequenzen gezogen hätten, so habe er es gethan. Den ihm gemachten Vorwurf weise er also entschieden zurück. Die Verhandlung wurde sodann auf heute vertagt.
Großbritannien und Irland.
Das Parlament ist gestern mit einer von dem Lord⸗ Großkanzler Earl of Salisbury verlesenen Thronrede er⸗ öffnet worden, in der es, dem „W. T. B.“ afelg heißt:
„Ich empfange fortgesetzt von den anderen Mächten Versicherungen freundschaftlicher Gesinnungen. Zwischen meiner Regierung und der der französischen Republik ist ein Abkommen getroffen worden, welches den
weck hat, die Unabhängigkeit des Königreichs Siam noch mehr zu ichern. Die Kommissare, für die Feststellung der Grenze zwischen Indien und Afghanistan einerseits und den Landern des Kaisers von Rußland andererseits haben sich über die Grenzlinie geeinigt; diese
Linie ist sowohl von mir als auch von dem Kaiser von Rußland nehmigt worden. Die Regierung der Vereinigten Staaten hat ö. Wunsch ausgedrückt, an der Beilegung der Streitigkeiten, welche seit langen Jahren zwischen meiner Regierung und Venezuela beyũglich der Grenze zwischen letzterem Lande und dem englischen Guyana be stehen, mitzuwirken. habe dem Wunsche, daß eine billige Rege= lung stattfinde, beigepflichtet und hoffe, daß die weiteren Verhandlungen zu einer befriedigenden Regelung führen werden. Der Sultan der Türkei hat die hauptsächlichsten Reformen in Armenien genehmigt, auf die ge⸗ meinschaftlich mit dem Kaiser von Rußland und dem Präsidenten der französischen Republik zu bestehen ich für meine Pflicht gehalten habe Ich bedauere lebhaft, daß der fangtische Aufrühr eines Theilg der türkischen Bevölkerung in jenen ,,. zu einer Reihe von Greuel thaten geführt hat, welche in unserem Lande tiefsten Unwillen hervor— riefen. Der plötzliche Einbruch einer bewaffneten Armee aus den unter der Kontrole der englischen Süd -Afrika ⸗Kompagnie stehenden Gebieten in die Südafrikanische Republik hat zu einem be— dauernswerthen Zusammenstoß mit den Streitkräften der Burgherz geführt? Nach einer Darlegung der bekannten Vorgänge und der von der englischen egierung und dem BPräsidenten Krüger unternommenen Schritte heißt es in der Rede weiter: Nach der von dem Präsidenten Krüger bei dieser Gelegenheit beobachteten Haltung und nach seinen freiwillig abgegebenen Versiche⸗ rungen darf ich annehmen, daß er erkennt, wie wichtig es sei, den be— rechtigten Beschwerden abzuhelfen, welche die Mehrzahl der Ein, wohner Transvaals vorbringt. In der Rede wird dann darauf hin— gewiesen, daß die Expedition gegen die Aschantis nothwendig gewesen und glücklich verlaufen sei; bedauernswerth sei aber der Verlust theurer Menschenleben, darunter das des Prinzen von Battenberg, der freiwillig seine Dienste zur Verfügung der Königin und seines Adoptip— baterlandes gestellt habe. Die Königin spricht in der Thronrede dann ihren Dank aus für die ihr und der Prinzessin von Battenberg be— wiesene allgemeine Theilnahme. Ferner wird in der Rede der von der Tschitral⸗Expedition errungene Erfolg festgestellt. Als wichtigsten Berathungsgegenstand des Parlaments nennt die Thronrede die Vermehrung und . der Seestreitkräfte. Dann werden in der Rede Maßregeln angekündigt zur Milderung des unter der landwirthschaftlichen Bevölkerung infolge der unglücklichen Lage der Landwirthschaft herrschenden Nothstands; ferner werden angekündigt eine Gesetzesvorlage, betreffend die Verantwortlichkeit der Arbeitgeber bei Unfällen der Arbeiter, sowie eine Vorlage, welche die Einschränkung der Einwanderung von ausländischen Armen bezweckt, und endlich ein Gesetz, betreffend die agrarischen Verhältnisse in Irland.
Beide Häuser traten sofort in die Berathung der Adresse ein.
Im Oberhause kritisierte Lord Rosebery die Thron— rede und sprach sein Bedauern darüber aus, daß die Be— ziehungen mit Deutschland gefährdet gewesen seien. Der . Minister Lord Salisbury erklärte: Präsident Krüger sei von dem Wunsche der Regierung, daß er nach England komme, lange vor der Veröffentlichung des Wunsches in Zeitungen unterrichtet gewesen; über seine Absichten sei die Regierung nicht unterrichtet. Bei der Vertheidigung des Vertrags mit Frankreich, betreffend Siam, fuͤhrte Lord Salisbury aus: Der Vertrag enispreche den Wünschen der indischen Regierung; die Gefahr, gegen die England sich verwahren wolle, sei klar, denn zwischen Frank— reich und Siam hätten Differenzen entstehen können, die zu einem Konflikt zwischen beiden und zum Verschwinden des Königreichs Siam hätten führen können; letzteres würde eine ernste Frage für England geworden sein. Die Besorgnisse seien jetzt beseitigt, denn der Vertrag schütze einen wesentlichen Theil Siams gegen die Möglichkeit eines Angriffs. In einigen Gesichtspunkten stimme er (Lord Salisbury) mit Lord Rosebern überein, nämlich darin, daß die Einmischung der Vereinigten Staaten in die Angelegenheit Venezuelas befriedigende Resul⸗ tate für England schneller herbeiführen könne, als es ohne die Einmischung Amerikas möglich gewesen sein würde. An⸗ gesichts der geographischen Lage Venezuelas muüsse dasselbe für Amerika ebensolches Interesse haben, wie Holland und Belgien für England. Ueber den Stand der Unter⸗ handlungen sei es nicht erwünscht, Näheres zu sagen, aber während der letzten Wochen sei die Hoffnung gestiegen, daß man eine befriedigende Lösung finden werde, und daß jede Gefahr eines Bruches abgewandt sei. Damit wolle er nicht sagen, daß ein Einverständniß bereits erzielt sei. Amerika schenke einem Schiedsgericht zur Regelung von Streitfragen mehr Werth, als England dies bisher gethan habe. England könne einen Vorschlag, der mittels Schiedsspruchs 40 000 britische Unter⸗ thanen an Venezuela übertragen könnte, nicht annehmen; aber es glaube, es könnten Mittel gefunden werden, um durch Verbindung von Unterhandlungen mit dem Schiedsspruch ene befriedigende Lösung herbeizuführen. Auf die armensscte Frage übergehend, erklärte Lord Salisbury, in keinem Vertrag, den England unterzeichnet habe, sei die Zusage zu finden, daß England dem Sultan den Krieg erklären werde, wenn er sein Land nicht besser verwalte, auch habe er in seinen Reden nie mit einer englischen Kriegserklärung gedroht, sondern nur den Sultan vor den Folgen gewarnt, die eintreten würden, wenn der Sultan die Ansichten Europas außer Acht lasse; er (Lord Salisbury) sei bereit, die Warnung zu wiederholen, daß in solchem Falle nichts die Zerstörung des Reichs des Sultans verhindern könne. Er behaupte nicht, daß dies sofort eintreten werde, er glaube vielmehr, die Mächte würden eine derartige Katastrophe so weit als möglich hinausschieben; wenn aber das bisherige Verwaltungssystem fortdauere, könne die Katastrophe nicht ewig verschoben werden. Zur Unterdrückung eines Bürgerkrieges, wie er jetzt entstanden sei, seien Reformen nicht genügend, da⸗ zu bedürfe es einer militärischen Besetzung. Der Schriftwechsel werde zeigen, daß die anderen Mächte keineswegs geneigt ge⸗ wesen 6 eine militärische Besetzung durch England zu er⸗ muthigen, zu unterstützen oder zu dulden. Rußland habe in bestimmten Worten erklärt, daß der Kaiser die Anwendung von Gewalt von seiten Rußlands beanstandet habe und großen Widerwillen dagegen sowie gegen die Anwendung von Gewalt seitens einer andern Macht hege. Lord Salisbury wies den Gedanken zurück, daß England die Armenier gf begebe und daß das europäische Konzert keinen Vortheil für die Christen in der Türkei erreicht habe; selbst die Mächte, welche gegen eine Einmischung mit materiellen Mitteln seien, hätten keines⸗ wegs die Hoffnung aufgegeben, daß durch einen Druck auf den Sultan eine bessere Verwaltung in Klein⸗Asien geschaffen werden könne; dieselben glaubten, daß, falls dem Sultan Zeit gelassen werde, eine Besserung zu gewaͤrtigen sei. Hierauf wurde die Adresse angenommen. ö
Im Unterhause erklärte der Erste Lord des Schatzes Balfour: in Betreff der Absichten der Regierung hinsichtlich der Südafrikanischen Kompagnie werde der Staatssekretär für die Kolonien Chamberlain im Laufe der Besprechung eine Erklärung abgeben. Die bewaffnete Gewalt werde anstatt der Kompagnie einem Beamten übertragen werden. Nach der richterlichen Untersuchung werde noth eine erschöpfende Unter⸗ eln ng der Thätigkeit und der Stellung der Kompagnie er olgen, falls die erstere nicht genügt haben sollte. Die Debatte
dauerte bis Mitternacht und wurde dann vertagt.
Frankreich.
Der Senator Monis brachte, wie, W. T. B. berichtet, in der gestrigen Sitzung des Sengts eine Interpellation in Über den Wechsel der Person des Untersuchungs: ich ters, der mit der . betraut 36. und behauptete, dieser Wechsel sei ungesetzmäßig gewesen. Der ustizMinister Ricard rechtfertigte die Gesetzmäßigkeit hes Ge Monis brachte darauf eine Tagesordnung ein, worin bedauert wird, daß eine Ungesetzmäßigkeit begangen sei. Der Minister-Präsident Bourgeois beantragte hie einfache Tagesordnung, denn die Tagesordnung Monis könnte im Lande den Glauben erwecken, der Senat wolle die Jufhellung der Sache verhindern. Die einfache Tagesordnung wurde mit 158 gegen 85 Stimmen abgelehnt und eine solche nit 161. gegen 5? angenommen, worin die volle Aufhellung her Sache gefordert, aber auch bedauert wird, daß Unregel⸗ mäßigkeiten begangen seien. Darauf wurde die Sitzung ge⸗
ossen.
sth 9 Deputirtenkammer setzte die Berathung des Be⸗ richts über die Eisenbahnkonventionen fort. Der Depu⸗ iirte Pelletan griff Raynal heftig an und drückte sein Er⸗ siaunen darüber aus, daß der Bericht kein einziges Tadelswort für Raynal, der das Land getäuscht habe, enthalte, Raynal' ergin sich darauf in ÄUngriffen wider Pelletan. Der r ler der öffentlichen Arbeiten Guyot-Dessaigne er— flärte, wenn die Zinsgarantie noch im Jahre 1914 bestände, so könnte das Parlament dieselbe ja aufheben. Damit war hie Berathung geschlossen. Bei der Schlußabstimmung wurde der erste Theil des Berichts, in welchem es heißt, daß die Kammer sich über die Abkommen von 1883 nicht äußere und alle Rechte des Staats sich vorbehalte, mit Stimmeneinhellig— leit bei 3560 Abstimmenden angenommen. Der zweite Theil, in welchem erklärt wird, es liege kein Grund vor, Raynal in den Anklagezustand zu versetzen, wurde mit 370 gegen 73 Stimmen genehmigt. Der ganze Bericht wurde alsdann durch Aufheben der Hände angenommen. .
Die Minister Bourgeois, Do umer, Ric ard, Guyot⸗ Dessaigne und Lockroy hielten gestern nach den Sitzungen in der Deputirtenkammer und im Senat eine Konferenz im Palais Bourbon ab. Von der Demission eines der Minister var keine Rede. Wahrscheinlich wird die gestern im Senat verhandelte Frage in der Sitzung der Deputirtenkammer am Donnerstag zur Sprache kommen. . ö.
Der Minister für die Kolonien Guieysse empfing gestern eine Depesche des französischen Residenten in Tang⸗ narivo vom 28. Januar, wonach die Lage dort vollständig befriedigend ist.
Spanien.
Ein Bataillon Infanterie ist gestern von Madrid nach Cadix abgegangen, um sich von dort nach Cuba zu be— geben. Dasselbe wurde mit jubelnden Zurufen begrüßt.
Belgien.
In Brüssel fand gestern im Palais des Grafen von Flandern Galatafel statt, an welcher der König, der Graf und die Gräfin von Flandern, der Herzog von Vendéme und seine Braut, die Prinzessin Henriette, der Prinz Albert von Belgien, die Fürstlichen Gäste sowie sämmtliche in Brüssel beglaubigten Gesandten der fremden Mächte mit ihren Gemahlinnen theilnahmen. Der König führte die Königin von Sachsen, der Prinz Albert die Gräfin Montholon, Gemahlin des französischen Gesandten. Nach dem Diner wurde Cercle abgehalten.
Türkei.
Der französische Botschafter Cam bon erschien am Mon⸗ lag zum ersten Male nach dem ihm vor elf Mongten zuge— stoßenen Unfalle im Yildiz-Palais zum Diner sowie zur Audienz bei dem Sultan, dem er ein den letzten Botschafts⸗ wechsel betreffendes Schreiben des Präsidenten Faure über⸗ reichte. Nach dem Abschluß der Zeitun⸗Angelegenheit wird sich der Botschafter nach Egypten begeben. ;
Wie „W. T. B.“ aus Konstantinopel erfährt, wären da⸗ sebst Nachrichten aus Zeitun eingetroffen, denen af g die Dermittelungsvorschläge zu einem günstigen Abschlusse geführt hätten. Nach der „Agenzia Stefani“ hätten die Fuhrer der Aufständischen folgende Bedingungen zur Ueber— ö. angenommen: I) Auslieferung sämmtlicher Kriegswaffen, le indessen gleichzeitig auch den Mohammedanern, die in der Umgegend wohnen, abgenommen werden sollen. Im Privatbesitz befindliche 2 ug den Eigenthümern belassen bleiben. 2 Allgemeine Umnestie für die Einheimischen mit der alleinigen Ausnahme, daß ein gerichtliches Vorgehen auf dem Klageweg für gemeine Vergehen möglich ist. Einige nicht einheimische Agitatoren sollen ausgewiesen werden. 3 Der Sultan wird die Forderungen der Einwohnerschaft in Erwägung ziehen, wonach gewisse Steuern und Steuerrückstände zu erlassen sind und die zerstörte Kaserne nicht wieder aufgebaut werden soll. h Es wird in Gemäßheit der bereits beschlossenen Reformen ein christlicher Kaimakäm eingesetzt werden. Die Botschafter sollten die Pforte ersuchen, zu erklären, daß sie die Sicherheit der Person und des Eigenthums der Aufstäͤndi⸗ schen formell garantiere. Die Konsuln sollten in Gemein⸗ schaft mit den Behörden die Heimsendung der Aufständischen ordnen und an Ort und Stelle überwachen.
; Serbien.
Der Minister⸗Präsident Novakovic erklärte gestern in der Skupschtina, die rumänische Regierung habe ihre Einwilligung zu dem Bahnanschluß an die Timok⸗-Bahn ge⸗
geben.
Bulgarien. Wie die „Agence Balcanique“ meldet, habe die Regierung aus Konstantinopel die offizielle Mittheilung erhalten, daß der Sultan den Prinzen Ferdinand als Souverän
von Bulgarien anerkannt und den türkischen Botschaftern
bei den Großmächten den Auftrag gegeben habe, die betreffenden Regierungen um ihre Zustimmung zu bitten.
Der J ist gestern aus Kon⸗ stantinopel nach Sosia zurückgekehrt und auf dem Bahnhof von , Ministern empfangen worden. Ein zahl⸗ reiches Publikum brachte ihm bei seinem Eintreffen Ovationen dar. — Der bulgarische Exarch traf gestern Nachmittag ein. Derselbe wurde von sämmtlichen Ministern, einem
lügel-Adjutanten sowie der hohen Geistlichkeit empfangen und von einer zahlreichen enge begeistert begruͤßt. Der Erarch begab sich zunächst mit dem Minister⸗Präsidenten Stoilow in einer Hofequipage zu einem kurzen Gottesdienst
in die Kirche, dann in das Palais des Metropoliten und von
dort zur Audienz nach dem Palais des Prinzen. Die Session der Sobranje ist bis zum 4/16. Februar verlängert worden.
Amerika.
Der General Weyler hielt gestern bei seiner Ankunft in Havanna Ansprachen an die Behörden, worin er ausführte, daß er, solange der Krieg dauere, keinerlei politische Unter⸗ scheidung machen werde; für ihn gebe es nur Spanier und Separatisten.
Asien.
i , , . ang und Shaoyu⸗Lien werden, wie das „Reuter'sche Bureau“ aus Peking berichtet, als außerordent⸗ liche Gesandte des Kaisers von China der Krönung des Kaisers von Rußland in Moskau beiwohnen. — Tschang-Hin-Huan ist zur Fortführung der Unterhand⸗ lungen behufs Abschlusses des Handelsvertrags mit Japan bestimmt worden. Das Abkommen, betreffend die Eröffnung des West River für den Handel, welchem China bereits bedingungsweise zugestimmt hat, ist nunmehr definitiv abgeschlossen worden.
Afrika.
Die „Agenzia Stefani“ meldet aus Entiscio vom Montag: Der General Baratieri habe eine Rekognoscierung bis in die Linie der äußersten Vorposten unternommen. Die Stellung des Feindes sei immer noch dieselbe, in zwei Lager getheilte. Man bemerke die zahlreichen Zelte des ersten Lagers auf einer weiten Fläche zwischen zwei Bergen. Ungefähr 4 km rückwärts sehe man das andere Lager, dasjenige Me⸗ nelik's, durch Hügel gedeckt. Der Feind unternehme Streif⸗ züge bis in die Nähe von Adua.
Die Grenzen der Niederlassung Disgo Suarez', welche durch die Festsetzungen des am 1. Oktober 1895 zu Tananarivo abgeschlossenen Friedens erweitert worden sind, werden, der „France militaire“ zufolge, gegenwärtig durch eine von den beiden Vertragsmächten zu diesem Zweck an Ort und Stelle entsendete Abordnung genau bestimmt. Disgo Suarez wird bis zu 12,45 Grad südlicher Breite reichen und der Scheidelinie zwischen dem französischen und dem mada—⸗ gassischen Staat, in der Umgegend von Port Luquez an der Dstküste beginnend, dem Laufe des Luky⸗Flusses folgen, das Ambregebirge einschließen und den Mananseba⸗Fluß entlang und der Insel Nossi Mitsiu gegenüber die Westkuͤste erreichen.
Parlamentarische Nachrichten.
Die Berichte über die gestrigen Sitzungen des Reichs⸗ tags und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten Beilage.
— In der heutigen (38.) , des Reichstags, welcher der Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher beiwohnte, stand zunächst auf der Tages⸗ ordnung folgende Interpellation der Abgg. Freiherr von Heyl (nl,) und Genossen: (Im Verfolg dez Beschlusses des Reichstags vom 11. Mai 18859 sind dem Reichstag am 29. April 1837 die Ergeb⸗ nisse der von den Bundesregierungen angestellten Ermltte⸗ lungen über die Lohnverhältnisse der Arbeiterinnen der Wäschefabrikation und der Konfektionsbranche, sowie über den Verkauf oder die Lieferung von Arbeitsmaterial (Näh⸗ faden zꝛc) seitens der Arbeitgeber an die Arbeiterinnen und über die Höhe der dabei berechneten Preise zugegangen. Nachdem sich die Lage dieser Arbeiterinnen seit jener Zeit noch ungünstiger gestaltet hat, richten die Unterzeichneten die Anfrage an die verbündeten Regierungen, welche gesetzgeberischen Maßnahmen dieselben zum Schutz fr Gesundheit und Sittlichkeit und gegen Ausbeutung dieser Arbeiterinnen durch das Trucksystem zu ergreifen beabsichtigen?“ Der Staatssekretär des Innern, Staats⸗-Minister Dr. von Boetticher erklärte sich zur sofortigen Beantwortung bereit. Das Wort nahm zuerst der Abg. Freiherr von Heyl (nl,), dessen Rede bei Schluß des Blattes noch fortdauerte.
— In der heutigen (18.) Sitzung des Hau ses der Abgeordneten wurden zunächst die Abgg. Biesenbach, chnisc) Hauptmann, von Heydebreck, Horn, von Knapp, Krings, Langer, Latacz und Schulz-Berlin, welche den ver— fassungsmäßigen Eid noch nicht geleistet haben, in der üblichen, feierlichen Form vereidigt.
In dritter Berathung wurde darauf der Gesetzentwurf, betreffend eine Ermäßigung der Gebühren bei der ersten Anlegung der Register für Binnenschiffe, ohne Debatte angenommen. ;
Sodann wurde die Wahl des Aog. Du rLach G. Lüneburg) dem Antrag der Wahlprüfungskommission gemäß für gültig erklärt.
Ueber die Petitionen des Destillateurs Radziejewski in Oels um Rückzahlung eines Stempelbetrags, sowie des Waldwärters a. D. Casper in Wiesbaden um Gewährung einer Pension oder um Wieder⸗ aufnahme in den Forstdienst ging das Haus zur Tagesordnung über.
Die Petition des Kanzleigehilfen Hansen in Schleswig um An⸗ stellung im Justijdienst wurde, entgegen dem Antrage der Justiz- Kommission, auf Vorschlag des Abg. Christ oph er sen (fr. kons.) der Regierung zur Erwägung überwiesen.
Ueber die Petition des Hofbesitzers Grote in Hohenhameln und Anderer um Aenderung der Kreisordnung für die Provinz 8 dahin, daß die Scheidung zwischen den Verbänden der
roßgrundbesitzer und Landgemeinden bei der Wahl der Kreistags⸗ abge ordneten aufgehoben werde, beantragte die Gemeinde⸗Kommission zur Tagesordnung überzugehen. — .
Abg. Langerhans (fr. Va.: Schon bei der Einführung der Kreisordnung in den neueren Provinzen wünschten wir, den Unterschied zwischen Groß und Kleingrundbesitz aufzuheben. Es wäre vielleicht jetzt die Jeit, dies zu beantragen, weil die Großgrundbesitzer immer behaupten, sie verträten die Interessen der Kleinbesitzer. Wir sind heute noch derselben Meinung wie früher, ich stehe aber von einem Antrage ab. ;
Das Haus beschloß den Uebergang zur Tagesordnung.
Darauf wurde die zweite Berathung des Staatshaus⸗ halts⸗Etats für 1896,97 fortgesetzt.
Die Etats der Lotterieverwaltung, des See⸗
andlungsinstituts, der Münzverwaltung, des ureaus des Staats-Ministeriums wurden ohne
Debatte bewilligt. ᷣ J
Bei dem Etat der Staats-Archive wünschte
Abg. Freiherr von Heereman (Sent), daß die rchivbeamten nicht fo haufig nach anderen Stationen versetzt werden, weil sie ihre Thätigkeit nur förderlich ausüben könnten, wenn sie durch lange Erfahrung genaue Kenntniß von Land und Lzuten in den Landestheilen hätten, wo fie angestellt selen; er bitte die Archivperwaltung, nament⸗ lich die Vorsteher der einzelnen Staatsarchive in] den] Provinzen dauernd an ihren Stellen zu lassen. , el
SBerichterstatter Abg. von Bockelberg machte nähere Mit-
theilungen über die Neuregelung der Gehälter der Archivbeamten.
Abg. Graf zu Limburg-⸗Stir um empfahl einige Aenderungen in den höheren Stellen der Archivbeamten und wünschte eine weitere Aufbesserung der Assistenten.
bg. Dr. Friedberg (ul.) begrüßte die Besserstellung der Archiv⸗ beamten mit Freuden, bedauerte aber, daß sie noch immer nicht mit den Bipliotheksbeamten leichgestellt sind und daß durch die geplante neue Organisatlon die alte bewährte Or- anifation der Staatsarchive umgestoßen werde. Man solle der nregung des Abg. Grafen Limburg Folge, leisten. Die Rangver⸗ pale f der Archivbeamten seien noch in keiner Weise geregelt. Das Maximalgehalt erreichen die Archivbeamten erst mit dem 62. Lebeng- jahre. Den Assistenten müsse die Dienstzeit als Assistent bei Berech⸗ nung des Dienstalters mit angerechnet werden. .
Geheimer Ober ⸗Regierungs-⸗Rath von Rheinbaben erwiderte, daß die neue Regelung der Gehaltsverhältnisse der Archivbeamten diesen zum Vortheil gereiche. Eine völlige Gleichstellung in der ganzen Monarchie ist nicht möglich. Den Wünschen der Beamten werde hoffentlich im nächsten Jahre noch weiter Rechnung getragen werden können.
Abg. Gothein (fr. Vs.): Die Archivbeamten haben keine 1 . haben aber darum auch länger als andere
eamten auf Aufbesserung warten müssen und auch jetzt noch nicht viel mehr erreicht. Sie müssen so lange auf Anstellung warten, da sie erst mit 6 Jahren das Höchstgehalt erreichen. Redner empfah deshalb eine Vermehrung der etatsmäßigen Stellen,
Nach einigen weiteren Bemerkungen der Abgg. Dr. Fried⸗ berg und Sattler (nl. sowie des Geheimen Ober⸗ . Lehnert und des Geheimen Ober⸗Regierungs⸗ Raths von Rheinbaben wurde der Etat der Staatsarchive bewilligt.
Die Etats der General-Ordenskommission, des
Geheimen Zivilkabinets und der Ober⸗-⸗Rechnungs⸗ kammer wurden ohne Debatte bewilligt. Beim Etat der Prüfungskommission für höhere Verwaltungsbeamte , Abg. Freiherr von Richthofen (kons.) das geplante neue Reglement für den Vorbereitungsdienst der höheren Verwaltungs⸗ beamten. Er halte es für nöthig, daß sich die Assessoren auch mit den Zweigen des praktischen Lebens, wie Landwirthschaft, Bankwesen und Genossenschaftswesen, beschäftigen.
Die Etats des Disciplinarhofs, des Gerichtshofs zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte, des Ge⸗ k in Berlin, des Deutschen
Reichs- und Preußischen Staats-AUnzeigers, der Landesvermessung und des Ha uses der Abgeordneten wurden ohne Debatte bewilligt. ;
Beim Etat des k auses bemerkte
Abg. Dr. Friedberg (nl. ): Die Zeitungsnachricht, daß dem Familienverbande der Puttkamer ein Sitz im Herrenhause verliehen sei, hat Erstaunen in bürgerlichen Kreisen hervorgerufen; man meint, daß der Großgrundbesitz dort genügend vertreten ist, während korpo—⸗ rative Verbände und das bürgerliche Leben keine genügende Ver- tretung haben. Ich will den Werth eines Oberhauses nicht unter⸗ schätzen, ich halte dieses für werthvoll für das politische Leben; aber wenn eine solche erste Kammer ihren Zweck erfüllen soll, muß sie in sich enthalten alle hervorragenden wirthschaftlichen und geistigen Kräfte des Volks und ferner die Vertreter hervorragender korporativer Verbände. Darin liegt der Werth eines von der Volkswahl unabhängigen Hauses. Die jetzige Zusammen - een des Herrenhauses entspricht diesen Anforderungen nicht.
ir haben darin eine übertriebene Vertretung des Großgrundbesitzes, eine Vertretung der Städte in unvollkommenem und unzureichendem Maße nach der Bedeutung der Städte, eine Fülle von ehemaligen Beamten, eine Vertretung von Universitäten, aber wir haben beispielsweise gar nicht eine Vertretung von Handel und Industrie, die in Bezug auf die. Bedeutung des Erwerbslebens der Landwirthschaft nicht nachsteht; der Groß- handel ist garnicht vertreten im Herrenhause, die Industrie lediglich durch den . von Stumm, der aber vielleicht ebenso als Grundbesitzer in Frage kommt, und auch wichtige sittliche und geistige Verbände und Korporationen unseres Vaterlandes sind unzulänglich ver⸗ treten; eine dieser hervorragenden Korporationen, die katholische Kirche, ist lediglich durch einen Bischof, die protestantische Kirche — das ist auch ein Beitrag zur Paritätsfrage — überhaupt nicht vertreten. Die Städte sind lange nicht im Verhältniß zu ihrer Bedeutung im Oberhause vertreten. Die Verfassung giebt uns das Mittel an die Hand, diese Zustände zu berücksichtigen, ohne daß eine Reform des Verfassungslebens in Aussicht zu nehmen ist. Wir haben in anderen Ländern eine Oberhausbewegung, bei uns noch nicht. Die Uebel⸗ stände lassen sich ausgleichen innerhalb der Verfassung durch die Be⸗ rufung von Vertretern von Handel und Industrie und der korporativen Verbände. Es könnte mir vielleicht der Einwand gemacht werden, daß diese Frage zu den Prärogativen der Krone gehört und daher nicht zu erörtern ist. Ich würde einer solchen Auffafsung auf das allerentschiedenste, widersprechen. Die Berufung in das Herrenhaus ist ein rein politischer Akt, der unter der Verantwortlichkeit des Staats⸗Ministeriums erfolgt. Des- halb ist es gerechtfertigt, wenn ich das Staats⸗Ministerium ersuche, bei der Krone eine geeignete Vertretung im Herrenhause anzuregen.
Abg. Graf zu Lim burg⸗Stirum (kons.): Ich will dem Abg. Friedberg nicht das Recht 2 hier den Wunsch auszusprechen, daß Berufungen ins Herrenhaus eintreten möchten in der Weise, daß mehr Industrielle hineingelangten. Es ist ja nicht zu ver⸗ kennen. daß die Berufung ins Herrenhaus, unter Kontrasignatur der Minister erfolgt und daß deshalb hier auch darüber ge⸗ sprochen werden kann. Aber wenn ich das vorausgeschickt habe, so muß ich doch darauf das Gewicht legen, daß es entschieden eine
rärogative der Krone ist, in letzter Instanz darüber zu ent⸗ cheiden, wen der Souverän in das Herrenhaus berufen will und wen nicht. Die Wünsche können ja vorge⸗ tragen werden, und, ich, kann mir den Fall denken, daß von seiten des Ministeriums gewünscht wird, daß jemand berufen wird, daß aber Seine Irie ts den Betreffenden nicht haben will, und umgekehrt. Wie die Verhältnisse bei uns sind, wird doch der persönliche Wille des Souperäng der allein maßgebende bleiben. Nachdem ich das festgestellt habe, glaube ich weiteres nicht bemerken zu müssen. 2
Der Etat des Herrenhauses wurde bewilligt.
Schluß 11½ Uhr. Nächste Sitzung Freitag 1 Uhr. (Etats der direkten Steuern, der Bergverwaltung ꝛc.)
Kunst und Wissenschaft.
Der Universitäts⸗ Professor Salvioni in Perugig hat, wie W. T. B.“ meldet, ein Instrument erfunden, welches die Röntgen'schen Strahlen fär das menschliche Lugewahrnehmbar macht. Dasselbe hat den Namen Kryptoskop' erhalten. Man soll mit Hilfe desselben im stande sein, in den Geweben des menschlichen Körpers befindliche Fremdkörper unmittelbar, auch ohne Anwendung von Photographien, deutlich wahrzunehmen. — Gleich⸗ eitig sei hierbei mitgetheilt, daß eine wohlgelungene chirurgische ö . Röntgen'scher Strahlen in voriger Woche in Berlin stattgefunden hat. Eine Frau hatte sich vor zwei Monaten eine Nähnadel in die rechte Hand (Kleinfingerballen) . Die selbe brach beim Stoß ab und war e, Ur ann waren die Beschwerden gering, dann aber stellten mer ein, die bis in den rechten Oberarm augstrahlten, von i Heftigkeit waren und dringend Hilfe erheischten. en