1896 / 48 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 24 Feb 1896 18:00:01 GMT) scan diff

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Bei den Einnahmen aus dem Personen, und Gepäckverkehr 2733 700 006 S —, 18 300 009 S mehr als im Vorjahre, referiert ö der Berichtestatter der Budgetkommission Abg. Pr. Sattler über die Kommissions⸗ verhandlungen.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen: Meine Herren! Ich bitte mir, wie in den Vorjahren, gestatten

U wollen, den ausführlichen einleitenden Bemerkungen des Herrn . auch meinerseits noch Einiges hinzufügen zu dürfen, welches

jäͤr die Berathung des Gtatz vielleicht von Juteresse sein wird. Ich

möchte dabei anknüpfen an diejenigen Mittheilungen, die ich Ihnen im vorigen Jahre gemacht habe.

Als im vorigen Jahre der Etat für 1895/96 zur weiten Lesung bier vorlag, war ein Vierteljahr des Etatsjahres 1894135 noch vor uns; es konnten mithin die Ergebni e des Jahres 1894/95 Ihnen noch nicht als vollständig abgerechne. mit; getheilt werden; das letzte Vierteljahr mußte geschätzt wercden. Es war damals ein Ueberschuß im Etat veranschlagt von 371 300 000 , Von mir wurde damals der wirkliche Ueberschuß am 12 Millionen höher geschätzt. Die endgültige Abrechuung hat einen Mehrüberschuß von 14 Millionen gebracht. Meine Schãtzu ag hielt sich vorsichtiger⸗ weise um 2 Millionen niedriger. In Warklichkeit war der Ueberschuß aber noch um weitere 22 400 0: 4 guünstiger aus Gründen, welche ich bei meiner Schätzung damals auch angeführt habe, Diese Absetzung von 22 400 900 M wurde nothwendig zur Durchführung der neuen Etats und Rechnungdvorschriften, mit denen das hohe Haus sich einverstanden erklärt hatte. Da nach diesen Vorschriften Frachten für Betriebsdienstgüter nicht mehr berechnet und Altmaterialien nicht mehr bewerthet werden sollen, so mußten die Frachten der am Schlusse des Jahres vorhandenen neuen Materialien und die Werthe der am Schlusse des Jahres vorhandenen alten Materialien insgesammt 22 400 000 6 von den Gesammteinnahmen des Jahres 1894 / 9h wieder abgesetzt werden. Ich bitte, diese Daten auch bei den folgenden Bemerkungen, die sich auf das Jahr 1895/96 bezw. auf unseren vor⸗ liegenden Etat beziehen, im Sinne zu behalten.

Gegen den Etat trat also durch diese Absetzung von 22 400 000 M anstatt der Mehreinnahme eigentlich eine Minus—⸗ einnahme von 6 300 000 M ein. Wenn trotzdem der Ueberschuß sich in Wirklichkeit um 14 Millionen gegen den Anschlag erhöht hat, so beruht das darin, daß es möglich war, die Ausgaben um 20 400 000 zu ermäßigen. Es kam, wie schon der Herr Referent be—⸗ merkte, dabei ein Betriebskoeffizient heraus, je nachdem man die 22 400 000 A hineinrechnet oder nicht, von b9, 68 oder 58, 32 0 / . Gegen die rechnungsmäßigen Zahlen von 1893/94 gestaltet sich indessen die Sachlage so, daß die rechnungsmäßigen Einnahmen um 16 Millionen höher waren, die Ausgaben aber trotz dieser erheblichen Mehreinnahme um 8 639 000 4M niedriger.

Meine Herren, wenn ich mich nun zu dem laufenden Jahre 1895,96 wende, so habe ich zunächst vorauszuschicken, daß die Vergleichung des laufenden Jahres mit dem abgeschlossenen Jahre 1894/95 dadurch außerordentlich erschwert wird, daß wir mit dem 1. April 1896 in eine neue Organisation, in völlig verãnderte Rechnungs⸗ und Finanzvorschriften und in ein ganz neues Etatsschema eingetreten sind. Es haben des—⸗ wegen, um richtige Vergleiche herbeizuführen, die Zahlen des Rech⸗ nung jahres 1894/95, nach dem neuen Etatsschema umgerechnet werden müssen, um mit dem Jahre 1895/96 vergleichsfähig zu sein. Es stehen in diesem Jahre allerdings nicht mehr wie im vorigen Jahre noch drei Monate bezüglich der Einnahmen und Ausgaben offen, sondern nur noch zwei. Trotzdem aber bitte ich, die Schätzung, die ich meinerseits Ihnen mittheilen will, doch mit einiger Vorsicht auf⸗ zunehmen. Mit einiger Vorsicht einmal nach der Richtung hin, daß wir ja nicht wissen können, was die beiden letzten Monate noch an Einnahmen bringen; sodann, weil in diesem Jahre infolge der Uebergangsperiode aus der alten Organisation in die neue die definitiven Abrechnungen der Ver⸗ kehrseinnahmen naturgemäß etwas weiter zurückgeblieben sind, als das in den früheren normalen Jahren der Fall war, und drittens, weil wir auch nicht in der Lage sind, die Ausgaben schon jetzt so bestimmt zu übersehen, um ganz feste, zuverlässige Zahlen zu haben. Nichts destoweniger habe ich die persönliche Ueberzeugung, daß der definitive Rechnungkabschluß noch günstiger sein wird, als er heute von mir mit Vorsicht geschätzt werden kann.

Dies vorausgeschickt, möchte ich mir nun gestatten, Ihnen die wichtigsten Zahlen zu nennen. Veranschlagt ist das laufende Jahr in den Einnahmen auf 980 61 000 A; wir schätzen die Verkehrseinnahmen auf 1005 Millionen, also plus 24 Millionen. Es ist das ein ge— wisser Abschnitt in der Staats⸗Eisenbahnverwaltung. Zum ersten Mal überschreiten wir in den Einnahmen die Milliarde. Das ist ein großes Wort und bedeutet für die preußischen Finanzen auch eine wichtige Thatsache. Feiern wollen wir zwar diese Thatsache nicht und wir wollen auch nicht weiter damit prunken, denn wir wissen bei der Staats Eisenbahnverwaltung ganz genau, daß wir im Großen und Ganzen auf die Einnahmen doch nur einen geringen Einfluß aus— üben können, daß das von Faktoren abhängt, deren wir nicht Herr sind. Aber, meine Herren, erfreulich ist es doch, aber nicht bloß für uns Leute der Staats. Eisenbahnverwaltung, sondern auch für das ganze Land, erfreulich hauptsächlich aus dem Grunde, weil die Steige⸗ rung der Verkehrseinnahmen bei der Staats- Eisenbahnverwaltung ein ziemlich zuverlässiger Barometer dafür ist, daß unsere wirthschaftlichen Verhältnisse wenigstens in Handel und Industrie gesund sind und in gedeihlicher Entwickelung begriffen sind. (Sehr wahr!) Hoffen wir, daß wir das in naher Zukunft auch von der Landwirthschaft sagen können, dann werden jedenfalls die Einnahmen und die Ueberschüsse der Staate ⸗Eisenbahnverwaltung sich noch günstiger gestalten, als das heute der Fall ist.

Trotz der sehr erheblichen Mehreinnahmen rechnen wir nur auf eine Million Mehrausgaben. Es ergiebt sich danach ein Mehr— Üüberschuß von 23 Millionen Mark. Wie gesagt, ich kann mich ja täuschen, aber ich habe die Empfindung, daß es wohl noch einige Millionen mehr werden. .

Der Herr Finanz ⸗Minister hat bei der ersten Lesung den Mehr⸗ Üüberschuß auf 16 bis 17 Millionen angenommen, zu gleicher Zeit auch damals schon bemerkt, daß voraussichtlich der Abschluß noch günstiger werden wird. Die Differenz zwischen den damaligen Angaben des Finanz⸗ Ministers und meinen heutigen Angaben liegt eben darin, daß inzwischen die definitive Berechnung der Einnahmen sich günstiger gestaltet hat, und daß seitdem zwei Monate ins Land gegangen sind, die beide sich sehr günftig entwickelt haben. Namentlich hat der

Güterverkehr iu den letzten beiden Monaten ganz erheblich Hoher Erträge abgeworfen. ; 9 ö.

Sind die von mir angegebenen ern richtig,. buchmäßiger Mehrüberschuß gegen 1894/95 9 i , * wenn man die im Eingang meiner ,. n,, 29 100 G ö. absetzt, noch von 29 500 000 M, ;

2 w , von 1896/86 gestaltet sich auf S6, 49, ist Alo, wenn M, nur dat Jahr 1801592 hier zum Vergleich anziehe und nit. welter zurückgehe, von 6häo/ o auf b, 49, also um 8,5 oso herunter gegangen, gegen den Kosffizienten des Jahres 1894 / 96 voraussichtlich um 2,3 0 s.

Meine Herren, diese Zahlen sind meines Erachtens noch erfreu⸗ lich als die Steigerung der Einnahmen, sie bringen den Bewels oafür, daß innerhalb der Verwaltung mit Vorsicht und Sparsam keit gewirthschaftet worden ist, und ich meine, in der Beziehung dürfte ich wohl im Namen der Staatseisenbahn · Verwaltung ohne Ueberhebung aus⸗ sprechen, daß wir auf dieses Resultat einigermaßen stolz sind. Dies Res ullat hat aber nur erreicht werden können dadurch, daß sämmtliche mir unter stellte Beamten aller Dienstzweige in treuester Pflichterfüllung mit einer Berufsfreudigkeit und persönlichen Opferfreudigkeit sondergleichen nicht nur ihre Schuldigkeit gethan, sondern weit darüber hinaus bestrebt gewesen sind, an ihrem Theil und an ihrer Stelle die hohen Aufgaben mit zu erfüllen, die der Staatzeisenbahn Verwaltung in unserem Lande gestellt worden sind. (Bravo!)

Meine Herren, ich hoffe, daß die Zeit auch nicht mehr fern sein wird, wo die allgemeine Finanzlage es gestatten wird, diesen Dank thatsächlicher auszudrücken dadurch, daß diejenigen Beamtenkategorien, die in ihren Gehältern noch zurückgeblieben sind, eine angemessene Aufbesserung erfahren. (Bravo!) .

Ich darf dann noch hinzufügen, daß die thüringenschen Eisen⸗ bahnen, die wir im vorigen Jahre verstaatlicht haben, auch ihrerseits im laufenden Etatsjahr gute Ergebnisse erwarten lassen. Es läßt sich jetzt schon mit Sicherheit übersehen, daß die Verstaatlichung der thüringenschen Bahnen nicht nur ein Segen für die betreffenden Lande und für die bei den betreffenden Bahnen beschäftigten Beamten gewesen ist, sondern daß auch der preußische Staat durch den Betrieb dieser Bahnen in seinen Verhältnissen keineswegs eine Verschlechterung erfahren hat.

Ich möchte dabei zugleich mir die Bemerkung gestatten, daß die Ueberführung der Privatbahnen in das Staatsbahnsystem sich überall glatt vollzogen hat, daß wir überall bereitwilliges Entgegenkommen und offenes Verständniß gefunden haben. Insbesondere kann ich mit besonderem Dank anerkennen, daß dies bei den betheiligten Bundes⸗ regierungen sowohl wie bei den ihnen unterstellten Behörden der Fall gewesen ist.

Meine Herren, ich wende mich nun zu dem Ihnen vorliegenden Etat ven 1896/97. Die Einnahmen sind veranschlagt zu 1020 Millionen Mark. Das ist gegen den Etat von 1895/96 ein Plus pon 40 Millionen, gegen die Wirklichkeit, gegen 189495 ein Plus von 75 Millionen Mark und wiederum nach Abzug der 22,4 von 52 Millionen Mark. Die Ausgaben sind veranschlagt auf S0 453 00 4νé; das ergiebt gegen den Etat von 1885ñ96 ein Plus pon 14 Millionen, gegen die Wirklichkeit, gegen 1894jñ95 ein Plus von 20 Millionen demnach ein Ueberschuß von 440 138 000 , also gegen den Etat 1896/96 ein Plus von 26 Millionen, gegen die Wirklichkeit, gegen 1894.‚95 ein Plus von 56 Millionen, beziehungs⸗ weise ein Plus von 32 Millionen Mark. Der Betriebskoöffizient beziffert sich dann auf 56,88 bei der Veranschlagung, also ist der Betriebskoöffizient um einen Bruchtheil böher geworden als der Etat, beziehungsweise in der Wirklichkeit für 1895ñ‚96. Es ist das natürlich, denn bei der Veranschlagung des Etats 1896/97 sind wir, wie ich glaube sagen zu dürfen und wie auch die Budgetkommission anerkannt hat, sowohl bei den Einnahmen wie bei den Ausgaben mit der nöthigen Vorsicht verfahren.

Meine Herren, ich möchte mir nun gestatten, dieser Uebersicht auch in diesem Jahre einige allgemeine Bemerkungen anzufügen. Wir haben seit einigen Jahren ein System beobachtet, das in seinen Ergebnissen sich als außerordentlich vortheilbaft erwies. Dies System besteht darin, daß im Bereiche der technischen Ausgabetitel 8 und 9 zu Anfang des Jahres ein gewisser Theil der Ausgaben einstweilen zurückgehalten wird, dessen Freigabe im Laufe des Jahres dann er⸗ folgt, wenn neuerdings geprüft worden ist, daß der betreffende Zweck noch jetzt als ein durch die Umstände gebotener und als ein dringlicher anzuerkennen ist. Infolge dieses Systems ist die Staatseisenbahn⸗ Verwaltung einmal vor unliebsamen Ueberraschungen durch Etats— überschreitungen, die sie nicht hat vorhersehen können, die am Ende des Jahres erst eintreten, bewahrt. Sie hat aber zweitens und darauf lege ich den Hauptnachdruck in allen ihren Organen die Ueber⸗ zeugung und das Bewußtsein gestärkt, daß das Geld nicht auszugeben ist, weil es im Etat steht, sondern daß das Geld nur ausgegeben werden darf, wenn zu der gegebenen Zeit auch wirklich ein Bedürfniß dafür noch besteht. Es bat sich infolgedessen ich muß das rühmend anerkennen in allen Organen ein erhöhtes Bestreben gezeigt, sich jeder Zeit über den Stand der Ausgaben und auch darüber im Klaren zu halten, ob die betreffende im Etat vorgesehene Ausgabe auch nach dem Stande der zeitigen Verhältnisse noch als nothwendig und dringend anzusehen ist. Die Erfahrungen, die hiermit gemacht worden sind, werden mich veranlassen unter voller Zustimmung des Herrn Finanz⸗Ministers, wie ich bemerken muß auch in Zukunft dieses System thunlichst beizubehalten.

Meine Herren, es liegt sehr nahe, daß bei diesen günstigen Er— gebnissen der Staatseisenbahn⸗Verwaltung und namentlich bei den sehr erheblichen Ersparungen an Ausgaben gefragt wird, ob nun bei diesen Ersparnissen auch das Nöthige geschehen ist, um die Anlagen und die Betriebsmittel der Bahn in demjenigen Zustand zu erhalten und sie zu ergänzen, wie das Verkehrsbedürfniß und die Rücksicht auf die Betriebesicherheit und die Betriebsregelmäßigkeit dies erfordert. Meine Herren, ich bin verpflichtet, auf diese allerdings mir noch nicht gestellte, aber doch wahrscheinlich bei einem großen Theil der Mit- glieder dieses hohen Hauses latent vorhandene Frage schon jetzt eine Antwort ju erthellen. Ich kann diese Frage mit gutem Gewissen bejahen; ja, es ist das Nöthige geschehen, und es sind die Mittel des laufenden Etats nicht geschont worden, um Ausgaben zu machen, die als nothwendig für Verkehr und Betrieb sich ergeben haben. Ja noch mehr. Es ist aus den Mitteln des laufenden Etats für Unterhaltung und Erneuerung der Bahnanlagen und Betriebs⸗ mittel erheblich mehr in den letzten Jahren geschehen, als auch nach strengen Rechnungs⸗ und Wirthschaftsgrundsätzen zu leisten gewesen wäre. Ich gestatte mir, Ihnen einige Zahlen dafür anzuführen.

In den letzten 10 Etatsjahren sind aus den Mitteln des

Ordinarlums des Gtats beschafft os0 Lokomotiven, 1469 Perfonen. wagen und 16638 Güterwagen über den Ersatz des Ab gangtz hinaus, also über diejenige Ziffer hinaus, die lediglich zur Grgãn· zung des vorhandenen Bestandes hingereicht hätte. Es ist daß eint reine Melioration, die allerdings ein vorsichtiger Wirthschafts führer namentlich in guten Jahren ja gewiß nicht versäumen wird.

Bei der Erneuerung des Oberbaues sind in den letzten zehn Jahren aus dem Ordinarium 13 328 km durchgehend Geleise erneuert worden. Wir sind jetzt so weit gekommen, daß 92, 500 o aller unserer durchgehenden Geleise Stahlschienen haben. Aus dem Extraordina. rium und aus den Baumitteln sind naturlicherweise noch ganz andere Summen aufgewendet worden, die sehr erheblich sind. Ich will, um hier nicht zu weitläufig zu werden, verzichten, diese Summen anzu⸗

eben.

! Meine Herren, ich darf dabei noch hervorheben, daß es der Staatz. Eisenbahnverwaltung möglich gewesen ist, alle diese Ergänzungen und Erneuerungen des Betriebs materials des Oberbaues aug deutschen Produktionsstätten zu beziehen (Bravo h, daß wir diese Materialien bezogen haben, sowohl die Betriebsmaterialien wie die Schienen und die eisernen Schwellen zu Preisen, wie wir sie auch nicht billiger vom Auslande hätten beziehen können.

Meine Herren, leider liegt noch heute dieses Verhältniß bezüglich der Holzschwellen ebenso ungünstig wie früher. Trotz aller unserer Bemühungen und deren haben wir es nicht fehlen lassen ist es uns nicht möglich gewesen, auch nur einen erheblichen Theil unseres Bedarfs an Holzschwellen aus dem Inlande zu beziehen. Es liegt das in den Verhältnissen, die, wie es scheint, sehr schwer zu überwinden sind. Eine der Haupifragen dabei ist und darauf muß ich jedes Jahr hier aufmerksam machen ob es endlich gelingen wird, das Buchenholz zu Eisenbahnschwellen mit Erfolg zu verwenden. Es finden augenblicklich größere Versuche statt, und es scheint fast so, als ob wir in dieser Frage etwas weiter kommen sollten. ]

Der Herr Referent hat bereits ausgeführt, daß nach den Mit- theilungen, die in der Budgetkommission seitens der Vertreter der Staatsregierung gemacht worden sind, man wohl sagen darf, die Neuorganisation hat soweit sich das bis jetzt übersehen läßt, wir haben ja noch nicht einmal ein volles Jahr, innerhalb dessen wir in der neuen Organisation gewirthschaftet haben den Erwartungen entsprochen, die bei der Einführung der Organisation von mir ausgesprochen worden sind. Die Uebergangszeit ist für unt alle eine außerordentlich schwere gewesen. Sie hat uns alle, vom Minister bis zum geringsten Bureaudiätar, mit außerordentlicher Arbeit belastet und auch mit mancher Sorge erfüllt. Wir können sagen: Gott sei Dank, über diese Periode sind wir nun hinweg. Der Uebergang wurde in mancher Beziehung dadurch erschwert, daß wir in ver— schiedenen Theilen des Landes sehr gesteigerten Ansprüchen des Verkehr haben gerecht werden müssen. Ich erinnere nur an die Festlichteiten und den Zuzug ganz Deutschlands nach Friedrichsruh, ich erinnere an die Eröffnung des Kaiser Wilhelm Kanals, an die Feiem auf den Schlachtfeldern in Elsaß⸗Lothringen, an die großen Manöver, die im vorigen Jahre stattgehabt haben, ich erinnere endlich an die plötzliche Verkehrssteigerung im Güterverleh Was das letztere betrifft, so kann uns ja eingewendet werden: be vn Gelegenheit habt ihr euch doch nicht so bewährt, wie im Lande a. wartet wurde, es ist Wagenmangel eingetreten. Aber ich meine, in Großen und Ganzen hat der gesammte Organismus der Staaßtk⸗ Eisenbahnverwaltung den Anforderungen voll genügt, und es bat sich nach keiner Seite hin fühlbar gemacht, welche außerordentlichen Ver⸗ änderungen innerhalb der Staats ⸗Eisenbahnverwaltung seit den 1. April 1895 vorgegangen sind.

Meine Herren, wenn ich nun auf die äußeren Folgen mit einige Worten zurückkommen darf, so ist schon bei der Berathung der neun Organisation von mir angeführt worden, daß eine wesentliche Ver minderung der Bediensteten durch die Neuorganisation herbeigeführt werden würde. Wir beschäftigen augenblicklich 3150 Bedienstete weniger als zu der Zeit, wo wir die ersten Vorarbeiten für die neue Organisation in die Hand nahmen, das ist seit dem Jahn 1892. Wir beschäftigen 3150 Beamte weniger, trotzdem, den seit der Zeit das Staatseisenbahnnetz um 2100 km zugenommen hät, und trotzdem, daß der Verkehr, wie die vorhin genannten Zahlen be— stätigen, ganz erheblich gesteigert worden ist. Dieses Minus an Beamtenkräften ist wesentlich gespart worden im eigentlichen Burear, dienst; im Verkehrs und Betriebsdienst nur zum ganz geringen Thill. Der eigentlich bureaukratische Theil der Verwaltung hat diese Krãͤste hergeben müssen und hat sie auch, wie der Erfolg zeigt, hergeben können. .

Der Minderaufwand für diese 3150 Beamten beläuft sich auf etwa? Millionen Mark, davon kommen schon jetzt 4 Millionen zu vollen Geltung; der Rest ist anzurechnen auf die Diexositions gehältet und tritt erst allmählich in die Erscheinung.

Die Bildung der Direktionsbezirke war eine der chwierigsten Aufgaben, die bei der neuen Organisation zu lösen waren. Wir hatten Rũchsibt zu nehmen auf Verkehrsgebiete, wir hatten Rücksicht zu nehmen anf Betriebsgebiete beide decken sich nicht immer wir hatten endlich Rücksicht zu nehmen auf provinzielle berechtigte Anspriäh und auch manche andere Verhältnisse. Aber auch hint darf ich sagen, daß, soweit sich bis jetzt übersehen läßt im allgemeinen die Lösung eine glückliche gewesen i und daß das auch in der Provinz, soweit ich Gelegenheit habe, darũber ein Urtheil zu hören, anerkannt wird. Insbesondere wird in der Provinz es dankbar anerkannt, daß jetzt die Berührung mit da Gisenbahnbehörden eine viel leichtere und viel bequemere geworden ist als das für sehr viele Landeetheile bisher der Fall gewesen ist. Wem der Königsberger bisher in Bromberg bei der Eisenbahndirektion sc Rath und Hilfe holen mußte, so war das für viele Leute absoli⸗ unmöglich. Er war genöthigt, wenn er einen Wunsch oder eine St schwerde hatte, einen Brief zu schreiben, und dabei kam oft nich: sch viel heraus. Jetzt ist die Berührung mit den Gisenbahnen, und mal in allen Organen, eine sehr viel leichtere, und die betreffenden Ver⸗ kehrsinteressenten kommen sehr viel rascher zu einer Entscheidung, we ich bin auch fest Überzeugt, daß die Entscheidung jht auch mehr den thatsächlichen Verhältnissen Rechnung trãgt⸗ das früher beim besten Willen aller betheiligten Behörden der g sein konnte. Inbesondere hat sich als sehr wohlthätig erwiesen, da die Zuständigkeit der Staatseisenbahn⸗Verwaltungzorgane und Verantwortlichkeit dieser Organe sich deckt, daß also die Ginielorzm nicht eist Gench&igung einnuholen haben in kleinen Dingen, Lie Rt

Sache verzögern und manchmal auch die Entscheidung unliebsam ge⸗ stalten. Alles das geht zetzt entschieden glatter; namentlich möchte ich darauf aufmerksam machen, daß die Erledigung der kleinen Reklama⸗ tionen, die im Personen⸗ und Güterverkehr täglich vorkommen, sich er⸗ heblich rascher vollzieht, daß der mündliche Verkehr zwischen den Ver⸗ kehrsinteressenten und den Verkehrsinspektionen sich schon in erfreu⸗ licher Weise ausgebildet hat. .

Ein abschließendes Urtheil ist ja natürlich viel zu früh. Wir bilden uns auch garnicht ein, daß wir etwas absolut Gutes und Richtiges gemacht haben. Es wird noch manches der Besserung be—⸗ dürfen und wir sind auch im Anfange mit Bewußtsein manchmal noch zu vorsichtig und zu schonend an die Aenderung mancher bureau kratischen Einrichtungen herangetreten. Die Erfahrung hat uns schon gelehrt, daß wir noch weiter mit der Schere vorgehen und noch manches Andere abschneiden können, was mit der stets entgegen⸗ kommenden Hilfe des Herrn Finanz ⸗Ministers und der Königlichen Ober⸗Rechnungskammer auch schon in einer Reihe von Fällen ge—⸗ schehen ist. .

Meine Herren, innerhalb der Uebergangsperiode haben wir aller⸗ dings einen, wenn auch nur kleinen Theil der zur Disposition gestellten Beamten wieder heranziehen müssen, um die ganz ungewöhnliche Arbeitslast, die uns erwuchs bei der großen Inanspruchnahme der noch vorhandenen Kräfte, bewältigen zu können. Wenn Sie z. B. bedenken, daß die Aufhebung der Betriebsämter die Folge gehabt hat, daß die Abrechnungen über das abgeschlossene Jahr, welche die Betriebs⸗ ämter zu führen gehabt hätten, nun in die Hände der Direktionen gelegt werden mußten, die mit den Verhältnissen nur unvollkommen bekannt waren, so werden Sie ermessen können, welche Berge von Arbeit da vorübergehend zu bewältigen waren. Meine Herren, diese zur Dis⸗ position gestellten Beamten sind alle bereits wieder in ihren wohl verdienten Ruhestand eingetreten. Wir wirthschaften schon seit ge⸗ raumer Zeit mit unserem normalen Stand von Beamten.

Meine Herren, die Cisenbahnverwaltung muthet ihren Beamten vielleicht etwas mehr zu, als das regelmäßig im Durchschnitt der Fall ist. Das liegt nun einmal in den Verhältnissen. Wir müssen auch vielleicht etwas mehr individualisieren bei der Auswahl der Beamten für die einzelnen Stellen. Wir müssen uns mit größerer Sorgfalt überlegen, ob der Mann gerade für den Posten geeignet ist oder nicht. Meine Herren, ich sehe darin aber im Großen und Ganzen keinen Nachtheil, sondern eher einen Vorzug. Ein bequemes Dasein haben unsere Beamten allerdings nicht. Nach meinen Erfahrungen wird bei den Behörden am pünktlichsten und am gründlichsten gearbeitet, die mit vollem Dampf arbeiten. Bequeme Beamte pflegen ihr Pensum weder gründlich noch schleunig zu erledigen; das ist ein alter Erfahrungssatz, der sich auch bei der Eisenbahnverwaltung durchaus bewahrheitet.

Es ist in der Presse ja vielfach darüber geklagt worden, daß wir unsere Beamten zu sehr anstrengen. Ich habe mich persönlich bei ver= schiedenen Direktionen von dem Stand der Arbeiten unterrichtet und habe auch meine Herren Mitarbeiter ersucht, das gleiche bei einer ganzen Reihe von anderen Direktionen zu thun. Wir haben uns so fortlaufend persönlich darüber informiert, ob die vorliegende Arbeit mit den vorhandenen Kräften bewältigt werden konnte, und sind in dieser Beziehung doch zu der Beruhigung gekommen, daß das möglich ist, obne den einzelnen Beamten zu sehr mit Arbeiten zu Überlasten.

Meine Herren, ich komme nun schließlich dazu, noch einige Worte über die innere Organisation zu sprechen und wie die⸗ selbe sich ausgestaltet hat. Meine Herren, es ist wieder⸗ holentlich hervorgehoben und zum theil auch heute erwähnt worden, daß unser Etat augenscheinlich ein ganz anderer geworden ist. Meine Herren, ich glaube, unser Etat ist viel durchsichtiger und klarer geworden! Es hat mir eine besondere Genugthuung bereitet, daß dieser Etat auch vom bayerischen Ministerium eingeführt ist. Es bereitet mir das eine gewisse Genugthuung, weil ich mir gesagt habe: die sachverständigen Fachgenossen haben es sich gewiß sehr gründlich und vorsichtig überlegt, ehe sie das preußische Statsschema bei sich einführten; und wenn sie das gethan, so müssen sie im Großen und Ganzen keinen Nachtheil, sondern einen Vortheil darin erblickt haben. Aber ich freue mich auch deswegen, weil das für uns nach mancher Richtung hin, namentlich in statistischer Beziehung ein entschiedener Vortheil ist und noch mehr sein würde, wenn auch die übrigen Bundesstaaten, die Staatsbahnen haben, sich diesem Schema an⸗ schließen würden. Es würde dadurch manches erheblich vereinfacht und auch dem Reichs⸗Eisenbahnamt die Arbeit nach vielen Rich⸗ tungen hin erleichtert. Auch die österreichische Verwaltung hat ja be— kanntlich jetzt ein Eisenbahn⸗Ministerium eingesetzt. In den Satzungen, die veröffentlicht worden sind für die innere Einrichtung des öster⸗ reichischen Eisenbahn.Ministeriums und die diesem Ministerium unterstellten Behörden habe ich manche Verwandtschaft mit unserer Neuorganisation entdeckt und mich darüber gefreut.

Unzweifelhaft vortheilhaft hat sich die neue Finanz! und Rech- nungsordnung erwiesen. Sie hat sich vortheilhaft erwiesen einmal durch die sehr erheblichen Vereinfachungen, welche der Verwaltung da⸗ durch in den Schoß gefallen sind, zweitens aber und das ist min— destens ebenso hoch zu veranschlagen —, weil nunmehr fast für jedes Organ der Verwaltung, welches überhaupt Geld auszugeben in der Lage ist, es möglich wird, jederzeit den Stand der ihm zur Verwaltung anbertrauten Fonds klar zu übersehen. Und das ist insbesondere für die technischen Titel unseres Etats von unschätzbarem Werth. Es ist auch möglich geworden, für die ausführenden Organe die Schreib⸗ arbeit erheblich zu vermindern und dieselben dadurch in höherem Grade zu befähigen, durch persönliches Eingreifen, durch persönliche Aufsicht die ihnen gestellten Aufgaben zu erledigen. Meine Herren,

ich darf daher wohl die Hoffnung aussprechen, daß auch in Zukunft

die jetzige Organisation der Staats⸗Eisenbahnverwaltung sich bewähren wird. (Bravo )

Abg. Schmieding (al) erkennt es dankbar an, daß neben dem

allgemeinen Etat noch ein Nettovoranschlag vorgelegt sei. Die Ge⸗ sammtbedürfnisse des Staats belaufen sich auf 480 Millionen Mark, nur g davon wird durch Steuern gedeckt, ö durch Renten aus unferem Vermögen; 240 Millionen decken allein die Eisenbahnen. Datz könne man als ein glänzendes Ergebniß ansehen, aber die Medaille habe auch eine Kehrseite. Der Minister hahe die volks— wirthschaftliche Bedeutung der Eisenbahn garnicht eiwähnt; Sache der Volksvertretung sei es daher, die vollswirthschaftliche Bedeutung nicht versumpfen zu lassen. Die Versprechungen des Ministers Mäybach bei der Verstaatlichung, die Eisenbahnen gewissermaßen zu öffentlichen Straßen zu machen, kliene nicht erfüllt, die schwere Hand des Finanz. Ministers habe sich darauf gelegt, ieder Groschen werde herauggepreßt für die allgemeinen Staatsbedürfnisse. Der Staat erweise fich ebenso dividendenhungrig wie die Aktionäre der Privatbahnen. Der

Bau von Güterbahnhöfen, die ,,,, 2c. müßten viel schneller gefördert werden. Wenn wir diese Vernachlässiung der Kulturaufgaben berücksichtigen, haben wir trotz der glänzenden Er⸗ gebnisse mit latenten Defiztts zu kämpfen. Es ist eine Versündigung an den Finanzen der Einzelstaaten, wenn der Reichttag immer neue Ausgaben bewilligt, ohne felbst für Deckung zu sorgen. 1889,99 habe Preußen vom Reich noch über die Matrikelbeiträge hinaus S0 Millionen erhalten, 1893ñ94 habe es re, an das Reich 20 Millionen abführen müssen. Bei solchen Schwankungen von 100 Millionen kann Preußen seinen Etat nicht mehr balancieren. Ich bedauere deshalb das Scheitern der Finanzreform des Ministers Miquel. Wir müssen unsere Betriebs⸗Etats daher mit besonderer Vorsicht prüfen. Man will in Preußen eine stärkere Schuldentilgun vornehmen und das Eisenbahngarantiegesetz abändern. r mn müßte einmal das Reich an die Schuldentilgung denken. Der Finanz- Minister sagte, die Kraft des Staats beruht auf gesunden Finanzen. Ich bin ganz damit einverstanden, aber wir kommen nicht eher zu gefunden Finanzen, ehe nicht die Verquickung unserer Finanzen mit denen des Reichs aufhört. ;

Abg. Gothein (frs. Vzg) dankt dem Minister für die Re—= organisation der Verwaltung, meint aber, dh noch zahlreiche Wünsche des Publikums unerfüllt geblieben seien. r schließe sich den Aus⸗ führungen des Vorredners über die volkswirthschaftliche Bedeutung der Eisenbahnen vollkommen an; die Tarifpolitik lasse viel zu wünschen übrig, infolgedessen sei namentlich die Versendung von Gütern auf lauge Entfernungen zurückgegangen, die Versendung auf kurze Ent- fernungen hat zugenommen; es liege aber im Interesse der Eisen⸗ bahnen, die Güter möglichst lange zu fahren. Im allgemeinen wirth⸗ schaftlichen Interesse müssen die Tarife ermäßigt werden. Die einzelnen Wünsche in dieser Beziehung können wiederum in einer Kommission geprüft werden. Auch in Bezug auf die Personentarife sind wir hinter anderen Ländern zurückgeblieben.

Abg. Groth (nl. bemängelt es, daß man auf der Hamburg⸗ Altonaer Verbindungsbahn bei der Durchreise eine besondere Gebühr von 30 3 für seine Koffer bezahlen müsse.

Abg., Freiherr von Bodenhaufen (kons.) wünscht, daß der Abendschnellzug in Herzberg halten soll.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Den Fall selbst kann ich hier nicht weiter er⸗ örtern, da mir nicht bekannt ist, daß der Abendschnellzug in Perzverg nicht mehr halten soll. Die Direktion wird jedenfalls diese Frage, wie alle anderen Fragen in dem Bezirkseisenbahnrath berathen haben, und da wird sich herausgestellt haben, daß die Verbindungen, die dieser Schnellzug herzustellen hat, eine beschleunigtere Beförderung nethwendig machen. Die Schnellzüge sind für den durchgehenden Verkehr, die Personen⸗ züge für den lokalen Verkehr. Das ist der allgemeine Grundsatz wie er von den Direktionen bei Aufstellung der Fahrpläne gehandhabt werden muß. Wir sind nun das ist garnicht zu leugnen mit unseren Schnellzügen allmählich in eine gewisse Decadence insofern gekommen, als wir im Laufe der Zeit kleinere Orte in den Schnell zugfahrplan aus einer gewissen Konnivenz aufgenommen haben. Nun will ich das zwar nicht für Herzberg gesagt haben; aber an und für sich gehört doch Herzberg jedenfalls nicht zu den Großstädten (Heiter⸗ keit), die Anspruch darauf haben, im Schnellzugverkehr berücksichtigt zu werden. Ich bin gern bereit, auf die Anregung des Herrn Abg. von Bodenhausen die Sache nochmals in nähere Erwägung zu ziehen.

Abg. Eckels (nl) führt aus, daß die Perronsperre im allge⸗ meinen zu billigen sei, daß aber in den Engpässen am Perron⸗ ausgang das Publikum keinen Schutz gegen Wind und Wetter habe. Bei Rundreisebillets ist die Perronsperre aber sehr unbequem. Die Personentarife müssen nicht nur verbilligt, sondern auch vereinfacht werden; der buntscheckige Zustand der Personentarife muß endlich auf⸗ hören. Für den stärkeren Personenverkehr durch die Gewerbe⸗Aus⸗ stellung find 1 100 9000 Æ mehr als Einnahme eingestellt. Zum Befuche der Ausstellung muß eine ganz erhebliche Verbilligung der Personentarife eintreten.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Der Herr Abg. Eckels hat zunächst über die Bahnsteigsperre Klagen vorgebracht, die aber insofern für mich eigentlich kaum zu ver⸗ werthen sind, weil er sich auf das Allgemeine beschränkt und nicht gesagt hat, für welche speziellen Bahnhöfe er Wünsche hier vorzubringen hätte. Daß die Bahnsteigsperre für das Publikum in der Uebergangszeit gewisse Unbequemlichkeiten gehabt hatte, wird meinerseits durchaus nicht geleugnet; wie alles Neue in den Verkehrseinrichtungen zunächst auf einen großen Widerstand bei dem Publikum namentlich dann stößt, wenn liebgewordene Ge— wohnhelten davon berührt werden, so trifft dies bei der Bahnsteig⸗ sperre in besonderem Maße zu. Wir haben die Bahnsteigsperre nicht erfunden; wir sind von allen zivilisierten Nationen ungefähr die letzte, die sie eingeführt hat, aber die Vorzüge, die mit diesem System ver⸗ bunden sind, sind so außerordentlich groß und überwiegen die Nachtheile so sehr, daß es als eine Nothwendigkeit erschien, zu demselben Systeme überzugehen. Und nun gebe ich vollstãndig preis, daß auf manchen Bahnhöfen die Sache vielleicht von Anfang an nicht ganz zweckmäßig eingerichtet ist; wir hatten zunächst auch wenig Geld dafür und mußten uns nach der Decke strecken. Indessen sind die Direktionen wiederholt und noch neuerdings von mir angewiesen worden, für alle diese Beschwerden thunlichst Abhilfe zu schaffen und dafür zu sorgen, daß die Unbequemlichkeiten auf ein Minimum reduziert werden. Es kann immerhin noch vorkommen, daß Reisende dadurch, daß vor ihnen ein Mann steht mit seiner Familie, von der jeder ein Rundreisebillet hat, etwas länger aufgehalten werden, ehe sie herauskommt, als das früher der Fall gewesen ist. Das sind kleine Unbequemlichkeiten, die das Publikum mit in Kauf nehmen muß gegenüber den großen Vortheilen, die anderwärts erzielt werden. Ich will auf die Veihältnisse nicht weiter eingehen; der Herr Referent hat sie bereits ausführlich geschildert.

Zweitens hat der Herr Abg. Cckels angeregt, wie es mit der Personentarifreform steht. Ja, meine Herren, die Personentarifreform befindet sich z. 3. noch in der Schwebe, und zwar in derselben Schwebe, in der sie sich vor einem Jahre befunden hat. (Hört! hörth Inzwischen habe ich die Erfahrung machen müssen, daß im Lande ein so drin⸗ gendes Bedürfniß nach einer Reform der Personentarife nicht besteht, wie man vielleicht nach manchen Handelskammerberichten und nach manchen Aeußerungen der Presse glauben sollte. (Widerspruch links. Beifall rechts.)

Ich glaube auch, mich mit der Mehrheit des Hauses in Ueberein stimmung zu befinden, wenn ich annehme, daß es zur Zeit dringendere Aufgaben giebt für die Staatseisenbahn⸗Verwaltung (sehr wahr! rechts), als die Personentarife zu reformieren. Zunächst ist es viel wichtiger, wirthschafllich von viel größerer Bedeutung, wenn wir an die Ermäßigung der Gütertarife Hand anlegen (lebhafte Zu⸗ stimmung), und ich hoffe, daß es möglich sein wird, in nicht zu ferner Zeit, namentlich dann in nicht ferner Zeit, wenn die von dem Herrn Finanz ⸗Minister beabsichtigten Maßregeln bezüglich der Bildung von Ausgleichsfonds ꝛc. zur Thatsache werden, ein Risiko

zu übernehmen, welches ja immerhin mit jeder Tarifermäßigung ve bunden ist. J

Meine Herren, ich kann noch kurz hinzufügen, daß ich persönlich noch immer auf dem Standpunkt stehe, den ich hier vor Jahren schon ausgeführt habe, daß eine erhebliche allgemeine Ermäßigung der Personentarife zur Zeit weder im Verkehrsinteresse dringend geboten, noch wirthschaftlich zweckmäßig erscheint (sehr richtig! rechts), daß ich indessen durchaus anerkenne, daß die jetzige Buntscheckigkeit des Personentarifs mit der Zeit beseitigt werden muß.

Allein, meine Herren, es ist eine außerordentlich schwierige Auf⸗ gabe, eine solche formale Reform eines Personentarifs einzuführen, ohne gleichzeitig Ermäßigungen eintreten zu lassen. Ich halte das für kaum durchführbar. Geht man an die Reform, so wird man von vornherein zu der Ueberzeugung gelangen: ohne Tarifermäßigungen also ohne vorübergehende Ausfälle ist die Sache nicht zu machen. Die erste Frage, die hierbei gleich in den Vordergrund tritt, ist die: ist es richtig, daß die Beförderung der Personen in vier Klassen geschieht? Ich bin der Ansicht, daß es nicht richtig ist, daß es sich vielmehr empfiehlt, die vier Klassen in drei Klassen zusammen⸗ zuziehen, oder vielleicht sogar, wie die Engländer, in zwei Klassen. Will man das aber, so steht man sofort vor einer tief einschneidenden Tarifermäßigung; denn die Fahrpreise für die Billete 4. Klasse werden wir nicht erhöhen können und dürfen, also wir werden dann die Fahr⸗ preise der 4. Klasse wenigstens theilweise auf die 3. Übernehmen müssen u. s. w. kurzum, jede Tarifreform bringt zu gleicher Zeit nothwendiger Weise vorübergehende und je nachdem sehr erhebliche Risikos mit sich.

Ferner hat der Herr Abg. Dr. Eckels gesagt: Ja, diese Rund⸗ reisekarten sind eigentlich vom Uebel und sollten abgeschafft werden. Ich bin auch kein sehr großer Freund derselben; aber andererseits muß ich doch zugestehen: die Erfahrung hat bewiesen, daß diese Rundreisekarten beim Publikum außerordentlich beliebt sind. (Sehr richtig Von Jahr zu Jahr hat der Verkehr auf Rundreisekarten ganz erheblich zuge⸗ nommen. Mit diesen Rundreisekarten kann man durch die ganze Welt reisen, soweit die Schienen laufen, und es wird davon ein außerordentlich starker Gebrauch gemacht.

Endlich hat der Herr Abg. Dr. Eckels für die Berliner Gewerbe⸗ ausstellung eine Lanze gebrochen. Auf die Berliner Gewerbe⸗ ausstellung haben wir uns, wie Sie sich vielleicht aus den Verhand⸗ lungen des Vorjahres noch erinnern werden, dadurch eingerichtet, daß wir unsere bezüglichen Bahnböfe erweitert, sogar noch einen neuen Bahnhof eingerichtet, Anschlußstrecken gebaut und unseren Personen⸗ wagenpark erheblich vergrößert haben. Wir können also der Ent⸗ wickelung der Dinge mit ziemlicher Ruhe entgegensehen.

Wir sind auch der Ueberzeugung gewesen, daß wir für die Berliner Gewerbe⸗Ausstellung in Bezug auf Ermäßigung der Preise und Ver⸗ mehrung der Fahrgelegenheiten bereites Entgegenkommen beweisen müßten. Die Sache ist schon zwischen den Betheiligten in Behandlung genommen worden, und die allgemeinen Grundsätze sind festgestellt. Das was in dieser Beziehung geboten werden soll, ist aber natürlicher⸗ weise vielen Berlinern noch lange nicht genug; sie wollen noch viel weitergehende Ermäßigungen, Ermäßigungen, die viel weiter gehen, als die Franzosen z. B. seiner Zeit für die Pariser Ausstellung gewährt haben. Das scheint mir weder erforderlich noch gerechtfertigt zu sein. (Sehr richtig! rechts.)

Im übrigen soll durch Sonderzüge und durch Verlängerung der Retourfahrkarten u. s. w. thunlichst den Bedürfnissen und den gerechtfertigten Wänschen der Ausstellung Rechnung getragen werden. (Bravo! rechts.)

Abg. von Rautter (kons.) beklagt einige Mißstände auf kleinen Bahnhöfen in Ostpreußen. .

Äbg. Graf Bassewitz (kons.) macht darauf aufmerksam, daß die Automaten auf den Bahnhöfen auch Sonntags benutzt werden und den Geschäftsleuten, welche die Sonntagsruhe einhalten müssen, Kon kurrenz machen, und bittet den Minister um Remedur.

Abg. Knebel (al) wünscht die Herstellung einer Schnellzug verbindung zwischen Saarbrücken und Köln.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Diese Prüfung findet zur Zeit statt, und zwar mit der Absicht, den Wünschen ziemlich zu entsprechen für das größere! nicht für das kleinere Projekt, welches uns hier nicht bekannt ge⸗ worden ist. Ich gebe zu, daß die Schnell zugs verbindung Saarbrücken nach Kyllburg im Anschluß an den Personenzug nach Köln nicht diejenigen Aufgaben erfüllt, welche sich an den beabsichtigten Schnellzug anknüpfen. Ich muß indessen eine Ergänzung der Ausführung des Herrn Abg. Knebel eintreten lassen. Die kürzeste Verbindung nach Straßburg bleibt nach wie vor über Bingen —Münster dn Stein. Dagegen wird die Ver⸗ bindung von Köln nach Saarbrücken über die Eifelbabn etwa 1 oder 14 Stunden an der Fahrzeit kürzen. Es ist zugegeben, daß die Ver⸗ kehrsbeziehungen von Saarbrücken nach Köln und Trier und umgekehrt doch immerhin einigermaßen von Bedeutung sind. Ich bin daber grundsätzlich nicht dagegen, den Versuch zu machen, den wir bereits früher gemacht haben, und zwar ohne Erfolg, also den Versuch zu erneuern. Hoffentlich gelingt er.

Abg. 9 ntr.) erkennt an, daß die Cisenbahnverwaltung auf die Bedürfnisse der Finanzwerwaltung Rücksicht nehmen müsse; es sei aber eine alte wirthschaftliche Wahrbeit, daß die Verbilligung einer Sache deren Verbrauch vermehre, und deshalb dürfe sich die Gifenbahnverwaltung durch finanzielle Rücksichten nicht von Tartf- reformen abhalten lassen. Redner verlangt nicht nur die Reform der Perfonentarife, sondern auch der Gütertarife und wünscht ö daß zu den Kosten von Neuanlagen und Veränderung bestehender An⸗ lagen die Interessenten nicht zu scharf herangezogen werden. Schließ äußert Redner noch den Wunsch, daß die Bahnhofsverhältnisse in Aachen einer gänzlichen Umänderung unterzogen werden möchten.

Abg. Bueck 9 N: Auf großen Stationen in vo Gegenden hat die Babnsteigsperre Unbequemlichkeiten im Gef man muß bei großem Andrang lange steben, ehe man durchkommt; aber das Publikum kann sich dafür mit der Ueberzeugung trösten, durch diese Einrichtung einem großen Theil der Beamten Gesund und Leben erhalten wird, die früber durch die Kontrole während der Fahrt gefährdet waren. Die Erklärung des Ministers, daß der Reform der Personentarife die Reform der Gütertarife vorangehen müsse, wird weite Kreise des Verkebrglebens außerordentlich be- friebigen. Die vom Minister von Maybach geplante Ref gem wurde zwar von gewissen Seiten be 33 batte aber viele Schwächen. Keiner wird verlangen, daß die Fe er f der 1. Klasse er mäßigt werden. Die Aufhebung der 4. Klasse war don dem Minister wobl nur aus Nachgiebigkeit gegen die süddeutschen in Aussicht genommen, weil diese keine 4. Klasse haben. Das die einzelnen Wagenklassen zu vermindern, ist vollständig richtig. 89 ö England giebt es nur zwei Klassen, und die leßte st sedr bel eingerichtet. 33 bãtte 2 eine Zusammenziebung der Kla chts einzuwenden. Eine Verelnfachung unseres komplizierten systems würde ich auch wünschen, wenn nicht wegen der jetzigen