1896 / 53 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 29 Feb 1896 18:00:01 GMT) scan diff

ze Verpflichtung dazu Üibernommen, ich habe nur eine Besorgniß, ich

muß vielfach mit Zahlen operieren, es ist unmöglich für mich, daß ich

diese Masse Zahlen alle im Kopf behalten kann, also ich muß um Verjelhung bitten, wenn ich etwas mehr, als ich das sonst zu thun

pflege, von meinen Notizen Gebrauch machen werde.

Zunächst ist es auffällig, daß der Herr Abg. Bachem die beiden Etatstitel 113 und 116 vergleicht; das ist, wie ich glaube, nicht ganz richtig. Ich werde das nachher nachweisen. Wenn er es aber thut, so frage ich mich, weshalb er bei dieser Vergleichung auch das Extraordi⸗· narium heranzieht. Ich frage, was hat überhaupt das Extraordinarium mit diesen beiden Titeln des Ordinariums zu thun? Garnichts. Ich will aber auf die Angaben, die der Herr Abg. Bachem aus dem Extraordinarium gemacht hat, näher eingehen. Wenn Sie die be⸗ treffenden Zahlen ansehen, finden Sie schon auf der zweiten Seite

unten beim Extraordinarium unter Il, Positien 3, die Schloßfkirche zu Wittenberg in den späteren Jahren ebenfalls, sodaß im Ganzen eine Ausgabe angesetzt ist für die Schloßkirche zu Wittenberg, natürlich zu Lasten der Cvangelischen, mit 39 500 .

Nun, meine Herren, ohne jeden Zweifel und unbestritten ist der Fiskus rechtlich verpflichtet, die Wittenberger Schloßkirche zu unter halten. Nun hat aber Herr Dr. Bachem auf katholischer Seite die Ausgaben, die kraft rechtlicher Verpflichtung geleistet werden aus dem Baufonds Kap. 124 Tit. I, garnicht mitgezählt. (Hört! hört h Wenn man sie auf katholischer Seite nicht mitrechnet, kann man sie auf evangelischer Seite auch nicht mitrechnen. Also diese ganzen 395 000 40 für die Schloßkirche in Wittenberg fallen vollständig weg; diese Summen sind ganz zu Unrecht hier eingestellt, weil sie aus rechtlicher Verpflich⸗ tung gezahlt werden, und weil Sie die Zahlungen, die aus rechtlicher Verpflichtung zu nutzen katholischer Institute geleistet werden, auch nicht mitrechnen.

Im übrigen sind aus dem Extraordinarium in den letzten Jahren Ausgaben für Bauten nur gemacht in Bezug auf evangelische kirchen⸗ regimentliche Behörden eins chließlich des Evangelischen Ober ⸗Kirchenraths und für die Prediger · Seminare. Was die evangelischen Kirchenbehörden anlangt, so wissen Sie ja Alle, daß sie bei der Organisation im Jahre 1817 und später 1826 gewissermaßen integrierende Theile der Regierung waren. Das hängt mit der ganzen, mit dem Staat aufs engste verbundenen Stellung der evangelischen Kirche zusammen, welche sich jetzt, seitdem wir die Synodalverfaffung haben, etwas geãndert hat. Kurz, die Konsistorialbehbrden saßen mit in den Gebãäuden der Regierung. Allmählich hat sich das gäändert; der Wirkungskreis der Regierung ist größer geworden, ihr Bedürfniß hat sich ausgedehnt, und die Folge davon war, daß die Konsistorien, die auch mehr und mehr los gelöst wurden von der staatlichen Verwaltung und eine eigene Kirchen⸗ verwaltung bildeten, eigene Gebäude verlangen mußten und daß man neue Gebäude für die Konsistorien bauen mußte. Nun hat Herr Dr. Bachem bei seinen großen Berechnungen das Kap. 115 zunächst garnicht mit in Betracht gezogen. (Hört! hört! rechts) Wenn Sie gefälligst die Güte haben wollen und sich die Ueberschrift von Kap. 115 ansehen, dann werden Sie finden: ‚Bisthümer und die zu denselben gehörenden Institute'. Meine Herren, unter diesem Kap. 115 stecken die Aus⸗ gaben für die bischöflichen Behörden, die bischöflichen Klerikal⸗Seminare u. s. w. Also, meine Verren, wenn diese Ausgaben in Kap. 115 stehen, so ist es doch wirklich unmöglich, daß man die für das

evangelische Kirchenregiment zu leistenden Ausgaben der evangelischen

Kirche zur Last schreibt, und den Bischöfen oder der katholischen Kirche sie nicht anrechnet, das ist mit ungleichem Maß gemessen. Wenn man nun aber die Ausgaben für die Schloßkirche in Witten⸗ berg, für die evangelischen Kirchenbehörden und die Prediger Seminare von der Rechnung der Herrn Dr. Bachem abzieht, so bleibt, da er mit Recht, was ich sehr als loyal anerkenne, für den Dom in Berlin nichts gerechnet hat, im Extraordinarium auch nicht ein Pfennig für die evangelische Kirche übrig. (Hört! hört! rechts.) So gut nun Herr Dr. Bachem mit großer Emphase auf das Konto der katholischen Kirche siebenmal hintereinander das Wort nichts“ gesetzt hat, ebenso gut hätte er es auch für die evangelische Kirche thun müssen. (Heiterkeit) Das würde eine ganz richtige Bilanz werden. Wenn man das Extraordinarium derart weglassen muß, so ist aus der Rechnung des Herrn Dr. Bachem zunächst einmal der Betrag von 1273 565 M einfach zu Gunsten der evangelischen Kirche abzusetzen.

Ganz ähnlich ist es aber im Ordinarium zugegangen. Auch hier müssen zunächst die Ausgaben für die evangelischen Prediger⸗ Seminare, da Herr Dr. Bachem Kap. 115 auf katholischer Seite nicht mit⸗ gerechnet hat, abgesetzt werden von den laufenden Ausgab. in. Sie ge⸗ hören hier garnicht her, da auch die bischöflichen Institute unter Kap. 115 nicht mitgerechnet sind. Dann fallen weg 7 mal 22 900 4 für Hofgeismar, 6 mal 30 800 für Soest, 2 mal 22 40 4K für Naumburg und einmal 15 000 M für Preetz, das macht zusammen die Summe von 405 300 .

Nun bedürfen aber auch auf der katholischen Seite die Zahlen noch einer näheren Beleuchtung. Meine Herren, im Etat für 1890/91 auf der 2. Seite bezeichnete Herr Dr. Bachem es als einen Verlust bei Kap. 116, daß ho00 M abgesetzt sind, welche damals nach Kap. 124 Tit. 1 Übertragen wurden. Es handelt sich dabei um die Zahlung von Miethekosten, die dadurch entstehen, daß der Fiskus bei solchen Bauten, die auf Grund rechtlicher Verpflichtung geleistet werden müssen, sich zeitweise und vergleichsweise dadurch hilft, daß er nicht Neubauten aufführt, sondern daß er im Einverständnisse mit den Betheiligten einstweilen Miethskosten zahlt. Diese Miethskosten wurden früher aus Kap. 116 bestritten, und seitdem aus Kap. 124 Tit. 1. Wenn Sie die Ueberschrift von Kap. 124 ansehen, werden Sie finden, daß diese Miethskosten dabei ausdrücklich erwähnt sind. Man kann darüber streiten, ob man diese Uebertragung wirklich als eine Minderung der Leistungen des Staats für die katholische Kirche ansehen kann. Thut man das aber einmal, wie Herr Dr. Bachem, dann muß man auch konsequent sein. Was macht der Herr Abg. Dr. Bachem nun? Im Etat von 1892ñ93 wurden 47 632 bei Kap. 116 mehr bewilligt für 121 rheinische Pfarrer. Darunter be⸗ fanden sich 25 J00 M, die vom Kap. 124 Tit. ? nach Kap. 116 über⸗ tragen wurden. Diese 25 700 0 rechnet Herr Dr. Bachem einfach gar nicht mit, er zieht sie nicht in den Bereich seiner Berechnungen. Wenn man es aber als einen Verlust bei Kap. 116 bucht, daß h000 nach Kap. 124 Tit. I übertragen sind, dann muß man doch konsequent sein und es nun auch als einen Gewinn bei Kap. 116 anrechnen, wenn dahin von Kap. 124 Tit. 2 25 700 übertragen werden. Das ist doch eine Rechnung, die unzweifelhaft richtig ist. Dieser Betrag von 25 700 4M. muß nach den eigenen Prinzipien des Herrn Dr. Bachem auf der katholischen Seite angerechnet werden. Dann steigert sich aber die

mit 1263 165 0 und im Ordinarium der Betrag von 405 300 4, zusammen 1658 465 6, abgesetzt werden, sodaß überhaupt nur

latholische Gesammtrate um den Betrag von fünfmal 25 700 A, das macht zusammen 128 500 M6. In dem Gesammtabschlusse des Herrn Dr. Bachem muß daher auf der evangelischen Seite das Extraordinarium

noch bleiben für die Epangelischen 482 511 6 ((hört, hört! rechts) und auf katholischer Seite, wie ich eben nachgewiesen habe, 237701 Mark. Diese Summen, meine Herren, entsprechen fast ganz genau dem Verhältniß von 1 zu 2, welches ja nach der Bevölkerungs⸗ ziffer Herr Dr. Bachem seinem eigenen Vergleich zu Grunde gelegt hat, sodaß nicht der mindeste Grund vorliegt, sich über die Imparität des preußischen Staats und Ctats zu beklagen.

Meine Herren, alle derartigen Vergleichsstatistiken haben etwas ungemein Mißliches, denn bei allen diesen Aufstellungen kann die Eigenart jeder Kirche, ihr besonderes Bedürfniß, das von Herrn Dr. Bachem so sehr angegriffen wurde, was ich aber für vollkommen richtig halte (sehr richtig), es kann die ganze historische Entwicke⸗ lung niemals ausreichend gewürdigt werden. Deshalb hat auch die Staatsregierung es nie unternommen, solche gegenseitigen Aufrechnungen aufzustellen. Da nun aber eine solche Aufstellung einmal gemacht ist, und da sie ja nun auch an die Zeitungen gelangt ist, deren Redak⸗ tionen wie Leser gar nicht in der Lage sind, die Kenntniß unseres Etats, der allmählichen Veränderungen der einzelnen Kapitel und der Dinge, die darin stecken, zu haben und deshalb eine Kontrole und gewissenhafte Prüfung eintreten zu lassen, so sehe ich mich genöthigt, die Sachen noch näher klarzustellen. (Sehr gut! links.) Das ist das hauptsächlichste Bedenken, welches ich gegen diese Aufstellung und ihre Publikation gehabt habe; das ist der Grund, weshalb ich wünschte, man möchte eine solche Aufstellung überhaupt nicht machen, weil ich fürchte, daß sie nur neues Oel in das Feuer konfessioneller Empfind⸗ lichkeit gießt. (Sehr richtig! links) Das möchte ich nicht, und des— halb habe ich die Verpflichtung, das weiter zu verfolgen.

Nun fühlte Herr Dr. Bachem ja nach dem Schlusse seiner Aus⸗ führungen selbst, daß es bedenklich ist, das Kap. 113 mit dem Kap. 116 allein zu vergleichen. Er zieht also schließlich auch noch Kap. 115 heran: auf katholischer Seite Kap. 115 und 116, auf evangelischer Seite Kap. 111, 112 und 113. Damit begiebt er sich aber auf einen Boden, der für ihn selbst nach meiner Ueberzeugung höchst be⸗ denklich ist.

Der Etat für 1896,‚97, also unser Entwurf, setzt aus in Kap. 111 159 000 ich nenne nur runde Zahlen —, Kap. 112 1241 000, Kap. 113 1615 000, zusammen z ol 000 Æ für die evangelische Kirche. Auf katholischer Seite Kap. 115 1266173, Kap. 116 1295 457 6, zusammen für die katholische Kirche 2551 630 1 Wenn man nun die Seelenzahl nach dem Muster des Herrn Dr. Bachem zu Grunde legt, so dürften die Katholiken, wenn die Evangelischen 3 Millionen bekommen, nur 15 Millionen bekommen; da der Staat ihnen aber 26 Millionen jährlich zahlt, so wäre nach Herrn Dr. Bachem's eigener Rechnung dies jährlich 1 Million zu viel. (Hört, hört! links) Diese Summe würden die Katholiken einfach gegen die Cvangelischen zu viel bekommen.

Nun sucht sich Herr Dr. Bachem dadurch zu helfen, daß er sagt: ja, die Leistungen in Kap. 115 beruhen auf rechtlicher Verpflichtung, während et dies für die Leistungen aus Kap. 111 und 112 nicht an⸗ erkennen will. Ich gebe zu, daß die katholische Kirche auch darin vor der evangelischen bevorzugt ist, daß ihr die Leistungen für ihr Kirchen⸗ regiment dauernd als Dotationen gewährleistet sind, während auf evangelischer Seite bei etwaigen Neuaufwendungen jedesmal sorgfältig geprüft wird, ob man nicht hier und da etwas sparen kann. (Sehr gut! links) Auch der evangelischen Kirche sind aber durch die Säku— larisation sehr erhebliche Güter genommen worden, im Edikt vom 30. Oktober 1810 wurde der evangelischen Kirche dafür die hinreichende Belohnung der obersten Kirchenbehörde und die reichliche Dotierung der Pfarreien verheißen. (Hört, hört! links.) In jeder evangelischen Synode kann der Herr Abg. Dr. Bachem hören, daß auch die Evan⸗ gelischen sich für ihre Forderungen an den Staat auf die Säkulari⸗ sation berufen. (Sebr richtig)

Es handelt sich schließlich bei diesem von Herrn Dr. Bachem so sehr betonten Gesichtspunkt viel mehr um einen formellen als um einen materiellen Unterschied.

Nun geht Herr Dr. Bachem schließlich auch thatsächlich selbst an die Vergleichung von Kap. 111, 112 und 113 auf der einen Seite und Kap. 115 und 116 auf der anderen Seite. Er verlangt aber, und das ist wieder ein bedenklicher Punkt daß dann für die Evangelischen noch angerechnet werden sollen aus Kap. 124 Tit. 2, Vikariatsfonds, 200 000 4M, Tit. 7, Zuschuß zu dem Pfarrwittwen⸗ und Waisenfonds 1 074 739 , Tit. 8, Unterstützungsfonds für Wittwen und Waisen 200 000 46, und endlich Stolgebührenablösungsfonds 1 500 000 , zusammen 2974000 MÆ. Diese Summe solle den Evangelischen auch angerechnet werden. Wenn man nun diese Posten der evangelischen Rate zurechnet, so stellt sich die evangelische Seite auf 6 Millionen, die katholische nur auf 25 Millionen; dann würden also danach die Katholiken wirklich z Million zu wenig erhalten. Nun kann man aber, glaube ich, wenn man einigermaßen billig sein will, den Stolgebühren. Ablösungsfonds doch unmöglich hier zu Lasten der evangelischen und zu Gunsten der katholischen Kirche in Rechnung ziehen. Der Staat hat ja der katholischen Kirche, den Herren Bischöfen, dieses Geld angeboten; er hat ihnen gesagt: wenn Ihr zu demselben Zweck, wie wir es für die evangelische Kirche gegeben haben, das Geld gebrauchen wollt, so sollt Ihr es haben. Das ist bis jetzt nicht angenommen, dafür kznnen wir doch nichts, diesen Betrag kann man doch unmöglich der evangelischen Kirche als besondere Bevorzugung zur Last legen. Das scheint mir nicht gerechtfertigt, und das scheint mir eine unbillige Anrechnung zu sein.

Wenn man nun aber wirklich das Kap. 124 anrechnen will, dann kommt noch ein anderer Betrag in Frage, den ich nicht unerwähnt lassen daif, nämlich diejenigen Summen, welche für Pfarrwittwen und ⸗Waisen gegeben werden. Es ist doch nicht billig, wenn man für die katholische Kirche, die solche Bedürfnisse gar nicht hat, dieselben Mittel und Beträge verlangt. (Sehr richtig! rechts und links.) Die katholischen Geistlichen haben nun einmal keine Wittwen und Waisen. Wir können unmöglich einen Etat für die Katholischen und einen für die Evangelischen machen, vielleicht auch noch einen für die Juden, wie das früher einmal von Herrn Richter ganz richtig hervorgehoben ist, daß, wenn wir auf diesen Boden treten, wir eigentlich 3 ver⸗

schiedene konfessionelle Etatz machen müßten; das wäre eine schöne Wirthschaft. Es ist aber schließlich garnicht zu begreifen, warum wir

sammengezogen, welche

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noch welter zurückgreifen sollten. Ich habe hier eine Zusammenstellung ;

aus den Etats von 1849 bis 1897; darin sind alle Ausgaben zu⸗ velche der Staat für die beiden Kirchen geleistet hat; auf evangelischer Seite sind diejenigen Ausgaben zusammengefaßt, welche heute in den Kap. 111, IIZ und 113 enthalten sind, und auf der katholischen diejenigen der Kap. 1185 und 116. Das Kap. 124 ist nach dem Vorbilde des Herrn Dr. Bachem zunächst ganz unberück⸗ sichtigt gelassen; das Extraordinarium ist für beide Konfessionen mit⸗ gerechnet. Da die Feststellung der Etats vom Jahre 1824, also von der bulla d salute, an bis zum Jahre 1849 eine ganz andere war als heutzutage wir hatten damals noch kein Parlament —, so ist es mir in den 4 Tagen, welche mir zur Prüfung der Rechnung des Herrn Abg. Dr. Bachem zur Verfügung standen, absolut unmöglich gewesen, diese Etats genau zu durch⸗ forschen. Ich habe daher die Summen des Etats von 1849 als maß⸗ gebend für die Zeit von 1823 bis 1849 angenommen. Es kann nicht zweifelhaft sein, daß sich Herr Abg. Dr. Bachem jedenfalls über diese Berechnungsweise nicht beklagen kann, wenn man die Beträge des Jahres 1849 einstellt. Im wesentlichen haben ja die Ausgaben für die Kirche seit 1824 festgestanden; die Evangelischen haben jedenfalls vor⸗ aussichtlich in den Jahren von 1824 bis 1849 nicht so viel bekommen, wie im Jahre 1849. Wenn man nun dergestalt die Ausgaben zu⸗ sammenstellt, so stellt sich Folgendes heraus: in den Jahren 1823 bis 1897 sind vom Staate bezahlt für die evangelische Kirche 122 Millionen Mark und für die katholische 179 Millionen Mark. Wenn die evan⸗ gelische Kirche 122 Millionen bekommt, so dürfte die katholische Kirche nach dem Prinzip des Herrn Abg. Dr. Bachem der Seelenzahl nach nur 61 Millionen Mark bekommen. 118 Millionen Mark hat sie daher zuviel bekommen in den letzten 73 Jahren. (Hört! hört h Wenn man umgekehrt die thatsächlichen Ausgaben für die katholische Kirche mit 179 Millionen Mark zu Grunde legt, so könnte man wieder unter Zugrundelegung des Prinzips der Seelenzahl den Schluß machen, daß die evangelische Kirche eigentlich 358 Millionen Mark hätte bekommen müssen; sie hat aber nur 172 Millionen bekommen. So könnte man, wenn man nach dem Muster des Herrn Bachem verfahren würde, sagen: die evangelische Kirche hat in den letzten 73 Jahren zu wenig erhalten 236 Millionen 40 (Hört! hört! rechts und links). Die Differenzen, die sich bei dieser Art der Berechnung zu Gunsten der katholischen Kirche ergeben, sind so bedeutend, daß man unbedenklich noch die gewünschten Ausgaben aus dem Kap. 124 mit in den Kauf geben kann es handelt sich bei den von Herrn Bachem gewünschten Ausgaben zusammen um rund 16 Millionen Mark. Wenn man auch diese noch anrechnet, so steigt die gesammte Ausgabe für die evangelische Kirche von 122 auf 138 Millionen. Die katholische Kirche hätte dann nach dem Prinzip des Herrn Dr. Bachem, der Seelenzahl nach, immer nur 69 Millionen zu beanspruchen gehabt, sie hat aber 179 Millionen bekommen, mithin 110 Millionen zuviel. Diese Zahlen sind sehr überraschend und frappant. Aber noch überraschender ist die Thatsache, daß die evan⸗ gelische Kirche während dieser ganzen Zeit sich niemals über Imparität beklagt hat (hört! hört), und daß auch auf katholischer Seite gar keine Paritätsbedenken es gehindert haben, dieses Plus an zunehmen. (Heiterkeit)

Ich hoffe, meine Herren, daß diese Zahlen, so wenig Werth ich ihnen aktuell beilege, doch dazu beitragen werden, Herrn Bachem zu überzeugen, daß der Weg, den er hier eingeschlagen hat, nicht geeignet ist, ein friedliches, gemeinsames Arbeiten zu fördern. Meine Herren, mit solchen Rechnungen, wie Herr Dr. Bachem sie aufgestellt hat, kann man den konfessionellen Frieden in Preußen nicht fördern. Gerade das aber, die Stärkung des konfessionellen Friedens, für den sich gestern Herr Dr. Porsch zu meiner größten Freude ausgesprochen hat, ist es, was auch ich anstrebe. Diese Förderung des konfessionellen Friedens ist auch das Bestreben der Königlichen Staatsregierung. Ich kann mich nur mit der herzlichen Bitte an das gesammte hohe Haus wenden, uns in diesem Bestreben mit allen Kräften und auf alle Weise unterstützen zu wollen; damit wird dem Wohle des Vaterlandes und wird unserem Volke, auch dem katholischen, in Wirklichkeit weit mehr gedient sein, als mit allen Rekriminationen wegen angeblicher Imparität. Nein, meine Herren, lassen Sie friedlich uns zusammen arbeiten. Verlangen Sie von uns eine gerechte und billige Be⸗ handlung, und die soll Ihnen werden. Dafür will ich alle meine Kräfte einsetzen, freilich ohne Preisgebung der Staatshoheit und mit der Rücksicht auf die evangelische Bevölkerung. Dann werden wir in der That gemeinsam wirken können, aber auch nur dann. (Lebhafter Beifall rechts und links.)

Abg. Dr. Sattler ul): Heute hat uns Herr Bachem rasch zusammengetragene Lesefrüchte aus dem Etat vorgetragen, Aber ich hatte den Eindruck, daß er sich den Etat des Kultus. Ministeriums zum ersten Male angesehen haben muß, denn sonst würde er die neue Entdeckung von den Dispositionsfonds nicht vorgetragen haben. Ich war etwas enttäuscht durch die Rede des 6 Bachem, nachdem Herr Porsch schon gestern auf diese Rede hingewiesen hatte mit dem Gedanken: nach mir kommt der Größere. Der letzte Theil feiner Rede, wo er mit dem ihm innewohnenden Brustton sprach, war auf der Höhe, aber der Rest war so, daß ich bedauere, daß er nicht einen Kursus in der Budgetkommission bei Herrn von Huene genommen hat. Er hat wobl nur einen Mann bingesetzt, der daz Mehr oder Weniger an den einzelnen Titeln abgeschrieben und zugezählt hat. Wie glücklich ist die katholische Kirche, daß sie auf Grund rechtlicher Verpflichtung Millionen erhalten hat und die evan⸗ gelische Kirche nicht, die sich immer an die Milde des Staats balten mußte! Die evangelischen. Geistlichen haben Frauen und Kinder, die katholischen Geiftlichen nicht. Eltern und Ge⸗ schwister haben die evangelischen Geistlichen auch. Die Stolgebühren ann die katholische Kirche jeden Augenblick haben, damit hat sich sogar der hartherzige Finanz Minister einverstanden erklärt. Rechnet man richtig, so ist die katholische Kirche außerordentlich bevorzugt, und für die katbolischen Schulbauten ist auch mehr ausgegeben als für die evangelischen. Ich habe nichts dagegen; ich beabsichtige nicht, die Forderung zu stellen, daß man die evangelische Kirche mehr be— denken folle, ich folgere nur, daß es verfehlt ist, solche unrichtigen Be⸗ rechnungen aufzustellen. Was hat Herrn Bachem dazu veranlaßt? Er hat gesagt: wir müssen die katholische Bepölkerung davon über⸗ zeugen, daß eine solche parlamentarische Vertretung wie das Zentrum hier nothwendig ist. Das war der Hauptgrund. Herr Bachem wist nicht das Bedürfniß maßgebend sein lassen, sondern die Leistungen. Wie stark müßte dann aber die Einwirkung des Staats sein auf die (inzelnen Geistlichen? Wenn für katholische Kinder keine Schulen gebaut werden, so hat er Recht, darüber zu schreien. Wenn er bezüglich der Schulauf⸗ sicht eine Auseinanderklaubung verlangt, so kann ich nur sagen; die Aufsicht ist ein wichtiges Staatsrecht, wobei die Beschaffenheit der Perfönlichkeit in Betracht kommt; der Staat muß sehen, ob der

Aufsichtsbeamte die Rechte des Staats vertritt gegen jeder⸗ mann. Der Erlaß von 1567 ist von Herrn Bachem und Herrn

uns nur auf die letzten? Jahre beschränken sollen, warum wir nicht

von Jasbjewsti bereits erörtert worden. Ich habe ein gewisses

*

Mißtrauen e ier der Schulberwaltun e

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8 *

b daß sie die Schul- aufsicht zu r in die geistlichen Hände z. Die ö daß der Erlaß die Aufrechterhaltung der Staatsomnipotenz beab⸗ sichtige, ist durchaus unrichtig. Die Verfassung überläßt der Kirche nur die Leitung, aber nicht die 8 des Religionsunterrichts.

Der Staat muß doch mindesteng eine Anzeige erhalten, wer den Rellglongunterricht leiten soll. Auch darüber hat man sich schon beschwert. Es sollte ja auch wohl nur die Nothwendigkeit des 3 n bewiesen werden, wenn die Herren die Aufhebung des

rlasses verlangen, obgleich kein einziger Beschwerde⸗ und Streit- fall vorgekommen ist. 2 von Jazdzewski verlangt immer nur sein echt! Gestern wurde schon ein besonderer

Vertreter der polnischen Interessen verlangt. Das bedeutet doch ein besonderes Vorrecht für die Vertretung der i en Nationalität. Es wird wohl niemals Neigung zu einem olchen Experiment vorhanden sein; aber man sieht, wie weit die Prätensionen gehen. Die Polen haben verlangt, daß die Regierung den Beamten den Beitritt zum Verein zum Schutze des VDeutsch⸗ thums verbieten soll, Ich hoffe, die Beamten werden nach den Aeußerungen des Ministers wissen, was sie zu thun haben. Die Viener Verträge und die Deklarationen sind vorgelegt worden. Das ist 1886 schon alles widerlegt worden vom Fürsten Bismarck. Wo blieb der Unterthaneneid während der pPolnischen Revolution? Damals sind die Versprechungen verfallen. Besonders die polnischen Geistlichen müssen wir uns gengu ansehen; denn sie haben für die . der Deutschen eifrig gearbeitet, Ich erinnere an die

romberger, für deren Polonisierung die katholische Geistlichkeit belobt wurde. ei allen Gesetzen müssen wir uns fragen, ob wir nicht an irgend, einer Stelle dem mächtigen polonisierenden Einfluß der katholischen Geistlichkeit Thür und Thor öffnen. Geistliche, die den

Deutschen zu Liebe einen deutschen Gottesdienst abhalten, ziehen sich den Haß der polnischen Bevölkerung zu; ich erinnere nur an den Meineldsprozeß in Stuhm. Der Absage des Ministers an die Polen kann ich nur im Namen meiner Freunde die Anerkennung aus— sprechen. Wir haben schon dem Vorgänger, des Ministers warnend zugerufen, den Polen nicht den kleinen Finger zu bieten. Wir haben vor der Ernennung eines Eribischofs ge— warnt, der bisher die einseitigsten polnischen Interessen ver treten hatte. Es gereicht uns daher zur größten Genug— thuung, daß die Regierung wieder eine so strenge Haltung angenommen hat. Denn wir sind der Meinung, daß bei dem großen Alter der polnischen Frage es auf eine konsequent fortgesetzte Haltung ankommt, und daß nichts mehr zu beklagen ist, als daß diese kon⸗ sequente Haltung nicht immer beobachtet ist. Wir können uns nur freuen, wenn die Regierung wieder anknüpft an die Zeiten von

lottwell zum Schutze des Deutschthumß. Die Herren von der

echten, welche sich für die Einbringung des Schulgesetzes eingelegt haben möchte ich daran erinnern, daß auch bei diesem Punkte die politifche Frage nicht außer Acht zu lassen ist. Die Konservgtiven hätten sich wahrscheinlich einen Theil der Bestimmungen des Schul⸗ gesetzentwurfs nicht gefallen lassen. Aber damals waren die Gemüther so erregt, daß der Kampf ein außerordentlich heißer geworden wäre. Es war ein Akt der Weisheit, daß der Kaiser den Zankapfel hinweg räumte. Es mag ja einmal die Zeit kommen, wo man an solche Fragen wieder herantreten kann. Jetzt würde uns der Kampf wieder von neuem trennen. Die Haltung des Zentrums müßte die Herren bedenklich machen, mit ihm zusammen ins Horn zu stoßen und eine neue Schulvorlage zu verlangen. Wir wollen keine neue Schul⸗ vorlage. Wir werden stets auf der Seite derjenigen stehen, welche auf dem Gebiet der Schule die Rechte des Staats hochhalten. Das thun wir nicht aus Abneigung gegen die eine oder andere Konfession, sondern weil nach unserer Ansicht der Frieden nur aufrecht erhalten werden kann, wenn die starke Hand des Staats die Kon⸗ fessionen zwingt, auf einander Rücksicht zu nehmen, wenn der Kon fesdonshader aus der Schule fern gehalten wird.

: Abg. Lan gerbans (fr. Volksp.): Am Kulturkampf betheil igen wir uns nicht. Wenn Herr Bachem die Orden dem Vereinsgesetz unterstellen will. ö. sollte er daran denken, daß das Strafrecht die Gelobung des Gehorsams an augländische Obere verbietet, Konfessio= nelle Gymnasien haben wir in Berlin überhaupt nicht. Herr Bachem will kon esstonelle Kirchhöfe ; hier in Berlin verlangt man aber, daß die politischen Gemeinden die Kirchhöfe einrichten. Redner wendet sich dann gegen die Praxis der Schulverwaltung bezüglich des Religions⸗ unterrichts der Kinder der. Dissidenten und führt dabei Folgendes aus. Seit der ersten Erklärung des Ministers sind vielfach Prozesse entstanden und bald so, bald fo entschieden. Wenn die Sache so zweifelhaft ist, dann muß der Minister daran denken, durch Gesetze oder Verordnungen zu helfen. Die bestehende Unklarheit kann nicht bestehen bleiben. Der Minister will prüfen, ob der Unterricht, der den Kindern von Dissidenten außerhalb der Schule er⸗ theilt wird, ein religiöser ist; da nahm doch das Allgemeine Landrecht einen anderen Standpunkt ein, indem es jeden Zwang in religiösen Dingen verwarf. Wenn es überhaupt Religions⸗ rreibeit geben soll, dann darf kein Mensch über die Religion eines Anderen aburtheilen. Der Minister hat wohl die Kirche und die Religion verwechselt. Die Kirche ist der Ausfluß eines religiösen Be⸗ strebens, aber es giebt auch außerhalb der Kirche Religion. Wenn durch das Vorgehen der Orthodoxen die Liberalen jetzt aus der Kirche hinaus gedrängt werden, so werden sie besondere Kirchen gründen oder zu den Freireligiösen übertreten. Und wir werden es uns sehr ver— bitten, daß wir dann keine Religion mehr haben. Sobald hier die Religionsfragen aufgeworfen werden, dann entbrennt der Streit der Parteien. Jede Kirche muß, wie Herr Stöcker einmal sagte, eine streitende Kirche sein. Sie werden meinen Rath nicht annehmen, ich will ihn aber doch vorbringen: machen wir es doch ähnlich wie in dem katholischen Frankreich. Dort werden in der Woche 5 Tage Unterricht ertheilt und ein Tag wird freigelassen für den Religions⸗ unterricht nach den Wünschen der Eltern. Der Religionsunterricht darf aber nicht konfessionell sein. Die Religion gehört nicht auf den Markt. Ich hoffe, der Minister wird sich die Angelegenheit der Dissidentenkinder noch einmal überlegen.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse: Nur ganz wenige Worte.

Herr Dr. Langerhans thut mir wirklich Unrecht, wenn er von mir an— nimmt, daß ich mir anmaßte, von irgend nem Mitmenschen zu behaupten: du hast überhaupt keine Religion. Das würde ich der Persönlichkeit gegenüber nie thun. Etwas Anderes aber ist es: ich habe es schon einmal ausgeführt wenn nach unserer Verfassung der Religions— unterricht ein integrierender Theil des obligatorischen Volksschul⸗ unterrichts überhaupt ist, so muß ich dafür sorgen, daß jedes Kind entweder den Religionsunterricht der Volksschule bekommt oder, wenn es diesen nicht erhalten kann, einen entsprechenden Ersatz⸗ unterricht. An diesen Ersatzunterricht darxin gebe ich dem dern Abg. Dr. Langerhans ganz Recht kann ich in Bezug auf die Strenge der Konfessionalität nicht den gleichen An⸗ yruch machen, wie in der Volksschule und in der Kirche; ich lasse da die größte Freiheit. Aber einen Anspruch muß ich erheben: der Ersatzunterricht muß Religiontunterricht sein. Und nun, meine derten, kann ich mir eine Religion überhaupt nicht denken ohne Gott; das ist das Minimum: die Anerkennung der Gottheit. Nun ist es aber hier in Berlin in der That vorgekommen, daß man von mir

verlangt hat, die Kinder von dem Religionsunterricht in der Volksschule zu dit pensieren, damit sie den Religionsunterricht in der freireligiösen, der dissidentischen Gemeinde, wie sie sich hier nennt, besuchen. Dieser Religiongunterricht wird ertheilt von einem Lehrer, der seinem Unterricht ein Lehrbuch zu Grunde legt, in welchem Folgendes steht:

Wie diese beiden Beweise, so sind sämmtliche ‚Bewelse' vom

ö

Gott (Theismus) als eine unbegründete, unwissenschaftliche Meinung, unseren Unglauben (Atheismus) dagegen als ein Ergebniß der Ver⸗ nunft und Erfahrung bezeichnen.

(Hört, hört) Auf diesem Niveau steht das ganze Buch.

Nun muß ich sagen: dies als Religion anzuerkennen, ist mir beim besten Willen nicht möglich. (Lebhafte Zustimmung rechts.) Ich ver⸗ achte niemanden, der sich auf jenen Boden stellt; ich will seine sitt⸗ liche Persönlichkeit nicht angreifen. Aber wenn ich als Kultus⸗Minister zu entscheiden habe, ob das Religionsunterricht ist, wenn solche Dinge den Kindern gelehrt werden, dann bin ich außer stande, Ja zu sagen. (Sehr gut! rechts.)

Was nun meine rechtliche Stellung anlangt, so habe ich hier be⸗ reits wiederholt erklärt: wenn die Gerichte in letzter Instanz zu einer anderen Rechtsprechung kommen, so bin ich bereit, mich zu fügen. Es ist meine Ueberzeugung, daß hier ein Gewissenszwang nicht vorliegt; im Gegentheil: aus rechtlichen Bedenken auf Grund der Verfassung bin ich zu der Praxis gekommen. Und diese handhabe ich sehr milde. Wir haben in den Provinzen eine Menge dissidentischer Gemeinden, die ihren Kindern dissidentischen Unterricht geben lassen, der von der Regierung als Ersatzunterricht anerkannt ist. Da werden aber solche Bücher nicht gebraucht.

Nun, meine Herren, so, wie der Herr Abgeordnete Dr. Langer- hans es darstellt, als übten wir gegen die Eltern und Kinder einen Gewissenszwang, liegt die Sache nicht. Für die Eltern ist es über⸗ haupt kein Gewissenszwang. (Lebhaftes Oho! links). Denn sie können glauben oder nicht glauben, was sie wollen; sie können auf Glauben oder Unglauben oder Atheismus oder wie sie es nennen, sich vereinigen, wie sie wollen, daran wird sie niemand hindern, ich am wenigsten, ich kann es gar nicht. Wenn aber die Eltern ihre Kinder in die Volks— schule schicken, so schadet es den Kindern gar nichts, wenn sie in dem Religionunterricht wenigstens einmal in ihrem Leben hören, welches die Dinge sind, die die Mehrzahl ihrer künftigen Mitbürger für Religion, für den Glauben ansieht, auf welchem sie leben und sterben will. (Bravo! rechts) Die Kinder werden ja dadurch noch längst nicht genöthigt, sich diesen Glauben anzueignen. Der Religiongunterricht wird ja bei den Dissidentenkindern darüber tãusche ich mich gar nicht nicht den Erfolg haben, den er bei den Kindern der konfessionellen Eltern haben kann. Denn wenn der Unterricht strebt, eine Innerlichkeit in die Kinder hineinzupflanzen, so wird dem im Elternhause entgegengearbeitet! Ich finde deshalb den ganzen Zustand nicht erfreulich. Aber ich finde es immer noch besser, daß das Kind in den Unterricht geht und die Kenntniß von dem bekommt, was die große Mehrzahl des Volkes glaubt, damit das Kind, wenn die Jahre der Entscheidung kommen, sich frei entscheiden kann, ob es auf den Glauben tritt oder nicht. Das, meine Herren, finde ich immer noch besser, als wenn das Kind in einen Unterricht geschickt wird, der jene Grundsätze vertritt, die unmöglich in den Kindern einen Funken von dem erwecken können, was nothwendig ist, um künftig auch einmal die Pflichten gegen Staat und Vaterland zu erfüllen. (Lebhafter Beifall rechts.)

Ich kann nicht anders handeln nach dem jetzigen rechtlichen Stande der Sache, als ich gehandelt habe. Ich finde meine Stellung nicht sehr bequem. Mir ist es nicht sehr angenehm, daß ich den Eltern sagen muß: ich kann den Unterricht nicht anerkennen. Aber nachdem ich diese Thatsachen und diese Beweise in die Hand be⸗ kommen habe, da habe ich nicht anders handeln können, als ich ge⸗ handelt habe. (Lebhaftes Bravo rechts.)

Abg. von Heydebrand und der Lasa (kons.):; In Bezu auf die Dissidentenfrage stehen wir auf dem Standpunkt des Cann, Ministers. Die Paritätsklagen haben wir schon früher gehört; die Zusammenstellung des Herrn Bachem hat sich als sehr an⸗ fechtbar erwiesen und hat beinahe den Anschein erweckt, als wenn die katholische Kirche bevorzugt würde. Im Ramen meiner Partei muß ich mein Bedauern aussprechen über die Rede, welche . von Zedlitz an unsere Partei richten zu sollen glaubte. ozu kann es führen, prinzipielle Gesichtspunkte ohne Nothwendigkeit zu erörtern, namentlich dann, wenn die Dinge oft aufgebauscht und falsch dargestellt werden, woraus dann eine gewisse Erregung folgt? Wenn der Versuch gemacht worden ist, alles Licht und allen Schatten bei der Berathung des Schulgesetzes in einer Weise zu vertheilen, die wir nicht als e anerkennen können, so mußten wir dagegen Widerspruch erheben. Ihrer gefährlichen Beredsamkeit ist es zu danken, Herr von Zedlitz, daß man das Schulgeseß zurückzog. Alle Rechte sollten gefährdet sein, die Freiheit des fene u. s. w., und es hätte sich wahr⸗ scheinlich bei näherer Betrachtung herausgestellt. daß davon keine Rede war. Herr von Zedlitz hat durch seine Rede das Zusammengehen der Parteien nicht gefördert. Er weiß, daß die Pietät gegen die Krone sich nicht bloß auf ihren gegenwärtigen Träger erstreckt, sondern auf das ganze Hohenzollernsche 86 Was bedeutet da eine solche Klassifizierung der Regenten! Warum wirft uns Herr von Zedlitz das Zusammengehen mit dem Zentrum vor? Wir werden uns dadurch nicht beirren lassen. Wir haben gewisse Verbindungspunkte mit den Mittelparteien, aber auch große Be⸗ rührungäpunkte mit dem Zentrum. Wenn es sich darum handelt, eine christlich konfessionelle Schule zu stabilisieren, so ist dies in der jetzigen Zeit ein Ziel, so wichtig, daß auch die freikonservative Partei dabei mitwirken darf. Herr von Zedlitz hat es als einen Akt besonderer Staats weisheit hingestellt, daß die Vorlage zurück⸗ gezogen wurde. Ich versage es mir, die Konsequenzen daraus zu ziehen. Aber welches Zeugniß stellt er uns aus, die wir das Gesetz noch immer vertreten, wenn er für sich allein die Staatsweisheit beansprucht! Wir wissen auch wag dem Staat frommt. Wir kennen die Bedeutung einer christlichen Schule für den Staat, und wenn wir eine solche Schule wollen, dann müssen wir die Konsequenzen ziehen und müssen die Kirche mitwirken lassen. Es ist ein unveräußerliches Recht der christlichen Eltern, daß die Kinder in den Lehren ihrer Kirche erzogen werden. Hätte es sich darum ehandelt, der kirchlichen Befugnisse zu verhindern, so kite sich wohl eine Form finden lassen, um dem Staat und der Kirche ihre unveräußerlichen Rechte zu wahren. Deswegen wäre es nicht nöthig gewesen, diesen großen Gesetzentwurf fallen zu lassen. Herr Bartels hat das, was wir zu sagen hatten, bereits beim , n gs ger, ausgeführt. Der Kultus, Minister hat es so dargestellt, als ob der konfefflonelse Frichen durch die Vorlage gefährdet würde. Das war nicht der Fall und wird auch nicht der Fall sein. Die Gegner und Freunde haben sich nicht getrennt, wie ein corpus Evangelicorum und Gatholigorum. Der Kultus. Minister hofft, daß wir dem evangelischen Kultus ⸗Minister folgen würden. Wir brauchen einen christlichen und einen muthigen Kultus⸗Minister, einen Kultus⸗Minister, der sich sagt, daß keinem Kultus ⸗Minister je eine . Aufgabe gestellt war als diese; eine 3 Herr Kultus- Minister, um die, wie Ihr Vorgänger Sie belehrt hat, auch zu fallen eine Ehre ist.

Darauf wird ein Vertagungsantrag angenommen.

Persönlich bemerkt

Abg. von Eynern: Herr Bachem meinte, ich wäre mit der tathbol chen Presse nur dann zufrieden, wenn sie mich für den größten Parlamentarler Europas erklärte. Ich würde Herrn Bachem darauf gern antworten, aber nachdem er vom Kultug-Minister so tod

Dasein Gottes mißlungen; deshalb können wir den Glauben an

geschlagen ist, natürlich mit Ausnahme seines Mundes, verzichte ich

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darauf. Seine Ausführungen stören meine Nachtruhe nicht; ö nur geschehen, wenn ich daran denke, daß in den preußischen Schulen der Rechenunterricht so schlecht ist, wie der, den Herr Bachem ge⸗

nossen hat.

Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch: Daß Herr Bartels neulich ohne Noth die Wiedervorlegung des gr n im Namen der konservativen Partei verlangte, mußte bekämpft werden, damit nicht eine falsche Meinung über die Situation entftand. Nach der eben gehörten Rede des Herrn von eydebrand ist es mir doch zweifelhaft, ob die eib . Beredsamkelt nicht eher bei ihm als bei mir zu finden st. Wenn ich einmal beredt gewesen bin, so lag das darin, daß ich die Ueberzeugung hatte, daß ich die Wahrheit vertrete.

Abg. Dr. . Ich bitte Herrn von Eynern, bis morgen ab⸗ zuwarten, ob ich wirklich so todtgeschlagen bin, wie er annimmtz Wenn ich Herrn von Eynern's Nachtruhe nicht gestört habe, so ist mir damit der größte Stein vom Herzen gefallen, der mich bedrückt.

Schluß 4 Uhr. Nächste Sitzung Sonnabend 11 Uhr.

(Fortsetzung der Berathung des Kultus⸗-Etats.)

Statistik und Volkswirthschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Aus Guben wird der Köln. Ztg. berichtet; Nachdem die Einigungsverhandlungen gescheitert sind, hat die Tuchfabrik C. Lehmann's Wittwe u. Sohn ihre Anlagen geschlossen und ,,, Arbeitern ,, . .

Au roppau meldet W. T. B.“: In den Gräfli Larisch'schen Gruben ist die Arbeit gestern früh eingestellt 3 Andere Gruben befinden sich ganz oder theilweise noch in Betrieb. In einer am Donnerstag Nachmittag in Polnisch⸗Ostrau abgehal⸗ tenen Arbeiterversammlung wurden die getroffenen amtlichen Fir. nahmen zur Aufrechterhaltung der Ruhe, wie Entsendung von Militär · Abtheilun gen Verstärkung der Gendarmerie und die Schließung der asthäuser um 7 Uhr Abends, besprochen; . wurde die Arbeiterschaft von den Rednern zur

uhe ermahnt. Das Ostrauer Revier wurde Nachts von 4 Militärpatrouillen durchstreist. Bis auf vereinzelte Uebertretungen des Koalitionsgesetzes ist die Ruhe nicht gestört worden. Vom heutigen Tage wird aus Karwin gemeldet: Die Lage des Ausstands hat 6 verschlimmert. Die Zahl der, eingefahrenen Arbeiter ist geringer als , Die Aufregung der Arbeiter dürfte durch die gestern erfolgte

ündigung dreier Arbeiter in Zarubek neue Nahrung erhalten. . Ruhe und Ordnung sind bisher nicht gestört worden.

Sandel und Gewerbe.

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Kots , n der Ruhr sind am 28. d. M. geste 2, . aueh . 9 ö. g e. nicht rechtzeitig n Ober esien am 27. d. M. gestellt 4426, t . zeitig gestellt keine Wagen. —ĩ .

Die Vorverhandlungen wegen Errichtung einer Vertre⸗ tung deutscher Großindustrieller in Johannes⸗ burg, auf welche bei der Gründung der General Mining- & Finances Corporation L. durch die Dresdner Bank hin⸗ gewiesen wurde, n, einer ,, des W. T. B.‘ zufolge, zum Abschluß gelangt. Unter Betheiligung der genannten Korpo⸗ ration sowie der Firma Fried. Krupp ⸗Grusonwerk, Magdeburg, der Sächsischen Maschinenfabrik zu fi, der Union . zitätsgesellschaft in Berlin, der Aktiengesellschaft Bergwerkverein

riedrich Wilhelms Hütte in Mülheim a. d. Ruhr. der Firmen elten u. Guilleaume in Mülheim a. Rhein und R. Wolf in Buckau⸗ ö. ö,. 2 e e begründet, welche die retung dieser industriellen Werke übernehmen und schon in na Zeit in . treten wird. = 2 .

Breslau, 28. Februar. (W. T. B.) Getreide und ö.

dukten markt. . pr. 100 1 100 exkl. 50 A1 . 6 Februar 0, 0, do. do. 70 MS Verbrauchsabgaben pr. Fe⸗ ruar 31,00.

Magdeburg, 28. Februar. (W. T. B.) Zucker i Kornzucker exklusive, von 9260 . in nr n n. Rendement 12,59 -= 12, S0, Nachprodukte exkl., 75 0 Rendement 36— 10,45. Matt, Preise theilweise nominell. Brotraffinade 1 25,25. Brotraffinade 11 2500. Gem, Raffinade mit Faß 24, 75 25, 25. Melis J mit Faß 24,26, Ruhig, Nohzucker J. Produkt Trans. f. 4. B. Hamburg pr. Februar 12, 25 Ged., 123530 Br,, vr. Mär; 12,30 bez. u. Br., vr. April 12,40 bez. u. Br., pr. Mai 12,50 bez. u. Br., pr. Oktober ⸗Dezember, 1145 bez. u. Br. Behauptet. Wochenumsatz im Rohzuckergeschäft 100 906 Ztr.

Leipzig, 28. Februar. (W. T. B.) Kammzug-⸗-Termin⸗ handel. La Plata. Grundmuster B. Er. März 3,477 M, pr. April 3,475 M4, pr. Mai 3,50 MS, pr. Juni 3,50 Æ, pr. Juli 3,525 S6, pr. August 3,55 , pr. September 3,55 M, pr. Oktober 3571 n, pr. November 3, 60 Æ, pr. Dezember 3, 625 4, pr. Januar 3,625 M, yr. Februar —— Umsatz 65 000 kg. Ruhig.

Leipzig, 28. Februar. (W. T. B.) Der Aufhsichtsrath der Kammgarnspinnerei Stöhr u. Co. hat beschlossen, der zum 21. März einzuberufenden Generalversammlung die Vertheilung einer Dividende von 19 gegen 7 im Vorjahre vorzuschlagen.

Bremen, 28. Februar. (W. T. B) 5 bericht. Raffiniertes Petroleum. Offizielle Notierung der remer Petroleum Börse.) Still. Loko 565 Br. Russtsches Petroleum. Loko 5h Br. Schmal˖t. Flau. Wiler 299 4. Armour shield 29 , Cudahy zo 3, Cholee Grocery 307 3, White label 306 A4, Fairbanks 28 3. Sp eq. Ruhig. Short elear middling loc 27 3. Reis fest. Kaffee unverändert. Bau m⸗ wolle. Ruhig. Upland middl. loko 41“ 83. Wolle. Umsatz ö Taback. Umsatz 223 Seronen Carmen, 361 ö.

eaf.

Hamburg, 28. Februar. (B. T. B.) Getreidemarkt. Weizen loko ruhig, aber fest, holsteinischer loko neuer 154 168. Roggen loko ruhig, aber fest, hiesiger —, mecklenburger loko neuer 142 145, russischer loko fest, 87-90. Hafer ruhig, aber fest. Gerste ruhig, aber fest. Rübz! (unverzollt) geschäftslos, lokg 475. Spiritus ruhig, pr. ,, Br., pr. März-⸗April 163 Br., pr. April⸗Mai 168 Br., pr. Mai-⸗Juni 166 Br. Kaffee ruhig.

ümfaßz 15506 Sack. Petroleuni ruhig. Standard white loko 5.0.

(W. T. B. Kaffee. (Nachmittagsbericht Good average San pr. März 64, pr. Mai 644, pr. September 614, pr. . 6 Behauptet. Zuckermarkt. (Schlußbericht. ) Rüben - Rohzucker J. Produkt Basis 88 M Rende ment neue Usance, frei an Bord Ham⸗ burg pr. Februar 12,174, vr. März 12,20, per Mai 1249, pr. August 12570, per Oktoher 11,473, ver Dezember 11,45. Ruhig. ö ö n n , 53 99 er,. der Südbahn v Februar bis 25. Februa ; ö n * 8 J uar 736 697 Fl., Mehrein on don, 28. Februar. (W. T. B.) 96 0/0 Javazucker 14 stetig, Rüben -Rohzucker loko 1216 matt. . inf., 463, . 0 461. . ; ö . iverpo ol, 28. Februar. (W. T. B.) Baumw ö 10 009 B., davon für Spekulation und . 1000 Glien ne Amerikaner 1/3. Brasilianer, Dhollerah und Oomra Iis niedriger. Middl. amerikanische Lieferungen; Kaum stetig. Februar 66. 41/4 Käuferpreis, März April 4a do, A . 413 / 4 41 do. Mai-Juni 416/60 —= 4 / a Verkäuferpreis, Juni⸗Juli ,, ãufer⸗ preis, Juli August R sis 416 /e. Verkaͤuferpreis, August⸗Septem 4515 do; September ⸗Oktober yen do., Oktober. Nobember In / za— 363 / 3 Käuferpreis, Rovember⸗Dezember 331g Verkäuferpreis.

Liverpool, 28. Februar. (W. T. B. . Woch en bericht. Wochenumsa . Log? g Tn. Woche h8 000), do. von amerikanischen 54 000 (Hl 000), vo. für gen.