1896 / 55 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 03 Mar 1896 18:00:01 GMT) scan diff

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daß die Prämien nicht so vollkommen klar zum Ausdruck kommen. Außerdem ist das französische Zuckersteuergesetz außerordentlich kom⸗ pliziert, ich möchte sagen, fast noch komplizierter als die deutsche Branntweinsteuergesetzgebung, und das will viel sagen. ( Heiterkeit.) Es ist also nicht einfach, die Höhe der französischen Prämien voll—⸗ ständig korrekt zu ermitteln. Aber, meine Herren, mit den steuerlichen Vortheilen, die in der Melassebesteuerung in Frankreich liegen, wird die französische Prämie von namhaften fach⸗ technischen Organen im Ganzen auf 7,18 (6 berechnet. Der wunde Punkt an dieser Berechnung kann nur der sein, daß in Frankreich die Melasse nicht mehr entzuckert, sondern ausgeführt oder zu Brannt⸗ wein verarbeitet wird. Man könnte deshalb einwenden, man dürfte nur die Gewinndifferenz zur Rohzuckerprämie hinzuschlagen, die entsteht, je nachdem die Melasse entzuckert oder zu Branntwein verarbeitet wird. Unzweifelhafter liegt die Frage bei der Begünstigung durch den Melassezoll. 50 υ— der Melasse hat in Paris gegenwärtig einen Preis von 7.20 M für 2 Zentner, in Magdeburg beträgt der Preis für das gleiche Quantum nur 2 S6, mithin hat die französische Melasse gegenwärtig einen Preisaufschlag gegenüber der unsrigen von 5,20 6 Das bedeutet pro Doppelzentner Rübenzucker einen Vorsprung von etwa 1,50 M Rechnet man hiernach zu der feststehenden Rohzuckerprämie den Vorzug aus der Melasse⸗ besteuerung und aus dem hohen Melassezoll hinzu, so gewährt Frankreich zur Zeit ich folge hier, wie ich wiederholt bemerke, fachtechnischen Organen eine Prämie von 8, 68 SM oder 7, 43 mehr als Deutschland. Ich glaube, es war deshalb berechtigt, wenn ich sagte: eine Prämie von 4 M nähert sich nur der fran⸗ zösischen Aus fuhrprämie an. Es ist übrigens ein müßiger Streit um Worte, ob man sagt: Frankreich hat eine Produktions prämie, die der Ausfuhr in dieser Höhe ebenfalls zu gute kommt oder ob man sagt: Frankreich hat eine Ausfuhrprämie in dieser Höhe. Re vera liegt die Sache vollkommen gleich. .

Meine Herren, wir sind im Gesetzentwurf dem Vorschlage des Antrags Paasche gefolgt, von der Ueberzeugung ausgehend, daß, wenn man sich einmal auf einen Wettkampf einläßt, man selbstverständlich versuchen muß, dem bestkonditionierten Gegner an den Bügel zu kommen. Ich glaube, wenn wir die Hoffnung haben sollen, die Prämien international abzuschaffen und das ist der einstimmige Wunsch der verbündeten Regierungen und, ich glaube auch, dieses hohen Hauses (sehr richtig) dann müssen wir so ver— fahren, wie man bisweilen bei Handels verträgen verfährt: wir müssen ebenso, wie man die autonomen Zölle erhöht, um Kompensations⸗ objekte für Vertragstarife zu haben, unsere Prämientarife erhöhen, um Komvensationsobjekte für internationale Verhandlungen zu gewinnen. (Sehr richtig) Gehen wir diesen Weg nicht, so bleibt die inter⸗ nationale Abschaffung der Prämien ein frommer Wunsch und alles Verhandeln ist pro nihilo. (Sehr richtig!)

Wenn man sich also mit dem Gedanken befreundet, überhaupt Prämien zu gewähren unser bestebendes Gesetz hat keine eigent⸗ lichen Prämien, es sind wenigstens keine Kampfprämien und die Prämien gegenüber dem bisherigen Satz zu erhöhen, dann, glaube ich, muß man aus wirthschaftlichen und finanziellen Gründen auch die Kontingentierung naturgemäß mit in den Kauf nehmen. Ich gehe so weit, die Kontingentierung für das noth⸗ wendige Korrelat jeder Prämien gewährung zu halten.

Was ist überhaupt Kontingentierung? Sie stellt entweder eine Beschränkung der Prämiensumme im finanziellen Interesse dar, oder eine Beschränkung des zu prämiierenden Produktionsquantums vorzugs— weise im wirthschaftlichen Interesse, oder endlich eine Beschränkung der Prämiensumme und des zu prämiierenden Quantums im wirth⸗ schaftlichen und finanziellen Interesse. Oesterreich hat lediglich eine Kontingentierung im finanziellen Interesse. Dort stehen fünf Millionen Gulden für die Prämierung zur Verfügung; wird mehr an Ausfuhrzuschüssen gezahlt, so muß die gesammte Produktion dieses Plus pro rata zurückzahlen. Einen ähnlichen Weg ist Holland im Begriff zu gehen, und zwar mit Prämien, die vorläufig höher sind als die bisherigen. Rußland hat in seiner Normiréwka auch eine Art Kontingentierung, aber nur eine Kontingentierung für den Inlandskonsum, jedoch gleichzeitig mit einer amtlichen Regulierung des Höchstpreises.

Der vorliegende Gesetzentwurf verbindet beide Systeme, d. h. er will sowohl die für die Kontingentierung aufzuwendende Summe, wie das zu prämiirende Quantum beschränken. Die Kontingentie⸗ rung stellt sich hier eigentlich nur dar als den Maßstab für die Zurückzahlung der überzahlten Prämien. Der Vorzug unseres Kontingentierungssystems ist, daß diejenigen Fabriken, die sich bei ihrer Produktion innerhalb ihres Kontingents halten, unter keinen Umständen verpflichtet sind, irgend welche Rückzahlungen zu leisten. Es ist selbstverständlich, daß eine Kontingentierung lediglich nach finanziellen Gesichtspunkten ein außerordentliches Moment der Unsicher⸗ heit in die Kalkulation des Betriebes bringt, weil eben dann die gesamm te Produktion die Vewflichtung hat, überbezahlte Beträge zurückzuzahlen. Unser Gesetzentwurf legt die Rückjahlungspflicht ledig lich auf das Superkontingent. Wer also nur das Kontingent herstellt, kann seine Gestehungskosten und seine Bilanz gerade so gut kalkulieren wie bisher. Für welche Quote der Produktion diese Rückzahlungs⸗ pflicht eintritt, hängt von der Bemessung der Höhe des Gesammt⸗ kontingents ab. Je niedriger das Gesammtkontingent und je höher die Prämie ist, desto schwerer wird es natürlich, Superkontingente herzustellen, weil die Differenz der steuerlichen Belastung zwischen Kontingent und Superkontingent ziemlich erheblich ist.

Je größer man das Gesammtkontingent und je niedriger man die Prämie gestaltet, desto leichter ist es., Suxerkontingent ber— zustellen, weil der Unterschied der steuerlichen Belastung zwischen dem kontingentierten und nicht kontingentierten Produkt immer kleiner wird.

Man hat in der öffentlichen Diskussion die Kontingentierung in tendenziöser Weise geradezu als ein Verbot der Mehrproduktion hingestellt, während die Kontingentierung doch lediglich ein Mittel sein soll, die Produktion meht anzupassen der Möglichkeit

eines lohnenden Absatzes und die Steigerung der Produktion

mehr an den steigenden inneren Konsum anzuschließen. Ich glaube, für diesen Gesichtspunkt müßten doch gerade die Gegner der Vorlage zu gewinnen sein, die der Zuckerindustrie immer eingeprägt haben: die Ausdehnung des Exports ist etwas Krankhaftes, die Industrie muß mehr suchen, ihren Markt auf dem Gebiet des inneren Konsums zu finden und ihre Produktion dem inneren Konsum anzupassen.

Meine Herren, um die Vorlage zu bekämpfen, hat man ja auch

hier wieder ich möchte sagen ein soziales Miethspferd vor den Streitwagen der Opposition gespannt; man hat behauptet, durch die Kontingentierung würden die sogenannten Rübenbauern abgestoßen werden, und das würde namentlich die Kleinsten unter ihnen unzweifel · haft treffen. Zunächst muß ich doch bemerken, daß noch im Jahre 1894s95 die Kaufrüben 6580/0 der Gesammtproduktion betrugen, und 58 o 0 Produktion stößt man nicht so ohne weiteres ab. Wäre es aber den Aktienfabriken möglich gewesen, ihren Bedarf aus ihrem eigenen Acker und den Lieferungen der Aktionäre zu decken, so wäre es ihnen schon bisher nicht eingefallen, fremde Rüben zu kaufen. Wie liegt denn die Sache thatsächlich? Sind schlechte Konjunkturen, sinken die Zuckerpreise, so wird selbstverständlich jede Fabrik zunächst ihre eigenen Rüben verarbeiten und demnächst die Rüben der Aktieninhaber; sie wird aber auch und das ist bisher immer geschehen die ihr angebotenen Kaufrüben verarbeiten, aber nur zu gedrückten Preisen. Es wirkt demnach ein Rückgang der Preise nicht auf den Absatz der Kaufrüben an sich, sondern auf die Preisbemessung. Sind solch schlechte Konjunkturen, dann wird die Schwerkraft beim Abschluß des Kaufvertrages selbstoerständlich auf seiten der Fabriken liegen. Sind gute Konjunkturen, haben wir steigende Zuckerpreise, so werden die Fabriken alles zusammenkaufen, was sie irgendwie erlangen können, und der Schwerpunkt der Preisbestimmung wird dann auf seiten der Kaufrübenlieferanten liegen. Ich sage also, das Gewicht der Preisbestimmung richtet sich nach den momentanen Konjunkturen, und dieses Gewicht wirkt nicht auf den Absatz, sondern nur auf die Höhe der Preisbemessung. Die Zuckerindustrie steht jetzt aber vor der Wahl: ob sie diesen Gesetzentwurf annehmen und sich dadurch in die Lage bringen will, für den bei weitem größten Theil ihrer Pro⸗ duktion eine erhöhte Prämie zu erhalten und nur einen kleinen Theil ihrer Produktion, das Superkontingent, ohne Prämie exportieren zu müssen, während die Wirkung der Prämienerhöhung auf den In— landpreis selbstverständlich bestehen bleibt; oder ob sie dom 31. Juli 1897 ab ihre Gesammtproduktion ohne jede Prämie ver— werthen wil l. Bei dieser Sachlage kann der Industrie die Ent⸗ scheidung nicht schwer fallen.

Ich bin aber auch der Ansicht, daß die Kontingentierung um⸗ gekehrt gerade für die Lieferanten von Kaufrüben eine günstige ge— setzliche Einrichtung ist und eine günstige Wirkung für dieselben haben wird. Es ist bei dem Rübenbau ganz ebenso wie bei dem Tabackbau. Haben wir in einem Jahre hohe Preise, so wird im nächsten Jahr sofort mehr gebaut. Es entsteht Ueberproduktion und im übernächsten Jahre findet wieder eine Einschränkung statt, weil die Preise naturgemäß sinken. Ebenso folgt auf günstigere Rüben⸗ preise immer eine steigende Produktion. Wird jetzt aber durch die Kontingentierung unsere Rübenproduktion stetiger, werden diese sprung⸗ haften Produktionssteigerungen, die zur Krisis im vorigen Jahre geführt haben, vermieden, so erhöht sich auch die Chance für die Kaufrübenlieferanten, fortgesetzt gleichmäßige günstige Preise zu bekommen; denn gerade für die Kauflieferanten ist der Wechsel zwischen Ebbe und Fluth, zwischen hohen und niedrigen Preisen ein wirthschaftlich besonders bedenkliches Moment. Führen wir die Kontingentierung ein, so wird sich eben auf dem Gebiete der Rübenzucker⸗ industrie dasselbe vollzieben, was sich bereits vollzogen hat auf dem Ge⸗ biete der Branntweinindustrie; jede Fabrik wird sich nach den Konjunk⸗ turen berechnen, welchen Gewinn sie aus ihrem Kontingent gezogen hat, und sie wird gerade in schwierigen Zeiten in der Lage sein, den Rübenlieferanten noch lohnende Preise zu bewilligen, weil sie einen Theil ihres Kontingentvortheiles übertragen kann auf die Bewerthung der Kaufrüben. Meine Herren, außerdem darf man nicht vergessen, der Rübenbau ist doch nicht Selbstzweck; man hat in der öffentlichen Diskussion es so dargestellt, als ob es möglich wäre, überall in Deutschland, wo nur nech eine Rübe wachsen will, in Zu⸗ kunft auch zu Johnenden Preisen Rüben zu bauen und als ob die Fabriken in der Lage wären, so viel Zucker herzustellen, wie über—⸗ haupt nur Rüben geliefert werden können. Das ist doch ein Irrthum; würde wirklich jemals eine solche Ueberproduktion an Rüben ein— treten, so wäre die unmittelbare Folge eine verbängnißvolle Krisis; einen Vorgeschmack haben wir davon schon im vorigen Jahre gehabt. (Sehr richtig) Der Zweck des Gesetzes ist nicht, den Rübenbau zu beschtänken, sondern das Wachsthum der Produktion soweit zu regu—⸗ lieren, daß der Rübenbau auch ein lohnendes landwirthschaftliches Gewerbe bleibt (sehr richtig! rechts), und ich kann das ganz offen ge⸗ stehen; der Gesetzentwurf ist nicht gemacht worden im Interesse der Industrie, sondern im Interesse der Landwirthschaft; die Industrie soll in der Lage bleiben, der Landwirthschaft lohnende Rübenpreise zu be⸗ willigen! (Bravo! rechts.)

Ich muß nun mit kurzen Worten auf die Betriebsabgabe über⸗ gehen. Man hat die Betriebsabgabe als eine Strafe für die Intelligenz bezeichnet. (Heiterkeit links) Wer dieser Ansicht ist, müßte eigentlich beantragen, die Materialsteuer wiedereinzuführen. (Sehr richtig Denn die Materialsteuer war eine Prämie für die Intelligenz; die Materialsteuer belastete kleine und mittlere Fabriken mit unvollkommenen Produktionseinrichtungen oder schlecht polarisierenden Rüben bei weitem höher als große Fabriken, die ver⸗ s varen mit den besten Einrichtungen modernster Technik und gut

isierende Rüben verarbeiteten. (Sehr richtig! rechts.) Glauben

aber wirklich, daß die Materialsteuer wieder einzuführen ist?

glaube, diejenigen Herren gerade, die Feinde dieser Vorlage

und die die Betriebsabgabe eine Strafe für die Intelligenz

en, waren seiner Zeit auch die energischsten Feinde der Material steuer und baben ihrerseits fortgesetzt beantragt, die Material steuer aufzuheben. Ich will hierbei nicht verschweigen, daß auch ein Theil der Industrie die Aufhebung der Material—⸗ steuer wünschte, weil sie bekanntlich mit einer außerordentlich lästigen Fabrikkontrole verbunden ist. Wir haben die Betriebs⸗ abgabe in Uebereinstimmung mit dem Antrag Paasche vorgeschlagen, weil wir der Ansicht sind, daß eine Anzahl mittlerer und kleiner Fabriken für die Landeskultur, für die umgebende Landschaft wichtiger sind wie wenige Riesenfabriken, und weil wir ferner der Ansicht sind, daß die Konkurrenz, die in vielen kleinen und mittleren Fabriken liegt, für die Kaufrübenlieferanten viel günstiger ist als das Monopol weniger Rübenfabriken, die in der Lage sind, selbstherrlich die Rübenpreise zu diktieren. Es hat sich ja nun auch gegen das Gesetz eine kleine landwirthschaftliche Opposition gebildet (Heiterkeit links), vorzugsweise geführt seitens der technischen Leiter von Fabriken. Meine Herren, die technischen Leiter von Fabriken haben persönlich selbstverständlich ein sehr geringes Interesse daran, welche Rüben⸗ preise an und für sich der Landwirth erhält. Ihr Interesse liegt

lediglich darin, möglichst große Produktion, möglichst große Umsãtze in der Fabrik zu haben. Wir haben aber das Interesse, daß der Landwirth bei den jetzigen Zeiten für seine Rüben noch einen Preis erhält, der den Rübenbau wenigstens noch als wirthschaftlich lohnend erscheinen läßt. (Sehr richtig! rechts und bei den Nationalliberalen.)

Ich möchte nun auf das Programm dieser landwirihschaft⸗ lichen Opposition näher eingehen. Nummer eins wird internationale Abschaffung der Prämien überhaupt verlangt. Ich glaube, damit sind wir sehr einverstanden, das hohe Haus sicherlich auch. Nummer zwei werden erhöhte Kampfprämien gefordert. Diese schlägt der vorliegende Gesetzentwurf vor. Nummer drei aber wird zu meiner größten Ueberraschung entschieden Stellung gegen jede Kontingentierung, gegen jede Betriebsabgabe und gegen jede höhere Belastung des inländischen Konsums genommen. Ja, woher soll denn das Geld zu erhöhten Kampfvrämien gewonnen werden? Das ist in dem Pro⸗ gramm leider nicht verrathen. Wenn der Finanzverwaltung das Geld in den Schoß fiele wie Manna vom Himmel, dann, glaube ich, würde das Verhältniß zwischen Finanz⸗Minister und parla— mentarischer Vertretung ein wesentlich freundlicheres und innigeres sein. (Heiterkeit) Nummer vier wird verlangt Rückkehr zur Material- steuer, mit welcher „eine angemessene Einnahme für das Reich sehr wohl vereinbar sei'. Eine angemessene Einnahme für das Reich diesen Ausdruck muß ich etwas vertiefen, weil er, ich glaube absichtlich, etwas unklar gehalten ist. Im Jahre 1886/87 betrug die Prämie ich kann dieses Geheimniß jetzt ver⸗ rathen, weil es keinen Werth mehr hat für die Debatte betrug also die Prämie, die für 100 kg Rohzucker durchschnittlich ge⸗ zahlt wurde, etwa 5,46 Besonders gut organisierte Fabriken er⸗ hielten natürlich eine wesentlich höhere Prämie. Dieses Prämiierungs⸗ system hatte zur natürlichen Folge, daß die Einnahme des Reichs aus der Zuckersteuer auf 143 Millionen Mark sank. Wenn man also bei einer Rückkehr zur Materialsteuer einen angemessenen Ertrag für das Reich haben wollte, könnte man dieses Ziel nur dadurch erreichen daß man ein wirklich korrektes Ren⸗ dement zu Grunde legte. Die Prämien konnten unter dem alten Materialsteuersystem nur so hoch sein, weil das angenommene Durchschnittsrendement von 1 Zentner Rohzucker aus etwa 10,15 Zentner Rüben ein unrichtiges war. Ich habe mir die Mühe gemacht, zu be⸗ rechnen, wie sich die steuerliche Belastung des Zuckers jetzt stellen würde, wenn wir das Durchschnittsrendement des Jahres 1894/,‚ 95 zu Grunde legten und auf dieses Rendement die steuerliche Belastung des alten Materialsteuergesetzes zur Anwendung brächten. Meine Herren, zu 100 kKg Zucker waren im Jahre 1894/ũ95 in den preußischen Provinzen, die am besten polarisierten, 7,32 Doppeljentner Rüben; in den deutschen Landen, welche die schlechtest polarisierten Rüben haben es handelt sich vorzugsweise um eine neue Fabrik, die wahrscheinlich noch technische Fortschritte macht zu 100 kg Zucker 10,92 Doppel⸗ zentner Rüben erforderlich. Der Durchschnitt im ganzen Reich, der zu einem Doppelzentner Rohzucker an Rüben im Jahre 1894/95 gebraucht wurde, bettug 8,21 Doppelzentner. Würden wir auf dieses Durch⸗ schnittsrendement des Jahres 1894/95 das Materialsteuergesetz vom Jahre 1886 anwenden, so würde in der preußischen Provinz, welche die günstigsten Polarisationsresultate hat, der Doppelzentner Zucker mit nur 12,44 60 Steuer belastet sein; in demjenigen deutschen Lande aber, welches die ungünstigsten Polarisationsresultate aufweist, würde der Doppelzentner Zucker mit 18,56 „S Steuer belastet werden. (Hört, hört! rechts) Mit anderen Worten: es würde in der steuerlichen Belastung desselben Quantums Zucker von 100 kg in den einzelnen deutschen Landestheilen eine Differenz von 6,12 M sich ergeben. Daß ein solcher gesetzlicher Atavismus vollkommen unmöglich ist, bedarf, glaube ich, keiner weiteren Ausführung. Das alte Materialsteuergesetz wäre aber nur dann möglich, wenn man das Rendement des Zuckers aus der Rübe niedriger griff, wie das Rendement der schlechtest polarisierenden Rübe und der schlechtest arbeitenden Fabrik ergiebt. Sobald man ein korrektes Durchschnittsrendement wählt, wird die weitere Konkurrenz für die mittleren und kleineren Fabriken und für die Landestheile, die nicht günstig polarisieren, sofort unmöglich. Hierzu kommt noch, daß die kleineren und mittleren Fabriken notorisch bis 5 M pro Doppel zentner größere Betriebskosten aufzuwenden haben. Würden wir also jetzt zu dem System der Materialsteuer zurückkehren, so würden wir die Räbenindustrie in den Landestheilen, die weniger günstig polari⸗ sieren, und alle mittleren und kleineren Fabriken einfach vernichten. Meine Herren, auf eine solche Gesetzgebung würde das berühmte Wort Louis Blanc's Anwendung finden: „Die Konkurrenz führt zum Monopol der Mächtigen. Welche Bedenken es hat, Fabriken zu groß anwachsen zu lassen, darüber erhält man sehr belehrende Aufschlüsse, wenn man die Verhandlungen der österreichischen Zuckerenquete über die Wirkungen der sogenannten Fabrikkartelle studiert. Nun, meine Herren, wir sind ja noch nicht in der Lage, auch Gedanken photographieren zu können; aber wenn das möglich wäre, würde sich, glaube ich, bei den Verfassern des von mir eben erörterten Programms wahrscheinlich die stille Hoffnung ergeben, die Rübenindustrie in gewissen Landes⸗ theilen zu monopolisieren und dementsprechend in anderen Landestheilen zum Erliegen zu bringen. Gegen diese Absicht würde ja an und für sich nicht das Geringste einzuwenden sein. Im wirthschaftlichen Leben ist nicht die Selbstlosigkeit maßgebend, sondern der Selbsterhaltungstrleb, und wenn eine solche Entwickelung der Rübenindustrie zur Erstarkung des Ostens beitrüge, so wäre das in gewissen Grenzen vielleicht eine durchaus erfreuliche Er⸗ scheinung. Ich glaube aber, dieses Programm hat einen wesentlichen Fehler: sind die Konjunkturen auf dem Zuckermarkt günstig, so wird die mitteldeutsche und die westdeutsche Industrie gerade so gut in Zu⸗ kunft mit konkurrieren wie die östliche; sind die Konjunkturen auf dem Zuckermarkt ungünstig, so habe ich die Befürchtung, daß es der kapitalstarke deutsche Westen und das kapitalstarke Mitteldeutschland doch vielleicht länger aushalten werden wie der verhältnißmäßig kapitalarme Osten (sehr richtig! rechts); ich glaube, jene Herren im Osten vergessen auch eins: man hat im Westen und in Mittel“ deutschland allerdings noch eine Masse kleine und mittlere höchst unvollkommen konstruierte Fabriken, spöttisch ‚Rübenquetschen“ ge—⸗ nannt; man wird aber mit der Zeit auch dort genöthigt sein, zu vollkommeneren technischen Einrichtungen fortzuschreiten, man hat ferner im westlichen und in Mitteldeutschland in den letzten Jahren bei der Kultur der Rübe mehr auf die Massen als auf den Zucker⸗ gehalt gesehen, und auch in dieser Beziehung ist man im Begriff, den vorhandenen Fehler zu verbessern. Wird aber in dieser Weise

die Räbenindustrie in Süd. und Westdeutschland verbessert, so wird sie mit der Rübenindustrie des Ostens auch vollständig konkurrenz⸗ fähig bleiben.

Meine Herren, ich muß nun den Gegnern der Vorlage zum Schluß noch eine unangenehme Ueberraschung bereiten. Es ist in der Presse darauf hingewiesen worden, daß die süddeutschen Staaten eine prinzipiell ablehnende Haltung gegen das Zuckersteuergesetz ein⸗ genommen hätten; diese Annahme ist eine irrige. Die süddeutschen Staaten haben übereinstimmend erklärt, daß sie zu einer mäßigen Er⸗ höhung der bisherigen Prämien geneigt wären. Ein Theil derselben hat auch autdrücklich erklärt, daß er den Grundlagen des Gesetzes ympathisch gegenüberstebe, und andere dissentierende Staaten haben

sich dieser Erklärung angeschlossen. Wenn die süddeutschen Staaten

gegen das Gesetz gestimmt haben, so ist dies geschehen, weil sie sich nicht entschließen konnten, für die Prämie in der hier im Gesetz normierten Höhe zu stimmen; ein sfüddeutscher Staat hat seinen Widerspruch auch damit begründet, daß seine Regierung prinzipielle Bedenken gegen das Prinzip der Kontingentierung hege. Aber bei den Verhandlungen im Bundes— rath ist ausdrücklich hervorgehoben, daß für das ablehnende Votum niemals der Gesichtspunkt maßgebend sein könnte, daß Süd— deutschland gar kein oder ein verhältnißmäßig nur geringes Interesse an der Entwickelung der Rübenindustrie habe. Dieser Gesichtspunlt ist ganz ausdrücklich perhorreeseiert worden. Es wäre das auch eine engherzige und kurzsichtige Politik; denn Deutschland bildet eine wirthschaftliche Einheit, und wer heute versagt, kann morgen in die Zwangslage kommen, selbst fordern zu müssen. Ich kann nur den Wunsch aussprechen, daß auch die intransigenten Gegner der Vorlage auf diesen Standpunlt sich stellen möchten; dann habe ich die Hoffnung, daß wir zu einer Einigung über den Entwurf gelangen werden. (Bravo! rechts.)

Abg. Richter fr. Volksp.): Die heutige Besetzung des Hauses bezeugt gerade nicht, daß das. Interesse an der Vorlage ein sehr großes ist. Die beiden Rufer im Streit sehe ich heute überhaupt nicht bier. Man sprach von dem bevorstehenden Abschluß der Rüben⸗ verträge; aber das ist irrig; die Verträge sind meist schon im Herbst abgeschlossen. Nur einzelne Nachzügler kommen jetzt noch nach. Aus dem, was man jetzt weiß, geht hervor, daß die Rübenkultur im nächsten Jahr um 10 15 0o größer sein wird als im abgelaufenen Jahr; durch eine besondere Prämiierung würden wir die Gefahr der Ueberproduktion vergrößern. Niemals ist eine Beschleunigung so wenig angebracht gewesen, wie bei dieser Vorlage. Es handelt sich nicht um den Schutz der nationalen Arbeit, auch nicht um in kleines Mittel fär die Landwirthschaft, sondern um eine große Belastung des Volks und um eine Maßregel, welche die Landwirth⸗ schaft schödigt. Der Bundesrath hat sich eine 23 monatige gründliche Berathung gegönnt. Der Stagtssekretär wollte uns eine Ueber⸗ raschung bereiten bezüglich der Zustimmung der einzelnen Bundes⸗ staaten. Niemals ist eine so große Minderheit im Bundesrath vor— handen gewesen wie diesmal. Für eine mäßige Erhöhung der Prämien sollen die süddeutschen Staaten gewesen sein, aber der Staatssekretär hat selbst gesagt, daß mäßige Prämien nichts nützen. Er meinte, einige Regierungen hätten der Vorlage, sympathisch gegenübergestanden. Das sind gewöhnlich die schlimmsten Gegner einer Vorlage, welche derselben sympathisch gegenüberstehen. Wenn die füddeutschen Staaten kein landwirthschaftliches Interesse haben, fo bedeutet die Vorlage noch viel weniger. Gegenüber dem Ansturm der begebrlichen Interessen konnte man nicht still sitzen; man mußte ihn bekämpfen, und das ist lange nicht stark genug ge scheben. Der Vorredner sprach von einer anatomischen Ruhe. Ich werde mich auch der Anatomie bedienen und hoffe, daß mein Sceier— messer tief genug eindringen wird um alles klar zu legen. Aus der erhöhten Verbrauchsabgabe sollen die Prämien gedeckt werden; 55 Millionen Derden mehr verlangt, von denen 40 Millionen auf die Prämien entfallen, während eiwa 14 Millionen der Reichskasse zufallen. Die Preizerbhöhung wird en gros 24 3 für das Kilogramm betragen, asfo mindestens 5 3 auf das Pfund im Einzelverkauf, also bis zu 26 v des gegenwärtigen Raffinadenpreises. Schon in den Arbeiter⸗ familien rechnet man 57 Pfund Zucker für die Familie. Die Zuckerinteressenten verlangen eine Kontingentierung nicht auf 14, sondern auf 17 Millionen Doppelzentner; dadurch würde die Be⸗ lastung des Volks noch steigen. Ungeheuerlich ist diese Forderung mit Bejug auf den Umfang der Industrie. Der Antrag Kanitz ist bescheiden dem gegenüber. Der Körnerbau umfaßt wenigstens 14 Millionen Hektar, der Zuckerrübenbau nur 441 000 ha! Es steht aber nicht die ganze Rübenkultur in Frage, denn der ganze Inlandskonsum ist durch Prohibitivzölle gesichert. Der Antrag Kanitz Türke pro Hektar einen Mehrertrag von 5,50 „S6 hervorbringen. Diese Vorlage aber würde einen Mehrertrag von 160 4 garantieren. Der Antrag Kanitz gewährt diese Prämie bei der gegenwärtigen niedrigen Preielage; die Prämie fällt weg, wenn sich die Preise steigern. Aber hier tritt keine Korrektur der erhöhten Preise ein. Allerdings bildet die Rübenkultur den Mittelpunkt der betreffenden Wirth— schaften; man kann die am Rübenbau interessierten Flächen auf das Dreieinhalbfache setzen; aber dann käme man immer erst auf 60so der gesammten Ackerfläche. Die Liebesgabe bei der Branntwein steuer sollie eine Entschädigung sein für den Rückgang des Brxannt— welnkonsums. Hier kommen solche Dinge gar nicht in Frage. Als Tie füddeutschen Tabackbauern eine Erhöhung des Schuß zolles verlangten, da erhielt sich die Regierung. ab sehnend. Von der Rübenkultur entfallen auf Süddeutschland 230, während es 20 00 der Zuckersteuer zu tragen hat. Die landwirthschaftliche Bevölkerung konfumiert auch Zucker und sie macht doch etwa die Häffte der ganzen Bevölkerung aus. Nicht einmal Norddeutschland hat ein einheitliches Interesse an der Zuckersteuer. Weshalb haben denn Oldenburg und Mecklenburg gegen die Vorlage gestimmt, die doch nur agrarische Interessen zu vertreten haben? Sachsen, Hannober, Braunschweig und Anhalt sind hauptsächlich an dieser Vorlage interessiert. Aus der Preislage sucht man ja besondere Gründe herzuleiten für die Vorlage. Als Normalpreis bezeichnet man den von Bz = 24 M für den Doppelzentner; dieser Preis bestand bis zum September 1894. Ist es denn xichtig, einen solchen normalen Preis als Grundlage der Gesetzgebung hinzustellen? Niemand ist gegen eine solche sozialiftische Theorie kräftiger aufgetreten als der Landwirth⸗ schafts- Minister. Er bezeichnet ein solches Verfahren als den ab⸗ schüssigen Weg zum Sozialismus. Damit hat der Landwirthschafts⸗ Minister über' die Vorlage den Stab gebrochen. Man braucht nur an die Stelle von „Getreide immer das Wort Zucker“ zu en und die Vorlage ist mitten durchgerissen. Wenn man die Normalpreise einfũhren wolle, sagte Herr von Marschall, dann müsse man sie allgemein einführen oder nur für die Bedürftigsten; da würden aber andere in Betracht kommen als die Landwirthe. Sind die Zuckerinteressenten die Bedürftigsten? Etwa 55 Millionen entfallen auf die wohlhabendsten Gegenden in Mitteldeutschland, wo die Grundwerthe eine Höhe er⸗ reicht haben, wie in wenigen anderen deutschen Distrikten. Und wenn man nach den Personen fragt, so frage ich: Sind die Be— theiligten diejenigen, welche eine Unterstützung verdienen? Mustern Sie die Liste der Interessenten in dem Zabel 'schen Adreßbuch der Juckerfabriken, es sind die reichsten Leute. Barauf nicht hinzuweisen, wäre ein Fehler, denn man weiß, wie viel der persönliche Einfluß maßgebend ist in diesen Fragen. Ist denn überhaupt die ganze Grundlage der Vorlage zutreffend? Wie steht es denn mit der Ausfuhr? Seit dem neuen Zuckersteuergeseg betrug die Ausfuhr 159197 6,9 Millionen Doppelzentner, 15892553 3 1893,94 73 und 1894,55 io, 5 Missionen Doppelzentner. Erst in dem letzten Jahre stellte sich eine erhebliche Preisperminderung heraus. Be⸗ züglich des Getreides führte der Landwirthschaftè⸗Minister aus,

daß die niedrigen Preise etwas Vorübergehendes seien. Dasselbe Ut auch vom Jucker, und zwar ist es nicht bloß eine Vermuthung, ondern es ist ziffermäßig nachzuweisen. Was sagt die Vor⸗ lage über die ganze Preisgestaltung? Der Anbau ist ge⸗ steigert worden, und das Erträgniß er Ernte ist ein größeres gewesen als früher. Daraus ist die Uebervroduktion entstanden, aber die Rübenbauer haben dabei kein schlechtes Geschäft gemacht; sie haben hohe Rübenpreise bekommen, aber die Zucker⸗ fabriken mußten den Preisfall tragen. Ein Ausgleich ist dabei ge⸗ wesen, in sofern die Fabriken selbst Rüben bauen, und die Aktionäre Rübenlieferanten sind. 1895 / 96 haben die Rübenbauer geringere Preise bekommen, die Fabriken haben die Rüben billig gekauft, machen aber bei den gestiegenen Preisen ein gutes Geschäft. Eine Selbstbeschränkung erzwingt sich ohne Gesetz durch die niedrige Preisgestaltung, auf, das Gesetz haben die Rübenbauer nicht gewartet; nicht bloß in Deutschland, jondern überall ist eine Einschränkung im Rübenbau eingetreten, hier ist immer nur die Rede von den Rüben, niemals von den Schnitzeln, ebenso wenig wie man beim Branntwein an die Schlempe denkt; beide vermehren aber die Einnahmen. Die Preise gehen über den Normalpreis von 23 24 ½ hinaus; sogar die Terminpreise für die ganze Kampagne sind danach berechnet. Der Staatssekretär sagt: Das ist Spekulation! Ist denn Spekulation etwas Unsittliches? Die Berechnung der Spekulation hat ihre ganz gesunde Grund⸗ lage, ganz abgesehen von Cuba. Die cubanischen Verhältnisse sind als ein befonderer Faktor zu der Einschränkung des Rüben⸗ baues hinzugekommen. Die Ausfälle der cubanischen Ernte werden von den Zuckerinteressenten doch ganz anders dargestellt als von dem Staatssekretär. Die Kurse der Zuckerfabriken spiegeln doch die Bewegung deutlich wieder. Nur eine einzige, die Zuckerfabrik Bredow steht unter pari, die anderen Fabriken stehen sämmtlich über zari. obgleich 1394 95 keine oder geringe Dividenden gezahlt sind.

e Landwirthe sind doch durchaus nicht einverstanden mit der Vor⸗ lage. Beachtenswerth ist, daß Mecklenburg gegen die Vorlage ge⸗ stimmt hat. Hamburg hat gegen die Vorlage gestimmt, obgleich der Handel doch an der Steigerung der Ausfuhr, die beabsichtigt wird, ein Interesse hätte. sich die Interessenten gegen die Vorlage und selbst die Rohzucker— fabriken wollen von derselben nichts wissen und die Raffinerien wollen die Entzuckerung in besonderen Melasse ⸗Entzuckerungs⸗Anstalten unter Strafe stellen Die Betriebssteuer ist eine Strafe auf den Fortschritt, auf die Vergrößerung des Betriebes. Bas übersteigt ebenfalls alles Maß. Die Betriebs steuer wird in diesem Haufe einstimmig abgelehnt, das steht heute schon fest. Da sollten doch diejenigen, die sonst der Führung der Regierung vertrauen, etwas stutzig werden; da sollte man doch auch an die anderen vorgeschlagenen Maßnahmen Kritik anlegen. Bezüglich der Kontingentierung verwahrte sich der Vorredner dagegen, daß darin ein Verbot liege. Thatsächlich wirkt sie aber so. Der Verein der Zuckerfabrikanken verlangt eine Fixierung der Mehrsteuer auf 4 69 Baz ist undurchführbar; denn wenns Zuckervorräthe auf das nächste Jahr übertragen und dann erst exportiert werden, so würde fofort ein großes Loch in der Statskasse entstehen. In diesem Augenblick ist eine stärkere Nachfrage auf dem Weltmarkt vorhanden. Die Vorlage will die Kontingentierung, die deutsche Fabrikation kann deshalb nicht in den Weltmarkt eintreten, (s setzen sich andere Lieferanten fest, Schließlich müßte der Bundesrath, um den' wechfelnden Bedürfnissen des Auslandes zu genügen, all⸗ jährlich die Kontingentierung neu festsetzen. Der Kontingentierung widerspricht doch auch der Umstand, daß die Rübenkontrakte auf Bebauung von so und so viel Hektar gehen; es besteht also das Risiko bezüglich des Ausfalls der Ernte, bezüglich Menge und Zuckergehalt. Das Hauptbedenken gegen die Kontingentierung liegt aber in einer Erschwerung der Entstehung neuer Fabriken, also der Ausdehnung der Konkurrenz und der Fort⸗ schritte. Auch die Vergrößerung der bestehenden Fabriken ist aus⸗ geschlossen. Bei jeder Kleinbahn entsteht eine Rübenzuckerfabrik. Welcher Widerspruch gegenüber dieser Vorlage. Die Kleinbahnen werden fubbentioniert und hier verhindert man die Entstehung neuer Zuckerfabriken. Der Rübenbau hat sich vervierfacht in Pommern und Mecklenburg, verzweifacht in Posen. Durch die Kon— fingentierung wird die Entstehung der Rübenkultur in anderen Gegenden verhindert. Deshalb kann man sich nicht wundern, daß die Landwirthe sich dagegen sperren, daß der bestehende Zustand zur Grundlage der gesetzlichen Regelung gemacht werden soll. Die Nach⸗ frage nach Rüben wird vermindert durch die Kontingentierung, und man wird zunächst die Kaufrüben weniger nehmen und mehr selbst Rüben bauen. Dadurch kommen natürlich die kleineren Bauern am schlechtesten weg. Denn die Fabriken schließen lieber einen großen afs mehrere kleine Verträge ab. Der Bund der Landwirthe und der Schlesische landwirthschaftliche Verein verlangen daher die Kon⸗ tingentierung der Rüben, und nicht der Zuckerproduktion. Jeder, der bisßer Rüben gebaut hat, soll einen Kontingentsschein erhalten und seine Räben mit diesem Schein an die Zuckerfabrik verkaufen. Das ist konsequent, zeigt aber zugleich, wie widersinnig die ganze Vorlage

ift. Die Prämien sind an sich nicht nöthig, und auch ihre Erhöhung,

ist überflüssig. Die deutsche Zuckerindustrie ist konkurrenzfähig gegen— über der österreichischen und gegenüber der französischen, wo der Ertrag an Rüben und der Zuckergehalt der Rüben niedriger ist ats bei uns, so daß sich ein Mehr von 20 o auf demselben Areal Es wird die Legende aufrecht erhalten, vorbehalten hätte, die

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amerikanischen Konsumenten. Durch d ift der Konsum gesteigert worden; er ist von 6 kg in den 70er Jahren auf 9 kg in den S0 er und auf über 10 kg in den 90er Jahren gestiegen. Ein Rückgang des Konsums kann für die Zuckersndustrie und den Rübenbau sehr bedenklich werden. Sonst Feißt es immer: In dem inländischen Markt liegen die Wurzeln unferer Kraft. Hier wird aber der inländische Markt gefährdet. Der Staatgfekretaͤr meint, die Engländer trinken zu viel Gregk, dabin würden wir nicht kommen. Es soll an unserer Küste auch sehr viel Grogk getrunken werden, und wenn nicht ein so unvernünftig hoher Zoll auf dem Arrak läge, so würde noch mehr getrunken werden. Wir brauchen es ja garnicht auf die 36 Eg der Engländer zu bringen, die 258 kg der Amerikaner sind auch nicht zu verachten. Wenn wir nur so weit kommen, so würden wir den ganzen deutschen Zucker im Inlande verzehren können. Das einzig Richtige wäre, nicht die Zuckerproduktion zu kontingen— tieren, sondern den Steuerertrag, damit die Verbrauchsabgabe sich permindert mit den Höheren Beträgen des Konsums. Das Finanz⸗ interesse hat man zu sichern gesucht; der Automat wird nicht ganz richtig fungieren. Wenn ein Konsumrückgang eintritt, so macht das bei 3 Millionen Minderkonsum 36 000 000 M Was werden dazu die Einzelstaaten sagen, die noch vor zwei Jahren so beweglich eklagt haben über die Beeinflussung ihrer Finanzen durch die hen der i nisse Dann müssen die Matrikularbeiträge erböht werden, und die Einzelstaaten haben eine unvorhergesehene Mehr⸗ ausgabe zu decken. Ich hätte daher erwartet, daß die thürin gischen fleinen Staaten sich an Reuß ältere Linie angeschlossen hätten; nur sieben Stimmen waren noch erforderlich und die Herren hätten es in der Hand, wenn das Gesetz an den Bundes rath zurückgeht, auf Ordnung im Reichs haushalt zu sehen. Ich hoffe aber, daß das Gesetz hier schon abgelehnt wird. Graf Posadowsky stützt

In Posen, Pommern und Brandenburg stellen

sich auf die 144, die den Antrag Paasche unterstützt haben. Aber eine solche Unterstützung eines Antrages ist etwas Anderes als die Zustimmunz zu einer solchen Vorlage. Damals herrschten die un⸗ Jünstigen Preise, und die Unterzeichnung des Antrages verpflichtet zu nichts. Wir würden nichts dagegen haben, wenn ohne Kommissions⸗ berathung in voller Oeffentlichkeit die weiteren Verhandlungen im

lenum erfolgen. Wenn die Vorlage eine Mehrheit finden sollte,

reude wird die Zuckerindustrie daran nicht erleben. Man braucht gar nicht Sozialdemokrat zu sein, um diese Vorlage als Waffe zu benutzen. Wir werden Alles versuchen, um das Zustandekommen des Gesetzes zu verhindern. Die Zuckerindustrie wird mit diesem Gesetz nicht zur Ruhe kommen, sie wird in eine Unruhe gestürzt werden, daß alle Fabrikanten, die ihre Hand dazu geboten haben, das Geseß verwünschen werden. Bei jeder neuen Ausgabe wird man zunächst darauf dringen, die Tontingentierung so vorfichlig festzusetzen wie möglich, damit die Prämienausgabe sich vermindert. Wer es wirklich gut meint mit der Zuckerindustrie und der Landwirthschaft, der vereinige sich mit uns, um ein solches Gesetz unmöglich zu machen.

Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammer— ste in:

Meine Herten! Ich hatte die Absicht, heute schon einen längeren Vortrag zu halten, bei der vorgerückten Tageszeit verschiebe ich den⸗ selben auf morgen. Aber eine Bemerkung des Herrn Abg. Richter kann ich heute nicht unwidersprochen lassen. Der Herr Abg. Richter hat in seinem langen Vortrage dargelegt, die Vorlage sei vornehmlich der Initiative einiger hochgestellten Herren und eines Ministers zu verdanken. Meine Herren, vielleicht, ich weiß es nicht, hat der Herr Abg. Richter mich gemeint (Widerspruch links); ich kann ihm zu seiner Beruhigung mittheilen, daß ich, obgleich ich Grundbesitzer bin, auf meinem Grundbesitz keine Rüben baue oder je gebaut habe. Ich glaube nicht, daß einer von den übrigen Ministern des Reichs und des preußischen Staats an der Rübenindustrie betheiligt ist. Ein solcher Vorwurf, wie ihn heute der Herr Abg. Richter der Staatsregierung gemacht hat, ist charakteristisch. Die Staats bezw. Reichsregierung soll sich von einzelnen hochstehenden Personen bei der Einbringung von Gesetzesvorlagen haben leiten lassen. Bisher ist, soviel ich weiß, in diesem Hause selbst von den Herren auf der äußersten Linken die Erhebung einer derartigen Verdächtigung nicht Brauch gewesen. (Sehr wahr! rechts.)

Ich hoffe, daß es das erste und letzte Mal gewesen ist, daß hier im Haus ein solcher Vorwurf gegen die Staatsregierung erhoben wird. (Lebhafter Beifall rechts.)

Abg. Graf von Bismarck-Schönhausen (b. k. F.); Meine Herren! Als ich das letzte Mal hier zu sprechen die Ehre hi nahm sch Gelegenheit, die damals im Wortlaut noch nicht bekannte Vorlage u streifen. Ich erlaubte mir bei einer generellen Durchsicht der⸗ jenigen Mittel, welche der krankenden Landwirthschaft helfen könnten, auch der Zuckersteuervorlage, soweit sie zu jener Zeit in der Presse besprochen war, zu gedenken und dabei zu sagen, daß der landwirth⸗ schaftliche Verein meines Kreises mich einstimmig ersucht hätte, gegen bie Kontingentierung zu stimmen. Meine Herren, aus diesem Anlaß habe ich mir heute das Wort erbeten, um, nach dem die Vorlage bekannt geworden ist und nachdem viele Eingaben von Sach⸗ verständigen uns übersandt sind, meinen Standpunkt auf Grund der letzteren zu modifizieren. Meine Herren, in meinem eigenen Kreise liegen die Verhältnisse ähnlich in Bezug auf diese Vorlage wie in der Heimath meines verehrten Gönners, des Herrn von Staudy; nur infofern ungünstiger, als bei Herrn von Staudy weit bessere Boden⸗ verhältnifse find. In meinem Kreise ich besitze keine Zucker fabrik, bin auch bei keiner betheiligt ist der Rübenbau ein begrenzter; es werden in der Hauptsache nur Kaufrüben gebaut, deren Interesse der Herr Abg. Richter so warm wahrgenommen hat. Gewiß verdienen die Produzenten der Kaufrüben auch unser Interesse; wie Sie schon gehört haben, beträgt ihre Anzahl Z8 oO der gesammten Rübenbauer. Nun, meine Herren, ist diese Vorlage, wie sie jetzt liegt, mit all ihren Einzelheiten wohl niemandem im Hause annehmbar ohne Amendierungen, weder auf der Rechten noch auf der Linken. Ich habe mir Mühe gegehen, die Motive genau zu studieren, und da muß ich doch im Gegensatz zum Herrn Vorredner sagen, daß ich darin eine ganze Menge überzeugen den Materials gefunden habe, und daß ich es nicht als oberflächlich bearbeitet hinstellen kann. Weiteres Material habe ich gefunden in den uns zugegangenen Eingaben der Organe und Vereine, welche als sachverständig in diesem Fall gelten müssen. Meine Herren, der Herr Abgeordnete Richter ist gewiß ein sehr unterrichteter Mann, das wird ihm niemand bestreiten; aber soweit wie die Landwirthschaft und die Zuckerindustrie in Frage steht, glaube ich doch, daß sämmt⸗ liche Interessenten mehr Gewicht legen auf die Aeußerungen des Deutschen Landwirthschaftsraths als wie auf die Aeußerungen des Serrn Abg. Richter, da sprechen die mit beiden Stellen gemachten Er⸗ fahrungen doch eine zu beredte Sprache. Sie wissen, daß der Deutsche Landwirthschaftsrath sich, allerdings mit Amendierungen, für die An⸗ ahme der Vorlage erklart hat. Was mich am meisten bestimmt hat, die⸗ jenigen Gründe, welche für die Annahme einer veränderten Vorlage sprechen, heute anzuführen, ist die sehr ausführliche Ausarbeitung des Ver⸗ eins der deutschen Zuckerindustriellen. Dieser ist der berufene Vertreter sämmtlicher Rohzuckerfabriken und Raffinaden im ganzen Deutschen Reich, über welches er mit vielen Zweigvereinen verbreitet ist. Die Herren werden die betreffende Eingabe allein in den nicht amtlichen Jusendungen erhalten haben, deshalb will ich nicht so ausführlich auf den Inhalt eingehen. In der Einleitung heißt es ausdrücklich, daß auch Landwirthe aus den verschiedensten Theilen des Königreichs Preußen an der Enquete theilgenommen haben, welche diese Rüben⸗ zuckerindustriellen veranstaltet haben. Meine Herren, ich lte also meinen, daß Alle, die unserer Zuckerindustrie und dem davon unzer⸗ trennlichen Rübenbau wohlwollen, insofern sie objektiv zu urtheilen wünschen, gern auf die Basis treten werden, welche dieser große Verein in seiner Cingabe angegeben hat, vorbehaltlich selbstverständ sich der eigenen Prüfung. Ich glaube, daß wir mit den be abfichtigten Amendierungen, die ja auch schon der Herr Abg. Richter uns vorgeführt hat also vor allem Erhöhung des Kontingents dem Zweige der nothleidenden Landwirthschaft, der uns heute be⸗ schäftigt, in der That Nutzen bringen können, und ich glaube, daß diese Ueberzeugung von Vielen getheilt wird. Wir haben im Monat Januar bei den agrarischen Verhandlungen hier von vielen Seiten auch solchen, die sich gegen den Antrag Kanitz prinzipiell ablehnend verhielten, manches wohlwollende Wort für dle Landwirthschaft gehört; ich darf wohl annehmen, daß die Herren, die solche Worte sprachen, jetzt bereit sein werden, ihr warmes Herz für die Landwirthschaft zu bethätigen, wo es sich um einen Gegenstand handelt, bei dem weder Handels⸗ verträge, noch Monopol oder Staatsbetrieb entgegenstehen, noch das alte Schlagwort von den unentbehrlichen Lebensmitteln. Es handelt sichẽ hier nur um den guten Willen, eine unserer größten Industrien vor großer Gefahr zu schützen, ja vielleicht vor dem Ruin zu be⸗ wahren. Und dabei will ich gleich einflechten, daß es sich bei dieser Industrie nicht nur um die Milliarden handelt, die darin inpestiert sind, sondern auch um die Interessen wie das die Motive mst Recht hervorheben eines guten Theils der Arbeiterbevölkerung. In den Motiven ist gesagt, ie er Million Arbeiter mittelbar Fon der Zuckerindustrie leben. Man kann also sagen; nahezu drei Millionen Seelen also immerhin ein erheblicher Bruchtheil der Bevölkerung würden leiden und sich ein anderes Unterkommen suchen müssen, wenn es mit der Zuckerindustrie nicht mehr gehen sollte. Viele der⸗ jenigen Herren, mit welchen wir in der Freien wirthschaftlichen Vereini⸗ gung diefes Reichstags die Sache durchgesprochen haben, würden es vorziehen, wenn die alte Materialsteuer wiederhergestellt werden könnte. Dilefe Aussicht ist von dem Schatzsekretär Herrn Grafen von Posa⸗