1896 / 58 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 06 Mar 1896 18:00:01 GMT) scan diff

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wären so höflich gewesen und hätten den anderen Staaten in der Er⸗ mäßigung der Prämie den Vortritt gelassen. (Heiterkeit) Der Herr Abg. von Staudy ist auch unangenehm berührt gewesen von der Kritik, die ich an dem unter seiner Leitung aufgestellten Programm geübt habe. Ja, Herr von Staudy, Sie haben an dem Gesetz von 1891 und an dem vorliegenden Gesetzentwurf eine so scharfe Kritik geübt, daß Sie der Regierung als gleichberech⸗ tigtem Faktor gegenüber dem Reichstage doch auch das Recht zugestehen müssen, einen Vorschlag unter die Sonde zu nehmen, der von Ihnen ausgeht; und wenn man im Stenogramm meine Aus— führungen bei der Einführung des Gesetzes gegenüber Ihrem Programm und Jhre Gegenausführungen vergleicht, so ist mir nicht zweifelhaft, von wem man annehmen wird, er hat einen sanfteren Charakter. (Heiterkeit) Herr von Staudy empfiehlt als einziges Ziel die Rück⸗ kehr zur Materialsteuer; das ist sein ceterum censeo?‘ Wenn Herr von Staudy die Arbeit einsehen wollte, die ich in dieser Be⸗ jlehung habe anfertigen lassen, so würde er, glaube ich, sich selbst so⸗ fort überzeugen, daß unter den gegenwärtigen Verhältnissen die Materialsteuer absolut unausführbar ist. Hier bin ich allerdings der Neberzeugung, daß sich kaum eine Stimme in diesem hohen Hause dafür finden würde, selbst nicht unter seiner Fraktion. Wo würde das Materialsteuersystem hinführen, wenn wir das Durchschnittskontingent annehmen, wie es thatsächlich ist, d. h. 1 Doppelzentner Zucker aus 8 Doppelzentnern Rüben? Wenn unter diesen Verhältnissen beispiels⸗ weise in der Provinz Posen der Doppelzentner Zucker mit 12, 44 , in den Rheinlanden mit 15,35 , in Thüringen mit 15,B74 4A und in Elsaß⸗Lothringen mit 1856 1 steuerlich belastet wäre, so sind das Steuerdifferenzen, die man hier garnicht vertreten kõnnte und die dazu führen würden, was der Herr Abg. von Staudy mit Energie von sich gewiesen hat: daß sich der Zuckerrübenbau in einzelnen Landestheilen monopolisieren würde und in anderen Landestheilen unzweifelhaft zum Erliegen käme. Nun sagte Herr von Staudy: Dann mögen die Leute bessere Zuckerrüben bauen! Vas würde die Sache nicht wesentlich ändern, denn ein Durchschnittsertrag muß immer genommen werden, und die Materialsteuer ist eben unerträglich für alle Leute, die noch unter dem Durchschnitt arbeiten; wenn die Materialsteuer bei uns so lange bestanden hat, so konnte sie nur bestehen, weil wir die gesetzliche Ausbeute noch niedriger griffen, wie die Ausbeute der am schlechtesten arbeitenden Fabriken. Alle Parteien des Reichstags haben erklärt, an der Einnahme des Reichs an der Zuckersteuer wollten sie nichts abbröckeln lassen. Will man also diese Einnahme in der bisherigen Höhe erhalten, so bleibe ich dabei, daß die Materialsteuer nicht anwendbar ist. Wenn der Herr Abg. von Staudy sich davon nicht überzeugt hat, so stelle ich ihm anheim, einen Antrag einzubringen; ich will ihm ausdrücklich einen technischen Beamten zuweisen, der ihm bei der Ausarbeitung dieses Antrages mit Rath und That zur Seite steht. Ich bin fest überzeugt, er wird sich bei den ersten Vor— arbeiten überzeugen, daß der Weg, den er vorschlägt, absolut un—⸗ gangbar ist.

Der Herr Abg. von Staudy hat schließlich noch versucht, es so darzustellen, als ob ich gegenüber dem Osten bei dieser Frage eine nicht freundliche Haltung eingenommen hätte. Ich kann das Herrn von Staudy nicht zugestehen; wenn er eine Aeußerung aus der früheren Zuckerdebatte von mir verlesen hat, so bitte ich ihn doch, sich daran zu erinnern, daß bereits ein Antrag Paasche mit einer Staffelsteuer auf der Axe war mit einer Staffelsteuer, die in den höchsten Stufen gerade doppelt so stark wirkte wie die Staffelsteuer, die die verbündeten Regierungen vorgeschlagen haben. Wern ich da—⸗ mals ausführte: die Staffelstener wäre zwar ein gangbarer Weg, man dürfe sie aber nicht se scharf greifen, daß unter Umständen der Osten zum Erliegen käme, so habe ich nicht gegen die Interessen des Ostens plädieren wollen, sondern dafür; mir ist genau bekannt, daß durch den Zwang der Verhältnisse im Osten gerade sich die größten Aktienfabriken gegründet haben, weil der Einzelne dort nicht kapitalkräftig genug ist, eine solche Fabrik allein zu bauen, und daß deshalb eine zu scharf gegriffene Staffelsteuer allerdings für den Osten perniciõs wäre.

Der Herr Abgeordnete von Staudy hat es ferner auch übel ver⸗ merkt, daß ich gesagt habe: wenn man Gedanken photographieren könnte, würde man vielleicht finden, daß es im Osten Personen giebt, die den Zuckerrübenbau dort monopolisieren wollen. Ich bitte doch aber, auch zu erwägen, daß ich ausdrücklich erklärt habe: gegen die Absicht würde an und für sich nicht das geringste einzuwenden sein, denn im wirthschaftlichen Leben sei nicht Selbftlosigkeit, sondern nur Selbsterhaltungstrieb maßgebend, und wenn eine solche Ent⸗ wickelung der Rübeninduftrie zur Erstarkung des Ostens beitrüge, so wäre das in gewissen Grenzen vielleicht eine durchaus erfreuliche Er⸗ scheinung; auch die Motive erklären, daß es als eine erfreuliche Er⸗ scheinung begrüßt werden müsse, daß sich auf Grund des Gesetzes von 1891 die Zuckerindustrie im Osten so kräftig entwickelt habe. Ich glaube also, der Beweis ist dern Herrn Abg. von Staudy nicht ge⸗ lungen, daß ich von dieser Stelle aus die Interessen des Ostens nicht vollkommen erkannt und auch vertreten hätte.

Ich kann mich weiter auf eine Kleinigkeit beschränken. Herr bon Staudy suchte auch auszuführen, wie falsch es wäre, die Kontingentierung in dem selben Jahre vorzunehmen, wo sie bereits in Wirksamkeit treten sollte, und, wie ich mir den Zwischenruf erlaubte, diese Bestimmung wäre anders, erklärte er, dann müßte die Bestimmung im Gesetzentwurf nicht klar sein. Sie gestatten mir, die Bestimmung zu verlesen. Dieselbe heißt:

Die späteren Kontingentierungen finden in der ersten Hälfte eines jeden Betriebtjahres für das darauf folgende Betriebs- jahr ftatt.“

Ich glaube, meine Herren, das ist eine so klare gesetzliche Sprache, wie sie überhaupt nur möglich ist. Ich gebe mich der Hoffnung hin, daß auch Herr von Staudy und ich bedauere, daß er als Mitglied der konservativen Partei bier als Gegner dieses Gesetzentwurfs auf⸗ getreten ift bereit sein wird, bei der weiteren Berathung doch der Erwägung Rechnung zu tragen, daß die Zuckerindustrie vor der Frage steht, entweder den überwiegenden Theil ihrer Produktion in einem erhöhten Maße prämiiert zu erhalten und nur eine kleine Quote ohne Prämie verwerthen zu müssen, oder ob sie ganz ohne Prämien arbeiten muß. Meines Erachtens kann für jeden, der ein Freund der Landwirthschaft ist und mir ist ja belannt, daß Herr von Staudy es schon durch seinen Beruf in mn Maße ift die Entscheidung nicht zweifelhaft sein. (Bravo! rechts.

Abg. Rösicke (b. k. F.): Herr Paasche hat sich direkt an mich ge⸗ wendet und gemeint, ich müßte doch die Verhältnisse des Herzog⸗ thums Anhalt kennen und würde deshalb nicht gegen die Vorlage stimmen. In Bezug auf volkswirthschaftliche Kenntnisse mag Herr Paasche mir über fein, aber in kaufmännischen Dingen glaube ich etwas mehr zu verstehen, und ich weiß, wie man Bilanzen beurtheilen muß; sie können weiß und auch schwarz gemalt, sein ohne daß man mit der Wahrheit in Widerspruch gerath. Die Bilanz des nächsten Jahres dürfte fo günstig sein, daß von einem Verlust überhaupt keine Rede sein kann. Der Nothstand der Zuckerindustrie soll in der Hauptsache hervorgerufen sein durch die Gesetzgebung von 1891. Allerdings bestand 1894— 95 ein niedriger Hreis, aber es ist Niemandem gelungen nachzuweisen, daß noch in einem anderen Jahre so niedrige . gewesen sind. Der niedrigste Preis von 1975 war immer noch um 55 3 höher als der durchschnittliche Herstellungs⸗ preis von 19,20 A1, der in der Begründung berechnet wird. Der Minister von Hammerstein hat gesagt, eine Jab? koste 1 Million Wenn die Regierung 25 M als den richtigen Zuckerpreis bezeichnet, also einen Gewinn von 4 6 für den Doppel⸗ zentner, so giebt das für die einzelne Fabrik. 180 000 (M oder 18 C0 Verzinsung und den Fabriken, welche diese Verzinsung nicht erreichen, sollen wir eine Unterstützung zuwenden! Welche andere Industrie stellt denn eine ähnliche Forderung an das Reich? Die anderen Fabrikanten tragen ihre Ver⸗ luste selbst. Von einem Preisgeben der Industrie dem Weltmarkt . kann man beim besten Willen nicht reden, wenn der

xport immer noch 8 Millionen Doppelzentner beträgt. 1891 wurden von der Regierung zwingende Gründe beigebracht, welche dar⸗ legten, daß schon damals die Industrie so gestärkt er daß sie Prãmien nicht mehr braucht. Diesen Standpunkt vertreten ja auch der Staats sekretär und der preußische LandwirthschaftsMinister, aber etwas platonisch. Durch die Erhöhung unserer Prämien werden wir die Nachbarstaaten nicht veranlassen, ihre Prämien zu ermäßigen. Herr . ist der Meinung, ö. die Prämien den Erfolg ö und aben müssen, daß sie die Zuckerpreise auf dem Weltmarkt drücken. Er will dadurch die Rohrzuckerfabrikation zurückdrängen, um die Rübenzuckerindustrie der anderen Staaten kümmert er sich nicht. Ein praktischer Mann, ein Zuckerfabrikant, hat Herrn Paasche in einer Versammlung darauf bemerkt, daß man jemand doch nur bekãmpfen kann mit Mitteln, die der Gegner nicht hat. Dagegen meinte Herr Paasche, daß es schlechter als jetzt nicht werden könnte. Dann würde also die Vorlage lediglich die Folge haben. Deutschland jähr⸗ lich um einige Millionen ärmer zu machen. Es ist davon gesprochen worden, daß das Gesetz nur auf Frist gegeben werden solle. Dafür würde aber die Zuckerindustrie sich nich begeistern, sie will Ruhe haben und nicht alle paar Jahre ein neues Gesetz. Das 4 hat sich gegen eine Prämie von 4 4 ausgesprochen. Ich hoffe, daß es nicht eine Prämie von 3,20 4 bewilligt, die doch der Prämie von 4 . sehr nahe steht. Wenn auch durch die Erhöhung der Ver brauchsabgabe ein Konsumrückgang nicht entsteht, so tritt doch eine Belastung des deutschen Volkes ein zu Gunsten einer der am besten fundierten Industrien. Wenn die Belastung auch nicht überall stark empfunden werden sollte, so wird ihr Vorhandensein schon genügen, um z. B. den Sozialdemokraten als Agitationsobjekt zu dienen. Bei einem Preise (von 50 55 4 für den Doppelzentner beträgt eine Preiserhöhung um 9 M eine Mehrbelastung von 29 0/ J. Eine der artige e, muß die Reihen der Sozialdemokraten ver. ftärken auch aus den kleinbürgerlichen Kreisen heraus. Das Bedauerlichste ist, daß die Anregung zu, dieser Gesetzgebung von einer liberalen Partei ausgegangen ist. Die Absicht des Gesetzes, wie jedes Schutzzolles, ist, die Preise zu fteigern, sonst hätte ja. das Gesetz gar keinen Zweck und brachte nur den ausländischen Konsumenten Vortheile. Redner weist auf die soeben eingelaufene Eingabe des Schlesischen landwirthschaftlichen Vereins, welche denselben Gedanken vertritt, hin und fährt dann fort: Die Kontingentierung soll eine planmäßige Produktion herbei⸗ führen. Das wollen die Sozialdemokraten auch; aber sie wollen auch eine planmäßige Vertheilung der Konsumtion. Die Kontin⸗ 5 wird sehr verschieden in den verschiedenen Landegtheilen wirken, besonders nachtheilig aber für den Osten. Der Minister hat gemeint, die Zuckerindustrie sei noch ein landwirthschaftliches Gewerbe. Das ist doch nicht ganz zutreffend. Schon 1890 hat der Staatssekretär von Maltzahn hervorgehoben, daß die Verhältnisse sich so entwickelt haben, daß die Landwirthschaft neben der Zucker- industrie fast als Nebengewerbe erscheint. Die Regierung bestreitet, daß die Kontingentierung die Kaufrüben benachtheiligen würde. Die Ueberschreitung des Kontingents wäre doch nur möglich, wenn die Fabrikanten die Rüben billiger erhalten, um sich vor Schaden zu be⸗ wahren. Das wäre bei der Brauerei, wenn sie kontingentiert werden sollte, was gar kein so übler Gedanke wäre, bezüglich der Gerste ebenso. Herr Ruprecht Rausern, ein bekannter Agrarier, führt in der Deutschen Tageszeitung“ ebenfalls aus, daß die Landwirthe ihre Kaufrüben behalten werden, weil die Fabriken ihr Kontingent ander- weitig decken würden, denn es ö. niemand mehr für eine Waare aus, als er zu geben brauche. enn eine solche getheilte Meinung im Bunde der Landwirthe ist, dann sollte doch der Vorsitzende des Bundes sich zurückhalten bei dieser Frage. So wie es vorgelegt ist, stellt das Gesetz nichts weiter dar, als ein Gesetz zur Bildung von Ringen mit Staatshilfe gegen die Rübenbauer, Wir sollten doch unser Wohlwollen für die Landwirthschaft bethätigen dadurch, daß wir eine solche Vorlage verwerfen. enn die neuen Fabriken erst nach mehreren Jahren ein Kontingent bekommen, so ist damit im Großen und Ganzen die Erbauung neuer Fabriken, namentlich kleinerer Fabriken ausgeschlossen. Wir wollen gern jede Ver kehrserleichterung für die Rübenbauern gewähren. Man kann auch vielleicht noch etwas Anderes thun. von Hammerstein hat don einem fünfjährigen Turnus des Rübenbaues gesprochen. Der Durchschnitt ist wohl 3ijährig, aber es giebt auch Gegenden, wo man in jedem zweiten Jahre Rüben baut. an sollte diese Aus⸗ beutung guter Böden zum Schaden schlechterer verhindern. Ferner könnte man die Verbrauchsabgabe herabseßen, um den Konsum zu steigern. Eine Staffelsteuer auf den Betrieb wäre für die Brauereien wohl anwendbar, weil wir dort eine Mgterialsteuer haben. Aber bei der Zuckerindustrie haben wir keine Materialsteuer mehr. Bei solchen Staffelsteuern soll man sich aber nicht ein einzelnes Gewerbe heraussuchen. Die Melasseentzuckerung ist eine der bedeutendsten Erfindungen der Jetztjeit; es würde eine Besteuerung des technischen Fortschritts sein, wenn man diese Fabriken einer 4 Steuer unterwirft. Der Landwirtbschafts⸗Minister soll den Wunsch haben, daß überhaupt keine Melasse auf Zucker verarbeitet wird. Dle besonderen Maßregeln gegen die Melasse haben ja deren Preis von 8 auf 2 M herabgedrückt. Der Staatssekretär Fraf von Posadowsky hat gemeint, die landwirthschaftliche Opposition sel eine kleine, geführt von den technischen Leitern der Zuckeerfabriken. Darin schien ein Vorwurf zu liegen; es wird auch wohl umgekehrt sein, daß die , ür die . gewirkt haben. Aber von einer Einigkeit ist weder bei der 5 ndustrie noch bei der Landwirthschaft die Rede. In Posen,

randenburg, Paoommern u. s. w. haben sich in den Versammlungen entweder die Mehrheiten oder doch große Minderheiten gegen die Vorlage erklärt. Ein Brief, den mir Herr Rickert zur Verfügung estellt hat, bekundet ähnliche Anschauungen bei Landwirthen im Wahl- reife des Grafen Bismarck. In den Versammlungen, die sich für die Vorlage erklärt haben, hat man immer den Versuch ge—⸗ macht, die Minderheiten zu beschwichtigen. Daran hat sich auch unser Kollege Paasche betheiligt, z. B. in 3 damit nicht in die Welt felegraphiert werde, der ganze Osten habe sich gegen die Zuckersteuervorlage erklärt. Er hat die Landwirthe und Zucker fabrftanten als kluger Geschäftsmann ermahnt, ihren Vortheil wahr⸗ zunehmen. Da kann er eigentlich den Börsenleuten nicht gram fein, die auch nichts Anderes wollen. Wir aber müssen uns auf den Standpunkt stellen, ob nicht der Vortheil, der dem Einen zuge⸗ wendet wird, dem Andern zum Schaden gereicht.

Abg. von Plötz (d. kons.) wendet . gegen den Abg. Götz von Dlenhusen, der den 8. n der

Mark.

und Landwirthe angegriffen

Tonart, wie es in freisinnigen und sozialdemokratischen Blättern geschehe. Er mag sich, fährt Redner fort, mit diesen Gesinnungẽ⸗ genossen auseinandersetzen. Sein Angriff ift ihm leicht geworden, nachdem wir hier als gemeingefährlich bezeichnet worden sind. Er hat ja auch für feine Rede einen Händedruck erhalten; ob für die Zu— stimmung zur Vorlage oder für den Angriff auf den Bund der Land⸗ wirthe, weiß ich nicht. Wir sind den ngriffen gegenüber etwas dickfaͤllig geworden und sagen: Schwamm drüber! Wenn er uns aber undeutsche Art r . so hätte er nur einmal nach Braun-. schweig oder Hannover kommen sollen; es wäre ihm nichts geschehen, aber ein Hohnlachen wäre entstanden. Die preußischen Bauern sind treu wie Gold, wenn sie auch manchmal räsonnieren und klagen. Wir sind auch treu wie Gold. Das muß ich mir verbitten, uns für undeuts zu erklären. Ich verzichte darauf, an die Welfenlegion in Frankrei zu erinnern. Ich erwähne nur, die Agitation des Bundes si niemals gegen die Welfen gewendet hat. Diese Worte des Herrn Götz von Olenhusen werden wohl auch in Hannover zünden, und bei den nächsten Wahlen wird man es merken. Daran wird er selber schuld sein. Wir sind dankbar, daß die Vorlage 4 ist als eine Grundlage für die Sicherung des Rübenbaueg; aber wie sie jetzt lautet, können wir sie nicht annehmen. Die Betriebssteuer mußte Kuli wegfallen, dadurch würden wir viele Zustimmende gewinnen.

er Zuckerpreis wird, wenn er nicht steigt, wenigstens auf einer Höhe erhalten, daß die Rübenbauer noch einen annehmbaren Preis erhalten können. Auch die Kontingentierung ist eine schwer umstrittene Frage, ich würde . auch gern beseitigen, aber ich weiß nicht, wie es gemacht werden soll, wenn wir nicht ins Uferlose kommen oder eine so niedrige e,, festsetzen wollen, die gar nichts nützt. Meine endgültige ' timmung behalte ich mir vor. Ich möchte bitten, daß in der Kom— mission das gemeinsame Ziel vor Augen behalten wird, damit eine Verständigung erzielt werden kann, die ohne Konzessionen nicht er⸗= reichbar sein wird. Wenn die Kensumsteuer nicht erhöht wird, dann brauchen wir das ganze Gesetz nicht, denn ohne Geld könnte es nicht durchgeführt werden. Die Belastung ist doch feine so große, wenn etwa 3 3 auf das Pfund kommen. Die arme Arbeiterfamilie braucht in der Woche doch kaum ein Pfund Zucker, das macht für den Tag 4 Pfennig. Aber die Arbeiterlöhne, der Zuskerfabriken sind doch ein Vertheil für die Arbeiter. Mit der Einführung des Rübenbaues sind die Löhne überall gestiegen; sie würden wieder sinken, wenn die Zuckerindustrie geschwächt wird. In⸗ direkt kommen dabei die Maschinenfabriken und der Kohlenbau in Betracht. Herr Richter beliebt zu sagen, daß mit der steigenden Kultur die Preise der landwirthschaftlichen Produkte sinken müssen. Dann müßten wir ja in Asien und Rußland die größte Kultur haben, weil dort die niedrigsten Preise sind. errscht in England die größte Kultur? Vor den Thoren Londons sieht man meilenweit keinen Pflug mehr arbeiten, nicht einmal Viehherden siebt man. England geht zu Grunde in seiner Landwirthschaft. Neher die Konfsumsteuer mache ich mir nicht die geringsten Sorgen. Nothwendig ist aber, daß denjenigen Landwirthen, welche bisher nicht zum Rüben bau gekommen sind, der Rüäbenbau nicht allzu sehr erschwert wird. Der Landwirthschafts-Minister hat die Wichtigkeit des Rübenbaues betont; das Rückgrat der Landwirthschaft ist er aber nicht; dem sonst würden Schleswig ⸗Holstein und Ostpreußen gar kein Rückgrat haben. Selbst die unbetheiligten Fabriken würden dem Zucker⸗ steuergesetz zustimmen, wenn ihre Interessen nicht in den Hinter— grund gedrängt werden, wenn die Entstehung neuer Fabriken erleich. tert würde. Das würde die Annahme des Gesetzes ermöglichen. Es ist wieder von der Liebesgabe gesprochen worden; warum hat man denn aber noch niemals von Liebesgaben gesprochen, wenn der Staat die Kohlen und Schienen theurer bezahlt als auf dem freien Markte? Redner spricht nochmals die Hoffnung aus, daß die Kommissions« berathung zur . fuhren möge.

Abg. Schippel (Soz.): Die Regierung hatte den Plan, die Prämien durch internationgle Vereinbarung abzuschaffen, das ist bisher nicht eiten, Wie kommt die Regierung jetzt auf den Gedanken, daß wir durch Erhöhung unserer Prämien die anderen Staaten zur Ermäßigung ihrer Prämien veranlassen können? Der österreichische Zuckerverein kündigt schon Erhöhungen der österreichischen Prämien an. Aus Frankreich liegen ähnliche Nachrichten vor. Hat die Regierung irgend welche Zusicherung von seiten anderer Staaten erhalten, daß die Prämien ermäßigt werden sollen? Es handelt sich bei der Vorlage um ein Kampfgzesetz, um einen Kampf des vor— handenen Rübenbaues gegen die Distrikte, welche noch dazu übergehen könnten. Durch die Vorlage wird eine ganze Menge neuer Interessen⸗ konflikte geschaffen. Die Raffinerien lehnen sich auf gegen die Melasseentzuckerer. Die Chokoladen. und Dauermilchfabrikanten lehnen sich auf gegen die Vertheuerung eines Rohstoffs u. s. w. Durch die Hineintragung solcher Konflikte in den Reichstag wird dessen Ansehen nicht erhöht. Die Agrarier und die übrigen In— n,. nehmen gern Staatssubventionen, aber sie gönnen sie keinem Anderen.

Abg. Dr. Paasche (nl): Bezüglich des Weltmarktpreises hat Herr Barth es sich sehr leicht gemacht; er meinte, , was er kriegen kann; aber bei überfülltem Weltmarkt muß sich Jeder mit dem niedrigsten Preis begnügen. Für 2 ist der Weltmarkt überfüllt, und da bestimmt dersenige den Preis, welcher die Anderen unterbieten kann. Das sieht man auf dem Getreidemarkt bezüglis Argentiniens, weil es seinen Weizen unter allen Umständen los werden muß. Wir verlangen keine Prämien; sorgen Sie nur dafür, 3 die anderen Staaten ihre Prämlen beseitigen; solange das nicht geschehen ist, können wir auf, die Prämien nicht verzichten. Weshalb haben andere Länder Prämien? Weil sie ohne dieselben auf dem Weltmarkt nicht konkurrieren können. Herr Barth hat bemängelt, ö. ich von den Steuerzahlern nichts gesagt hätte. Wenn die Prämien auf den Preis keinen Einfluß haben, dann fühlt man die Steuern nicht. Wie soll die Vorlage dazu beitragen, einen Ring von Fabri⸗ kanten zur Ausbeutung der Rübenbauer zu bilden? Ein Widerspruch zwischen diesen Interessentengruppen besteht thatsächlich nicht. Derr Roesicke meinte, ein Börsenmann würde nicht so dumm sein, sich ein solches Gesetz anhängen zu lassen, Daß die Börse mich für ihren Feind hält, merke ich allerdings; aber ich glaube, mit Unrecht; denn ich denke nicht daran, die Bhrfe in ihren berechtigten Intereffen zu schädigen. Es liegen aber Mißgriffe und Mißbräuche dor, und wenn man diese beseitigen will, dann ist man der beste Freund der . Aus meiner Rede in Bromberg hat Herr Roesicke einzelne Sätze herausgegriffen. Im politischen Leben muß man handeln und bieten. en r Einigkeit erreicht man in diesem Hause uicht und in der Landwirthschaft, auch nicht; praktische Politit ist, das zu nehmen, was man kriegen kann, und nicht, 9 man dann unentwegt nein“ sagt. In Bromberg soll mir ein sachver⸗ . Mann entgegengetreten sein. Der Mann war ein Mühlen

esitzer, der eine einzige Aktie einer Zuckerfabrik hatte. Das war seine Sachverständigkeit. Ich habe in Mecklenburg Zuckerfabriken ins Leben gerufen und mehrere Attien gehabt. Das wird man mir doch nicht zum Vorwurf machen. Ich rühme mich dessen, daß ich den Rübenban in Mecklenburg . habe. Der Kampf auf dem Weltmarkt muß eführt werden, bis einer siegt oder unterliegt. Ich hoffe, daß wir den

leg davon tragen werden, wenn wir auch vorerst eine schwere Zeit zu überwinden haben werden. Das wird ein großer Erfolg sein für unsere Zuckerindustrie.

1 Dr. Barth (fr. Vg): Daß die Prämie den Weltmarktpreiß drückt, ist möglich, aber es handelt 4 um die Verbrauchgabgabe, die um 6 M für den Doppelzentner erhöht wird. Das macht 32 Millionen Mark für den deutschen Konsum. Dieses Geld muß bezahlt werden, auch wenn die Praͤmie nicht um einen Pfennig den Preis erhöht. Wenn die Steuerzahler diese Steuer nicht tragen sollen, dann müßte der Preis auf dem Weltmarkt nicht bloß um die Prämie, sondern auch um die 6 ½ Verbrauchssteuerzuschlag gedrückt werden. Fur die Preisbildung ist das Angebot und die Nachfrage entscheidend, n cht wer am ah fter produzieren kann. (quruf des Abg. Paaschs; Ueberproduktion ) Das ist ganz Nebensache. Wer billiger produziert, nimmt doch die Presfe, die er bekommen kann. Der Herr Scha sekretär fragt, wie die Einnahmen aus den Schutzzöllen anderweitig gedeckt werden sollen; er hat dabei die indirekten Steuern mit dem

Schutzzoll verwechselt, denn die Schußtzölle sind die heften, wenn sie ar keine Einnahmen bringen. England hat gar keine Schuß zölle, aber chr hohe Cinnahmen aus indirekten Steuern. Was Graf Posadowsky us einer Rede des Lord Salisbury mitgetheilt hat, waren doch nur allgemeine Wendungen und Vertröstungen, aber Lord Salisbury hat nirgends zu erkennen gegeben, daß er durch irgend welche protektio- niftischen Mittel der Landwirthschaft beispringen will!

bg. von Staudy (dkons.). Meine Bedenken bezüglich der Kontingentierung hat der Staatssekretär nicht widerlegt. Er hat es bemängelt, daß ich den Ausdruck erbärmlich! von dem Zucker steuergesetz gebraucht habe. Es war mir nicht erinnerlich, daß ich den Ausdruck gebraucht habe, aber ich gebe zu, daß es möglich ist, und

ich bedauere dag. Damit schließt die Diskussion.

Die Vorlage wird einer Kommission von 21 Mitgliedern

überwiesen. ; Schluß 4 / Uhr. Nächste 53 Freitag 1 Uhr. (Zweite ö eordnung.)

Berathung der Novelle zur Gewer

Prenuszischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

35. Sitzung vom 5. März 1896.

5 den ersten Theil der Sitzung ist gestern berichtet worden.

Die zweite Berathung des Etats des Ministeriums der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal— Angelegenheiten nimmt ihren Fortgang. .

Auf die zu dem Titel ‚„Altkatholischer Bischof“ ge⸗ machten Bemerkungen des Abg. Grafen von Strachwitz Zentr.) erwidert der

Minister der geistlichen 2ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Nach den Einwendungen, die der Herr Abg. Graf Strachwitz gegen das Kap. 1162 und seine Bewilligung hier soeben erhoben hat, vleibt mir wohl nichts Anderes übrig, als gegen die bisherige Gepflogenheit doch einige Worte jzu dem Kapitel zu sagen.

Zunächst kann ich den Herrn Grafen Strachwitz darüber voll—⸗ kommen beruhigen, als wenn irgend ein Einfluß von irgend einer Seite zu Gunsten der Altkatholiken auf die Königliche Staatsregie⸗ rung ausgeübt worden wäre. Das ist nicht geschehen. Im wesent⸗ lichen möchfe ich mich auf die kurze Erklärung beschränken, daß die Königliche Staatsregierung sich in den kirchlichen Konflikt zwischen der römisch⸗katholischen Kirche und den Altkatholiken heute so wenig ein⸗ zumischen gedenkt, als sie es bisher gethan hat (Bewegung im Zentrum); sie hat dazu weder einen Anlaß noch ein Recht. Wenn die römisch⸗katholische Kirche den Altkatholizismus, weil er sich dog— matisch von ihr getrennt hat, unter ihre Zensur nimmt, so ist das eine rein kirchliche Frage, die den Staat als solchen nichts angeht. Für den Staat kann es sich nur darum handeln, ob inzwischen etwa Nova eingetreten sind, die seine Interessen berühren und ihn nöthigen oder doch wenigstens bestimmen, sein bisheriges Verhältniß zu den Altkatholiken zu ändern. Diese Frage wird von der Königlichen Staatsregierung durchaus verneint. Der rein zufällige Um stand, daß der Bischof Reinkens gestorben ist, ändert, staat⸗ lich angesehen, an der bisherigen Sachlage auch nicht das Mindeste. Meine Herren, wir haben ja ein Staatsgesetz, das den altkatholischen Gemeinden gewisse staatliche Rechte, insbesondere auch Korporationsrechte gewährt. Wir haben nun den altkatholischen Organisationen durch Kap. 1162 bisher eine Unterstützung gewährt. Entziehen Sie denselben diese Unterstützung, so werden sie nach ge⸗ wissen Seiten hin nahezu vis-Kvis de rien gestellt. Auf diese Weise würde die im guten Glauben, mit Räcksicht auf die alljãhrlich erfolgten Wiederbewilligungen vorgenommene Organisation vom Staat preisgegeben, und das scheint mir nicht recht, das scheint mir eine Unbilligkeit gegen die Leute zu sein. Mag man sie kirchlich, vom Standpunkt der römischen Kirche aus, beurtheilen, wie man will. Vom Standpunkt des Staats

aus, meine Herren, das muß ich hervorheben, baben die Altkatholiken bisher eine vollkommen korrekte Stellung eingenommen; man kann ihnen nicht nachsagen, daß sie sich in irgend einer Beziehung nicht als lovale und treue und den Gesetzen gehorsame Staatsbürger gezeigt hãtten.

Nun handelt es sich hier ganz allein um die Budgetfrage, und die ist, wie ich glaube, durch die jetzige Gestaltung des Kap. 1162 in einem für die römisch⸗katholische Kirche vollkommen unanstößigen Sinne gelöst; denn zwischen dem Kap. 116 mit der Ueberschrift Katholische Geistliche und Kirchen' und dem Kap. 116a mit der Neberschrift Bedürfnißjuschüsse und einmalige Unterstützungen, insbesondere für einen Bischof befindet sich ein dicker Strich im Etat (Bewegung im Zentcum) meine Herren, ein dicker Strich, der auf Veranlassung eines der Mitglieder der Zentrums fraktion gezogen worden. (Hört, hört! links.) Also ich kann über haupt nicht absehen, was für Bedenken auf Ihrer Seite nach dieser Seite hin für die Budgetfrage, immer nur für die Budgetfrage geltend zu machen sind. Mir scheint die Sache vollkommen auf der⸗ selben Linie zu stehen, wie die Bewilligung des Kap. 113 für evangelische Geistliche und Kirchen. Meine Herren, ich glaube daher, daß man den Altkatholiken, wenn man ihnen die Subvention des Kap. 1162 ohne weitere, für das Staatsinteresse entscheidend ins Gewicht fallende Ursache jetzt entziehen wollte, bitteres und von ihnen in keiner Weise verschuldetes Unrecht thun würde. Ich glaube auch nicht, daß das hohe Haus geneigt sein wird, dieses Unrecht den Leuten zuzufügen, denen keine Schuld beizumessen ift.

Dazu kommt, daß, wenn man eine Versagung des Kap. 1162 eintreten lassen wollte, staatsrechtliche Schwierigkeiten herbeigeführt werden können, deren Umfang augenblicklich gar nicht zu übersehen ist. Ich will bierauf gar nicht näher eingeben und will anheimgeben, die Entwickelung der altkatholischen Gemeinschaft doch ganz ruhig der Geschichte zu siberlassen. Wenn der Altkatholizismus lebensfähig ist, so werden Sie ihn mit der Versagung der 48 000 auch nicht tödten, und wenn er nicht lebensfaͤhig ist, wird er sich selbst verzehren, und die 43 000 M, die für den großen Staatshaushalt eine verschwindende Summe sind, werden ihn nicht erhalten. Für den Staat fehlt es aber an jedem plausiblen Grund, in diesen Prozeß einzugreifen. Ich kann deshalb den Herren nur anheimstellen: bewilligen Sie, wie es in jedem Jahre geschehen ist, diesen Titel. Sie werden damit niemand schädigen, aber Sie werden einen großen, schweren Schaden und ein Unrecht von elner Gemeinschaft abwenden, die gegen den Staat sich in keiner Weise vergangen hat. (Bravo!)

Abg. Dr. Friedberg (nl): Wir stehen auf dem Standpunkt der Mehrhelt der ö. für die Bewilligung. Die Stellung des Zeatrums zeugt von Intoleranz gegen eine andere Religions⸗ gem 9 Selbst wenn keine rechtliche Verpflichtung des Staats vorliegt, so doch mindestens eine moralische, und wir bitten, die ,. zu en ic. ). Neben g. Por entt.): Ne dieser Position kesteht auch n

das Altkatholikengeseß, das auf dem für uns beleidigenden re punkt steht, daß die Altkatholiken noch Glieder der katholischen Kirche sind. Bel der Begründung dieser Position hat sich der Staat in den kirchlichen Konflikt eingemischt. Der Staat sieht den alt⸗ katholischen Bischof immer n als katholischen Bischof an, und dieser leistet den katholischen Bischofseid, in dem auch von der päpstlichen Autorität die Rede ist. Diesen Eid kann doch der gestern neugewählte altkatholische Bischof nicht leisten. Die Regierung muß bei dieser Gelegenheit Wandlung schaffen. Römisch⸗katholisches Kirchen⸗ vermögen ist dazu hergegeben worden vom Staat, um die Alt⸗ kathollken zu unterstützen. Wenn der Staat seine Stellung nicht aufgiebt, sollte er wenigstens das Altkatholikengesetz strikt ausführen, in Breslau hat man aber eine katholische Kirche den Altkatholiken eingeräumt, und in Sagan ist dasselbe geschehen.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Ich habe nur in ein paar Punkten die Anfüh— rungen des Herrn Abg. Dr. Porsch zu beantworten.

Die Gerichte, nicht in erster Linie die Staatsregierung, sondern die Gerichte haben in allen Instanzen wiederholt anerkannt, daß die Altkatholiken vom staatlichen Standpunkt aus als Katholiken zu be⸗ zeichnen sind. (Unruhe im Zentrum) Meine Herren, nicht als römische Katholiken, sondern als Katholiken. Ich möchte aber über haupt rathen, diese Frage hier gar nicht zu vertiefen; das ist eine Frage des Rechts, die hier mit dieser Budgetfrage absolut nichts zu thun hat.

Dann hat der Herr Abg. Dr. Porsch gebeten, wir möchten uns bemühen, das Altkatholikengesetz in einer Weise zur Anwendung zu bringen, die für die römisch⸗katholische Kirche nicht verletzend sei. Ja, meine Herren, ich glaube, daß mir kaum ein einziger Fall nachgewiesen werden kann, in dem dies von seiten der Staatsregierung nicht erstrebt wäre. Bei dem Breslauer Fall sind wir ebenso, wie an allen anderen Orten, wo ähnliche Verhältnisse bestanden haben, auf das äußerste bemüht gewesen, eine friedliche Auseinandersetzung herbeizuführen; es ist uns aber bis jetzt nicht gelungen, für die Altkatholiken ein geeig netes anderes kirchliches Lokal zu gewinnen. Das weiß auch Herr Dr. Porsch, daß wir uns die äußerste Mühe gegeben haben und zwar alle Behörden und daß diese Bemühungen noch nicht auf— gehört haben.

Der Fall in Sagan ist mir nicht in gleichem Maße bekannt, aber ich zwelfle nicht, daß dort die Sache ebenso liegt; denn wir haben ganz gewiß kein Interesse daran, daß an einzelnen Orten ein akuter Streit zwischen römischen Katholiken und den Altkatholiken besteht. Im Gegentheil: wo wir etwa eine friedliche Scheidung herbeiführen konnen, da werden wir ganz gewiß gern die Hand dazu

bieten.

Dann nur noch ein Wort über den Eid. Der Eid, den der Bischof Reinkens geleistet hat, stammt allerdings aus der heftigsten Kulturkampf⸗ periode. Es war darin der Gehorsam gegen die Staatsgesetze in gani runder Weise aufgenommen. Bischof Reinkens hat ihn abgelegt. Vorher bestand ein 1867 normierter Eid, der dieses Anerkenntniß der Staategesetze in einer etwas milderen Form und unter gleich- zeitiger Hervorhebung des von den Bischöfen dem Papst zu leistenden Gehorsams enthielt. Der Eid von 1873 ist von einem rõmisch⸗ katholischen Bischof niemals geleistet worden; er ist stets dason dis⸗ pensiert worden. Dagegen ist 1887 ein neuer Eid normiert unter beiderseitigem Einverständniß, der im wesentlichen die mildere Form von 1867 hergestellt hat. Dieser Eid kommt jetzt zur Anwendung, kann aber von dem altkatholischen Bischof nicht ge⸗ leistet werden (Hört, bört! im Zentrum), weil darin ausdrücklich der Gehorsam gegen Seine Päpstliche Heiligkeit hervorgehoben wird. Es wäre ja geradezu ein Gewissenszwang, wenn wir von ihm die Leistung dieses Eides verlangen wollten. (Unruhe im Zentrum.)

Abg. Graf zu Limburg - Stirum (kons): Wir steben auf unserm alten Standpunkt. Mit der Bewilligung dieses Kapitels treten wir den Rechten und Gefühlen unserer katholischen Mitbürger in keiner Weise entgegen. Vielleicht kann dem Etatstitel, um den Wünschen des Zentrums entgegenzukommen, das nächste Mal eine andere Ueberschrift gegeben werden. ĩ

Abg. Porsch bittet den Minister um eine schleunige Aenderung des Breslauer Falles und macht darauf aufmerksam, daß in Wiesbaden ein ahnlicher kirchlicher Nothstand bestehe. Wenn der altkatholische Bischof den katholischen Bischofseid nicht leisten könne, so sei er eben kein katholischer Bischof. Er acceptiere gern dieses Anerkenntniß des Ministers. . .

Nachdem durch die Annahme eines Schlußantrags dem Abg. von Eynern das Wort abgeschnitten ist, wird die Po⸗ sition gegen die Stimmen des Zentrums, der Polen und einiger Konservativen angenommen. .

Beim Kapitel Provinzial-⸗Schulkolle gien regt

Abg. Krawinkel (nl) eine Aufbesserung der Gehälter der ProvinzlalSchulräthe und ö der Stellen derselben an, damit auch die gehobenen Stadtschulen im Rheinland und in Westfalen den Provinzial · Schulkollegien unterstellt werden könnten. Redner schildert eingehend die Entwickelung der genannten Anstalten, denen eine sachgemäße Aufsicht fehle. ö.

Wirklicher Geheimer Ober⸗Regierungs ⸗Rath Dr. Stau der warnt davor, in den alten Fehler zu bee. immer mehr Schulen in die Schablone der Berechtigung für das einjährige Zeugniß zu zwangen. Die Rnlerftellung dieser Schulen unter die Aufsicht der Provinzial · Schul⸗ kollegien würde nicht nur eine Vermehrung der Schulräthe, sondern auch der unteren Beamten bedingen. Die Thätigkeit der Provinzial Schulkollegien könne niemand mehr anerkennen als der Minister, aber eine Aufbesserung derselben, nachdem ihr Anfangsgehalt vor einigen Jahren erhöht sei, wäre, losgelõst von der allgemeinen Er⸗ höhung der Beamtengehälter, zur Zeit nicht zu erreichen.

be von Eynern (nl) wäͤnscht keine Aenderung in der Orga⸗ nisation der gehobenen Stadischulen und tritt ebenfalls für die Auf⸗ besserung der Provinzial ⸗Schulräthe ein.

Geheimer k Dr. Germar erwidert, daß auch auf andere Beamtenkategorien Rücksicht genommen werden müsse; es sei bisher geschehen, was geschehen konnte, die Beamten müßten sich be⸗ scheiden, bis alle Beamten aufgebessert werden könnten.

Das Kapitel wird bewilligt.

Beim Kapitel „Univer sltäten“ bemerkt

Abg. Dr. Friedberg (nl: Die Einführung der Alterszulagen für die Professoren ist von der ern schon vor längerer Zeit in Aussicht geftellt worden und sollte beschleunigt werden. So hohe Donbrare wie in Berlin sind nur ausnahmemeise dorhanden, an anderen Üniversitäten kommen solche Honorare nicht vor. Die Kuratoren⸗ frage könnte auch schneller gelöst werden. Auf die Privatdozenten frage gehe ich nicht ein, weil uns ein Gesetzentwurf über die rechtliche Stellung der Prlvatdozenten zugeben soll. Es sollen in der theo⸗ logischen Fakultät alle Richtungen vertreten sein. In Bonn war es

nicht nötklg, eine neue Profeffur einzurichten, um einer Richtung zu ihrem Rechte zu verhelfen. Zwei Professoren in Bonn hatten einen

Ferienkurfus für Geistliche eingerichtet; deren Lehre über das Abend⸗ mahl gefiel den Geiftlichen nicht, es entstand Grregung; der Minister nahm aber die freie Lehrthätigkeit nicht in 2 sondern suchte die Erregung durch Berufung eines orthodoxen Professors nach Bonn zu beschwichtigen. Das war eine —ĩ Schwäche. Es wurde dem einen Profeffor ein anderer als Konkurrent an die Seite gestellt. Eine Berufung in Marburg ist ebenso merkwürdig. Dort ist ein Pfarrer eines kleinen Orts berufen worden unter Umgehung sämmtlicher

rivatdozenten. Das ist der vierte Fall, wo ein Professor ohne . der Fakultät berufen wird. Dabei ist die Marburger

akultät reformiert, der Berufene dagegen ist streng lutherisch. Es sollen alle Richtungen vertreten sein. Will der Minister daraus die Konsequenzen ziehen und an orthodoxen Universitäten, wie 3. B. Greifs. wald, auch andere Richtungen zulassen? Es hat den Anschein, als würde die orthodoxe Richtung bevorzugt. Ich bitte den Minister bezuglich der Strafprofessuren um eine befriedigendere Erklärung, als der Regierungskommissar in der Kommission gab.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Ich muß zugeben, daß die Dinge, die der Herr Abg. Dr. Friedberg hier soeben zur Sprache gebracht hat, Dinge von großer Wichtigkeit sind, die auf das Leben unserer Universitäten einen tiefgreifenden Einfluß haben, und die wohl geeignet sind, die öffent⸗ liche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Ich fühle mich deshalb auch verpflichtet, etwas näher auf die Beschwerde, die Herr Abg. Dr. Friedberg hier zum Ausdruck gebracht hat, einzugehen. Ich will nur im voraus bemerken: die Bemerkungen über die Alterszulagen der Professoren und über die Kuratorenfrage werde ich, sofern es nöthig sein sollte, meinem Herrn Kommissarius überlassen.

Der Kernpunkt der Beschwerde des Herrn Abg. Friedberg lag, wenn ich ihm recht gefolgt bin, in den sogenannten Strafprofessuren, wie er sie genannt hat. In dieser Beziehung bemerke ich vorweg: Strafprofessuren giebt es bei uns überhaupt nicht. Es ist ein höchft unglũdckllicher Ausdruck, und ich bedaure, daß Professoren selbst zu diesem Ausdruck gegriffen haben. Ich vermuthe, sie werden das noch einmal sehr bedauern, denn sie können für sich selbst garnichts Un— günstigeres und Ungeschickteres thun, als irgend einen Professor in Preußen als Strafprofessor zu bezeichnen. Meine Herren, diese sogenannten Strafprofessuren existieren nicht: alle Professuren werden von der Unterrichtsverwaltung aus besetzt ausschließlich nach dem Gesichtspunkt des wissenschaftlichen Bedürfnisses. So ist es auch in Bonn und in Marburg der Fall gewesen, wie ich das noch näher beweisen werde. Aber in welche Lage wird ein Professor, der in eine Fakultät berufen wird, gebracht, wenn man ihm sofort mit diesem Ausdruck ‚Strafprofessor ins Gesicht springt! Meine Herren, man erschwert damit die Stellung des Mannes, man beeinträchtigt seine Wirksamkeit von vornherein, und man wirft auch ein höchst bedenk— liches Licht auf diejenigen Professoren, welche der Universität bis dahin schon angehört haben.

Ich lehne es durchaus ab, daß die Berufung, von der hier Herr Abg. Dr. Friedberg in Bezug auf Bonn und auch in Bezug auf Mar⸗ burg gesprochen bat, irgendwie einer bedauerlichen Schwäche auf meiner Seite entsprungen wäre. Sie ist überhaupt nicht aus Schwäche entsprungen, sondern aus einem ganz starken ausgeprägten Pflicht⸗ bewußtsein; sie ist nicht eine Mißachtung der Wissenschaft gewesen, auch nicht ein Eingriff in die akademische Lehrfreiheit, sondern der Grund dieser Berufung war die nothwendige Berücksichtigung des Ver⸗ hältnisses, in welchem die theologisch⸗evangelischen Fakultäten unserer Universitãten auch zu der evangelischen Landeskirche stehen, deren theologi⸗ schen Nachwuchs sie vorzubilden haben, und ich muß darauf halten, daß auch diese Pflicht und diese Aufgabe unserer evangelisch / theologischen Fakultäten von ihnen nicht aus dem Auge gesetzt wird. (Sehr richtig! rechts.)

Meine Herren, ich bin ein ausgesprochener Vertreter der aka— demischen Lehrfreiheit auch für die theologischen Fakultäten. Ich habe mich durch wiederbolte Prüfung davon überzeugt: es giebt keine Formel auf dem Gebiete der Wissenschaft, wodurch man einen Lehr⸗ zwang rechtfertigen könnte. Ich brauche dabei nicht ju bemerken, daß ich die theologischkatholischen Fakultäten hier völlig ausschließe. Die katholische Kirche steht anders, sie hat die Lehr⸗ autorität in ib Dogma genommen, und damit ist diese Frage für sie ein für alle Mal ausgeschlossen.

Nun ist es ganz anders auf dem Gebiete der Reformation; das kann gar keinem Zweifel unterliegen, daß eine der tiefsten Differenzen der Reformation gegenüber der Lehranschauung der katholischen Kirche davon ausging, daß auf evangelischem Gebiete dem Einzelnen eine Gewissensprüfung der Dinge, die er glauben und auf die er sein zeit⸗ liches und ewiges Heil stellen will, überlassen worden ist, und daß das eines unserer größten Rechte und nach evangelischer Auffassung auch eines der größten Güter ist, welches wir haben, und dafür werde ich auch eintreten.

Meine Herren, der Abg. Dr. Friedberg hat ganz richtig hervor⸗ gehoben, daß der leitende Gesichtspunkt der Unterrichts verwaltung bei der Besetzung der theologisch - evangelischen Professuren der ist, die verschiedenen Richtungen innerhalb der evangelischen Theologie nota bene soweit sie überhaupt wissenschaftlich legitimiert sind zur Geltung zu bringen und eine justitia distributiva zu üben, so— daß an den Universitäten nicht nur die eine Richtung vertreten ist, sondern daß die Studierenden in die Lage gebracht werden, auch die anderen Richtungen zu hören und selbst zu prüfen und sich zu ent— scheiden, wohin sie sich stellen wollen. Meine Herren, das ist nicht ein Eingriff in die Lehrfreiheit, sondern es ift die nothwendige Ergänzung der Lehrfreiheit. Wenn ich einseitig und lediglich nach dem Willen der überwiegend von einer Richtung beherrschten theologischen Fakul⸗ täten die Professuren besetzen wollte, so würde ich buchstäblich einen Lehrzwang an den einzelnen Universitäten herstellen, und das will ich nicht; deshalb babe ich diese Maßregel ergriffen und habe da, wo es nöthig ist, unter Umständen auch unter dem Widerspruch der Fakultät, eine Kraft anderer Richtung hingestellt allerdings, nachdem ich mich überzeugt habe, daß sie wissenschaftlich vollkommen legitimiert ist und daß die Einwendungen, die die Fakultät gemacht hat, unbegründet sind.

Nun, meine Herren, es ist thatsäͤchlich so bei uns, daß einzelne Fakultäten wesentlich für das Bedürfniß der Landeskirche, in deren Bezirk sie liegen, zu sorgen haben, Bonn unter anderem für das Bedürfniß an Geistlichen der Provinzialkirche von Rheinland und Westfalen. Nun batte sich in Rheinland und Westfalen heraus gestellt, daß man nicht bloß in geistlichen Kreisen, sondern überhaupt in der Provinz nach gewissen Personalveränderungen, die in der Bonner theologischen Fakultät vorgekommen waren, nicht mehr das Vertrauen jur Fakultät hatte, wie es wünschenswerth ist, nicht mehr das Vertrauen, um sovlel Studenten der Theologie nach Bonn zu

schicken, wie fur die Provinzialkirche wänschenswerth war. In Bonn