1896 / 65 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 14 Mar 1896 18:00:01 GMT) scan diff

Hamburg ausgeführten Spirituosen nicht vorhanden sind. Nach den mir vorliegenden Gutachten sind in einem Alkoholgehalt von 40 78 Volumenprozent bloß 905 Polumenprozent Fuselöl enthalten. Die moralische schädliche GCinwirkung der Spirituosen wird den Schwarien gegenüber anders beurtheilt als den Landesgenossen gegenüber. Nach der Statistik kommen über 4 1 Alkohol pr Kopf in . eine 36 die bei dem GEpport nach Afrika nicht erreicht wird. ußerdem hat die dortige einheimische Bevölkerung auch ohne den deutschen Spiritus ihre berauschenden Getränke und macht davon ergiebigen Gebrauch, z. B., von dem berauschenden Palmwein. Nach dem Urtheil der Sachverfständigen, 3. B. des Pr. Brunner, wird der Branntwein überhaupt nur an der Küste . im Innern wird er so verdünnt, daß er bloß noch e. Wasser ist, während der Palmwein sehr gefährlich ist. euerdings sind in der Station Jakonda zwei unserer Dahomey⸗· Arbeiter von einem einheimischen Stamme gefangen genommen und beim Spiel und Tanz geschlachtet worden. Diesem Kannibalismus ist ein großes Gelage nicht in Branntwein, sondern in Palmwein vor— angegangen. Der Genuß von Branntwein ist überdies so theuer, daß ihn nur die begüterte Minderheit genießt. Ich bin überzeugt, daß die englischen Beamten dieser Kolonien durchaus die Meinung, wie sie in ihrem Heimathlande über die schädlichen Wirkungen in Afrika herrscht, nicht theilen. Wir haben eine Enquète angeordnet, wonach auf Grund eines sehr eingehenden Fragebogens die Gouperneure und dandeshauytlente unserer Schutzgebiete veranlaßt sind, genau über die Vermehrung der Spirituoseneinfuhr, über die Einwirkungen der Spirituosen auf das physische und moralische Befinden der Neger und auf die sonstigen Schäden sich zu äußern. Diese Enquéte hat aber einen Abschluß nicht gefunden. Auch die Vertreter der Nissionsgesellschaften im Kolonialrath haben wir ersucht, ihrerseits auch das Ihrige zu thun, um an dieser Enquste auch die Missionen theilnehmen zu lassen. Der Hauptausfuhrort für Spirituosen nach West⸗Afrika ist Hamburg; die Ausfuhr betrug 1890/94 durchschnittlich 13 Millionen Mark, und darunter Spirituosen etwa 5 Millionen Mark. Der Antheil unserer weft ⸗afrikanischen Kolonien Kamerun und Togo macht noch nicht den zehnten Theil davon aus, Hierbei ist aber noch mit einbegriffen, was an Fässern, Gläsern, Papier u. s. w. mit— aufgewendet werden muß, und das ist nicht genug. Es sind also noch verschiedene andere Gewerbe und iu fle mitinteressiert. Seit der Exportprämie auf Spiritus ist der russische Spiritus vom Hamburger Markt vollständig durch den deutschen Spiritus verdraͤngt worden, und die Ausfuhr nach Ost⸗Afrika rührt jetzt wesentlich von deutschem Spiritus her. Wir müssen diese Sachen nicht allein mit idealen, sondern auch mit realen Augen ansehen. Der Völlerei der Neger werden wir entgegentreten und auch das Missionewesen fördern. Wir dürfen aber nicht einen so wichtigen Industriejweig und einen so wichtigen Handel un⸗ bedacht schädigen. Auch auf internationalem Wege wollen wir alles thun, um dige Spirituoseneinfuhr. zu Heschränten. Dieses ist der einzige Weg; ine differenzielle Behandlung und Schädigung dürfen unsere Waaren nicht erfahren. Ich will nicht leugnen, daß die Temperenzbewegung in England dahin geht, auch auf dem afrikanischen Kontinent festen Fuß zu fassen; andererseits aber glaube ich, daß dabei der Kampf sehr stark mit⸗ spricht, der zwischen Baumwolle und Spiritus, zwischen Birmingham und Liverpool schwebt. 1894 wurde der Niggerkompagnie Lob ge⸗ sungen, daß sie Alles gethan habe, um die Eingeborenen nicht mit Spiritus zu vergiften. In der That hatte sie 1894 keinen Brannt⸗ wein nach Afrika eingeführt, weil sie im Dezember 1893 eine solche Menge in ihr Gebiet eingeführt hatte, daß sie im Jahre 1894 nicht mehr konnte. Gegen eine Erhöhung des Spiritutzolles bestehen schwere Bedenken. Jedenfalls werden wir keine Völlerei zulassen. Die Zeit der Träumerei ist für uns längst vorüber; wir dürfen keinen kosmopolitischen Idealen nachjagen, aber wir müssen uns auch buten, daß nicht andere Leute unter irgend welchen Vorwänden uns das Brot vom Munde wegnehmen. Abg. Beckh (fr. Velten); Wohin die Kolonialschwärmereien führen, das zeigen zu unserem Bedauern die Niederlagen der Italiener in Afrika. Ich hoffe, daß diese Ereignisse nicht dazu führen werden, das Bundesverhällniß auch nur im Geringsten zu lockern. Sie sind aber ein warnendes Beispiel gegen allzu große Exvansionsgelüste. Wir dürfen den Spuren des Herrn Peters nicht folgen. Gegenüber allen Ver⸗ fuchen des Reichstages, in der Kolonialpolitik eine Besserung herbei⸗ zuführen, haben wir bisher immer nur Versprechungen erhalfen. In der Verwaltung der Kolonien hat ein steter Wechsel stattgefunden, ohne daß man ein Prinzip dabei erkennen konnte. Welches Malheur haben wir gehabt mit den Herren von der Schneidigkeit des Herrn Leif! Auch über Herrn Wehlan können wir uns ein Urtheil bilden unbeschadet der Thatsache, daß die Berufung nech schwebt. Der Gouverneur Zimmerer war auch nicht der rechte Mann; Ritt⸗ meiffer von Stetten ging weg, weil er sich mit ihm nicht stellen konnte. Die Eingeborenen zündeten einen Speicher von Jantzen und Thormählen an und plünderten, was sie konnten. er Gouverneur lehnte es ab, Hilfe zuzusagen; wegen eines Kaufmanns könne er nicht gegen die Bevölkerung vorgehen. Es entstand eine Prügelei, und die gestohlenen Gegenstände wurden den Räubern abge⸗ nommen. Da beschwerie sich dle Bevölkerung, und der Kaufmann, dessen Faktorei verbrannt wurde, mußte dieselbe noch entschädigen! Das war auch kein richtiges Verhalten, denn die Bevölkerung wurde trotzdem rebellisch. Herr von Stetten hat den Feldzug geführt. Er ist aber durchaus nicht in vorsichtiger Weise durch einen anderen Be⸗ amten ersetzt worden. Redner bemängelt schließlich die Lazarethein« richtungen in Kamerun.

Direktor im Auswärtigen Amt Dr. Favser: Ich will bleß nicht unwidersprochen lassen, was der Herr Vorredner bezüglich des jetzigen Kommandeurs der Schutztruppe in Kamerun, des Hauptmanns von Kamptz, gesagt hat. 3 ist nicht richtig, daß der genannte Herr gänzlich unerfahren ist; im Gegentheil, er hat sich längere Zeit, nachdem der Dahomey ⸗Aufstand ausgebrochen war, in Kamerun auf⸗ gehalten, ist mit den Verbaͤltnissen sehr wobl bekannt, hat nicht bloß bei der Berliner Garde, sondern bei mehreren aaderen Regimentern gedient. Es sst mir nichts zu Ohren gekommen, was uns veranlassen könnte, in irgend einer Hinsicht die Entsendung des Herrn von Kamptz nach Kamerun zu bereuen. Ich benutze die Gelegenbeit, um auch zu be⸗ merken, daß, was den zweiten Arzt in Kamerun betrifft, wie der Herr Vorredner sich aus dem vorliegenden Etat für Famerun überjeugen kann, ein solcher bereits eingestellt ist. Die Frage nach einem Sanatorium wird von uns schon seit Jahren auf das ernsteste nicht bloß erwogen, jondern es werden auch die verschiedensten Ermittelungen angestellt, um ein folches in Kamerun zu errichten. Die Berichte, die wir darüber erhalten, haben uns jedoch noch keine genügende Grundlage gegeben, nun aller Zweifel überboben zu sein. Das aber glaube ich als irrig bezeichnen ju müssen, daß die bloße Errichtung einer Hulk genügen würde und daß man auf einer Hulk vor der Malaria sicherer sei als auf dem Lande.

Abg. Bebel (Soz): Den Wunsch, daß die Kolonien uns Vor⸗ theile bringen möchten, theile ich; ob der Wunsch aber erfüllt werden wird, bejweifle ich, denn unsere Erfahrungen sind immer schlechter geworden. Wir geben in steigendem Maße immer größere Summen aus, ohne jede AÄuesicht, daß das Geld halbwegs wiedergewonnen wirb. Die Kolonien sind ein Schmerzenskind geworden, welches uns immer noch größere Schmerjen bereiten wird. Der Direktor Kayser meinte, die Beamten hätten im Ganzen und Großen ihre Schuldig keit gelhan. Wenn die Beamten alle Leists und Wehlans wären, dann müßten wir uns der Kolonien schämen. So schlimm sind die Beamten nicht, aber ihr Beispiel hat doch manche Nachwirkung gehabt. Redner kommt auf die Ermordung des Küntzel in Witu zurück und fährt dann fort: Die Schuld daran wurde früher dem Sultan von Witu jugeschoben, während Kurt Töpren sie auf die provo— serende Haltung des Küntzel zurückführte. Herr von Carnap Duernheim hat später festgestellt, daß ein Hauptanstifter des Mordes des Küntzel ein Mann des Suahelistammes war, der im Tienst von Töppen land. Eine Anklageschrift des Herrn von

Carnap hat gar keine Berüäcksichtigung gefunden. Eine Hauptrolle in der er als eff! spielte und . noch rr Dr. Peters, der ein Ruhegehalt von 6000 M beziebt und seine Le benutzt, um für die Flottenvermehrung nach Kräften tbätig zu sein. Gs ist doch eigenthümlich, daß ein Mann, der bestimmt war, ein höheres Amt in Ost⸗Afrika anzutreten, sein Amt nicht antritt, weil er ärgerlich darüber ist, daß Wissmann ihm vorgezogen sei. (Zuruf des Abg. Grafen Limburg: Woher wissen Sie denn das?) Herr Graf Limburg! Sie werden wissen, daß manches on dit eine größere Bedeutung hat als die sicherste Wahrheit. Ich babe über Herrn Peters Vorleben nachgeforscht und wundere mich, daß ihn die Re—⸗ gierung überhaupt im Amte behält; denn die Sachen sind gedruckt und veröffentlicht. Hätte er sein Amt angetreten, so hätte er wahr⸗ scheinlich übel gewirtbschaftet. Was Herr. Peters beschreibt in seinem Buche Die deutsche Emin Pascha. Expedition“, sollte geeignet sein, einen solchen Mann überhaupt nicht in den Reichsdienst kommen zu lassen. Er selbst erkennt an, daß er rigorose Strafen an⸗ gewendet babe. Die Träger, welche Peters angeworben hatte, haben ihn vielfach im Stich gelassen. Er hat die Völker⸗ schaft der Galla, in deren Gebiet er sich befand, beauftragt, die ent⸗ wichenen Träger einfach niederzumachen. Ist das vereinbar mit christlicher Gesinnung? Die Dörfer anderer Völkerschaften, welche ihm nicht willfährig waren, brannte er einfach nieder. Eine weitere Völkerschaft griff er ohne weiteres mit Repetiergewehren an. Redner zitiert weitere Stellen aus dem Buche von Peters. Es sei unerhört, daß ein Vertreter des Christenthums solche Dinge schreiben könne, wie sie in diesem Buche ständen.

Vize⸗Präsident Schmidt; Elberfeld: Ich habe hier den Zuruf Frechheit! auf der Änken gebört; ein solcher Zwischenruf schickt sich nicht und verletzt die Würde des Hauses.

Abg. Bebel fortfahrend: 1891 befand sich Peters auf einer Expedition nach dem Kilimandjaro. Das Erste, was er that neben der Errichtung seiner Hütte, war die Errichtung eines Galgens. Er hatte sich ein hübsches Mädchen als BeisNläferin erworben. Dieses Mädchen hatte ein Verhältniß mit einem Diener Peters' angeknüpft; Peters befahl sofort, das Mädchen und den Diener an den Galgen zu hängen. Der Lazarethgehilfe wurde kommandiert und die beiden jungen Leute wurden aufgehängt. Peters beschuldigte die Aufgehängten der Spionendienste. Ware dafür ein Beweis vorhanden gewesen, so hätte der Lieutenant sich wobl nicht geweigert, das Urtheil zu voll—= zieben. Als Peters in Moschi der englischen Mission einen Besuch machen wollte, lehnte Bischof Tucker den Besuch eines Mörders ab. Herr Peters entschuldigte sich mit den afrikanischen Gebräuchen gegenüber den Ehebrechern, er, der Vertreter europäischer Kultur! Ein Ehebruch in Afrika aber würde für die Frau nur eine Tracht Prügel zur Folge haben, weil der Mann bei der Tödtung der Frau ein werthvolles Arbeitsinstrument verlieren würde. Solche Dinge müssen genau untersucht werden; Redner benennt als Zeugen die Angehörigen der englischen Missionen und der katholischen Missionen, die Offiziere der Expedition und andere Theilnehmer derselben und fährt fort: Die Ermordung des Mädchens hatte allerlei Unruhen gegen die Deutschen zur Folge, in denen zwei deutsche Offiziere und zwei Aerzte fielen. Herr Schall hat vorhin auf Peters hingewiesen, aber er hat nicht gesagt, um was es sich handelt. Der all Leist mag für die Regzierung abgethan sein, aber für mich und für die Welt nicht. Die öffentliche Entrüstung ist laut geworden darüber, daß die Richter zu einem so milden Urtheil kommen konnten. Wenn die Straf⸗ gesetzt des Reichs nicht angewendet werden konnten auf Leist, war hat denn die Regierung auch nur einen Tag gezögert das zu thun, was sie erst jetzt gethan hat, im Wege der Ver⸗ ordnung vorzugehen! So schlimm wie die Fälle Leist und Wehlan find nicht viele gewesen; aber Aebnliches ist oft passiert. Sogar Geist⸗ liche haben sich n tt gesehen, zu protestiren gegen das Verhalten der deutschen Beamten in den Kolonien, für welche die ange⸗ führten Fälle typisch gewesen seien. Die Bestimmungen des Straf⸗ gefetzbuches über Mißbrauch der Amtsgewalt und Mißhandlungen gelten doch nicht bloß bei Vergehen der Deutschen gegen Deutsche, fondern auch der Deutschen gegen die Eingeborenen. Jedenfalls mußte in Bejug auf die Pfandweiber gegen Leist der § 174 Nr. 3 des Strafgesetzbuches angewendet werden. Hier würde eine Bestrafung sogar nach den afrikanischen Sitten und Gebräuchen nothwendig sein. Rach einer eingehenden Kritik des Urtheils gegen Wehlan fragt Redner, warum das Strafgesetzbuch nicht angewendet sei.

Direktor im Autwaärtigen Amt Dr. Kayser: Der Vorredner hat fich als Vertreter des Rechts hingestellt und das Urtheil des Potsdamer Disziplinargerichts verurtheilt. Was kann das für einen Eindruck machen, wenn er gegen einen Gerichtshof hier auftritt, ohne daß ihm die Alten zu Gebote stehen! Er geht von der Voraussetzung aus, daß das, was in den Valentin'— schen Tagebüchern steht, alles wahr ist, weil es ihm Ge— legenheit giebt, gegen die Regierung vorzugehen. Aber es hat sich ergeben, daß nut ein kleiner Theil des Tagebuchs wahr ist, freilich immer noch genug, während der Vorredner alles als wahr annimmt und danach das Urtheil kritisiert. Wir haben gegen das Urtheil Berufung eingelegt. Der Reichstag ist doch keine Appellinstanz. Auf den Fall Wehlan will ich nicht näher eingehen. Das Tagebuch enthält zum größten Theil Renommage und Küstenklatsch. Man muß sich daran gewöhnen, daß die Afrikaner etwas renommieren. Das Reichs Strafgesetzbuch gilt für alle Europäer in den Kolonien und jeder, der gegen dasselbe handelt, unterliegt derselben Strafe wie in Europa. Wenn gegen Leist nicht auf Grund des 8 174 ein— geschritten ist, so geschah das deshalb, weil die Voraussetzungen dafür fehlten. Es hat sich herausgestellt, daß F 174 ein gesetzliches Verhältniß jwischen dem Aufseber und den ihm Anvertrauten voraus—⸗ setzt, und wir können doch die Pfandweiber als ein legales Institut binstellen. Als Mensch können wir ihn nicht bestrafen, als Richter hat er sich keine Mißhandlung zu schulden kommen lassen. Das Ürtheil der Geistlichen über die Vorgänge in den Kolonien ist uns nicht entgangen. Aber während in der General⸗Synode davon ge⸗ sprochen wurde, daß die Sitten der Europäer in den überseeischen Ländern zu wänschen übrig lassen, macht Herr Bebel daraus Beamte und Kolonien. In Bezug auf Witu scheint Herr Bebel der Kaiser⸗ lichen Regierung einen Vorwurf daraus zu machen, daß für die Grmordung des Herrn Küntzel Herr Töppen verantwortlich ist. Ich weiß nicht, woher das Interesse für Herrn Töppen kommt. Ich habe mir sagen lassen, daß er früher seiner Partei angehörte. Herr Töppen ist für uns unerreichbar. Es wird schwer fein, über diese Dinge die Wahrheit, zu ermitteln. Herr Bebel hat sich auf Herrn von Carnap berufen. Er war vor einem halben Jahre hier und hat keinerlei Beschwerde darüber erhoben, daß feine Anklageschrift, die er vor mehreren Jahren eingereicht hat, keine Erledigung gefunden hat. Was das Buch des Herrn Peters betrifft, so muß ich sagen, daß dieses Buch schon seit Jahren publiziert worden ist, und irgend eine Kritik nach Art des Herrn Bebel ist mir nicht bekannt geworden. Ich glaube, das Buch spielt doch nur eine Rebenroslte und sollte nur illustrieren, was nachher gekommen ist. Ueber den Fall vom Kilimandjars möchte ich mir einige allgemeine Bemerkungen erlauben. Wenn man eine Reihe von Jahren amtlich und außeramtlich mit den bekannteren Afrikanern verkehrt, findet man es erklarlich, wie in früheren Jahrhunderten die ersten Entdecker Ehriftoph Columbus, Amerigo. Vespucei allmählich in einen Gegenfatz zu ihrer Regierung gekommen sind. Denn alle Leute, die in der Wildniß lebten, die den größten Gefahren ausgesetzt waren und für ihr Leben zu sorgen hatten, fassen als Recht der Nothwehr auf, was die zu Hause sitzenden Leute als Grausamkeit und Ungerechtigkeit betrachten, Heute sind wir noch nicht in der Tage, zu sagen, ob in jenen Zeiten das Verfahren der Entdecker berech⸗ tigt war. Die Verhältnisse in Afrika können wir nicht beurtheilen von der Wilbelmstraße 75 aus und auch nicht vom Tische dieses Hauses. Von den bekannteren Afrikanern giebt es fast keinen, der für seine dortigen Handlungen nicht schwer angegriffen würde. Wir besitzen einen, der don allen seinen Querzugen durch Afrika, von seinen r d gen und wissenschaftlichen Zugen einwandsfrei zurückgekehrt ist, das ist der Gouberneur von Wissmann; aber denken Sie an die anderen, Ich erinnere an Stanley; was ist ihm mit Recht zum Vorwurf

gemacht! Von ber That am Kilimandjaro wurden wir

durch einen Bericht des Gouverneurs von Soden 1882, kun richt zugegangen ist von zwei englischen Missionären. Schon da ift eine Üntersuchung vorgenommen, und es wurden damals zwei mals vernommen, die sich in Guropa befanden, die in Diensten Peters; gefta hatten. Wir haben nicht die Ueberzeugung gewinnen können n ein schuldbares Verhalten vorliegt. Wir haben die Sache weiter hir lassen, bis Herr von Vollmar in der vorigen Session den Fall hen brachte. Ich bin verdächtigt worden von einer gewissen . hätte mir Herrn von Bollmar bestellt zu dieser Anklage; es p ic behauptet, daß eine gewisse Verschwörung besteht zwischen nm mir. Ich muß wohl annehmen, daß Herr von Vollmar ͤsich einen De. Verschworenen autsuchen wird als mich, und umgekehrt win es auch wohl der Fall sein. Mir ist es aufgefallen, 6 Herr von Vollmar die Kenntnisse hatte. Nachher ist mir das Ratz gelöst worden; es ist eine Broschüre von Hofmeister erschienen i welcher die Zeugen benannt sind. Vielleicht hat Herr von elm! schon vorher Kenntniß von der Broschüre gehabt. Der Staatẽ cken von Marschall hat damals angeordnet, daß neue Ermittlungen ö. gestellt werden sollen. Das ist gescheben und die Akten sind vor wen . Wochen bierher zurückgekemmen. Also seitens der Kaiserlichen Regin ist nichts geschehen. die Sache zu vertuschen. Was hat sich ergeben? 39 muß bemerken, daß die Angaben des Herrn Bebel nicht richtig sind. Pein war 1891 Kommissar auf der Kilimandjaroftation. Dort mn Jander dauernd und abwechselnd der Lieutenant, Bron sart zm Schellendorff u. s. w. anwesend. Es waren drei schwarze Mädchen vorhanden, welche mit den Europäern in intimem Verkehr standen Die Situation war eine sehr i die Einwohner der Un. gegend waren noch nicht der deutschen Herrschaft unterworfen, sie sollten es erst werden. Man konnte jeden Augenblick auf einen Nebersis der Station gefaßt sein. Es sind mehrfach Diebstähle vorgekommen Peters hat, da ez schwer war, die Thäter zu ermitteln, berlinde daß bei dein nächsten Diebstahl der Thäter gehängt werden würde Es kam wieder ein Einbruch vor; der Thäter meldete sich nicht die Untersuchung war erfolglos. Endlich wurde ein Diener de Herrn Peters als Thäter ermittelt. Daraufhin erklärt Herr Peterg Taß er, um seine Autorität aufrecht zu erhalten, genöthigt gewesen e. das Todezurtheil zu vollstrecken. Darauf sind dann die drei Mädchen von der Station geflohen. Sie wurden aber wieder herausgegeben und fehr hart bestraft. Es wurde ihnen gesagt, daß sie beim Flucht, versuch mit dem Tode bestraft würden. Trotzdem gelang ein Flucht. versuch des einen Mädchens und es wurde das Todesurtheil volsstrech. Ich muß bemerken, daß ich Thatsachen referiere. Wir beklagen dies⸗ Thatfachen ganz außerordentlich, auch im Interesse der Kolonialpolitt und endlich im Interesse der Menschlichkeit; denn ich kann Ihnen hier erklären im Namen des Reichskanzlers, daß in unseren Schü, gebieten das Leben eines Schwarzen nicht minderwerthig ist. Es muß doch schließlich das subiektive Verschulden nachgewiesen werden und diefes ift nicht nachgewiesen worden. Wenn Dr. Peters erklärt: wi haben es thun müssen, weil nicht bloß unsere Autorität, sondern auh unser Leben und dasjenige der mir anvertrauten Untergebenen, die ganze Station, gefährdet war, wenn wir nicht mit unbarmherzig Strenge verfuhren wie können wir denn das widerlegen? r können uns also, wenn wir objektiv und gerecht sein und uns nicht bloß vom Affekt hinreißen lassen wollen, nur an das halten, was uns von dort berichtet wird. Wir können von hier aus nicht einmal die Verbältnisse von Dar⸗es-Salam beurtheilen. Win können von hier aus nicht den Nachweis führen, daß das, wat Pr. Peters sagt, nicht wahr ist. Die Zeugen, die Herr Bebel heute genannt hat, können meiner Meinung nach nicht in Betracht kommen. Sie waren garnicht in der Station jugegen und kannten die Verhältnisse nicht; denn vom Hörensagen ist es sehr schwer, sich ein Urtheil zu bilden. Wie die Sachen liegen, kann man nn sagen: eine Schuld des Dr. Peters ist nicht ermittelt. Was mi die Missionsgesellschaft betrifft, so haben wir nichts von dem von Herrn Bebel erwähnten Entschuldigungsbrief des Dr. Peten gehört. Das wundert mich um so mehr, als der Bischof Tucker in freundlichen Beziehungen zu uns steht. Wenn wir also nach verschiedenen Richtungen vieles beklagen und mißbilligen können, so werden wir doch nur dann strafen dürfen, wenn wir die Ueberzeugung haben, daß ein subjektives Verschulden vorliegt. Was nun die Be schwerde darüber betrifft, daß wir den Dr. Peters nach Tanganika ge schickt haben, so haben wir geglaubt, daß wir das um so mehr thun konnten, weil wir von vorneherein überzeugt waren, daß unter de Leitung eines solchen Mannes wie des Majors Wissmann die Dinge ibren guten Gang geben würden, und daß ein Zusammenwirken dieser beiden Männer möglich sei. Später erhielten wir von dort Nachrichten wonach die Stimmung gegen Peters keine günstige gewesen ist, nnd aus diesem Grunde haben wir es vorgezogen, von dem Rechte Ge⸗ brauch zu machen, welcheß das Gesetz uns giebt; wir haben Peten abgerufen und ihn zur Dieposition gestellt. Es ist auch eine Ar welfung des Reichskanzlers an die leitenden Persönlichkeiten ergangen, daß sie ihre Untergebenen von Ausschreitungen fern halten; jeder Beamte und Offizier soll auch an seinem Theil berufen sein, an dea Erziehung der Eingeborenen zum Christenthum mitzuwirken; er win dabei Milde und Rücksicht üben müssen wie als zivilisierter Mann n der Heimath. Zuwiderhandlungen sollen nicht vertuscht werden fondern unnachsichllich gemeldet werden. Das ist der Standpunkt! M RKolonialverwaltung, und wir hoffen, daß diese Mahnung nicht eint Nachwirkung bleiben wird.

Abg. Br. Lieber (Zentr.): Nur der Erlaß des Reich kanllet war in der Rede des Herrn Direktors ein heller Punkt. Alles Anden, was er vorgetragen hat, kann ich nur auft tiefste bedauern. Wenn der Herr Birektor die Frage aufgeworfen hat, warum man sich dal Peters'sche Buch erst jetzt angesehen hat, trotzbem es schon s Jabte vorliegt, so ist der Grund dafür doch sebr leicht zu finden. Herr Peters selbst ist schuld daran, daß die Aufmerksamkeit det Reich tags fich auf ibn konzentriert hat: Herr Peters, der die Aufmert. famkeit der Welt auf sich gezogen hat dadurch, daß a gegen die Politik des Reichskanzlers großartige Agitatione! eingeleitet hat, obgleich er Reichsbeamter auf. Wartegeld ist. IJ den' letzten Wochen ist das Peters sche Buch dag meistbegebr Buch sewesen. Man kann sich also über die Rede des Perm Bebel nicht wundern. Es sind noch mehr im Besitz solche Lesefrüchte. Für mi. schlägt der Fall am Kilimandjars allel Andere zu Boden. enn er fo liegt, wie Herr Bebel wol, getragen, fo ist Herr Peters in den Jugen der Welt gerichtet und de Herr Direktor hat an Tolumbus und Cortez und Pizarro erinnert. an. nach den Grundsätzen der Sittlichleit können alle diese Männer beurtheill werden und die deutsche Kolonialverwaltung sollte auf einer audesmh Stufe stehen, als daß fie heute noch solche Helden entschuldigen sollte Der Fall am Kilimandjaro ist der Regierung 1892 bekannt geworden man hat aber damals nicht den Eindruck des schuldhaften Verhalten empfangen. Herrn von Voll mar's Anregung hat eine erneute Unter⸗ fuchung veranlaßt. Ich will die sichere Erwartung aussprechen, 9 die heute von Herrn Bebel angebotenen neuen Beweis mitte die Regierung veranlassen werden, den Gegenftand aber mals neu untersuchen zu lassen. Es würde genügen, * Brief des Herrn Peters an Herrn Tucker von der englische Mission herbeizuschaffen, um auf Herrn Peters das Wort anzuwenden.

hkabemus consitentem reum. Denn seine Entschuldigun⸗ Schuld bestätigen. anischen

Perr Peters ein jun Verhäliniß hatte, e er das schimpflichste wel

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und Viderwärtigeres, als aus dem Munde des Herrn Bebel in jedem

ehre hören zu müssen: Ihr wollt Christenthum und Kultur in

dunklen Erdtheil tragen und Ihr schickt Menschen hinaus, die * Ghriftenthum und jede Gesittung in den Augen auch des geringfsten

jlaners in Grund und Boden ruinleren! Was nüt das Be— willigen von Millonen, wenn ein Dr. Phil. in dem dunklen Eidtheil umherzieht und Mordthaten verübt! Dem Herrn Peters wird das r stan 4 er die unverdiente Ehre cbgelebnt andeshauptmann zu werden.

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den Gegen

en; ich . wesentlich verschoben. 3 .

irn für unsere Kulturträger in Afrika eintreten, scäber thun zu können geglaubt haben. Aber wir hoffen, daß diese erkandlung⸗ uns in den Stand setzen werden, dem Herrn Direktor ieder zur Seite stehen zu können, wenn er wieder einmal behauptet, daß die dentschen Beamten in den Kolonien ohne Ausnahme ihr Aut mit Pflichttreue verwalten.

lim Sis. Uhr wird die weitere Berathung bis Sonnabend

1 Uhr vertagt.

Preusßzischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 42. Sitzung vom 13. März 1896.

Ueber den ersten Theil der Sitzung ist gestern berichtet worden. . . .

Nach Beendigung der zweiten Berathung des Staatshaus⸗ halts Etais für 1896,97 folgt die Verlesung der Interpellation der Abgg. Ring (kons) u. Gen, die auch vom Zentrum und den . unterstützt ist: ö.

Nach Mittheilungen der Regierung in der Agrarkommission bei Berthung des Antrags Ring (Sperrungen am Berliner städtischen Dick- und Schlachthofse und Seucheneinschleppungen aus dem Aus⸗ sande) waren im Frühjahr 1896 die nordischen Reiche Dänemark und Schweden seuchenfrei und deshalb deren Viehimporte nur einer o tägigen Quarantãne unterworfen, während für sonstige überseeische Vieheinfuhr die Quarantänezeit 4 Wochen dauert. Ferner gestattet Jie Regierung fortgesetzt die Einfuhr russischer geschlachteter und sebender Schweine, sowie von circa. 5 Millionen russischer Gänse. Nachdem sich inzwischen herausgeftellt hat, daß in den letzten Monaten durch dänisches und schwedisches Vieh fast fämmtliche Quarantäne⸗ anstalten verseucht sind, nachdem erwiesen ist., daß durch russische Schweine und russische Gänse neuerdings Verseuchungen wiederholt ssattgefunden haben, xichten die Interpellanten an die Regierung die Anfrage: Welche Maßregeln gedenkt die Regierung nunmehr zu ergreifen, um weitere Seucheneinschleppungen zu verhindern?

Präsident von Köller richtet die Frage an die Regierung, ob und wann sie bereit sei, die Interpellation zu heantworten,

Da der Minister für Tandwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammerstein am Regierungstisch nicht anwesend ist, erfolgt feine Antwort, und es entsteht eine längere Pause.

Abg. Graf zu Lim burg ⸗Stirum (kons.): Ich möchte nur kon⸗ statieren, daß. wenn eine Interpellation vorliegt, welche die Interessen der Land wirtbschaft betrifft, in einer Zeit, wo die landwirthschaftlichen ten,, alle politischen Kreise auf das entschiedenste bewegen, daß bel einer solchen Interpellation nicht einmal vom Regierungẽ· tische erklärt werden kann, ob und wann sie beantwortet werden wird.

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Ich glaube, es wird nicht nölhig sein, diese Sache so tragisch zu nehmen. Meines Wissens hat der Herr Land⸗ wirthschafts. Minister die Absicht, und zwar sogar nach Rücksprache mit dem Staats-Ministerium, die Interpellation heute zu beant⸗ orten. Nun hat man wahrscheinlich im landwirthschaftlichen Ministerium nicht geglaubt, daß die Berathung über die Finanz⸗ fragen so glatt und schnell zur Erledigung kommen werde. Ich nehme daber bestimmt an, daß der Herr Landwirthschafts . Minister noch heute diese Interpellation beantworten will. Es wird ja unbedenklich sein, wenn der Herr Interpellant vorerst seine Interpellation näher be—⸗ gründet.

Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum;: Dann möchte ich anheim⸗ zullen, die Sitzung vielleicht auf eine halbe Stunde zu vertagen. Der Präsident von Köller vertagt die Sitzung um lan, Uhr bis 1 Uhr. . . Nach der Wiederaufnahme der Sitzung erklärt auf die Anfrage des Präsidenten der Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Ham mer—⸗ stein:

Meine Herren! Ich bin bereit, die Interpellation sofort zu be⸗ antworten.

Ich darf dem hohen Hause meine Entschuldigung aussprechen, daß ich nicht sofort zugegen war, als die Interpellation zur Verhand⸗ lung gelangte. Ich hatte an einer Kommission im Reichsamt theil zu nehmen, hatte von dort hierher telephoniert, es möge mir zeitig Kenntniß gegeben werden, wenn die Interpellation Ring zur Verhandlung käme. Die Mittheilung darüber ist zu spät an mich gelangt. Ich bin sofort, als ich die Mittheilung erhielt, hierher geeilt. Ich bitte um Entschuldigung, daß durch diesen Umstand eine Unterbrechung der heutigen Sitzung stattgefunden hat. (Bravo! rechts.

Abg. Ring (kons.) begründet seine Interpellation mit dem . . auf die Seucheneinschleppungen vom Auslande und die Notblage der Landwirthschaft. Die Verschuldung der Landwirthschaft wachse mehr und mehr, Eine Wirthschaft von 10 9009 Morgen, deren seit 30 Jahren geführte genaue Buchführung er habe einsehen können und welche jährlich 40 000.40 Zinfen zu decken hatte, habe bis 1573 jährlich durchschnitilich 51. 436 , von 1875 bis 1890 nur 36 900 1 ergeben, sodaß für Zinsen noch 4000 zugeschossen werden mußten, und von 1891 —=95 haben die Zinsen ganz aus dem Privat⸗ dermögen des Besitzers gedeckt werden müssen. Infolge der Viebseuchen rerre sich eine Provinz gegen die andere ab. Der Berliner Viehhof sei gestern wieder gesperrt worden. Es seien über 1000 Gemeinden mit 30 750 Stück Vich durch Maul⸗ und Klauensenche verseucht, das bedeute vro Stück einen Verlust von 60 46 Wenn das aus— ländische Vieh nicht importiert, sondern unsere Land⸗ wirthschaft in den Stand gesetzt würde, dieses Vieh zu Yroduzieren, dann könnten nach den angestellten Berechnungen unserer Landwirthschaft jährlich 217 Millionen Mark erhalten werden. Aber bel unseren Heutigen Veterinärmaßregeln sei unsere Landwirthschaft dazu Außer, stande. Durch Schmuggel. an den Grenzen, namentlich in Oberschlesten, komme viel verseuchtes Vieh herein. Redner macht aus dem landwirthschaftlichen Verein von Inowrazlaw nähere Mit⸗ tbellungen über das Schmuggelgeschäft und fährt dann fort: Im daverischen Landtag hat man Maßregeln verlangt, damit. nicht von Num melsburg aus'minderwerthiges Vieh nach Bayern eingeführt wird; dieses Vieh sst vom Ausland hierher gekommen. Die vollständige e, unserer östlichen Grenze ist das einzige Mittel, und wir sind zu berechtigt, wenn die Seucheneinschleppung nachgewiesen ist. Durch . mufsischen Gänfe, die aus dem Innern Rußlands kommen, wird die Geflägelcholera bei uns eingeschleppt. Mit den Federn der ver—

seuchten Gänse werden unsere Betten gestopft. Die Landwirthschaft darf Schutz gegen die Seucheneinschleypung fordern. Aus Dänemark sst 884 für 39 Millionen Mark Vieh in uns gekommen. Eing Herab. en der Quarantänejeit von 4 Wochen auf 10 Tage sollte nur solchen Ländern gegenüber stattfinden die nicht verseucht Ed, hätte also Dänemark gegenüber nicht erfolgen sollen. Die Quarantäne ⸗Anstalten im Norden sind verseucht, von Altona ist dadurch die Maul⸗ und Klauenseuche nach Dortmund verschleppt worden. Es heißt immer,

das Vieh werde erft in den Quarantäne ⸗-Anstalten verseucht; das

sagten auch die Desterreicher in Steinbruch, bls ihnen krankes Vieh in den ECisenbahnwaggons 2 wurde. Eine zehntägige Quarantäne genügt gegen die Nordländer nicht, wir brauchen eine Quarantäne von vier Wochen. Unsere Viehiölle werden umgangen vermöge der Klassifikation des Viehes, denn Ochsen als Schlacht. waare zahlen 253 Zoll, Stiere und Kühe nur 9 „S, Jungvieh bis 26 Jahre nur 5 t Die Thiere werden nicht mehr kastriert, damit sie nicht als Schlachtwaare, sondern als Jungpieh eingehen; und statt der Schlachtochsen werden Stiere und Kühe eingeführt. Die Viebzölle genügen nicht. Gerade die Kuheinfuhr ist wegen der leichten Uebertragung der Tuberkulose durch Kühe auf die Menschen am bedenklichsten. Ünfere Einfubr ist nur so groß, weil unserem Handels— stand der Handel Selbstzweck ist; wir könnten selbst genug produ—⸗ zieren. Weil wir diesen Handel bekämpfen, gründet er einen Schutz verband gegen agrarische Uebergriffe n. Ritter und Blumenfeld, Cohn und Rosenberg sind ja Gattungsbegriffe geworden. In Bezug auf Getreide sind wir durch die Handelsverträge gebunden, gegen die Seucheneinschleppung können wir uns durch das Einfuhrverbot

schũtzen.

Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer— ste in:

Meine Herren! Ich bin ermächtigt, namens der Staatsregierung folgende Erklärung abzugeben, und zwar bezieht sich diese Erklärung einmal auf die Verseuchung der Quarantäneanstalten und zweitens auf die Seucheneinschleppung durch russische Schweine und tussische Gänse, also auf die Punkte, die der Herr Abg. Ring hier haupt⸗ sächlich berührt hat.

Nach dem Beschluß des Bundesraths vom 27. Juni 1895 müssen die aus dem Auslande auf dem Seewege zur Einfuhr gelangenden Wiederkäuer und Schweine einer Quarantäne von pier Wochen unterworfen werden soweit gegen einzelne Länder nicht weitergehende Beschränkungen (Einfuhrverbote) angeordnet sind. In welchem Umfange Einfuhrverbote bestehen, wird sich vielleicht nach her hier Gelegenheit finden, ausführlich mitzutheilen. (Bravo! rechts.) Für Wiederkäuer und Schweine aus solchen Ländern, in denen die für diese Thiergattungen in Betracht kommenden Seuchen mit längerer Inkubationsdauer nicht verbreitet sind, ist der Herr Reichskanzler ermächtigt, die Quarantänefrist auf zehn Tage herabzusetzen.

Derselbe hat, von dieser Ermächtigung Gebrauch machend, unter dem 17. September 1895 für die aus Dänemark und Schweden⸗Norwegen stammenden Wiederkäuer und Schweine die Quarantänefrist auf 10 Tage herabgesetzt, weil nach den amtlichen Seuchenausweisen und nach anderweiten Nachrichten in diesen Ländern ansteckende Krankheiten mit längerer Inkubationsdauer, insbesondere Lungenseuche und Maul und Klauenseuche, seit längerer Zeit nicht aufgetreten waren. Nur Fälle von Rothlaufseuche der Schweine kamen dort vor, einer Krankheit, welche meistens in 24 bis 45 Stunden zum Tode führt und selten mehrere Tage dauert.

Es wurden darauf, den vom Bundesrath gegebenen Vorschriften entsprechende Seequarantãneanstalten errichtet in Preußen: zu Altona (Bahrenfeld), Apenrade, Flensburg, Kiel und Tönning; außerdem in anderen Bundesstaaten zu Rostock, Lübeck, Hamburg und Bremen.

Eine Seucheneinschleppung in die 5. preußischen Seequarantänen aus dem Auslande ist bisher nicht erfolgt.

Die in den Seequarantänen zu Kiel und Altona (Bahrenfeld) vorgekommenen Seuchenausbrüche sind vielmehr auf Infizierungen im Inlande zurückzuführen. (Lachen rechts.)

Dagegen ist nach den Mittheilungen des Herrn Reichskanzlers in der ersten Hälfte des November vorigen Jahres unter einem dänischen Schweinetrantport in der Quarantäne zu Rostock die Schweineseunche ausgebrochen, welche zweifellos auf Einschleppung von Dänemark zurückzuführen ist. Ein in der Anstalt zu Lübeck Ende November v. J. vorgekommener Fall von Rothlauf ist nicht sicher festgestellt, insbesondere bat der Obduktionsbefund keinen bestimmten Rückschluß auf den Zeitpunkt der ersten Ansteckung der befallenen Thiere zugelassen.

Die in den beiden Quarantäneställen zu Hamburg im Dezember v. J. vorgekommenen Ausbrüche der Maul und Klauenseuche werden auf Infizierung durch aus Husum nach Hamburg gekommenes krankes Rindvieh zurückgeführt.

Die Einschleppung der Schweineseuche durch dänische Schweine nach der Quarantäne in Rostock bat bekanntlich zu dem noch be— stehenden Verbot der Einfuhr von lebenden Schweinen und von frischem Schweinefleisch aus Dänemark geführt.

Bei dieser Sachlage liegt zu weiteren Beschränkungen der Vieh⸗ einfuhr in die Quarantäneanstalten aus Dänemark und Schweden⸗ Norwegen zur Zeit keine Veranlassung vor. Sollte sich ein Be⸗ dürfniß nach weiteren Maßregeln herausstellen, so wird der Herr Reichskanzler, der die hbetheiligten Bundesregierungen durch ein Rundschreiben vom 4. Dejember v. J. ersucht hat, ihm von jedem Seuchenfall in einer Seequarantäneanstalt unter Angabe des Utsprungs der erkrankten Thiere und des vermuth⸗ lichen Zeitpunktes der Ansteckung thunlichst schleunig Nachricht zu geben, auf Grund des § 4 Absatz 2 des Viehseuchengesetzes ein einheit⸗ liches Vorgehen der Bundesregierungen veranlassen.

Die Seucheneinschleppungen durch russische Schweine und russische Gänse! Die Einfuhr von lebenden Schweinen aus Rußland ist durch die Kaiserliche Verordnung vom 14. Juli 1889 verboten; nachgelassen ist nur, daß in die Schlachthäuser der nahe der Grenze belegenen Städte: Beuthen, Kattowitz, Myslowitz und Tarnowitz solche Schweine für den Bedarf des dortigen, überaus stark mit Ar⸗ beitern bevölkerten Industriebezirks zum Zwecke der sofortigen Ab⸗ schlachtung eingeführt werden dürfen.

Unter diesen Schweinen wurden in den Schlachthäusern bis in neueste Zeit häufig Fälle von Maul- und Klauenseuche und auch Fälle von Schweineseuche und Wild- und Rinderseuche festgeftellt.

Eine Verschleppung der Seuche aus diesen Schlachthäusern auf inländische Schweine ist bisher nicht nachgewiesen. Der Umstand aber, daß an den unussischen lebenden Schweinen oft die obigen Seuchen in den Schlachthäusern konstatiert wurden, und daß die Schweineseuche in den letzten Jahren häufig in den an Rußland angrenzenden diesseitigen Landestheilen auftrat wahrscheinlich durch geschmuggelte Schweine und durch frisches Schweinefleisch eingeschleppt —,

hat die Regierung veranlaßt, an dem Einfuhrverbot festzuhalten und bezüglich der erwähnten Ausnahmen die größte Vorsicht zur Sicherung des inländischen Schweinebestandes gegen Ansteckung obwalten zu lassen.

Da nach dem Gutachten der technischen Deputation für das Veterinärwesen die Schweineseuche durch frisches Schweinefleisch und die Abgänge davon (Spülwasser *.) jweifellos auf lebende Schweine übertragen werden kann, so sind weiter die Regierungs- Präsidenten der Grenzbezirke neuerdings beauf- tragt worden, die Einfuhr von frischem Schweinefleisch aus Rußland zu untersagen und nur in solchen Grenzgebieten, wo ein un abweisliches Bedürfniß der Grenzbevölkerung nach billiger Fleisch⸗ nahrung vorliegt, die Einfuhr von abgekochtem Schweinefleisch in den steuerfreien Quantitäten bis zu höchstens 2 kg ausnahmsweise zuzulassen.

Die Einfuhr von lebenden Schweinen in die genannten vier ober⸗ schlesischen Schlachthäuser kann mit Rücksicht auf die besonderen Ver⸗ hältnisse der Arbeiterbevölkerung in dem Industriebezirk zur Zeit nicht entbehrt werden. Sie wird aber dadurch thunlichst unschädlich ge⸗ macht werden, daß das den Schlachthäusern zugebilligte Kontingent an lebenden russischen Schweinen von wöchentlich 2550 Stück auf 1900 Stück vermindert ist, und daß an die Einfuhr dieser Schweine die Bedingung geknüpft wird, daß das ausgeschlachtete Fleisch derselben nicht über den Industriebezirk hinaus in das weitere Inland verbracht werden darf.

Durch Einfuhr von russischem Geflügel, insbesondere von Gänsen, ist nachgewiesenermaßen die Geflügelcholera häufig nach Preußen ein⸗ geschleppt. Ein vollständiges Verbot der Einfuhr von Geflügel aus Rußland erscheint zur Zeit mit Rüäcksicht auf das Bedüůrfniß zahlreicher Landwirthe in den Grenwrovinzen (Lachen rechts), welche billige, magere russische Gänse einkaufen, und dann mit Vor— theil weiter verkaufen, sowie im Hinblick auf die Konsumenten, welche jährlich etwa 5 Millionen russischer Gänse verzehren, z. 3. nicht zu⸗ lässig, da eine so große Menge von Gänsen vorläufig im Inlande nicht produziert wird.

Dagegen erscheint es geboten, durch geeignete Beschränkungen der Geflügeleinfuhr vorherige thierärztliche Untersuchung an der Grenze, Beförderung nur in geschlossenen Eisenbahn⸗ oder Landwagen u. s. w. Die Gefahr der Einschleppung der Geflügelcholera und anderer an= steckenden Krankheiten thunlichst zu beseitigen.

Nach dieser Richtung sind die erforderlichen Verhandlungen an— geknüpft und werden hoffentlich zu einem den deterinär · polizeilichen Interessen entsprechenden Resultat noch vor Beginn der dies jãhrigen Geflügeleinfuhr führen.

Anknüpfend an diese Erklärungen, habe ich zurückzugreifen noch auf einen Vorgang, der sich im Februar im Anschluß an Verhandlungen, die eingeleitet wurden von dem Abg. Ring, zugetragen hat. In der Rede des Abg. Ring, die mir zu einer Bemerkung Veranlassung gab, auf die ich später zurückkomme, ist Folgendes hervorgehoben:

1) Daß bei einem Seuchenfall auf dem Viehmarkt in Berlin im November v. J. eine Sperre der Ausfuhr auf 14 Tage verfügt worden sei, während in Hamburg die Sperre nur 4 Tage aufrecht erhalten werde.

2) Daß bei dem Ausbruch der Maul und Klauen⸗ seuche in der Altonaer Quarantäneanstalt zu Bahrenfeld die Schlachtung der verseuchten Thiere auf dem Schlachthof in Ham- burg zugelassen und dadurch der gesammte Hamburger Schlachthof verseucht worden sei.

Was den ersten Punkt anlangt, so ift es zutreffend, daß in Ham- burg bisher die Sperre der Ausfuhr bei Ausbruch einer Seuche auf bis 5. Tage hat beschränkt bleiben können. Es ist dies möglich ge⸗ wesen ohne Gefahr für eine Seuchenverschleppung, weil innerhalb dieser Frist stets der gesammte Viehbestand auf dem Schlachthof oder dem Viehmarkt hat abgeschlachtet und die Desinfektion der Anlage hat durchgeführt werden können.

Bekanntlich ist vom Bundesrath bei der Abänderung der In⸗ struktion zum Viehseuchengesetz im §z 69 dieser Instruktion ausdrücklich bestimmt worden, daß die Seuche als erloschen gelte und die an—⸗ geordneten Schutz maßregeln aufzuheben seien, wenn auf dem Gehöft ꝛc. sämmtliche dort befindlichen Wiederkäuer und Schweine getödtet worden sind. Nach Beendigung der Abschlachtung konnte deshalb die Sperre hier nicht mehr aufrecht erhalten werden. Die vollständige Abschlachtung des vorhandenen Viehbestandes ist aber hier steis und zwar auch vor Abänderung der Instruktion streng durch⸗ geführt, bevor die Seuche für erloschen erklärt und der freie Verkehr wieder gestattet wurde. Es ist dabei dem Absatz 2 des 55 des Viehseuchengesetzes die weitgehende Auslegung gegeben, daß stets der ganze Schlachthof oder die ganze Viehmarktanlage, auf welcher ein Seuchenfall vorgekommen war, als eine Räumlichkeit“ anzusehen sei, und es wurde deshalb alles dort vorhandene Vieh als seuchenverdächtig zur sofortigen Abschlachtung bestimmt. Er⸗ leichtert wurde die Durchführung dieser strengen, aber wirksamen Maßregel hier dadurch, daß der Schweinemarkt täglich, der Rinder markt an zwei, neuerdings an drei Tagen abgehalten wird, sodaß der jedesmalige Bestand an Vieh kein übermäßig großer zu sein pflegt.

Wenn in Berlin auf dem dortigen Viehmarkt und Schlachthof die Handhabung in anderer Weise geschieht, und deshalb auch die Sperre von längerer Dauer ist als in Hamburg, so findet das nach dem Bericht des hiesigen Staatsthierarztes seine Erklärung darin, daß die jedesmaligen Viehbestände dort sehr viel größere sind als in Hamburg, daß die Einrichtungen der dortigen Schlachthäuser nach dem Zellensystem eine zwangsweise Massenabschlachtung in kurzer Zeit außerordentlich erschwert. Ich darf bemerken, daß voraussichtlich die neuen Einrichtungen auf hiesigem Viehmarkt denen in Hamburg im wesentlichen ähnlich gestaltet werden sollen.

Was nun den zweiten Punkt, den Ausbruch der Maul⸗ und Klauenseuche in der Altonaer Quarantäneanstalt zu Bahrenfeld be⸗ trifft den der Herr Abg. Ring angeführt hat so hat der Ham burger Senat mitgetheilt, daß auf Ersuchen des Königlich preußischen Regierungs ⸗Präsidenten in Schleswig der Senat genehmigt habe, daß die in der im Altonaer Stadtgebiet belegenen Quarantãneanstalt vorhanden gewesenen seuchenverdächtigen, aber noch nicht erkrankten Thiere im Schlachthof in Hamburg unter allen den Umständen nach möglichen Vorsichtsmaßregeln abgeschlachtet würden.

Ich habe festgestellt, daß die Hamburger Mittheilung: der Herr Regierungs⸗Präsident in Schleswig habe, nachdem in Bahrenfeld die Maul und Klauenseuche dort im großen Umfang auftrat, nicht an

ordnen können, daß sofortige Abschlachtung eintrete, und habe sich des⸗