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eferanten, strenges kon personals u. s. w. In den kleineren Vereinen sind die Mitglieder den Verkäufern auch fast ausnahmslos persönlich bekannt. Hierzu kommt dann die Kontrole der Orts-Polizeibehörden und die Kontrole seitens der In⸗ haber anderer, mit den Konsumvereinen nicht in Verbindung stehen⸗ der Geschäfte. — und im Lande Württemberg ist, wie weiter in diesem Schreiben mitgetheilt wird, nur eine einzige Bestrafung wegen Nichtbeachtung des Verbots des? Verkaufs an Nichtmitglieder eingetreten. Also die Sache läßt sich durchführen und muß meines Erachtens, wenn man nicht nach dem Antrag des Herrn Abg. Dr. Schneider das ganze Verbot streichen will, schon im Interesse der Rechts⸗ einheit durchgeführt werden. Also, wenn die verbündeten Regierungen in Bezug auf die Auffassung, der sie im Jahre 1889 Ausdruck ge⸗ geben haben, eine Aenderung haben eintreten lassen, so ist diese Aenderung nach Lage der Entwicklung der Gesetzgebung und nach Maßgabe der Erfahrungen, die mit dem Genossen⸗ schaftsgesetz gemacht worden sind, eine durchaus berechtigte. Nun hat der Herr Vorredner noch betont und auch zur Motivierung seines Antrags auf Streichung des ganzen vierten Absatzes des 8 8 angeführt, daß, wenn man letzteren aufrecht erhält, das Zuwiderhandeln unter Strafe stellt, und daneben die Konsumpereine mit einer Ge⸗ werbesteuer belegt, dann gewissermaßen eine doppelte Belastung und Beschränkung eintritt. In dieser Beziehung kann ich ihn auch be ruhigen. Die Gewerbesteuer, da, wo sie besteht, ins—⸗ besondere in Preußen, wird veranlagt und erhoben nach Maßgabe des Umfangs des Geschäftsbetriebs. Wenn also die Konsumvereine an Nichtmitglieder nicht verkaufen dürfen, so ist ihr Geschäftsbetrieb ein geringerer, als wenn sie die Befugniß haben, an jedermann zu verkaufen. Sie werden also auch zur Gewerbesteuer in geringerem Maße herangezogen werden.
Und nun, meine Herren, komme ich zum Schluß mit einem allgemeinen Gesichtsvunkt. Wenn die Konsumvereine Handel treiben wollen, dann hören sie meines Erachtens auf, Konfumvereine zu sein. (Sehr richtig! rechts Der Begriff wird ein ganz anderer, und es fehlt ja in unferen Gesetzen nicht an Formen, in denen man das Bedürfniß nach einem genossenschaftlichen Handelsbetrieb befriedigen kann. Dann wird eben auß dem Konsumverein eine Handelsgesellschaft. Was ist ein Konsum⸗ verein begriffsmäßig? Der Konsumwverein ist eine Genossenschaft, die darauf abzielt, die Bedürfnisse ihrer Mitglieder auf bestimmten Gebieten zu befriedigen; sowie die Thätigkeit des Konsum⸗ vereins darüber hinausgeht, hört eben der Verein auf, ein reiner Konsumperein zu sein, dann wird er eine Handels- gesellschaft, auch unbeschadet des Umstands, daß er in erster Linie für seine Mitzlieder sorgt. Auch in der Theorie und rationell läßt sich das Verbot des Verkaufs an Nichtmitglieder durchaus vertheidigen, und es ist sogar meines Erachtens ein noth⸗ wendiges Erforderniß, soll nicht der Charakter dieser Konsumvereine als Genossenschaften aufgegeben werden. Ich kann Sie deshalb nur bitten, den Anschauungen zu folgen, die in der Vorlage ihren Aus⸗ druck gefunden haben, und den Antrag des Herrn Abg. Schneider ab— zulehnen.
Abg. Klemm -Dresden (Reform⸗P.): Das Bestreben der Linken, die Beschlüsse der Kommission umzustoßen, wird ein vergebliches sein' Die Konsumwpereine wollen wir nicht chikanieren, wir wollen sie nur zwingen, sich auf den Kreis ihrer Mitglieder zu beschränken.
Abg. Dr. Osann; Als die Bestimmung über die Konsum— vereine in das Gesetz aufgenommen wurde, da dachte man an eine kleine Vereinigung von Personen zur Beschaffung von Bedarfsartikeln, nicht an solche Unternehmungen, wie sie jetzt in Hamburg, Breslau, Görlitz u. s. w. bestehen, die den großkapitalistischen Unternehmungen sehr ähnlich sehen. Dem gegenüber muß das vom Reichstage 1889 ge⸗ wollte Verbot des Verkaufs an Nichtmitglieder den Konfumpereinen gegenüber durch Strafbestimmungen zur Geltung gebracht werden.
Der Antrag Schneider wird gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und Freisinnigen abgelehnt und der Vor— schlag der Kommission unverändert angenommen.
Ein weiterer Antrag der Kommission, wonach dem 8 11 der Zusatz gegeben werden soll, daß von der Eintragung der Genossenschaften in die Genossenschaftsliste die Gerichte allen Genossen Nachricht geben sollen, wird von dem preußischen Ge⸗ heimen Ober⸗Justiz⸗Rath Vierhaus mit dem Hinweis auf die große Belastung der Gerichte durch das Schreibwerk bekämpft.
Der Antrag wird abgelehnt.
Die von der Kommission in den Artikel J neu eingefügten Nummern 3, 6 und 7 werden gemeinsam diskutiert: es han⸗ delt sich dabei um eine Aenderung des 8 29, mit dem Zusatz eines neuen 5 89a, und die Streichung des 8 114.
5 20 soll dahin geändert werden, daß durch Statut fest⸗
. geh werden kann, daß der Gewinn nicht vertheilt, sondern
em Reservefonds zugeschrieben wird. Nach 8 89a soll bei Auflösung solcher Genossenschaften das unvertheilbare Rein— vermögen, sofern nicht eine andere ph he oder juristische Person dafür bestimmt ist, an die Gemeinde fallen und zu gemein⸗ nütigen Zwecken dienen. Der § 114, welcher gestrichen werden soll, trifft Bestimmungen über bie Theilnahme der Genossen, welche im Laufe des Geschäftsjahres ausscheiden, an dem Gewinn, dessen alljährliche Verlheilung ausgeschlossen ist.
Abg. Dr. Schneider empfiehlt die Ablehnung der Anträge, welche im Interesse der Raiffeifen'schen Darlehnskassen gestellt seien.
Abg. Dr. Osann hält es für bedenklich, in die Vorlage noch andere Dinge hineinzuschreiben, als von Anfang an beabsichtigt ge—⸗ wesen sei. Es sollten hier Bestimmungen geändert werden, die für alle Genossenschaften gelten, aber nur für eine Art von Genossen⸗ een von Bedeutung seien, und die Interessenten dieser Genossen⸗ chaften habe man nicht einmal gehztt. Deshalb sollte man diese Sache aus der Vorlage ausscheiden.
Abg. von Werdeck (d. kons) tritt für die Kommissionsbeschlüsse ein, die deshalb nothwendig seien, weil 1899 die ersten zehn Jahre der Geltung des Genossenschaftsgesetzes abgelaufen sein würden. Die Raiffeisen'schen Kassen seien also dann vor die Frage gestellt, ob sie ihr angesammeltes Vermögen vertheilen oder noch weiter vergrößern wollten.
Abg. Freiherr von Stumm hält es für bedenklich, einen von der Kommission mit großer Mehrheit angenommenen Vorschlag zu verwerfen, ohne daß eigentlich stichhaltige Gründe dafür ange⸗ geben seien. pr. Pichler sʒ
Nachdem noch der Abg. Dr. Pichler (Zentr.) sich für die Anträge der Kommission erklärt hat, schließt die Debatte.
Die Anträge der Kommission werden genehmigt. Nach Art. U soll hinter 8 30 des Genossenschaftsgesetzes ein neuer . eingeschaltet werden, nach dessen erstem Absatz der Vorstand der Konsumvereine mit offenem Laden
kttliche s
chriften über die Legitimation . , muß, welche der ö Verwaltungsbehörde einzureichen sind. Die weiteren Absaͤtze enthalten Strafbestimmungen.
Abg. Dr. Schneider beantragt die Streichung der Straf⸗— bestimmungen und will die Legitimattonsvorschriften an die Gerichte, nicht an die Verwaltungsbehörde gelangen lassen, deren Beaufsichtigung die Genossenschaften nicht unterstellt seien.
9. . . , n 9 . r an tc ; daß 3 .
orschr eine eau un er Genossenschasften liegen solle; e ö nicht . ob die ,, aus⸗ reichend seien. ;
Der Antrag Schneider wird abgelehnt und 8 30 a an⸗ genommen, ebenso ohne Debatte der von der Kommission neu eingefügte 8 30 b, welcher den Konsumpereinen und ihren Waarenlieferanten die Ausgabe von Marken verbietet. .
Darauf wird die Berathung abgebrochen. Der Präsident — 3 von Buol, schlägt für die Tagesordnung der
itzung am Montag die Interpellation des Abg. Dr. Bachem wegen der Duelle und die Interpellation des Abg. Freiherrn von Manteuffel wegen des Betriebes von Bäckereien und Konditoreien vor.
Abg. Dr. Barth (fr. Vgg.) beantragt, den freisinnigen Antrag 6 der Duelle ebenfalls auf die Tagesordnung am Montag U setzen. ie Abgg. von Massow (d. kons.), Freiherr von Stumm und Spahn gentr.) erheben dagegen Widerspꝛuch.
Es bleibt bei dem Vorschlag des Präsidenten; i. aber werden der Rest der Tagesordnung und Wahlprüfungen er⸗
ledigt werden. .
Schluß 55g Uhr. Nächste ö Montag 1 Uhr. (Novelle zum Genossenschaftsgesetz, ahlprüfungen, Inter⸗ pellation Bachem wegen der Duelle und Interpellation Man⸗
teuffel wegen des Betriebes von Bäckereien und Konditoreien.)
Preusischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 54. Sitzung vom 18. April 1896.
Die zweite Berathung des Lehrerbesoldungsgesetzes wird in der am Freitag abgebrochenen Debatte über den 8 25 (Leistungen des Staats und die dazu gestellten Anträge fort—⸗ gesetzt.
Vom Abg. Dr. Sattler (nl,) ist noch folgender Antrag eingegangen:; die Nr. IVa dahin zu ändern: Sind die einer politischen Gemeinde nach den Bestimmungen zu II für das Jahr 1897/98 zustehenden Bezüge geringer als der ihr oder den hetheiligten Schulverbänden im Jahre 1896,97 auf Grund der Gesetze vom 14. Juni 1888 und 31. März 1889 gezahlte Staatsbeitrag, so wird dieser letztere als fester jährlicher Sierre ne an dieselbe weiter gezahlt.
Abg. Richter (fr. Volksp.): Der Finanz⸗Minister hat gestern die Freundlichkeit gehabt, mich zu apostrophieren und mich aufzufor— dern, genau zu achten auf dasenige, was er sagte in Bezug auf die Steigerung der Staatszuschüsse von 20 auf 2863 Millionen nach dem Gesetz von 1888. Gerade diese Stelle seiner Rede bekundet thatsäch— liche Irrthümer des Finanz⸗Ministers über die Bedeutung diesesz Ge⸗ setzes. Der Minister meinte, diese Steigerung sei nicht allein eine Folge der Vermehrung der Bevölkerung, sondern auch der Vermeh⸗— rung der Klassen. Der Unterschied von 20 Millionen und 2855 Mil— lionen erklärt sich mit 6 Millionen daher, daß die Dotation von 20 auf 26 Millionen erhöht worden ist, nicht wegen Bebölkerungt—⸗ zuwachses oder Vermehrung der Lehrerstellen, sondern indem man die Dotation für jede vorhandene Lehrerstelle um 100 M erhöhte. Es bleiben aslso nur 24½3 Millionen als Wachtthum übrig für die Zeit von 7 Jahren, was schon eine Vermehrung um 7060 der Bevölkerung bedeutet. Die Vermehrung der Lehrerstellen infolge der Einrich- tung kleinerer Klassen hat nur Mehrkosten von 200. bis 300 000 M zur Folge gehabt. Die Schulstatistik von 1891 zeigt gegen 1886 für die Städte sechs Schüler weniger auf eine Lehr— kraft; aber dasselbe gilt auch für das platte Land. In den Städten werden zahlreiche Kinder in den höheren Lehranstalten unterrichtet, für die der Staat keine Zuschüsse giebt. Ich werde dem Minister immer dankbar sein, wenn er mich auf solche Stellen seiner Reden aufmerksam macht, wo er falsche Thatsachen vorbringt. Besonders freigebig sind die Städte gegen ihre Lehrer nicht ge— wesen; sie müssen ihnen nur etwas mehr Gehalt geben, als den Landlehrern, weil Unterhalt und Wohnung theurer sind in den Städten. Der Staatszuschuß zum Gehalt der Lehrer beträgt auf
dem Lande etwa t, in den Städten kaum g des Durchschnittsgehalts.
Das ist schon eine ungerechte Vertheilung jwischen Stadt und Land, und gegen eine weitere Ausbildung dieser Ungerechtigkeit müssen wir uns wehren. Wir wollen gar nicht die Staatszuschüsse nach Maßgabe der Staatssteuern vertheilen; wir wollen das Unvermögen der Gemeinden ausreichend berücksichtigen, denn sonst würden wir nicht dem platten Land Zuschüsse gewähren, welche die Ein ksmmensteuer übersteigen. Als die jex Huene zur Berathung stand, da wurde von der linken Seite darauf gedrungen, daß die Mittel für die. Schule, namentlich auf dem Lande verwendet werden sollten; die rechte Seite wider— setzte sich diesen Bestrebungen. Als man aus den Geldern Kreispaläste und Skatchausseen baute, suchte die Regierung wiederum Schulbauten aus der lex Huene flüssig zu machen; wiederum war es die rechte Seite, die 3 rn, Vergeblich habe ich mich mit Herrn von Zedlitz damals zur Vertheidigung der Staatsregierung verbunden, und daz war doch alles Mögliche, daß ich mich gerade mit ihm verband. Es handelt sich hier gar nicht darum, ob einige Millionen mehr oder weniger gewährt werden, sondern um ein grund— falsches Prinzip des reinsten Fiskalismus, daß Gemeinden mit größerer Einwohnerzahl und mehr als 25 Lehrern als wohlhabend, die kleineren Gemeinden mit weniger als 25 Lehrern als unvermögend anzufehen sind. Vielleicht hat der Finanz⸗Minister von den reichen Leuten in Frankfurt . M., denen er nahe stand, den Eindruck empfangen, daß die großen Städte wohlhabend, sind. In Frankfurt betragen die Schullasten nur 23 ο der Einkommensteuer; ähnlich fteht Bonn; Berlin muß schon doppelt so viel aufbringen, in anderen Städten gehen die Schullasten bis auf 260 o, der Einkommensteuer hinauf. Der Finanz⸗Minister behält das Geld in der Hand, und die Gemeinden sollen in Zukunft de— und wehmüthig um das bitten, was ihnen jetzt zusteht; und se nach der Laune schüttet der Finanz⸗Minister seine Gnade aus. Die Zuschüsse werden dadurch zu festen Renten, während die Verhältnisse, auf welche sich die Zu⸗ schüsse basieren sollen, namentlich in den Städten wechseln. Daß Haß oder Vorliebe für eine einzelne Stadt vorliegt, hat niemand angenommen; es handelt sich auch nicht um den Gegensatz zwischen Stadt und Land, denn die großen Landgemeinden in den Induftrie⸗ bezirken und die Vororte großer Städte werden auch benachtheiligt. Es ist deshalb zu verwundern, daß das Zentrum sich so kühl ver— hält, obgleich es doch auch große Industriebezirke zu vertreten hat. 9 das Zentrum im Drange der parlamentarischen Geschäfte keine eit gefunden, sich zu informieren? Wenn die Vorlage Gesetz wird, bekommt das platte Land mehr, als es an Cinkommensteuer und Vermögenssteuer bezahlt. Die Ueberweisungen von Zuschüssen an die Gemeinden für Schuljwecke hängen nicht zusammen mit der preußischen Steuerreform, fondern mit der Steuerreform im Reich; diese Zuwendungen mußten. Vorspann leisten für die Be— willigung indirekter Steuern im Reich. Herr Hobrecht könnte dar— über ja als damaliger Finanz⸗Minister Auskunft geben. Es wurde ein , . 1830 vorgelegt, in welchem die Beseitigung der unteren Klassensteuerstufen borgesehen wurde. Ich erklärte mich
damal laß des Schulgeldes, und Fürst Bismarck schlo
meiner Forderung an. h der Ursprung des Gesetzes 6 Es sollten nach dem Verwendungtzgesetz 57 Millionen Mark ver. wendet, werden für die Schule und zwar ein Zehntel zu Bedürf— nißzuschüssen, das Uebrige namentlich . Deckung der persöͤnlichen ö. der Schule; die persönlichen Kosten sollten möglichst anz auf den Staat übernommen werden. Wenn der Sine inf n zur Hälfte nach der Schülerzahl, zur Hälfte nach den wirklichen Kosten vertheilen wollte, würde die Stadt Berlin nicht 2 Millionen mehr als bisher erhalten. Die Bewilligung von 1585 und 1887 (Branntweinsteuer) brachte neue Mittel. Der Finanz⸗Minister gab damals als Abgeordneter den Ausschlag für bas Hrenn rn e n gef h Er verlangte eine weitere Entlastung der unteren Volksklassen aug diesen Ueberweisungen. Das war der Zweck des Gesetzes von 1838 Der Finanz⸗Minister will dieses Gesetz nicht tadeln; das wäre auch nicht richtig, denn niemand war begeisterter für das Gesetz als der 6 Finanz-Minister als Mitglied des Herrenhauseg. Damalz atte er auch keine Verfassungsbedenken. Und als Finanz⸗Minister selbst hat Herr Miquel Hand ,. um das fg von 1888 weiter auszubauen in dem Goßler'schen und Zedlitz schen chulgesetzentwurf. Vielleicht mag der Finanz⸗Minister nicht gern erinnert werden an
den Zedlitz'schen Schulgesetzentwurf, den er , mit eingebracht hat.
Da wurße das Gesetz erweitert, nicht abgetragen wie jetzt. Die Stellenzulagen, die Alterszulagen, die Penstonszuschüsse sollten erhöht werden und zwar gleichmäßig fuͤr Stadt und Land. Bis zum vorigen Jahre dachte niemand an einen Gesetz⸗ entwurf wie den vorliegenden. Noch im Sommer 1894 wurde von den Offiziösen versichert, daß man die Schülerzahl als Ver⸗ theilungsmaßstab für die Staatszuschüsse anwenden wolle. Der Plan dieser Vorlage scheint also der allersüngsten Zeit anzugehören. Der Finanz⸗Minister meinte, aus welchem Leder sollten denn die Riemen geschnitten werden? Er stellte es so dar, als ob der Geist des heiligen Quirinus — (Hurufe im Zentrum: Crispinus!) des heiligen Crispinus hier walten sollte. In Bezug auf die Heiligen bin ich nicht so bewandert wie das Zentrum. Bie großen Städte haben das Leder geliefert durch die höhere Einkommensteuer. Der Finanz⸗ Minister hat selbst ausgeführt, daß die Cinkommensteuer slärker heran= gejogen wird als früher. Daher sollten die Einkommensteuer⸗ pflichtigen entlastet werden seitenß der Kommunen, und dazu wurden den Kommunen die Realsteuern überwiesen. Die Städte sind dabei durchaus nicht gut gefahren; sie bejahlen 31 Millonen Mark mehr Ein- kommenstener und 19 Millionen Mark Vermögengsseuer. Vat sind schon 50 Millionen. Eingebüßt haben sie die Einnahmen aus der lex Huene. Die Gewerbesteuer ist überwiefen, aber erst nachdem sie zu Ungunsten der Städte geändert war. Zu den Kreislasten werden die Städte stärker herangezogen als früher. Dem platten Lande sind 25 Millionen Mark überwiesen; es bezahlt an Einkommensteuer neun Millionen und 12 Millionen Ergänzungssteuer mehr, alfo nur 21 Mil, lionen. Also die Steuerreform ist in außerordentlichemn Um fange dem platten Lande zu gute gekommen. Die Denkschrift über die Ausführung des Kommunalabgabengesetzes bringt freilich über das platte Land garnichts. Zugestanden wird aber in der Denk- schrift, daß auf dem platten Lande die Grundbesitzer entlastet worden sind. Bezüglich des platten Landes muß man unterscheiden zwischen den Landgemeinden und den Gutsbezirken. Die Inhaber der letzteren sind zu Schullasten nicht genügend herangezogen. Die Statistik von 1888 bis 1889 zeigt, daß die Schullasten in den Gutsbezirken 23 Millionen betrugen; sie hatten aber 8 Millionen Mark Grund⸗ steuer aufzubringen, also 3 mal so viel. Man hätte wenigstens in der Landgemeindeordnung Zweckverbände bilden sollen fur die Schulunterhaltung; aber jede Bestimmung, welche der Regierung nach dieser Richtung hin ein Zwangsrecht giebt, ist gestrichen worden' 8* Beurtheilung der Leistungsfähigkeit! gehört nicht allein die inkommensteuer, sondern auch die Et n n,, Die staat⸗ liche Einkommensteuer umfaßt doch nicht loß das städtische Einkommen, sondern auch das vom Lande, welches in den Städten nicht kommunalsteuerpflichtig ist. Dazu kommt die Ver— schiedenheit des Geldwerthes. Personen, die mit 700 bis So M0 auf dem Lande steuerfrei sind, sind als Gesellen in der Stadt schon steuerpflichtig. Der Finanz⸗Minister macht so viel Aufhebens von Ueberweisungen von 59 Millionen Realsteuern. In der Denkschrift über die Ausführung des Kommunalabgabengesetzes wird ausgeführt, daß die Ausgaben der Städte in einem einzigen Jahre sich um 30 Millionen gesteigert hätten. Was machen da vie 59 Millionen aus! Der freikonserbative Antrag hat den Vorzug vor der Vorlage, daß er die Gemeinden nicht auf die Mildthaͤtigkeit des Finanz⸗ Ministers verweist, sondern ihnen einen gesetzlichen Anspruch giebt. Der Antrag der Nationalliberalen setzt ein PNus von 2 460 009 M voraus. Die Nationalliberalen erkennen durch diesen Antrag durchaus nicht das Prinzip an. Der neue Sattler'sche Antrag verlangt aus der it g etwas weniger. Er hat aber den Vorzug, daß er leichter verständlich ist und das beseitigt, was man als das Brutalste an der Vorlage ansieht, die Entziehung einmal gewährter Staats- zuschüsse. Der Finanz⸗Minister hat finanzielle Bedenken geltend ge⸗ macht und von dem Defizit gesprochen. Wenn das Defizit wirklich vorhanden wäre, wie könnte der Finanz⸗Minister überhaupt nur die Vor⸗ lage einbringen? Woher will er das Geld dafür nehmen? Wenn der Finanz Minister die 18 Millionen für die Vorlage aufbringen kann, dann kann er auch noch eine weitere Million bringen. Herr Finanz⸗Minister, seien Sie doch so freundlich und sagen Sie uns, wie viel Ueberschüsse Sie im vorigen Jahre gemacht haben. Da ist der Reichs-Schatzsekretär ein gan; anderer Mann; er hat uns schon längst darüber Mittheilung gemacht. Das müßte doch ein ungeschickter inanz⸗Minister sein, der nicht heute schon darüber Angaben machen önnte. Auf eine Million kommt es ja dabei nicht an. Ich habe früher schon den Ueberschuß auf 36 Millionen geschätzt. Der Fingnz⸗Minister schwieg. Daraufhin haben wir im Reichstag 3 Millionen abgeknöpft. Der Finanz⸗Minister sollte das Schweigen brechen; er ist ja nicht verbunden, das Geld abzuliefern. Ich fürchte nur, er schweigt, weil die ganze Parade seiner falschen Ausstellungen durchschlagen würde. Der Finanz⸗Minister spricht von der Be ser⸗ stellung der Beamten, wo es sich beute um die Lehrer handelt; als wir beim Eisenbahn. Etat davon sprachen, schwieg er. Wenn er den Pfandbriefen den Vortritt bei der Konvertierung lassen wollte, so war das Manöver ein falsches. Denn wer wird dreiprozentige fandbriefe kaufen, wenn er vierprozentige Konsols haben kann? ie Kenvertierung mag hart für die Betroffenen sein; aber die Arbeiter müssen sich auch in veränderte Lohnkonjunkturen hineinfinden und die Landwirthe in die Verminderung der Grundrente. Jetzt muß der Finanz- Minister sich nicht 36 als Steuer“, sondern auch als wirklicher Staats⸗Minister zeigen. er Finanz⸗Minister scheint mir aber auf einen neuen Automaten für Schuldentilgung zu sinnen. Das würde eine Erhöhung des werbenden Vermögens sein im Interesse zukünftiger Geschlechter. Der Finanz. Minister will kein Anhänger der Staatsschule sein; aber dieser Gesetzentwurf führt schließlich dazu; den größeren Gemeinden wird die Selbständigkeit heschränkt, und die Mittel werden ihnen entzogen. Wie sollen die Gemeinden da noch aus eigenem Antriebe für' die Verbesserung der Volksschulen arbeiten! Die Vorlage muß zu einer Verschlechterung des Volksschulwesens führen.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Indem ich an die letzte Bemerkung anknüpfe, möchte ich den Herrn Abg. Richter fragen, ob er nicht zugeben wird, daß, je mehr der Staat die gesammten Volksschullasten auf sich nimmt, um so sicherer die Staatsschule sich ausbildet, und je mehr die Lasten der Volksschule getragen werden von den Gemeinden, um so sicherer die Selbstyerwaltung und die Gemeindeschule sich befestigen.
Was verlangt aber der Herr Abg. Richter? Noch weitere Steigerung der in einem so eminenten Maße in den letzten Jahren bereits gestiegenen Zuwendungen für die Voltsschule aus Staatsmitteln? Wenn die größeren Städte auch Vermeh⸗ rung der Selbstverwaltung in Bezug auf die Schule fordern,
ich persönlich, soweit die allgemeinen Staatgzinteressen darunter
leiden und die allgemeinen Gesichtspunkte, die bei der Schul.
nicht altunr festgehalten werden müssen, auf ihrer Seite. Aber ich lann unmöglich glauben, daß sie diese Forderung um so besser be⸗
gründen könnten, jemehr sie in Bezug auf Tragung der Schullasten abhängig sind von den Mitteln, die der Staat ihnen giebt. (Sehr richtig! rechts) Im übrigen hat der Herr Abg. Richter — ich glaube, ich gebe mit diesem Wort den Gefühlen des Hauses den richtigen Ausdruck — eigentlich gesprochen über alles und sonst noch was (sehr wahr! rechts); er hat hier Fragen in die Erörterung gebracht, die mit dem vorliegenden Gesetzentwurf in gar keinem Zusammenhang stehen. (Sehr richtig! rechts, Widerspruch links) Er hat über das Ver— hältniß des Reichs zu den Einzelstaaten gesprochen. (Lebhafte Rufe bei den Nationalliberalen: War auch sehr nothwendig) Er hat ge— sprochen über die Wirkung der Steuerreform in Stadt und Land. Lebhafte Rufe links) Er hat über die Zweckmäßigkeit der Kon⸗ vertierung, über die Zweckmäßigkeit der Schuldentilgung gesprochen. (kebhafte Zurufe bei den Nationalliberalen: Gehört alles dajuh Er hat über alle solche Fragen gesprochen, auf welche ich wenigstens nicht einzugehen gedenke. (Gachen links.) Ich will in dieser Beziehung die Geduld des Hauses icht auf die Probe stelle. (Lebhafter Widerspruch links.) Diejenigen Punkte, die hier interessieren, werde ich schon berühren, darüber können Sie ganz ruhig sein. (Heiterkeit rechts.)
Meine Herren, ich glaube nicht, daß es nöthig ist, um die hier vorliegenden Fragen richtig zu beurtheilen, zu untersuchen, ob und in velcher Weise die Wirkungen der Steuerreform mehr den Städten als dem ande zu gute gekommen sind. Wir haben es jetzt mit einem gegebenen hatsächlichen, finanziellen und wirthschaftlichen Zustande zu thun. Da lleibe ich nun dabei stehen, daß der Staat sich nicht darum zu lümmern hat, welchen Namen eine Gemeinde trägt, ob sie Stadt oder Land heißt, sondern nur darum, welchen Grad von Hilft bedärftigkeit die eine oder die andere Gemeinde hat. (Sehr richtig! rechts) Jeden anderen Gesichtspunkt lehne ich ab, und ich erkenne th an, daß der Herr Abg. Richter selbst gesagt hat: Es handelt sich nicht um den Unterschied zwischen Stadt und Land; denn, sagt er, es giebt auch Dörfer, die unter diese Beschränkung fallen, und namentlich wird das mn den Industriebezirken der Fall sein. Hier kann es sich auch unmöglich um den Gegensatz zwischen Stadt und Land handeln; höchstens könnte tz sich um den Gegensatz handeln zwischen Land und kleineren Städten tinerseits und großen Städten andererseits. Auf diese ganze Frage gehe ich aber nicht ein, — sie hat gar keine Bedeutung für mich. — Der Staat hat sich lediglich zu fragen: wie stellen sich meine Zuwendungen zu dem Fonds der Leistungsfähigkeit bejw. Leistungsunfähigkeit der schulunterhaltungepflichtigen Korpo⸗ tutionen. Da bat nun der Herr Abg. Richter kluger Weise vorgebeugt, indem er sagte: Die Einkommensteuer giebt leinen vollständig richtigen Maßstab der Leistungsfähigkeit. Das ist war richtig: ein absolut richtiges Maß der Leistungsfähigkeit giebt auch sie nicht, und namentlich was die Leistungsfähigkeit der Kommune al solche betrifft, kommen allerdings noch andere wesentliche Gesichts⸗ punkte in Betracht. Wir haben aber keinen anderen Maßstab, und wir sind doch bemüht gewesen, unsere staatliche Einkommensteuer nach Maßgabe der Leistungsfähigkeit aufzubauen. Wir wollten ein Steuer⸗ sstem haben, welches im Staat die Lasten vertheilt nur nach der keistungs fähigkeit. Wenn wir also überhaupt einen Maßstab suchen, knnen wir doch nur die Einkommensteuer zu Grunde legen.
Nun hat der Herr Abg. Richter die Zahlen im Ganzen ziemlich richtig wiedergegeben — ich will sie aber noch etwas vervollständigen, nament⸗ lic die Zahlen, aus welchen sich in dieser Beziehung das Verhältniß wischen Stadt und Land ergiebt. Nach der Statistik vom Jahre 1891 — wir haben ja noch keine neuere — betragen die Gesammtkosten des Vollsschulwesens aus Mitteln der Gemeinden und Sozie⸗ täten in den Städten 49 Millionen — ich will nur runde Zahlen sennen — und auf dem Lande 34 Millionen. Die Zahl der Ein— wohner betrug in den Städten 11786 000, auf dem Lande 18169000. Danach entfällt auf jeden Einwohner eine Belastung mit Volks schul⸗ ibzaben in den Städten von 4,17 M, auf dem Lande von 1,92 A0
Wie verhalten sich nun diese Beträge zur Einkommensteuer? Für nns Jahr 1896/96 entfielen auf den Kopf der Bevölkerung an Ein⸗ bmmensteuer, sogar ohne Berücksichtigung der Steuer der icht physischen Personen, welche bekanntlich in den Städten weit stößer ist wie auf dem Lande, in den Städten 6, 94 , auf dem bende 1,64 M (Hört! hörth
Zur Deckung der Volksschullasten muß daher jeder Einwohner kblen von 1 Einkommensteuer: a. in den Städten 0,60 St, b. auf lem Lande 1,0 M (Hört! hört) Hier liegt die Berechtigung und lie Nohthwendigkeit für den Staat, allerdings die Zuschüsse für die Tagung der Volksschullasten auf dem Lande stärker ausfallen zu lassen iz in den Städten. (Sehr richtig Darüber kann gar kein Zweifel sen, meine Herren.
Dann operiert der Herr Abg. Richter mit einem Schlagwort, nelches ich jetzt schon mehr und mehr auch durch die Presse laufen be: das Land hätte sich doch garnicht zu beklagen; denn in dem iihten Theil der Landbezirke betrage die Leistung des Staats für l Volksschullasten mehr als die ganze Einkommensteuer. Man nn sogar weiter gehen: Es giebt sehr viele Landbezirke, für welche ke Staat an unmittelbaren Verwendungen überhaupt mehr leistet, iz sie aufbringen. Aber es giebt auch eine große Anzahl Städte, wo genau so ist. Woher kommt das? Wie kann man sich das er⸗ lliten? Einfach dadurch, daß drei Viertel aller unserer Staats lasten ungebracht werden überhaupt nicht durch Steuern, sondern durch die hetriebsüberschüsse. Wir sind in der glücklichen Lage, meine Herren, unt das leisten zu können; wir haben ein solches bedeutendes Staats“ bermögen und so erhebliche Einkünfte darauß. Aber man kann doch heher von einem städtischen Einwohner, noch von einem Einwohner . platten Landes mehr verlangen, als er leisten kann. Wenn er sne Einkommensteuer bejahlt unter richtiger Schätzung seines Ein⸗ umnens — und das wird auf dem Lande doch cbenfo ut stattfindan nie in den Städten — so hat er doch auch seine Schuldigkeit ge⸗
an, in der Stadt und auf dem Lande. Wir können nur bedauern, ne Herren, daß das Einkommen auf den Kopf der Bevölkerung 6 Lande an Einkommensteuer ein so geringes ist. (Sehr in. gh Wir können aber daraus dem Lande keinen Vorwurf machen z nicht einen Anspruch daraus hernehmen, daß nun die Städte auf osten dieses selben Landes bevorzugt werden sollen. iz eine Herren, das ist für mich eben der Punkt, über welchen mich mit Herrn Richter nie verständigen werde. Er rechnet uns
immer vor: die Städte bringen doch in der Einkomm euer de Staat die großen Beträge. Nein, meine Herren, die . ö die großen Beträge nicht, sondern die reichen Leute, die in den Städten wohnen. (Sehr richtig! rechts. Heiterkeit links.) Für den Staat ist der Steuerpflichtige überall derselbe, ob er in den Städten oder ob er auf dem Lande wohnt. Im Gegentheil, aus dieser stärkeren Leistung der Gesammtheit der Ein- wohner der Städte in der Einkommensteuer geht ja hervor, wie viel günstiger auch in kommunaler Beziehung die Städte gestellt sind als das Land. Wenn hier also diese Art Rechnung gemacht wird, die ja schließlich dahin führen würde, daß man den Städten das wiedergeben müßte was sie bringen, sodaß der Staat sich auflöste in Gemeinden, so kann ich darauf auch nicht das geringste Gewicht legen. Der Herr Abgeordnete führt nun aus, daß das Gesetz von 1888 wesentlich die Folge des Brannt⸗ weinsteuergesetzes von 1887 sei, daß man habe die unbemittelten Klassen in dieser Beziehung wesentlich soulagieren wollen für die Mehrleistungen die sie durch das Branntwein gesetz und die Besteuerung des Branntweins übernommen hätten. Nun, wer zahlt denn heute in den Städten — wir können doch nur mit heutigen Gesichtspunkten rechnen — die Schullasten vorzugsweise? Thun das die allerunbemitteltsten Leute? Sie zahlen kein Schulgeld, vielfach überhaupt gar keine Einkommensteuer; die Hauptlasten tragen also gerade die reichen Leute. (Zuruf des Abg. Richter: Schulgeld ) Das Schulgeld bestand in den ganzen Provinzen und einer Anzahl großer Städte damals schon nicht mehr. (Zuruf des Abg. Richter: 12 Millionen ) Die Aufhebung des Schulgelds ist ja über haupt nichts als eine Lastenumlegung; man nahm berechtigterweise das auf die Steuer, was man bis dahin denjenigen auferlegte, die die Schule besuchten. ;
Der Herr Abgeordnete sagte, ich sei ein begeisterter Anhänger des Gesetzes von 1888 gewesen. Nun, meine Herren, ich habe schon hervorgehoben, daß damals eine andere Form der Erleich⸗ terung der Kommunen nicht existierte, zu welcher der preußische Staat geradezu durch die Reichsgesetzgebung verpflichtet war. Daß man damals also diese Art Hingabe an die Gemeinden mit Freuden begrüßte, lag auf der Hand. Heute — ich habe das immer wieder zu betonen — liegt die Sache ganz anders; heute haben wir eine andere und bessere Form — nicht bloß in der Theorie, sondern sie ist auch in die Praxis übersetzt — der Unterstützung der Kom— munen. Daher war es natärlich, daß man das frühere Gesetz revidierte.
Meine Herren, der Herr Abgeordnete, um noch weiter hervor⸗ zuheben, wie schlimm es durch die Steuerreform den Städten ergangen sei, weist darauf hin, daß die Kreise jetzt viel mehr Steuern zu er= heben genöthigt seien, nachdem die lex Huene aufgehoben ist. Bezieht sich denn das auf diese 69 Städte, um die es sich hier handelt? Das sind ja kreiefreie Städte, für sie kann diese Sache doch keinerlei Bedeutung haben; das würde höchstens für die kreisein— gesessenen Städte in Betracht lommen, die werden aber gerade besser gestellt durch das vorliegende Gesetz. Was sollen also solche Gründe bedeuten?
Meine Herren, der Herr Abgeordnete sagt nun weiter, im Jahre 1892 bei Vorlage des Volksschulgesetzes des Herrn Grafen von Zedlitz habe man dieses Gesetz von 1888 weiter entwickelt, anstatt daß man versucht hätte, es zu ändern. Auch in dieser Beziehung irrt er sich. Wenn er nur den § 184 des damaligen Volksschulgesetzes ansieht, so wird er finden, daß damals in derselben Richtung vor⸗ gegangen ist wie heute. Indem man nämlich den Zuschuß für den Ersten und Zweiten Lehrer höher stellte als für alle weiteren Lehrer, ver⸗ folgte man genau dieselbe Richtung, die kleineren Gemeinden besser zu stellen als die großen Gemeinden. Das war ganz dieselbe Tendenz.
Der Herr Abg. Richter kommt dann auf den Etat und meine Bemerkungen zu der allgemeinen Finanzlage. Er verlangt zunächst von mir, ich möge doch sagen, wieviel Ueberschüsse wohl das eben abgeschlossene Etatsjahr bringen würde. Der Herr Abgeordnete hat sich in der Presse seit langer Zeit bemüht, von mir zu erlangen, daß ähnlich wie im Reich der Finalabschluß sofort publiziert werden möchte. Ich habe das immer abgelehnt, bin der alten preußischen Tradition in dieser Beziehung treu geblieben und werde ihr auch in Zukunft treu bleiben, und zwar einfach, weil aus dem unerläͤuterten Finalabschluß die allergrößten Irrthümer entstehen können bei Leuten, die die Finanzen nicht verstehen (Heiterkeit rechts), dagegen ein großes Material gegeben wird, beliebige Schlüsse aus einem solchen Finalabschluß zu ziehen, für solche Leute, die es besser wissen können. (Sehr richtig! rechts.) Im Reich kann heute schon viel sicherer übersehen werden, wie der Abschluß sich stellen wird im abgelaufenen Etatsjahr, als in Preußen. Wir haben die Finalabschlüsse aus der Bergwerks verwaltung, der Forstverwaltung der Domänenverwaltung, ebenso der Eisenbahn⸗ verwaltung noch nicht. Wir kennen zwar die Mehreinnahmen der letzteren zum theil, aber die Mehrausgaben baben wir überhaupt noch nicht. Es würde vollständig vermessen sein, heute irgend welche be⸗ stimmte Zahlen zu nennen. Aber das will ich dem Herrn Abgeordneten gern zugeben, daß der Ueberschuß in diesem Jahre reichlicher ift, wie er bei der Vorlegung des Etats erwartet wurde. (Heiterkeit links.) Aber wenn die Zahlen, die der Herr Abg. Richter genannt hat, bei denen er auf etwa 25 Millionen Mark Ueberschuß kommt, richtig wären, dann würde er doch erwägen müssen, welche Mehrausgaben in dem jetzt festgestellten Etat stecken. Aber der Herr Abg. Richter sieht, wenn es ihm gefällig ist, nur die Einnahmen und läßt die Ausgaben an sich ohne Berücksichtigung vorbeipassieren.
Wir haben in diesem Etat die Ueberschüsse der Eisenbahnver⸗ waltung um 28 Millionen Mark gegen den eben abgeschlossenen Etat erhöht, und dennoch sind wir auf ein Defizit von 15 Millionen Mark gekommen. Woraus erklärt sich das? Einfach da—⸗ durch, daß entsprechend die Ausgaben gestiegen sind, nicht bloß das Ordinarium, sondern vorzugsweise das Extraordi⸗ narium, was doch nicht willkürlich ist, sondern hier im Hause mit der größten Freude begrüßt wurde als eine zweckmäßige, ja nothwendige Maßregel. Glaubt der Abg. Richter, daß im nächst⸗ folgenden Jahre die regelmäßigen Ausgaben, selbst wenn wir nicht solche Gesetze votieren wie die vorliegenden, nicht wie die ganzen Jahre vorher um durchschnittlich 6 Millionen Mark steigen werden? Glaubt der Abg. Richter, daß wir nicht noch lange Jahre genöthigt sein werden, das Extraordinarium so hoch zu halten, wie es in diesem Etat veranschlagt ist? Im Gegentheil, es wäre
sehr erwünscht, es noch viel mehr zu erhöhen, als das bereits in diesem
tet geschehen ist. a, dann bekommt die Sache ein ganm . Wir wollen uns bei der nächsten Etatsaufstellung prechen. ; .
dauert, daß er das nicht als Abgeordneter bewahrheitet und in dieser Beziehung uns die Wege gejeigt hat. Ich fordere ihn auf, beim nächsten Etat anders zu verfahren und hier mit uns zu diskutieren, ob der Etat richtig aufgestellt ist oder nicht.
Der Herr Abg. Richter hat sich in Beziehung auf die Lage unserer Finanzen doch schon sehr häufig getãuscht. (Heiter keit rechts.) Ich erinnere diejenigen Mitglieder, die damals schon im Hause waren, daran: als wir die Steuerreform begannen — das war im Jahre 1890 —, schlossen wir allerdings noch mit einem Ueberschuß ab; wer aber die Verhältnisse übersehen konnte, mußte sehen, daß wir direkt vor dem Beginn der Deftzitwirthschaft standen. Und um diese Zeit perlangte Herr Abg. Richter, man sollte einfach die Gewerbesteuer streichen; denn bei einer so glänzenden Finanzlage brauche man eine so erbärmliche Steuer nicht erst zu reformieren. (Heiter⸗ keit rechts) Er brachte hier Anträge ein, die das Aufkommen der Einkommensteuer um etwa 16 Millionen Mark verringert hätten, — und im folgenden Jahre steckten wir im Defizit und blieben vier Jahre darin stecken. Ich könnte Sie erinnern — eg hat ja keine große Bedeutung und man kann einem Menschen keinen Vorwurf daraus machen, wenn er bei diesen verwickelten schwierigen Finanz- verhältnissen, wie wir sie namentlich auch dem Reiche gegenüber haben, sich in den Schätzungen irrt — ich könnte hier hinweisen auf seine Darlegungen über die Reichsfinanzen, als es sich um die Ver⸗ mehrung der Ausgaben handelte, auf die ganz irrigen Darlegungen, welche damals in der Kommission dem Herrn Staats sekretãr Freiherrn von Maltzahn gegenüber gemacht wurden. Ich glaube daher, bei meiner Ansicht, daß wir alle Veranlassung haben, sehr vorsichtig mit der Steigerung dauernder Ausgaben zu sein, stehen bleiben zu müssen. Dieselben Reden von einem unendlichen Reichthum, von einem Ueberfluß an Geld haben wir auch Ende der 80er Jahre ge⸗ habt, — und wie schnell wurde aus diesem Loblied ein Klagelied! Aber wodurch namentlich wurde dies Loblied so bald ein Klagelied? Weil man sich durch solche Anschauungen, wie der Herr Abg. Richter sie vertritt, verführen ließ, auf schwankenden und unsicheren Ein⸗ nahmen große dauernde Ausgaben zu basieren. (Sehr richtig! rechts.) Dadurch ist die Verlegenheit und Schwierigkeit unserer Finanzen ent⸗ standen, und ich habe immer gehofft, daß die unmittelbar hinter uns liegende Erfahrung, die das ganze Haus noch erlebt hat, uns davor sichern würde, daß wir nicht wieder in denselben Fehler verfallen. Ob ich als Finanz⸗Minister diesem Ansturm unzweifelhafter Bedurf⸗ nisse und unberechtigter Forderungen allein Widerstand werde leisten können, wie er im Interesse der dauernden Gesundung der preußischen Finanzen nothwendig wäre, das weiß ich nicht; bisweilen verzweifle ich daran. Dessen bin ich aber sicher, daß ein solcher Widerstand unmöglich ist, wenn die Mehrheit des Hauses eine der⸗ artige Finanzpolitik nicht billigt.
Meine Herren, ich habe durchaus nicht behauptet, wie der Herr Abg. Richter es so scheinen lassen will, daß dies Defizit, wie es ver⸗ anschlagt ist, von 15 Millionen Mark auch wirklich eintreten müsse. Ich habe sogar mit dürren Worten das Gegentheil gesagt; ich habe gesagt: bleibt der jetzige Zustand in Handel und Industrie bestehen, dann nehme ich auch an, daß das Defizit verschwinden wird. Aber ich habe hinzugefügt, wenn das der Fall wäre, dann haben wir doch immer nur eine Balance. Aus dem vorigen Jahre können Sie in dieser Beziehung keine Schlüsse ziehen auf das künftige, weil die Eisenbahnvermaltung allein 28 Millionen Mark mehr aufbringen muß, um nur ihren Etat zu erfüllen gegen den Etat des abgelaufenen Jahres. Ich wage wenigstens nicht, mit einiger Sicherheit zu behaupten, daß wir das jetzt begonnene Ctatsjahr auch mit erheblichen Ueberschüssen nach Deckung des veran⸗ schlagten Defizits abschließen werden. Jedenfalls würden diese Meber— schüsse aber nicht auf dauernden und sicheren Einnahmen beruhen, während wir aber dauernde und sichere Ausgaben kreieren.
Meine Herren, ich gehe aber noch weiter. Ich bin mit dem Abg. Richter darin einverstanden, daß, wenn man fünf Millionen giebt, es am Ende keinen großen Unterschied macht, ob man deren sechs giebt. Aber irgendwo muß doch eine Grenze sein. Dann kann man 5. mit 10 Millionen vergleichen und sagen: nach unserem Etat ist eine solche Differenz auch ohne Bedeutung. Wenn wir eine Einrichtung hätten, die wir vielleicht mal in Zukunft be⸗ kommen werden, falls unsere Finanzen planmäßig dauernd behandelt werden, und man nicht von der Hand in den Mund, von augenblick lichen Stimmungen lebt, daß nämlich jede erhebliche Mehrausgabe über die Einnahme hinaus nicht einfach durch Anleihe, sondern durch Zuschläge zu den direkten Steuern gedeckt würde, dann bin ich über⸗ zeugt, würde der Abg. Richter eine ganz andere Anschauung von der Sache haben. Darin liegt der eigentliche Kernpunkt dauernder Sparsamkeit. Das haben wir nicht, und deswegen müssen wir aller⸗ dings greifen zu anderen Einrichtungen, die das einigermaßen ersetzen. Der Herr Abg. Richter spricht immer von Automaten, die ich erfinde. Nein, ich will nur organische Ordnung, gesetzliche, feste Grund= lagen, die stärker sind wie die augenblicklichen Stimmungen, Wünsche und Forderungen der Regierung, der Ressorts und des Volks bezw. des Abgeordnetenhausezs. Wenn man eine dauernde Sicherung unseres preußischen Finanzwesens haben will, so muß man solche gesetzliche Grundlage legen nicht bloß in Preußen, sondern viel mehr noch im Verhältniß der Einzelstaaten zum Reich. Gewiß, diejenigen, die ihre alleinige Aufgabe darin erblicken, eine gewisse finanzielle Souveränität der Vertretungskõrper zu etablieren, beschließen zu können in irgend einer Budgetkommission, wie es einem gerade augenblicklich gefällig ist, ohne auf gesetzliche Schranken zu stoßen — die gewiß, meine Herren, werden solche gesetz⸗ lichen Ordnungen Automaten nennen. (Sehr richtig! und Bravo! rechts) Aber diejenigen, die das dauernde Gesammtwohl des Staats höher stellen als solche Gesichtspunkte, die werden schließlich mit mir sich überzeugen, daß die dauernde Gesundung unserer Finanzen von solchen festen Ordnungen abhängt.
Meine Herren, aus ähnlichen Gesichtspunkten ist leider die obligatorische Schuldentilgung in Preußen aufgegeben. Es war gewiß vollkommen richtig, wenn man sagte: warum sollen wir Schulden tilgen, wenn wir so oft genöthigt sind, wieder neue zu machen. Vom
Banquierstandpunkt aus vollkommen zutreffend, aber nicht vom Stand⸗
Diesmal hatte der Abg. Richter in der Freisinnigen Zeitung — doch wohl von ihm ausgehend — gesagt, es wäre eine Kleinigkeit, das Defizit von 15 Millionen Mark wegzubringen. Ich habe sehr be⸗
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