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bewußtsein des Volks wird auf das schwerste erschüttert, wenn es der⸗ 6 Ausnahmebestimmungen zu Gunsten bevorzugter Klassen be⸗ merkt. Ich glaube, daß in den gebildeten Ständen keine Vorliebe mehr besleht für ein sogenanntes Gottesgericht, daß man es als Befreiung von einem Alpdruck begrüßen würde, wenn das Duell be⸗ seitigt würde. Der . sollle sich an die höchste Stelle wenden und eine Aenderung dieser Dinge verlangen. . .
Abg. Schall (Bkons. )? Ich darf nicht nur in meinem eigenen Namen, sondern auch im Namen der überwiegenden Mehrjahl meiner Fraktionsgenossen autssprechen, daß wir vollständig auf dem Stand unkt des Herrn Interpellanten stehen. Mir als evangelischem Heist. ichen ist es leicht gemacht, mich zu dem christlichen Standpunkt des
errn Bachem zu bekennen. Ich habe das schon bei früheren Ge⸗ genheiken klar und unzweideutig ausgesprochen. Daß das Duell gegenüber den Geboten des Christenthums nicht bestehen kann, ist unzweifelhaft. Das Duell ist nicht nur im alttestamentlichen Gebote untersagt, sondern Christus verdammt schon den Zornesgedanken. Ich möchte jenen sehen, der sich über die Höhe dieses sittlichen Standpunktes noch erheben kann. Freilich, Sie (zu den Sozial⸗ demokraten) halten das Christenthum für einen überwundenen Standpunkt. Wir verstehen das Gebot des Christenthums dahin; Liebet eure Feinde, segnet, die euch fluchen, it den Gesetzen des Christenthums verträgt sich das Duell nicht. Es ist aber auch klar: unter den Gütern, welche jedem Mann am höchsten stehen, ist die Ehre das höchste Gut, welches höher stehen muß als irdische Gäter. Nichtswürdig ist nicht bloß die Nation, sondern auch der Mann, der nicht sein Alles setzt an seine Ehre, der nicht auch dafür sein Leben opfert. Aber wenn seine eigene oder die Ehre seiner Frau und Kinder auf das tiefste verletzt wird, ohne daß die Gesetze ihm die Möglichkeit der Wiederherstellung seiner Ehre geben, so entsteht ein Konflikt zwischen dem Christenthum und dem natürlichen Bewußt sein. In diesem Konflikt hat er zu wählen. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß ich hier als Christ zu wählen habe. Leider stehen nicht alle auf diesem Standpunkt, leider giebt es ein Standes vorurthell, welches die Ehre über Alles stellt. Das bedaure ich, das muß überwunden werden. Es darf ein Mann nicht in solche Kon— flikte ohne seine Schuld, hineinkommen. Dazu giebt es zwei Aus—= wege: Stärkung des chriftlichen Bewußtseins und der christlichen Ein⸗ richtungen; die evangelische Kirche muß ihre Stimme erheben gegen die Duelle, und sie muß kirchliche Zuchtmittel gegen die Duellanten ergreifen. Aber auch durch gesetzliche Maßregeln muß das Duell aut geschlossen werden. Da stehe ich auf dem Standpunkt des Herrn Bachem. Die Ehrengerichte sollten den Beleidigten Sühne schaffen, und sie sollten die leichtsinnigen Beleidigungen, das Duell, verbieten. Dazu gehört aber eine Verschärfung der Beleidigungsparagraphen des ma , . . bg. Bebel (Soz.): Der Vorredner hat sich für die Zulassung des Duells in gewissen Fällen ausgesprochen; so ist seine frühere Auslassung auch von dem Abg. Lieber verstanden worden. Als ehe— maliger Militär ⸗Geistlicher hat der Vorredner noch nicht mit den Standesvorurtheilen gebrochen und verurtheilt das Duell nicht ohne weiteres vom Standpunkt der christlichen Moral aus. Er hat heute vom natürlichen Gefühlsstandpunkt gesprochen. Ich dachte, für die Christen ist der christliche Standpunkt auch der natürliche. Wir stehen auf dem Standpunkt des Naturrechts, und dieses Naturrecht verbietet das Duell. Heute bricht sich eine große Entrüstung Bahn, die bei einer früheren Erörterung nicht zu bemerken war. Wenn die Herren von den sogenannten höheren Klassen sich gegenseitig niederknallen, so haben wir wenig dagegen einzuwenden. Sie besorgen dann das Vernichtungsgeschäft selbst. Satisfaktionsfähige . iebt es überhaupt nur 5 o /g der, Bevölkerung. Die allgemeine Cen ien über diese Vorfälle ist weniger aus Mitleid gegen die Hibei als vielmehr daher, daß, ent⸗ gepredigten religiösen Grund⸗ ätzen, diejenigen, welche mit gutem Beispiele voran gehen sollten, welche auf den großen Haufen mit souveräner Verachtung herabsehen, gegen die Religion, Sitte und Ordnung verstoßen. Es wird unblllig empfunden, daß für diese Klasse ein Privilegium besteht für Dinge, welche bei anderen Gesell⸗ schaftsklassen mit Zuchthaus bestraft werden; denn was ist das Duell anders als Rauferei oder Todtschlag. Die unteren Klassen haben dabei die Entschuldigung ihrer mangelnden Bildung für sich. Die Duelle entstehen 2. aus Streitigkeiten nicht über wichtige Fragen des öffentlichen Lebens, sondern über die nichtigsten Dinge, über Dinge, die bei Arbeitern als Rohheit betrachtet werden. Redner weist auf verschiedene Duelle der letzten Jahre hin: Seidensticker in Königsberg, Lindemann in Bautzen, Zenker -Ketelhodt. In den meisten Fällen n hen das sog. Gottesgericht, welches barbarischen Ursprungs ist, zu Gunsten des Schuldigen. Früher hat das gesammte Bürger⸗ thum das Duell verworfen, aber im Laufe weniger Jahrzehnte ken wir dahin gekommen, daß in bürgerlichen Kreisen das Duell ebenso sportmäßig betrieben wird wie beim Adel. Wie können die alten Herren hier im Hause gegen das Duell auf⸗ treten, wenn sie vielleicht selbst einige Söhne haben, die als Reserve— Lieutenants dem Duellzwang unterworfen sind! Das Duell hat nicht, wie Herr von Bennigsen in der bereits von Herrn Rickert zitierten Rede behauptet hat, abgenommen, sondern zugenommen, und zwar erade in den sogenannten gebildeten Klassen, in denen das Vorurtheil kef , entgegen dem Gesetz. Ein solches Vorurtheil muß bekämpft werden. Uns gegenüber würde man ein solches Vorurtheil nicht gelten lassen; uns gegenüber hätte man längst das Strasfgesetzbuch verschärft. Das Bedauern der Erklärung über die Zunahme der Duelle steht in Widerspruch damit, daß jeder Duellant sicher darauf rechnen kann, begnadigt zu werden. Das ist geradezu eine Provokation zum Duell. Wie kann man da auf Venn g hoffen. Daß die Richter milde über Duelle urtheilen, ist selbstverständlich, da die Richter selbst vielfach Reserve⸗Lieutenants sind. Die Polizei hat nicht vollauf ihre Pflicht gethan. Das „Kleine Journal“ sagte das Duell voraus. Die Sozialdemokraten wurden während der Dauer des Sozialistengesetzes auf Schritt und Tritt beobachtet, auf Reisen wußte man, wann sie eintreffen würden. Warum die Aufmerksamkeit nicht in diesem Falle? Wenn Herr Bachem seinen Antrag ein— bringt, daß Duellanten nicht mehr Mitglieder des Parlaments sein dürfen, dann bitte ich den Antrag dahin zu er⸗ weitern, daß diejenigen, welche das Duell billigen, auch nicht zum Reichstage gehören dürfen; denn gerade die Herren, welche in den Aemtern sitzen, sind die Anhänger des Duells. Alle Klagen über den Duellunfug haben hier keinen Resonanzboden gefunden; es mußten erst solche Ausschreitungen kommen, ehe man den Dingen Aufmerk⸗ samkeit schenkte. Graf Roon hat hier das Duell entschuldigt und vertheidigt; hätte ein Katholik so gesprochen wie er, so hätte ein Kulturkämpfer diese Ausführungen als Jesuitenmoral getadelt. Wenn man sich weiter so über Moral und Gesetz hinwegsetzt, dann haben wir davon den Vortheil.
Darauf wird um 5'4 Uhr die weitere Berathung bis Dienstag 1 Uhr vertagt. Auf Antrag des Abg. Rickert wird der Antrag der Freisinnigen wegen des Duells auf die
Tagesordnung gestellt.
ligten entstanden,
. den von oben her
Prenszischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 55. Sitzung vom 20. April 1896.
Auf der Tagesordnung steht die erste Berathung der Kreditvorlage wegen des Baues von Sekundärb 37 en und der Errichtung von landwirthschaftlichen Getreidelagerhäusern. Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen: Meine Herren! Gestatten Sie mir, daß ich die diesjährige Vor⸗ lage, betreffend die Erweiterung und Ergänzung der Staatseisenbahnen,
Errichtung von Kornhäusern, wie in den Vorjahren mit einigen ein leitenden Worten begleite.
Meine Herren, der vorliegende Gesetzentwurf kann ebenso wenig, wie seine Vorgänger, den Anspruch erheben, die noch vorhandenen Lücken im Staatseisenbahnnetz vollständig auszufüllen, es wird dazu noch mancher Kilometer gebaut und wohl noch manche Million ausgegeben oder vielmehr, richtiger ausgedrückt, produktiv angelegt werden müssen. Aber der gegenwärtige Augenblick ist doch insofern ein anderer als in den Vorjahren, als man wohl an⸗ nehmen darf, daß in absehbarer Zeit die Maschen des Netzes der Staatzeisenbahn so dicht gezogen sein werden, daß ein staatsseitiger Aus bau von Bahnen nur noch in erheblich beschränkterem Umfang stattfinden wird, und abgesehen von militärischen Erwägungen wohl hauptsächlich nur noch zu dem Zweck, zu schwer belastete Linien zu entlasten und neuerdings in Entwickelung begriffene Produktionsgebiete an das Staatseisenbahnnetz anzuschließen, daß aber andererseits der Ausbau der Lokal, und Kleinbahnen den kommunalen Verbänden oder den Privatunternehmungen oder, wie das neuerdings ja mit Erfolg ge— schehen ist, dem Zusammenwirken beider Faktoren überlassen werden kann.
Meine Herren, wenn auch, wie gesagt, der Zeitpunkt noch nicht unmittelbar bevorsteht, wo man sagen kann, das Staatseisenbahnnetz ist nun im wesentlichen in seinen Hauptlinien und auch in seinen bedeutenderen Nebenlinien ausgebaut, so ist doch nicht zu ver⸗ kennen, daß wir uns z. 3. in einer gewissen Uebergangsperiode befinden, in dem Uebergang vom reinen Staatsbahnsystem in ein gemischtes System, zwar nicht in dem Sinn dieses Wortes, der vor etwa 20 Jahren gang und gäbe war, wo Staatsbahnen und eben⸗ bürtige Privatbahnen nebeneinander und im Gemenge miteinander die großen Verkehrslinien bedienten, sondern in dem Sinn, daß neben dem großen, dem allgemeinen Verkehr dienenden Staatsbahnen ein aus— gedehntes, reich verästeltes Netz von Lokal⸗ und Nebenbahnen den Segen billiger und rascher Beförderung von Menschen und Güter über das ganze Land verbreitet. Meine Herren, auch dann wird ja, wie ich vorhin mir schon erlaubte anzuführen, ein völliger Abschluß des Staatseisenbahnausbaues nicht eintreten; einen solchen oder auch nur einen vorübergehenden Still—⸗ stand des staatsseitigen Eisenbahnbaues nehme ich überhaupt nur dann an, wenn — was ich allerdings nicht erwarte — jemals das Staats⸗ eisenbahnsystem sollte verlassen werden, beziehungsweise wenn, was Gott verhüten möge, eine schwere, politische oder wirthschaftliche Krisis sich lähmend auf das Land legen sollte. Der Beginn oder doch wenigstens die raschere Entwickelung dieser Uebergangsperiode ist auf den Erlaß des Kleinbahngesetzes zurückzuführen. Mit dem Erlaß des Klein—⸗ bahngesetzes sind wir in eine ganz andere Aera eingetreten, der Rechnung getragen werden muß. Wie segensreich deis Gesetz vom Juni 1892 gewirkt hat, davon werden die Herren sich überzeugt haben aus den Vorlagen, die dem Landtage der Menarchie zugegangen sind. Es sind in den kurzen Jahren von Mitte 1892 bis zum 1. Oktober 1895, von denen das erste Jahr, welches sich hauptsächlich mit der Fundamentierung des Ausbaues der Kleinbahnen beschäftigen mußte, 83 Kleinbahnen konzessioniert und davon weit über die Hälfte bereits fertig gestellt; der kleinere Theil geht seiner Fertigstellung baldigst entgegen. Es liegen aber zur Zeit noch weitere 185 Genehmigungsanträge vor, deren Erledigung demnächst zu erhoffen ist. Charakteristisch dabei ist, daß unter diesen 185 Kleinbahn⸗Anträgen sich nur 18 auf den Ausbau von Straßen⸗ bahnen in Städten, nur zwei auf industrielle Anlagen beziehen, da⸗ gegen der Rest von 165 Anträgen sich mit der Entwickelung des länd—⸗ lichen Eisenbahnnetzes befaßt.
Meine Herren, es geht daraus hervor, wie das Gesetz gerade für das Land vortheilhaft gewirkt hat, und welche hoffungsvollen Aus— sichten auf die Zukunft sich eröffnen mit der Weiterentwickelung des Kleinbahn, mit der wachsenden Erfahrung und Erkenntniß der unter den gegebenen Verkehrsverhältnissen zweckmäßigsten Formen für den Bau und Betrieb, mit der zunehmenden Anpassung und Ver⸗ ständigung zwischen Staatsbahnen und Kleinbahnen.
Der durch das Kleinbahngesetz gegebenen Lage und der Aufgabe, die aus der gegenwärtigen Uebergangsperiode erwächst, entspricht es auch nach unserer Ansicht durchaus, daß die Staatsregierung in der Konzessionierung von Privatbahnen in der letzten Zeit liberaler ver— fahren ist als in den früheren Jahren. Es sind eine ganze Reihe von Privatbahnen in den letzten Jahren konzessioniert worden.
Es entspricht aber ebenso durchaus der gegebenen Lage, wenn in der Einleitung zur Begründung des gegenwärtigen Gesetzes als Grund⸗ lage für die Aufstellung desselben wie der zukünftigen bezüglichen Vor⸗ lagen ein Satz aufgestellt worden ist, den ich mir um seiner Bedeu—⸗ tung willen gestatten möchte, mit Erlaubniß des Herrn Präsidenten wörtlich anzuführen:
Wenn die von dem Kleinbahngesetz erhofften Vortheile in vollem Umfang eintreten sollen, wird es nothwendig sein, den weiteren Ausbau des staatlichen Nebenbahnnetzes möglichst mit der Herstellung von zweckmäßigen Kleinbahnen Hand in Hand gehen zu lassen, da einerseits Kleinbahnen ohne geeigneten Anschluß an die Haupt⸗ oder Nebenbahnen ihren Zweck nicht erfüllen, andererseits in vielen Fällen die in Frage kommenden neuen Nebenbahnen die für ihre Herstellung und ihren Betrieb erforderlichen Aufwendungen nicht rechtfertigen würden, wenn nicht eine gleichzeitige Auf— schließung der angrenzenden Gebiete durch Kleinbahnen gesichert ist. Bei der hervorragenden Bedeutung, die eine rasche und kräftige Entwicklung des Kleinbahnwesens für die verschiedensten gewerb⸗ lichen Interessen, insbesondere aber für die gesammte Landwirth⸗ schaft hat, wird der Staat seine Fürsorge diesem Theil des Ver⸗ kehrswesens auch dadurch zuzuwenden haben, daß er zunächst für die Herstellung derjenigen Eisenbahnlinien sorgt — sei es, daß er selbst als Bauunternehmer auftritt, sei es, daß er das Zustande⸗ kommen von Privateisenbahnen zuläßt und nöthigenfalls durch eine angemessene Betheiligung sichert, — von denen zugleich eine wirksame Förderung des Kleinbahnbaues zu erwarten ist.
Meine Herren, der vorliegende Gesetzentwurf dürfte ferner den Beweis liefern, daß die Staatsregierung in diesem Jahre bemüht gewesen ist, nach Kräften den Ausbau des Staatebahnnetzes in dem angedeuteten Sinne zu fördern. Es liegt mir eine Nachweisung vor, die das recht deutlich zum Ausdruck bringt.
In den Jahren 1880 bis 1896 einschließlich des vorliegenden Gesetz⸗ entwurfs sind vom Landtag zum Ausbau von 8555 km Eisenbahnen S890 Millionen Mark bewilligt worden; davon sind bereits eröffnet
Zeitraums giebt es nur 2 Jahre, in denen die Vorlage eine größere Zahl von Kilometern umfaßt; das ist das Jahr 1884 mit 759 km und das Jahr 1890 mit 906. Dagegen sind in 3 Jahren größere Geldbeträge bewilligt worden: 1884 70 Millionen, 1888 79 Millionen und 1890 117 Millionen; das vierte Jahr ist das gegenwärtige mit 665 km für 57 Millionen Mark.
Ich möchte aus dieser Nachweisung noch mittheilen, und damit komme ich auf den zweiten Punkt der Vorlage, daß in früheren Jahren die Staatsbetheiligung beim Bau von Privatbahnen häufig recht er— hebliche Dimensionen angenommen hat. Es sind Jahre vorhanden, in denen 3 Millionen und über 3 Millionen zu diesem Zwecke be willigt worden sind. Dann kommt seit 1888 eine lange Pause, die nur 1394 noch einmal mit 43 000 4Æ unterbrochen wird, um dann in dem vorliegenden Entwurf wieder einen Betrag von 818 000 vorzuschlagen und zu begründen.
An Privatbahnen sind konzessioniert in demselben Zeitraum 1868 km, von denen noch im Bau sind 261 km.
Es geht aus dieser Nachweisung hervor einmal, daß der Ausbau des Staatseisenbahnnetzes in den letzten 17 Jahren doch ein sehr er— heblicher ist, daß ferner daneben der Bau von Privatbahnen zwar sehr zurückgegangen ist, aber niemals vollständig aufgehört hat.
Meine Herren, 600 bis 700 km neuer Bahnen sind im allge— meinen die Grenze dessen, was mit dem für die Staatsverwaltung verfügbar zu machenden Personal in einem Jahre für die Aufnahme in die dem Landtag zu machende Vorlage an Projekten reif gemacht werden kann. Sie sind aber auch unter Anspannung aller Kräfte die äußerste Grenze dessen, was möglicherweise in einem Jahre an Bahnen ausgeführt werden kann. Ueber diese Grenze hinauszugehen, ist aus verschiedenen Gründen nicht räthlich.
Daß in diesem Jahre zum ersten Male in Erfüllung der Wünsche, die der Staatsregierung seitens dieses hohen Hauses und des Herren hauses wie auch aus dem Lande vorgetragen worden sind, den Interessenten der neuen Strecke die Wahl gelassen ist, ob sie den Grund und Boden in natura stellen, oder ob sie ein taxmäßiges Pauschquantum entrichten wollen, ist in der Begründung näher aus—⸗ geführt. Ich brauche daher wohl kaum darauf hier näher ein— zugehen; auf eine Abweichung möchte ich hingegen noch ganz besonders hindeuten, die Sie gegen die früheren Vorlagen finden. In den früheren Vorlagen ist nämlich die Ausrüstung der neuen Strecken mit Betriebsmitteln auf 20 000 M pro Kilometer veran—⸗ schlagt, während Sie in der heutigen Vorlage diese Ausrüstung nur mit 10 000 M veranschlagt finden. Es ist das geschehen in der Ab⸗ sicht, die neue Strecke zunächst nur mit denjenigen Betriebsmitteln auszurüsten, die der Verkehr innerhalb dieser Strecke selbst erfordert, dahingegen die Vermehrung der Betriebsmittel auf den älteren Strecken, die durch den Zuwachs des Verkehrs herbeigeführt wird, auch auf den Betrieb zu übernehmen. Meine Herren, ich glaube kaum, daß sich gegen diesen Grundsatz, namentlich vom Standpunkt der Solidität, irgend etwas erinnern läßt.
Den dritten Gegenstand der Vorlage bildet die darin nachgesuchte Bewilligung von 8 Millionen zur Förderung des Kleinbahnwesens. Meine Herren, Sie wissen, daß ich s. 3. Bedenken hatte, ob die Bildung eines Fonds zur Unterstützung der Kleinbahnen der Entwick— lung des Kleinbahnwesens nach jeder Richtung hin ersprießlich sein möchte, ob nicht aus dem zu erwartenden Wettbewerb um einen Brocken aus diesem Topf sich unliebsame Erscheinungen ergeben würden. Meine Herren, nach den Erfahrungen, die wir in den vergangenen Jahren gemacht haben, und namentlich in Rücksicht auf die Kautelen, die an die Bewilligung von Unterstützungen aus diesem Fonds geknüpft worden sind, kann ich heute erklären, daß ich meine Bedenken habe fallen lassen können. Durchschlagend ist aber für mich — und auch für die Staatsregierung im allgemeinen — die Erwägung gewesen, daß der Ausbau von Kleinbahnen in manchen wirthschaftlich schwachen und nothleidenden Landestheilen überhaupt ohne Unterstützung det Staats nicht ausführbar ist. (Sehr richtig.)
Die Staatsregierung hat daher auch keinen Anstand genommen, in diese Vorlage wiederum einen, und zwar erhöhten Betrag aufzu— nehmen, um aus demselben das Kleinbahnwesen durch direkte Unter— stützung zu fördern. Was in der Zwischenzeit geschehen ist, ist in der Vorlage ausführlich mitgetheilt. Die 5 Millionen, die im vorigen Jahre bewilligt worden sind, sind zum theil bereits ausgegeben, zum anderen Theil in sichere Aussicht gestellt worden, sodaß, wenn auf dem einmal betretenen Wege fortgeschritten werden soll, eine Neubewilligung allerdings dringend noththut.
Was den vierten Punkt anlangt, die Errichtung von Kornhäusern, so habe ich meinerseits der Begründung, wie sie in der Vorlage ge⸗ geben ist, nichts hinzuzusetzen. Es könnte den Anschein gewinnen, als ob dieser Punkt aus dem Rahmen des im großen Ganzen doch als Eisenbahnvorlage zu bezeichnenden Gesetz— entwurfs einigermaßen herausfiele, als ob diese Kreditforderung eigentlich nur hier unter Dach und Fach hätte gesetzt werden sollen, und zwar aus naheliegenden Zweckmäßigkeitk—⸗ gründen. Meine Herren, diese Zweckmäßigkeitsgründe lassen sich allerdings nicht verkennen, andererseits muß aber doch zugegeben werden, daß ein sehr bedeutsamer innerer Zusammenhang des Baues und des Betriebes von Kornhäusern mit der Eisenbahnverwaltung besteht. Nur Hand in Hand mit und unter thätiger Mitwirkung seitens der Eisenbahnverwaltung wird in der Regel die Genossenschast, die die Kornhäuser betreibt, den von ihr erstrebten Zweck erfüllen.
Meine Herren, an den nöthigen Vorstudien, wie technisch und wirthschaftlich am zweckmäßigsten den bestehenden Bedürfnissen würde entsprochen werden können, haben wir es nicht fehlen lassen. Auf eins möchte ich nur noch hinweisen. Schematisieren und Schabloni— sieren können wir auf diesem Gebiet nicht. Wir werden uns in jedem einzelnen Fall den Bedingungen der Produktion, des Absatzes, des Verkehrs aufs Genaueste anpassen und mit den betreffenden Inter= essenten berathen müssen, und erst dann, wenn man beiderseits zu eine klaren Erkennung der Lage der Dinge gekommen ist, wird man etwat Zweckmäßiges hinsetzen und einrichten können.
Meine Herren, ich möchte meine kurzen einleitenden Bemer— kungen mit dem Wunsche schließen, daß das hohe Haus der gegen wärtigen Vorlage, wenn sie auch in etwas veränderter Form vor dal Haus tritt, doch dasselbe Wohlwollen wie in früheren Jahren mu wenden und eingedenk sein möge, daß, wenn auch noch lange nicht all berechtigten Wünsche haben erfüllt werden können und wenn auch an dieser oder jener Seite Zweifel bestehen, ob überall im einzelnen dal Richtige getroffen worden ist, doch die Vorlage im Ganzen als
die Unterstützung von Privateisenbahnen und Kleinbahnen und die
5924 km und noch im Bau 2631. Innerhalb dieses 16 jährigen
erheblicher Fortschritt, als ein immerhin recht bedeutsames Mittel
zur Hebung unserer wirthschaftlichen Verhältnisse betrachtet werden
darf. (Bravo 9 bg. von Eynern (nl): Die Vorlage i ĩ ö es dem ier bl inis n ,,, t 96 . Minister etwas herauszuholen; aber alle Bedürfnisse, felbst die hrängenden, im Lande sind damit noch nicht erfüllt, der Westen be— sonders ist in dieser Vorlage legen den Osten benachtheiligt. Wenn ich auch dem Osten die Staats ürsorge gönne, so ist der Westen doch ebenso derselben bedürftig. Es wird vielfach geklagt, daß die Klein- bahnen nicht genügend von Staattwegen gefördert worden sind; man stellt an sie oft, ganz unerschwingliche Anforderungen, infolge deren ie nicht rentabel sein können. Der Staat hat selbst ein Intereffe, das Kleinbahnwesen zu fördern, da diese Bahnen die Zufuhr nach den Staatsbahnen besorgen. Die im vorigen Jahre hierfür be— willigten 5 Millionen sind noch nicht einmal ganz verbraucht. das zeugt nicht für die Schnelligkeit der Arbeiten im Eisenbahn⸗Ministe⸗ rium. Erfreulich ist mir, daß nunmehr die Interessenten anstatt der Hergabe des Grund und Bodens eine bestimmte Pauschalsumme leisten können. Zum Beispiel ist es im Remscheider Bezirk vor⸗ ekommen, daß die veranschlagten Grunderwerbskosten bedeutend über⸗ chritten wurden. Die Forderung, daß die Kreise die Grunderwerbs⸗ kosten hergeben müssen, ist überhaupt unberechtigt, sie hat vielfach die wirthschaftlichen Verhältnisse der Kreise gefährdet; die großen Städte haben dagegen niemals einen Pfennig für Eisenbahnbauten hergeben müssen, die Staatsbahnen haben sie aufgesucht. Die kleinen Städte und Kreise haben so bluten müssen, daß sie auf lange an den Eisenbahnenschulden leiden. Diese Politik hat hauptsächlich die Konzentration der Bevölkerung in die großen Städte verursacht. So werden jetzt wieder an die Kreise Wipperfürth und Gummers⸗ bach unerschwingliche Forderungen für die Linie Wipperfürth — Marienheide gestellt. Die Kommission muß für jede einzelne der beantragten Linien die Leistungsfähigkeit der Gemeinden prüfen. Dazu sind für diese Bahnbauten noch alte Aktivbestände der Privatbahnen vorhanden, sodaß nur 80 0/0 der Kosten durch neue Anleihe zu decken sind. Bei einer Vorlage wegen des Eisenbahngarantiegesetzes werden wir weiter darüber sprechen.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Meine Herren! Der Herr Abg. von Eynern hat mir die Be— antwortung seiner Ausführungen leicht gemacht: er hat nämlich nach meiner Ueberzeugung die Dinge erheblich übertrieben.
Bekanntlich besteht seit der Verstaatlichung das System beim Bau von Nebenbahnen, die sogenannten Interessenten, d. h. die—⸗ jenigen, welche an der Errichtung und dem Betrieb dieser Bahnen hervorragendes und das nächstliegende Interesse haben, einigermaßen mit zu den Kosten heranzuziehen. Das ist geschehen dadurch, daß sie zu baaren Zuschüssen veranlaßt worden sind, daß sie in anderen Fällen den Grund und Boden frei haben hergeben, oder daß sie beides haben leisten müssen.
Wenn der Herr Abg. von Eynern gesagt hat, daß das ausschließ— lich nur dem platten Lande zur Last gefallen wäre, so ist das nicht richtig; auch die Städte, kleine und große, haben mit erheblichen Bei⸗ trägen direkt und indirekt sich betheiligt. Eins habe ich aber mit Freude begrüßt, daß der Herr Abg. von Eynern zu der Ueberzeugung gekommen ist, die großen Städte brächten für die Eisenbahnverwal⸗ tung, die sie so außerordentlich begünstigten, keine irgend den zu⸗ fließenden Vortheilen entsprechenden Opfer. Ich werde mich dieses Ausspruchs erinnern, wenn die Anforderungen, die wir an die Städte richten, bei der Umwandlung von Niveauübergängen, Umbau von Bahnhöfen und dergleichen nicht das erwünschte Entgegenkommen bei denselben finden. (Bravo! links.) Ich hoffe, daß der Herr Abg. von Eynern mich in dieser Beziehung in Zukunft wirksam durch seine Beredsamkeit unterstützen wird. (Heiterkeit)
Meine Herren, ich glaube, es ist an und für sich ganz richtig und billig, daß die unmittelbar interessierten Kreise für solche Neben—⸗ bahnen mit herangezogen werden. Es ist das gewissermaßen auch ein Barometer für die Staatsregierung wie für den Landtag der Monarchie, ob das Verkehrsbedürfniß in dem gegebenen Fall als ein wirklich dringendes angesehen werden kann.
Mit diesem System sind seit 1880 die von mir vorhin erwähnten beinahe 9000 km Nebenbahnen erbaut. Meine Herren, die Privatbahnen gehen in der Beziehung noch sehr viel weiter: sie lassen sich häufig nicht nur den Grund und Boden seitens der Interessenten geben, sondern darüber hinaus noch sebr erhebliche Zuschüsse leisten. Wenn Sie die Bahnen, die in neuester Zeit von Privatunternehmern gebaut sind, in ihrer Finanzierung sich etwas näher ansehen, werden Sie dafür die sprechendsten Beweise finden. Von den Kleinbahnen will ich garnicht sprechen. Da müssen die Kommunalverbände und diesen gegenüber wieder die zunächst betheiligten Einwohner dieser Kommunalverbände oft bis an die Grenze der Leistungsfähigkeit sich anstrengen, um über⸗ haupt die Bahn nur zu stande zu bringen.
Ich glaube daher, daß es nicht zweckmäßig sein würde, jetzt, nach dem 17 Jahre lang das System zum Wohle des Landes bestanden hat, von demselben Abstand zu nehmen. Es würde das meines Erachtens aber auch ein Unrecht gegen alle diejenigen Kreise, Gemeinden und Städte sein, welche in der Vergangenheit auf Grund dieses alten Systems erhebliche Beiträge geleistet haben.
Meine Herren, wenn der Herr Abg. von Evnern dabei als ein besonders schreiendes Beispiel die Forderung von 210 000 4 bezeichnet hat für die in der Vorlage enthaltene Bahn — nicht von Gummers⸗ bach, sondern von Marienheide nach Wipperfürth —, so kann ich das als beweiskräftig meinerseits nicht anerkennen; es mag den Be— theiligten nicht ganz leicht sein, diese Summe aufzubringen, dafür sind aber auch die Vortheile, welche diese Bahn ihnen bringt, sehr erheblich. Es ist richtig, daß der Bau dieser Bahn hinsichtlich des Grund— erwerbes verhältnißmäßig theuer ist; und zwar hauptsächlich aus dem Grunde, weil die Bahn durch Gärten und sonstige werthvolle Grund—⸗ stücke der Stadt Wipperfürth geführt werden muß und die Wipper⸗ fürther genau solche Leute sind wie die anderen, die die Gelegenheit wahrnehmen und für diese Ländereien hohe Preise haben wollen. Käme der Staat als solcher ohne Rückdeckung dahin, so würde er jedenfalls noch weit mebr zu zahlen haben als der Kreis, und schon aus diesem überall zutreffenden Grunde ist es aus allgemein ö6konomischen Rück— sichten dringend geboten, an dem bisherigen System festzuhalten. Eine gewisse Beugung dieses Systems liegt schon darin, daß wir jetzt den Interessenten die Alternative gestellt haben, entweder den Grund und Boden in natura zu stellen oder sich von dem Risiko durch Zahlung eines taxmäßigen Pauschquantums abzufinden.
Meine Herren, wie liegen denn die Dinge? Wenn eine Bahn gebaut werden soll, sei es von Privaten, sei es vom Staat, so wird zunächst das Gelände, welches die Bahn durchschneidet, abgeschätzt. Die Taxatoren, die damit beschäftigt sind, meistentheils sachverständige und einsichtige Leute, sagen: hier hat der Ar — ich will irgend eine Zahl nennen — im gewöhnlichen Handel und Wandel einen Werth von
etwa 10 , in Rücksicht auf die ganze zwangweise Abtretung schlagen wir diesem Preise noch drei Mark zu; kommt es dann aber nach einiger Zeit zur Expropriation, so werden nicht 10 bezahlt, sondern — dafür giebt es unzählige Beispiele — 15 ia 210 0 Venn, meine Herren, schon allein das Moment, daß die Bahn durch dies Gelände gebaut werden soll, hat über Nacht, und ohne daß jemand etwas davon merkte, den Werth des betreffenden Grundstücks noch außerordentlich erhöht. Da kann nur die Gemeinde und der Kreis, die nahestehenden Organe, gewissermaßen einen Halt gebieten; der Staat ist dazu nicht in der Lage. Es ist daher auch aus diesem Grunde dringend wünschenswerth, bei der bisherigen Gepflogenheit zu verbleiben.
Meine Herren, der Herr Abg. von Eynern — ich habe es selbst nicht gehört, es ist mir mitgetheilt worden — hat gesagt, der Herr Finanz⸗Minister hätte wahrscheinlich aus mir herausgepreßt, daß nach wie vor der Grund und Boden von den betreffenden Interessenten hergegeben werden soll. (Widerspruch des Abg. von Eynern.) Ach so, ich hätte die ganze Vorlage aus dem Herrn Finanz. Minister herauspressen müssen! Meine Herren, in der Beziehung, davon muß ich Zeugniß ablegen, sind der Herr Finanz ⸗Minister und ich in jedem Stadium der Vorbereitung dieser Vorlage vollständig einverstanden gewesen: jede einzelne Linie ist gemeinsam erörtert worden, und wir haben das wirth⸗ schaftliche Bedürfniß mit einander besprochen und haben uns darüber geeinigt, welche Linie in das Gesetz aufzunehmen sei. Von einem „Herauspressenꝰ ist überhaupt nicht die Rede; ich würde mich dazu auch garnicht verstanden haben.
Meine Herren, nun möchte ich noch darauf zurückkommen, daß der Herr von Eynern es zu Anfang seiner Ausführungen bitter beklagt hat, daß den Kleinbahnen seitens der Staatsbahnverwaltung so große Schwierigkeiten und Kosten bereitet würden. Er hat dafür geltend gemacht zunächst die hohen Kosten, welche die Kleinbahnen für den Anschluß an die Staatsbahn zu zahlen hätten. Meine Herren, der Anschluß an den Bahnhof verursacht in den meisten Fällen recht erhebliche und — wie das überhaupt nicht zu vermeiden ist — auch sehr kostspielige Arbeiten. Die Eisenbahnverwaltung hat sich nicht für ermächtigt erachtet, für einen Dritten umsonst à fonds perdu Ausgaben zu machen, wohl aber hat die Staatseisenbahn⸗ verwaltung — und die Direktionen sind in dieser Beziehung von mir ganz speziell angewiesen worden — es für ihre Pflicht und sich für berechtigt erachtet, diese Kosten auf ein möglichst geringes Maß herab⸗— zudrücken, also beispielsweise für Gelände, welche die Bahn selbst nicht benutzt oder durch Dritte gegen Entgelt benutzen läßt, eine geringfügige Rekognitionsgebühr zu rechnen, den Anschluß mit dem Material auszuführen, kurzum in aller und jeder Beziehung den kleinen Leuten, die sich an den großen Staatsbahnhof anschließen, das Leben zu erleichtern. Ich muß auch gestehen, daß mir verhältniß⸗ mäßig wenig Klagen in der Beziehung zugegangen sind, und daß die Leute sich dabei beruhigen sollten, wenn die Direktion diese hohen Kosten macht, und nicht wenigstens den Versuch machen sollten, an den Minister zu gehen und von dem eine billigere Forderung zu erzielen. Das ist in der gegenwärtigen Zeit einfach unglaublich.
Als zweiten Grund, den der Herr Abg. von Eynern für die an— geblich schlechte Behandlung der Kleinbahnen durch die Staatsbahnen angeführt hat, ist von ihm hervorgehoben worden, daß die Staats—⸗ bahnen sich noch immer nicht hätten entschließen können, den Klein⸗ bahnen allgemein aus ihren Tarifen die halbe Gxpeditionsgebühr freizugeben. seiten des Hauses sowohl wie vom Ministertisch behandelt worden. Eine Veipflichtung, die Expeditionsgebühr mit irgend einem Nachbar zu theilen, existiert überhaupt nicht. Nach der Reichsverfassung ist die Eisenbahn nur verpflichtet, direkten Verkehr zu etablieren; wie sie die Tarife für diesen direkten Verkehr berechnen will, ist ihr anheim gegeben, und wenn das im Verkehr mit den Eisenbahnen rechtens ist, so ist es noch viel mehr im Verkehr rechtens mit einem Verkehrémittel, welches überhaupt gar keine Eisenbahn ist; die Kleinbahn ist aber recht⸗ lich keine Eisenbahn, ebenso wenig wie ein Dampfschiff oder ein Fuhr⸗ mann. Und mit demselben Rechte, wie die Kleinbahnen die halbe Expeditionsgebühr von der Staatsbahn beanspruchen können, könnte es ebenso gut der Rollfuhrmann. Es kann also nur auf dem Wege der freiwilligen freien Vereinbarung in der Beziehung Abhilfe geschehen. Meine Herren, ich habe mich auch durchaus nicht grundsätzlich weigerlich verhalten in der Beziehung, Kleinbahnen entgegenzukommen. Aber wenn die Kleinbahnen etwa die doppelten Tarife erheben wie die Staatsbahnen, oder die Güter nur auf ganz kurze Strecken befördern oder außergewöhnliche Nebengebühren erheben, dann noch seitens der Staatsbahnen ihnen ein Geschenk hinzuzulegen, damit der Unternehmer größeren Gewinn erzielt, dazu habe ich mich allerdings nicht für ver⸗ pflichtet und auch nicht für ermächtigt gehalten. Es sind aber in einer ganzen Reihe von Fällen, namentlich also da, wo es sich um direkten Transport von Rohmaterial handelte, direkte Tarife auf Grund der Vertheilung der Exzpeditionsgebühren zwischen beiden Theilen her⸗ gerichtet worden, und in diesem System wird auch fortgefahren; aber ein allgemeines Abschneiden der sog. halben Expeditionsgebühr von den Staatsbahntarifen kann ich nicht in Aussicht stellen.
Abg. von Dallwitz (kons.) befürwortet die Fortführung der schon bestehenden Linie oltersdorf - Primkenau — Kotzenau — Reissig über Reissig hinaus nach Goldberg, und ferner den Bau der Linie Röben a. O. — Polkwitz — Primkenau über Kotzenau.
Abg. Herrmann (Jentr) führt aus, daß der von Herrn von Eynern bemängelte größere Prozentsatz der Staatszuwendungen für die Eisenbahnen im 36 nicht eine Bevorzugung, sondern nur eine Ausgleichung früherer Vernachlässigung sei. Zu denjenigen kleinen Städten, welche durch die nach den großen Staͤdten führenden Linien wirthschaftlich und, gewerblich geschädigt würden, gehöre auch die Stadt Rössel. Sie sei von drei Seiten von Eisenbahnen umgeben, die nächste derselben sei aber 10 km von ihr entfernt. Wolle der Staat dieser mit 425 0ᷣ0 Kommunalsteuer belasteten Stadt einiger⸗ maßen zu Hilfe kommen, so müßte er sie durch den Bau der Bahn Korschen -Rössel—Sensburg mit dem Eisenbahnnetz verbinden. Das liege auch im Interesse einer größeren Frequenz des dortigen Gym⸗ nasiums, der Töchterschule und Taubstummenanstalt. Auch die Kreise Sensburg und Johannisburg würden dadurch direkt mit Königsberg verbunden. Der Militärfiskus sei insofern interessiert, als durch die direkte Linie Königsberg — Budziani die Hauptstadt mit der Militär- linie Allenstein Lyck verbunden würde. .
Abg. Beinhauer . wünscht den Bau einer Linie von Wilhelmshöhe über Naumburg nach Fritzlar und von Großallmerode nach Witzenhausen. ;
Abg. Conrad⸗Glatz 8er empfiehlt eine Bahn zur öster⸗ reichischen Landesgrenze in seiner Heimath; die Linienführung, welche er wünscht, ist jedoch auf der Tribüne nicht zu verstehen.
Abg. von Kröcher (kons.) empfiehlt eine Bahn von Kulm nach Unislaw als Verlängerung der Stichbahn von den Weichselstädten
Abg. Sieg (ul) unterstützt diesen Wunsch, empfiehlt ferner den Bau der Linie Hen rern und . elt . . verhältnisse in Kulmsee. Redner bedauert schließlich, daß die urfprüng⸗ liche Linienführung der Bahn Bütow — Berent Über 53 61 Gostomie abgeändert werden soll in die Linienführung Über Lippusch.
Abg. . (nl) beklagt, daß der Minister den Klein⸗ bahnen nicht genügend entgegenkommt. Infolge der hohen Anforde⸗ rungen an die Kleinbahnen könnten die Privatleute sich nicht darauf einlassen, ihr Kapital in Kleinbahnen zu stecken. Allgemeine Grund⸗ sätze über die Uebernahme der Expeditlonsgebühren ließen si ja schwerer aufstellen, es lasse sich aber feststellen, welche Kosten die Klein bahnen durch die Uebernahme und Vertheilung der Güter haben. Er bitte den Minister, nach Möglichkeit er fg dafür au fzustellen. Erst wenn es dem Privatkapital ermöglicht werde, sich an Klein⸗ bahnbauten zu betheiligen, werde das Kleinbahnwesen die gewünschte Entwicklung nehmen.
Abg. Schaffner (nl) wünscht eine Erleichterung der Verkehrs⸗ verhãltnisse 9 den Bergbau in Nassau und eine Ermäßigun . Tarife für Roheisenstein; er empfiehlt den Bau der Linien gen münster —Usingen; von der Westerwaldbahn abzweigend, Siershahn — Wendt — Westerburg Marienberg =- Herborn — Weiden hausen zur Deutz Gießener Bahn.
Abg. y ĩ iterfũ
3 86 . J Gear empfiehlt eine Weiterführung
Abg. Dr. Lotichius (nl verlangt den Bau der Linie Soldau bei J nach dem . und Weiterführung der vorhandenen Linie über Schlangenbad nach dangenschwalbach, sowie Verlängerung der Hunsrückbahn Simmern — e,. nach Westen.
Abg. Dr. von Lieres und Wilk ö ü i Interesse des niederschlesischen . yt. gh e gr . er Gr n ben gegenüber zurückgegangen sei, den Bau einer Weistritz⸗
Abg. Dünkelberg (ul) befürwortet einen weiteren Ausbau der Siegbahn.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Gestatten Sie mir nur noch wenige Worte namentlich mit Rücksicht auf die Aeußerungen des Herrn Abg. von Eynern über die Stellung der Finanzverwaltung zu dieser Vorlage. — Herr von Eynern hat allerdings mit der ihm eigenen Entschieden⸗ heit behauptet (Heiterkeit rechts), daß die Sekundärbahnen im Großen und Ganzen bisher eine brillante Rente geliefert hätten, und er hat in dieser Beziehung mit großer Sicherheit die Zahl 70 / genannt. Ich war sehr erstaunt, eine solche Zahl zu hören, und ich wäre erfreuter gewesen über diese Aeußerung, wenn ich dem Herrn Abg. von Eynern, den ich leider nicht auf seinem Platze sehe, ein Urtheil über diese Frage zutrauen könnte. (Heiterkeit rechts) Denn es wäre mir nichts erwünschter gewesen, als wenn diese Ansicht richtig wäre. Meine Herren, wir haben uns sehr bemüht, in beiden Ministerien klar darüber zu werden, welche Renten die bisher gebauten Sekundärbahnen geliefert haben. Aber ich glaube, beide Ministerien werden zugeben müssen, daß dieses Problem voll⸗ ständig zu lösen auf die unüberwindlichsten Schwierigkeiten stößt. Uns ist es wenigstens gelungen, zu einem so sicheren Urtheil zu kommen. Aber darüber sind wir sicher, daß diese Zahl von 796 Reinertrag absolut falsch ist. (Heiterkeit rechts.) Wir sind im Finanz Ministerium an diese Vorlage durchaus nicht widerwillig gegangen, obwohl wir der Meinung sind, daß eine Reihe von Bahnen, die hier proponiert sind, jedenfalls nur eine sehr geringe Rente abliefern werden. Der Herr Minister der öffentlichen Arbeiten hat schon gezeigt, daß die beiden Ministerien in dieser Beziehung voll.
Es ist wiederholentlich dieses Thema hier schon von
nach Kulm.
ständig in Uebereinstimmung von Anfang an gewesen sind. Ich persönlich war allerdings der Meinung, daß die gegenwärtige gesammte
Finanz⸗ und Zeitlage dahin führt, eine ausgiebige Vorlage in Be⸗
ziehung auf die Herstellung von Sekundärbahnen zu machen, namentlich für solche Gegenden, die unter dem Druck der gegenwärtigen Zeit⸗ verhältnisse besonders leiden. Nichts kann aber unrichtiger sein, alt wenn der Herr Abg. von Eynern behauptet, man habe in dieser Be—= ziehung zum Nachtheil des Westens und zu Gunsten des Ostens mit einem falschen Maß gemessen. Nein, meine Herren, wo wir Zustände im Westen fanden, welche gewissen Distrikten im Osten gleichstehen, haben wir für sie genau so gut gesorgt wie für den Osten. Wenn ich denke an die Bahn, die durch die Lüneburger Haide geht, an die Eifelbahn, an die Bahn im Hunsrück, so sind es da ganz ähnliche Gründe gewesen, die uns bewogen haben, diese Bahnen, von deren Rentabilität wir nicht viel hielten, aufzunehmen wie andere Bahnen im Osten. Der Staat hat da vorzugsweise einzutreten, wenn er überhaupt Opfer bringen will, wo das dringendste Bedürfniß ist, und andere Rücksichten hat der Staat überhaupt nicht zu nehmen. (Bravo! rechts.)
Meine Herren, nun aber zweitens sind wir allerdings in der Staatsregierung der Meinung gewesen, daß bei der besonders schwie—⸗ rigen Lage der Landwirthschaft — die doch niemand bestreiten kann, selbst wenn er industriell noch so sehr befangen ist — (sehr gut! und Heiterkeit rechts, daß es da allerdings und bei der Unmöglichkeit, plötzlich großartige Maßnahmen zu ergreifen, welche den Schwierig- keiten der Landwirthschaft mit vollem Erfolge auf einmal gegen—⸗ übertreten können, der Staat doch wenigstens dies eine bedeutsame Mittel in der Hand hat, den Verkehr für diese landwirtbschaftlichen Bezirke zu erleichtern. Denn ich habe schon früher ausgesprochen: wenn in der heutigen Zeit es fast unmöglich ist, die eigentlichen Pro= dultionskosten der Landwirthschaft zu vermindern, so ist eine Vermin⸗ derung der Kosten in Bezug auf den Absatz und den Verkehr aller⸗ dings in vielen Landestheilen noch möglich. (Sehr richtig! rechts) Und wenn Sie sehen, wie die Linien ausgewählt sind, so werden Sie zugeben, daß diese Gesichtspunkte vor allem dabei maßgebend ge— wesen sind.
Nun hat der Herr Minister der öffentlichen Arbeiten schon darauf hingedeutet, daß wir jetzt gewissermaßen in einem gemischten System uns bewegten, daß die Tertiärbahnen anfangen, eine große Rolle zu spielen, und daß diese Stellung der Tertiärbahnen aller Wahrschein-⸗ lichkeit nach noch eine wachsende Bedeutung gewinnen wird, je weniger Linien übrig bleiben, für welche sich das eigentliche Sekundär⸗ bahnspstem eignet. Dies führt naturgemäß dahin, daß man sucht, den Ausbau der Tertiärbahnen in ein gewisseg bestimmtes Verhältniß zu den Sekundärbahnen zu bringen, wie dag auch in den Motiven ausgeführt ist, daß gewissermaßen die Sekundär⸗ bahnen in solchen Gegenden, die von vornherein einen ausgiebigen Verkehr und eine bestimmte Rente nicht in Aussicht stellen, al Stammlinien zu betrachten sind, an welche sich die Tertiärbahnen anschließen. Wenn Sie die Karte ansehen, so werden Sie finden, daß eine Entwickelung der Tertiärbahnen in vielen Bezirken ohne das Vorhandensein einer solchen Stammlinie, wenn ich so sagen darf, welche die Tertiärbahnen in kurzer Kilometerzahl