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pellation nicht
J a Landwirth. Unter sol Verhältnissen muß man . ö sein, ö man . fer g, . schwere Laften auf die Gewerbetreibenden legt und sie abhängig macht von dem ö Willen ihrer Arbeiter. Kir haben die Inter⸗ eingebracht aus Lust am Skandal, das überlassen wir anderen Leuten. Wir wollen eine Erklärung haben, und es würde mich freuen, wenn die verbündeten Regierungen Aufklärung und Be⸗ ruhigung bringen könnten.
Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher: .
Ich glaube, meine Herren, dieser letzten Verwahrung des Herrn Interpellanten, der Verwahrung nämlich, daß die Interpellation nicht aus Lust am Skandal eingebracht sei, hätte es kaum bedurft. Die Namen, die unter dieser Interpellation stehen, bürgen dafür, daß es in der That nicht Lust am Skandal gewesen ist, welche Sie zu dem Entschluß geführt hat, die Anfrage an die Regierung zu stellen, sondern daß es Ihnen um ein wirklich sachliches Interesse zu thun ist. Nun will ich mich auf den sozialpolitischen Exkurs, den der Herr Vorredner am Schluß seiner Rede unternommen hat, nicht einlassen, und ich glaube, damit in Ihrer Aller Sinne zu handeln; denn, wenn wir uns an dieser Stelle und bei dieser Gelegenheit über die Hand werkerorganisation und Fortführung der sozialpolitischen Gesetzgebung unterhalten wollten, dann würde die Debatte einen außerordentlich breiten Rahmen einnehmen, und vor allen Dingen würde sie schwer wieder zurückzuführen sein auf den Gegenstand, den die Interpellation behandelt zu sehen wünscht. Ich beschränke mich also auf die Ver⸗ ordnung des Bundesraths vom 4. März d. J. bezüglich der Regelung des Betriebes in den Bäckereien und Konditoreien.
Der Herr Vorredner hat nicht bezweifelt, daß auf Grund des §z 1206 der Bundesrath befugt sei,
für solche Gewerbe, in denen durch übermäßige Dauer der täglichen Arbeitszeit die Gesundheit der Arbeiter gefährdet werde, Dauer, Beginn und Ende der zulässigen täglichen Arbeitszeit und der zu gewährenden Pausen vorzuschreiben und die zur Durchführung dieser Vorschriften erforderlichen Anordnungen zu erlassen,
und er hat mit Recht betont, daß für eine solche Aktion des Bundes raths auf Grund des § 1206 der Gewerbeordnung die folgenden beiden Voraustsetzungen vorliegen müßten: einmal müsse nachgewiesen werden, daß eine übermäßig lange Dauer der Arbeitszeit in dem be—⸗ treffenden Gewerbe vorkomme, und zweitens müsse dargethan sein, daß durch diese übermäßige Dauer der Arbeitszeit die Gesundheit der Arbeiter gefährdet werde. Bevor ich zu dem Nachweise übergehe, daß in der That in dem vorliegenden Falle die beiden Voraussetzungen vorliegen, möchte ich zunächst die Frage berühren, weshalb die Materie nicht im Wege der Gesetzgebung geregelt worden ist. Meine Herren, Sie wissen, die Beschlüsse des Bundesraths beruhen auf einem preußischen Antrag; dieser Antrag ist nicht aus der Initiative der Reichsverwaltung hervorgegangen, sondern er ist gestellt worden auf Be⸗ schluß der Königlich preußischen Regierung. Im Königlich preußischen Staats⸗Ministerium ist nun auch die Frage ventiliert worden, ob man im vorliegenden Fall den Weg der Gesetzgebung oder den Weg der Bun desraths verordnung vorzuziehen habe, für deren Erlaß ganz unzweifel⸗ haft, sofern sie sich in den Grenzen des 5 1200 hält, gerade in diesem § 120 die Unterlage gegeben ist. Dabei sind auch alle die Gründe, die der Herr Vorredner aus den Ausführungen des da— maligen Herrn Vorsitzenden der Kommission für Arbeiterstatistik Ihnen heute vorgeführt hat, eingehend erwogen worden; man hat sich aber gesagt, daß es, weil es sich hier um den ersten Fall der Festsetzung einer Maximalarbeitszeit für männliche Arbeiter auf Grund des 5 1206 handle, den Vorzug verdiene, diese Vorschriften nicht durch ein Gesetz zu erlassen. Sollte es sich nämlich herausstellen, daß man das Richtige im einzelnen nicht getroffen hätte, so würde ein Gesetz sehr viel schwerer einer Korrektur zu unterziehen sein, als eine bundesräthliche Verordnung, deren Mängel man toto die zu berichtigen im stande ist. Meine Herren, Sie mögen diesen Stand⸗ punkt theilen oder nicht, Sie mögen insbesondere der Meinung sein, es wäre bei einer so wichtigen Frage vielleicht richtiger ge—⸗ wesen, zunächst einmal zu hören, was der Reichstag in seiner Majo—⸗ rität will — aber die Berechtigung der Motive, die für die König— lich preußische Regierung maßgebend gewesen sind, um den Antrag an den Bundesrath auf Erlaß bundesräthlicher Vorschriften zu richten, werden Sie unmöglich bezweifeln können.
Nun, meine Herren, folge ich dem Herrn Vorredner zu den beiden Voraussetzungen, von denen die Beschlußfassung des Bundesraths nach den Vorschriften des 5 1206 abhängig ist. Der Herr Vorredner hat gemeint, daß in Bezug auf die Arbeitszeit in den Bäckereien — und auf diese kommt es hauptsächlich an, denn die Konditoreien sind in die Verordnung überhaupt nur in so weit einbezogen, als sie sich mit der Herstellung von Backwaaren, und zwar zur Nachtzeit, befassen —, daß der Nachweis nicht geführt sei, es bestehe in den Bäckereien eine übermäßig lang dauernde Arbeitszeit. Er hat Ihnen Zahlen vor—⸗ geführt, und wenn Sie, meine Herren, diese Zahlen richtig würdigen, so werden Sie, glaube ich, mit mir, mit der preußischen Regierung und mit dem Bundesrath zu dem Schluß kommen, daß in der That, wenn auch nicht regelmäßig und wenn auch nicht überall, doch eine außerordentlich große Ausdehnung der Arbeitszeit in den Bäckereien besteht. Wenn beispielsweise in 28,600 sämmtlicher Bäckereien die Arbeitszeit 12 bis 14 Stunden beträgt, wenn sie in 13,2 0 14 bis 16 Stunden beträgt (Hört, hört! links), wenn 3 ½ sämmt— licher Bäckereien in die Statistik mit 16 bis 18 Stunden Ar— beitszeit eingestellt sind (Hört, hört! links und aus der Mitte), und wenn darüber hinaus auch noch 0,7 0 Bäckereien bestehen, in denen über 18 Stunden gearbeitet wird (Hört, hörth, dann, glaube ich, wird niemand zu behaupten im stande sein, es mag nun das Uebel einen größeren oder geringeren Umfang haben, daß das Moment nicht gegeben sei, welches der 5 120 als erste Voraussetzung für das Ein— schreiten des Bundesraths hinstellt.
Nun hat uns zwar der Herr Vorredner gesagt, von dieser Arbeits⸗ zeit gehen die Pausen ab. Die Pausen im Bäckereibetriebe sind ziemlich zahlreich, sie betragen in einzelnen Fällen eine Stunde; aber, meine Herren, dabei darf man nicht außer Acht lassen, daß diese Pausen zwar zusammengerechnet vielleicht eine ausreichende Ruhe ge—⸗ währen, in ihrer Vereinzelung jedoch den betreffenden Lehrling oder Gehilfen ganz außer stand setzen, die Ruhe und die Kräftigung für die Wiederaufnahme der Arbeit zu gewinnen. (Sehr richtig! links und in der Mitte)
Meine Herren, soll ich nun aus den Aussagen, die vor der
Enqutzte abgegeben sind, einige Beispiele vorlesen? Ich thue es
ungern; aber Sie werden, wenn ich es thue, mit mir den Eindruck
haben, daß =— Gott sel Dank! nicht überall, sondern nur vereinzelt — aber doch hier und da geradezu haarsträubende Zustände herrschen. (Bewegung.)
Ich werde mir erlauben, hier die Aussage einer der vernomme⸗
nen Personen zu verlesen, welche Folgendes sagt:
Es ist ein Lehrling zu mir gekommen, der ist bei dem Bäcker — ich nenne ihn N. N. —,
beschäftigt, der arbeitet von 10 Uhr Abends die Nacht hindurch, muß dann am Vormittag außtragen, alsdann ißt er Mittagbrot, geht von 2 bis 55 Uhr zu Bett, schläft also 37 Stunden, dann wird er wieder benutzt zum Austragen von Waaren resp. zum Einholen der Kundenbücher bis Abends 8 Uhr und hat alsdann eine weitere Ruhe von 2 Stunden. Da wäre es eigentlich Pflicht der Innung gewesen, gegen eine solche Ausbeutung einzuschreiten.
Nun, meine Herren, darüber kann doch kein Zweifel sein, daß ein Lehrling, ein junger Mensch, der also noch ruhebedürftiger ist im Hinblick auf seine körperliche Entwicklung als ein Erwachsener, mit 34 Stunden Schlaf nicht auskommen kann, wenn seine Gesundheit erhalten werden soll. Ferner habe ich Ihnen mitzutheilen, daß hier auf Seite 1 von einer Auskunftsperson gesagt wird:
Die Lehrlinge werden besonders durch das Brotaustragen bis Nachmittags 1 und 2 s überaus angestrengt, daß man, wenn man mit diesen jungen Leuten Nachts arbeitet, sie wirklich bedauert. Dazu kommt, daß die Knaben unter 16 Jahren wöchentlich zweimal in der freien Zeit die Fortbildungsschule besuchen müssen. An einem solchen Tage haben sie nur ein paar Stunden Schlafzeit, und da ist es noch härter für sie, die Nacht durch zu arbeiten.
Eine dritte Aussage, die sich auf Seite 62 befindet, lautet dahin: Der Junge hat gearbeitet von 12 Uhr Nachts bis 5. Uhr Nach- mittags. Das sind also 17 Stunden, und dann kommt noch die Stunde für das Austragen hinzu, also zusammen 18 Stunden.
Meine Herren, ich bin wirklich nicht geneigt, aus Klagen über zu lange Arbeitsdauer der Lehrlinge und Gehilfen eine Haupt und Staatsaktion zu machen. Eine harte Jugend verbürgt mehr, wie eine weichliche Jugend, den Heranwuchs eines kräftigen Geschlechts, und aus einer strengen Behandlung in der Jugend wird in der Regel eine bessere Erziehung abgeleitet als aus einer schlaffen. Wenn aber diese Thatsachen richtig sind, dann bin ich allerdings der Ueberzeugung, hier muß Wandel geschaffen werden, hier ist die Verwaltung voll— ständig in ihrem Recht, wenn sie darauf hinwirkt, daß eine kürzere Arbeitsdauer den Angestellten im Bäckergewerbe gewährleistet wird, welche ihnen auch die für ihr körperliches Wohlbefinden nothwendige Ruhe verschafft.
Nun aber weiter. Der Herr Vorredner hat gemeint, daß die Unterlagen, wie sie sich aus dem Berichte der Kommission für Arbeiter- statistik ergeben, nicht ausreichten, um die Behauptung aufzustellen, daß wirklich im Bäckerbetrieb die Arbeitsdauer, wie sie hier und da vorkommt, der Gesundheit schädlich wäre; es ergäbe sich vielmehr aus diesen Unterlagen, daß die Erkrankungsstatistik und Sterblichkeits« statistik viel geringere Zahlen für das Bäckergewerbe aufweist, als dies für die übrigen in ähnlicher Lage befindlichen Erwerbsthätigen der Fall“ sei. Das ist richtig, die absoluten Zahlen sprechen zu Gunsten einer größeren Gesundheit der Angehörigen des Bäckergewerbes (Hört, hört! rechts); denn wenn beispielsweise im Jahre 1892 auf 100 Bäcker nur 28 Erkrankungen mit 5,4 Krankentagen auf den Kopf gekommen sind, und wenn diese Ziffern für 1391 33 Erkrankungen und h,7 Kranken⸗ tage für das Bäckergewerbe aufweisen, so überschreiten diese Zahlen im allgemeinen nicht, ja sie sind theilweise noch günstiger als die Erkrankungs ⸗ und Sterblichkeitsziffern der Gesammtheit der arbeitenden Klassen, soweit sie den Krankenkassen angehören; für diese ergeben sich nämlich für das Jahr 1891 auf 100 Kassenmitglieder 31 Erkrankungs⸗ fälle und 6 Krankheitstage. Allein, meine Herren, diese Statistik ist nicht beweisend gegenüber den Wahrnehmungen, die man an an— derer Stelle gemacht hat, und das liegt in den Besonderheiten des Bäckergewerbes.
Zunächst liegt mir hier vor ein Rechenschaftsbericht der „Olga, Heilanstalt für kranke Kinder, Lehrlinge und jugendliche Arbeiter‘ in Stuttgart; aus diesem Bericht ergiebt sich, daß unter den Verpflegten und in dieser Anstalt Behandelten während des Jahres 1894 sich 733 Lehrlinge befunden haben, und unter diesen Lehrlingen waren in erster Linie die Bäckerlehrlinge mit 85 Köpfen vertreten, das sind etwa 120ꝭ0 der Gesammtzahl, einer Gesammtzahl, die sich zusammensetzt aus An⸗ gehörigen von 47 verschiedenen Berufszweigen.
Weiter aber darf es nicht auffallen, daß diese Erkrankungsziffern für das Bäckergewerbe im allgemeinen relativ niedrig sind. Einmal umfassen diese Zahlen ja auch alle Angehörigen derjenigen Bäckerei⸗ betriebe — und es ist das, Gott sei Dank, die Mehrzahl der Betriebe —, in denen eine kürzere Arbeitszeit die Regel ist. Das sind 53 0jJ. Zweitens ist der Andrang zum Bäckergewerbe ein ganz außer⸗ ordentlich großer; es besteht eine Ueberfüllung des Bäckergewerbes. Infolge dessen werden leichte Erkrankungen von den Gesellen und Lehrlingen gar nicht gemeldet, weil sie fürchten, ihre Stelle zu ver— lieren. Drittens — und das ist ein großer Vorzug, den das Bäcker—⸗ gewerbe aufweist — leben nach den Erhebungen der Kommission für Arbeiterstatistk bis jetzt noch 96,6 0/0 aller Bäckergesellen in der Familie des Meisters: daher die geringe Simulation im Bäckergewerbe und die geringere Inanspruchnahme der öffentlichen Hilfe der Kranken— kassen.
Weiter aber, meine Herren, tritt im Bäckergewerbe auch die Er⸗ scheinung hervor, daß verhältnißmäßig ein sehr großer Theil junger Personen thätig ist, und daß in verhältnißmäßig jungen Jahren die Bäckergesellen schon ihren Beruf aufgeben und zu anderen Be⸗ rufsarten übergehen. Nach der Berufsstatistik — und das ist wirklich eine sehr interessante Ziffer, die ich die Herren doch auch zu berücksichtigen bitte — nach der Berufsstatistik vom Jahre 1882 waren im Bäckergewerbe 87 C aller Hilfspersonen jünger als 30 Jahre, während, alle Lohnarbeiter zusammengerechnet, nur 8 oso gezählt wurden, die jünger als 30 Jahre waren. (Hört, hört! links) Ermessen Sie diesen kolossalen Unterschied, dann müssen Sie nothwendig zu dem Schluß kommen, daß der Bäckergeselle in der Regel nicht lange in seinem Beruf aushält. (Sehr richtig! links. Zurufe rechts.) Und das ist auch sehr erklärlich, weil eben im Gegensatz zu dem Herrn Vorredner behauptet werden kann, daß die Arbeit des Bäckers eine außerordentlich schwere ist. Wenn Sie ermessen, daß diese Arbeit Nacht für Nacht, stehend, geleistet werden muß, an das Teigkneten, das Bedienen der Oefen, das Schleppen der Mehlsäcke denken, dann können Sie gar nicht darüber im Zweifel
sein, daß die Arbeit des Bäckerg einen ungünstigen Einfluß enf seinen Körper ausüben muß.
Nun, meine Herren, werden uns die Herren Bäckermeister ing Gefecht geführt, und es wird uns gesagt, die Bäckermeister er⸗ freuten sich im Allgemeinen einer sehr guten Gesundheit. Ja, meine Herren, auch das ist leicht erklärlich; denn in dem Augenblick, wo der Bäcker Meister wird, aͤndern sich die Arbeitebe dingungen und Lebensbedingungen ganz außerordentlich (sehr richtig! Linkeh, und da
ist allerdings von der Arbeit Nacht für Nacht nur in den wenigsten Fällen die Rede, wenigstens nicht auf diesem Gebiet. Auch eine
andere Ziffer kann ich Ihnen nennen, die durch diese Enqute fest. gestellt ist im Bäckergewerbe wechseln durchschnittlich die Hilfspersonen alle vier Jahre, der Durchschnitt des Wechsels ist ein vierjähriger, und das weist darauf hin, daß der Bäcker nicht allzu lange in seinem Gewerbe thätig bleibt.
Nun, meine Herren, werden Sie hiernach wohl mit Recht nicht daran zweifeln können, daß das Gewerbe des Bäckers, wenn es über⸗· mäßig betrieben wird — und um diese Faͤlle allein handelt es sich auch nur —, auf die Gesundheit einen schädlichen Einfluß auzůũbt. Die 58 o/o oder nach dem Herrn Vorredner sogar hg oo derjenigen Bäckermeister, welche ihr Geschäft mit einer Betriebsdauer von nur 12 Stunden und weniger betreiben, werden von den Bestim mungen über die Arbeitsdauer nicht betroffen, für diese kann die Verordnung durchaus nichts Schädliches haben; für uns und für die Entschließun⸗ gen, die wir zu fassen hatten, kamen allein diejenigen Fälle in Be—⸗ tracht, in denen die Arbeitszeit ein erträgliches Maß überschreitet und deshalb für die Gesundheit schädlich ist.
Meine Herren, ich will den Punkt der Reinlichkeit, der auch in der Enquste behandelt ist, nicht berühren. Auch die Reinlichkeit wird beeinflußt durch die Dauer der Betriebszeit, und diese Reinlichkeit hat auch für den Konsumenten eine außerordentliche Bedeutung. ( Sehr richtig) Aber ich will auf diese Frage nicht weiter eingehen, sondern ich will mich nur noch darauf beschränken, eine Bemerkung des Herrn Vorredners zu behandeln, welche gerichtet war gegen die Nr. 5j der Verordnung vom 4. März d. J. Der Herr Vorredner hat auß— geführt, daß der Bundesrath ihm nicht kompetent zu sein scheine, auf Grund des § 1208 diese Bestimmung zu erlassen, welche lautet:
An Sonn und Festtagen darf die Beschäftigung von Gehilfen und Lehrlingen auf Grund des §5 1056 der Gewerbeordnung und der in den 58 1056 und 1056 a. a. O. vorgesehenen Ausnahme— bewilligungen nur in so weit erfolgen, als dies mit den Bestim—⸗ mungen unter den Ziff. 1 bis 3 vereinbar ist.
Ich bedaure, der Rechtsauffassung des Herrn Vorredners nicht beitreten zu können, daß in dieser Verordnung ein Verstoß gegen die Vorschriften der Gewerbeordnung, die darin angezogen sind, und ein unzulässiger Eingriff in die Befugnisse, die darin gewissen Be— hörden beigelegt sind, enthalten ist. Wenn der Bundesrath befugt is, allgemein über die Dauer der Arbeitszeit Bestimmungen zu erlassen — und das ist er nach 5 1206 —, dann bezieht sich diese Befugniß, mangels einer Einschränkung, auch auf die Befugniß zum Erlaß von Vorschriften über die Arbeitsdauer am Sonntag.
Der Herr Vorredner — und das möchte ich zum Schluß an— führen — hat ferner gesagt: warum hat man gerade dieses einzelne Gewerbe herausgegriffen? Ja, meine Herren, daß die Bäcker bet einem Vorgehen auf Grund des § 1206 mit zuerst in Betracht kommen würden, darüber ist seit dem Jahre 1891 kein Zweifel, das hat bei der Berathung der Arbeiterschutznovelle mein Königlich preußischer Kollege, der Herr Handels. Minister, mit klaren Worten ausgesprochen, indem er ausführte, daß die Bäcker zu denjenigen Ge— werben gehören, bei denen Mißstände wahrgenommen werden, die eine nothwendige Abhilfe erheischen.
Wenn ich nun noch am Ende meiner Ausführungen darauf hin— weise, daß eigentlich die Presse aller Parteien, einschließlich der konser— vativen, mit dieser Maßregel, wie sie durch die Bundesrathsverordnung eingeführt ist, sich einverstanden erklärt hat, daß die „Kreuzzeitung' noch im März d. J. einen Artikel gebracht hat, der ausdrücklich sowohl die Kompetenzfrage bejahte, als auch sich materiell mit den Vorschriften einverstanden erklärte, daß aus der freikonservativen Parteipresse die Post“ lebhaft für die Sache eingetreten ist, dann kann man nur sagen, alle Parteien von rechts nach links haben sich für die Abstellung dieser Mißstände erklärt. Dann sollte man sich dabei beruhigen und sollte darauf vertrauen, daß, wenn wirklich diese Verordnung eine gefährliche Wirkung für den Gewerbebetrieb der Bäcker äußern sollte, daß dann auch der Bundesrath so verständig sein wird, diejenigen Bestimmungen, die ohne Schädigung der Interessenten nicht durch— geführt werden können, wieder aufzuheben. Und mit diesem Trost, glaube ich, kann ich die Beantwortung der Interpellation schließen. (Bravo!)
Abg. Siegle (ul.): Die Verordnung schädigt die berechtigten Interessen des Bäckergewerbes. Kaum ein Gewerbe erscheint fo un— geignet für die Durchführung einer Maximalarbeitszeit, wie daß Bäckergewerbe, welches von den Gährungs, Witterungs⸗ und sonstigen unvorhergesehenen Verhältnissen abhängig ist. Der Versuch, die Arbeitszeit gleichmäßig zu fixieren, wird entweder zu großen Ungleich— heiten in der Wirkung führen, oder diese einzelne Verordnung muß schon von Hause aus so viele Einschränkungen enthalten, daß sie als eine Art Ausnahmegesetz für gewisse Betriebsformen innerhalb des betreffenden Gewerbes erscheinen muß. Im vorliegenden Falle trifft das Letztere zu. Die sogenannten Alleinbetriebe, welche nur mit Meistern arbeiten, bilden in der Bäckerei, und namentlich in den, kleinen Städten, einen beträchtlichen Prozentsatz, eirea ein Drittel. Sie werden vom Gesetz nicht berührt; ebenso follen alle Bäckereien befreit bleiben, welche nicht mehr als dreimal in der Woche Nachts backen. Nun giebt es aber, z. B. in Stuttgart, 27 Bäckereien, in welchen Söhne mitarbeiten, bezw. das Geschäft für die Mutter als =, führen. Das sind 109 der Bäckereien. Will man diesen Söhnen verbieten, in dem Betrieb des Vaters und so fort länger als 12 oder 13 Stunden zu arbeiten? Kann nicht in solchen Betrieben eine zeit weise, außerordentliche Anstrengung aller Familienglieder geradezu zur Pflicht werden. um das Geschäft der Familie zu erhalten? In tausend ähnlichen Fällen können kleine Geschäfte nur durch die Energie und größere Anspannung der Arbeitskraft und Zeit lber Wasser h halten und konkurrenzfaͤhig erhalten werden. le Lehrlinge möchte auch ich mit dem Bundesrath gegen eine allzu große Ueber, anstrengung schützen: insofern stimme ich der Verordnung vollständiß zu, und da eine Reihe von Bäckereien nur mit Lehrlingen arbeiten, so wäre für diese schon ein großer Uebelstand erledigt. Die Maxima arbeitszeit eignet sich für das Bäckergewerbe um so weniger, alt bier die Arbeit keine eigentlich maschinenmäßige ist, die Gefundheitt— verhältnisse sind in diesem Beruf nach der Statistik ve galt i mf, günstiger als im Durchschnitt der anderen Berufe. Allerdings hat auch er gewisse Fährlichkeiten, aber kaum solche, welche das Ein⸗ greifen des Gesetzgebers nothwendig machen. Anders liegt die Frage, ob nicht gegenüber dem besonders zahlreichen Auftreten von ekelhaften
Berlepsch:
krankheiten vom Standpunkte der Nahrungtmittelbyglene ein e r nige tfertigt oder gar . n e rg möchte.
Diefe Frage möchte zu 6. sein. Oldenberg führt in feinem
uch an, daß nach einem Bericht der Wiener Innungskasse pro 1891 ö kranken Zustande 268 Bäcker fortarbeiteten, von denen 18 an Tuberkulose, 2 an Geschlechtskrankheiten, 53 an nässender Flechte, 5s an Kräße, und 50 an Verletzungen litten. Es ist Sache des Arztes, ju beurtheslen, ob ein mit Hautkrankheiten behafteter Arbeiter vom Backen und Hantieren mit Backwaaren auggzuschließen ist, oder nur dann, wenn Hände und Arme von der Kranthelt befallen find. Was nützen all: Verordnungen, welche dem Publikum die üble Gewohnheit des Betastens der Backwaaren verbieten, wenn die letzteren von porn⸗ berein Infektionsstoffe in sich tragen! Auch die Backräume selbst be⸗ důrfen einer ene en Kontrele. In England besteht für Bäckereien in Städten von über 5000 Finwohnern durch Gesetz vom 6. Juli 1895 die Vorschrift, daß Wände, Decken, Flure,ů Treppenräume
etüncht, lackiert oder mit Oelfarbe gestrichen werden; Del und Lack
.. dreifach aufzutragen, zweimal im Jahre mit heißem Waffer und Seife zu waschen, alle 7 Jahre zu erneuern, die Tünche zweimal im Jahre. Ein zur Bäckerei gehöriger Kaum in demfelben Stockwerk darf nur dann als Schlafraum benutzt werden, wenn er durch eine vollständige Wand abgetrennt ist, ein Fenster nach außen hat und den vorgeschriebenen Größenverhältnissen entspricht. In Berlin kommt es sogar vor, daß die Gesellen sich auf dem Tisch, auf dem gebacken wird, zum Schlafen niederlegen. Es ist nun wohl möglich, daß die Befugnisse der Polizei vielfach weitgehend genug sind, um ohne besonderes Gesetz ein Einschreiten zu ermöglichen. Aber da doch eine einheitliche Regelung im Reiche wünschenzwerth ist, fo dürfte hier ein gesetzliches Eingreifen angezeigt erscheinen. Ich hoffe, daß die gegebene Anregung den Bundesrath veranlassen wird, auf anderem Wege, als auf dem in der Verordnung beschrittenen, für eine Besse⸗ rung der Verhältnisse in den Bäckereien Sorge zu tragen.
Abg. Dr. Hitze (Zentr.): Der Vorredner hat die gesetz liche Berechtigung der Verordnung bestritten, aber ihre praktische Berechti⸗= qung zugegeben. Kein Gewerbe bedarf so sehr der Regelung, wie gerade die Bäckerei. Deshalb sind wir dazu gekommen, beim Bäckereigewerbe anzufangen, weil dieset Handwerk das einzige mit Nachtarbeit ist. In Fabriken haben wir Nachtarbeit, aber mit Wechfel der Schichten. Allerdings treffen die Bestimmungen den kleinen Be— trieb stärker als den Großbetrieb. Das ist überall bei Arbeiter⸗ schutzbesimmungen so; aber die kleinen Bäckereien haben meist eine kürzere Arbeitszeit als die großen. Die letzteren werden also entweder mehr Gesellen einstellen oder einen Theil ihrer Arbeit auf die kleineren Betriebe abgeben müssen. Die Interpellation ist ja an sich harmlos; sie ver— langt nur Aufklärung. Ich nehme aber an, daß alle Parteien die , d,, ,. Arbeitszeit billigen; denn sie haben dem hygienischen Maximalarbeitgtag, wie er in 5 12600 niedergelegt ist, zu⸗ gestimmt. Diejenigen, die für den Meister einen Schutz verlangen durch den Befaͤhigungsnachweis, sollen sich nicht wundern, daß wir auch einen Schutz für die Lehrlinge und Gesellen verlangen. Gerade die Konservativen sollten erkennen, daß wir die nicht organisierten Gesellen ebenso schützen müssen, wie die organisierten Meister. Die beste Regelung wäre die durch die Betheiligten selbst; die Organisatson der Handwerker wird dahin führen, daß die Ordnung der Krbeitszeit den Innungen übertragen wird. Es ist bedauerlich, daß die be⸗ treffende Vorlage noch nicht eingebracht ist. Ich bitte die egierung, ie möglichst bald vorzulegen. Die Bäckermeister haben in ihrer Aufregung sogar mit einem Strike gedroht. Sie sollten sich lieber einigen zur Abschaffung der Nachtarbeit: damit werden sie die Anerkennung des Publikums und der Gesellen erreichen. Im Ganzen und Großen muß ich meine Freude aussprechen über die Verordnung. Ob sie im Einzelnen richtig ist, wird die Erfahrung lehren.
Abg. Merbach (Rĩ.): Die Bäcker werden erst dann die Nacht⸗ arbeit abschaffen können, wenn die deutsche Nation sich gewöhnt hat, altbackene Semmeln zum ersten Frühstück zu essen. Darauf werden wir lange warten können; vorläufig werden die Gewerbetreibenden sich nach den Wünschen des Publikums richten müssen. Daß die Bäckerwerkstätten vielfach ungenügend sind, daß die Lehrlinge vielfach übermäßig ausgenützt werden, dagegen hilft diese Verordnung nichts. Die lange Arbeitszeit kommt auch in anderen Gewerben vor; aber der Nachweis ist von der Kommission für Arbeiterstatistik nicht erbracht worden, daß 6 die lange Arbeitszeit der Bäcker die Gesundheit geschädigt wird. eshalb war die Einführung des Maximalarbeits⸗ tages für erwachsene Arbeiter nicht berechtigt. Kinder und Frauen wollen wir schützen, auf diesem Wege aber können wir der Regierung nicht folgen. Als die zu schützenden Schwachen betrachten wir nicht diejenigen, welche für den Weltfeiertag schwärmen und bei jedem Aufschwung der Industrie Strikes organisieren, wir rechnen dazu in erster Linie die kleinen Arbeitgeber. Die Beunruhigung, welche das ganze Deutsche Reich ergriffen bat wegen des Ladenschlusseßg am Abend, geht weit en über die Aufregung der Backer. Von diesem Ladenschluß werden auch die kleinen Gewerbetreibenden besonders betroffen. Diese Regelung hat unseren Beifall nicht. Wäre ein Gesetz an den Reichstag ge— kommen, so hätten die Bäcker ihre Wünsche in einer Petition gektend machen können. Besser wäre es jedenfalls gewesen, eine bestimmte Arbeitszeit für die Woche festzusetzen, weil die Bäckerei sich nach den Gewohnheiten des Publikums richten muß. Die Schablone erregt daher überall Unzufriedenheit. Der Großbetrieb wird sich auf die Ver— ordnung einrichten können; er wird entschädigt dadurch, daß die Klein⸗ betriebe zu seinen Gunsten zu Grunde gerichtet werden. Oh die Arbeiter dadurch befriedigt werden, danach richten wir unsere Ent— scheidung nicht. Die kleinen Unternehmer werden unzufrieden gemacht. Dieser Vorgang zeigt wieder, wie nothwendig die Or⸗ anisation der Handwerker ist, damit fie in solchen Fällen ihre
nteressen geltend machen können. Dadurch würde es gelingen, den immer mehr anwachsenden Strom der Unzufriedenhest ein- zudämmen; das ist für die Leute, für welche der Grund— satz gilt ‚Deutschland, Deutschland über Alles!“ die HSauptsache.
Abg. Dr. Pach nicke (fr. Vxꝛg.): Durch die Schaffung von Hand⸗ werkerkammern wird die Unzufriedenheit, welche aus wirthschafflichen Gründen entstanden ist, nicht beseitigt werden. Ueberrascht sind die Bäckermeister durch die Verordnung nicht, denn sie lag lange in der Luft. Aber bedeutsam ist sie, weil sie der erste Schritt zum Maximal⸗ arbeitstag für erwachsene Arbeiter ist. Ein Fehler ist insofern gemacht worden, weil dieses Gewerbe sich nicht besonders für den Maximalarbeits⸗ tag eignet. Die Hefe ist noch nicht so gehorsam, daß sie auf die Stunde funktioniert, der Ofen brennt einmal schneller oder langsamer, die persönlichen Qualitäten der Gesellen sind ebenfalls verschieden u. s. w. Das Hauptbedenken ist, daß die kleinen Betriebe in Nachtheil gesetzt werden gegenüber dem Großbetriebe, der sich jetzt auf genossenschaft⸗ lichem Wege herausbildet. Eine wöchentliche Arbeitszeit würbe es möglich machen, den Betrieb den örtlichen Verhältnissen anzupassen. 36. en hätten sich die betheiligten Handwerksmeister in ihrer Mehrheit nicht aufgelehnt. Die Gesellen follten bedenken, daß sie leicht Meister werden können, und dann würden sie die Polizei- beschraͤnkungen treffen. Sie (die Sozialdemokraten) vertreten lediglich die Interessen der Arbeiter, wir wollen auch die der Ünterneb mer vertreten und beide Interessen möglichst zu verföhnen suchen. Es ist leicht, den Maximalarbeltstag in ein Programm agufjunehmen; schon beim ersten Schritt stößt man aber auf Schwierigkeiten. Wie schwierig würde erst der achtstündige Normalarbeitstag fein. Dle Dis kussion soll wohl nur den Zweck haben, die Regierung abzuhalten, für andere Gewerbe ähnlich vorzugehen.
Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von
Meine Herren! Der Herr Vorredner hat, wie auch andere der Herren, die sich über den vorliegenden Gegenstand geäußert haben, sich dahin ausgesprochen, daß das Bedenkliche der Verordnung, die der Bundegrath betreffg des Bäckergewerbes erlassen hat, darin zu finden sei, daß es sich hier um den ersten Schritt zur Einführung des all⸗
gemeinen ¶ Maximalarbeltztagegß auch für männliche erwachsene Arbeiter handele. Der Herr Abg. Merbach kleidete diese Bemerkung so ein, daß er sagte: wenn man den § 120 nicht für anwendbar hält, so bedeutet diese Vorschrift die Einführung des all⸗ gemeinen Maximalarbeitstags, und das können wir nicht mitmachen. Ja, meine Herren, darin hat erßia ganz Recht: wenn die Voraus- setzung richtig ist, daß der 5 120 6 nicht zutrifft, dann allerdings wird man sagen können: hier handelt es sich um den ersten Schritt zur Einführung det allgemeinen Maximalarbeitstazs. Er haͤtte aber mit noch viel größerem Recht sagen können: wenn 5 120 é hier nicht zutrifft, dann hat der Bundetrath eine gegen das Gesetz verstoßende Handlung be⸗ gangen. Das wäre die richtige Folgerung aus seinen Ausführungen. (Sehr richtig! links. Der Bundesrath steht auf einem völlig andern Standpunkt, wie auch heute ausgeführt worden ist; er nimmt an, daß die Voraussetzungen des 8 120 im vorliegenden Fall zutreffen, und wenn diese Voraussetzungen zutreffen — hat der Bundegrath sich gesagt — so bin ich verpflichtet den 5 1206 zur Anwendung zu bringen. (Sehr richtig! links Meine Herren, ich möchte Sie doch an die Geschichte der Entstehung dieses Paragraphen erinnern. Ich kann mich nicht eines einzigen Redners aus dem ganzen Hause ent⸗ sinnen, der sich gegen diesen Paragraphen ausgesprochen hätte; im Gegentheil, letzterer hat meines Erinnerns bei den Rednern aller Parteien Zustimmung gefunden (sehr richtig! rechte), auch bei dem Redner der freikonservativen Partei. (Zuruf von seiten der Freikonservativen und der Sozialdemokraten). — Wenn ich die Herren in ihren Zwischenrufen nicht störe, darf ich wohl fortfahren? (Große Heiterkeit; Also, meine Herren, ein⸗ gehende Erörterung hat dieser 5 1200 gefunden, als vom allgemeinen Maximalarbeitstag die Rede war; da stellte sich die Regierang und die Mehrheit des Hauses auf den Standpunkt: den all— gemeinen Arbeitstag wollen wir nicht, dahingegen er— kennen wir an, daß in einer Reihe von Gewerben durch übermäßige Ausnutzung der Arbeitskraft Schädigungen der Ge— sundheit der Arbeiter entstehen, und in diesem Falle muß eine Hilfe gegeben werden. Meine Herren, nicht alle Redner stellten sich auf diesen Standpunkt. Es waren ja eine Reihe von Parteien und von einzelnen Rednern aus den Parteien damals für den allgemeinen Maximalarbeitstag. Das Zentrum nahm denselben Standpunkt zu der Frage ein, den es heute einnimmt, und der Redner der konservativen Partei, der sich in der Frage äußerte, hat sich auch, wie die konservative Partei in früheren Jahren überhaupt, für den allgemeinen Maximalarbeitstag ausgesprochen. (Hört! hört) Der Kom— missionsbericht, der schließlich dem Hause vorgelegt wurde und sich darüber ausspricht, sagt ausdrücklich, daß die Majorität der Kommission, die sich sowohl aus Freunden wie aus Gegnern des Maximalarbeitages zusammensetzte, glaubte, den all⸗ gemeinen Maximalarbeitstag nicht annehmen, sondern sich an den Rahmen der Vorlage halten zu sollen. Dieselbe — nämlich dieser § 1206 — bedeute einen höchst erfreulichen Fortschritt.
Wenn die verbündeten Regierungen die Aufnahme dieser Be⸗ sugniß vorgeschlagen hätten, so sei zu hoffen, daß von denselben auch namentlich bei solchen Betrieben, die außerordentliche Ansprüche an die physische Kraft der Arbeiter stellen, Gebrauch gemacht werde.“
Der Reichstag stellte sich auf den Standpunkt, daß man von dem allgemeinen Maximalarbeitstag in der Voraussetzung absehen könne, daß die Regierung von dieser ihr im § 120 gegebenen Befugniß, auch für erwachsene Arbeiter einen Maximalarbeitstag unter gewissen Voraussetzungen einzuführen, auch den richtigen Gebrauch machen werde. Meine Herren, die Vertreter der freisinnigen Partei haben, soweit sie zu den Fragen gesprochen haben, durchgängig sich auf den Standpunkt gestellt, daß aus Rücksicht auf die Pflege und den Schutz der Gesundheit der Arbeiter ein Maximalarbeitstag sehr wohl aeceptabel sei. Nun waren sie damals — das muß ich anerkennen — der An— sicht, man solle das nicht auf dem Wege der bundesräthlichen Ver— ordnung machen, sondern gleich im Wege der Gesetzgebung. Das war auch das, was der damalige Herr Abg. Schrader und vor allen Dingen auch Herr Gutfleisch, der sich lebhaft an den Arbeiten der Kommission nach allen Richtungen hin betheiligte, ausführten. Ich erwähne dies nur, um nachzuweisen, daß es sich hier gegenwärtig garnicht um eine große politische Frage handelt. Diese große politische Frage der Fest⸗ setzung eines Maximalarbeitstages in gewissen, aus Gesundheitsrück— sichten gebotenen Fällen wird nicht jetzt entschieden durch die Verord—⸗ nung des Bundesraths über den Betrieb von Bäckereien und Kon— ditoreien, sondern sie ist bereits durch die Aufnahme des § 120« in die Gewerbeordnungsnovelle von 1891 entschieden, und deshalb sind meines Erachtens alle Betrachtungen über die große politische Bedeutung jener Verordnung nicht zutreffend. Die einzige Frage kann gestellt werden: sind die Verhältnisse im Bäckereigewerbe so, daß die Voraussetzungen des 5 120 zutreffen? Damit steht und fällt die ganze Verordnung. Vom prinzipiellen Standpunkt ist sie meines Erachtens unanfechtbar deshalb, weil der Reichstag und der Bundesrath gemeinsam den Standpunkt des § 1206 gewählt haben. Nun sagt man: warum gerade zuerft das Bäckergewerbe, warum nicht andere? Es ist angeführt worden: es giebt eine ganze Reihe von Gewerbebetrieben, in denen auch lange Zeit hindurch ohne jede Pause gearbeitet wird. Der Herr Abg. Merbach hat bemerkt, bei den Schneidern und Schustern finde sich ganz gewiß zuweilen eine sehr lange Arbeitszeit, ebenso wie hier bei dem Bäckergewerbe. Ja, meine Herren, das will ich alles nicht bestreiten, aber der Grund, warum man zuerst mit dem Bäckergewerbe vorgegangen ist, ist der, daß hier in der Hälfte sämmtlicher Betriebe eine übermäßig lange Arbeits- zeit mit der Arbeit in der Nacht zusammenfällt. (Sehr richtigh Darin unterscheidet sich der hier vorliegende Fall von allen anderen Beispielen, die Sie überhaupt nennen können, da lag es doch auf der Hand, daß man diesem Gewerbe zu— nächst bei der Ausführung des § 1206 zu Leibe ging. Ich möchte fragen, meine Herren, wann soll denn überhaupt der § 1200 angewendet werden lsehr richtig! links), wenn nicht in einem Fall, wo feststebt, daß in 50 o½ aller Betriebe über 12 Stunden, bis 14, bis 16, bis 18 Stunden und zwar zur Nachtzeit gearbeitet wird — ohne irgend einen Ruhetag im ganzen Jahre —, in über— heizten Räumen und in schlechter Luft? Ja, meine Herren, wann wollen Sie denn von dem 5 1206 Gebrauch machen, wenn nicht in diesem Fall? Ich kann mir gar keinen schlimmeren Fall denken als denjenigen, der hier vorliegt, und nach meiner Ueberzeugung hätten die verbündeten Regierungen ihre Pflicht nicht erfüllt, wenn sie in diesem Falle nicht vorgegangen wären und von
der ihnen vom Reichttag zudiktierten Befugniß keinen Gebrauch ar.
können. Nach meiner Ueberzeugung und nach der Ueberzeugung der verbündeten Regierungen liegt es so, daß mit der Arbeitszeit, die in der vorliegenden Verordnung den Bäckern gegeben ist, alle Betriebe ganz unbedenklich auskommen können, mit einigen Modifikationen, mit wenigen Veränderungen und jedenfalls ohne eine bedenkliche Einwirkung auf ihre wirthschaftliche Existenz.
Wie liegt denn die Sache? 24 Stunden hat der Tag. Von diesen 24 Stunden sind in den Bestimmungen des Bundesraths für jeden Gehilfen 8 Stunden der Ruhe zugesprochen. Es bleiben also 16 Stunden übrig. Von diesen 16 Stunden können 135 Stunden zu regelmäßigen Betriebgarbeiten verwendet werden, sobald während der Arbeitsschicht eine Stunde Pause gewährt wird, — was in den Bäckereibetrieben, soviel ich weiß, überwiegend der Fall ist; dreizehn Stunden kann nämlich alsdann die Arbeitsschicht dauern und eine halbe Stunde ist für die Herstellung des Vorteigs vorgesehen. Da⸗ neben sind gelegentliche Nebenarbeiten unbeschränkt zulässig. Außer⸗ dem kann an 40 Tagen im Jahr Ueberarbeit stattfinden.
Meine Herren, abgesehen von den 8 Stunden absoluter Ruhe, lann also die Arbeitszeit unter Umständen 16 Stunden dauern. Mir scheint, als könnte man die Frage aufwerfen: ist hier nicht zu wenig gefordert, anstatt zu viel? (Sehr richtig! links) Meine Herren, ich glaube nicht, daß jemand in der Lage ist, zu behaupten, daß in dieser Arbeitszeit von 135 Stunden für Herstellung der Waare selbst und 25 Stunden zur Verrichtung gelegentlicher Nebenarbeiten die Bäckereien nicht mit ihren Arbeiten fertig werden könnten. Auch sind solchen Betrieben besondere Vergünstigungen eingeräumt worden, die Sonntags gar⸗ nicht arbeiten; es ist zugelassen, daß sie die an den beiden vorher⸗ gehenden Wochentagen endigenden Schichten um 2 Stunden ver⸗ längern, also 154 Stunden statt 133 Stunden zur Herstellung der Waaren verwenden dürfen. Da wird nun behauptet, die Bäcker könnten damit nicht auskommen. Verzeihen Sie, meine Herren, das glaube ich nicht, und wenn Sie die Vernehmungen der Bãckermeister durch die Kommission lesen, wie verschieden und verworren — kann man sagen — lauten da die Aussagen! Einer hat er— klärt, mit 12 Stunden kommt er unbedingt aus. Darauf hat er sich draußen mit einem Kollegen besprochen und sagt: 14 Stunden, und dann hat er wieder 40 Minuten von diesen 14 Stunden nachgelassen. Schließlich stellte es sich so, daß von den 50 olo der Betriebe, die überhaupt in Frage kommen — denn soviel arbeiten heute unter 12 Stunden — wieder 40 oo erklärt haben, sie könnten unbedenklich mit 12 Stunden Arbeitszeit außkommen. Heute haben wir durch die Verordnung eine 134 stündliche Arbeitszeit, und dazu kommen noch 40 Tage, an denen Ueberarbeit gegeben werden kann. Kurzum, ich kann mir nicht helfen, ich habe den Eindruck, es geht hier, wie bei allen Arbeiterschutzgesetzen, daß diejenigen, die davon betroffen werden, sich mit Händen und Füßen gegen jede Beschrãnkung ihrer Freiheit wehren, daß sie sich aber, wenn man den Dingen ihren Lauf läßt, hineinfinden, und ich habe die Ueberzeugung, es wird nicht lange dauern, daß die Bäckermeister zu der Ueber⸗ zeugung kommen, daß die Beschwerden, die sie vorbringen, nicht begründet sind, und daß sie mit der Verordnung sehr wohl aus⸗ kommen. Ja, meine Herren, wäre der Bundesrath so weit gegangen, daß den Bäckern die Möglichkeit, ihre Kunden zu bedienen, beschrankt würde, so kann man sich auf den Standpunkt stellen, daß die wirth⸗ schaftliche Existenz der Bäcker durch die Verordnung gefährdet werde; aber nach der Darstellung, die ich mir erlaubt habe zu geben, läßt sich an diesem Standpunkt nicht festhalten, und noch viel weniger kann man die Behauptung aufstellen, daß gerade die kleinen Betriebe durch diese Verordnung getroffen werden. Das Gegentheil ist der Fall. Es ist von der Kommission ganz unzweifelhaft festgestellt, daß in den kleinen Betrieben die nur 12 stündige Arbeitszeit weit häufiger ist als in den größeren Betrieben. Nach den Erhebungen stellt sich die Sache so, daß von den Betrieben mit rund 2 Personen heute schon 72 , 900 12 Stunden und weniger arbeiten, von den Betrieben mit 3 bis 5 Personen dagegen nur 42 oo, und von solchen mit 6 bis 9 Personen nur 32 5. Sie sehen daraus, daß gerade in den kleinen Betrieben die kürzere Arbeitszeit die übliche ist, während in den größeren die längere und schwerere vorkommt. So hat es sich nach meiner Meinung auch bei den Ver⸗ handlungen herausgestellt, daß die Bäckermeister, die sich am meisten gegen die Frage gewehrt haben, in ihren Betrieben mehr als 3 Personen, 3 bis 6 und 6 bis 9 Personen be⸗ schäftigen. Die ganz großen Betriebe, das ist ja zutreffend, kommen wieder leichter mit der Maximalarbeitszeit aus, weil sie in der Lage sind, Schichtwechsel einzuführen, den die anderen Betriebe nicht haben.
Bezüglich der Frage, ob Gesetz oder Verordnung, ist für die Regelung durch Gesetz auch die Stimme des früheren Vorsitzenden der arbeiterstatistischen Kommission angeführt worden. Ich möchte mir nur gestatten, darauf aufmerksam zu machen, daß, als er sein Votum für Gesetz abgab, die Sache anders lag als heute. Damals stand in Frage, daß sämmtliche Konditoreien in diese Be⸗ stimmungen einbezogen werden sollten, auch die Tageskonditoreien. Weil nun das meines Erachtens gerechtfertigte Bedenken auftauchte, daß diese Betriebe nicht unter den 5 1206 zu bringen wären, so sprach sich damals der Vorsitzende der Kommission für die Regelung durch Gesetz aus. Jetzt liegt die Sache anders. Es sind unter die Verordnung begriffen die Bäckereien und „gemischten Konditoreien, die des Nachts arbeiten und für die alle die Vorauß— setzungen zutreffen, von denen ich mir erlaubte zu sprechen.
Im übrigen scheint es mir doch außer Zwelfel zu sein, daß der Bundesrath, wenn ihm der Reichstag eine Aufgabe stellt, wie sie ihm im 8 120 gestellt ist, und wenn er diese Aufgabe sich selber durch die Vorlage des Gesetzes gewünscht hat — daß es doch ein eigenthüm⸗· liches Verfahren wäre, wenn er nun im ersten Falle, wo er vor die