1896 / 102 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 29 Apr 1896 18:00:01 GMT) scan diff

. / ,

2

d

Nun sagt Herr Traeger: ja, was nützt das alles? Diese⸗ Staatskommissar wird ja doech kein Sachverständiger sein; das kann zu nichts führen. Ich habe schon in der ersten Lesung ausgesprochen: es kommt ganz auf die Auswahl der betreffenden Persönlichkeit an. Wenn man aber einen Mann nimmt, der ein offenes Auge, Ver⸗ ständniß für die Börsengeschäfte, auch schon eine gewisse Erfahrung in der Beurtheilung derselben besitzt er braucht deshalb noch lange kein Börsenspieler zu sein —, so ist das doch immerhin ein Organ für die Regierung, welches sie in den Stand setzt, die Vorgänge an der Börse in richtigerer Weise zu beurtheilen, als ihr das bisher möglich war. Die Presse ist keine ausreichende Hilfe in dieser Beziehung. (Sehr richtig! rechts) Herr Traeger sagt zwar: heutzutage spielt sich alles öffentlich ab in der Presse, die die Regiernng bloß zu lesen braucht, dann weiß sie, was sie wissen will. Ja, wenn Sie die Presseäußerungen über die Börsenvorkommnisse des vorigen Sommers in's Auge fassen, so werden Sie Ausführungen finden, welche sagen: da ist etwas ganz Harmloses geschehen, etwas, was alle Tage passiert; einmal sind es Manöver à la baisse, dann solche à la hausss; das ist etwas ganz Unvermeidliches.

Ja, meine Herren, die Preßäußerungen sind erstens mal nicht hinreichend, und jweitens sind sie in manchen Fällen unrichtig. Des⸗ halb kann ich nicht anerkennen, daß es genügt, in der Zeitung zu lesen, was an der Börse vorgeht, um ein richtiges Urtheil von diesen Dingen zu bekommen.

Daß in den Kreisen des Handels diese Institution nicht Zustim⸗ mung gefunden hat, ist mir bekannt, und ich verstehe das auch, auch von denjenigen, die ich hochachte und durchaus als die solidesten und anständigsten Elemente, wie sie in der großen Mehrheit unseren Handels⸗ stand bilden, anerkenne. Daß ein Kreis von Interessenten, die sich bisher ganz ungezwungen und frei von Staatsaufsicht auf dem Markte der Börse bewegt haben, es unangenehm empfindet, wenn ein Regierungs⸗ organ ständig anwesend ist, welches die Aufgabe hat, die Regierung über die Vorgänge an der Börse zu informieren daß das Gefühl für die Herren unangenehm ist, begreife ich. Aber ich muß doch sagen, die Art, wie gegen die Bestimmung des Gesetzentwurfs Front gemacht ist, die Uebertreibungen, die man sich im Handelsstand meines Erachtens hat zu Schulden kommen lassen, bedauere ich sehr. Ich habe die Ueberzeugung, daß dieses Verfahren den Interessen des Handels- standes bei der Bedeutung des Gesetzentwurfs nur geschadet, hat. (Sehr richtig! rechts Hätten die Personen, die unsere großen Börsen in Frankfurt, Berlin, Breslau 2c. vertreten, sich auf den Standpunkt gestellt, zu erklären: wir erkennen an, daß zu unserem großen Bedauern eine Reihe von unreinlichen Prozeduren an der Börse vor sich geht, die wir selber entfernen wollen. Wir sind bereit, die Hand dazu zu bieten, in den Grenzen, die wir für zulässig halten, diese Mißstände zu beseitigen. Die Stimmung würde dann meiner Anschauung nach bei der Be— rathung des Börsengesetzes eine andere gewesen sein wie jetzt, wo der Handelsstand erklärt: wir wollen überhaupt keinen Eingriff der Staatsregierung in die Börsenverhältnisse. Uns allen ist wohlbekannt, daß die anständigen Elemente der Börse sich oft genug schütteln über Personen, mit denen sie an der Börse verkehren müssen. Jeder von uns, der mit Vertretern großer Handels häuser oder Bankgeschäfte verkehrt hat, hat oft genug solche Aeußerungen gehört, und deshalb war es nicht richtig, daß der Handelsstand die Bestellung des Staatskommissars für eine Ehrenkränkung erklärte und sich jede staatliche Einmischung in die Verhältnisse der Börse verbat.

Was nun den Antrag des Herrn Abg. Grafen Kanitz anlangt, so liegt die Sache so, daß die Staatsregierung die Absicht hatte, ein lediglich überwachendes Organ in dem Staatskommissar zu schaffen, ein Organ, welches nicht die Befugnisse einer Aufsichtsbehörde, nicht ein Recht zum unmittelbaren Eingreifen auf der Börse haben sollte. Im Großen und Ganzen hat die Kommission sich dieser Auffassung angeschlossen; und wenn sie auch einige Bestimmungen in den § 2 neu hineingebracht hat an dem Wesen des Staatskommissars ist in der Kommission meines Erachtens nichts geändert worden gegenüber dem Standpunkt, den die Regierung ein— genommen hat. In dem Antrag des Herrn Abg. Grafen Kanitz liegt eine kleine Abänderung dieses Standpunkts, indem er dem Staatskommissar die Befugniß zuweist, den Börsenvorstand zur Be⸗ seitigung von Mißbräuchen aufzufordern, während nach der Vorlage er ihn nur auf solche aufmerksam machen soll. Die Aufforderung zur Abstellung von Mißbräuchen liegt in den Befugnissen einer Aufsichts behörde. Ich bin der Meinung, daß die Bestimmungen, wie sie jetzt in § 2 der zweiten Lesung enthalten sind, als völlig ausreichend anzu⸗ sehen sind, um die Stellung zu wahren, die man dem Staats kommissar geben will, und meine, daß es nicht nöthig ist, den Paragraphen in dem Sinne des Herrn Abg. Grafen Kanitz zu ändern. Auch die Frage der Theilnahme an allen Sitzungen ist keine übermäßig schwerwiegende; aber ich halte doch auch den Antrag, den der Herr Graf Kanitz gestellt hat, für unnöthig und nicht unbedenklich. Das Bedenken, welches in der Kommission auch von den Vertretern der Regierung gegen den Vorschlag geltend ge— macht ist, dem Staatskommissar das Recht zu geben, allen Sitzungen des Börsenvorstands beizuwohnen, lief wesentlich darauf hinaus, daß man dann im Publikum sich die Pflicht des Staatskommissars kon— struieren wird, allen diesen Sitzungen beizuwohnen, daß angenommen werden würde, der Staatskommissar habe die Pflicht, bei allen Dingen, die von dem Börsenvorstand entschieden werden, mitzuwirken, z. B. bei der Frage der Zulassung von Werthpapieren.

Abg. Singer (Soz): Alle Gewerbe müssen sich staatlich kon⸗ trolieren lassen, also muß auch die Börse sich eine Aufsicht gefallen lassen, welche prüft, ob die Gesetze beobachtet werden. Diesenigen, welche dagegen sind, sind keine guten Freunde der Börse, die sich mit Unrecht so sehr ereifert gegen die Staatskommissare, die doch eine Art finanzpolitischer Gr dhe fe ie sind. Die Börse ist in unseren Augen das Spiegelbild der heutigen wirthschaftlichen Versumpfung. Da die Börse nicht beseitigt werden kann, wenn man auf dem Standpunkt der heutigen Gesellschaftsordnung steht, so müssen Organe geschaffen werden, welche die Auswüchse der Börse vermindern. Der Antrag Kanitz geht aber zu weit: er giebt den Staatskommissarien exekutlbe Befugnisse, die einem Staats beamten , . einer Privat⸗ einrichtung, welche die Börse nach wie vor bleibt, nicht zustehen. Die Börse hat aber auch einen öffentlichen Charakter, und in der Be—⸗

schränkung der Kommissionsbeschlüsse hat sie, wenn wirklich da nur ehrliche Elemente vorhanden sind, den Staatskommissar durchaus nicht zu fürchten.

Abg. Graf von Oriola: Die Börsen haben in den Stagtékommissaren ebenso wenig eine Ehrenkränkung zu finden, wie die Fabrikanten in der Fabrikaussicht. Zu Staats kommissaren wird man Personen wählen können, welche selbst im Geschäftsleben gestanden

haben. Das ernsteste Bedenken ist, ob die Einführung dieses neuen Instituts nicht zu Kompetenzkonflikten führt, ob nicht dadurch die Äufsicht der Handelgorgane laxer werden würde. Das würde aber nur der Fall sein, wenn der Staatskommissar ein exekutiver Be⸗ amter waͤre, nicht aber, so lange er ein bloßer Beobachter ist. Trotz des Vorhandenseins des Staatskommissars an den öster⸗ reichischen Börsen sind Mißstände auch dort vorgekommen, Das alleinige Heilmittel wird der Staatskommissar allerdings nicht sein; die Kommifsion hat gerade deshalb die Stellung desselben zu stärken gesucht, ohne ihn zu einem exekutiven Beamten zu machen. Wenn der Kommissar zu allen Sitzungen zugezogen werden soll, so wird dadurch nicht unnöthige Schreiberei entstehen. Wenn er nur ein— zelnen Sitzungen beiwohnt, dann sieht das aus wie Spionage. Was bedeutet nun aber Börsenorgan? Nach der Vorlage nur die Vorstände der Börse und ihrer Abtheilungen; nach den Kommissionsbeschlüssen kann aber auch die Zulassungtstelle als Börsenorgan gelten. Wenn der Staatskommissar an deren Be— rathungen nicht theilnehmen soll, so müßte man das im Antrage Kanitz ausschließen, aber nicht den ganzen Antrag ablehnen.

Hanseatischer Bevollmächtigter zum Bundesrath Dr. Klügmann: Unter Börsenorgan ist vorzugsweise der Börsenvorstand zu verstehen. Der Unterschied zwischen dem Antrage Kanitz und der Vorlage ist doch nicht ein so geringer. Nach der Vorlage entscheidet die dem Kommissar übergeordnete Regierung, nach dem Antrage Kanitz urtheilt direkt der Kommissar über das, was ihm als Mißstand erscheint. Und wer sind die Börsenorgane? Die angesehensten Kaufleute, welche durch das Vertrauen ihrer Kollegen in das Ehrenamt berufen sind, Jeder Mann, dem man sagen würde, er hätte Mißbräuche geduldet dei der Führung seines Aufsichtsamts, würde dieses Ehrenamt ablehnen. Eine folche Stellung des Staatskommissars den Börsen⸗ organen gegenüber würde eine falsche sein; dadurch würde eine große Mißstimmung hervorgerufen werden, namentlich bei den kaufmännischen Korporationen, die seit Jahrhunderten die Börsen selbständig ver— waltet haben und die nun einer solchen Organisation sich fügen müssen. Deshalb bitte ich, den Antrag Kanitz abzulehnen.

Abg. Dr. Ham macher (ul.): Ich schließe mich diesen Aus— führungen an. Wenn der Börsenkommissar eine Anordnung trifft, hat sich der Börsenvorstand ohne weiteres zu fügen, auch wenn die Anordnung vielleicht von der Landesregierung gemißbilligt wird? Wie gestaltet sich die Sache, wenn ein Handelsorgan, eine Handels kammer mit der Aufsicht betraut wird? Diese Handelskammer hat gar keine Befugniß über den Staatskommissar, der von der Landes⸗ regierung ernannt ist; sie kann auf seine Thaͤtigkeit nicht einwirken; die Landesregierung muß den Staatskommissar ernennen. Die Landes⸗ regierung kann den Staatskommissar ernennen, aber bei den großen Börsen, z. B. in Lübeck, Hamburg und Bremen, wird die Staatsgewalt auf die Ernennung von Kommissarien garnicht verzichten können. Es ist also ein Konflikt zwischen der aufsichtführenden Handelskammer und dem Staatskommissar möglich. Die Vorlage ist nach dieser Richtung hin noch nicht klar genug. Jedenfalls kann dem Staatskommissar des- halb keine exekutive Befugniß verliehen werden. Unklar ist auch, was unter Börsenorgan zu verstehen ist.

Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher:

Ich vermag dem Herrn Vorredner darin nicht beizutreten, daß der Paragraph eine Unklarheit darüber lasse, was unter. Börsenorgan“ zu verstehen sei. Wenn der Herr Vorredner die Güte haben will, in den Motiven auf Seite 21 den 1. Satz einzusehen, so wird er finden, daß dort gesagt wird: unter dem Ausdruck ‚Börsenorgan“ faßt der Entwurf den Börsenvorstand und das demselben etwa vorgesetzte Handelsorgan zusammen. In Ergänzung dieser Vorschrift möchte ich noch hervorheben, daß unzweifelhaft, wenn hier in dem 52 dem Staatskommissar die Befugniß gegeben ist, die Börsenorgane auf Mißstände aufmerksam zu machen, zu den Börsenorganen alle Funktionäre zu rechnen sein werden, die für die Beaufsichtigung und Leitung des Börsengeschäfts bestellt sind. Also wenn z. B. der Staatskommissar wahrnimmt, daß bei der Kursfeststellung nach seiner Meinung unrichtig verfahren wird, so wird er dasjenige Organ der Börse, welches mit der Feststellung der Kurse beauftragt ist, darauf aufmerksam machen dürfen, daß nicht richtig verfahren sei. Wenn z. B. weiter die Börsenstunde nicht innegehalten ist, so wird der Staatskommissar in der Lage sein, den Börsenvorstand darauf aufmerksam zu machen, daß bezüglich der Innehaltung der Börsenstunde nicht ordnungsmäßig verfahren sei. Es ist also unter Börsenorgan“ ganz unzweifelhaft im weitesten Sinne alles das zu verstehen, was an öffentlichen Organen bezüglich der Leitung, Regelung und Ordnung des Börsengeschäfts vorhanden ist.

Nun hat der Herr Vorredner gemeint, daß nicht klar sei, wenn beispielsweise der Bremer Senat seinerseits einen Staatskommissar bestelle, obwohl gleichzeitig die Bremer Handelskammer mit der Aufsicht über die Börse betraut sei, an wen denn der Staatskommissar zu berichten habe. Der Herr Vorredner über⸗ sieht dabei, daß, wenn der Bremer Senat die Aufsicht über die Börse der Bremer Handelskammer überträgt, daß er damit nicht die ihm in § 1 beigelegten Befugnisse vollständig aus der Hand giebt, sondern daß ihm die Oberaussicht über die Börse unter allen Umständen ver—⸗ bleibt, und daß nur, wie es in § 1 heißt, die unmittelbare Auf— sicht auf das Handelsorgan, in diesem Falle also auf die Handels—⸗ kammer, übergeht. Der Staatskommissar ist nach 52 ein Organ der Landesregierung; hat also alles das, was er über die Vorgänge in der Börse zu berichten hat, und die Vorschläge, die er auf Abstellung von Mißbräuchen zu formieren hat, seiner Landesregierung vorzutragen. Er steht in keinem unmittelbaren Unterordnungsverhältniß zu der mit der unmittelbaren Aufsicht betrauten Behörde, sondern er ist und bleibt das Organ der Landesregierung.

Wenn ich nun noch ein Wort sagen darf über den Antrag des Herrn Grafen Kanitz in seinem zweiten Theil, so kann ich mich darauf be—⸗ schränken, auszusprechen, daß ich mich und zwar nach der Ahbsicht, von der die verbündeten Regierungen bei der Redaktion des- § 2 ge—⸗ leitet worden sind der Auffassung anschließe, welche dahin geht, daß es korrekt sei, nicht das Wort „auffordern' zu wählen, sondern den Ausdruck „aufmerksam machen“ stehen zu lassen.

Der Herr Staatekommissar soll nach der Absicht, die bei den verbündeten Regierungen obgewaltet hat und die Ihre Kommission gebilligt hat, kein Exekutivorgan sein, kein entscheidendes Organ, sondern nur ein beobachtendes, ein kontrolierendes Organ, ähnlich ich glaube, einer der Herren Vorredner hat schon darauf hingewiesen —, wie es der Gewerbe⸗Aufsichtsbeamte gegenüber unseren Gewerbebetrieben ist. Der Gewerbe⸗Aufsichtsbeamte hat auch nicht zu dekretieren, daß ein Mißstand abgestellt werden soll; er hat die Mißstände, die er wahrnimmt, bei den ordnungsmäßigen Aufsichtsinstanzen zur Sprache zu bringen; er hat denen die Entschei⸗ dung darüber zu überlassen, welche Maßregeln getroffen werden müssen, um diese Mißstände zu beseitigen. So soll es auch hier sein rück— sichtlich des Staatskommissarius, und, meine Herren, das genügt nicht allein vollständig, sondern es würde, wenn man weiter gehen wollte, eine Zwischeninstanz eingeschoben werden, die nicht allein entbehrlich ist, sondern die unter Umständen sogar schädlich wirken kann.

Ich bitte Sie, aus diesen Gründen es bei dem Beschluß Ihrer Kommission zu belassen und nicht die Fassung „‚aufmerksam zu machen“ in das Wort „‚aufzufordern' zu ändern. Wenn dem Kom⸗ missarius die Befugniß beigelegt wird, aufzufordern, so ist die natur⸗ gemäße Folge die, daß man sich fragt: muß dieser Aufforderung Folge gegeben werde oder nicht? Wenn die Absicht des Gesetzgebers wäre, daß dieser Aufforderung unbedingt Folge gegeben werden muß, dann würde der Paragraph ganz anders ausgestaltet werden müssen, als wie er zur Zeit ausgestaltet ist; dann würde eine Beschwerde⸗ instanz zu geben sein, und es würden mindestens die Folgen zu bezeichnen sein, die, wenn der Aufforderung keine Folge gegeben ist, eintreten.

Was den zweiten Theil des Antrags des Herrn Abg. Grafen Kanitz anlangt, so hat mein Kollege, der Königlich preußische Herr Handels ⸗Minister bereits das Nöthige gesagt; auch ich kann Sie nur bitten, es auch in diefer Beziehung bei den Vorschlägen Ihrer Kom⸗ mission zu belassen.

Abg. Graf von Oriola beantragt, in die Kommissionsbeschlüsse aus dem Antrage des Grafen Kanitz nur einzufügen, daß der Kom⸗ missar berechtigt sei, den Berathungen der Börsenorgane beizu⸗ wohnen.

Abg. Frese⸗Bremen (fr. Vgg.); Wer den Verhältnissen nicht nahesteht, der vermag die Erbitterung und den Unmuth nicht zu er— messen, der die Kaufleute über die Vorlage ergriffen hat, was aller— dings manchmal zu scharfen Worten geführt hat. Wenn die scharfen Worte getadelt wurden, wie denken Sie (rechts) dann über die Aus⸗ drücke, welche im Zirkus Busch gegen Regierung und Reichstag gefallen sind? Damals habe ich nicht die Stimme der Herren Gamp, Hahn und Graf Oriola gegen solche ganz unverantwortlichen Aeuße⸗ rungen vernommen. Die Unterstellung des gesammten Börsenperkehrs unter die Kontrole eines Staatskommissars ist so unberechtigt und zeugt von einem solchen Mißtrauen, wie man es keinem anderen Ge⸗ werbe gegenüber beweist. Ich kann den Staatskommissar durchaus nicht für eine berechtigte Einrichtung halten. Derselhe wird gar— nicht in die Lage kommen, klar in die Verhältnisse zu sehen; glauben Sie denn, daß die Kaufleute sich beeilen werden, in die Nähe des Kommissars zu kommen? Er wird auf das angewiesen sein, was ihm zufällig oder aus unlauterer Absicht zugetragen wird. Er wird Schaden anrichten können, aber den gehofften Nutzen wird seine Thätigkeit nicht haben; das zeigt besonders die Erfahrung in Oester—⸗ reich, wo ein solcher Kommissar besteht. Für die Bäcker will man die polizeiliche Aufsicht nicht, aber der Kaufmann, der für das Brot der ganzen Welt zu sorgen hat, der soll unter Aufsicht gestellt werden. Der Kaufmann sucht nicht nach der Hilfe des Staats, er wehrt sich dagegen. Graf Kanitz will die Befugnisse des Staatskommissars noch erweitern. Ich schließe mich der Ansicht des Abg. Hammacher an, daß § 2 noch nicht klar genug ist; ich würde die Zulassungsstelle auch als ein Börfenorgan betrachten. Wenn der Staatskommissar an der Berathung auch noch theilnehmen würde, so würde dadurch die Verantwortlichkeit der Staatsbehörden erheblich erschwert werden. Wenn der Bund der Landwirthe über die Börse zu urtheilen hätte, dann würden wir das Schlimmste erleben. Sind doch Mitgliedern des Reichstags Zirkulare zugegangen, in welchen auf die kommenden Wahlen hingewiesen wird. Diejenigen, die gegen die Börse vor— gehen, verkennen die Dinge; sie sägen den Ast ab, auf welchem sie selbst sitzen. . .

Abg. Graf von Arnim: Der Staatskommissar ist mir nicht ganz sympathisch; dennoch müssen wir für seine Einführung stimmen; denn die Erfahrungen in der Enquötekommission beweisen, daß die Herren Beamten nicht diejenigen Kenntnisse von der Börse hatten, die sie als Aussichtsbeamte haben müßten. Es fehlten ihnen die Kenntnisse, die man nur an Ort und Stelle erwerben kann. Es ist durchaus nothwendig, daß auch die jungen Beamten, die Assessoren, Kenntniß von den Börsenborgängen gewinnen, denn die Urtheile zeigen oftmals, welche naiven Vorstellungen Richter und Staats⸗ anwalte von den Börsenvorgängen hatten. Wenn von 80 Milliarden, die Deutschland besitzt, 20 Milliarden in Werthpapieren angelegt sind, die an den Börsen umgesetzt werden, so muß dafür eine Aufsicht bestehen, um den Gegensatz zwischen Börsenvorständen und Maklerthum aus— zugleichen. Auf die Selbstzucht der Börse haben wir lange genug vergeblich gewartet. Der österreichische Börsenkommissar hat weiter⸗ gehende Befugnisse; wenn wir ihm weniger geben, so wird die Hoffnung auf eine Wirkung noch geringer werden. In Oesterreich, weiß ich, daß der Börsenkommissar bei seinem Ausscheiden als das beliebteste Mitglied der Börse gefeiert wurde. Die Aufgabe des Börsen⸗ kommissars wird ja nicht in dieser Richtung zu suchen sein; denn sich bei der Börse beliebt zu machen, ist nicht seine Aufgabe; eine solche Aufgabe ist schwer und auch zum theil gesundheitsgefährdend. Ver Beschluß der Kommission wird ausreichen, daß der Staatskommissar auf Mängel aufmerksam macht. Aber den Sitzungen der Börsen⸗ organe muß der Kommissar beiwohnen, er muß wissen, auf. Grund welcher Beschlüsse und Entscheidungen die Vorgänge an der Börse be— ruhen. Das Publikum wird bald darüber aufzuklären sein, daß durch die Gegenwait des Staatskommissars bei den Sitzungen der Zu—⸗ lassungsstelle die Papiere, welche zugelassen werden, nicht an Sicherheit gewinnen.

Abg. Dr. Hahn: Ich schließe mich diesen letzten Ausführungen an. Herr Frese irrt, daß gewisse Aeußerungen im Zirkus Busch die Zu— slimm ung des Bundes der Landwirthe gefunden hätten: Herr von Diest⸗Daber hat seine Aeußerung auf seine eigene Verantwortung gethan. (Präsident Freiherr von Buol meint, daß es nicht angängig sei, beim Fz2 der Vorlage auf die einzelnen Ausdrücke einzugehen.) Ich will nur feststellen, daß die damals gefallenen Ausdrücke vom Bunde der Land⸗ wirthe nicht gebilligt worden sind. Die Börse will verdienen, und nur verdienen, im Inlande und im Auslande. Deswegen ist es nothwendig, daß ein Staatskommissar vorhanden ist. (Präsident Freiherr von Buol meint, daß eine allgemeine Debatte bei 8 2 nicht zulässig sei.) Der preußische Handelg⸗Minister hat selbst erklärt, daß er nicht ge—⸗ nügend über gewisse Vorgänge an der Börse orientiert gewesen sei; das ist ein Beweis, wie nothwendig ein Organ zur Wahrnehmung der öffentlichen Interessen ist. Ich denke, daß ich mit diesen Aus—⸗ führungen nicht über den Nahmen der Spezialdiskussion hinaus— gegangen bin.

Damit schließt die Debatte.

§z 2 wird mit dem Antrag des Grafen Oriola angenommen, wonach der Staatskommissar den Berathungen der Börsenorgane beiwohnen kann.

S§S3 handelt vom Börsenausschuß. Nach der Vorlage sollte derselbe auf drei Jahre vom Bundesrath gewählt werden, und zwar zu zwei Dritteln auf Vorschlag der Organe der Börse.

Die Kommission will die Wahl auf fünf Jahre erfolgen lassen: zur Hälfte auf Vorschlag der Börsenorgane, zur anderen Hälfte unter angemessener Berücksichtigung der Land⸗ wirthschaft und der Industrie.

Abg. von Graf Kanitz will nur ein Drittel der Mitglieder auf Vor⸗ schlag der Börsenorgane gewählt sehen, zwei Drittel aus Vertretern der Landwirthschaft, der Industrie und des Handels, aber so, daß die Zahl der Vertreter der Börsenorgane und des Handels die Gesammtzahl der Vertreter der Landwirthschaft und Industrie nicht übersteige.

Abg. Fisch beck (fr. Volksp.) will die Fassung der Regierungs— vorlage wieder hergestellt wissen. . ; .

Abg. Graf von Kanttz: Mit dem Kommissionsbeschluß bin ich nicht ganz einverstanden. Ich betrachte die Börse nicht als eine Sache der Börseninteressenten, sondern des ganzen Landes; des halb müssen neben den Börseninteressenten auch Vertreter der Landwirth⸗ schast, der Industrie und des Handels angemeffen in Börsenausschuß vertreten . Nach der Kommission braucht in der anderen Hälfte nur ein Börfeninteressent gewählt zu werden, und Alles wird im Sinne der Börseninteressenten geordnet. Statt eines Borsen gut schussezß von dieser Zusammensetzung will ich lieber gar keinen. Was

für Leute auf die Vorschlagsliste von den Börsenvorständen gesetzt werden können, baben wir im Fall Blumenthal und Rosenberg ge⸗ sehen. Die vom Minister verlangte Auskunft der Börse über deren Manipulationen war ungenügend. Ein ähnlicher Fall passierte 1891, wo während des russischen Getreideeinfuhrverbots und der Mißernte die Getreihepreise von der Firma Ritter u. Blumenfeld auf eine unerhörte Höhe hinaufgetrieben wurden; zu dem Zweck wußte die Firma alle Zu⸗ fuhr nach Berlin abzuhalten. Da meldete sich eine FirmaaKapp, die 10000 t. Weizen besitzen und nach Berlin bringen wollte. Ritter u. Blumenfeld zahlten an diese Firma pro Tonne 190 S, also 100 000 M und verabredeten mit ihr, daß bei einer Konventional⸗ strafe von 500 900 M der Weizen nicht nach Berlin gebracht würde. Nachher stellte sich heraus, daß die Firma überhaupt nur 5000 t besessen hatte. Ritter und Blumenfeld klagten auf Erstattung von 50 000 M, einen Schadenersatz von 225 000 S und Zahlung der Konventionalstrafe von 500 000 SP Um den Prozeß nicht zu ver theuern, wurden erst 5000 M eingeklagt. Die Sache kam auch an das Kammergericht, und dieses fragte sich, ob das nicht überhaupt ein Vertrag contra bonos moreés sei, und befragte die Aeltesten der Kaufmannschaft. Man hätte vielleicht die Antwort erwarten können, ein solcher Vertrag sei der kaufmännischen Ehre nicht angemessen, des Kaufmannsstandes nicht würdig. Aber sie antworteten: derartige Verträge kämen doch so selten vor, daß ein Handelsgebrauch daraus nicht hergeleitet werden könne. So sehr eine berathende Korporation für die wichtigen Börseninteressen wünschenswerth ist, so darf sie doch nicht so gestaltet sein, daß die Börse von vornherein die Mehrheit hat. Deshalb bitte ich, unseren Antrag anzunehmen: ein Drittel den Vertretern der Börse zuzuweisen, die anderen zwei Drittel aber der Landwirthschaft, der Industrie und dem Handel.

Abg. Fischbeck (fr. Volkäsp.): Der Börsenausschuß des Grafen Kanitz ist etwas ganz Anderes, als der, den die Regierung vorgeschlagen hat. Die Regierung wollte einen Ausschuß von sach— verständigen Börsenmännern, der ihr Rath giebt. Darüber hinaus wird die Regierung sich aus den Kreisen der Industrie und Landwirthschaft Rath in anderen Dingen holen. Das richtigste wäre gewesen, den Börsenausschuß nur aus Börsenleuten bestehen und die Mitglieder nicht zu ernennen, sondern direkt wählen zu lassen. Verständlich wäre es, ein Drittel anderer Personen von Erfahrung hinzuzunehmen. Aber etwas ganz Anderes ist der Antrag Kanitz. Er will die Börsenleute nicht in der Majorität lassen, trotzdem es sich doch darum handelt, die Börse zu reglementieren und neue Ein⸗ richtungen zu treffen. Wir haben 25 Börsen, welche nach dem Be— schluß der Kommission nur 15 Vertreter wählen würden; 10 Börsen würden ohne Vertretung bleiben; nach dem Antrag Kanitz würden nur 10 Börsenvertreter gewählt werden. Ueber den Fall Ritter und Blumenfeld hat man an der Berliner Börse ebenso scharf eurtheilt, wie anderwärts. Daß man über die Auskunft der Aeltesten der Kaufmannschaft lachen konnte, zeugt von wenig Sach⸗ verständniß; sie konnten doch nichts Anderes sagen, als daß derartige Verträge nicht Handelsgebrauch sind. Redner tritt schließlich für eine dreijährige Wahlperiode ein.

Abg. Fritzen (Zentr.) empfiehlt dagegen eine fünfjährige Wahl⸗ periode, damit der Börsenausschuß sich in die Geschäfte ordentlich einarbeiten könne.

,. des Reichsbank⸗Direktoriums, Wirklicher Geheimer Rath Dr. Koch: Die verbündeten Regierungen glauben noch immer, daß sie einen angemessenen Vorschlag im S3 des Entwurfs gemacht haben, welcher alle Interessen genügend berücksichtigt. Indessen bitte ich, jedenfalls nicht über die Grenzen der Beschlüsse der Kommission in zweiter Lesung hinauszugehen. Es handelt sich in der That bei dem Antrag des Herrn Abg. Grafen von Kanitz um einen prinziviellen Unterschied zwischen dem Börsenausschuß, wie ihn der Entwurf aufgenommen hat, und dem gleichnamigen Institut in jenem Antrag. Wie ich schon bei der ersten Lesung hervorgehoben, ist es einer der Grundgedanken des Entwurfs, daß dem Bundesrath weitgehende Befugnisse beigelegt sind, ein wichtiges Anordnungsrecht für gewisse besonders streitige Fragen, bei denen es sich nicht em⸗ pfiehlt, die Lösung sofort durch Gesetz festzulegen, was um so bedenk⸗ licher wäre bei einer neuen Materie, die man zum ersten Mal durch die Reichsgesetzgebung zu regeln unternimmt. Der Bundesrath aber bedarf bei der Ordnung dieser Fragen eines sachverständigen Beiraths. Es sind vornehmlich drei Gruppen von Gegenständen, für welche ihm das Gesetz Befugnisse jener Art beilegen will. Er soll einmal Ausnahmen für einzelne Börsen gestatten können von gewissen Vorschriften über die amtliche Feststellung des Börsenpreises von Waaren und Werthpapieren. Ferner kann er eine amtliche Feststellung des Preises bestimmter Waaren anordnen; drittens soll er einheitliche Grundsätze bestimmen können, hinsichtlich der den Feststellungen von Waaren preisen zu Grunde zu legenden Mengen und über die maßgebenden Gebräuche bei Festsetzung der Preise von Werthpapieren; dies ist die erste Gruppe. Ferner sind dem Bundesrath im Zulassungswesen wichtige Befugnisse eingeräumt. Er soll den Mindestbetrag des Grundkapitals von Aktien bestimmen, die an der Börse überhauußt gehandelt werden dürfen; er kann weiter den

bemessen dürfen. Endlich das die soll er befugt sein, den Börsenterminhandel von Be⸗ dingungen abhängig zu machen, ja ihn ganz untersagen dürfen in bestimmten Papieren und Waaren, und zuletzt soll er die Liefe⸗ rungsqualität des im Börsenterminhandel zu liefernden Getreides feststellen dürfen das sind alles außerordentlich schwierige Ent⸗ scheidungen, welche man ohne technische Kenntnisse nicht fällen kann. Eben deswegen ist ihm ein Organ beigegeben, das er selbst ernennt. Er selbst soll die Mitglieder wählen, von welchen er die besten Kenntnisse erwartet, und nur bezüglich eines Theils sollen ihm dazu Vorschläge gemacht werden, die er annehmen, aber auch zurückweisen ann. Der Entwurf be⸗ stimmte was der Herr Abg. Fischbeck wiederherstellen will —ů daß aus den Vorschlägen der Börsenorgane hervorgehen sollten, weil er auf die technischen Kenntnisse den größten Werth legte. Daß die Börsenorgane eben nur zu Vorschlägen in dieser Hinsicht berechtigt seien, daß sie die nicht definitiv wählen sollten, ist, wie Herr Abg. Fischbeck mit Recht hervorgehoben, vom Handelsstand bitter empfunden worden. Nun sind die t, welche die Börsenorgane vorgeschlagen haben, in der Kommission schon auf die Hälfte herabgemindert, und für die andere Hälfte ist dem Bundesrath eine gewisse Direktive hinsichtlich der Auswahl gegeben. Aber der Antrag des Herrn Abg. Grafen von Kanitz geht erheblich weiter. Ihm liegt offenbar der Gedanke zu Grunde, daß in dem Sachverständigenorgan eine Ver⸗ tretung gewisser Berufsinteressen, sozusagen eine Art von Parlament, geschaffen werden solle. Diesen Gedanken halte ich nicht für richtig. Der Bundetrath vertritt das Interesse der Allgemeinheit. Er berück⸗ sichtigt die Berufsinteressen, soweit sie ihm berechtigt erscheinen. ierbei würdigt er die Rathschläge des Börsenausschusses. Die Be— chlüsse dieser Körperschaft haben also keine entscheidende Be— deutung; der Bundegrath kann von Vorschlägen des Aus— schusses gänzlich absehen; er kann, soweit er sie erfordert, den Vorschlägen folgen oder nicht; er kann auch den Vorschlägen der Minoritäͤt folgen, wenn er diese für die besseren hält. Ich sehe daher nicht ein, weshalb das Zahlenverhältniß bon so großer Bedeutung sein soll, daß man den eigentlich sachverständigen Kreisen nicht einmal für die Hälfte das Vorschlagsrecht einräumen will. Es ist doch in der That außerordentlich unbillig, wenn man bei solchen Dingen, die ein intimes Verständniß des Börsenverkehrs vorausseßen, den Börsen⸗ vertretern nur ein Vorschlagsrecht von einem Drittel gönnen will. Die Sachkunde würde dadurch nach meiner Auffassung zu sehr eingeschränkt für die Gebiete des Zulassungswesens, bei dem Kursfeststellungsber— fahren und der Vereinheitlichung der Börsenpreise, dem Zeitgeschäft für Werthpapiere und dergleichen. Was können bei diesen den Werthpapierhandel, betreffenden schwierigen Dingen industrielle und landwirthschastliche Sachverständige zu sagen haben? 3 glaube, die Sachverständigen aus diesen Berufskreisen erden

sehr gute Dienste leisten können bei der Feststellung!

der Lieferungfqualität des Getreides, bei der Frage, ob der Terminhandel für gewisse Waaren zugelassen oder eingeschränkt werden soll das sind Dinge, bei denen sie sachverständig mitrathen können. Aber bei Fragen des Fondsgeschäfts, welche voraussichtlich einen breiten Kaum einnehmen werden, wird es dem Bundesrath in erster Linie ankommen auf den Beirath solcher Leute, die mit dem Börsenverkehr selbst innig vertraut sind, die dessen Technik beherrschen. Es ist ja nicht ausgeschlossen und wird sicher oft vorkommen, daß unter den von den Börsenorganen vorzuschlagenden Personen sich auch solche befinden, welche gleichzeitig Landwirthe oder Industrielle sind. Nament⸗ lich das Letztere wird sehr häufig zutreffen, aber auch das Erstere. Aus diesen Gründen halte ich es nicht bloß für unbedenklich, sondern geradezu für nöthig, daß man den Vorschlägen der Börsenorgane eine größere Zahl, mindestens die Hälfte der Mitglieder einräumt. Es kommt hinzu, daß wir in Deutschland bekanntlich 27 Börsen haben, deren Verhältnisse keineswegs gleich sind. Mindestens die größeren Börsen bedürfen doch immer einer gewissen Vertretung. Man darf daher nicht bloß an Berlin, Frankfurt, Hamburg, Bremen, Leipzig denken, sondern auch an Breslau, Dresden, Lübeck, München, Mannheim, Köln und andere. Wie können Sie mit 10 Mitgliedern aus den Börsenkreisen auskommen? Ich glaube, schon in dieser Rück⸗ sicht sind mindestens 15 nöthig, ja, kaum ausreichend. Mit 10 Per⸗ sonen dieser Art wird man nicht einmal im stande sein, die Berufungs⸗ kammer im Ehrengericht zusammenzusetzen. Nach 5 17 des Entwurfs sind dazu 12 Personen nöthig, die aus den Vorschlägen der Börsen⸗ organe zum Börsenausschuß hervorgehen, 6 Mitglieder und 6 Stell vertreter, hierzu genügt also das Drittel des Herrn Abg. Graf Kanitz nicht. Alles in allem halte ich es somit für einen unprak— tischen Vorschlag, das Vorschlagsrecht der Börsenorgane auf ein Drittel der Mitglieder des Börsenausschusses zu beschränken. Nun will Herr Abg. Graf Kanitz aber noch mehr. Die Ge— sammtzahl der Vertreter des Handels er scheidet diesen von den Börsenorganen, was doch kaum ausführbar und der Börsenorgane soll die Gesammtzahl der Vertreter der Landwirthschaft und Industrie nicht übersteigen dürfen. Ich weiß nicht, wie das ausgeführt werden soll. Zunächst handelt es sich nicht um „Vertreter“ ich glaube, der Yerr Berichterstatter hat schon darauf aufmerksam gemacht „Vertreter der Industrie, des Handels und der Börsenorgane, sondern nur um Sachverständige aus Berufsgruppen, welche vielfach ineinander übergehen. Es ist nicht richtig und nicht möglich, hier eine Majorität gewisser Berufsz⸗ stände von vornherein anordnen und sichern zu wollen. Es kann bei den künftigen Vorschlägen des Börsenausschusses nur auf bessere Gründe ankommen, nicht auf solche Zahlenverhältnisse. Meine Herren, ich möchte doch rathen, in der Gesetzgebung nicht ein zu weit gehendes Mißtrauen gegen die Organe der deutschen Börsen kundzugeben, ein Mißtrauen, welches sie nach meiner Ueber⸗ zeugung nicht verdienen. Die große Mehrbeit darin bilden notorisch hochachtbare Leute, die wohl wissen, daß es den Interessen ihres eigenen Berufs nicht dienen könnte, wenn sie ungeeignete, minderwerthige Personen dem Bundegrathe für den Börsenausschuß in Vorschlag bringen. Geschähe das wirklich, dann würde der Bundesrath entweder auf den von solchen Leuten gegebenen Rath nicht hören, oder er würde der⸗ artige Personen überhaupt nicht acceptieren, sondern darauf dringen, daß andere Vorschläge gemacht werden. Ich kann also nur bitten, den Antrag des Heren Grafen Kanitz abzulehnen.

Minister für Handel Berlepsch:

Meine Herren! Mich veranlassen die Ausführungen des Herrn Abg. Grafen von Kanitz zu einigen Bemerkungen. In der Sache selbst hat das Nothwendige der Herr Präsident der Reichsbank schon gesagt. Ich fühle mich nur verpflichtet, die Aeltesten der Kaufmann⸗ schaft von Berlin gegenüber den Angriffen, die der Herr Abg. Graf von Kanitz ihnen hat zu theil werden lassen, energisch zu vertheidigen. (Sehr gut! links.) Meine Herren, der Herr Abg. Graf von Kanitz hat bemerkt: „Wessen wir uns von den Wahlen der Börsenorgane zu gewärtigen haben, das mögen Sie aus folgenden Fällen, die ich Ihnen darstellen will, ersehen. Darauf hat er erstlich angeführt, daß in dem Fall Cohn⸗Rosenberg der preußische Handels⸗Minister von dem Börsenvorstand Berlin nicht genügende Auskunft bekommen habe. Die Thatsache, meine Herren, gebe ich als richtig zu, ich habe sie selbst erwähnt. Nach meiner Meinung lag das daran, daß eben die Auf⸗ fassung des Aufsichtsrechts seitens der Aeltesten von Berlin nicht die war, die nach meiner Auffassung nothwendig war und die die Regie⸗ rung eben dazu geführt hat, die Bestimmungen des Gesetzes zu än— dern. Aus dieser Auffassung über das Aufsichtsrecht, nach der die Aeltesten sich nicht für befugt gehalten haben, in den Verlauf eines Geschäfts näher einzudringen, kann man meines Erachtens unmöglich folgern, daß die Aeltesten der Kaufmannschaft, daß der Börsenvorstand von Berlin, wenn er aufgefordert wird, für ein sachverständiges Organ des Reichs die geeigneten Personen zu berufen, nicht nach Pflicht und Gewissen diejenigen einberufen wird, die sie nicht nur für die sach⸗ verständigsten, sondern auch für die zuverlässigsten Mitglieder halten, die sie zu stellen in der Lage sind.

Noch viel weniger beweisend ist der zweite Fall, den der Herr Abg. Graf von Kanitz angeführt hat. Er hat uns erzählt der Fall selbst ist mir des Näheren nicht bekannt, ich habe die Akten nicht gelesen —, daß die Aeltesten von Berlin auf eine an sie ge⸗ richtete, wesentlich juristische Frage wenn ich den Herrn Grafen von Kanitz richtig verstanden habe —, ob das Verfahren einer Firma den Handelsgebräuchen von Berlin entspräche, auf diese Frage die Antwort ertheilt hätten: solche Fälle kommen vor, man kann aber nicht sagen, daß sie dem Handelsgebrauch entsprechen. Der Fall giebt meines Erachtens gar keine Veranlassung, einen moralischen Vorwurf gegen dieselben zu erheben. (Sehr gut! links) Das ist einfach eine juristische Antwort auf eine juristische Frage und weiter garnichts; und aus diesem Verhalten der Aeltesten der Berliner Kaufmannschaft darf man nicht folgern, daß es bedenklich sei, den Börsenorganen die Wahl von Mitgliedern zum Börsen⸗ ausschuß anzuvertrauen. Das liegt doch klar auf der Hand! Wenn von einem Gericht ein Gutachten über eine juristische Frage erfordert wird, so hat die Antwort nur zu lauten: das ist juristisch so und so zu beurtheilen, aber nebenbei noch zu sagen: der betreffende Mann hat im höchsten Maße unmoralisch gehandelt, hat für diese Be⸗ antwortung der gestellten Frage gar keinen Werth. Wenn der Herr Abg. Graf von Kanitz aus diesen beiden Fällen geschlossen hat: wessen können wir uns versehen von der Wahl der Mitglieder des Börsen— ausschusses durch die Börsenorgane? so hat er dazu keine Veranlassung gehabt. Ich muß, und zwar aus genauester Kenntniß der Personen der Berliner Aeltesten, entschieden den gegen sie erhobenen Vorwurf zurückweisen. (Bravo! links.)

Abg. Singer: Der Börsenausschuß soll ein sachverständiger Beirath des Bundesraths sein über Fragen, welche nicht die internen Angelegenheiten der Börse betreffen, sondern allgemeine Volksinteressen auf das lebhafteste berühren, und da ist es nur gerecht, wenn bei einer solchen Institution die Vertreter von Handel und Industrie und auch der Landwirthschaft als Gutachter herangezogen werden. Es verhält sich hier ebenso wie bei irgend einer anderen Enquéte, zu welcher der Bundesrath die sachverständigsten Leute beruft. Die Be⸗ rufung auf 3 Jahre würde ausreichen, es würde dadurch eine gewisse

und Gewerbe Freiherr von

Erstarrung vermieden werden. Wer in ein, zwei Jahren sich mit der Sache nicht vertraut gemacht hat, wird dies auch in pier Jahren nicht erreichen. Der Antrag Kanitz schießt weit über das Ziel hingus; seine Forderung läuft einfach darauf hinaus, daß dem Agrarierthum das Ueber⸗ gewicht über die anderen Stände in dem Ausschuß verschafft werden soll. Ich bitte über die Frage, ob 3 oder 5 Jahre, gesondert abzu⸗ stimmen.

Abg. Placke (nl. spricht sich namens der Mehrheit seiner Freunde für den Kommissionsbeschluß aus; eine weitere Beschränkung der Zulassung von Börsenleuten könne nicht wohl beschlossen werden. Der Bundesrath werde nach dem vorliegenden Material entscheiden, nicht nach der Mehrheit.

Darauf wird um 55, Uhr die Vertagung beschlossen.

Schluß gegen 6 Uhr. Nächste Sitzung: Mittwoch 1Uhr. (Fortsetzung der zweiten Berathung des Börsengesetzes)

Kunst und Wissenschaft.

Jahresbericht über die Herausgabe der Monumenta Germaniae historia.

Von E. Dümmler.

Die 22. Plenarversammlung der Zentral Direktion der Nonumenta Germaniae historica wurde in diesem Jahre vom 9. bis 11. April in Berlin abgehalten. Durch eine Reise wurde Herr Professor Mommsen an der Theilnahme verhindert, Herr Hofrath Maaßen aus Innsbruck fehlte. Anwesend waren die Herren Professor Breßlau aus Straßburg, Geheimer Justiz⸗ Rath Brunner, Professor Dove aus München, Geheimer Regierungs⸗Rath Dümmler als Vorsitzender, Geheimer Rath von Hegel aus Erlangen, Professor Holder⸗Egger, Professor Mühlbacher aus Wien, Professor Scheffer⸗Boichorst und Geheimer Regierungs. Rath Wattenbach. Seine Excellenz Herr Wirk⸗ licher Geheimer Rath von Sybel aiar uns am 1. August durch den Tod entrissen worden.

Im Laufe des Jahres 1895.96 erschienen

in der Abtheilung Auctores antiquissimi: 1) Chronica minora saec. IV, V, VI, VII ed. Th. Mommsen III, 2 (— A. a. XIII, 3); in der Abtheilung Scriptores: ö 2) Deutsche Chroniken 1, 2 (der Trierer Silvrester, das Anno⸗ 3

3) Annales regni Francorum inde ab a. 741 usque ad annum 829, qui dicuntur Annales Laurissenses maiores et Einhardi, recogn. Frid. Kurze;

4) von dem Neuen Archiv der Gesellschaft Bd. XXI, heraus- gegeben von H. Breßlau.

Unter der Presse befinden sich ein Folioband, acht Quartbände.

In der Sammlung der Auctores antiquissimi steht nur noch die demnächst zu erwartende Schlußlieferung des 3. Chronikenbandes aus. Ein ausführliches Register über alle drei Bände ist Herrn Dr. Lucas in Charlottenburg übertragen worden. Im Anschluß an diese Chroniken hat Herr Professor Mommsen seit dem Sommer 1895 die Ausgabe des älteren Theils des Liber pontificalis bis auf Constantinus 1. (S 715) übernommen und zum Zwecke einiger Nachvergleichungen im Januar eine Reise nach Italien angetreten. Vorstudien für diese seit Jahrzehnten vorbereitete und längst mit Sehnsucht erwartete Ausgabe bringt das Neue Archiv. Der Beginn des Drucks ist für den nächsten Sommer in Aussicht genommen.

In der Reihe der Seriptores ist der Druck der merowingischen Heiligenleben im dritten Bande der 88. rerum Merovingicarum durch Herrn Dr. Krusch ununterbrochen fortgeschritten und hat nach vielen vorangehenden Gebilden frommer Dichtung mit Cäsarius von Arles festen historischen Boden erreicht. Die Vollendung des Bandes darf noch in diesem Jahre erhofft werden.

Der 3. Band der Schriften zum Inpestiturstreite ist seit vorigem Sommer in Fluß gekommen; an Stelle des früher dafür thätigen Dr. Dieterich ist Herr Dr. Heinrich Boehmer als neuer Mitarbeiter seit dem 1. Mai eingetreten. Den bedeutendsten Antheil hat jedoch an diesem, wie an dem vorhergehenden Bande, Herr Dr. Sackur in Straßburg, zumal durch die Bearbeitung von Auszügen aus Gerhoh von Reichersberg. Nach einigen Schriften aus der Zeit Heinrich's V., darunter zwei von dem bekannten Honorius von Autun, tritt nunmehr der Streit Friedrich's J. mit Alexander III. in den Vordergrund. Erst nach den darauf bezüglichen Stücken soll dann eine Anzahl von Nachträgen auch für das 11. Jahrhundert sich anschließen, deren Um⸗ fang sich um so weniger übersehen läßt, als auch Herr Dr. Hampe in England noch einige bisher unbekannte Abhandlungen über die Priester⸗ ehe aufgefunden hat.

Der Druck des 30. Foliobandes der alten Reihe der Scriptores ist nach längerer Unterbrechung seit Dezember wieder aufgenommen worden und zwar mit der Chronik des Erfurter St. Petersklosters. Die ausführlichen vorbereitenden Untersuchungen zur Entwirrung der thüringischen Geschichtsquellen des späteren Mittelalters, welche Herr Pro⸗ fessor Holder⸗Egger im Neuen Archiv niedergelegt hat, haben die Ausgabe zwar wesentlich verzögert, aber auch entlastet. Neben den Ergebnissen, welche dieselben für den vorliegenden Band gehabt haben, sollen sie auch einem schon früher beschlossenen Bande von Monumenta Erphes- furtensia saec. XII, XIII, XIV in der Reihe der Handausgaben zu gute kommen, dessen Druck im Sommer beginnen wird. Eine Reise nach Thüringen im September 1895 diente ebenfalls diesen Studien. Für die zweite Hälfte des 30. Bandes sind Nachträge zur Ottonischen und Salischen Zeit bestimmt, u. 4. des Rangerius Vita Anselmi und des Abtes Desiderius Miracula S. Benedicti. Herr Dr. Boehmer nimmt auch für diese Partie als Helfer die Stelle des Herrn Dr. Dieterich ein, während ein neuer Mitarbeiter, Herr Dr. Eberhard aus Gießen nach seinem für den Sommer bevorstehenden Eintritt an den italienischen Chroniken des folgenden Bandes mit- arbeiten soll.

In der Reihe der deutschen Chroniken ist Schröder's. Ausgabe der Kaiserchronik in erwünschter Weise durch den damit zusammen⸗ hängenden Trierer Silvester und das schon lange sehnlich erwartete Annolied ergänzt worden. In dem 3. Band gelangte der Text von Enikel's Fürstenbuch durch Herrn Professor Strauch in Halle zum Abschluß, und es wurde als Anhang das von Herrn Konzipisten Dr. Jos. Lampel in Wien herausgege ene Oester⸗ reichische Landbuch gedruckt. Somit erübrigen nur noch Register und Einleitung, die im Laufe des Jahres nachfolgen werden. An dem 6. Band hat Herr Professor Seemüller in Innsbruck seine Thätigkeit mit Eifer fortgesetzt und auf einer Reise nach England im Frühjahr 1895 sowie nach Ober ⸗Oesterreich weitere Handschriften des Hagen ausgebeutet, auch die Zwettler Denkmäler an Ort und Stelle bearbeitet, doch werden noch sernere Studien in Wien und München nöthig sein, um den Umkreis dieser Chroniken genauer festzustellen. Die von Herrn Dr. Heinr. Meyer in Göttingen unter Leitung des Herrn Professor Röthe berauszugebenden politischen Sprüche und Lieder in deutscher Sprache sind in regelmäßigem Fertschritt begriffen und zeigen einen wachsenden Reichthum an Materlal. Herr Professor Holland in München hat uns seine in früherer Zeit dafür angelegten Sammlungen freundlichst zur Verfügung gestellt.

Die Abtheilung Leges hat am 9. März durch den Tod ihres rüstigen und verdienstvollen Mitarbeiters Herrn Dr. Victor Krause einen schmerzlichen Verlust erlitten, um so schmerzlicher, als dadurch zunächst wieder der zweite Band der Capitularia regum Francorum betroffen wird, der durch die Erkrankung des Herrn Professor Boretius schon einmal eine lange Hemmung erlitten hatte. Dennoch hoffen wir, das nur zum theil abgeschlossene Sachregister sowie die fehlende Einleitung mit Aufzählung der Handschriften noch in diesem Jahre fertig zu stellen. Die Ausgabe des Benedictus Levita, für welche Krause im Winter vor einem Jahre eine Reise nach Rom unter⸗ nommen hatte, ist dem Privatdozenten Herrn Dr. Emil Seckel in Berlin übertragen worden. .