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Abg. Schmid— adt (Zenkr) spricht für 8 3. ö e lat en . . . gegen
3 2a stimmen würden, einige allerdings nur unter der Bedingung
der Annahme des 5 26 (Zusatz von Phenolphthalein). kei Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer⸗ ein:
Ich habe zu dem 5 22 mitzutheilen, daß neuerdings festgestellt worden ist, daß auch ohne Anwendung von Färbemitteln, mit von auzwärts zu beziehendem, sehr gelbem Oel Margarine mit voller gelber Butterfarbe herzustellen ist. Sie ersehen daraus, daß das beantragte Verbot voraussichtlich wirkungslos sein würde. Wenn Sie das Verbot des Färbens annehmen, so liegt darin immerhin eine gewisse Inkonsequenz, weil dann auch das Färben der Butter ver boten werden müßte. (Sehr richtig! links) Uebrigens werden Sie wahrscheinlich das Ziel, was Sie mit diesem Paragraphen er reichen wollen, nicht erreichen, möglicherweise aber befördern, daß auswärtige Produkte zur Margarinefabrikation bei uns ein⸗ geführt werden, die wir lieber nicht einführen wollen. Es gehört aber diese Bestimmung auch zu denjenigen, die zweckmäßiger nach der Ansicht der verbündeten Regierungen fortbleiben, denn man beabsichtigt doch nicht, der Margarine ein unappetitliches Aussehen zu geben. Erkennt man an, daß Margarine ein billiges und zu erhaltendes Volksnahrungsmittel ist, dann soll man auch nicht dazu beitragen, das billige Nahrungsmittel unappetitlich zu machen, oder demselben das Ansehen zu nehmen. (Sehr richtig) Der Schwerpunkt liegt darin, daß man Mittel und Wege findet, die eine sichere Feststellung der Thatsache ermöglichen, daß Margarine als Butter in den Handel gebracht worden ist. Zur Erreichung dieses Ziels werden die Be—⸗ stimmungen des 5 2a nach Ansicht der verbündeten Regierungen nicht
beitragen.
Abg. Weiß (fr. Volksp.): Ich schließe mich diesen Ausführungen an; wenn die Margarine nicht gefärbt werden darf, dann wird man die weiße süddeutsche Butter für Margarine halten, und der bayerische Bauer würde gezwungen werden, seine Butter zu färben. Die Bei⸗ mischung von Margarine zur Butter bildet nur 20 aller Fälschungen; häufiger lommt der Zusatz von Faktoreibutter und namentlich ein hoher Wassergehalt vor. Es ist unlogisch, das Färben der Butter, des Genußmittels der Wohlhabenden, zu gestatten, das Färben der Mar— garine aber zu verbieten.
Abg. Graf von Holste in d. kons.) bestreitet dem Minister gegen über, daß mit der Färbung der Margarine die Färbung der Hutter eben⸗ falls verboten werden müsse. Die Färbung der Butter, führt Redner aus, . hauptsächlich für den Hamburger Markt, da die Engländer die gelbe Farbe der Butter verlangen. Bei der Margarine wird aber die gelbe Färbung nur zur Täuschung benutzt. Wenn im Januar
elbe Butter geliefert wird, so ist es doch selbstverständlich, daß das eine Grasbutter sein kann. Die Fälschung der Butter hat überhand genommen. In Berlin sind in verschiedenen Jahren Proben ent— nommen und untersucht worden; 48 bis 68 J aller Butterproben haben sich als gefälscht erwiesen. Wenn die armen Leute in Berlin auch nur 19 3 für das Pfund zu viel zahlen, so geht das in die Hunderttausende. Man verbiete das Färben der Margarine, um den Beamten die Kontrole der Butterfälschung zu erleichtern.
Abg. Müller Waldeck hält die Bestimmung des § 2a für die wichtigste des ganzen Gesetzes; das gehe namentlich auch aus den zahl⸗ reichen Petitionen hervor. Die Margarine habe ein schwärzlich graues Aussehen; ihre Färbung sei auf Täuschung berechnet, und namentlich würden die Arbeiter geschädigt, welche die Margarine theuer bezahlen müßten, weil sie der Butter ähnlich sähe.
Abg. Herbert begründet den Antrag auf Streichung des § 22 damit, daß durch das Verbot der Färbung die Margarine den Konsu⸗ menten verekelt werden solle. Draußen im Lande sei man empört über diese Bestimmung; die scharfen Worte in den Versammlungen seien nur das Echo der Verhandlungen der Kommission.
Abg. Dr. Barth: Das Färbemittel wird die absichtlichen Faͤlscher erst recht zur Färbung anreizen; die Vorschrift würde kein Schutz für den Konsumenten sein. 6
Abg. Steininger (Sentr.) bestreitet, daß die But rr gefärbt werde, um über die Qualität zu täuschen; in Hamburg werde die Margarine gefärbt für den englischen Export, um dem englischen Geschmack zu genügen.
Abg. Iskraut empfiehlt die Annahme des 5 2a und spricht seine Verwunderung darüber aus, daß der Landwirthschafts⸗Minister auf dem Standpunkt derjenigen stehe, welche die Margarine der Butter möglichst ähnlich sehen wollten.
Abg. Wurm (Soz.): Wenn das Färben der Butter erlaubt ist, warum soll das Färben der Margarine verboten werden? Man chikaniert damit nur den Konsumenten; der Betrug wird dadurch nicht verhindert, aber das Publikum wird in Sicherheit gewiegt, als ob es gegen Betrug geschützt sei. ,
Abg. Graf von Holstein stellt fest, daß die Bauernbutter nicht gefärbt werde; die feinste Exportbutter, die nach England geht, müsse gefärbt werden. Man habe lange nach einer Farbe für die Margarine gesucht; aber das sei nicht gelungen. Jedenfalls sei nicht danach gestrebt worden, durch die Färbung die Margarine zu veredeln.
Abg. Graf von gere e rns (b. k. F.:: Meine Freunde wollen den unlauteren Wettbewerb verhindern, dazu ist es aber nicht nöthig, die Vorschriften des 22 und 26 zu erlassen.
Damit schließt die Debatte.
s 2a wird in namentlicher Abstimmung mit 138 gegen MN Stimmen angenommen; für 5 2a stimmen geschlossen die Deutschkonservativen, die Reichspartei, das Zentrum und die Polen; dagegen die Sozialdemokraten, die freisinnige Ver⸗ einigung, die freisinnige und deutsche Volkspartei, die National⸗ liberalen. .
Sz 2b bestimmt, daß bei der gewerbsmäßigen Herstellung von Margarine oder Margarinekäse auf 100 kg 1 8 Phenolphthalein zugemischt werden müsse.
Abg. Dr. Clem m. Ludwigshafen erklärt sich gegen 5 2b, weil der ig zwar eine Färbung zeige, aber nicht den Beweis liefere, daß die Waare, welcher der Zusatz beigegeben sei, Marggrine sei; es könne ebenso gut Butter oder Schweineschmalz sein. Außerdem sei aber das Auswaschen des Pbenolphthaleins sehr leicht.
Abg. Wurm hält ebenfalls die Kontrolmaßregel für nicht hinreichend; es müßte alle eingeführte Butter und Margarine mit Phenolphthalein versetzt werden. Wäre das nicht der Fall, so würde man Margarine vom Auslande als Butter deklarieren und sie dadurch von der Kontrole freimachen. Die ganze Vorschrift würde nur den Betrug befördern. Der Einwand, daß die Auswaschung des Zusatzes nicht leicht sei, sei nicht stichhaltig. Eine Knetmaschine könne jeder Butterhändler besitzen, denn er müsse verschiedene Buttersorten durcheinander mischen. Die Arbeiter seien so abhängig von ihren Arbeitgebern, daß sie vielfach noch das Wort befolgten: Weß' Brot ich ö deß' Lied ich singe. Vielleicht würden die Arbeiter fogar wegen Verraths des Gel f ragehr en f, bestraft, wenn sie von solchen Manipulationen etwas anzeigten. Redner empfiehlt die Streichung des § 2b. J
Abg. Weiß spricht ebenfalls für die, Streichung des § 2h.
henolphthalein set durchaus kein unschädliches Mittel; denn die
argarine solle dadurch leicht ranzig werden. In der Kommission habe man für die Bestimmung gestimmt, mit dem Vorbehalt, daß Versuche vom Reichs. Gesundheitgamt angestellt würden. Es wäre interessant, zu erfahren, wie diese Versuche ausgefallen seien. Werde der Zusatz beschlossen, dann müßten die sämmtlichen Fabriken Tag und Nacht unter Aufsicht gestellt werden, dann müßte ferner die Ein⸗ fuhr von Butter und Margarine aus dem Auslande unter Kontrole gestellt werden.
Geheimer Qber-⸗Ytegierungs ⸗Rath im Reichsamt des Innern Dr. Hopf: Bei der eingehenden Berathung der Kommission haben die Vertreter der verbündeten Regierungen sich gegen 5 2b auggesprochen, und der Bundesrath hat bisher keine Ver⸗ anlassung gehabt, seine Haltung zu dieser dag zu ändern. Die Versuche des Kaiserlichen Gesundheitsamts haben die Annahme zweifelhaft erscheinen lassen, daß der Zusatz von Phenolvhthalein
chädlich sei für den Menschen und für die Margarine selbst. Es hat sich ergeben, daß sich bald Veränderungen zeigen, Schimmelbildungen u. s. w. Die weiteren Versuche sind noch nicht abgeschlossen; es ist eine längere Zeit dazu nöthig. Bei frischem Margarinekäse ist Phenolphthalein leicht nachzuweisen, aber es sprechen Anzeichen dafür, daß bei altem Käse, weil gewisse Zersetzungen ein treten, der Zusatz nicht mehr bemerkbar ist. Die Auswaschung des Phenglyhthaleins ist sehr leicht; die dabei verlgren gehenden Mengen von Milch und Salz können leicht wieder ersetzt werden.
Gegen die Stimmen einiger Konservativen wird 5 26 abgelehnt.
Die S8 3—5 erhalten die Bestimmungen über die Be⸗ aufsichtigung der Räume, in denen Butter, Margarine, Margartnekaͤse und Kunstspeisefette hergestellt werden. (Das Wort „Butter“ ist von der Kommission eingefügt worden.)
Nach ö 4 sollen die Beamten der Polizei und die von der Polizeibehörde beauftragten Sachverständigen den Zutritt u diesen Räumen haben. Die Sozialdemokraten wollen nur
en sachverständigen Beauftragten der Polizeibehörden den Zutritt gewährt wissen, und zwar nur während der Geschäfts⸗ und Betriebszeit.
Abg. Dr. Schneider (fr. Volksp.) unterstützt diesen Antrag.
Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer⸗ stein:
Die verbündeten Regierungen müssen den größten Werth darauf legen, daß diejenigen Bestimmungen, welche dazu dienen sollen, eine strenge Kontrole über die Ausführung und Beachtung des Gesetzes zu üben, aufrecht erhalten werden. Dazu gehören auch die Bestimmungen des 5 4, weil sie den Polizeiorganen die Möglichkeit gewähren, fest⸗ zustellen, ob und wo Fälschungen vorgenommen werden. Ich bitte also, alle Anträge, welche bezwecken, diese Kontrole zu erschweren, ab⸗ zulehnen.
Abg. Harm (Soz.) befürwortet den Antrag der Sozialdemo— kraten im Gegensatz zu der, nach seiner Behauptung, lediglich agrarischen Interessen dienenden Vorlage.
Die Abgg. von Grand⸗Ry (Sentr.) und Graf von Holstein weisen de hin, daß die Agrarier selbst beantragt hätten, auch die Butterfabrikation unter dieselbe . zu stellen.
Der Antrag der Sozialdemokraten wird abgelehnt, und die * 3—5 werden unverändert angenommen.
arauf wird die weitere Berathung abgebrochen. Schluß nach 5 Uhr. Nächste Sitzung: Mittwoch 1 Uhr. (Fort⸗ setzung der Berathung des Margarinegesetzes, dritte Berathung der Vorlage, betreffend den unlauteren Wettbewerb, und der Novelle zur Gewerbeordnung; auf eine Anregung des Abg. Singer (Soz.) erklärt Präͤsident Freiherr von Buol, daß der „Schwerinstag“ an einem späteren Tage der Woche statt— finden solle.)
Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 63. Sitzung vom 5. Mai 1895. Ueber den ersten Theil der Sitzung ist gestern berichtet worden. . Das Haus setzt zunächst die zweite Berathung des Gesetz⸗ entwurfs, betreffend die Regelung der Richter⸗
gehälter, fort. Nach 35 würde das Besoldungsdienstalter der bereits
angestellten Landrichter und Amtsrichter auf den Tag ihrer
ersten etatsmäßigen Anstellung oder, falls diese Anstellung später als vier Jahre nach dem Tage erfolgt ist, auf den ihr richterliches Dienstalter gemäß der Verordnung vom 16. April 1879 festgesetzt ist; auf den vier Jahre nach diesem Tage liegenden Tag beftimmt. Die Kommission hat statt „vier Jahre“ „drei Jahre“ gesetzt.
Geheimer Sber⸗Finanz⸗Rath Lehnert widerspricht diesem Be⸗ schluß, weil dadurch eine jährliche Mehrausgabe von ca. I Million Mark entstehen würde. ⸗
Abg. Graf zu Lim burg⸗Stirum (kons.) schließt sich den Aus— führungen des Regierungskommissars an. Für das erforderliche Ueber— gangsstadium genüge das vollkommen, was die Regierungsvorlage biete. Die Richter dürften vor den anderen Beamtenkategorien nicht bevorzugt werden. . )
Abg. Kirsch (Zentr.) hält den Beschluß der Kommission für das wenigste, was die Richter verlangen könnten. Nach der Regierungs⸗
vorlage erhielten die Richter erst nach sieben Jahren das Gehalt
pon Joo M0
Geheimer Ober FinanzRath Lehnert tritt nochmals dem Ver— such entgegen, bei dieser Gelegenheit eine Gehaltsaufbesserung der , vor der allgemeinen Aufbesserung der Beamtengehälter vor⸗ zunehmen.
Abg. Lohmann-Hagen (ul.) spricht sich für die Kommissions⸗ fassung aus; damit solle keine Aufbesserung vorgenommen, sondern nur ein Ausgleich dafür geschaffen werden, daß die Richter nach diesem Gesetz im Anfang langsamer im Gehalt aufsteigen als bisher.
Justiz⸗Minister Schönstedt:
Meine Herren! Wenn ich hier lediglich als Justiz. Minister stände, so könnte ich ja nur freudigen Herzens dem Antrage der Kom⸗ mission zustimmen, da derselbe eine Verbesserung der finanziellen Lage der Richter bezweckt, die ich an und für sich für durchaus erwünscht halte. Aber, meine Herren, als Mitglied des StaatsMinisteriums kann ich mich doch nicht den allgemeinen Erwägungen verschließen, die gegen die Annahme der Kommissionsbeschlüsse vorgebracht sind, und ins⸗ besondere nicht übersehen, welche Schwierigkeiten dem Zustandekommen des Gesetzes bei dem bestimmt erklärten Widerspruch der Finanz⸗ verwaltung erwachsen werden, wenn es bei den Kommissionsbeschlüssen bleibt. Das eine ist nicht zu leugnen, daß der Antrag eine weiter⸗ gehende Bevorzugung der Justizbeamten bezweckt, als sie bereits von der Regierungsporlage in Aussicht genommen war, und die Regierungs— vorlage ist ja, wie in der Begründung dargelegt ist, schon von dem Standpunkt ausgegangen, daß eine gewisse Bevor⸗ zugung der Justizbeamten gegenüber den Beamten der anderen Verwaltungen berechtigt sei. Wie die Grenze gezogen ist, ersehen Sie des Näheren aus der Begründung der Vorlage; nur die über vier Jahre hinaus vorgekommene Wartezeit als Assessor in Anrechnung zu bringen auf das Besoldungsdienstalter, be⸗ ruht auf den statistischen Feststellungen über die Durchschnitts⸗« zeit, welche die Richter bis zur ersten Anstellung bisher haben durchmachen müssen, und sie ist günstiger, als die rein kalkulatorischen Berechnungen, die in dieser Beziehung angestellt
sind, es rechtfertigen würden. Db es richtig ist, was der Abg. Loh⸗ mann soeben auszuführen versucht hat, daß die Annahme des Kom missionsantrags innerhalb der Grenze der bisherigen Dienstaufwen⸗ dungen der Gehälter des höheren Justizdienstes bleiben würde, glaube ich nicht ohne weiteres zugeben zu können; selbstverständlich bin ich auch nicht in der Lage, das sofort zu widerlegen und würde das den Vertretern der Finanzverwaltung überlassen müssen. Aber nach den im Justiz⸗Ministerium angestellten Berechnungen trifft die Sache nicht zu. Der Herr Abg. Loh⸗ mann scheint von einer, nach meiner Meinung, unberechtigten An nahme ausgegangen zu sein, von der Eventualität einer starken Stellenvermehrung in den nächsten Jahren, wie sie das geschäftliche Bedürfniß erfordern würde, und will die etwa daraus bei der Fort⸗ dauer der gegenwärtigen Gehaltsregelung für die richterlichen Beamten sich ergebenden Vortheile gewissermaßen konservieren. Aber, meine Herren, mit solchen Eventualitäten darf doch nach meiner Meinung bei dem Gesetzentwurf nicht gerechnet werden, und so sehr ich be⸗ dauere, daß eine weiter gehende Konzession, die in ihren Resultaten allerdings auch nach meiner Ueberzeugung eine Gehalteverbesserung darstellen würde, bei diesem Anlaß nicht erreicht werden kann, so muß ich doch mich der Auffassung der Finanzverwaltung im Interesse der Sache selbst anschließen.
8 5 wird in der Kommissionsfassung gegen die Stimmen der Konservativen und einiger Zentrumsmitglieder ange⸗ nommen.
Die S5 6 und 7 werden ohne Debatte genehmigt.
Den §z 8 (Assessorenparagraph) hat die Kommission ganz gestrichen. Er bestimmte:; Die Ernennung der Gerichts⸗ Assessoren erfolgt nach Maßgabe des für den höheren Justiz⸗ dienst bestehenden Bedarfs. Die Referendare, welche die große Staatsprüfung bestanden haben, aber nicht zu Gerichts⸗ Assessoren ernannt werden, erhalten ein Zeugniß über das Bestehen der Prüfung und scheiden mit der Zustellung dieses Zeugnisses aus dem Justizdienst aus; sie sind befugt, die Be⸗ zeichnung als Assessor zu führen.
Hierzu beantragen: ; .
1) Abgg. Busch u. Gen. (kons), den 8 8 in folgender Fassung anzunehmen:
Die Referendare, welche die große Staatsprüfung bestanden haben, erhalten darüber ein Zeugniß und die Befugniß, den Titel Gerichts⸗Assessor zu führen. Dieselben scheiden aus dem Justizdienst aus. Diejenigen, welche in den höheren Justizdienst eintreten wellen, haben lhre Annahme bei dem Justiz⸗Minister zu beantragen. Die Annahme erfolgt nach Maßgabe des für den höheren Justiz⸗ dienst bestehenden Bedarfs. Das Justiz. Ministerium erläßt die hierzu erforderlichen Ausführungsbestimmungen. .
2) Abg. Schmieding (ul.), den 8, wie folgt, zu fassen:
Ueber die Zulassung derjenigen Rechtskandidaten, welche die erste juristische Prüfung bestanden haben und sich zur Vorbereitung für die Befähigung zum Richteramt melden, entscheidet die Justiz= verwaltung nach Maßgabe des Bedarfs. Die Zulassung erfolgt in der Regel nach der Reihenfolge der Meldungen. Die näheren Aus⸗ führungsbestimmungen werden vom Justiz⸗Minister im Wege des Regulativs erlassen. ; ö
3) Der Abg. Hofmann (nl), den 8 q8z, wie folgt, zu fassen: ;
Ueber die Zulassung derjenigen, welche die erste Prüfung bestanden haben und sich zur Vorbereitung für die Befähigung zum Richteramt melden, entscheidet die Justizverwaltung nach Maßgabe des Bedarfs. Die Zulassung erfolgt in der Regel nach der Reihenfolge der Meldungen. Die näheren Ausführungs⸗ bestimmungen werden vom Justiz. Minister im Wege des Regulativs erlassen. Die Referendare, welche die große Staatsprüfung be—⸗ standen haben, werden zu Gerichts⸗Assessoren ernannt und auf ihren Antrag von dem Justiz⸗-Minister nach Maßgabe des für den höheren Justizdienst bestehenden Bedarfs einem Amts, oder Landgericht oder mit ihrer Zustimmung einer Staatsanwaltschaft zur vorläufig unentgeltlichen Beschäftigung überwiesen. Doch ist der Justiz⸗ n fen berechtigt und auf gestellten Antrag verpflichtet, den zum Gerichts -Assessor Ernannten auch über diesen Bedarf hinaus auf be—⸗ stimmte Zeit, auf Verlangen mindestens zwei Jahre, einem Amts⸗ oder Landgerichte zur unentgeltlichen Beschäftigung zu überweisen. Diejenigen Gerichts-Assessoren, welche innerhalb Monatsfrist nach bestandener Prüfung keinen Ueberweisungsantrag gestellt haben, scheiden mit Ablauf dieser Frist, die auf kestimmte Zeit über— wiesenen mit Ablauf dieser Zeit oder, sofern die Ueberweisungs⸗ frist verlängert wird, nach Ablauf dieser Frist aus dem Justiz- dienst aus.
Abg. Roeren (3entr):. Es fragt sich, ob wir das alte, seit Jahrhunderten bestehende System, daß jeder, der die Befähigung bewiesen habe, im Justizdienst angestellt werden müsse, verlassen wollen zu Gunsten der Auswahl der Richter durch die Verwaltung. Für diesen Zweck hätte man lieber ein besonderes Gesetz machen sollen. Die Regelung der Richtergehälter kann ohne diesen Para⸗ graphen vorgenommen werden. Ich erinnere an das Lehrerbesoldungs—⸗ gesetz; die Gehaltscegelung der Lehrer liegt auch völlig im Dunkeln, die Regierung wollte sie ganz unabhängig von anderen Fragen für sich vornehmen. Und hier erklärt die Regierung die Regelung der Richser⸗ gehälter ohne 5 8 für unannehmbar. Die Regierung scheint also auf 38 das Hauptgewicht zu legen, die Vorlage ist nur gemacht, um den
8 durchzubringer. Die Richter wollen lieber auf alle Gehalts- zulagen verzichten, als auf die Unabhängigkeit der Justizpflege. Wir sollen Vertrauen zur Auswahl der Justizverwaltung haben, dann soll man uns doch wenigstens sagen, nach welchen Grundsätzen die Auswahl erfolgen soll. Es kann ein jeder Assessor wegen des geringsten Tadels ausgeschlossen werden. Nach Auswahl der Assessoren mit den besten Examen und Ausschluß derjenigen, gegen welche be— gründeter Tadel vorliegt, bleiben noch etwa 300 Assessoren jährlich übrig, die völlig gleichwerthig sind und von denen der Minister nur 150 gebraucht. ie soll da die Auswahl erfolgen? Etwa durch das Loos oder nach dem Alphabet? Da wird aber lediglich die soziale Stellung entscheiden. Und der Justiz ⸗Minister kennt sie doch nicht alle, die Entscheidung liegt also in den Berichten der aussichtführenden Richter. Von einer gelegentlichen Bemerkung in der Gesellschaft, von dem ge— legentlichen gesellschaftlichen Ton kann die ganze Zukunft des jungen Mannes abhängen. Daher wird er danach streben, den Wuͤnschen seines Vorgesetzten möglichst nachwukommen, und die sind von vorn herein im Vortheil, die darin Uebung und Geschick besitzen. So wird ein Streberthum großgezogen, das gerade im Justizdienst am unerträglichsten ist. Die Klagen gegen unsere Justiz gehen nicht auf mangelnde wissenschafstliche Befähigung der Richter hinaus, sondern auf den großen Formalismus in der Rechtsprechung und die Entschei⸗ dungen nach politischen und sozialen Gesichtspunkten. Dieses System wird durch den S8 nur gefördert. Die besten Kräfte werden noch mehr zu anderen Verwaltungen übergehen. Der Regierungs⸗Rath steht ja eine Rangstufe höher als der gleichaltrige Amtsrichter. Hier sollte einmal die Justizverwaltung ihre Energie anwenden, um darin Wandel zu schaffen. Ueherfüllung herrscht in allen Berufszweigen, und unsere Justiz ist seit 0 Jahren damit fertig geworden. Sorgen Sie für die Erhaltung der Unabhängigkeit unseres Richterstandes!
Abg. Freiherr von Richthofen (kons. : Ich sehe nicht ein, warum das Publikum die Richter nicht mehr für unabhängig ansehen soll, wenn einige ungeeignete Elemente auggeschlossen würden. In keinem Staat 7 der Andrang der Juristen so groß wie in Preußen. Das Gesetz ist 3 um des 5 8 willen gemacht, es handelt sich um zwei verschledene Bedürfnisse in diesem Gesetz: die Alterszulagen und
die Auswahl der Assessoren. Die letztere ist nothwendig, um die Ginführung der Alterszulagen überhaupt zu ermöglichen. Wir erkennen das Prinzip deg § 8 als richtig an; in der Ausführung haben wir in der Kommission Entgegenkommen bewiesen und andere Vorschläge gemacht, welche die Kommission aber abgelehnt hat. Alle anderen Verwaltungen haben das Recht der Auswahl ihrer Beamten, warum soll also die Justizverwaltung allein darin beschränkt sein? Der Antrag Hofmann geht uns zu weit. Wenn Sie unsern Antrag annehmen, werden Sie dem Vaterland einen Dienst erweisen.
Abg. Schmieding (al: Die Art der Abhilfe für den Andrang, wie sie 3 8 giebt, ist eine Medizin, die schlimmer ist als das Uebel selbst. Wir sind für eine Regelung des Vorbereitungsdienstes, können aber für den Antrag Busch nicht stimmen.
Die . Krause⸗Waldenburg und Zimmermann fr. kons.) beantragen, sowohl dem Antrag Schmieding als dem Antrag Hofmann hinzuzusetzen, was der Antrag Busch will; dafür soll im Antrag Hofmann der Theil von „die Referendare, welche die große Staats- prüfung bestanden haben“ biß zum Schluß wegfallen; ferner soll statt Justiz⸗Minister! „Staats- Ministerium . gesetzt werden.
Abg. Dr. Klasing nf spricht sich für den Antrag Busch aus. Herr Schmieding erkenne mit seinem Antrag selbst an, daß ein Uebel⸗ fer bestehe, der beseitigt werden müsse. Die Regierung habe die Vorlage machen müssen, damit das Niveau des Richterstandes nicht herabgesetzt werde,. Gin Streberthum werde nicht gefördert, er wolle ebenfalls die Unabhängigkeit des Richterstandes aufrecht er halten. Für den Antrag Schmieding könne er stimmen, müsse aber auch noch die Korrektur bei den Assessoren nach dem Antrag Busch verlangen. Er bitte um Annahme der beiden Anträge, nicht aus parteipolitischen, sondern aus sachlichen Gründen.
Der Antrag Hofmann wird zurückgezogen.
Abg. Os walt (nl) will die qualitative Auswahl der Assessoren nicht zulassen, sondern nur die quantitative Beschränkung nach dem . Schmieding. Schon der jetzige Rechtszustand, führt er aus, läßt eine gewisse qualitative Auswahl zu, denn es könnten von der Beschäftigung als Referendare ausgeschlossen werden diejenigen, welche dessen als unwürdig“ erscheinen und sich nicht tadellos führen; auch von der Rechtsanwaltschaft könnten Unwürdige ausgeschlossen werden. Daß die Vorlage diese jetzt bestehenden Bestimmungen aufhebt, ist sogar eine Milderung, die wir aber auf das schärfste zurückweisen, namentlich weil der Rechtsanwaltstand dadurch herabgesetzt wird. Sämmtliche Anwaltskammern haben sich gegen die Vorlage aus⸗ gesprochen. Nun soll der Minister, während er bis jetzt nur Un— würdige auszschließen kann, in Zukunft auch Würdige ausschließen dürfen. Die Nuance der Würdigkeit ist viel schwerer festzustellen als das Wissen. und sie ist ein so unbestimmter Begriff, daß wir darauf kein Gesetz aufbauen können. Irrthümer sind dabei nicht aus⸗ r fen denn der Charakter eines Menschen ist sehr schwer zu er— ennen. Wo ist die Direktive, nach welcher die Auswahl erfolgen soll? Man sagt, warum solle die Justizverwaltung nicht das Recht aller anderen Verwaltungen zur Auswahl haben. Denken Sie an das Ministerium des Innern. Auf der rechten Seite des Hauses sitzen 40-50 Staatsbeamte aus der Verwaltung des Innern, auf der linken kein einziger. Ist das ein Zufall? Sollen wir etwas Aehnliches für die Justiz ermöglichen? Wir stimmen heute für den Antrag Schmieding, behalten uns aber unsere definitive Entscheidung für die dritte Lesung vor. Die Kronrechte werden nicht, wie man sagte, ver⸗ dunkelt durch den Nichtgebrauch. Wenn der Minister bisher sein Recht zum Ausschluß Unwürdiger zu milde gehandhabt hat, so sind wir damit einverstanden, daß er es in Zukunft schärfer ausübt. Unser Standpunkt weicht von dem der Regierung garnicht so weit ab, im Ziel sind wir einig, nur in den Mitteln gehen wir auseinander. Wir haben schon genug Gegensätze und Kämpfe im öffentlichen Leben, be⸗ schwören Sie nicht noch einen Kampf um die Justiz herauf.
Justiz-Minister Schönstedt:
Meine Herren! Ich kann die versöhnenden und vermittelnden Worte, mit denen der Abg. Dr. Oswalt seine an erwägenswerthen Bemerkungen reiche Rede geschlossen hat, nur mit Dank und An— erkennung acceptieren. Ich kann es ebenso anerkennend aussprechen, daß die bisherige heutige Verhandlung einen ruhigen sachlichen Verlauf genommen hat und weniger Schärfen und Spitzen in den Gegen— sätzen gezeigt hat, als dies bei der ersten Lesung der Fall gewesen ist.
Wenn ich es unternehme, auf die Ausführungen des Herrn Abg. Dr. Oswalt etwas zu erwidern, so muß ich von vornherein darauf verzichten, auf die sämmtlichen von ihm hervorgehobenen Gesichts⸗ punkte hier des Näheren einzugehen. Ich glaube kaum, daß mein Gedächtniß treu genug ist, daß ich seinem Gedankengang in allen Einzelheiten folgen könnte. Mit besonderer Genugthuung hat es mich erfüllt, daß in wesentlichen, grundsätzlichen Dingen eine voll— ständige Uebereinstimmung zwischen den Ausführungen des Herrn Abg. Dr. Oswalt und denen der Staatsregierung besteht. Der Herr Abg. Dr. Oswalt hat Ihnen auseinandergesetzt, — und er bat in dieser Beziehung eine Vergleichung vermißt — zwischen durch Gesetz herbeigeführten künftigen Rechtszustand und dem geltenden Recht —, daß eigentlich das, was das Gesetz will, schon geltendes Recht sei, und daß auch ohne die Bestimmung des §8 im wesentlichen die Zwecke der Vorlage erreicht werden könnten. Nun, meine Herren, ganz neu ist diese Behauptung ja nicht, sie ist bereits in der Be—⸗ gründung und in der ersten Berathung zum Ausdruck gekommen. Auch ich und die Königliche Staatsregierung stehen auf dem Standpunkt, daß im wesentlichen das Recht, welches § 8 der Vorlage in seinem Grundgedanken — ich will absehen von seinem Wortlaut und seinen Einzelheiten — für die Staatsregierung und die Justizverwaltung in Anspruch nimmt, daß im wesentlichen dieses Recht schon besteht, daß es aus der Verfassung und den alten Bestimmungen der preußischen Gerichtsordnung sich ergiebt.
Abweichen muß ich aber von den Ausführungen des Herrn Abg.
Dr. Oswalt in der Richtung, wenn er in Zweifel ziehen will, daß dieser bestehende Rechtszustand verdunkelt sei. Ich meine, ein besserer Beweis dafür, daß dieser Rechtszustand durch die vielleicht ein Jahr—⸗ hundert bestehende Praxis verdunkelt worden sei, eine bessere Anerkennung dieser Thatsache läßt sich nicht finden, als in der lebhaften Opposition, der die von der Ge⸗— setzes vorlage beabsichtigte Klarstellung des bestehenden Rechtszu⸗ standes in so weiten Kreisen begegnet ist. (Sehr richtig! rechts.) Es würde deshalb nicht unschlüssig gewesen sein, wenn Herr Abg. Oswalt aus seinen Ausführungen zu dem Ergebniß gekommen wäre, daß der lebhafte Widerstand gegen den Grundgedanken des Gesetzes doch eigentlich der vollen inneren Berechtigung entbehre, und daß, wenn man nicht den Wortlaut des 5 8 acceptieren will, doch der Grund⸗ gedanke in einer milderen Form wohl Anspruch habe auf die Anerkennung der gesetzgebenden Faktoren. Meine Herren, etwas Weiteres will das Gesetz nicht, als in der Hauptsache das klarstellen, was bisher Rechtens war. Es hat aber gegenüber der langjährigen Praxis und gegenüber den Anschauungen, die sich auf Grund dieser Praxis in weiten Kreisen gebildet haben, und die ja gerade hier von der Seite der Herren den lebhaftesten Ausdruck gefunden haben, die Staatsregierung geglaubt, daß es ein Bedürfniß sei, die Klarstellung des bestehenden Rechtszustandes in gesetzlicher Form durch ein neues Gesetz zu suchen. Deshalb ist es nicht etwas ganz Ueber—
flüssiges, was die Vorlage gewollt hat. Die Regierung hat sich in!
ihrer Auffafsung der Züstimmung der Landesbertretung, der gefetz⸗ gebenden Körperschaften sichern wollen; sie hat nach außen hin klar und verständlich den Satz aufstellen wollen, daß im preußischen Staat
nach preußischem Verfassungsrecht niemandem ein Recht zusteht, in
den Staatsdienst aufgenommen zu werden, daß niemandem, der als Anwärter in den Staatsdienst aufgenommen ist, dadurch ein Recht erwächst auf eine Anstellung im Staatsdienst, und daß auch das Be⸗ stehen des Examens und die Ernennung zum Gerichts⸗Assessor nicht einen solchen Anspruch gewährt. Das waren im wesentlichen die Gesichtspunkte, die die Staatsregierung verfolgte.
Nun ist es richtig — darin trete ich dem Herrn Abg. Dr. Oswalt bei —, daß nicht nur die von jener Seite gestellten Anträge, sondern auch die Vorlage der Königlichen Staatsregierung auf dem Stand⸗ punkt steht: sie will nicht nur quantitativ den Zudrang zur juristischen Laufbahn beschränken, sondern auch qualitativ; sie verfolgt beide Zwecke und glaubt, beide verfolgen zu müssen, wenn die Justiz auf derjenigen Höhe erhalten bleiben soll, die sie zur Lösung ihrer Auf⸗ gaben innehalten muß.
Herr Abg. Roeren hat die Behauptung aufgestellt oder die Ver⸗ muthung ausgesprochen, daß eigentlich das Motiv der Staatsregierung bei Einbringung dieser Vorlage wesentlich in der Durchführung des Grundsatzes des 5 8 zu finden sei und nur nebenbei die Einführung der Dienstalterszulagen mit durchgeschleppt werden soll, daß eigentlich die Sache umgekehrt liege, wie sie in der Begründung der Vorlage dargelegt werde. Nun entspricht es, glaube ich, nicht parlamentarischem Brauch, daß man Parteimitgliedern oder der Staats⸗ regierung andere Motive unterschiebt als diejenigen, die sie zum Aust druck bringt. (Sehr richtig! rechts) Ich will aber von diesem Gesichtspunkt absehen; ich kann die Versicherung abgeben, daß die Staatsregierung für sich den Ruhm dieser diplomatischen Klughelt, den der Herr Abg. Roeren ihr hat vindizieren wollen, nicht in An—⸗ spruch nimmt. (Sehr gut! rechts) Die Sache ist einfach die: die Staatsregierung hätte ja mit der geltenden Be⸗ stimmung allenfalls auch noch weiter operieren können und würde auch wahrscheinlich Anstand genommen haben, schon in diesem Augenblick eine Gesetzesvorlage in der Richtung des F 8 einzubringen, wenn sie geglaubt hätte, es verantworten zu dürfen, daß die Wohlthaten der Einführung des Dienstalterszulagensystems auch den Beamten der höheren Justiz noch länger vorenthalten würden. Die Veraniwortlichkeit dafür hat sie nicht übernehmen zu können geglaubt, und daraus ergab sich für sie die Nothwendigkeit, den Ge⸗ sichtspunkt, der in 5 8 seinen Ausdruck gefunden hat, zur Prüfung zu stellen.
Es führt mich das auf die vielfach gehörte und von jener Seite regelmäßig bestrittene Frage des Zusammenhanges zwischen 5 8 und der Einführung der Dienstalterszulagen. Ja, meine Herren, nach meiner Meinung beruht das ganze Dienstalterszulagen⸗System, wenn es sich gesund entwickeln soll, auf der Voraussetzung, daß es der Verwaltung ermöglicht ist, eine gewisse regulierende Ein⸗ wirkung auf den Andrang zu dem betreffenden Dienstzweige, für welchen dieses System gelten soll, auszuüben und die Zahl der in das betreffende Ressort eintretenden Beamten in Harmonie zu halten mit den thatsächlichen Bedürfnissen. Wenn das nicht geschieht, dann entstehen Uebelstände, die voraussichtlich die allergrößte Unzufriedenheit in den Kreisen der davon betroffenen Be⸗ amten hervorrufen und die Interessen des Staats ganz erheblich schädigen würden.
Meine Herren, das ganze Dienstalterszulagen⸗System geht doch von der Voraussetzung aus, daß innerhalb eines gewissen Zeitraums jeder Beamte in die unterste Stufe und von dort aus in die höheren Stufen des Systems einrücken kann, und die Staatsregierung muß davon ausgehen, daß diese Voraussetzung sich ver⸗ wirklicht, wenn sie darauf rechnen will, daß die äußeren Ver— hältnisse des Beamtenstandes in einer befriedigenden Weise sich ge⸗ stalten und erhalten sollen. Meine Herren, das ist vollständig aus⸗ geschlossen, wenn der Kreis der Bewerber, der sich andrängt zur Ver⸗ wendung in einem bestimmten Ressort, ein vollständig unbeschränkter bleibt. Und wenn schon der Herr Abg. Roeren gesagt hat, es sei doch unbegreiflich, daß bei keinem anderen Ressort eine derartige Be—⸗ stimmung mit der Einführung der Dienstalterszulagen in Verbindung gebracht worden sei — ja, meine Herren, so erklärt sich das in einfacher Weise daraus, daß in keinem anderen Ressort die Verhältnisse so liegen wie im Justiz⸗Ressort, weil eben das JustizRessort dasjenige ist, welches eine unbeschränkte Zahl von Anwärtern aufgenommen hat und nach der bisherigen Praxis hat annehmen müssen, ohne irgend wie den eigenen Bedarf zu Grunde legen zu können bei dieser Zulassung. Das ist eben der erschwerende Umstand für die Einführung der Dienstalterszulagen im höheren Justizdienst.
Nun, meine Herren, es sind ja schon vorher Zahlen erwähnt worden, und der Herr Abg. Oswalt hat gemeint, es sei da absichtlich oder wenigstens thatsächlich eine Zahl weggelassen in der gestern dem Hause zugegangenen Uebersicht, die früher schon mitgetheilt worden sei. Nun, ich habe diese Zahl früher mitgetheilt und zu Ihrer Kenntniß gebracht, kann aber noch einmal darauf zurückkommen. Es ist ganz richtig, daß die Zahl der Referendare im Jahre 1883 sehr hoch gewesen ist, daß sie dann wieder zurückgegangen ist, sich aber jetzt wieder seit einer Reihe von Jahren in erheblicher Steigerung befindet; daß damals die Uebelstände scheinbar erträglich gewesen sind und jedenfalls über⸗ wunden wurden. Zum großen Theil hängt das damit zusammen, daß gerade in diesem Zeitraum ein sehr starker Verbrauch von Justizbeamten stattgefunden hat durch die verhältnißmäßig bedeutende Vermehrung der Stellen. Möglich ist auch, daß die damals mehrfach ausge⸗ sprochene Warnung vor dem Andrang zum juristischen Studium einen vorübergehenden Eifolg gehabt hat, jedenfalls war er nur vorüber⸗ gehend. Jetzt stehen wir vor einer Eventualität, die in der That geeignet ist für die Juristen, die ernstesten Besorgnisse für die Zukunft zu hegen. Einige Zahlen kann ich Ihnen beiläufig erwähnen. Im vorigen Jahre, im Oktober, als der bekannte preußische Terminkalender zum Abschluß gekommen ist, befanden sich 639 Gerichts⸗Assessoren im Justizdienst, die aus den Jahren 1886 bis 1891 stammten, aus dem Jahre 1386 10, aus 1887 37, aus 1888 67, aus 1889 107, aus 1890 184, aus 1891 2534. Von diesen 639 Assessoren waren im Ganzen zu anderen Behörden oder sonst beurlaubt 32, die übrigen 607 waren thatsächlich in der Justiz thätig, und nach bekannten Erfahrungen kann angenommen werden, daß von diesen alten Jahrgängen, die noch jetzt über 5 Jahre dem Justizdienst angehören, die Möglichkeit des Uebergangs zu anderen Verwaltungen
ziemlich ausgeschlofsen ist. Es bleiben also diese öo?7 Herren unter
allen Umständen übrig; mit diesen hat die Justiz zu rechnen und daraus kann sie den gewöhnlichen Bedarf für volle 3 Jahre decken, sodaß also, wenn die Anstellung lediglich nach der Anciennetät er⸗ folgte, diejenigen, die 1392 das Assessorexamen zurücklegten, erst nach 3 Jahren von jetzt an auf eine Anstellung rechnen könnten.
Nun, meine Herren, wird die Sache noch wesentlich verschlimmert bei der großen Zunahme der Studierenden. Es sind in diesen Tagen Zahlen aus den statistischen Zeitschriften bekannt gegeben, aus welchen sich ergiebt, daß die Gesammtzahl der Studierenden auf den deutschen Hochschulen seit 1886/87 sich kaum verändert hat. Sie hat sich erhöht um O, 430/09, von 28 044 auf 28 164, also ganz minimal. Dagegen hat sich innerhalb dieser Gesammtzahl die Zahl der Studierenden der Rechtspflege erhöht von 5328 auf 7483, also um 40,45 09. (Hört! hört! rechts) Also diese Herren werden in der Justiz demnächst ihre weitere Versorgung suchen.
Nun ist es, wie ja schon wiederholt auseinandergesetzt worden, bei der Einführung des Dienstalterszulagen⸗Systems unbedingt noth⸗ wendig, daß das Anciennitätsverhältniß in strengerer Weise bei der Ernennung festgehalten werde, wie es bisher der Fall war, weil von der ersten Erlangung einer besoldeten Stelle das ganze fernere Schicksal des Beamten in pekuniärer Beziehung, so lange er in der- selben Gehaltsklasse bleibt, abhängt. Nun stellen Sie sich vor, was bei der Durchführung des Anciennitätsprinzips aus der großen Zahl von Assessoren wird, die wir jetzt haben, und die wir aus der großen Zahl der bereits angestellten und weiter anzustellenden Re⸗ ferendarien sicher zu erwarten haben! Wir würden nothwendiger⸗ weise dahin kommen, daß in Zukunft die Herren es zu einer An⸗ stellung erst bringen könnten vielleicht nach acht, neun Jahren, nachdem sie die besten Jahre ihres Lebens in halber Unthätigkeit verbracht und an Arbeitsfreudigkeit und Arbeitslust eingebüßt haben. Von welchen Nachtheilen dies für den Staat im Allgemeinen und für die Justiz im Speziellen sein würde, darüber brauche ich mich hier wohl nicht weiter zu äußern.
Das, meine Herren, ist der Zusammenhang zwischen der Ein⸗ bringung der Dienstaltersvorlage und dem § 8. von dem ich nach wie vor erklären muß, daß er nach meiner Meinung ein nothwendiger und organischer ist, und daß, wenn nicht irgend eine Bestimmung im Sinne dieses Paragraphen getroffen wird, dann, wie ich glaube, das Gesetz für die Staatsregierung unannehmbar, weil undurchführbar ist.
Allerdings hat ja der Abg. Roeren darauf hingewiesen, die eben von mir hervorgehobenen Uebelstände würden sich erledigen lassen, wenn der angekündigte Antrag Im Walle l zur Annahme gelangen werde, der, glaube ich, dahin geht, daß unter allen Umständen in der Justiz auch in Zukunft jedem angestellten Richter oder Staatsanwalt die⸗ jenige Wartezeit, die den Zeitraum von drei Jahren übersteigt, an⸗ zurechnen sei. Der Antrag ist schon in der Kommission erörtert worden, und ich habe ihm entgegnen zu müssen geglaubt und kann es hier nur wiederholen, daß dieser Antrag ja vom sinanziellen Gesichtspunkt aus möglicherweise den Interessen der Richter entsprechen könnte, daß aber bei Annahme dieses Antrages die Uebelstände, die wir zu bekämpfen haben und be⸗ kämpfen wollen, sich nach meiner Ueberzeugung noch ganz wesentlich verschlimmern würden: denn das würde zur unvermeidlichen Folge haben, daß der Zudrang zum Justizdienst sich ins Maßlose erhöht und daß dann andererseits der Eintritt in den Justizdienst das Privi⸗ legium der wohlhabenden Klassen sein würde, welche die sehr lange Wartezeit über sich ergehen lassen könnte, wenn sie sicher sind, bei der ersten Anstellung in eine höhere Gehaltsstufe hinein zu kommen; die weniger Wohlhabenden aber würden eine so lange Wartezeit überhaupt nicht ertragen können, sie würden also unter der Herrschaft eines solchen Gesetzes thatsächlich von dem Justizdienste ausgeschlossen sein. Meine Herren, das ist etwas, was ich von meinem Standpunkt aus für absolut nicht wünschenswerth halte. Ich glaube, daß die Größe des preußischen Staats und seine gesunde Entwickelung nicht am wenigsten darauf beruht, daß es immer Grundsatz gewesen ist, die Erlangung der Aemter und auch der höchsten Aemter jedermann im Staate zu ermög⸗ lichen, und wenn wir unsere preußische Geschichte durchsehen, so werden wir eine Reihe von Beispielen finden, in denen unsere größten Männer aus den bescheidensten Lebensverhältnissen hervorgegangen sind. Meine Herren, an diesem Grundsatz beabsichtigte die Justiz⸗ verwaltung sicherlich nicht zu rütteln. (Heiterkeit links.) Ich glaube, diese Gefahr liegt nach den Traditionen, die im Justiz⸗Ministerium immer geltend gewesen sind, für alle Zeit nicht vor, daß jemals etwa, wie der Abg. Oswalt andeutete, ein Aspirant des höheren Justizdienstes zurückgewiesen werden könne, weil er der Sohn eines Bauern ist. Nein, meine Herren, das halte ich für absolut unmöglich, das kann nicht vorkommen! (Bravo! rechts.)
Meine Herren, der Herr Abg. Roeren hat geglaubt, im Namen des gesammten preußischen Richterstandes Verwahrung einlegen zu müssen gegen die hier unternommene Beschränkung der richterlichen Unabhängigkeit. Einem Protest gegen solche Beschränkung kann niemand lebhafter zustimmen als ich, obgleich ich nicht weiß, ob der Herr Abg. Roeren die Vollmacht gehabt hat, im Namen des gesammten preußischen Richterstandes eine solche Erklärung abzugeben. Ich bin nämlich überzeugt, daß ein sehr großer Theil des preußischen Richterstandes in dieser Vorlage einen Angriff auf seine Unabhängigkeit nicht erkennt und nicht erkennen kann. (Sehr richtig! rechts) Liegt etwa eine Garantie der Unabhängigkeit darin, daß einem Jeden, der die Justizcarrière einschlagen will, gewissermaßen garantiert wird, daß er in ein richterliche s Amt kommt? Und ist es eine Ge⸗ fährdung der Unabhängigkeit, wenn die Justizverwaltung darauf ausgehen will, in Zukunft mehr als jetzt aus der Zahl der Bewerber die Besten und Tüchtigsten auszuwählen? Und, meine Herren, werden die preußischen Richter, in deren Namen der Herr Abg. Roeren hier gesprochen hat, etwa das Urtheil über sich ergehen lassen, daß unter ihrer Leitung Streber erzogen werden könnten, und daß sie zugänglich seien für Formen des Verkehrs und für Anschmiegung an die höheren Ansichten, wie dies in anschaulicher Weise der Herr Abg. Roeren uns dargelegt hat? (Bravo! rechts.) Ich schätze den preußischen Richterstand höher als der Herr Abg. Roeren. Ich habe auch eine reiche Erfahrung; ich stehe auf dem Standpunkt: niemals wird der Fall eintreten, daß solche Leute, wie sie der Herr Abg. Roeren uns geschildert hat, sich durch solche Mittel Neigung und Gunst ihrer Vorgesetzten erwerben. (Lebhafter Beifall ann,, ö.
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