1896 / 111 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 09 May 1896 18:00:01 GMT) scan diff

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Es folgt die erste Berathung der von den elsässischen

Abgeorbneten und den Sozialdemokraten beantragten

etzentwürfe über die Einführung des Preßgesetzes in Effi Lothringen. t ; ;

Abg. Win terer (b. k. 3 weist darauf hin, daß die Einführung des Preßgesetzeß vom Landezzausschuß berlangt worden sei, auch von den altdeutschen Mitgliedern desselben. Die bestehenden alten Vorschriften aus der Zeit Ludwig's XIV., aus der Zeit der Republik, des ersten und zwesten Kaiserreichs ö. ein unentwirrbares Gemisch von Be- stimmungen, die den Verhältnissen der jetzigen Zeit nicht entsprächen. Das bestehende deutsche preß esetz . dem Reichstage n, es 31 ö. , mdr en n . schäblicher sein als für das übrige eutschland.

Abg. Bu eb (Soz.): Das warme Herz der Parteien für i. Lothringen zeigt sich gerade nicht in der Besetzung des Hauses. Berei 1876 ö Hr. Paul Kayser in Schmoller's Jahrbuch“ die 1 Vorschriften, welche im Elsaß gelten, als einen bereits . erwesung übergegangenen Leichnam. ie Druckereien sind kon. zessionspflichtig, die e, n rr er werden vereidigt, daß sie nicht dem Staat und den Souveränen Nachtheiliges drucken wollen; . müssen den Befähigungsnachweis erbringen, ihre Verfassungstreue be—= weisen, Anzeige von jebem Druck machen. Buchhandel und Kolportage, insbesondere der Vertrieb der Zeitungen, steht unter der Willkür der . Die Richter bieten, dagegen keinen genügenden Schutz.

edner schildert eingehend, wie die, Volkszeitung“ in Mülhausen unter drückt worden sei; die Neuherausgake einer anderen Zeitung sei nicht gestattet worden, trotzdem es zur Begründung einer Zeitung eigentlich ar keiner Genehmigung bedürfe. Bei solchen Zuständen in der Presse * es verständlich, daß die Germanisierung keine Fortschritte gemacht habe. Selbst die Münchener Neuesten Nachrichten‘ hätten sich gegen diese Preßzustände . ausgesprochen. 2

Kaiserlicher Ministerial⸗ Rath Halley: Die Richter haben all⸗ gemeine Anerkennung im Lande gefunden; daran werden auch die An⸗ griffe des Vorredners nichts ändern. Vie Schilderungen des Vor⸗ tedners waren nicht schön, aber sie waren auch nicht richtig. Die Polizeiwillkür berrscht nicht absolut; denn über die Presse haben allein die Richter zu befinden und das Verfahren ist mit allen Kautelen der Rechtsprechung umgeben. Die Zahl der politischen Blätter hat sich seit 1871 erheblich vermehrt; wenn sich so viele Leute zur Gründung neuer Blätter entschließen, so muß es doch mit der Willkür der Polizei und der Gerichte nicht so schlimm stehen. Die Sprache der elsässischen Presse steht auch an Ungebundenheit der der alt—⸗ deutschen Presse nicht nach. (Redner verliest einige Aeußerungen aus der elsässtschen sozialistischen Presse; die hart an die Grenzen des Strafgesetzhuches heranreichen. Wißssentlich Unrecht geschieht im Reichslande Keinem. Die Elsässische Volkszeitung“ in Mülhausen wurde unterdrückt, weil sie das Andenken des Stifters des Deutschen Reichs besudelt hat. Die alten bestehenden Gesetze sollen allmählich langsam durch die deutschen Gesetze ersetzt werden. Einige landesgesetz⸗

liche Bestimmungen können wir unker den bestehenden Verhältnissen nicht

entbehren; das bezieht sich namentlich auf die Behandlung der aus-

ländischen Presse. Wir haben es hier mit einer von außen kommenden

antideutschen Agitation zu thun; die Regierung muß in der Lage sein,

schnell und wirksam dagegen einschreiten zu können. Das ist auf

Grund des Reichs⸗Preßgesetzes nicht möglich. Deshalb kann die elsaß⸗

ge,. Regierung die Einführung des Reichs ⸗Preßgesetzes nicht gen.

Abg. Dr. von Marquardsen (ul.): Wir werden auch diesmal unsere Stellung zu diesem Antrag nicht ändern; der Grund dafür ist in den letzten Worten des Regierungsvertreters enthasten. Glaubt die Regierung das Preßgesetz auf ihre eigene Verantwortung einführen zu können, so werden wir sehr gern mitarbeiten; denn eine Verschiedenheit der Gesetzgebung ist nicht angenehm. Aber die elsässischen Verhältnisse erfordern eine besondere Befugniß der Re⸗ gierung. Wir werden den Tag mit Freuden begrüßen, an dem es 11. sein wird, das Preßgesetz dort einzuführen. Das ist auch die Anschauung eines alten Mitgliedes der nationalliberalen Partei, des jetzigen Staatssekretärs in Elsaß⸗Lothringen von Puttkamer.

Abg. Prinz zu Hohenlohe⸗Schillingsfürst (b. k. F.): Nachdem zwei Redner zum Wort gekommen sind, welche mit den Zuständen nicht zufrieden sind, möchte ich das Wort nehmen, der ich mit den Zuständen etwas zufriedener bin. Ich halte es auch für wünschenswerth, daß wir in absehbarer Zeit in Elsaß⸗ Lothringen zu normalen Zuständen kommen, daß namentlich die französischen y abgeschafft werden. Ich muß mich wieder dem Borwurfe des Herrn Bebel aussetzen, aber ich kann nur wiederholen, was ich schon einmal gesagt habe. Die Bevölkerung Elsaß⸗Lothringens hat mehr Interesse an dem Preise des Roggens als an allen staatsrecht⸗ lichen und politischen Fragen. Herr Bebel bedauerte es, daß die n . solche Materialisten sind, und meinte, die Bevölkerung würde sich für diese Schilderung bedanken. Aber es ist kein Widerspruch seitens der Bevölkerung gegen meine Auslassungen erfolgt. Ich muß es be⸗ zweifeln, daß die Bevölkerung ein großes Interesse an den vor⸗ liegenden Anträgen hat. Die große Mehrheit derselben steht ö dem Standpunkt, daß sie sagt: Die Preßgesetzgebung geniert das zeitunglesende Publikum nicht, und das Publikum sagt ferner: eine eitung ist ein Geschäft wie jedes andere; wer das Geschäft unternimmt, hat sich den Vorschriften der Gesetze zu unterwerfen. Die Zeitungen bestehen trotz 2 Vorschriften, und sie werden bestehen. Es wäre in diesem Augenblick bedenklich, ein neues , . einzufũhren, ohne irgend welche besondere Kautelen zu schaffen, und zwar im Interesse der Bevölkerung selbst; denn diese würde darunter leiden, daß den , aus dem Äuslande Thür und Thor geöffnet würde.

ie nn, schwärmen auch nicht ernsthaft i ein neues . etz, denn sie stehen sich jetzt besser, weil die

onkurrenz keine so große ist. Sobald das Preßgesetz eingeführt würde, würde eine Menge von kleinen Blättern . In Frank⸗ reich sind die Zustände auch nicht besser als in i e r Im Gegentheil, sie sind noch schlimmer. Denn dort hat das Ministerium ver wenigen Jahren erst das Recht erhalten, jede in fremder Sprache erscheinende Zeitung zu unterdrücken. Davon ist auch in Nizza einer italienischen Zeitung gegenüber Gebrauch gemacht worden. Allmählich werden wir in absehbarer Zeit von den fran. zösischen Gesetzen zu den deutschen übergehen. Aber im Augenblick kann das Reichs⸗Preßgesetz nicht eingeführt werden. Wir müssen es der Regierung überlassen, wann sie dazu übergehen will.

Abg. Dr. Lieber (Zentr.): Wir stimmen für den Antrag Colbus sans phrase und zwar um so mehr, nachdem der legitime Ausdruck der Ife ichen Meinung in Elsaß⸗Lothringen, das einstimmige Votum des Landesgusschusses, dort sich für diesen Antrag ausgesprochen hat.

* Fuchs (Zentr): Das Preßgesetz ift in Elsaß Lothringen nicht milde, sondern willkürlich ausgelegt worden, und es ist endlich an der Zeit, mit dieser Gesetzgebung tahula rasa zu machen. Dle 1 stellt sich ein sehr trauriges Zeugniß aus, wenn sie die Aufhebung so vorsintfluthlicher Gesetze für unmöglich hält. Die Auf⸗ hebung des Diktaturparagraphen würde mehr zur (, ,, hon Elsaß Lothringen beitragen als das Preßgesetz, welches nur Erbitterung im Lande herborgerufen hat. Die annektierten Elsässer würden dann wünschen, daß sie nicht Deutsche zweiter Klasse sind.

Abg. Lenzm ann (fr. Volksp.): Auch wir werden für den Antra stimm en. Für die Aufrechterhaltung der Preßzustände im Elsaß i nicht ein einziger triftiger Grund angeführt worden. Die ange⸗ führten Preßerzeugnisse sind jedenfalls das Schlimmste, was man hat herausklauben können, und wenn das Alles wahr ist, so muß ich sagen: man leidet dort an einer Gespensterfurcht. Wenn die 25 Jahre noch nicht genügen sollen, wie lange will man denn noch warten? Die Ausnahmestellung verschlechtert nur die Sache; aber man will 6 nicht von der Polizeimacht trennen.

Die ba Werner (Reform⸗P.) und Rickert (fr. Vgg.) erklären sich ebenfalls im Namen ihrer Parteigenossen für den Antrag

Colbus.

Abg. Graf Limburg ⸗Stirum (d. kons.): Ich möchte doch mit meinem Widerspruch gegen die Majorität nicht zurückhalten. Ob

Verwaltung und

unsere eigene Preßgesetzgebung auf die Dauer mit einer geordneten en ,, lc * einn gin 9. . Ginem eroberten Grenzlande aber, in welchem man nach Frankreich blickt und dessen Tendenzen von Frankreich fortgesetzt unterstützt werden, wird kein verständiger Politiker die Freiheit der Gesetz⸗ gebung geben wollen, wie wir sie haben. Die Amalgamierung annektierter Länder hat oft länger gedauert als 25 Jahre. 8 werde gegen den ng Colbus stimmen. Damit schließt die erste Lesung. Der Gesetzentwurf, betreffend die g e n, des un⸗ lauteren Wettbewerbs, wird darauf in der Gesammtabstimmung

endgültig angenommen. . Schluß 6 Uhr. Nächste Sitzung Montag 1 Uhr. (Zweite Lesung des Zuckersteuergesetzes.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

66. Sitzung vom 8. Mai 1896.

Das Andenken des verstorbenen Abg. Engler (fr. kons.) ehrt das Haus in der üblichen Weise.

Zum Mitglied der Staatsschuldenkommission an Stelle des , , . Abg. Dr. Sattler wird der Abg. Meßling (nl. gewählt.

Zur dritten Berathung steht der Gesetzentwurf, be⸗ treffend die Reg ö der Richter gehälter.

In der Generaldiskuüssion bemerkt nach der gestern mitgetheilten Rede des Abg. Grafen Stirum der

26 Dr. Porsch (Zentr): Wir stimmen gegen den § 8, wir halten ihn nicht für die nothwendige Tera ee der Einfüh⸗ rung der Dienstaltersstufen für die Richter. Die Beschränkung der Anzahl der Anwärter ist nicht eine Vorbedingung für das ganze 9 .Die Juristen werden lieber den Nachtheil des Mangels der Dienstalterszulagen auf sich nehmen, wenn ihnen die Sicherheit bleibt, zum Justizdienst zugelassen zu werden. Den Charakter der jungen Leute, namentlich der of Mehrheit der Durchschnittsmenschen, richtig zu beurtheilen, ist sehr schwer. Man muß dem Mann doch die Möglichkeit geben, vorwärts zu kommen. Bas Kronrecht wird durch die Ablehnung des S 8 nicht verdunkelt, diese Verdunklung ist 3. von keiner Seite beabsichtigt. Aus triftigen Gründen kann ein Referendar schon jetzt entlassen werden; auch der Assessor hat letzt kein Recht, als Richter angestellt zu werden. Wenn die Anstellung aus nicht triftigen Gründen versagt wird, kann die Regierung vom Landtag interpelliert werden. Der Umstand, daß eine einzige schlechte Note genügen kann, um einen Assessor auszuschließen, bringt die jungen Leute zum Streber⸗ thum, und ihre ganze Charakterbildung wird dadurch beeinträchtigt. Die große Zahl kann man garnicht genau kennen lernen, für die Ausschließung werden also in der Regel äußere Gründe maßgebend sein. Das Niveau für die Würde des Anwaltsstandes wird durch den § 8 herabgesetzt. Der Minister hat dieses Bedenken in be—⸗ schränktem Maße selbst zugegeben. Im Richterstande und im

ublikum wird man diesen Unterschied zwischen Richter und Anwalt ehr viel schärfer accentuieren. Man erweitert den schon leider vor—⸗ handenen Gegensatz zwischen dem Richter⸗ und Anwaltstand, der letztere wird das Sammelbassin aller als minderwerthig erachteten Elemente sein. Ob dann noch andete Elemente Neigung haben werden, in dieses Sammelbassin herabzusteigen, ist mir sehr zweifelhaft. Auch für die Allgemeinheit ist dies bedenklich, denn die Rechtsprechung wird nicht allein durch die Richter, sondern auch durch die Rechtsanwalte gesichert. Den Herren, welche gewisse Ele— mente, deren Nennung man sorgfältig vermieden hat, von dem Rechtsstudium überhaupt abschrecken wollen, bemerke ich, daß man diese ungenannten Elemente doch nicht abschrecken wird, Jura zu studieren, weil ihnen der Anwaltstand bleibt. Mit einer Erweiterung der Befugnisse der Anwaltskammern wird man auf diesem Gebiet gar nichts ausrichten, wenn man die Herabsetzung des Anwaltsstands verhüten will. Wie soll es in Zukunft mit der Stellvertretung der Rechts⸗ anwalte gehalten werden? Werden die künftigen Privat⸗Assessoren auch für diese Stellvertretung e werden oder nicht? Aus diesen Privat ⸗Assessoren, die ja die Justizverwaltung nach Bedarf auch noch als Richter anstellen kann, will man wohl eine Art Lazzaroni machen, die überall herumlungern und auf Anstellung oder eine Stell⸗ vertretung lauern. Das wird eine sehr unglückliche Klasse von Menschen werden.

Justiz⸗Minister Schönstedt:

Meine Herren! Die Anfrage des Herrn Abg. Dr. Porsch kann ich gleich dahin beantworten, daß ganz zweifellos diejenigen Herren, die nach 5 8 des Entwurfs als „Assessorenꝰ der Zukunft bezeichnet werden, zur Vertretung von Rechtsanwalten geeignet sind. Sie be⸗ sitzen die nöthige Befähigung, und es wird für die Justizverwaltung kein Bedenken vorliegen, die Vertretung eines Rechtsanwalts durch diese Herren zu gestatten. Sie gehören unter allen Umständen zu denjenigen Personen, die einen zweijährigen praktischen Vorbereitungsdienst hinter sich haben. Sie erfüllen sogar noch höhere Qualitäten, da sie die große Prüfung bestanden haben und deshalb nach der Rechtsanwaltsordnung ohne weiteres qualifiziert sind, als Rechtsanwalte zugelassen zu werden. Ich wüßte also nicht, weshalb die Justizverwaltung Bedenken tragen sollte, einem solchen Herrn die Vertretung eines Anwalts, wenn sie nachgesucht wird, zu gestatten.

Abg. von Tiedemann Bom st (fr. kons.): Wir stimmen g. die Vorlage, weil die Vortheile der Besoldung nach diesem Gesetz dem Richterstande nicht verloren gehen dürfen. Die Herren, welche das Zustandekommen des Gesetzes durch Negation in einzelnen unkten gefährden, sollten sich darüber klar sein, daß sie diejenigen nd, die diese Vortheile dem Richterstande nicht zuwenden würden. Schließlich müßte es dann dahin kommen, daß nur noch wohlhabende Leute dieses Studium ergreifen können. Der 88 ist eine Konsequenz dieses Gesetzes und steht mit ihm absolut im Zusammenhang. Ganze Klassen der Bevölkerung auszuschließen, ist nicht unsere A sicht, ich verwahre mich gegen die Unterstellung dieses Motivz. Das Streberthum ist doch auch in anderen Ressorts nicht vorhanden, wo die Auswahl der Beamten besteht. Wir wollen die Verdunklung der Krontechte nicht; wir geben dem Könige, was des Königs ist.

Abg. Hobrecht (ul.): Ich habe namens meiner Freunde zu erklären, daß wir heute ebenso stimmen wie in der zweiten Lesung, d. h. wir werden die Vorlage im übrigen annehmen, den § 8 aber ab⸗ lehnen in jeder Gestalt, auch in der des Antrags der Konservativen. Die Motive, die uns Graf Limburg unterschob, haben mich geradezu verblüfft; alle Redner dieser Seite haben das Gegentheil ausgeführt. Die Auswahl der Beamten ist ein Kronrecht, das wir nicht antasten wollen. Der § 8 geht aber viel weiter. Die Erwägung, daß wir mit der Ablehnung des 58 dem Richterstande Vortheile vorenthalten, hat uns gerade verpflichtet, doppelt zu prüfen, ob wir einer Be— stimmung zustimmen können, die in dieser Form an uns herantritt. Gerade diese . hat uns am äußersten mißfallen. Wenn die Regie⸗ rung das Gesetz nicht um des 58 willen haben will, hätte sie gerade den Verdacht ausschließen müssen, als hätte man hier irgendwie, rechts oder links, Geschäfte machen wollen. Die Sache ist ganz verfehlt und unmöglich, und in der Verbindung ist sie uns erst recht un— annehmbar.

Abg, Klasing (kons.): Es ist uns nur um die Ausschließung der augenscheinlich ungeeigneten Elemente zu thun. Das ist eine noth—⸗ . Voraussetzung für die Gewährung der Dienstalterszulagen.

die Regierung 6 §z 8 das Gesetz nicht annehmen kann, so

zu Limburg⸗

werden die Vortheile dem Richterstand entgehen, aber die Regierung wird auf dem Verwaltungswege einführen, was sie einmal für richtig erkannt bat. Äuch ngäh meiner AÄnficht irh das Kronrdht urch die Ablebnung des § 8 verdunkelt. Die Bedenken des Abg. Porsch fallen fort, wenn nach dem Antrage der Konservativen die Aus. wahl schon bei den Referendaren stattfindet.

Abg. Rickert (fr. Vg): Wir wissen, daß der Vorredner gewisse Klassen der Bevölkerung vom Richterstande ausschließen will, und das wollen wir nicht. Um eine Verdunklung der Kronrechte handelt es sich hier gar nicht; und liegt sie vor, so kat sich die Regierung bisher daran betheiligt. Wozu also der Spektakel? Wir haben keine Ver— anlassung, von unserem früheren Votum abzugehen.

Abg. Os walt (nl) weist darauf hin, daß schon jetzt der Minister das Recht hat, Unwürdige von dem Richterstande auszuschließen; weitere Befugnisse dürfe er aber nicht haben, wie man et beab⸗

tige.

ien glg. Traeger (fr. Volksp.): Mit Recht sieht man in diesem Gesetz und speziell im 5 8 ein Attentat auf die Unabhängigkeit der Richter. Dieser 58 hat mit dem Gesetz selbst nicht das Mindeste zu thun, wir werden gegen denselben siimmen und gegen das ganze Gesetz, falls er wieder hergestelit werden sollte. Justitia funda- mentum regnorum: wer die Unabhängigkeit der Richter antastet, tastet auch die Rechte der Krone an; man will die Verwaltungs— willkür unter dem Schu, der Krone ausüben. Die materiellen Vor= theile dieses Gesetzes fuͤr die Richter mögen noch so groß sein, sie wiegen die Nachtheile des 8 8 nicht auf.

Justiz⸗Minister Schönstedt:

Ich muß doch noch ausdrücklich Verwahrung einlegen namens der Königlichen Staatsregierung gegen den Vorwurf, welchen ihr der Herr Abg. Traeger gemacht hat, daß die Staatsregierung einen An⸗ griff auf die Unabhängigkeit der Rechtspflege in ihrer Vorlage beab. sichtigt habe. Ich bin dem Vorwurf bereits einmal entgegengetreten und glaubte, es würde das genügt haben; weil er aber heute wieder- holt ist, muß ich auch meinen Protest dagegen wiederholen.

Ich will nun noch einmal mit wenigen Worten klarstellen, was die Regierung gewollt hat, obgleich es fast überflüssig erscheinen könnte: sie will mit dem §5 8 ein weithin sichtbares Warnungszeichen aufstellen, welches deutlich erkennen läßt, daß nicht jeder Ungeeignete und Unberufene nur die Hand auszustrecken braucht, um sich im höheren Justizdienst, im Richterstande ein künftiges Unterkommen zu sichern. Sie will auf diesem Wege erreichen, daß die Wohlthaten des Dienstaltersbesoldungs⸗ Systems auch den Beamten des höheren Justizdienstes zugänglich ge⸗ macht werden, und sie glaubt, daß sie es auf diesem Wege erreichen kann. Das ist der von mir oft betonte Zusammenhang zwischen dem Gesetz, soweit es sich auf die Richtergehälter bezieht, und dem 5 8. Wenn dieser Zusammenhang nicht überall erkannt wird, ja, meine Herren, ich kann es nicht ändern. Ich habe mein Möglichstes gethan, um das klarzustellen, und wenn jene Seite des Hauses fortwährend meinen Ausführungen sich verschließt, ich glaube nicht schuld daran zu sein.

Meine Herren, ich gebe dem Herrn Abg. Traeger zu, daß eine große Aufregung in weiten Kreisen gegen dieses Gesetz, insbesondere gegen 5 8 sich gezeigt hat. Ich habe die Ueberzeugung, daß, wenn das Gesetz in Kraft getreten, sich diese Aufregung sehr bald legen würde. (Sehr richtig! rechts) Ich will nicht behaupten, daß sie irgendwie künstlich gemacht ist, aber daß sie in einer solchen Tiefe vorhanden ist, wie es hier dargestellt wird, das glaube ich nicht. Wenn das richtig ist, was mir von glaubwürdiger Seite mitgetheilt worden ist, daß z. B. in der Versammlung der Berliner Anwaltskammer von den 600700 hiesigen Anwalten nur 28 erschienen seien, die sich an dem Beschlusse betheiligt hätten, der die ganze Agitation bei den übrigen Anwalts⸗ kammern ins Leben gerufen hat, so glaube ich, würde das doch auch ein Beweis dafür sein, daß die Bewegung nicht eine so sehr tief gehende ist.

Wenn ich die Hoffnung hege, daß, wenn einmal das Gesetz in Kraft ist und seine wohlthätigen Wirkungen ausübt, es sehr bald nicht mehr so heftigen Angriffen ausgesetzt sein wird, wie sie gegen den Entwurf erhoben werden, dann glaube ich mich darauf berufen zu können, daß ja ein ähnlicher Rechtszustand in den meisten anderen deutschen Staaten besteht. Wenn Sie die Ihnen mitgetheilte Uebersicht aufmerksam gelesen haben, dann werden Sie anerkennen müssen, daß allerdings nicht in der Form, aber in der Sache etwas Aehnliches in fast allen deutschen Staaten Rechtens ist, und ich glaube, Sie werden mir auch zugeben, daß in keinem dieser Staaten, wo ähnliche Einrichtungen z. Zt. bestehen, das Ansehen des Richterstandes gelitten hat. Sie werden mir auch ferner zugeben, daß das Ansehen des Anwaltstandes in diesen deutschen Staaten ebenso groß ist, wie in Preußen. Endlich aber werden Sie mir zugeben, daß ein Ergebniß dort erreicht ist von der bloßen Existenz dieser Bestimmungen, daß nämlich nirgend eine solche Ueberfüllung im Justizdienst besteht, wie bei uns. Dieser Ueberfüllung wollen wir uns erwehren, weil wir nicht glauben, sie ertragen zu können, ohne daß der Richterstand darunter leidet.

Der Herr Abg. Porsch hat freilich behauptet, es komme garnicht darauf an, ob der einzelne etwas länger warten müsse auf Grund einer solchen Ueberfüllung, wie wir sie vermeiden wollen. Nun, meine Herren, nicht der einzelne wird dadurch getroffen, wenn der Zu⸗ stand so bleibt wie er ist, sondern die Gesammtheit unserer richter⸗ lichen Beamten, und wenn es bleibt bei der unbeschränkten Zulassung zum höheren Justizdienst, dann würden wir das, was wir mit der einen Hand durch diese Vorlage unseren Justizbeamten geben wollen, ihnen mit der anderen entziehen.

Der Herr Abg. Porsch hat auch darüber gesprochen, ob es wohl recht sei z. B. den Sohn eines Wucherers aus dem Justizdienst zurückzuweisen; er sei doch nicht selbst unwürdig und brauche nicht für die Sünden seines Vaters zu büßen. Ja, meine Herren, eine solche Beschränkung liegt nach den Ihnen durch den Herrn Abg. Oswalt mitgetheilten gesetzlichen Bestimmungen gegenwärtig vor; nur die Unwürdigkeit des Kandidaten selbst soll eine Zurücweisung begründen, und man kann diese Bestimmung vielleicht dahin auslegen, daß die Unwürdigkeit in der Person des Kandidaten gegeben sein muß. Ich frage Sie aber, meine Herren, ist es denn ein wünschenswerther Zustand, daß die Justizverwaltung ge⸗ nöthigt ist, wie Herr Porsch es angiebt, den Sohn eines notorischen Wucherers in die Reihen der preußischen Beamten aufzunehmen und ihn zum Träger der höchsten staatlichen Befugnisse, des Richteramts, auszubilden? Ich will Herrn Porsch fragen, wie er sich verhalten würde, wenn der Sohn eines solchen übel berüchtigten Wucherers den Anspruch erhöbe, in seine Familie einzutreten, ob er dann auch sagen würde: der Vater ist uns ja allerdings sehr wenig genehm? (Bravol und Heiterkeit rechts), aber der Sohn kann dafür nicht büßen; er würde es vermuthlich bleiben lassen. Nun gebe ich zu, das Bild paßt ja nicht

polllkommen der Staat kann mehr ertragen als die einzelne Familie, imd ich will die Sache nicht auf die Spitze treiben; aber etwas Aehnlichkeit ist doch vorhanden.

Run ist gesagt worden, man habe mit Peesstonsmitteln gearbeitet, um den Entwurf durchzudrücken; auch den Vorwurf weise ich zurück; die Regierung ist weit entfernt gewesen, einen Druck auf Sie ausüben zu wollen. Dies soll einmal geschehen sein durch die Darlegung, daß, wenn Sie den F 8 nicht annähmen, Sie sich eine Verletzung der Kronrechte schuldig machten. Meine Herren, ich bin sicher, daß ich in allen meinen Aeußerungen niemals eine solche Behauptung aufgestellt habe. Ebensowenig hat die Re⸗ gierung nicht irgendwie eine Pression dahin versucht, daß die Richter der leidende Theil sein würden, wenn Sie den § 8 ablehnten. Der Herr Vorredner hat auf einen Artikel der National-⸗Zeitung“ hinge⸗ wiesen, in dem es heißt, in einer offiziösen Korrespondenz werde ge— schrieben:

Bei der Kürze der Zeit bis zum Sessionsschluß wird es wesentlich von dem Ausfall der dritten Lesung des Entwurfs im Abgeordnetenhause abhängen, ob das Gesetz in der jetzigen Session zu stande kommt. Beachtet muß dabei werden, daß die Herein= ziehung der Justizbeamten in die allgemeine Gehalts- erhöhung sich ohne vorgängige gesetzliche Einführung des Systems des Aufrückens nach dem Dienstalter schwerlich wird ermög⸗ lichen lassen.“ (

Meine Herren, der Artikel wird als offiziös bezeichnet. Ich habe von demselben erst durch die National-Zeitung“ Kenntniß genommen, und ich kann erklären in meinem eigenen Namen und im Namen des Herrn Finanz ⸗Ministers, der mich heute Morgen ausdrücklich dazu ermächtigt hat, daß wir diesem Artikel vollständig fernstehen. Ich bestreite auf das allerbestimmteste, daß der Artikel offiziösen Ursprungs ist und sein kann, und jwar aus einem doppelten Grunde: einmal weil er ungeschickt ist (große Heiterkeit), ja, meine Herren, Sie werden mir doch zugeben, daß ich von meinem Standpunkt aus für einen offiziösen Artikel in Anspruch nehmen kann, daß er nicht ungeschickt sei, ich sagte also: einmal weil er ungeschickt ist, und zweitens, weil er unwahr und unrichtig ist. Selbstverständlich kann nicht davon die Rede sein, daß, wenn et bei dem bisherigen Gehaltssystem bleibt, wenn also dieses Gesetz fällt, wie es nach meiner Meinung fallen muß mit der vollständigen Streichung des § 8, daß dann die Richter von einer allgemeinen Gehaltserhöhung ausgeschlossen werden. Davon kann nicht die Rede sein; wohl aber kann eine Schwierigkeit entstehen, und darauf habe ich schon in der Kommission hingewiesen, nicht um eine Pression auszuüben, sondern gegenüber einer Anregung des Abg. Im Walle, man hätte mit dem Gesetz warten können bis zu einer allge— meinen Gehaltserhöhung; da habe ich darauf hingewiesen, daß es gerade im Hinblick auf eine allgemeine Gehaltserhöhung sehr er— wünscht sein würde, vorher eine gleichmäßige Grundlage für alle Be— amtenkategorien zu schaffen, und daß, wenn diese nicht geschaffen sei, für die Bemessung der Richtergehälter allerdings eine praktische Schwierigkeit deshalb sich ergeben werde, weil mangels gleichmäßiger Unterlagen der sichere Maßstab für eine Vergleichung mit den Be⸗ amten anderer Kategorien fehlen werde.

Meine Herren, mir liegt nichts ferner, als eine Pression auf Sie ausüben zu wollen. Infolge dessen unterlasse ich es auch, mich

Parüber zu äußern, was die Staatsregierung thun würde, wenn dieses Gesetz abgelehnt wird und es demgemäß bei dem bisherigen Zustand bleibt. Ich enthalte mich jeder Aeußerung darüber. Ich habe früher ich glaube, bei der ersten Lesung gesagt, daß ich es mir denken könnte, es werde die Zeit kommen, wo jeder preußische Justiz⸗Minister, gleichgültig wer er sei, von dem ihm nach der Ver⸗ fassung zustehenden Recht der Sichtung einen weitgehenden Gebrauch machen müsse. Weiteres habe ich nicht gesagt, und weiteres sage ich auch heute nicht.

Was also wird, wenn dies Gesetz nicht zu stande kommt, das entzieht sich augenblicklich meiner Beurtheilung, und ich will irgend eine Aeußerung darüber nicht machen. Ich bin überhaupt weit entfernt, semandem Vorwürfe ju machen, wenn er gegen das Gesetz stimmt. Ich zweifle garnicht daran, daß jeder von Ihnen nach bester Ueber— jeugung seine Stimme abgeben wird, ebenso aber nehme ich für die Königliche Staatsregierung in Anspruch, daß sie nach bester Ueberzeugung und ganz fern von den Motiven, die ihr untergelegt worden sind, bei der Vorlegung des Entwurfs gehandelt hat. Also, meine Herren, stimmen Sie, wie Sie glauben,

es am besten verantworten können.

Aber das Eine kann ich Ihnen doch nicht verhehlen: ich habe die Empfindung, daß, wenn Ihnen auch heute hier der Sieg bleibt, Sie doch nicht ganz frohen Herzens und mit gehobener Siegesstimmung das Haus verlassen werden (lebhafter Widerspruch), und ebenso habe ich auch die Empfindung, daß Sie den Dank derjenigen Kreise, deren Interesse Sie zu vertreten glauben, nicht ernten werden. (Bravo!

rechts.)

Abg. Dr. Porsch will es nicht tadeln, daß man den Sohn

eines bestraften Mannes von der Rechtscarrière ausschließt, verlangt

aber, daß man den einmal zugelassenen Kandidaten auch weiter be=

. Der Sohn eines Wucherers könne sehr wohl, wenn er

. anständig sei, in den Kreis einer guten Familie aufgenommen erden.

Nachdem noch der Abg. Schettler stonh; sich für die g ef gsrorlag⸗ ausgesprochen, wird die Generaldiskussion geschlossen.

Persönlich wirft Abg. Roeren dem Abg. Schettler vor, er habe wohl nur aut ,, für die Richter die Versicherung ab⸗ gegeben, daß sie dieses Gesetz wollten.

Abg. Schettler weist diesen Vorwurf zurück; er habe niemals . ö gehabt, sich um eine Stelle beim Ober ⸗Landesgericht zu emühen.

Abg. Roeren (Zentr.): Herr Schettler hatte gewiß seine guten Gründe dazu.

Die Spezialdiskussion wendet sich sofort zu dem in zweiter Lesung abgelehnten S8 (Assessoren-Paragraph), welchen die Abgg. von Arn im (kons.) und Gen. in ie lr Fassung wiederherzustellen beantragen:

Ueber die 96h ung derjenigen Rechtskandidaten, welche die erste juristische Prüfung bestanden haben, entscheidet die Justiz⸗ verwaltung nach ,. des Bedarfs. Die Zulagssung erfolgt in der Regel nach der Reihenfolge der Meldungen. Die Referendare, welche die große Staatzprüfung bestanden haben, erhalten darüber ein Zeugniß und die Befugniß, den Titel Gerichts⸗Assessor zu führen. Dieselben scheiden aus dem ZƷustijdienst aug. Diesenigen, welche in den höheren Justtzdienst eintreten wollen, haben ihre Annahme bei dem Justi Din nf zu beantragen. Das Staats⸗Ministerium erläßt die . erforderlichen Ausführungsbestimmungen.

Es meldet sich niemand zum Wort; die Abstimmung über den Antrag ist eine namentliche. Er wird mit ng egen 181 Stimmen , , g. , denselben stimmen ,, die Konservgtiven und Freitonservativen. Gegen denselben timmen a . das Zentrum, die Freisinnige Volkspartei,

le Freisinnige Vereinigung, die Polen und? die National- liberalen mit wenigen Ausnahmen.

Die übrigen Paragraphen werden ohne Debatte ange⸗ nommen; ein von dem Abg. Im Walle zum 8 2 gestellter u nt bezüglich einer anderweiten, in tigeren Be⸗ messung des Dienstalters der zu Land- und Amtsrichtern zu ernennenden Gerichts⸗Assessoren wird in momentaner Abwesen⸗ heit des Antragstellers verworfen. Der Antragsteller verfucht ihn später als felbständigen 8 3a zur Digkusston und Abstim— mung zu bringen, wogegen aber der Präsident und das Haus Widerspruch erheben. er Abg. Im Walle erklärt darauf, daß es ihm nachdem sein Verbesserungsantrag abgelehnt sei, unmöglich fei, 6. das Gesetz im Ganzen zu stimmen.

ö . der Gesammtabstimmung wird das Gesetz ange⸗ . .

Der Abg. Rintelen hat zu dem Gesetz folgende Reso— lution vorgeschlagen:

Die Staatsregierung zu ersuchen, herbeiführen zu wollen, daß im

Wege der Reichsgesetzgebung die FF 3 und 3 des Gerichtsverfassungs⸗

gesetzes vom 27. Januar 1877 in der Richtung abgeändert werden,

daß die Fähigkeit zum Richteramt durch Ablegung dreier Prüfungen erlangt wird, event. dahin, daß in den einzelnen Bundesstaaken auch bestimmt werden kann, daß zwischen der ersten und zweiten

Prufung eine Zwischenprüfung stattfinde und daß von deren Bestehen

die Zulassung zur zweiten Prüfung in dem betreffenden Bundetstaat

abhängig gemacht werde.

Nach kurzer Begründung der Resolution durch den Abg. Rintelen, welche wegen der andauernden Unruhe im Hause un— verständlich bleibt, erklären die Abgg. von Tiedemann-Bom ft (fr. kons.) und Freiherr von Richthofen (kons), daß ihre Freunde gegen die Resolution stimmen.

Abg. von Cuny (nl) weist darauf hin, daß nach dem Zustande⸗ kommen des Bürgerlichen Gesetzbuchs die ganze Gintheilung des Rechtsstudiums werde eine andere werden; das Studtum werde sich dann mehr dem deutschen Recht als dem römischen zuwenden müssen. Aber der Antrag Rintelen sei jetzt noch verfrüht, wo alle diefe Fragen noch in der Schwebe seien. Er stimme deshalb dagegen.

Abg. Rintelen zieht mit Rücksicht auf die Erklärung des konseryativen Rednerg, daß die konservative . gegen die Resolu⸗ tion stimme, weil sie in Verbindung mit diesem 655 gebracht sei, seine Resolution zurück und stellt in Aussicht, sie in der nächsten Session als selbständigen Antrag wieder einzubringen.

Es folgt die dritte Berathung der Kreditvorlage (Eisenbahnbauten, Kornhäuser).

In der Generaldiskussion erklärt auf eine Anregung des Abg. von Schöning der

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Der Herr Abg. von Schöning hat bereits erklärt, daß es sehr schwierig sein würde, die von ihm gestellte Frage hier klar und deutlich zu beantworten. In dieser seiner Ansicht kann ich ihm nur beistimmen. Die Staatsregierung hat in früheren Zeiten es vielfach für zweckmäßig erachtet, Nebenbahnen auf die bestehenden Staatsstraßen zu legen. Die Erfahrungen, die seit der Zeit hiermit gemacht worden sind, haben die Voraussetzungen, von denen man geleitet wurde, nicht überall bestätigt. Es hat sich gezeigt, daß sowohl für den Land⸗ als für den Eisenbahnverkehr die gemeinsame Benutzung der Staats straßen in den meisten Fällen unzweckmäßig ist. Es trifft das natür⸗ lich in viel höherem Grade für normalspurige Bahnen zu wie für Kleinbahnen: bei den Kleinbahnen sind die Gefahren nicht so groß und sind auch andererseits die Hemmungen, welche die Eisenbahn—⸗ verwaltung erfährt, die im wesentlichen darin bestehen, daß die Geschwindigkeit der Beförderung nur eine sehr mähßige sein kann, nicht so ausschlaggebend bei den Kleinbahnen wie bei den normalspurigen Nebenbahnen. Die Staats⸗ Eisenbahnverwaltung vermeidet daher in neuerer Zeit, wo nicht ganz besondere Verhältnisse das angezeigt erscheinen lassen, die Benutzung der Staatsstraßen zu normalspurigen Nebenbahnen.

In dieser Erklärung wird Herr Abg. von Schöning schon eine gewisse Beruhigung finden.

Wie nun die Gefahren, welche sich daraus ergeben, daß die Pferde sich schwer an den Konkurrenzbetrieb der Eisen⸗ bahnen gewöhnen, zu beseitigen sind, läßt sich im allgemeinen nicht sagen. Indessen sind da, wo ganz besondere Gefahren sich herausgestellt haben, wie z. B. bei scharfen, unübersichtlichen Kurven oder beim Passieren bebauter Straßen, Einrichtungen getroffen, sie zu beseitigen oder sie doch abzumildern. Ich muß dazu bemerken, daß die Pferde in den meisten Fällen noch vernünftiger sind als die Kutscher, daß der größte Theil der Unglücksfälle nicht davon herrührt, daß das Pferd, sondern daß der Kutscher unvernünftig ge⸗ wesen ist, geschlafen hat oder betrunken gewesen ist, und dagegen ist eben sehr schwer von Aufsichtswegen etwas zu machen. Im allgemeinen gewöhnen sich die Pferde an den Konkurrenzbetrieb der Eisenbahnen merkwürdig leicht. Wir haben namentlich in den westlichen Provinzen, in ganzen langgestreckten Thälern, 40, 50 km lang, überwiegend Konkurrenzbetrieb der Bahnen und des Landverkehrs auf den Straßen. Es kommen dort, nachdem die Pferde sich einigermaßen eingewöhnt haben, nur noch selten Unglücksfälle vor. Nun gebe ich ja zu, daß der kaltblütige Pferdeschlag, mit dem im Westen meist kutschiert wird, etwas Anderes ist als der warmblütige Pferdeschlaz, mit dem im Osten auf den Landstraßen gefahren wird. Ich glaube aber doch, daß bei einiger Vorsicht in den meisten Fällen Unglücksfälle sich verhüten lassen. Wo die Ver⸗ bältnisse es angezeigt erscheinen lassen und die Gefahren besonders dringend waren, ist man hier und da dazu übergegangen, einen Zaun zwischen den Eisenbahnen und dem übrigen Theil der Landstraße herzustellen. Indessen, meine Herren, das ist nur an ganz vereinzelten Stellen durchführbar und verursacht verhältnißmäßig sehr hohe Kosten. Im allgemeinen glaube ich, ist die Unfallverhütung

ebenso sehr in der Hand der Pferdebesitzer und Kutscher, als in der

Hand der Eisenbahnverwaltung.

Abg. Schwarze (Zentr.) bemängelt, daß noch garnicht fest⸗ estellt sei, nach welchem System die Kornhäuser gebaut werden 6. ob nach dem amerikanischen Silosystem oder nicht, bespricht

ie technische Schwierigkeit einer geeigneten Einrichtung . . ung der

a, . Getreide und empfiehlt als Träger der Verwa

Kornhäuser die Raiffeisen'schen Genossenschaften. 1 von Eynern (nl) beschuldigt die Lokomotivführer der Klein⸗

bahnen, mit Vorliebe aus n die Pferde 2 . scheu zu machen, und bittet den Minister um strenge Maßregeln

dagegen. Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen: Meine Herren! Die Anordnungen, die Herr von Eynern erlassen

zu sehen wünscht, sind bereits ergangen, und zwar in der strengsten

Form. Ich muß auch entschieden bestrelten, daß die Lokomotivführer ,

geneigt sind, Pferde scheu zu machen; sie wissen recht gut, was es für Folgen hat, und wenn ein Unglück sich ereignet, sie auch dafür ver⸗ antwortlich gemacht werden. Es ist namentlich aufs strengste unter⸗ sagt, daß die Lokomotivführer dann, wenn sie ein Gefährt passieren, die Dampfhähne ziehen; denn die Pferde scheuen noch viel mehr das Abblasen des Dampfes aut den Zylinderhähnen als das Pfeifen. Das Pfeifen ist oft nicht zu vermeiden, um den betreffenden Kutscher zu avertieren, daß hinter ihm ein Zug kommt.

Wenn dann Herr von Eynern im Eingang seiner Ausführungen gesagt hat, er begriffe nicht recht, was für ein Unterschied wäre in dieser Beziehung zwischen einer Normal⸗ und schmalspurigen Bahn, so muß er mich wohl nicht ganz verstanden haben. Der Unterschied besteht darin, daß die Schmalspurbahn viel weniger Platz beansprucht auf der Landstraße als eine Normalspurbahn, zweitens daß die Schmalspurbahn, weil sie ein verhältnißmäßig geringeres Gewicht repräsentiert, sehr viel rascher gebremst werden kann als ein schwerer Normalzug, und drittens, daß sie auch viel geringere Geschwindigkeiten einzuhalten hat, als der Normalspurbahn gestattet ist.

Alle diese Momente lassen die Benutzung der Landstraße durch Normalspurbahnen viel bedenklicher erscheinen als durch schmalspurige Kleinbahnen.

Abg. Dr. 6 empfiehlt den Anschluß der niederelbischen Eisen⸗ bahnen an die Wasserstraße und spricht seine Befriedigung darüber aus, daß die Cisenbahnverwaltung die Schlickverfrachtun learn rt

Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum (konf) ie, , das Ver⸗ fahren der Verwaltung in der Frage der Aufbringung der Grund= erwerbskosten. Für eine Nebenbahn in seinem Kreise sei erst von den Interessenten die Hergabe von 23 ha verlangt worden, und nachher hätten sie 40 ha hergeben müssen. Das Recht der Regierung sei allerdings nach den kautschukartigen gesetzlichen Bestimmungen zweifel, los. Bei einem Bahnhof liegen jetzt 8 Morgen Land unbenutzt. Die Verwaltung beschäftige fich jetzt mit dem Projekt, diese Nebenbahn zur Vollbahn auszubauen. Er habe nun den Minister

efragt, ob er in diesem Falle den Interessenten den Werth des

zrund und Bodens zurückersfatten wolle, welchen sie über das Be—=

dürfniß für eine Nebenbahn hinaus hergegeben hätten. Der Minister habe dies verneint, weil es gar keine 5. Unterscheidung zwischen Voll und Nebenbahnen gebe. Welches fei denn der Ünterschied über⸗ haupt? Die Verwaltung solle nicht mehr an Grund und Boden fordern, als dringend erforderlich sei.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Ich bin sehr bereit, den Wunsch des Herrn Grafen Limburg dahin zu eifüllen, daß meinerseits eine aufmerksame Kontrole darüber ausgeübt wird, daß nicht mehr von den Kreisen an Grund und Boden beansprucht wird, als nöthig ist. Nun gebe ich zu, daß der Begriff der Nothwendigkeit ja sehr verschieden aus⸗ gelegt wird; aber bei Feststellung der dem Ministerium eingereichten Projekte wird gerade diesem Umstand ganz besondere Aufmerksamkeit gewidmet und darauf gehalten, daß nicht mehr gefordert wird, als für den ordnungsmäßigen Betrieb der Bahn in absehbarer Zeit noth—⸗ wendig ist. Dabei kann es aber doch vorkommen, daß das Terrain, welches für irgend einen beliebigen Bahnhof gefordert ist, in dem ersten Jahre mit Schienen nicht voll belegt ist, weil zunächst eine gewisse Entwickelung des Verkehrs erst abgewartet wird und es unökonomisch wäre, wenn wir den ganzen Gleieplan des Bahnhofs sofort bei der ersten Anlage ausführten. Wir haben aber das Terrain beansprucht, weil nach den Angaben, die uns seitens der Landrathsämter, seitens der Verkehrsinteressenten gemacht worden sind, wir erwarten mußten, daß in kürzester Frist die Gleisanlagen nicht mehr zureichen und wir dann genöthigt sein werden, den Bahnhof, wie er ursprünglich auf⸗ gestellt worden ist, auch bezüglich des Gleisbaues auszuführen.

So wird es auch wahrscheinlich bei der Bahn liegen, von der Herr Graf Limburg spricht. Auch da sind die Gleispläne so auf⸗ gestellt, daß sie einem Anwachsen in der nächflen Zeit gerecht werden; vorläufig ist aber nur ein Theil davon ausgeführt worden. Der Herr Abg. Graf Limburg hat Recht, wenn er vermuthet, daß die Eisenbahn⸗ verwaltung schon bei Aufstellung des Projekts sich bewußt gewesen ist, daß ein nicht unerheblicher Verkehr der Bahn zuwachsen wird. Es ist daher ganz richtig gewesen von der Eisenbahnverwaltung, daß sie hierauf auch bei der Konstruktion von Bahndamm und Oberbau einigermaßen Rücksicht genommen und nicht so eng und schmal gebaut bat, wie man vielleicht in einer Gegend bauen würde, die Verkehrs zuwachs in absehbarer Zeit nicht zu erwarten hat.

Herr Graf Limburg hat dann gefragt: wodurch unterscheidet sich eine Vollbahn von einer Nebenbahn? Diese Frage kann ich nur theoretisch beantworten: eine Vollbahn ist eine Bahn, auf die die Betriebsordnung für die Hauptbahnen (Heiterkeit) und eine Neben⸗ bahn ist eine Bahn, auf die die Betriebsordnung für die Nebenbahnen Anwendung findet. (Große Heiterkeit) Eine andere Antwort kann ich unmöglich geben. Bei der Konstruktion der Bahn wird nach dem zu erwartenden Verkehr die Ent scheidung getroffen, ob sie als eine Hauptbahn oder als eine Neben bahn anzusehen ist, und daraufhin der ganze Bau und auch der Betrieb eingerichtet. Es kann aber recht wohl vorkommen, daß auch bei einer Nebenbahn an einer besonders gefährdeten Stelle eine Be⸗ wachung der Bahn eintritt, daß ein Wärter dort hingestellt oder eine Barriore errichtet wird, daß man also, wenn beispielsweise eine Nebenbahn eine belebte Dorfstraße schneidet, von dem sonst bei Nebenbahnen in der Regel angewendeten Grundsatze, daß eine Bewachung nicht nöthig ist, keinen Gebrauch macht. Häufig sagt auch die Landespolizei: hier liegt Gefahr vor, Du mußt hier, trotzdem die Betriebsordnung für die Nebenbahnen auf diese Strecke Anwendung findet, eine spezielle Bewachung eintreten lassen, eine Barriore ein- richten u. s. w. Ob es aber nicht Fälle giebt, die so dicht an der Grenze liegen, daß man darüber verschiedener Meinung sein kann, ob der Verkehr dieser Bahn mehr dem Cbarakter der Hauptbahnen oder mehr dem der Nebenbahnen entspricht, das will ich von vornherein frei⸗ lassen. In der Hauptsache aber wird Herr Graf Limburg ⸗Stirum seine Beruhigung aus der Erklärung schöpfen, daß in der Zentral- instanz mit Sorgfalt darauf gesehen wird, daß von den Kreisen oder den sonstigen Interessenten nicht mehr an Grund und Boden gefordert wird, als unbedingt nothwendig ist.

Meine Herren, die Mißstände, die Herr Graf Limburg⸗Stirum geschildert hat, und die vielfach beklagt worden sind, haben zu der Aenderung geführt, daß man jetzt den Interessenten freistellt, ob sie sich von diesem Risiko mit Geld loskaufen wollen, oder ob sie es vorzieben, den Grund und Boden in natura zu bewilligen. Auch in dieser Frage müssen wir noch Erfahrungen sammeln. Wir kommen vielleicht zu der Ueberzeugung, nach einigen Jahren, wenn