Großbritannien und Irland.
Auf die in der gestrigen , . des Unterhauses ge⸗ stellte Anfrage, welchem Beispiel die Regierung folge, wenn sie die Untersuchung über die Chartered Company einem gemein⸗ samen Ausschuß der beiden Häuser des ö zu überweisen gedenke, erwiderte der Staatssekretär der Kolonien Chamberlain; Ueber die Form der Untersuchung sei noch nicht endgültig Beschluß gefaßt; dieselbe müsse, wie er in seiner Rede bei der Adreßdebatte erklärt habe, in hohem Grade von dem Umfange abhängen, welcher der Untersuchung gegeben werde. Solle sich die Untersuchung auf, die frühere Ver—⸗ waltungsthätigkeit der Gesellschaft erstrecken, sowie auf die
age, ob es wünschenswerth sei, dieselbe ferner mit den großen
ewalten, die sie gegenwärtig noch besitze, zu betrauen, mit der Vollmacht, . für die künftige Regierung der von der Chartered Company verwalteten Gebiete zu machen, dann würde ein parlamentarischer Ausschuß am besten für den weck geeignet scheinen. Sollte hingegen nur eine richter⸗ liche Untersuchung des Einfalls in Transvaal und der damit usammenhängenden Umstände gewünscht werden, dann würde kin Untersuchung durch eine richterliche Kommission einige offenbare Vortheile bieten. Für die Einsetzung gemeinsamer parlamentarischer Ausschüsse seien zahlreiche Beispiele aus der Zeit vor 1695 vorhanden; in dem Zeitraum zwischen 1636 und 1864 sei allerdings eine solche 96 erfolgt, jedoch habe eitdem die Einsetzung eines derartigen Ausschusses wieder öfter tattgefunden; einen genauen Präzedenzfall gebe es nicht.
Dem „W. T. B.“ zufolge ien e en die Führer der Opposition, den Vorschlag der Regierung, Indien mit den Ausgaben für die nach Suakin entsandten indischen Truppen zu belast en, nachdrücklich zu bekämpfen.
Frankreich.
In dem gestern abgehaltenen Ministerrath machte der Präsident Faure Mittheilung über den Empfang, den er seitens der Kaiserin⸗Wittwe von Rußland . bei der Begrüßung Allerhöchstderselben gefunden. Der Minister⸗ rath beschloß, das Dekret über die Einsetzung des Qbersten Marineraths dahin abzuändern, daß der Präsident der Republik in diesem Rathe den Vorsitz führen könne. Der Minister des Auswärtigen Hanotaux theilte die Beileidsbezeugungen des Königs von Italien und der Königin⸗Regentin von Spanien anläßlich des Eisenbahnunglücks bei Adelia mit.
Ein in Paris eingetroffenes amtliches Telegramm aus Tananarivo meldet, daß die Lage auf Madagaskar be—
friedigend ist. Rußzland.
Der Kaiser und die Kaiserin empfingen, wie, W. T. B.“ berichtet, gestern im Petroweky⸗Palais bei Moskau die De⸗ putation des preußischen?. Garde⸗Dragoner⸗Regiments in Audienz, wobei die Ernennung der Kaiserin zum Ehef des Regimen ts öffentlich bekannt gegeben wurde. Darauf wurden das Gefolge des Prinzen Heinrich von Preußen sowie der General der Infanterie von Werder und die zur deutschen Botschaft kommandierten fünf Offiziere von den Majestäten empfangen, welche an jeden der Herren in deutscher Sprache sehr huldvolle Worte richteten. Ferner empfingen der Kaiser und die Kaiserin den Emir von Buchara und den Khan von Chiwa in feierlicher Audienz.
Der Herzog Albrecht von Württemberg, der Erb⸗ großherzog von Baden sowie der Herzog, die Herzogin, der Erbprinz und die Prinzessin Beatrice von Sachsen-Coburg und Gotha sind gestern in Moskau ein⸗ getroffen und von den Großfürsten, den Großfürstinnen und den Mitgliedern der . Botschaft empfangen worden.
Während des letzten inters haben bei der ganzen Armee, namentlich bei den Truppen des St. Petersburger Militärbezirks, zahlreiche Mobilisierungsversuche statt—⸗ gefunden, denen der Höchstkommandierende, der Groß⸗ fürst Wladimir, großes Interesse zuwendet und zu deren Ueberwachung Kommissionen eingesetzt sind. Nach vollzogener Mobilisierung, wobei Mannschaften und Pferde anderer Truppentheile mithelfen mußten, fanden stets Marsch⸗ und Verladungsübungen statt.
Türkei.
Aus Athen wird der „Times“ vom 18. d. M. ge— meldet, am Tage zuvor habe ein türkischer Soldat in Vamos auf Kreta einen christlichen Gendarmen getödtet, worauf die Christen die Garnison in ihren Quartieren belagert hätten. Von Canea seien 400 Mann abgegangen, um die Garnison zu befreien.
Vom 19. d. M. wird demselben Blatte weiter berichtet: Die Garnison von Vamos werde noch belagert. Die Christen hätten die Landung der von Canea entsendeten Verstärkungen verhindert. Der Dampfer sei wieder abgesegelt, nachdem er einige Schüsse abgegeben habe.
Schweden und Norwegen.
Wie „W. T. B.“ aus Christiania erfährt, wird die norwegische Regierung demnächst dem Storthing. einen . über eine Staats⸗Anleihe von 26 Millionen Kronen vorlegen, von denen 16 Millionen zum Bau von Eisenbahnen, 6 Millionen zu Telegraphen⸗ und Telephon⸗ anlagen und 2 Millionen als Beiträge zum Bau von Privat— Eisenbahnen verwendet werden sollen.
Afrika. Aus Massowah berichtet die „Agenzia Stefani“ vom 18. 8. M; die Uebengabe der w Gefangenen, welche sich den italienischen Stellungen am nächsten befunden hätten, nämlich von drei Offizieren und 88 Soldaten, habe am Montag früh ohne bemerkenswerthe Zwischenfälle statt⸗ . Im Laufe des Tages würden noch weitere drei
fiziere und fünf Soldaten erwartet. In Tigre verblieben
noch einige Verwundete und Kranke, deren Transport gegenwärtig unmöglich sei; die Gefangenen in Lasta, un⸗ a,, 50 an der Zahl, hoffe man gegen Ende des Monats u befreien. Am 17. d. M. seien bei der Uebergabe der Ge⸗ . Schwierigkeiten entstanden, weil die wenigen hundert Abessynier, welche sie begleitet hätten, im Hinblick auf die Adigrat beherrschenden Stellungen der Italiener eine Ueber⸗ raschung von italienischer Seite befürchtet hätten. Um sie zu beruhigen, habe der General Baldissera die Division Del Mayno einige Kilometer zurückgezogen. — Das Fort von Adigrat sei von 6 und Vorräthen vollständig ge⸗
räumt und alsdann verlassen worden. Scium Tesfai, der, wie abgemacht, zur Besetzung der Thalmulde von Adigrat be⸗ stimmt . sei, habe den Wunsch ausgedrückt, das Fort in die Luft zu sprengen, damit es nicht in unbeschädigtem
. in die Hände des Ras Sebat falle. Der General aldissera habe indessen nicht darauf eingehen wollen, da er es vorgezogen habe, zwischen den beiden Nebenbuhlern nicht zu intervenieren. a der General Baldissera die wichtigste Phase des gegenwärtigen Feldzugs als abgeschlossen betrachte, werde das Operatlonskorps kolonnen⸗ welse nach Dongollo und allmählich nach Barachit und Senafe marschieren. Der General beabsichtige, in Uebereinstimmun mit Ras Mangascha, zwei e , . Genietruppen na dem Schlachtfelde von Adug zu senden, um die italienischen Gefallenen zu begraben und ein Denkmal errichten zu lassen. Der „Tribuna“ wird aus Massowah vom 19. d. M, be⸗ richtet, der jetzt , Lieutenant Poggi sei nach seinen Erzählungen genöthigt gewesen, während seiner Gefangenschaft
drei Wochen lang von Ort J Ort mit dem Lieutenant Acerbi
und zwanzi n, Soldaten um Lebensmittel zu betteln. ast alle iel zu Grunde gegangen und Poggi selbst sei sehr chlecht behandelt worden.
Parlamentarische Nachrichten.
Die Schlußberichte über die gestrigen Sitzungen des Reichstags und des Herrenhauses befinden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.
— In der n e eng des Herrenhauses, welcher der Finanz⸗Minister Dr. Miquel, der Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen und der Justiz-Minister Schön⸗ stedt beiwohnten, gelangte, nach . einiger Rechnungs⸗ vorlagen durch Ertheilung der Entlastung, der Gesetzent⸗ wurf, betreffend die Regelung der Richtergehälter und die Ernennung der Gerichts-Assessoren, zur
Berathung .
Die hustizkommission beantragte, den vom Abgeordneten⸗ hause gestrichenen 8 in folgender Fassung anzunehmen:
Der § 3 des Ausführungsgesetzes vom 24. April 1878 zum Deutschen Gerichtsverfassungsgesetz wird dahin abgeändert:
Die Gerichts. Assessoren können (nach bisheriger Fassung: werden nach ihrer Ernennung) auf ihren Antrag (dieser Zusatz fehlte in der bisherigen Fassung) einem Amtsgericht oder Land- gericht oder einer Staatzanwaltschaft zur unentgeltlichen Beschäftigung überwiesen werden. Die Bezeichnung der Behörde erfolgt durch den Justiz⸗Minister. .
Die Versetzung der Gerichts⸗Assessoren von dem Orte, an welchem sie einem Gericht oder einer Staatsanwaltschaft zur unent⸗ geltlichen Beschäftigung überwiesen sind, ist vorbehaltlich der Vor⸗ schriften in 5 4 nur mit ihrer Zustimmung zulässig. (Dieser Satz deckt sich mit der bisherigen Fassung ;.
(Neu) Gerichts Assessoren, welche innerhalb eines Zeitraums von vier Jahren seit ihrer Ernennung eine Ueberweisung zur un— entgeltlichen Beschäftigung nicht beantragen oder nicht erlangen, scheiden aus dem Justizdienst aus.“
In der Generaldiskussion nahm zunächst das Wort
Ober⸗Bürgermeister Zelle⸗Berlin: Die Vorlage hat eine um⸗ fassende öffentliche Diskussion veranlaßt, namentlich bezüglich des § 8, den die Kommission wieder aufgenommen hat, nachdem ihn das andere Haus gestrichen hatte. Die Assessoren wurden bisher im Justiz— dienst beschäftigt; ob sie Anstellung finden würden, war damit noch nicht entschieden. Jetzt soll es so eingerichtet werden, daß die Justizwerwaltung sich entscheidet, ob sie einen Assessor beschäftigen will oder nicht. Wenn sie ihn nicht beschäftigt, soll er noch vier Jahre warten und bitten dürfen. Die Regierungsvorlage verfährt wenigstens radikal nach dem Grundsatz: Schneidst dem . den Schwanz ab, schneid' ihn auch gleich ganz ab'. Bei dieser
rage handelt es sich um die Rechtsanwaltschaft, um die Vor- bereltung der Referendare u. s. w. Für die Dienstaltersstufen ist diese Frage aber keine Vorbedingung. Die Anstellung der Direktoren erfolgt nicht nach dem Dienstalter, sondern nach den Verdiensten und Talenten. Bei den Referendaren und Assessoren können solche Verdienste und Talente sich noch garnicht zeigen. Die Zeugnisse der Vorgesetzten über Referendare können von Zufälligkeiten abhängen; ein Wider spruch in einer Angelegenheit kann als Mangel an Takt auf⸗ efaßt werden. Der Referendar weiß garnicht, was in seine
ersonalakten hineinkommt. Er lebt also in einer Angst, die ihn veranlassen kann, geschmeidiger und vorsichtiger zu sein, als es sonst mit dem Charakter ,. Mannes verträglich ist, und daraus entsteht ein Mangel an Charakterstärke, der dem Richter⸗ stande nicht zuträglich ist. Ich will keinem Dezernenten des Ministeriums einen Vorwurf machen; aber ich würde es ebenso machen, ich würde die Söhne mir bekannter Juristenfamilien auswählen, weil keine anderen Merkmale für die Auswahl vorhanden sind. Die ab⸗ gewiesenen Assessoreen würden immer einen Makel an sich tragen; sie sind eben abgewiesen vom Staat. Der Minister weist auf den großen Zustrom von Assessoren hin. Ein solcher Zustrom bestand 1856 auch, als ich Assessor wurde; aber wenige Jahre später lag die Ernennung des Assessors zum Richter gleich nach dem Examen auf dem Tisch, weil es an Assessoren mangelte. Alle Familien, deren Söhne jetzt Referendare geworden sind oder Jurisprudenz studieren, würden id in der peinlichsten Verlegenheit befinden, wenn die Vor⸗ lage nach dem Beschluß der Kommission angenommen würde.
Der Berichterstatter, Senats⸗Präsident beim Kammergericht Eggeling wies darauf hin, daß die Praxis die geworden sei, daß jeder, der das Assessorexamen gemacht habe, zum Gerichts⸗Assessor er⸗ nannt werde, ohne daß schon die Aussicht vorhanden sei, angestellt zu werden.
Graf von Klinckowstroem beantragte, die k in S§ 5 und 6 wieder herzustellen. Das Abgeordnetenhaus wolle von der Vorbereitungsdienstzeit auf das Dienstalter die Zeit anrechnen, welche drei Jahre , während nach der Regierungsvorlage und nach den Vorschriften bezüglich der anderen Beamten vier Jahre unangerechnet blieben. Eine Bevorzugung der Richter vor den anderen Beamten sei nicht zulässig. Wenn § 8 nicht in der Vorlage gestanden hätte, so wäre darin nichts zu finden gewesen, denn er enthalte nur bestehendes Recht. Das bestandene Examen gebe die Fähigkeit, aber nicht das Recht auf Anstellung. Da durch die Verhandlungen das Recht der Krone verdunkelt werden könne, müsse die Bestimmung aufgenommen werden. Wenn das andere Haus die Bestimmung wiederum ablehnen sollte, so würde er gegen das Gesetz stimmen und die Regierung auf⸗ fordern, das, was bestehendes Recht sei, strengstens durchzuführen.
KammergerichtsPräsident Dr. Drenkmann: Das Bestehen des Examens giebt kein Recht auf Anstellung; sie ist ein Recht der Krone. Die Bestimmung des 3 welchen die Kommission vorgeschlagen hat, 6h nur das Recht des Assessors beseitigen, auf jeden Fall unentgeltlich ei einem Gericht beschäftigt zu werden. Der Justizwerwaltung muß unter allen Umständen das Recht der Auswahl unter den Anzustellenden gewahrt bleiben, nicht bloß a der Moralität, sondern auch bezüglich der durch die gesellschaftliche Stellung des Richters gebotenen Rücksichten. Die Annahme des § 8 wird eine erhebliche . des Ansehens des Richterstandes mit
ch bringen. Das Ansehen des Richterstandes ist verkümmert worden, und darin liegt eine große Gefahr; denn der Richter, der nicht von der gebührenden Achtung seiner Stellung getragen wird, wird schließlich erbittert, und der Erfolg seiner Thätig⸗ keit wird vermindert. Der Richterstand ist kein bevor⸗ zugter. Die besten Köpfe und die Söhne bester Familien wenden ihm den Rücken zu. Die meisten Personen bleiben Amts⸗ oder Land⸗ richter in Orten mit nicht genügendem Verkehr. Die Annahme des Kommissionsantrags wird dahin in, daß die Anstellung der Richter
rascher und zwar bald nach dem Gxamen erfolgt, während die Justhz. verwaltung die minderwerthigen Elemente ausscheiden kann, Obwohl das Recht der Auswahl nicht, zweifelhaft ist, wird, doch Widerspruch dagegen erhoben. Ein moralisches Recht auf Anstellung besteht nich in dem Maße, daß der Justiz⸗Minister jeden Anwärter anstellen muß, auch wenn er im voraus weiß, daß er das richterliche Ansehen durch Mangel an Takt schädigen wird. Das Mißtrauen gegen den Justiz⸗Minister oder gegen die, Ober⸗Landesgerichts⸗Präsidenten ist nicht gerechtfertigt. Es sind ihnen viele wichtige Entscheidungen anvertraut; warum sollen sie in einer Frage, die das Lebensglück eines jungen Mannes entscheidet, leichtfertig entscheiden ? Freflich nach der Art, wie Herr Zelle es meint, daß sie nur die Söhne ihrer ö und Bekannten anstellen werden, werden sie nicht verfahren. rundsätzlich kann die Frage im Gesetze nicht geregelt werden: eine gewisse Willkür und Bewegungsfreiheit muß der Justizverwaltung eingeräumt werden. Bedenklich ist es allerdings, wenn der Justij= Minister gleich nach dem Assessor⸗Examen über die Anstellung ent. scheiden soll. Nach der Kommissionsfassung ist das nicht mehr nöthig. Der Vorwurf, daß ein Streberthum groß gezogen wird, trifft nicht zu. Ein berechtigter Ehrgeiz ist, wie bei allen Beamten, auch bei den Richtern nothwendig; dadurch ist Preußen, groß geworden. Ein Streberthum ist nur da vorhanden, wo über die Indignität hin. weggetäuscht werden soll durch unlautere Mittel. Daß die Rechts anwaltschaft geschädigt wird, ist das Bedenken, welches scheinbar am begründetsten ist. Der Rechtsanwaltstand ist auch nicht immer das, was er sein soll. Ein tüchtiger und angesehener Rechtsanwaltstand ist auch nothwendig zur Rechtspflege. Aber durch Beseitigung des §S 8 fann nicht geholfen werden; eine Reform des Rechte— anwaltstandes ist nothwendig; denn das Anschwellen der Zahl der Rechtsanwalte in den Verkehrszentren ist nicht mehr erträglich. Hat jemand, der eben erst das Assessor Examen gemacht hat, schon die Befähigung zur Advokatur? Die Freiheit der Advokatur muß auf— gehoben werden. Warum soll denn bloß beim Reichsgericht über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft vom Gericht selbst beschlossen werden, warum nicht auch bei den anderen Ge— richten? Der Beschluß der Kommission ermöglicht es, daß den Anwärtern möglichst zeitig gesagt wird, ob sie auf Anstellung rechnen können, während sie jetzt oft 8 bis 12 Jahre auf die Anstellung warten können, schließlich ihr ganzes Vermögen aufgezehrt haben und vis à vis de rien stehen. Redner erklärt dann, daß er in Bezug auf die Berechnung der Dienstzeit für den Beschluß des Abgeordneten⸗ hauses stimmen werde. . Ober⸗Bürgermeister Struckmann⸗ Hildesheim: Nach der eben gehörten Rede einer Autorität wird es schwer sein, einige Bedenken geltend zu machen. Wenn die Ausführungen richtig sind, dann hat der Justiz⸗Minister jetzt schon das Recht, ungeeignete Persönlichkeiten zurückzuweisen und zwar schon während der Zeit des Referendariats. Warum wird davon nicht Gebrauch gemacht? Man will die Sache nur erleichtern, indem man das überflüssig macht, was man jetzt höchstens noch für nothwendig hielt, für die Abweisung von Assessoren Gründe an— zugeben. Der Hinweis auf die anderen Verwaltungen ist nicht zu— treffend. Die Justizverwaltung hat die praktische Ausbildung aller Juristen zu übernehmen, welche für die Staats- und Kommunal— verwaltung erforderlich sind. Das ist eine große Last, aber auch eine Wenn der Justiz⸗M
richtig.
ein weniger
sie sollte ja nichts Neues schaffen. t
rechnen mit der feststebenden langjährigen Praxis, deren plötzliches Aufgeben ohne gesetzliche Vorschrift ein Odium auf die Justiz= verwaltung laden und für die Betheiligten sehr hart sein würde, viel härter als nach Annahme des § 8 der Kommissionsvorschläge. Durch die Debatten ist allgemein anerkannt, daß eine Ver—⸗ pflichtung zur Beschäftigung derjenigen, welche das Assessor— Examen gemacht haben, bei den Gerichten und zu ihrer Anstellung als Richter nicht besteht. Der Antrag der Justizkommission ist ein an— nehmbarer Ausweg, um aus den Schwierigkeiten, welche jetzt bestehen, herauszukommen. Es ist eine ehrenvolle, wenn auch nicht leichte Ver⸗ pflichtung, die Juristen sämmtlich auszubilden. Aber daraus kann nicht die weitere Verpflichtung abgeleitet werden, daß die Justiz alle diejenigen Personen verwenden soll, welche nicht anderweitig Verwendung finden. Die Justizverwaltung muß sich dagegen verwahren, eine Versorgungs— anstalt für die Uebrigbleibenden zu werden. Eine Durchführung des Systems der Dienstalterszulagen ohne 5 8 würde nicht möglich sein, wenn der Zudrang zur Justizverwaltung ein unbegrenzter ist. Dadurch verzögert sich der Eintritt der Einzelnen in das Amt, und dadurch wird schließlich die Gesammtheit der Beamten geschädigt. Der Zugang zum Justizdienst soll jedem nach seinen Fähigkeiten offen stehen; wir wollen nicht, daß er ein Privilegium der Wohlhabenden wird, aber wir müssen den übermäßigen Zudrang einschränken. Die Rechtsanwaltschaft verlangt von der Justizverwaltung, daß sie alle minderwerthigen Elemente mit durchschleppen solle, die die Anwalt⸗ schaft selbst nicht aufnehmen möchte. Bei einer Abwägung der gegen— seitigen Interessen kann sich die Justizverwaltung nicht zu einem Opfer für die Anwaltschaft verstehen. Daß bei der Einführung der Dienstalterß⸗ stufen eine Einschränkung der Zulassung zum Justijdienst nothwendig sei, ist früher von seiten der Regierung und auch in der Presse aller Parteien betont worden. Aber als die Vorlage kam, trat sofort die Opposition hervor. Ich gebe mich der Hoffnung hin, daß das Herren⸗ haus der Regierung das geben wird, was sie braucht zur Erhaltung des Ansehens der Justiz. —
Herr von Levetzow: Das Recht der Krone ist von keiner Seite bezweifelt worden; deshalb könnte man den § 8 für unnütz halten. Die Praxis ist allerdings die geworden, daß die Assessoten nach der Anciennetät angestellt werden. Wenn diese Praxis aufgegeben wird, so ist das ein schwerer Nachtheil für die vorhandenen Assessoren. Durch die Annahme des § 8 will die Justizverwaltung sie den festen Boden dafür schaffen, die bisherige Praxis aufzugeben. Die Verwerfung des 58 würde bedeuten, daß die Landes⸗ vertretung das Recht der Justizverwaltung nicht anerkannt hat, deshalb muß 5 8 angenommen werden. Redner erklärt sich für den Antrag des. Grafen Klinckowstroem, welcher nur die 4 Jahre übersteigende Dauer des Vorbereitungsdienstes auf das Dienstalter anrechnen will.
Damit schloß die Generaldiskussion.
Eingegangen war noch eine vom Kammergerichts-Prä⸗ sidenten Dr. Drenkmann beantragte Resolution: .
Die Regierung aufzufordern, n , geeignete Schritte zu thun, um eine Reform der Rechtsanwaltschaft, insbesondere zur Vermeidung der übermäßigen Ansammlung von Rechtsanwalten in den großen Städten herbeizuführen.
Die 58 1“—3 wurden ohne Debatte angenommen.
Zu g 4 beantragte Herr von Hertzberg-Lottin, auch den aktiven Militärdienst auf das Dienstalter anzurechnen.
Justiz⸗Minister Schönstedt bemerkte, daß 5 4 die Wiederholung einer für alle Beamten geltenden Bestimmung sei, deren Anwendung bisher zu keinen Bedenken geführt habe.
Herr von Hertzberg erklärte, daß er nur für diejenigen ehe⸗ maligen Offiziere sorgen wolle, welche, durch Verwundungen enthigt, ihren milttaäͤrischen Beruf aufzugeben, nachträglich sich der Justiz zu⸗ gewendet haben.
Geheimer Ober⸗Finanz Rath Lehnert: Der Antrag hat seinem Wortlaut nach eine umfassendere Bedeutung; er würde jede Militär= dienstzeit, auch die einjährige Dienstzeit zur Anrechnung bringen. Die befonderen Fälle hat die Juftizverwaltung dadurch berüäcksichtigen können, daß diese Personen vorzugsweise angestellt wurden.
Der Antrag wurde darauf zurückgezogen.
Ja den S§5 und 6 wurde die Regierungs vorlage wieder ergestellt, so daß nur der 4 Jahre übersteigende Zeitraum des , n, 3 das Dienstalter 6 werden
l. (Das Abgeordnetenhaus hatte anstatt 4 Jahre 3 Jahre
o ö. H
Die übrigen Paragraphen, einschließlich des von der Kom⸗ mission beantragten 8, wurden ohne weitere Debatte unver⸗ ändert angenommen, schließlich auch das Gesetz im Ganzen sowie die Resolution Drenkmann.
Das Haus genehmigte ferner den Nachtrag zum Staatshaushalts⸗Etat, betreffend die Unterbringung der Sammlungen des Pathologischen Instituts, und den Gesetz⸗ entwurf, betreffend die Gewährung von Umzugskosten an Regierungs⸗-⸗Bau meister.
Den Gesetzentwurf, betreffend die Abänderung des Gesetzes über gemeinschaftliche Holzungen, bean⸗ tragte Berichterstatter Herr von Bemberg⸗Flaͤmersheim unverändert anzunehmen.
Freiherr Lucius von Ballhausen empfahl dagegen die Ab lehnung der Vorlage, die einer künstlich entfachten, geradezu frivolen Agitation ihren Ursprung verdanke.
Graf von der Schulenburg Beetzendorf und Herr von Levetzow befürworteten gleichfalls die Ablehnung der Vorlage. Es sei zu bedauern, daß nicht auch im Osten ein Gesetz über gemein⸗ e gh Holzungen existiert habe; dann beständen vlele Waldungen no eute.
Der Gesetzentwurf wurde einstimmig abgelehnt.
Schluß A. Uhr. Nächste Sitzung unbestimmt, etwa
Mitte Juni.
Kunst und Wissenschaft.
Die Königlich bayerische Hof-Kunstanstalt von Franz Hanfstängl in München beginnt soeben die Veröffentlichung einer Kollektion von Pigmentdrucken nach Gemälden alter Meister aus den größten öffentlichen Sammlungen Europas, wie der Pinakothek zu München, den Galerien zu Berlin. Dresden, Cassel, Amsterdam, Haag, den Gemälde ⸗ Sammlungen im Buckingham Palace und in Windsor Castle sowie der National Gallery zu London. Das Studium und das Verständniß der alten Meisterwerke der Malerei hat sich in neuerer Zeit mehr und mehr ausgebreitet, und dieser sich steigernden Antheilnahme kommt das neue Unternehmen der Hanfstängl'schen Anstalt in beifallswerther Weise entgegen. Neben den von ihr bereits publizierten größeren und theureren Ausgaben ruft sie damit eine volksthümliche Edition ins Leben, welche jedem Kunst⸗ freunde die Erwerbung der bedeutendsten Schöpfungen der älteren Malerei in unveränderlichen getreuen Reproduktionen ermöglicht. Diese neue Ausgabe wird in dem herkömmlichen Folio⸗Format (ea. 18 zu 24 em Bildgröße) hergestellt und zum Preise von 1 6 50 463 pro Blatt, auf Karton aufgezogen, ausgegeben (unaufgezogen 1 „. Die uns vorliegenden Blätter nach Gemälden der Dresdner Galerie — „Sixtinische Madonna“ von Raffael, ‚Der Zinsgroschen“ von Tizian, „Der Liebesgarten“ und die Porträts der eigenen Söhne, von Rubens, Saskia (des Malers Gattin) als Mädchen! von Rembrandt und van Mieris' des Aelteren Selbstporträt (in seinem Atelier beim Malen einer Dame) — geben in angenehmem, sattem, aber fein schat⸗ tiertem Sepiaton nicht nur die Gesammtwirkung der Bilder mit ihren ins Einfarbige treu übertragenen Farbentonwerthen, sondern auch das zarteste Detail mit Hilfe von Photographien . den Originalen sorgfältig wieder. Vermöge dessen erscheinen diese Reproduktionen wohlgeeignet, dem Kunstfreund als Erinnerungsblätter Genuß zu bereiten; ferner aber bieten sie auch dem ö Kunstforscher alles dar, was zum Vorstudium der Originale erforderlich ist. Die neue Publikation des Hanfstängl'schen Verlags verdient somit die Beachtung aller kunstfreundlichen Kreise. Bei der großen Wohlfeilheit dieser Kollektion empfiehlt sich dieselbe auch als ein vortreffliches Anschauungsmaterial für Kunstschulen zum Gebrauch beim Unterricht in der Kunstgeschichte. .
— Die Gesellschaft für deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte“ hat sich vor kurzem durch eine neue Gruppe für Bayern erweitert, deren konstituierende Versammlung jüngst in München stattfand. Diese neue Gruppe der Gesellschaft erfreut sich schon jetzt einer regen Theilnahme von allen Seiten und zählt Ver— treter aller Stände und Berufskreise zu ihren Mitgliedern. Da zur Erreichung der schul⸗ und kulturgeschichtlichen Aufgaben der Gesellschaft das Zusammenwirken vieler Kräfte nöthig ist, so wäre es wünschens⸗ perth, daß die Gebildeten aller deutsch redenden Länder die Be— strebungen des Verelns durch ihren Beitritt und ihre thatkräftige Unter, stützung fördern helfen. — Wie bei dieser Gelegenheit noch einmal wiederholt sei, hat die Gesellschaft für deutsche Er iehungs⸗ und Schulgeschichte', deren Zentralleitung sich in Berlin befindet, es sich zur Aufgabe gemacht, das in den verschiedenen Archiven, Biblio⸗ theken und Privatsammlungen befindliche Material zu einer deutschen Schul⸗ und Erziehungsgeschichte, unter , , aller Kategorien der Schulen von der Hochschule herab bis zur Volksschule, sowie auch jeder Art von e re chi, zu sammeln, wissenschaftlich zu bearbeiten und zu veröffentlichen. Als Organe hierzu dienen ihr einerseits die von Professor Dr. Kehrbach in Berlin herausgegebenen Monumenta Germaniae Paedagogica“, deren Bändezahl bereits auf. 17 gestiegen ist, andererseits die periodisch erscheinenden Mit- theilungen' der Gesellschaft, welche namentlich die kleineren Beiträge jeder Art sowie die , , Benachrichtigungen enthalten. (Siehe auch Nr. 116d Bl.) Beitrittsmeldungen sind an Herrn ö 6. Fechner, Berlin 8SsW. 48, Friedrichstraße 229, zu richten. Der
ahresbeitrag beträgt 5 6, wofür ein Jahrgang der „Mittheilungen“
den Mitgliedern der Gesellschaft kostenfrei zugesandt wird. Hierbei wird bemerkt, daß Archive, Bibliotheken, Schulen, Vereine 2c. als solche die Mitgliedschaft erwerben können. x
— Durch das vorgestern erfolgte und bereits gemeldete Hinscheiden des Strafrechtslehrers Prof. Dr. Rudolf Heinze in Heidelberg hat die deutsche Rechtswissenschaft einen großen Verlust erlitten. Heinze war am 19 April 1825 in Saalfeld a. S. geboren, studierte in deipzig die Rechte, trat dann in den sachsen⸗meiningenschen Justiz⸗ dienst. wurde 1856 als Stellvertreter des Ober Staatsanwalts für das Königreich Sachsen nach Dresden berufen und 1860 als Erster Staatsanwalt an das dortige Bezirksgericht versetzt. 1865 zum ordentlichen Professor des Straf⸗ und Strasprozeßrechts an, der Universität Leipzig ernannt, wurde er von dieser dreimal zu ihrem Vertreter in der Ersten Kammer des sächsischen Landtags gewählt. Ostern 18.3 folgte er einem Ruf an die Universität
idelberg. — Seine größte Wirksamkeit übte Heinze als Publizist. uf einer Reihe bedeutender, tief durchdachter Schriften beruht sein Ruf als einer der hervorragendsten Kriminalisten Deutschlands. Seine schriftstellerischen Arbeiten behandeln vorzugsweise die eform des deutschen Strafrechts und Strafverfahrens, so die chriften Parallelen zwischen der englischen Jury und dem französisch⸗ deutschen Geschworenengericht (1864), Ein deutsches Geschworenen⸗ gericht (1865, .Das Recht der Untersuchungshaft“ (1865), . Staats. rechtliche und strafrechtliche Erörterungen zu dem Entwurf eines Strafgesetz bucht für den Norddeutschen Bund! (1870), „Zum Sn erten Entwurf eines Straf i r für den Norddeutschen Lund (1870), „Das Verfe t es Reichsstrafrechts zu dem andesstrafrecht . Strafprozessuale Erörterungen! (1875), Die. Straflosigkeit parlamentarischer Rechtsverletzungen? (18.9), &Crich (in französischer Sprache) über die strafrechtliche ehandlung der Trunkenheit, für den St. Petersburger internatio⸗ e e e fen. 5 Auch . (. grö 3 n PVoltzendorff's umfassendem „Handbu es Strafrechts“
4 Bände. Id 1 *I). gima. An der äußeren Giebelseite vom Gräberhause des n es · Kastellsz Saalburg bei Homburg v. d. Höhe wurde
am 17. April, dem S4. Geburtstage des am 2. Delsember 1894 verstorbenen Köni lichen Konservatorg, Obersten a. D. A. von Cohausen aus Wietzbaden, in dankbarer Erinnerung an die Ver—⸗ dienste desselben um die Erforschung der Saalburg von Freunden und Verehrern sowie von den Alterthums vereinen in Homburg, 3 Darmstadt, Wietbaden u. s. w. ein Denkstein eingesetzt. Derfelbe hat die Form eines giebelgekrönten römischen Grabmals und trägt auf seiner unteren Hälfte folgende Inschrift: IN MEMokIAkM AVGVSTI DE G0OHAVSEN PRAEEFEGbIEFABRVM . MoNV- MENTOR VM PALbRIORVM INVESTIGATORIS INDREFESSI ANNORkVM LXXXII . STrIPENDIohRVM LVII . Qn» LIMILI IMPERII ROMANI GERMANICO EXPLORANDbBO SVMMAM NAVAVILL OPRRAM . IMPRIMIS3 MERIPVS DR GASTRELLO ROMAN HVIVS LOdl' EFFOobDlkNbo. AMICOI PRO PIELALE POSVEkERVNTL . MDO0CLXXXXVIL. (Zum Andenken an den Ingenieur-Obersten August von Cohaufen, den unermüdlichen Erforscher vaterländischer Denkmäler. Im Alter von 87 Jahren, von denen er 58 im Dienste des Vaterlandes zu⸗ 6 hatte, verstorben, hatte er seine ganze Thätigkeit auf die
rforschung des römischen Grenzwalles in Deutschland verwandt und sich besonders um die Ausgrabung dieses römischen Kastells verdient gemacht. Aus Anhänglichkeit setzten ihm seine Freunde dieses Denkmal im Jahre 1896.)
— Professor Max Müller in Oxford ist, wie. W. T. B.“ aus London meldet, anläßlich des bevorstehenden K 5 Ihrer Majestät der Königin Vickoria zum Mitglied des Privy Council ernannt worden.
Bauten.
Zur K Entwurfsskizzen für den Erweite—⸗ rungsbau des Rathhauses in Quedlinburg a. H. schreibt der Magistrat der Stadt einen allgemeinen Wett bewerb unter den deutschen Architekten aus. Bedingungen, Bauprogramm nebst Lage— plan u. s. w. können vom Stadtbauamt unentgeltlich bezogen werden. Die Einlieferung der Arbeiten muß bis zum 1. Oktober d. J. er⸗ folgen. An Preisen sind. 1500 M, i000 M und 500 M ausgeworfen. Der Ankauf weiterer Pläne zum Betrage von je 300 „ bleibt vor⸗ behalten. Das Prelzrichteramt haben übernommen die Herren Geheimer Regierungs⸗Rath Professor Ende in Berlin, ch dr Baurath Professor Wallot in Dresden, Stadt⸗Baurath Peters in Magdeburg, Stadt. Baurath Gaul in Quedlinburg, sowie der Erste Bürgermeister der Stadt und zwei Stadtverordnete.
Literatur.
ff. Geschichtsblätter für Stadt und Land Magdeburg. 30. Jahrgang 1395. 2. Heft. Herausgegeben vom Vorstande des Magdeburger Geschichtspereing. Magdeburg, Niemann, 1895. — Das 6 wird eröffnet mit einer Untersuchung bon Karl Wittich über den Tod Dieterich's von Falkenberg. Wir haben schon wiederholt berichtet über die Kontroverse, die sich an diesen Namen in Verbindung mit der Einäscherung Magdeburgs im dreißigjährigen Kriege knüpft: Nach der einen Anschauung sei der Brand hervorgerufen wider Tilly's Willen durch die Vernichtungswuth der Kaiserlichen Söldner, nach der anderen wäre er mit Vorbedacht angelegt worden durch den Kom- mandanten Falkenberg selbst, der das wichtige Bollwerk nicht in die Hand der Katholischen habe fallen lassen wollen. Der Begründer der letzten Auffassung untersucht nun hier die damit zusammenhaäͤngende Frage, in welcher Weise Falkenberg an der letzten Vertheidigung Magdeburgs theilgenommen hat. Er stellt da fest, daß der Kommandant den ein— ieren eng Feinden längere Zeit tapfer Widerstand geleistet, sie sogar ür einen Moment zurückgedrängt hat, bis er den Tod fand, womit die Stadt verloren war. — Einen neuen Beitrag zur Geschichte der geist⸗ lichen Literatur im 17. Jahrhundert bringt W. Kawerau durch Aus—⸗ züge aus den Gedichten des Magdeburger Predigers Josef Wil— hbelmi. Dessen „Geistreiche Andachtenꝰ sind ein echtes Kind ihrer Zeit; wie alle religiösen Dichtungen dieser zuerst durch langen Frieden erschlafften und dann durch greuelbvollen Krieg verwilderten Generationen stehen sie nach Inhalt und Form weit hinter den Produkten der Reformationszeit zurück; an die Stelle der ursprünglichen Glaubensfreudigkeit und poetischen Empfindung tritt, eine künstliche Dogmatik und mechanische Reimerei; ein roher Naturalismus und geschmacklose Allegorien machen die Lektüre vollends unerfreulich. Für die Kenntniß der geistigen Bewegung and der Sprache der Zeit sind diese Werke jedoch von großer Wichtigkeit. — Zu erwähnen sind schließlich noch zwei ur⸗ kundliche Publikatlonen zur Geschichte der Stadt Aken: die von Neu⸗ bauer herausgegebenen Schöffenbücher und die von Zahn angefertigten Regesten der Originalurkunden im Akenschen Stadtarchiv.
— Vexsunkene Welten,. Historischer Roman von Wilhelm Jen sen. Zweite Auflage. 2 Bände. (Breslau, Schlesische Buch druckerei, Kunst; und Verlagsanstalt von S. Schottlaender; Pr. eh. 9 S6) — Dieser Roman spielt im dreizehnten Jahr⸗ 3 in Schleswig. Geschichte und Sage sind don dem wohl—⸗ bekannten Verfasser in markigen Strichen gezeichnet. Das ihm eigene Geschick in der landschaftlichen Schilderung, die Treue und Tiefe seiner Charakterzeichnung machen das Werk zu einem seiner besten. Ein besonderer Vorzug des Romans, der seit Jahren im Buchhandel vollständig vergriffen war, ist seine hochpoetische, edle Sprache.
— Meiringen und Umgebung“ (Nr. 241 der Euro—⸗ päischen Wanderbilder?). Im Auftrage des 8, Vereins von Meiringen und Umgebung bearbeitet von Otto Jossi. Mit 27 Illustrationen und einer Karte. Verlag des Artistischen Instituts Orell Füßli in Zürich (Preis 509 ). — Dieses neueste . der Sammlung Europäische Wanderbilder“ beschreibt eine der chönsten, an prachtvollen Bildern reichsten Alpengegenden: Meiringen, das Hasli⸗, das Urbachthal und die anderen benachbarten Thäler, die imposanten Gipfel, die sie überragen, die Schluchten, durch welche die tosenden Bäche schäumen, sowie die Bergpässe, welche hinüberführen nach Lauterbrunnen, nach Engelberg und in das Thal des Wallis. Wer in jener Gegend die Tage seiner Muße zuzubringen ge⸗ denkt, wird das kleine Heft gern als Führer auf seinen Ausflügen mitnehmen, an den zahlreichen guten Illusträtionen sich aber auch nach der Rückkehr noch in Erinnerung an genossene schöne Wandertage er⸗ freuen können. - -
— In Nr. 11 des laufenden Jahrgangs der illustrierten Oktavhefte von Ueber Land und Meer“ (Stuttgart, Deutsche Verlags ⸗Anstalt; Pr. 1 6) giebt Dr. Selle Brandenburg authentischen Aufschluß über seme ih mn der „Photographie in natürlichen Farben, während Karl Ruß fach. und sachgemäß die Frage der AMebertragung von Vogelkrankheiten auf die Menschen“ erörtert. LÄiterarische Essays sind dem Andenken des kürzlich verstorbenen Dichters Otto Roquette und der hundertjährigen Wiederkehr von Karl Immermann's Geburtstag gewidmet. Sehr interessante Er⸗ innerungen an den vor zehn Jahren verstorbenen J. V. Scheffel ruft ferner der Aufsatz „Der Staffelberg und seine Umgebung“ von C. Maack wach., Auch für sonstige Unterhaltung durch Romane, Plaudereien ꝛc. ist mannigfach gesorgt. Die illustrative Ausstattung ist, wie immer, reich und gediegen.
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.
Der Gesundheitsstand in Berlin blieb in der Woche vom 3. bis 9. Mai ein günstiger und die Sterblichkeit eine niedrige (von je 1000 Einwohnern starben, aufs Jahr berechnet, 16,8). Unter den Todetursachen traten akute Entzündungen der Athmungs-⸗ organe auch in dieser Woche noch häufig zu Tage, während Erkrankungen an Grippe erheblich seltener beobachtet wurden und auch nur 1 Todes⸗ fall an Grippe berichtet worden ist. Akute Darm krankheiten zeigten sich in wenig gegen die Vorwoche gesteigerter Zahl als Todes⸗ e hen Auch die Theilnahme des Säuglingsalters an der Sterb⸗ lichkeit war nur 6 iteigert: von je 10000 Lebenden starben, aufs Jahr berechnet, 42 S 1 nge. — Von den Infektionskrankheiten blieb das Vorkommen von Unterleibstyphus ein vereinzeltes. Erkran⸗
kungen an Masern, Scharlach und Diphtherie kamen in mäßiger ahl, wie in der Vorweche, zur Anzeige, und zwar zeigten Erkrankungen an Scharlach in der . Vorstadt, an Diph⸗ therie in der Tempelhofer Vorstadt am zahlreichsten, während Erkran⸗ kungen an Masern aus keinem Stadttheil in besonders erwähnens« werther Weise gemeldet wurden. Erkrankungen an Kindbettfieber wurden 2 bekannt. Rosenartige Entzündungen des Zellgewebes der Haut wurden etwas häufiger beobachtet. Erkrankungen an Keuchhusten, die in 9 Fällen tödtlich endeten, haben abgenommen. Rheumatische Beschwerden aller Art, namentlich akute Gelenkrheumatismen, ge langten in gesteigerter Zahl zur ärztlichen Behandlung.
Handel und Gewerbe.
Heidelberg, 19. Mai. Der Präsident des Reichsbank⸗ Direktoriums, Wirkliche Geheime Rath Dr. Koch traf gestern Abend aus Berlin hier ein und stieg im Schloß⸗Hotel ab, wo heute unter seinem Vorsitz die Konferenz von fünfzehn Direktoren der süddeutschen Reichsbank⸗Haupt⸗ stellen und Reichsbankstellen stattgefunden hat. Morgen früh begiebt sich der Reichsbank-Präsident nach Köln.
Verkehrs⸗Anstalten.
Bremen, 20. Mai. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Postdampfer „Hohenstaufen“ hat am 18. Mai . Catherines Point passiert. Der Reichs⸗Postdampfer Gera? hat am 19. Mai Vormittags die Reise von Genua nach Neapel fortgesetzi. Der Postdampfer . H. H. Meier“ hat am 19. Mai , . iert. a. X. 8
Hamburg, 19. Mai. (W. T. B.) Hamburg - Ameri“ kanische Packetfahrt⸗ Aktien Gefellschaft. er Post dampfer Scandia ' hat heute früh Cuxhaven passiert.
London, 19. Mai. (W. T. B.) Der Uniondampfer Norman“ ist auf der Heimreise heute von Madeira abgegangen. Der Castle Dampfer „Harlech Castle- ist heute auf der Aut⸗ reise in Mauritius angekommen, Die Castle⸗Dampfer „Pem- broke Castle' und . Warwick Castle“ sind Sonntag auf der Ausreise in Kapstadt angekommen.
Theater und Musik.
. Olympia⸗Riesen⸗Theater.
In der Alexanderstraße, an der Ecke der Magazinstraße, ist ein vrovisorisches Bühnenhaus gebaut worden, das den Namen, Slympia⸗ Riesen⸗Theater“ trägt und dazu bestimmt ist, während der Dauer der Gewerbe Ausstellung das englische Ausstattungsstück The Srsent / vom Olympia. Theater in London auch hier zur Aufführung zu bringen. Den Namen . Riesen⸗Theater . verdient das Gebäude mit Recht, denn sowohl Zuschauerraum wie Bühne erreichen hier Dimensionen, wie sie in Berlin bisher nicht gesehen worden. Ersterer soll etwa 4000 Be— suchern Raum bieten. Die Bühne hat nach den uns gemachten An— gaben die stattliche Breite von 40 m und wohl etwa 20 m Tiefe; daver befindet sich der Raum für das etwa 70 Mann starke Orchester. Bühne und Orchesterraum sind außerdem durch einen etwa 15 m breiten Wasserkangl von den ersten Logenreihen des Zuschauer⸗ raums getrennt, Verfasser des gestern zum ersten Male aufgeführten Stücks ist der Direktor des Unternehmens Bolofsy Kiralfy. Der Inhalt ist nicht besser und nicht schlechter als bei Ausstattungsstücken im allgemeinen. Es handelt sich um die Mission eines englischen Edelmannes vom Hofe König Heinrich's V. von England an Manuel II. von Byzanz und von da aus um einen Zug in das unerforschte Innere Afrikas sowie die Rückkehr nach England: Sceenen, in denen märchenhafter . mit Kampf⸗ und Reiterbildern in zwangloser Folge abwechseln können und zu großen Massenwirkungen ꝛe. Gelegenheit geben, als sollte das Goethe'sche Wort in die That um. gesetzt werden; ‚Die Massen könnt ihr nur durch Maffen zwingen, wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen.“ Tanz, Gefang, eircensische Spiele, Reit- und Wasserkünste stellen sich alle hier in Dienst einer Idee und vereinigen sich zu einer durch ihre Erg und Vielgestaltigkeit imponierenden Gesammtwirkung, sodaß man im Zweifel ist, welchem von den fünf vorge⸗ führten Bildern man den Vorzug geben soll. Das erste Bild zeigt den Pomp des . Hofs; das zweite führt uns in die Wüste Vor die Ruinen von Laxor, wo eine mit allem erforderlichen lebenden Inventar gusgestattete Karawane vorüberzieht und von einem stattfichen Beduinen⸗Reitergeschwader überfallen wird; das dritte macht uns mit den Mysterien des märchenhaften Königreichs Femlrzah am Caogansee in. Nordwest - Afrika bekannt; dag vierte versetzt den Zuschauer in den Prunksaal des Westminster . Palastes, während das fünfte und letzte Alt. London mit einem Ausblick auf die Themse und London Bridge verstellt, wo Männer, Kinder, Seiltänzer und Gaukler aller Art ihre Künste zeigen. Neben den vorzüglichen Speziali= täten, die im Taufe der Handlung Gelegenheit haben, fich zu produzieren, wobei besonders auf die vortrefflichen Leistungen einer Araber⸗ Akrobatentruppe im dritten Bilde hingewiesen sei, ist die Präzision zu rühmen, mit welcher das außerordentlich zahlreiche Balletpersonal seine Bewegungen ausführt. ie bewundernswerthe, fast an das Militärische grenzende, Disziplin übte eine elektrisierende Wirkung auf das Publikum aus, daz stürmisch die Wiederholung eines der bemerkenswerthesten dieser Ensembles im dritten Bilde verlangte. Ein schöner Schlußeffekt wurde im fünften Bilde durch das Auffahren von bunthewimpelten und beleuchteten großen Schiffen auf dem Kanal erzielt, auf denen der Chor in malerischen Gruppierungen Aufstellung genommen hatte. Man kann nach dem gestrigen unbe⸗ strittenen Erfolge sagen, daß Berlin durch dieses Ausstattungs⸗ Theater um eine bedeutsame Sehenswürdigkeit bereichert worden ist.
Im Königlichen Opernhause geht morgen zum ersten Mal Philipp Rüfer's Oper „Ingo“ (Text nach lad Freytag's Roman „Ingo und Ingraban') unter Kapellmeister Sucher's Leitung in Seene. Die Besetzung ist nachstehende: Ingo, König der Vandalen; Herr Sylva; Bisino, König der Thüringe: Herr Fränkel ; Gisela, die Königin, seine Gemahlin: Fräulein Reinl; Answald. ʒurst der Thüringe: Derr Stammer; Irmgard, seine Tochter:; Fräulein Egli; Frieda, Irmgard's Gespielin: Fräulein Krainz; Wolff, Kämmerer des Fürsten: Herr Philipp; Berthar, ein Vandalenfürst: Herr Mödlinger; Volk= mar, der Sänger: Herr Bulß.
Im Neuen Königlichen Opern⸗Theater (Kroll) wird morgen Lortzing's Zar und Zimmermann! gegeben. — Von 6 Uhr Nachmittags ab findet Militärkonzert im Garten statt.
Im Königlichen Schauspielhause findet morgen eine Auf⸗ führung von Niemann's Lustspiel, Wie die Alten sungen‘ statt. Die Hökerin Hanne spielt darin Frau Schramm.
Der Spielplan . die Pfingsttage im Deutschen Theater ist e . estgesetzt; Sonntag Nachmittag werden Die Stützen der Gesellschaft? gegeben, Sonntag Abend Nora., Montag , Jugend, Montag Abend. Lumpacivagabundus“, Dienstag Die Weber“.
Im Berliner Thegter gelangt als nächste Novität Die offizielle Frau“ von Hans Olden zur Aufführung.
Das Theater „Alt⸗Berlin' bringt am Sonnabend, 23. d. M. neben der ‚Büßerin“ und dem „Ringelstechen das Drama Gotzkowsky von Adalbert von e, zur ersten Aufführung. Bis dahin werden Büßerin‘, Ringelstechen und Wolzogen's Schauspiel Die schwere Noth“ aufgeführt.
Für dag morgen, Donnerstag, in der Ka iser ö Gedächtniß⸗Kirche stattfindende Orgel ⸗Konzert ist folgendes Programm aufgestellt. Sonate in G- moll von Ph. Rüfer; „Agnus Dei aus der ,,, von J. S. 1 „Ave Maria“ von Areadelt (geb. 1514), für Orgel bearbeitet von 5. ij ö. Sei stille dem Herrn“, Alt⸗Arie a. d. Elias. von F. Mendel sohr 1 Präludium und Fuge in De-dur von J. S. Bach. Die Orgel ö. von Herrn Karl Straube gespielt, der Gesang von Fräulein Gren,
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