Nichtamtliches. Deutsches Reich.
Prenß en. Berlin, 23. Mai.
Seine Majestät der Kgiser und König haben heute
h 83 Uhr Proͤkelwitz verlassen und gedenken, nach ein.
ündigem Aufenthalt in , g um 6 Uhr Abends auf r Station Wildpark bezw. im Ne
zutreffen.
uen Palais wieder ein⸗
Deutsche Zeitungen haben in den letzten Tagen Auszüge aus dem Schriftwechsel gebracht, der im erbst v. J. aus Anlaß des Falles Stern zwischen dem Kaiserlichen Bot⸗
schafter in Washington und dem dortigen Auswärtigen Amt
stattgefunden hat und jetz in der amerikanischen Presse theil⸗ weise veröffentlicht wird. Da sich aus dieser unvollständigen Wiehergabe der Gang der Verhandlungen nicht mit vollstän⸗ diger Deutlichkeit erkennen läßt, bringen wir die betreffenden Schriftstücke hier unverkürzt zum Abdruck.
i f ns. . Department of Stats. Nr. 42. Washington, den 26. September 1895.
llenz,
Ich habe . Ihre freundliche Vermittelung zu Gunsten eines angesehenen amerikanischen Bürgers in Anspruch zu nehmen, gegen den auf Grund einer Verhandlung vor einem bayerischen Ge⸗ richte ein Urtheil gefällt worden ist, das so streng ist und so wenig im Verhältniß zu dem Vergehen steßt, welches den Gegenstand der Anklage bildete, daß das Gerechtigteitsgefühl jedes Unparteiischen, der den Sachverhalt kennt, verletzt werden muß.
T4 bandest sich um den Fall Louis Stern, gegen den die Be—
börden in Kissingen in Bayern wegen Beleidigung eines Königlichen Beamten und Wiverstands gegen die Staatsgewalt vorgegangen find. Der Thatbestand dieser Angelegenheit ist durch die Berichte des Botschafters der Vereinigten Staaten in Berlin, der sich, wie es scheint, mit dem bayerischen Vertreter in der preußischen Hauptstadt ins Benehmen gesetzt hat, erschöpfend klar gelegt worden. Aber ich finde in einem an dieses Amt gerichteten Schreiben des rn Simen H. Stern, eines hervorragenden Anwalts in New⸗York, der sich, ohne mit Herrn Louis Stern verwandt zu fein. zufällig zu der Zeit, während der die Sache spielte, in Kissingen befand und perfönlscher Zeuge der von ihm beschriebenen Ereignisse war, eine so zusammenhängende und anschauliche Darstellung der be= treffenden ö daß ich Ihnen eine. Abschrift zur Kenntniß übersende“ Der Inhalt dieses Schreibens stimmt vollständig mit den Depeschen des Herrn Runyon, die, wie bereits bemerkt, größtentheils auf amtlichen bayerischen Mit- fheilungen beruhen, überein, und ich vermag weder die sachliche Richtigkeit der Angaben des Herrn Simon Stern zu bezweifeln, noch kann ich umhin, seine vorsichfige und gemäßigte Darstellung des Falls anzuerkennen. Das Verfahren gegen Heirn Stern scheint mir von Anfang an willkürlich und unverdient streng gewesen zu sein und zwar von der Forderung elner übermäßigen Sicherheit an bis zu dem arg: lichen Urtheil, das außer auf Geldbuße auf erniedrigende Gefängniß= strafe erkennt. Ich will indessen Ihre Aufmerksamkeit nur auf dieses letztere Moment lenken und nur hierfür Ihre Vermittelung in An— spruch nehmen. Herr Stern muß der dem Ganzen die Krone auf⸗ setzenden Schmach einer Gefängnißstrafe, die das Urtheil vorsieht, nicht ausgesetzt werden. Diese Strafe sollte ihm vielmehr er- laffen werden, zunächst, weil die einfache Gerechtigkeit gegen ihn es verlangt, denn eine solche Strafe läßt unter keinem möglichen Gesichtepunkte durch sein Vergehen rechtfertigen. Aber dieser Straferlaß sollte auch in dem höheren und größeren Interesse der freundschaftlichen Beziehungen zwischen diesem und dem von Ihnen so würdig vertretenen Lande eintreten. Daß diese Beziehungen, was auch immer mit Herrn Stern geschehen mag, nicht ernstlich ge⸗ stört werden, ist durchaus wahrscheinlich und aufrichtig zu wünschen. Dennoch sind Entfremdungen zwischen großen Nationen nicht selten aus (benso kleinen Ursachen entstanden, und ich glaube nicht zu viel zu sagen, wenn ich behaupte, daß, falls die in Herrn Stern's Eingabe geltend gemachten Gründe und die ernste Vorstellung dieser Reglerung nicht ausreichen sollten, um ihm die ag m fte gerechte eg e g zu erwirken, die Bevölkerung dieses Landes einen äußerst ungünstigen Eindruck von der Gerechtigkeit, die amerikanische Bürger in deutschen Staaten finden, und von der Haltung, die die Kaiserliche Regierung in dieser Beziehung einnimmt, erhalten wird.
Aus diesen Gründen bitte ich Sie, Sich auf dem am geeignetsten scheinenden Wege bei der Königlich bayerischen Regierung, zu dem Zwecke verwenden zu wollen, damit einem amerikanischen Bürger von allgemein anerkanntem Werth, der der Großkaufmannschaft von New⸗= Vork angehört, die ungerechte persönliche Entehrung erspart bleibt, zu der ihn das ungewöhnliche Erkenntniß des 33 Gerichts ganz ungerechtfertigter Weise verurtheilt hat.
Da die Zeit drängt, bitte ich Sie, Sich bei Weitergabe des vor⸗ . Antrags, soweit dieses möglich, des Telegraphen bedienen zu wollen.
Nehmen Sie, Herr Botschafter, die erneute Versicherung meiner ausgezeichnetsten Hochachtung entgegen.
Richard Olney.
Herrn Baron M. von Thielmann re.
Berlin, den 30. September 1895. Deutscher Botschafter Wasphington.
Telegramm. ö ;
Antworten Sie schriftlich umgehend, daß Sie die Kritik des in der Stern'schen Sache ergangenen Urtheils als durchaus unberechtigt zurückweisen müßten und es überhaupt ablehnen, über die Ausübung der Rechtspflege in einem Bundesstaat und die Ausübung des Begnadigungsrechts durch einen Bundesfürsten aus Anlaß einer dipkomatischen Reklamation zu verhandeln. Wenn dortige Regierung der Regierung Seiner Majestät in dieser Angelegenheit, die einen amerikanischen Bürger betreffe, irgendwelche Mittheilungen zu machen habe, so bleibe ihr überlassen, dies durch ihren in Vertreter
ö. . Marschall.
Lenox, Mass., den 1. Oktober 1895. rr Staatssekretär!
Eurer Excellenz beehre ich mich den Empfang der Note vom 26. September d. J. Nr. 42, betreffend, die Angelegenheit des amerstanischen Bürgers Louis Stern in Kissingen, ergebenst zu be⸗
en.
. Beantwortung der in der Note enthaltenen Ausführungen beeile ich mich zu sagen, daß ich die von Eurer Excellenz geübte Kritik des von dem Gerichtshof zu Kissingen gegen Stern gefällten Urtheils als völlig unberechtigt zurückweise,
Ueberhaupt muß ich es ablehnen, die innerhalb eines deutschen Bundesstaats geübte Rechtspflege und das den deutschen Bundesfürsten zustehende Begnadigungsrecht in dieser Gestalt erörtert und im Wege einer diplomallschen Reklamation behandelt zu sehen.
Sofern die Regierung der Vereinigten Staaten in dieser, einen ihrer Bürger berührenden Angelegenheit, der Regierung Seiner WHiajestät des Deutschen Kaisers irgend eine Eröffnung ju machen
Anmerkung: Nicht mit abgedruckt.
amerikanischen
wünscht, . es ihr überlassen bleiben, eine U durch den Bol⸗ schafter der Vereinigten Staaten in Verlin vorbringen zu lassen. Genehmigen Sie, Herr Staats seretãr die Versicherung meiner
ausgezeichnet sten Hochachtung. Thielmann
An Seine E cellenz den Staats sekretär der Vereinigten Staaten Herrn 1 Olney, Washington, D. C.
Dopartment ot State, Washington, den 7. Oktober 1895. Uebersetzung. Excellenz!
ch habe die Ehre, den En fe g Ihrer Note vom 1. d. M. betreffend den Fall Louis Stern in Kissirgen, mit dem Bemerken zu beftätigen, daß ich von deren Inhalt mit Bedauern Kenntniß ge⸗ nommen habe.
Wenn Sie meine Kritik des gegen Stern ergangenen Urtheils als vollkommen ungerechtfertigt zurückwelsen, so verkennen Sie das Wesen der Sachlage. Eine unrichtige Anwendung der Gesetze (migcarriage of Justice) dürfte in jedem Staat vorkommen. Wenn ein Ausländer hierunter zu leiden hat, so ist die Regierung des Staats, dem er angehört, sowohl berechtigt als verpflichtet, alle geeigneten Anstrengungen zu machen, um ihm zu helfen. Diese bringen noth⸗ wendig den Tadel des gerichtlichen Verfahrens in der. Sache mit sich, soweit als das geschehene Unrecht darauf zurückzuführen ist. Der Stand- punkt, daß ein in einem Staat ergangeneg gerichtliches Urtheil wenngleich es pwidersinnig absurd) und unbillig ist, nicht von der Regierung des Staatz, dessen Bürger oder Unterthan betroffen worden ist, in der Absicht, die nothwendige Abhilfe herbeizuführen, nach Verdienst kriti⸗ siert und gekennzeichnet werden dürfe, kann vernünftiger Weise von keinem zivillsierten Staat angenommen werden.
Es ist angedeutet worden, daß gewisse Schritte gethan worden sind, die einer ungebũhrlichen Einmischung in die Rechtspflege eines deutschen Bundesstaats gleichsehen. Aber dieser Andeutung fehlt jede ünterlage. Auf welchem anderen Wege soll ein fremder Sou⸗ verän eine Beschwerde eines Bürgers oder Unterthanen anbringen laffen, als durch die Stelle, die von dem betreffenden Stagt se ͤst ur Wahrnehmung dieses äußeren Verkehrs mit anderen Nationen eingerschtet worden ist? Die Verfassung des Deutschen Reichs ver— langt ebenso wie die Bundesverfassung der Vereinigten Staaten einen . Träger der internationalen Vertretung für zahlreiche Staaten, die in den meisten, wenn nicht in allen An elegenheiten rein interner Bedeutung vollständig unabhängig sind. Gleichwohl kommt es nicht selten vor, daß eine Sache, die für gewöhnlich von auöschließlich lokalem Charakter und Interesse ist, wichtige internatlonale Gesichtspunkte in sich trägt. In einem selchen Fall wird es sich empfehlen, die Zentralregierung, der die Wahr— nehmung der auswärtigen Beziehungen ebliegt, anzurufen, damit sie die Ginzelregierung auf den internationalen Charakter des Falls hin⸗ weist, um sie im Hinblick auf die Möglichkeit internationaler Ver- wickelungen zu veranlassen, bei ihrem Vorgehen hierauf, soweit es die Umstände gestatten, Rücksicht zu nehmen.
Ob die Zentralregierung mehr thun kann oder sollte, braucht nicht erörtert zu werden; dagegen darf unbedenklich behauptet werden, daß sie füglich nicht weniger thun kann. Jedenfalls haben die Vereinigten Staaten immer nach diesem Grundsatz gehandelt, indem sie von der richtigen Auffassung ausgingen, daß ein Abweichen hiervon . anderen betheiligten Nation einen Grund zu berechtigter Klage ieten würde. . .
Es erübrigt noch, auf die mit ganz unnöthiger Schärfe (curtness) zum Aucdruck gebrachte Unterstellung einzugehen, daß es sich um eine diplomatische Reklamation handelt, die als solche durch den Botschafter der Vereinigten Staaten in Berlin bei der Kaiserlich deutschen Regierung hätte angebracht werden müssen. Diese Auffafsung kann einer näheren Prüfung nicht Stand halten, so lange nicht, was durchaus unwahrscheinlich ist, die Befugnisse der Vertretung jener Regierung in dieser Hauptstadt neuen und un⸗ bekannten Beschtänkungen unterworfen werden. Andeinfalls ist diese Regierung nach dem kishertgen Gebrauch vollständig befugt und be— rechtigt, eine diylomatische Reklamation bei, der deutschen Regierung nach ihrer Wahl entweder durch Sie, als den deutschen Botschafter, oder in Berlin durch ihren Botschafter für Deutsch⸗ land anzubringen. Der erstere Weg ist sogar der weniger förmliche und höflichere. Ohne auf eine so klare Sache näher einzu⸗ gehen, werden Sie mir doch, um einer anscheinend bestehenden irr⸗ thümlichen Auffassung entgegenzutreten, die Bemerkung erlauben, daß Ihre Vermittelung weder aus dem Grunde in Anspruch genommen worden ist, weil Sie für verpflichtet gehalten wurden, diese zu ge⸗ währen, noch zu dem Zwecke, um irgendwelche diplomatische Rekla⸗ mationen anzubringen. Herr Stern stellte sich in keiner Weise auf den Rechtsstandpunkt, sondern bat um Milde, und ich ersuchte Sie, nach irgend einer Richtung oder in irgend einer Weise gütigst Ihre Vermittelung zu gewähren, in der Sie es für angemessen halten würden, Ihren verdienten großen Einfluß, dessen Sie in einer Sache wie der vorliegenden sicher sein dürften, zur Geltung zu bringen. Das Ersuchen geschah in der Hoffnung, daß Sie es, da Ihnen die An— schauung, die hier zu Lande über den Charakter des Prozesses und Urtheils sowie über deren indirekte internationale è—,, besteht, in authentischer Weise mitgetheilt worden war, freundlichst für an⸗ gezeigt halten würden, etwas zur Unterstützung der Anstren— gungen zu thun, die in Deutschland für die Begnadigung einc Bürgers gemacht werden. Wenn Ihnen auch nicht geradezu die Verpflichtung zu einem solchen Schritt oblag, so war doch die Annahme nicht unbegründet, daß er sowohl innerhalb Ihrer Befugnisse lag, als daß Ihnen die Gelegenheit, ihn zu thun, willkommen sein würde. Hätten Sie diesen Schritt kae so würde Ihr Vorgehen ohne Rücksicht auf den Erfolg in hobem Maße aner— kannt, und die freundschaftlichen Beziehungen, deren Erhaltung die erste und höchste Aufgabe des diplomatischen Verkehrs ist, würden dadurch merklich gefördert worden sein.
Richard Olney.
Seiner Excellenz dem Baron M. von Thielmann ꝛe. ꝛc. ꝛc.
Berlin, den 13. Oltober 1895. Deutscher Botschafter Washington.
Telegramm.
Den Empfang der zweiten Note bitte ich Eure Exxcellenz, dem Staatsekretär schriftlich zu bestätigen und dabei zu bemerken, daß Sie sich lediglich auf Ihr erstes Schreiben beziehen und die Kaiserliche Regierung nach einem allgemein bestehenden Gebrauch Anträge oder Beschwerden ausländischer Regierungen grundsätzlich nur durch deren Vertreter in Berlin entgegennehme. r . wollen Eure Excellenz auch jeglichen Versuch einer amtlichen Reklamation über die Autübung des einem deutschen Souverän zustehenden Begnadigungsrechts, sowie über das gerichtliche Verfahren à limine zurückweisen. ü
Vor einigen Tagen hat mir Mr Runyon erstmals über den Fall Stern gesprochen und ist vorgestern nochmals darauf zurückgekommen. Er wünschte unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Instruktion seiner Regierung meine ernste Aufmerksamkeit auf diesen Fall zu lenken. Was das gerichtliche Urtheil betreffe, fo sehe er dasselbe als eine feststehende Thatsache an, die nicht mehr zu ändern sei, und wolle deshalb auch keine Kritik daran üben. Dagegen könne er sich nicht enthalten zu erwähnen, daß Herr Stern ungewöhnlich hart behandelt worden zu sein scheine, einmal durch Ablehnung der dem Baron Thüngen am folgenden Tage gemachten Entschuldigung verbunden mit dem Angebot, den Arnien 5000 M zu zahlen, sodann durch die Forderung einer ungeheuer hohen Bürgschaft und endlich durch die neben der Geldstrafe erkannte Gefängnißstrafe. In den Vereinigten Staaten sei Stern ein sehr angesehener und auch einflußreicher Mann. Die ihm in Deutschland widerfahrene schlechte Behandlung habe nicht verfehlt, einen peinlichen Eindruck zu machen, wovon die Presse gen ni ablege; im Interesse der y, Beziehungen beider
änder sei es deshalb dringend angezeigt, daß die Gefängnißstrafe Stern erlassen werde.
ch erwiderte dem Botschafter, daß ich jeden Versuch, einem deutschen Souverãn 1st ende Begnadigungsrecht zum ö. . stand einer Reklamation zu machen, sowie jede tit ö.. von einem deutschen n erlassenen Strafurtheils prinzipiell zurückweisen müsse; thatsächliche Mittheilungen aber. die mit der Boitschafter im Interesse eines verurtheilten amerilanischen Staattangebörigen, ju machen habe, sei ich selbstverständisch gerne bereit jur Kenntniß und Entscheidung der verfassungsmäßig zuftändigen Behörden zu bringen; irrthümliche Vorstellungen, welch. die öffentliche Meinung eineg befreundeten Landes beeinfluffen könnten, würde ich gerne richtig stellen.
Was die Höhe der Bürgschaft anlange, so werde diese von dem Gerichte nach freiem Ermessen, den , des Ange⸗ klagten entsprechend normiert; die gerichtliche Verfolgung strafbarer Hand. lungen könne aber bei uns durch Geschenke, auch an Arme, nicht be— einflußt werden; die n n, endlich sei durch das Strafgesetz vorgesehen. In Deutschland sei vor Gericht Jedermann gleich; dle Rechtsprechung liege in den Händen unabhängiger Gerichte; Amerikaner würden genau wie Beutsche behandelt. Wenn Herr Stern auf dieselbe Achtung in Deutschland Anspruch mache, deren er sich in Amerika erfreut, so möge er auch, so lange er in Deutschland ist, sich so benehmen, wie man es von einem ge» bildeten und anständigen Mann erwarte. Herr Stern habe dies nicht gethan. Bezüglich des Schutzes, den Beamte im Dienst gegen Drohungen und Beleldigungen zu beanspruchen haben, schienen in den Vereinigten Staaten mildere Anschauungen als hier vorzuherrschen; wo aber deutsche Gesetze und ihre Anwendung in Frage ständen, seien lediglich deutsche Anschauungen maßgebend und bestimmend. Zur Zeit werde mit eiserner Strenge in Newm-York das Gesetz über die Sonntagsruhe angewendet, und seien schon verschiedene Deutsche mit unverhältnißmäßig hohen Geld⸗ und selbst Gefängnißstrafen be— straft worden, weil sie Sonntags Seltertzwasser oder Bier verkauften. In Deutschland sei die Sonntagsruhe in dieser Strenge unbekannt; gleichwohl dächten wir nicht daran, zu intervenieren, und deshalb er— warteten wir auch eine analoge Haltung seitens der Regierung der Vereinigten Staaten. Ich müsse es daher ablehnen, die mir ge— machten kritisierenden Bemerkungen der Königlich bayerischen 9. gierung zu übermitteln oder denselben sonstwie eine Folge zu geben.
Herr Runyon suchte mich soeben nochmals auf. um mir mitju— theilen, daß 36 Stern, einer telegraphischen Mittheilung seiner Regierung zufolge, einen Strafaufschub von 60 Tagen wünsche,
Ich erwiderte, daß ich es Herrn Stern anheimstellen müsse, den Weg einzuichlagen, der für alle Verurtheilte maßgebend sei, nämlich den eä n n unter Angabe der Gründe durch eine Eingabe an die zuständige bayerische Behörde zu erbitten. .
Marschall.
Kaiserlich deutsche Botschaft. Washingten, den Herr Staatssekretär!
Eure Excellenz deehre ich mich, den Empfang der Note vom 7. Oktober d. Is. Nr. 54, betreffend die Angelegenheit des amerika⸗ nischen Bürgers Louis Stern, ergebenst zu bestätigen.
In Beantwortung der darin enthaltenen Ausführungen beehre ich mich Eurer Excellenz zu sagen, daß die Kaiserliche Regierung Beschwerden oder Anträge fremdländischer Regierungen grund sätzlich und im Einklang mit einer allgemeinen be— stehenden Uebung nur duich deren diplomatische, bei ihr be— glaubigte Vertreter entgegennimmt. Im übrigen kann ich mich nur auf den Inhalt der Note beziehen, welche ich die Ehre hatte unter dem J. Sktober in Erwiderung auf Ihre Note vom 26. September Nr. 42 in dieser Angelegenheit an Eure Exeellenz zu richten.
Genehmigen Sie, Herr Staatssekretär, die Versicherung meiner ausgezeichnetsten Hochachtung.
14. Okttober 1895.
Freiherr von Thielmann.
An Seine Excellenz den Staatssekretär der Vereinigten Staaten Herrn Richard Olney, Waßshington, D. C.
Die im Reichs-Eisenbahnamt aufgestellte Uebersicht der Betriebs-Ergebnisse deutscher Eisenbahnen im Monat April 1896 ergiebt für 61 Bahnen, die schon im April 1895 im Betriebe wren, Folgendes:
Gesammtlänge: 39 624,88 km.
im gegen auf gegen Ganzen das Vorjahr 1 Km das Vorjahr 6 Mi s6 6
für alle Bahnen im April 1896
aus dem Per⸗ sonenverkehre 8 282 571 4 246 174 aus dem Güter⸗ verkehre
Einnahme
831 — 136. 165
Hö ö JI 25? 157 45 5665 G: i 80!é 1024 5c
für die Bahnen mit dem Rechnungsjahre
1. April —31. März in der Zeit vom 1. April 18986
bis Ende April 1896 aus dem Per⸗ 5 — sonenverkehre 26 620 692 4 318 140 Sm — S8 —— O86 aus dem Güter⸗ HJ verkehre . G60 539 433 44900 2M 18434 1124 64
für die Bahnen mit dem n, 1. Januar — 31. Dezember in der Zeit vom 1. Januar bis Ende April 1896 aus dem Per⸗ sonenverkehre 17 869 463 4 1 237 924 2740 4 126 * 4382 aus dem Güter⸗ J verehre 42 gos 892 4685 933 6 4764 6M 9, Eröffnet wurden am 1. April die Strecken Vohwinkel Elberfeld Varresbeck 358 km (Keönigliche Eisenbahn⸗Direktion in Elberfeld und Zetel Neuenburg 437 km (Großherzoglich oldenburgische Staatseisenbahnen), am 16. April die Bent⸗ heimer Kreis⸗Eisenbahn 29, 00 km.
Der Wirkliche Geheime Rath und Präfident des Reichs bank⸗ Direktoriums Pr. Koch ist von seiner Dienstreise zurückgekehrt.
Der General⸗Lieutenant Becker, Inspekteur der 1. Pionier⸗ Inspektion, ist hierher zurückgekehrt.
Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Königlich bayerische Ministerial· Rath von Geiger ist nach München abgereist.
Laut telegraphischer Meldungen an das Ober⸗Kommanda der Rarine ist die Kreuzer din iston, Chef Kontre Abmiral gun schen⸗ bestehend aus S. M. S. S. „Kaiser“
, , , ,,,, und „Arcona“, am 26. Port
ai von Nagasaki aus nach
. Hamilton auf Koreg und S. M. S. „Cormoran“, Kom⸗
mandant Korvetten⸗Kapitän Brinkmann, an demselben Tage pon Nagasaki aus nach Yokohama in See gegangen.
—
In der Ersten Beilage zur heutigen Nummer des „Reichs⸗ und Staats ⸗Anzeigers!“ werden Nachrichten über den Saatenstand um die Mitte des Monats Mai 1896, zusammengestellt im Kaiserlichen Statistischen Amt, ver⸗ Iffentlicht.
Württemberg. Die Session des Landtags ist gestern geschlossen worden.
Anhalt.
Die „Gesetz Sammlung für das Herzogthum Anhalt“ veröffentlicht folgenden Erlaß Seiner Hoheit des Herzogs:
Wir, Friedrich, von Gottes Gnaden Herzog von Anhalt ꝛc., haben beschlossen, zum Gedächtniß Unserer fünfundzwanzigjährigen Regierungsfeler die zu diesem Behufe besonders geprägte, an einem pfirsichrothen gewässerten Bande mit grün und silberner Umränderung zu tragende Erinnerungs⸗Medaille zu stiften, deren Verleihung Wir Uns nach Unserem Ermessen vorbehalten.
Der gestrige Tag wurde in Dessau mit dem Geläut sämmtlicher Glocken der Kirchen der Residenzstadt feierlich ein⸗ geleitet. Um 11 Uhr fand in der Schloßkirche ein Festgottes— dienst statt, welchem Ihre Hoheiten der Herzog und die Herzogin sowie alle in Dessau anwesenden Fuͤrstlichkeiten heiwohnten.
Oesterreich⸗Ungarn.
Der Kaiser empfing gestern im Laufe des Vormittags den Besuch des Herzogs Nikolaus von Württemberg und später das Präsidium beider Häuser des Reichs⸗ raths in Audienz.
Gestern Nachmittag 4 Uhr fand das Leichenbegängniß des Erzherzogs Carl Ludwig statt. Schon in den ersten Nachmiktagsstunden strömte eine nach Tausenden zählende Volks⸗ menge nach den Straßen und Plätzen, welche der Zug passierte; die meisten Geschäfte waren geschlossen. Der Sarg wurde von dem Paradebett in der Hofburg⸗-Pfarrkirche herab⸗ gehoben und nach nochmaliger Einsegnung durch den Hof- und Burgpfarrer zu dem Leichenwagen in den Schweizerhof herabgetragen, worauf sich der Zug unter dem Geläut der Glocken über den Josefsplatz zur Kapuzinerkirche in Bewegung setzte. Voran gingen die i n re und der Stadtmagistrat. Dann folgten zwei sechsspännige Hofwagen mit den beiden Kämmerern und dem Oberst⸗Hofmeister des Verblichenen. Der mit sechs Schimmeln bespannte Leichenwagen wurde von Edelknaben mit Wachsfackeln, Arcieren und ungarischen Leibgarden, Trabanten, Leib⸗ garden, Leibgardereltern und Leiblakaien begleitet. Der ganze Zug wurde von einer Abtheilung Kavallerie eröffnet; eine Fompagnie Infanterie und eine Eskadron machten den Schluß. Das Innere der Kapuziner-Kirche war schwarz ausgeschlagen, die Kniebänke und Kirchenstühle waren schwarz überzogen, der Fußboden schwarz belegt. Auf die Meldung, daß der Teichenzug herannahe, verfügten sich die bereits im Kloster angekommenen Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften in die Kirche auf die bestimmten Plätze. Die Hofstaaten haften sich daselbst schon vorher eingefunden. Als der Leichenwagen an der Hauptpforte der Kapuzinerkirche an⸗ gelangt war, wurde der Sarg herahbgehoben, von dem Ponti⸗ sikanten an der Spitze der Geistlichkeit empfangen, unter deren Vortritt in die Kirche getragen und auf die vor dem Haupt⸗ altar aufgestellte, rings mit brennenden Lichtern umgebene Trauerbahre niedergelassen. Der Oberst-Hofmeister des Verblichenen und die begleitenden Kämmerer folgten bis dahin und begaben sich dann zu der für sie, vor⸗ gerichteten Kniebank. Nun erfolgte die feierliche Ein⸗ ,. worauf von den Sängern der Hof⸗Musikkapelle das Libera gesungen wurde. Der Sarg wurde sodann aufgehoben und unter Trauergebeten und Fackelbegleitung in die Gruft hinabgetragen. Der Pontifikant ging mit der assistierenden Geistlichkeit voran. Der Kaiser, sowie die Erzherzoge, der Stellvertreter des Ersten Oberst⸗Hofmeisters mit dem Stabe, der Oberst⸗Hofmeister des Verewigten und die beiden Kämmerer folgten dem Sarge. In der Gruft befanden sich auch die fremden Fürst⸗ lichkeiten, das diplomatische Korps, die Minister und viele Deputationen. Die Leibgarden und Edelknaben blieben in der Kirche zurück. In der Gruft ging die nochmalige Einsegnung vor ch Nach Beendigung der Gebete übergab der Stell⸗ vertreter des Ersten Oberst⸗Hofmeisters dem Guardian der Kapuziner die Leiche, empfahl dieselbe seiner Obhut und be—
händigte ihm den Schlüssel zum 63 worauf Alle in kehr
die Kirche zurückkehrten. Nach der Rü des Kaisers in die Kirche verließ der Hof dieselbe, worauf sich dann auch die übrigen Anwesenden entfernten.
In Wien haben, der „Budapester Korrespondenz“ zufolge,
die Konferenzen wegen Abschlusses eines Tarifvertrages mit Japan unter Theilnahme von Vertretern der österreichi⸗
schen und der ungarischen Regierung begonnen.
Das österreichische Herrenhaus nahm gestern die Wahlen zu den Delegationen vor und vertagte sich sodann bis nach Pfingsten. Im Ahgeordnetenhause theilte der Präsi⸗ dent Freiherr von Chlumetzky mit, der Kaiser habe die Beileidskundgebung des Hauses auf das huldoollste entgegen⸗ genommen und anerkennend hervorgehoben, daß die Abgeordneten auch diesmal, wie bei jeder Gelegenheit, ihren Patrio⸗ lismus und ihre Loyalität bekundet hätten. Der Präsident fügte hinzu, dieser neuerliche Verlust sei für den Kgiser und ür ganz Oesterreich überaus schmerzlich, da der Verewigte ich . große Verdienste um das allgemeine Wohl erworben abe und ein nachahmenswerthes Muster eines treuen Unter—⸗ thanen und guten Oesterreichers gewesen sei. Die durch den Tod des Erzherzogs Carl Ludwig entstandene Lücke werde schwer empfunden werden, am schwersten von dem Kaiser. Sodann nahm das Haus den Antrag der Minorität des r,, . an, die Grundsteuer um Aßs Millionen herabzusetzen. ei der hierauf folgenden Wahl der 2 wurde für Nieder⸗ österreich in zwei Wahlgängen keine Majorität erzielt, indem die antifemitischen Abgg. Geßmann, Richter und Dötz je 17 und die liberalen Abgg. Luöwigsdorf und Mauthner je 16 Stimmen, Sueß 15 und Exner 2 Stimmen erhielten. Es wurde nunmehr die
usloosung vorgenommen, wobei die antisemitischen Abgeord⸗ neten ausgeloost wurden. Nach der Delegirtenwahl beantwortete
der Justiz-Minister Graf Gleispach die an das Gesammt⸗ gin , gerichtete Interpellation des . acak be⸗ üglich des Kreisgerichts in Trautenau dahin, daß die Errichtung ieses Kreisgerichts in sichere Aussicht genommen sei und die Regierung nicht ermangeln werde, Mittheilungen über eine Gesammtorganisation Böhmens wegen Errichtung noch meh⸗ rerer anderer Gerichtshöfe und Bezirksgerichte dem Landtage i gutachtlichen Aeußerung zu machen, welcher Vorgan elbstverständlich auch kee nch aller anderen Königreiche un Länder werde beobachtet werden. Das Haus vertagte sich darauf bis Mittwoch.
Der Obmann der vereinigten deutschen Linken Graf Küen⸗ burg gah in der gestrigen Parteisitzung seinem lebhaften Be⸗ dauern über den Austritt des verdienstvollen Mitgliedes Dr. Sueß Ausdruck und erklärte, die Partei glaube es nicht rechtfertigen zu können, wichtige Gesetze, welche für die Bevölkerung mannigfache Vortheile zur Folge hätten, ruhig der Zukunft zu überlassen. Die Partei habe insbesondere an der Steuerreform mitgearbeitet, nicht etwa, um die bevorstehenden . zu beeinflussen, sondern in der Ueberzeugung, daß die Reform der bisherigen, gerade die gewerbtreibende Bevölkerung bedrückenden Steuer⸗ . sowie die Einführung einer Einkommensteuer von weiten Kreisen seit langem gefordert worden sei. Es müsse einem Jeden überlassen bleiben, sich ein Urtheil darüber zu bilden, ob den fort⸗ schrittlichen Ideen dadurch genützt werde, daß Mitglieder der Partei kurz vor dem Abschluß der Sessionsperiode der Partei den Rücken kehrten und zur Zerbröckelung Anlaß gäben. Es sei Pflicht jedes Parteigenossen, mit vollen Kräften dahin zu wirken, daß die gesammte Partei geschlossen, wenn auch mit einem den Verhaͤltnissen entsprechend geänderten Programm, den Wahlkampf aufnehme. Die Ausführungen des Vorsitzenden wurden einhellig unter Beifallsbezeugungen gebilligt.
In der gestrigen Sitzung des Wiener Gemeinderaths theilte der Bürgermeister Strobach den Dank des Kaisers für die Trauerkundgebung anläßlich des Ablebens des Erz— herzogs Carl Ludwig mit. Zum Ersten Vize-Bürgermeister wurde sodann Hr. Lueger mit 95 gegen 41 Stimmen gewählt. Die Liberalen stimmten für Vogler; mit dem gleichen Stimmen⸗ verhältniß wurde Neumayer zum Zweiten Vize-Bürgermeister gewählt. Beide wurden durch den Vertreter der Regierung von Friebels vereidigt. Hr. Lueger legte in seiner Antrittsrede das Hauptgewicht auf die Finanzfrage und betonte die Noth⸗ wendigkeit einer Revision des lückenhaften Gemeindegesetzes, welches der Regierung die gänzliche Aufhebung der Gemeindeautonomie ermögliche; ferner wies er auf die Nothwendigkeit einer Reform der Wahlordnung in der Richtung hin, daß dieselbe alle Bevölkerungskreise umfasse, und sagte eine objektive und parteilose Leitung der Verhand⸗ lungen und der Behandlung der Beamten zu. Neumayer betonte den deutschen Charakter Wiens sowie dessen Eigenschaft als Reichshauptstadt, die Freiheit der Schule und des Lehr⸗ standes, die Bewahrung der deutsch⸗ nationalen Erziehung der christlichen Jugend vor jüdischem Einfluß, die wirthschaft⸗ lichen Aufgaben und die Abhilfe der traurigen Lage des gewerb⸗ lichen Standes.
Großbritannien und Irland.
Die am Donnerstag begonnene Sitzung des Unter⸗ hauses währte bis gestern Nachmittag Us⸗ Uhr. Das Haus nahm sämmtliche Paragraphen der Bill uber die landwirth⸗ schaftlichen Bodenabgaben an und vertagte sich sodann bis zum 1. Juni.
Frankreich.
Die Polizei ist mit der Konfiscierung von Plakaten beauftragt worden, welche eine Verherrlichung des Herzogs von Orltzans enthalten und von den Royalisten in Tours
elegentlich der für Sonntag beabsichtigten Reise des Prä⸗ h enten Faure öffentlich angeschlagen werden sollten.
Rußland.
Der Kaiser und die Kaiserin trafen, wie „W. T. B.“ aus Moskau erfährt, gestern Mittag gegen 1 Uhr im Kreml ein und empfingen eine Anzahl außerordentlicher Botschafter und a
Gestern Nachmittag trafen der Erzherzog Eugen von Oesterreich und der Großherzog von Sachsen in Moskau ein. Höchstdieselben wurden am Bahnhof, wo eine Ehrenwache Aufstellung genommen hatte, von den Groß⸗ fürsten empfangen.
Bei dem Minister des Aeußern Fürsten Lobanow⸗ Rostowski fand gestern Abend ein großer Rout statt.
Heute waren seit dem frühen Morgen die Plätze in Moskau, auf denen die feierliche Verkündigung des Tages der Krönung stattfindet, von einer großen Volks⸗ menge gefüllt. In dem Kreml, auf dem Platze zwischen dem Arsenal und der Kaserne hatten sich um 9 Uhr unter dem Befehl eines kommandierenden Generals zwei General⸗ Adjutanten im General⸗-Lieutenantsrang, zivei Krönungs⸗ Ober⸗Zeremonienmeister, zwei Herolde, vier Zeremonienmeister, zwei Senats⸗Sekretäre, alle zu Pferde, und je zwei berittene Schwadronen mit ihren Paukenschlägern und dem vollen Trompeterkorps versammelt. Gegen R/ Uhr verließen diese in Prozession den Kreml durch das Spaßki⸗Thor und begaben sich nach dem Rothen Platze zum Denkmal des Fürsten Posharski und Minin's, wo sich die Herolde auf dem abgesteckten Platz aufstellten. Auf Befehl des kommandiezenden Generals hoben die Herolde ihre Stäbe empor, e,, . Anwesenden ihre Häupter entblößten und die Trompeter Appell bliesen. Darauf trat feierliche Stille ein. Ein Senatssekretär ver⸗ kündete durch Verlesung der herkömmlichen Kundmachung, daß am 26. Mai die Krönung des Kaisers und der Kaiserin staftfinden . Die Volksmenge nahm die Verkündigung mit Hurrahrufen auf; diese verstummten, als das Trom⸗ peterkorps die Hymne „Gott schüßze den Zaren“ intonierte, welche die Anwesenden entblößten auptes anhörten. Als die Musik verkiungen, wiederholten sich die Hurrahrufe; die Volksmenge drängte nach dem Standorte der Prozession, um einen Abdruck der Kundmachung zu erlangen, welche, von den Herolden zu Tausenden unter die Vollsmenge geworfen, weithin sichtbar durch die Luft flatterten. Die . bot mit den goldgestickten Uniformen und den blinkenden Kürassen der Eskorte ein glänzendes Bild.
Italien.
Der deutsche Boischafter von Bülow übergab gestern, wie „W. T. B.“ berichtet, dem Minister⸗Präsidenten Marchese di Rudin und dem arine⸗Minister Brin die Bildnisse Se iner . des Kaisers, welche Allerhöchstderselbe bei seinem Besuch in Venedig den Ministern versprochen hatte.
Die Deputirtenkammer verhandelte gestern über das Budget des Kriegs⸗Minister iums. Der irn e er General Ricotti erklärte: die Modifikationen, die man in der Armee-Organisation einführen wolle, seien in dem von ihm dem Senate unterbreiteten Entwurf enthalten Der Stand der Kompagnien sei zu schwach, und da das Kriegsbudget nicht erhöht werden könne, bleibe nur die Herabsetzung der Zahl der Kompagnien übrig, was ohne . rung der Armee⸗Korps geschehen könne, indem man die Bataillone von 4 auf 3 Kompagnien herabmindere. Der Minister erklärte ferner, daß er die Wiedereröffnung von fünf Militärschulen vorschlagen werde. Der Chef des Generalstabs ah demissioniert; da es sich um einen hochgestellten und lang⸗ gedienten Offizier handele, werde von ihm eine Angabe von Gründen für diesen Schritt nicht verlangt werden. Der Minister wies sodann auf die Angriffe gegen den Chef des Generalstabs in Afrika hin und erklärte, och Uneinigkeiten nur unter dem
unter einem schwachen Kommando vorkaͤmen; General Baldissern würden sie sich nicht wiederholen. Dem General, Baldissera seien keinerlei Rathschläge militärischer Natur ertheilt worden, es sei ihm überlassen, an Ort und Stelle nach eigenem Ermessen zu handeln. Der Minister erklärte ferner, in Afrika sei kein Mangel an Kriegsmaterial konstatiert worden. Es habe nur an Maul⸗ thieren gefehlt, dies hänge jedoch mit den bestehenden Verordnungen zusammen, für welche Aenderungen beantragt werden würden. Die Befestigungen von Adigrat seien nicht zerstört worden, weil sie sich überhaupt nicht eine Stunde im Geschützfeuer halten könnten. Der Minister legte alsdann detailliert dar, daß der Kredit für Afrika für alle Bedürf⸗ nisse ausreiche, und meinte, es werde sich sogar ein kleiner Ueberschuß ergeben, der in nützlicher Weise oerwendet werden könne, Die Soldaten kehrten zurück, der Feldzug sei beendet. Der General Baldissera werde die Truppen bestimmen, die in die Heimath zurückzubefördern seien. Die Generaldebatte wurde sodann geschlossen und die Spezialdebatte begonnen.
Türkei.
Der Sultan beschied, dem „W. T. B.“ zufolge, gestern den griechischen Patriarchen zur Audienz, um denselben zu veranlassen, beruhigend auf die christliche Bevölkerung in Kreta einzuwirken. Die Wahl des neuen Vali für Kreta be⸗ gegne Schwierigkeiten; gegenwärtig gelte Abdullah Pascha, Vali von Skutari, als für diesen Posten ausersehen. Derselbe sei bereits von Skutari nach Konstantinopel abgereist.
Aus Athen wird gemeldet, daß durch ein Irade des Sultans der Ferman, betreffend den Aufschub der Arbeiten des kretensischen Landtags, aufgehoben und bestimmt worden sei, daß der Landtag im Laufe der nächsten Woche zusammen⸗ berufen werde.
Rumänien.
Der 15. Jahrestag der Krönung des Königs und der Königin und der 30 Jahrestag der Regierung des Königs ist gestern in Bukarest als nationales Fest mit besonderem Gepränge gefeiert worden. Nach einem feierlichen Tedeum in der Metropolitan⸗Kirche defilierten die Truppen vor den Majestäten. Ein zahlreiches Publikum wohnte auf den Tribünen, die auf den Boulevards errichtet waren, der Parade bei. Das diplomatische Korps war vollzählig ver⸗ treten. Die Stadt prangte im Flaggenschmuck. Abends fand Retraite, Fackelzug und Illumination statt.
Serbien.
Die Einberufung des Verfassungsausschusses steht, wie „W. T. B.“ aus Belgrad erfährt, unmittelbar bevor; der König hat die auswärts wohnenden Mitglieder des Ausschusses nach Belgrad berufen. Sämmtliche Blätter ohne Unterschied der Parteirichtung begrüßen den Entschluß des Königs, das Verfassungswerk in Angriff zu nehmen, mit dankbarer Anerkennung.
Dänemark.
Der Departements⸗Chef im Ministerium des Innern von Sehestedt ist zum Landwirthschafts⸗Minister er⸗ nannt worden. Die Einrichtung dieses Ministeriums ist in dem gestern abgehaltenen Ministerrath beschlossen worden. Das Ministerium für öffentliche Arbeiten wurde aufgehoben und mit dem Ministerium des Innern verbunden. ;
Amerika.
Der Staatssekretär Olney hat, dem ‚„W. T. B. zu⸗ folge, den Gesandten der Vereinigten Staaten in Madrid Taylor beauftragt, gegen das Taback-Ausfuhrverbot des Generals Weyler, soweit dasselbe die amerikanischen Eigen⸗ thümer betreffe, Einspruch zu erheben. Sollte das Verbot aufrecht erhalten werden, so würden die Kongreßmitglieder für lorida einen Beschlußantrag vorbereiten, durch welchen der Präsident ermächtigt werde, die Einfuhr cubanischer Zigarren zu untersagen. ö Der Senat beschloß gestern mit 34 gegen 2 Stimmen,
eine von Butler vor . Bill in Erwägung zu ziehen, durch welche jede Ausgabe von zinstragenden Obli⸗ gationen ohne Ermächtigung des Kongresses ver⸗ bo ten wird. Es folgte eine längere Debatte, in deren Verlauf her⸗ vorragende Mitglieder beider Parteien die Ansicht ausdrückten, daß es eine Schande sein würde, wenn der Kongreß sich vertagte, ohne die nöthigen Maßregeln zur Unterstützung des Schatzes getroffen zu haben. Die meisten Redner sprachen sich gegen den Vorschlag Butler's aus; die Republikaner, besonders Sherman, beantragten, das vom Repräsentantenhause an⸗ enommene Zollgesetz in Erwägung zu ziehen, um für die
edüͤrfnisse des Schatzes zu sorgen. George (Demokrat brachte den Antrag ein, zur Deckung des V td genügend hohe Abgaben auf Bier, Wolle, Holz, Thee und Kaffee zu legen und die Abgaben für Taback, Bildhauerarbeiten und Gemälde zu erhöhen.
Nach einer in Paris eingetroffenen Meldung aus
Havanna hätten die Aufständischen einen Eisenbahnzug mit Hilfe Dynamits zum Entgleisen gebracht.
Asien.
Aus Teheran wird der „Times“ berichtet, daß nach Berichten aus Tabris in Karadagh und Ardebil Un⸗ ruhen ausgebrochen seien; die Empörer hätten e, e. Dörfer genommen, zur Wiederherstellung der Ordnung seien die nöthigen Maßre eln getroffen. Wegen des Mangels an Brot herrsche in Tabris große Unzufriedenheit!)