1896 / 144 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 18 Jun 1896 18:00:01 GMT) scan diff

Vorschriften herbeigeführt werden wird. Wenn ich heute nicht sagen kann, auf welchem Wege, und mich namentlich außer stande fühle, mich auf den Standpunkt, den in dieser Hinsicht der Herr Vorredner einnimmt, namens der verbündeten Reglerungen zu stellen, so wird der Herr Vorredner wohl so billig sein, auch das ganz begreiflich zu finden.

Es handelt sich hier in der That um ein Partikularrecht. Wir haben bis jetzt kein Reichsvereinsgesetz, und der nächste Gedanke, der aufkommen kann, wenn es sich um die Reform partikular rechtlicher Bestimmungen handelt, ist doch naturgemäß der, daß man die Korrektur ebenfalls auf dem Wege der Partikulargesetzgebung sucht. Ich gebe dem Heren Abg. Rickert, dessen Kopfschütteln mir nicht entgangen ist, bereitwillig zu, daß man im Hinblick auf Art. 4 der Verfassung von vornherein auf den Reichstag gerathen kann. Gewiß, aber man wird es auch denjenigen Regierungen, die im allgemeinen an ihrem Partikularrecht hängen und der Meinung sind, daß auf dem Wege der Partikulargesetzgebung dem vorhandenen Bedürfniß Rechnung ge⸗ tragen werden kann, nicht verdenken können, wenn sie in erster Linie

diesen Weg empfehlen.

Aber, meine Herren, sei dem, wie ihm wolle, das Fazit meiner Erklärungen ist, daß die verbündeten Regierungen zu dem heute vor liegenden Antrag noch keine Stellung genommen haben. Das aber erkennt die Mehrzahl an, daß rücksichtlich des Verkehrs der politischen Vereine untereinander das Bedürfniß einer Reform der partikular⸗ gesetzlichen Vorschriften vorliegt, und ich bin deswegen der Meinung, daß wir in jedem Falle einen Schritt weiter kommen werden.

Abg. Dr. Bachem (Sentr.); Die Erklärung des Staatssekretärs läßt ja eine Hoffnung, aber es liegt die Gefahr vor, daß in jedem der 22 Staaten die Reform versucht wird, und ob sie überall elingen wird, ist dech sehr zweifelhaft. Da möchte ich doch lieber en Bundesrath bitten, ein einheitliches Vereinsrecht zu schaffen.

Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher:

Ich habe aus den Ausführungen des Herrn Vorredners den Ein— druck gewonnen, daß er meine Ausführungen doch nicht so aufgefaßt hat, wie sie verstanden sein wollen. Ich habe nicht gesagt, daß der Bundesrath sich weigere, im Wege der Reichggesetzgebung eine solche Korrektur des Vereinzrechts eintreten zu lassen, wie beabsichtigt ist. Ich habe nur gesagt, der Bundesrath hat sich nicht darüber schlüssig gemacht. Er konnte sich darüber nicht schlüssig machen, weil ihm der Antrag, der heute den Reichstag beschäftigt, noch nicht zugegangen war. Weiter habe ich mitgetheilt, daß aus den Eindrücken, die ich beim Meinungsaustausch gewonnen habe, unter anderen auch das Fazit sich ergiebt, daß einzelne Regierungen dem Wege der Korrektur durch die Partikulargesetzgebung den Vorzug geben. Ich bitte also den Herrn Vorredner, meine Erklärungen so aufzufassen, daß für den Bundesrath noch vollständig freie Hand ist, und wenn ich dem Bundes⸗ rath in dieser Beziehung freie Hand vorbehalten habe, so wird der Herr Vorredner, der ja ein guter Anwalt ist, auch das verstehen, daß ich meinem Mandanten nichts vergeben zu sehen wünsche. (Heiterkeit)

Abg. Freiherr von Stumm (Rp. erklärt sich gegen den Antrag Bassermann: nicht als ob er verkenne, daß das Verbot des Inverbindung⸗ tretens für die Vereine mit den heutigen Verkehrsverhaäͤltnissen nicht mehr vereinbar sei, aber er halte es für bedenklch, einen einzelnen Punkt hervorzuheben. Eine Reform des Vereinsrechts, führt Redner weiter aus, ist nothwendig, aber sie muß auch die Garantie bringen, daß die umstürzenden Bestrebungen besser bekämpft werden können, als dies jetzt der Fall ist, etwa nach Analogie der bayerischen Gesetzgebung. Ob die Reform im Reich oder in den Einzelstaaten erfolgt, ist dabei gleichgültig. Zu fürchten ist nur, daß die Reform im Reich nicht erreicht werden h. Ich würde es als eine Schwäche des Bundesraths an= sehen, wenn er einfach diesem Antrage zustimmen würde, ohne eine Garantie durch eine umfassende Reform.

Damit schließt die Generaldiskussion. Eine 5 diskussion findet nicht statt; der Gesetzentwurf wird nach dem Antrage Bassermann gegen die Stimmen der beiden konser⸗ vativen Gruppen angenommen.

Es folgt die zweite Berathung detz ö wegen Abänderung der Gesetze über die Schutztruppe in Deutsch⸗Ostafrika, in Südwest⸗Afrika und in gamerun.

Der Berichterstatter Prinz Arenberg (Zentr)) berichtet äber die Kommissionsverhandlungen.

Beim Artikel U bedauert

Abg. Graf Arnim rr daß die Offiziere der Schutztruppe aus der Armee ausscheiden ollen, wenn auch ihr Vortrittsrecht ge—⸗ wahrt bleibe. Die Schutztruppe werde jetzt lediglich einem

wilbeamten unterstellt, wenn sie auch nicht direkt ein Parlaments- eer werde. Anders wäre die Sache, wenn ein selbständiges Kolonialamt vorhanden wäre, unter dessen Oberleitung man eine solche Organisation eher stellen könne.

Direktor der Kolonial Abtheilung im Auswärtigen Amt Dr. Kayser bestreitet, daß der Charakter der Schutztruppe sich irgendwie verändert habe; sie sei eine Kaiserliche Schutztruppe geblieben wie vorher. . .

Art. HL wird genehmigt.

Art. III kehr isf die Wehrpflicht.

Abg. Dr. Hasse n. erklärt seine Befriedigung darüber, daß die Deutschen in den Kolonien direkt dienen können; dieser Theil der Vorlage sei der beste.

7 Graf von Arnim tritt für die Wehrsteuer ein, welche Ausländer entrichten sollen, da sie selbst nicht dienten, aber des Schutzes der Schutztruppe theilhaftig würden. Er befürchte nicht, daß andere Länder deswegen Repressalien üben würden.

Art. III und der Rest der Vorlage werden ohne weitere Debatte angenommen.

Die Kommission hat 9. Antrag des Grafen Arnim folgende Resolution vorgeschlagen:

Den Reichskanzler zu ersuchen, eine Uebersicht der in der süd⸗ westafrikanischen Kolonie e gen Gesellschaften unter Beifügung der betreffenden Verträge dem Reichttage vorzulegen.“

Abg. Graf von rnim hält eine solche Zusammen⸗ stellung für nothwendig als Grundlage der Beurtheilung der Thätig⸗ keit der Gesellschaften; es müßte auch mitgetheilt werden, was die Direktoren und Aufsichtsräthe der . seien. Eine englische Gesellschaft komme jetzt mit dem Anerbieten, den Hafen in Swakop⸗ mund auszubauen. Nachdem schon die en r und die Lüderitz⸗ Bucht in fremde Hände gekommen 4 wäre das ein Unglück.

Direktor der Kolonial Abtheilung im A mn en Amt Dr. Kayser bestreitet, daß der Hafen in die Hand der ef sfhaft ge⸗ liefert werden solle.

Auf eine weitere Bemängelung des Abg. Grafen von Arnim setzt der

Direktor der ,, Dr. Kayser die , mln der . iedenen, in Südwest⸗Afrika thätigen . auseinander. Bezüglich des FKaragtoma. Syndikat hatten die vorhandenen älteren Rechte anerkannt werden müsfen.

g. Graf von Arnim bestreitet, daß die Nothwendigkeit

vorgelegen hätte, diesem Syndikat eine Eisenbahnkonzession zu be⸗

gen. Die Resolution wird angenommen.

Damit . , Lesung des Entwurfs, betreffend die utztruppe, beendet. . 5 i ne des Abg. Gröber ö tritt das Haus sofort in die 3. 5 ung ein und genehmigt die Vorlage ohne weiteres endgültig ö Ebenso e,. die beiden Nachtrags-Etats ohne weitere Debatte in dritter Lesung genehmigt. . Es , t die zweite ö des Gesetzentwurfs, be⸗ treffend die fluchte der Kaufleute bei Aufbewahrung fremder Werthpapiere auf Grund des Berichts der Kommission, welche nur wenige Aenderungen vorgenommen hat. Die Vorlage wird ohne erhebliche Debatte, unter Ableh⸗

nung eines Antrags des Grafen Arnim zu 8 3, welcher die

Reglerungsvorlage, wiederherstellen will, in allen einzelnen Theilen genehmigt, ebenso die von ber Kommission vor⸗ geschlagene Resolution über Sicherheitsmaßregeln bezüglich der er,, Verwendung fremder Gelder seitens der Hrn und Kaufleute, .

Auch bezüglich . Vorlage wird, da ein Widerspruch nicht erfolgt, af die dritte Lesung vorgenommen und ohne Debatte erledigt. In der Gesammtabstimmung wird die Vor⸗ lage einstimmig endgültig ,

Die Wahl des . Abg. Colbus (b. k. F) wird für gültig erklärt. .

Die Geschäftsordnungskommission beantragt, das Mandat des Abg. Köhler , infolge seiner Annahme als Postagent für erloschen zu erklären. .

ö Abg. 1 ermann den Antrag der Kommission begründet, beantragt Abg. Liebermann von Sonnenberg die Zurückweisung der Vorlage an die Kommission, zieht aber sodann diesen 6 zu Gunsten eines Antrags des Abg. Spahn zurück, welcher die Sache von der Tagesordnung abgesetzt wissen will. .

Dag Haus beschließt diesem Antrag gemäß.

Es folgt die Gesammtabstimmung über den Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Abän der Gewerhe⸗ ordnung; dieselbe ist eine namentliche. Es betheiligen sich daran nur 181 Mitglieder; das Haus ist also beschlußunfähig.

Abg. Dr. Rintelen (Sentr.) bittet den Präsidenten um Aut kunft betreffs der Verhandlungen über die Novelle zum Justizgesetz; die Regierung werde darüber vielleicht Erklärungen abgeben wollen.

Vlze⸗Präsident Schmidt: Bei Beschlußunfähigkeit des Hauses kann ich keine Verhandlungen zulassen. .

Schluß 45e Uhr. Nächste Sitzung: Donnerstag 1 Uhr. Interpellation, betreffend 31 all Bash fm 3 des Grafen Arnim wegen der Lombardierung der Pfandbriefe, und zweite Lesung des Bürgerlichen Gesetzbuchs.)

Prensischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 82. Sitzung vom 17. Juni 1896.

. den ersten Theil der Sitzung ist gestern berichtet worden.

Das Haus geht zur zweiten Berathung der Denkschrift über die des Gesetzes vom 13. August 1895, be⸗ treffend die Bewilligung von Staatsmitteln zur Verbesserung der Wohn ungsverhältnisse von Ar⸗ beitern in staatlichen Betrieben und von gering besoldeten Staatsbegmten, über.

Die Budgetkommission beantragt, die Denkschrift durch Kenntnißnahme für erledigt zu erklären und folgende ,, . anzunehmen: Bei Wr e fr en von Wohnungen für Arbeiter und gering besoldete Beamte staatlicher Betriebe sollte auf die hnlichen Verhältnisse, die ,,, n, der für sie bestimmten Miether und die Lebensgewohnheiten der Gegenden, in denen sie errichtet werden, Rücksicht genommen werden.

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Meine Herren, gegen den Inhalt der Resolution hat die Staats⸗ regierung an sich nichts zu erinnern. Wir stehen auch auf dem Boden, daß bei der Herrichtung solcher Wohnungen auf die Sitten, die Gewohnheiten und das Klima, die Bauart in der betreffenden Gegend Rücksicht genommen werden muß und daß es nicht möglich und nicht zweckmäßig sein würde, nach einer Schablone für die ganze Monarchie derartige Wohnungen herzustellen. Man wird darauf natürlich umsomehr thunlichst Bedacht nehmen, als ich annehme, daß das hohe Haus auch seinerseits nach dem Antrag seiner Kommission mit dieser Auffassung einverstanden ist.

Ich darf aber noch hervorheben, daß allerdings die Lage der Bergwerksverwaltung in dieser Beziehung doch verschieden ist von der Lage der Eisenbahnverwaltung. Die Berg— werke liegen isoliert in den verschiedensten Gegenden. Die Wohnungen haben dort mehr einen ländlichen Charakter, während bei der Eisenbahnverwaltung es sich meistens um Bauten in Städten und mittleren Ortschaften handelt, wo das Ganze schon mehr einen städtischen Charakter hat, die Schablone also nicht so nachtheilig sein wird wie in dem anderen Fall.

Ich theile die Ansicht, die hier ausgesprochen worden ist, daß man in Beziehung auf die Disposition der Wohnräume und den Umfang derselben nicht zu weit gehen müsse; man vertheuert dadurch diese Wohnungen ganz außerordentlich, und die Miethen werden entweder zu hoch für die Leute, um die Wohnung zu beziehen, oder sie übernehmen sich in der Miethe. Außerdem können 4 Zimmer beispielsweise Arbeiter und gering besoldete Beamte schwerlich bewohnen, insofern, als sie thatsächlich doch in der Regel nur ein Zimmer heizen, ja in vielen Fällen wird dieses eine Zimmer die Küche sein, und sie werden im Winter neben der Küche kaum noch ein anderes Zimmer zu heizen im stande sein. Die Erfahrung bei den Baugenossenschaften lehrt das; in der Regel genügt es vollkommen, selbst für eine größere Familie, wenn eine Küche und zwei Stuben da sind; noch eine dritte Kammer wird nur in seltenen Fällen erforderlich sein, führt dann aber sehr leicht zur Afterver⸗ miethung und zum Schlafstellenbetriebe, was ich in keiner Weise zu befördern wünsche, und was sehr schwere Nachtheile hat.

Wir werden gewiß, dem Wunsche der Kommission entsprechend, im nächsten Jahre detaillierte Mittheilungen über die Ausführung des Gesetzes machen, und dann werden die Herrn noch viel besser in der Lage sein, ihre Meinung in dieser Beziehung zum Ausdruck zu bringen als gegenwärtig, wo es sich im Ganzen nur um Pläne, aber noch nicht um wirklich bereits vollendete Ausführungen handelt.

Abg., von Rjepen hau sen (kons.) wünscht, daß vor allem ein Miethtziasernensystem vermieden werde, und befürwortet die An⸗ nahme der Resolution.

Das Haus beschließt nach den Anträgen der Budget⸗ kommission. ; 6

Es folgt der Bericht der Gemeindekommission über die Den kschrift, betreffend das Komm unala 4 en ele

vom 14. Juli 1893, und die dazu . enen Petit ann

rift durch Kenniniß⸗

Die . beantragt, die Den etitionen der Regie

nahme für erledigt zu erklären und die rung als Material zu überweisen.

Abg. Weyerbusch (fr. kons.) bemängelt die Eintheil Kom dia bib en in Einkommensteuer und anne m e 3. de

z 54 des ,, vorschreibe. Das Einkommen zeige die . e

istungsfähigkeit, und es sei deshalb angebracht, auch die Kommunqh lasten ele if fsh darauf zu basieren und nicht auf die an Redner wünscht ferner eine Aufhebung der Verfügung, daß Schul. bauten nicht durch Anleihen gedeckt werden dürfen.

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Ja, meine Herren, ich kann dem Herrn Vorredner keine doffnung machen (Heiterkeit, daß wir die Anweisung, nach welcher die Schul. bauten nicht wie bisher unbedingt durch Anleihen gedeckt werden sollen wieder aufheben werden. ;

Meine Herren, wir waren der Meinung, daß in Städten, die eine regelmäßig fortschreitende Bevölkerung haben, wo die Schul. baulast eine mehr oder weniger regelmäßig wiederkehrende ist, es un. verantwortlich sein würde, sämmtliche Schulbaukosten durch Anleihen aufzubringen, daß dies eine höchst bedenkliche Belastung der Zukunft und eine ungerechtfertigte Entlastung der Gegenwart sein würde. Meine Herren, es war, glaube ich, hohe Zeit, daß durch die Staatsregierung dem in den großen Städten namentlich überhand nehmenden Streben, sich möglichst in der Gegenwart zu entlasten und ohne Rücksicht auf die Zukunft Schulden zu kontrahieren, entgegengetreten wurde. (Sehr richtig! rechts.) Wenn es sich handelt um einen einzelnen Schulbau, z. B. eines Gymnasiums, welcher nicht regelmäßig wiederkehrt, so liegt die Sache anders; aber Städte, wie Elberfeld und Barmen, deren Bevölkerung in rapidem Steigen begriffen ist, können sich genau be— rechnen, daß sie und in welchen Zwischenräumen sie neue Schulbauten herstellen müssen. Wir haben nicht gesagt, daß jedesmal die gesammten Schulbaukosten durch den Etat gedeckt werden sollen, sondern es sollen allmählich Fonds angesammelt werden in jedem Etat, um die Last zu vertheilen, um so den Fonds zur Hand zu haben, wenn das Bedürfniß des Schulbaues eintritt. (Sehr richtig! rechts.)

Auch das haben wir garnicht einmal überall strikte durchführen können, mit Rücksicht namentlich auf die bisherige verkehrte Uebung. Man hat auch in dieser Beziehung sich sehr viel nach den Umständen gerichtet; ganz unbedingt und in allen Fällen ist dieses System noch nicht durchgeführt und wird hoffentlich allmählich strenger durchgeführt werden.

Anders liegt die Sache noch bei Straßenbauten. Meine Herren, wir hatten früher Fülle, wo eine Stadt, die sehr wohl in der Lage gewesen war, regelmäßig für ihre vorhandenen Straßen und deren Unterhaltung das Erforderliche zu thun, nun aber lange Jahre hindurch die gehörige Unterhaltung der Straßen versäumte. Dann plötzlich kam ein starkes Bedürfniß; die Sache war nicht mehr zu halten; dann hieß es: nun müssen wir Anleihen machen, um diese großen Straßenkosten zu decken. Es ist doch dies zweifellos absolut unzulässig. Ich bin sogar der Meinung, daß, wenn wirklich Anleihen in besonderen Fällen zur Straßenherstellung gemacht werden, die Anleihen in so kurzer Zeit getilgt werden müssen, bis die Straße ganz neu herzu⸗ stellen ist. Das sind aber nicht 61 Jahre, sondern meist hält eine solche Straße, bis sie vollständig umgebaut werden muß, nur etwa 20 Jahre.

Auch soweit ist man längst nicht gegangen, und ich bin daher persönlich der Meinung, daß in Beziehung auf die Solidität der Verwaltung wir noch garnicht das Wünschenswerthe in vollem Maß erreicht haben. Besser ist es allerdings geworden, nachdem eben das fragliche Rescript, das sich auch auf andere Fragen bezieht, erlassen ist.

Meine Herren, was nun die Sache selbst betrifft, die Beschwerden der Hausbesitzer in den Städten, so wollen Sie folgende Verhältnisse beachten.

Aus manchen Provinzen kommt fast gar leine Beschwerde, und in vielen Provinzen sind die Grundeigenthümer ganz außerordentlich entlastet worden. Ich nenne in dieser Beziehung beispielsweise Schleswig ⸗Holstein, weil dort von jeher üblich war, in sehr starkem Maße die Kommunalabgaben mit vollem Recht nach der uralt deutschen Anschauung wesentlich auf den Grundbesitz zu basieren. Wir haben mehrfach zustimmen können, daß sogar in einem Fall gegen den Wunsch der Kommunalvertretung erhebliche Herabsetzuagen der bisherigen Heranziehung der Realsteuern stattfinden konnten nach Maßgabe des Kommunalabgabengesetzes.

Ganz ähnlich liegt die Sache in Hannover, wo durchschnittlich von jeher üblich war, alle Staatssteuern gleichmäßig heranzuziehen; auch da ist in vielen Fällen, da dadurch dem Kommunalabgabengesetz genügt wird, die Sache so gekommen, daß die Grundbesitzer sehr stark entlastet wurden, nicht bloß in ihrer Eigenschaft als Hausbesitzer, sondern auch in ihrer Eigenschaft als Steuerzahler in der Einkommensteuer. Da ist also ein erheblicher Vortheil für die Hausbesitzer erwachsen.

Aehnlich liegt es in vielen Fällen auf dem Lande, wo es auch oft viel berechtigter ist, nicht in der Weise den Hausbesitzer heran⸗ zuziehen, weil die ländlichen Verhältnisse nicht solche erhebliche Werth⸗ steigerung im Grundbesitz hervorrufen, die Verhaäͤltnisse mehr stabil bleiben und daher in dieser Beziehung ganz andere Grundsätze zur Anwendung kommen können.

Die Klagen kommen hauptsaächlich aus denjenigen Städten, welche bisher in keiner Weise genügend die Realsteuern herangezogen hatten. Wenn in einer Stadt wie Elberfeld vor dem Kommunalabgabengeset nur eine sehr geringe Heranziehung der Realsteuern stattfand und alles auf die Einkommensteuer geworfen wurde, wenn in einer Stadt wie Barmen überhaupt keine Realsteuern erhoben wurden (hört! hört rechts), wenn in einer Stadt wie Krefeld bei 3000 /O Zuschlag zur Ein kommensteuer 60 o Gebäudesteuern erhoben wurden (hört! hört! rechte) solche Falle kann ich zahlreich anführen —, so hat allerdings in diesen Städten die Reform schärfer eingegriffen, aber das war ja gerade der Zweck des ganzen Kommunalabgabengesetzes. (Sehr richtig! recht) Auf andere Weise war das eben nicht durchzuführen. Derartige ich kann es kaum anders bezeichnen Mißstände in gewissen Städten mußten eben durch das Kommunalabgabengesetz be⸗ seitigt werden.

Nun ist ja ganz naturlich, daß, wenn nun infolge dieses Gesehe die Hausbesitzer und Gewerbetreibenden schärfer herangezogen werden,

dadurch eine unangenehme Stimmung enisteht, und daß dies führt h e

agen, Beschwerden, übertriebenen Behauptungen, Mißverständnifsen

z Gesetzes und zu den härtesten persönlichen Angriffen gegen den

glücklichen Minister, der das Gesetz seinem Geist und Inhalt nach ausführt. Aber wir werden uns darüber beruhigen.

Meine Herren, ich glaube, daß, wenn die Petitionen beantragen, es solle bei der Veranlagung der Kommunalabgaben auch dem Real. besttz die Schulden abgezogen werden, es dem Hause gleich von vorn⸗ herein klar ist, daß das einfach heißt, eine einheitliche Einkommen steuer als Kommunalsteuer vorschreiben und die Realsteuern über— haupt aufheben. Ueber diese Petitionen ist auch die Kommission jur Tagesordnung übergegangen, und ich brauche darüber kein Wort

u verlieren. nern n, zweite Kategorie von Petitionen klagen namentlich

darüber, daß bei großen Gemarkungen einzelner Städte entfernt liegende Grundstücke, Vorwerke und derartiges zu stark herangezogen sind. Wir haben das von hier aus bei dem Mangel an Material für die einzelnen angeführten Fälle nicht beurtheilen können. Ich halte es aber für sehr möglich, daß solche Petitionen begründet sein können. Denn es führt allerdings zu Härten, daß bei sehr ausgedehnten Gemarkungen von der Stadt entfernt liegende, noch rein den ländlichen Charakter tragende Grundstücke in derselben Weise herangezogen werden wie die Hausbesitzer der Stadt selbst. Da ist aber der Ausweg durch das Kommunalabgabengesetz gegeben; man kann in dieser Beziehung eine geringere oder eine Mehrbelastung eintreten lassen, und das kann in manchen Fällen durchaus zweckmäßig und gerecht sein.

Werden uns solche Petitionen zugeführt, so wird die Staats⸗ regierung diese Fälle genau prüfen und soweit Remedur schaffen, als das in ihren gesetzlichen Befugnissen liegt; Sie haben in dieser Beziehung die Befugnisse der Staatsregierung sehr eingeschränkt. Wenn Sie sich das Kommunalabgabengesetz ansehen, so werden Sie finden, daß in vielen Beziehungen ein Zwang auf die Gemeinden garnicht aus geübt werden kann, daß wir durchaus nicht berechtigt sind, irgend einen Druck zu üben. Man kann ja durch die Aussichts⸗ behörden in dieser Beziehung auf eine billige Behandlung thunlichst hinwirken lassen, aber in manchen Fällen werden wir nicht das Recht haben, einen Zwang auszuüben. Nun kommen die anderen Petitionen, welche die ganze Auffassung der Staats⸗ regierung von dem eigentlichen Inhalt des Kommunalabgabengesetzes verwerfen und geradezu behaupten, daß das Kommunalabgabengesetz in gesetzwidriger Weise durchgeführt werde. Der Herr Vorredner ist ja nicht so weit gegangen; er hat nur geglaubt, man solle billige Rücksicht auf die unglücklichen Hausbesitzer walten lassen; aber diese Petitionen gehen viel weiter. Wir haben Ihnen die Denkschrift überreicht, wir haben, abgesehen von dem klaren Inhalt des Gesetzes, abgesehen von den Motiven, die noch klarer sind, den Nachweis geführt, daß alle Parteien des Hauses in derjenigen Auffassung bei Berathung des Kommunalabgabengesetzes einig waren, welche die Staatsregierung vertreten hat und vertritt. Darauf, glaube ich, brauche ich tiefer garnicht einzugehen. Was waren die Grund⸗ gedanken der ganzen Reform? Einestheils sollte der Staat die ganzen Realsteuern preikgeben und allein auf die Einkommensteuer angewiesen sein. Daraus ergab sich von selbst, daß es unmöglich war, eine solche Reform durchzuführen, wenn man den Kommunalbehörden das vollständig frei ließ, mit welchen Zuschlägen sie die Einkommen steuer des Staats bedenken wollten. Erwägen Sie, daß wir noch heute in dieser Beziehung den Kommunen eine ganz andere Freiheit der Bewegung zugelassen haben wie in anderen älteren Kulturländern, England und Frankreich beispielsweise.

In England kann überhaupt keine Steuer erhoben werden in irgend einer Kommune, irgend einer Grafschaft oder Stadt oder in einem Dorf, welche nicht beruht auf einer besonderen Bill des Parlaments, welche vorschreibt die Höhe der Steuer, die Art der Umlegung, selbst die Termine, in denen die Umlegung stattfinden muß, das Objekt u. s. w.

In Frankreich wird jedes Jahr durch einen Beschluß des Par— laments die Zahl der centimes additionnels vorgeschrieben, welche in den Departements und in der Kommune erhoben werden dürfen.

Also von irgend einer übermäßigen Einschränkung der Freiheit der Bewegung der Kommunen kann nach Inhalt des Kommunal⸗ abgabengesetzes garnicht die Rede sein. Aber, daß der Staat ein wesentliches Interesse hatte, daß nicht die Zustände blieben wie in Barmen, wo die ganze Steuer durch Zuschläge auf die allein dem Staat verbliebene Einkommensteuer erhoben wird, und die Gewerbe⸗ treibenden beispielsweise, die in einem solchen Fabrikort ja die größten Lasten hervorrufen, absolut frei blieben, darüber kann doch wohl nicht der geringste Zweifel sein; darüber ist auch nie ein Zweifel ge⸗ lassen, das ist gedruckt in den Motiven, und in den Vorschlägen der Königlichen Staatsregierung und in der allerbestimmtesten Erklärung ausgedrückt, die ich namentlich persönlich in dieser Beziehung bei Be⸗ rathung des Kommunalabgabengesetzes abgegeben habe und die all⸗ gemeine Zustimmung damals gefunden haben.

Meine Herren, es ist aber noch ein viel wichtigerer Gesichtspunkt, der weit noch über das Interesse des Staats hinausgeht, und das ist das wahre Interesse der Gemeinden selbst. Nichts kann bei den wachsenden Ausgaben für eine Kommune gefährlicher sein, als im wesentlichen die Kommunalabgaben auf die Personalsteuer zu basieren. (Sehr richtig! rechts.)

Vor kurzem ging durch die Zeitung ein Fall, wo der Tod eines einzigen Mannes die dreifache Erhöhung aller Kommunalabgaben erforderte. So unsicher ist die Basis, auf der die Gemeinden, die doch dauernde und feste, meistens nicht zu reduzierende Ausgaben haben, wenn sie sich bemühen, alles auf die Einkommensteuer zu werfen, und das sollten sich die rheinischen Grundbesitzer erst recht sagen; es ist eine große Gefahr gerade am Rhein vorhanden; man braucht bloß nach Wiesbaden zu gehen, da sieht man den Contrecoup, daß die reich gewordenen Industriellen, die sich zur Ruhe setzen, solche Orte fliehen, wo sie wenig noch direkt interessiert sind an der Gemeinde; sie können heutzutage wohnen, wo sie wollen, vielleicht anderswo an= genehmer als da, wo die Schornsteine rauchen. Daß diese Zensiten solche Orte verlaffen oder nicht solche Orte aufsuchen, datz ist auch eine schwierige Frage für die Grundbesitzer, das bedarf ja gar keiner Ausführung. Nichtg ist kurisichtiger seitens der Hausbesitzer, als ihrerseits in dieser Beziehung den Strang zu scharf anzuziehen. Es sst ein großer Vortheil auch für den Grundbesitz selbst, wenn diese hoch in der Steuer heranzunlehenden reichen Kapitalisten in dem Orte wohnen bleiben.

Aber ganz abgesehen davon: wie können durch Todesfalle, durch

Wegzug aus anderen Gründen plötzlich die Verhältnisse selbst in einer großen Gemeinde sich rapide ändern! Meine Herren, ein Zehntel der gesammten Einkommensteuer wurde früher wenigstens erhoben von einer einzigen Familie selbst in einer so reichen Stadt wie Frankfurt. Wenn plötzlich ein Zehntel der Steuer durch Todesfall oder aus anderen Gründen ausfällt, das erschüttert den ganzen Finanzzustand

der Gemeinde.

Dann, meine Herren, ist es auch eine Ungerechtigkeit, Alles auf die Personalsteuer zu werfen; denn darüber kann namentlich in den fortschreitenden Städten nicht der geringste Zweifel sein, daß die Entwickelung der Kommune, die Vermehrung der Einwohnerzahl, die Verwendungen, die aus den Mitteln der Kommunen gemacht werden, in fast allen Fällen zu einer außerordentlichen Werth⸗ steigerung des Grund und Bodens führen. (Sehr richtig h

Könnte man in den deutschen Städten abschätzen, in welchem Maße der Werth des Grund und Bodens, namentlich des Hautz⸗ besitzes und der Bauplätze in den letzten 50 Jahren gestiegen ist mit fortschreitender Bevölkerung, folglich mit gleichmäßig steigendem Be⸗ trag der Ausgaben, und wir berechneten nun, welchen Antheil wir durch das Kommunalabgabengesetz von dieser Werthsteigerung von dem Grundbesitz wieder erheben, so würde ein Minimalbetrag herauskommen. Ich glaube, es wird niemand vorhanden sein, der beispielsweise die Vermehrung des Werths des Grundbesitzes in Berlin und der nächsten Umgebung in den letzten 50 Jahren sicher schätzen kann; aber ich glaube, man wird kaum zu weit gehen, wenn man sagt, eine solche Schätzung könnte sich wohl auf eine Milliarde belaufen. Ja, meine Herren, wenn nun aber diese Beträge in Steuern auf den Grund⸗ besitz mit solchen Summen, wie sie den Grundbesitzern durch die Ent⸗ wickelung der Gemeinde zugefallen sind, verglichen werden, so wird ein sehr geringes Verhältniß herauskommen.

Meine Herren, ich gehe aber noch weiter: Das ist doch gar keine Frage, daß in diesen Städten, namentlich wo eine große Industrie sich befindet, die schärfere Heranziehung der Gewerbe⸗ steuer und der Grundsteuer auch eine sehr erhebliche Entlastung des Grundbesitzers und der Gewerbetreibenden in ihrer Eigen— schaft als einkommensteuerpflichtige Personen darstellt. Das wird nie berechnet, als wenn die Realsteuerpflichtigen überhaupt gar keine Einkommensteuer zahlten, als wenn alle Grundeigenthümer so verschuldet wären, daß sie gar nicht in der Einkommensteuer ständen. Das ist ja durchaus irrig in den meisten Fällen, noch mehr aber bei den Gewerbetreibenden. Wenn in einer Stadt wie Elberfeld der Grundbesitz und die Gewerbetreibenden in der Stadtverordneten⸗ Versammlung die Mehrheit haben, können sie leicht auf den Gedanken kommen, Alles auf die Einkommensteuer zu werfen, um die Rentiers und Beamten kräftig heranzuziehen, so kurzsichtig dieses Manöver oft ist. Aber daß die Gewerbetreibenden in Elberfeld und Barmen doch sehr erheblich zur Einkommensteuer beitragen, vielleicht das Allermeiste, und also in dieser Beziehung entlastet werden, während die Ein⸗ kommensteuer 4 (e, beträgt und die Gewerbesteuer pro maximo 1 01, das kann doch gar nicht bestritten werden.

Ich wollte das nur deswegen kurz ausführen, um zu zeigen, daß hier die Interessen der verschiedenen Klassen der Bevölkerung längst nicht in dem Maße sich gegenüberstehen, wie man wohl glaubt. Die Interessen gleichen sich aus im Großen und Ganzen; wenn die Gemeinde blüht, so ist das auch sehr nützlich für den Hausbesitzer; und wenn die Gemeinde viele Verwendungen macht, zweckmäßige Einrichtungen herbeiführt, so ist das für die Hausbesitzer besonders höchst wünschenszwerth; wenn aber die Steuern so eingerichtet sind, daß die reichen Kapitalisten, die hauptsächlich in die Einkommensteuer zahlen, vertrieben werden, so ist das für die Haus⸗ besitzer vor allem nachtheilig. Eine einseitige Auffassung ist da an sich falsch.

Nun ist vollkommen richtig, daß man auch nach der Seite der Realbesteuerung diese Heranziehung nicht überspannen darf, und das Kommunalabgabengesetz giebt ja in dieser Beziehung, um das zu ver⸗ hüten, Regeln. Der Herr Vorredner hat auch gar nicht behauptet, daß wir diese Regeln verletzt hätten; er bittet nur, diese Regeln milde zu handhaben. Ja, meine Herren, was heißt das? Die Regierung muß das Gesetz zur Ausführung bringen und die Grundsätze, auf denen es beruht; sie kann nicht willkürlich von diesen Regeln ab⸗ weichen. Es heißt in dem folgenden Paragraphen, aus besonderen Gründen könne davon abgewichen werden; dann müssen also solche be⸗ sonderen Gründe dargethan werden.

Nun wird bei diesen Petitionen, wie in der Kommission mit vollem Recht hervorgehoben ist, außerdem immer vergessen, daß die Hausbesitzer, Grundbesitzer und Gewerbetreibenden in der Staatssteuer doch um 100 0e entlastet sind. Wenn sie also die veränderte Be⸗ lastung nach dem Kommunalabgabengesetz mit dem Verhältniß der Belastung vorher vergleichen wollen, so müssen sie diese 100 0ιδ in Rechnung ziehen. Der Staat hat doch nicht diese 100 ο erlassen, um sie einfach den Grundbesitzern und Gewerbetreibenden zu schenken. Im Gegentheil, das Prinzip war immer das: die Realsteuern stehen im staatlichen Steuersystem an der verkehrten Stelle, und man soll sie den Kommunen überlassen, damit sie dort den besonderen Ver⸗ hältnissen entsprechend herangezogen werden.

Es ist schon in der Kommission hervorgehoben worden, daß die Frage, ob ein Grundstück verschuldet ist oder nicht, von großer Bedeutung ist in der staatlichen Besteuerung, weil da Ver⸗ hältniß zwischen Leistung und Gegenleistung dort nicht entfernt in dem Maß in Betracht kommt, wie bei der Kommunalbesteuerung. Dort kann man von einer ungerechten Doppelbesteuerung sprechen, da kann man von einer schweren Ueberlastung des verschuldeten Grundbesitzes sprechen.

Wenn die Aufhebung der Realsteuern als Staatssteuern eine durchgreifende Wirkung gehabt hat, so ist es die: Entlastung des ver⸗ schuldeten Grundbesitzes. Meine Herren, ein reicher Grundbesitzer, der keine Schulden hat, ist viel weniger entlastet als der hoch verschuldete Grundbesitzer, der die Grundsteuer und die Gebäudesteuer zahlen mußte, ohne Rücksicht auf seine Schulden. Jetzt kann der hochverschuldete Grundbesitzer in der Ergänzungssteuer die Schulden abziehen; er kann in der Einkommensteuer seine Schuldenzinsen abziehen; er ist also in dieser Beziehung nach seiner Leistungsfähigkeit besteuert, während er, wenn ich den Ausdruck gebrauchen darf, früher besteuert war nach der Leistungsunfähigkeit. In der Kommune liegt das ganz anders. Da tritt bei dem Verhältniß von Leistung und Gegenleistung, von Gesammtinteresse an der Entwickelung der Kom⸗ mune und der Einwirkung der Kommune auf den Grundbesitz in ganz anderem Maß hervor, ob das Haus verschuldet oder unverschuldet ist.

Jeder Straßenbau, jede Kanalisation, jede Trambahn wird den Werth des verschuldeten Grund und Bodens ebenso steigern wie den Werth des unverschuldeten. Hier liegt also das Verhältniß ganz anders.

Diese Gesichtspunkte sind damals bei der Berathung des Kommunal abgabengesetzes so ausführlich entwickelt, von den Vertretern aller Parteien anerkannt, daß es wirklich ein starkes Stück ist, wenn nun die Grundbesitzer⸗ vereine sagen: Diese Anschauungen stehen in direktem Widerspruch mit dem Gesetz, und die Staatsregierung handelt gesetzwidrig. Eine derartige dreiste Behauptung in vielen Petitionen, die freilich alle wohl im Ganzen von ein und derselben Hand ausgehen (sehr richtig! rechts), ist mir noch nie vorgekommen.

Meine Herren, ich hätte lieber gesehen, nicht der Sache selbst wegen, sondern des Eindrucks nach außen wegen, daß Sie über die sämmtlichen Petitionen jur Tagesordnung übergegangen wären. Ich werde Ihnen den Grund sagen. Neues, was wir nicht schon kennen, oder durch den Inhalt der Petitionen, die ja auch an uns gekommen sind, erfahren, wird uns durch diese Ueberweisung als Material nicht gegeben. Dagegen könnte es möglicherweise bei der Geneigtheit dieser Hausbesitzervereine an der Hand der Sekretäre und Agitatoren eine Ermuthigung für dieselben bedeuten, um auf diesem Wege weiter vorzugehen und doch schließlich nichts zu erreichen.

Es wäre insofern vielleicht besser gewesen, wenn das Haus be— schließen möchte, über die Petitionen zur Tagesordnung überzugehen. Aber, ich will das nicht beantragen. Nach der Motivierung, in dem gedruckten Bericht der Kommission, nach der mündlichen Darlegung des Herrn Berichterstatters ist über den Sinn dieser Ueberweisung als Material kein Zweifel: Die Kommission hat sich damit insofern salvieren wollen, als sie der Meinung ist, es könnten doch unter den Petitionen Fälle berührt sein, wo wirklich eine zu starke Belastung des Grundbesitzes eingetreten ist, und das möge die Staatsregierung dann genauer prüfen. Nun, meine Herren, wir werden uns dieser Prüfung natürlich in keiner Weise entziehen, wenn uns diese Petitionen als Material überwiesen werden. Es hat sich aber bereits gezeigt, daß in diesen Petitionen zum theil ein sehr verkehrtes Zahlen material vielfach enthalten ist, daß man also den Inhalt dieser Petitionen mit großer Vorsicht wird ansehen müssen.

Meine Herren, das ist ganz unzweifelhaft und war von vorn⸗ herein klar: wir hatten in Preußen ich kann wohl sagen einen buntscheckigen, fast anarchisch und willkürlich geordneten Zustand des Kommunalabgabewesens. Wir hatten Provinzen, Städte und Land⸗ gemeinden, wo die Realabgaben früher fast die ausschließliche Last trugen; anders im Osten sowohl wie im Westen, namentlich in den Städten, wo0 man nach und nach sich gewöhnt hatte, alles auf die Einkommensteuer zu packen. Wir hatten Fälle, wo in derselben Probinz Kommunen, die ganz nahe bei einander lagen, nach den verschiedensten Grundsätzen die Kommunalabgaben geregelt hatten. Wenn nur ein gewisser, doch noch immer vorsichtig bemessener, gleichartiger, auf grundsätzlicher Bestimmung beruhender Zustand hergestellt werden soll, daß ein solches Bestreben dann verschieden wirkt, je nach dem verschiedenen Zustand, auf den das Gesetz Anwendung hatte, das ist überhaupt nicht zu vermeiden, das ist eine Uebergangsperiode, die wir durchmachen müssen. Aber davon bin ich überzeugt, daß, wenn wir das Kommunalabgabengesetz nicht gemacht hätten, wenn die damaligen kolossalen Klagen, deren sich die Herren gewiß noch erinnern, über die wachsende Noth der Gemeinden und die ungemessenen Zuschläge zur Einkommensteuer bestehen ge⸗ blieben und sich weiter entwickelt und noch verschlimmert hätten, was ja eine Nothwendigkeit war, so würden Diejenigen aufgehängt sein, wie der Herr Vorredner sagt, die sich einem solchen Reformgesetz widersetzt hätten, und nicht Diejenigen, die das Reformgesetz durch—= geführt haben. Ich bitte Sie, meine Herren, die Sie bei der ganzen Reform die Staatsregierung so einmüthig unterstützt haben, die Staatsregierung jetzt ebenmäßig durch Ihre Beschlüsse zu unterstützen gegen die ganz unbegründeten Angriffe in Betreff der Durchführung des Gesetzes. (Sehr richtig! rechts.)

Abg. Mies (Zentr.) vertritt den Standpunkt der Petitionen der 8 und nimmt diese gegen die in der Kommission gemachten

orwürfe in Schutz. Die Steuerreform solle eine gleiche Vertheilung der Lasten herbeiführen, und daher verwahrten sich die Hausbesitzer gegen . einseitige , . zu den Kommunalsteuern.

Geheimer Ober Regierungs Rath Noell macht im Aaschluß an die Ausführungen des Ministers nochmals darauf aufmerksam, daß der Staat auf die Realsteuern verzichtet habe, damit diese für die Kom munalbesteuerung nutzbar gemacht werden könnten. Es könne sich niemals darum handeln, daß die Regierung die Absicht habe, ein Gesetz gesetzwidrig auszulegen und auszuführen. Die Schwierigkeit liege in der Anwendung des Gesetzes auf die einzelnen Fälle. S 54 regle die Vertheilung der Kommunalsteuern auf Einkommensteuer und Realsteuern, und § 55 lasse die Ausnahmen für bestimmte . zu. Das Hauptgewicht sei immer darauf zu legen, daß der ann ft durch die Aufhebung der staatlichen Realsteuern ent⸗

ah. von Brockhausen (kons.) meint, daß das Kommunal- abgabengesetz seinen Grundprinzipien nach richtig und im Sinne der Ausführungen seiner Freunde bei den Verhandlungen über den Entwurf ausgeführt sel. Die Zeit sei zu spät, um h mit Herrn Mies darüber auseinanderzusetzen; eine Verständigung werde doch nicht erzielt werden. Aber der Fraktionsgenosse des Herrn Mies, Herr von Huene, habe sich früher in entgegengesetztem Sinn aus—⸗ gesprochen. Bei der Kürze der Zeit sei es nicht angebracht, auf die einzelnen Petitionen einzugehen, sondern sie der Regierung als Ma⸗ terial zu überweisen.

Darauf wird die Debatte geschlossen.

Die Denkschrift wird —— Kenntnißnahme für erledigt erklärt; die Petitionen werden theils durch Uebergang zur Tagesordnung erledigt, theils der Regierung als Material

überwiesen. Schluß 3i/ Uhr. Nächste Sitzung Donnerstag 11 Uhr.

(Mittheilung, betreffend das Bernsteinregal; Petitionen.)

Statistik und Volkswirthschaft.

Aus dem Reche nn, , des K. K. 6sterreichischen ost sparkgssen Amts für das Jahr 1895.

Der kürzlich veröffentlichte Rechenschaftsbericht des K. K. , ostsparkassen · Aunrts für das Jahr 1895 läßt erkennen, daß sowohl der Spar wie auch der der Postsparkasse in erfreulichem weiterem Aufschwun

m Sparverkehr ist im Laufe des 3 der CGinleger um 72567, Baarguthaben um d Sal 760 das Staatzpapierdepot um nom. 2 20MM 910 Fl. ö den Einlegern am abt ea i , g/ riebenen reichten die Höhe von 1 120 614 Die bellef sich Ende 1895 auf 1110 091 Personen, für r ein Guthaben von 44 248 312 Fl. in baar und von 17045 410 in Staatspapieren beim Postsparkassen. Amt lagen. Außerdem