1896 / 150 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 25 Jun 1896 18:00:01 GMT) scan diff

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Staatssekretär des Reichs⸗Justizamts Nieberding:

Meine Herren! Ich habe nicht die Absicht, in die geschichtlichen Reminiseenzen mich zu vertiefen, die von Herrn Grafen Roon hier erörtert worden sind. Ich glaube allerdings, daß, wenn man die ge⸗ schichtliche Entwickelung der hier einschlagenden Verhältnisse, wie sie sich im Lauf der letzten 0 und sogar 100 Jahre, darf ich wohl sagen, in Preußen abgespielt haben, objektiv würdigen wollte, dann würde sich sehr viel Material beibringen lassen, welches die Ueber zeugung gewähren müßte, der Standpunkt, den Herr Graf Roon ein⸗ nimmt, ist ein unhaltbarer geworden. (Sehr wahr! links. Hört, hört! rechts) Aber ich glaube, die Stellung der ein— zelnen Parteien in dieser Sache ist eine so entschiedene, daß ich mich in derartige, mehr oder weniger doktrinäre Auseinander- setzungen hier nicht mehr einzulassen brauche. (Sehr richtig! links) Ich habe nur das Bedürfniß, in zwei Punkten dem Herrn Vorredner Rede zu stehen, weil er diese beiden Punkte direkt an den Tisch des Bundesraths gerichtet hat; im ersten Punkt allerdings mit Unrecht. Es betraf die Frage der Stellung, die die preußische Regierung oder der preußische Kultus⸗Minister zu dem Ober⸗Kirchenrath in Preußen eingenommen haben, als dieser sich zur Frage der Cheschließung äußerte. Ich glaube, der Reichstag ist nicht der Ort, um diesen Streit auszutragen.

Ich habe persönlich die Ueberzeugung, daß die preußische Re— gierung den gutachtlichen Aeußerungen, die ihr etwa vom Ober⸗ Kirchenrath zugekommen sind hier glaube ich, darüber nicht sprechen zu sollen, ich lasse dahingestellt, ob solche Aeußerungen abgegeben sind, sie sind ein Internum der preußischen Verwaltung chört, hört! rechts) aber ich bin überzeugt, daß, wenn solche Aeußerungen von der preußischen Regierung oder dem preußischen Kultus⸗Minister ab⸗ gegeben sind, von dieser Stelle aus sie behandelt worden sind mit derjenigen Rücksicht, wie der Ober⸗Kirchenrath sie in Anspruch nehmen darf.

Wenn aber der Herr Abg. Graf Roon an die preußische Regierung die weitere Frage stellt, weshalb denn nicht von ihr die Synoden der evangelischen Kirche gehört worden seien, so sage ich: mit dem⸗ selben Rechte könnten wir auch die Frage aufwerfen, weshalb denn nicht die anderen Kirchen und Konfessionen und deren kirchliche In⸗ stanzen gehört worden seien. (Sehr richtig! rechts, Und, meine Herren, wohin würden wir kommen, wenn wir diese Frage ausschließ⸗ lich staatlicher Gesetzgebung verquicken wollten mit einem Meinungs⸗ austausch innerhalb der einzelnen Kirchen und zwischen diesen Kirchen? Denn daß ein solcher Meinungsaustausch und zwar in sehr leidenschaftlicher Weise erfolgen würde, ist außer allem Zweifel. Herr Graf Roon hat selbst zugestehen müssen, daß in seinen eigenen kirchlichen Kreisen erhebliche Meinungsver⸗ schiedenheiten über die Frage der bürgerlichen Eheschließung und kirchlichen Trauung bestehen. Weiter aber hat Herr Graf

Roon uns entgegengehalten, daß wir uns eigensinnig auf einen Standpunkt stellten, der, wie er sich ausdrückte, nur gehalten werden könne aus Gründen des juristischen Schönheitsgefühls. Ich bedauere sehr, daß der Graf Roon in einer so wichtigen, das Volksgefühl so tief berührenden und auch die Verantwortlichkeit der Regierungen so schwer belastenden Frage so äußerliche Gründe als Motive für die Haltung der Regierung unterschiebt. (Sehr richtig! links.) Wir haben unsererseits, obgleich vielfach von den Gesinnungsgenossen der Herren Antragsteller ob unserer Haltung angegriffen, niemals unter⸗ nommen, den Herren andere als sehr ernste und achtungswerthe Gründe für ihr Verhalten zu unterstellen. Ich bin auch jetzt noch der Meinung, daß die Motive, aus denen die An⸗ träge der Herren Antragsteller hervorgegangen sind, durchaus edle und anzuerkennende sind; und ich hätte wohl in Anspruch nehmen dürfen, daß von seiten des Herrn Vorredners der Re⸗ gierung die gleiche Würdigung ihrer Haltung zu theil geworden wäre. (Sehr richtig! links.) Aber, meine Herren, nachdem nun einmal diese Behauptung aufgestellt ist, als wenn wir so leichthin und aus oberflächlichen Gründen unsere Position genommen hätten, so möchte ich doch mit wenigen Worten nur kurz diejenigen Gründe angeben, die für uns bestimmend gewesen sind, die, ich möchte sagen, uns ge⸗ zwungen haben, auf die Vorschläge, wie sie jetzt von dem Herrn Abg. Grafen Roon und Genossen gemacht worden sind, nicht ein⸗ zugehen. Erstens, meine Herren, wenn wir nach dem Antrage des Herrn Grafen Roon die Bestimmung in das Gesetzbuch einfügen wollten, daß man seine Ehe schließen könne mit gleicher Wirkung entweder vor dem Standesbeamten oder vor dem Geistlichen, dann würden wir erklären, daß die Eheschließung vor dem Standes beamten und die vor der Kirche in den Augen des Staats voll⸗ ständig gleichwerthige Akte seien. Meine Herren, das wollen wir nicht, aus Achtung vor der hohen Idee, die der kirchlichen Trauung zu Grunde liegt, und aus Schonung für das religiöse Gewissen des Volks. Wir wollen nicht, daß der rechtsgeschäftliche Akt, den im bürgerlichen Leben die Ehe darstellt, unbedingt und in einer das religiöse und Rechtsgefühl der Bevölkerung verwirrenden Weise ver⸗ mischt und gleichgestellt werde mit dem Akt der Trauung, der der evangelischen Bevölkerung ein Akt hoher religiöser Weihe und der katholischen Bevölkerung ein Akt von sakramentaler Bedeutung ist. Wir erkennen die hohe Stellung, die im kirchlichen Leben dieser Akt hat, an; und weil wir das anerkennen, wollen wir ihn nicht vermischen mit einem anderen Akt rechtsgeschäftlicher Auseinandersetzung. Ich glaube, wir würden damit gerade dem kirchlichen Gewissen zu nahe treten.

Zweitent, meine Herren, der Antrag des Herrn Grafen Roon schreibt für die Form der kirchlichen Eheschließung, sofern der Staat diese kirchliche Eheschließung seinerseits anerkennen soll, bestimmte Normen vor. Damit zwingt er, wenn auch indirekt, die Kirchen, sich diesen Normen zu unterwerfen. Ich lasse dahingestellt, wie weit

vie evangelischen Kirchen in der Lage sind, sich dem zu fügen; ich

bestreite aber, daß die katholische Kirche sich prinzipiell einem solchen Anspruch fügen wird, wenn sie auch unter Umständen geneigt sein könnte, für eine Zeit lang auf einen modus vivendi einzugehen. Aber, meine Herren, eine Regierung, die sich der Verantwortlichkeit bewußt ist, hier eine Gesetzgebung zu vertreten, die eine reinliche Scheidung jwischen Staat und Kirche herbeiführen muß, wenn sie für die Zukunft den Frieden zwischen Staat und Kirche sicherstellen will, kann keiner Regelung der Sache die Zustimmung geben, die nach ihrer Meinung immerhin den Keim zu künftigen Streitigkeiten in sich schließt, und das würde der Fall sein, wenn wir auf den Weg eingehen sollen, den der Herr Graf Roon vorschlägt, nach welchem die katholische Trauung in gewissen, vom Staat verlangten Normen vor sich gehen muß, sofern ihre Wirkung überhaupt auf staatlichem Gebiet als rechtsgültig anerkannt werden soll. Wir wollen Konflikte auf diesem Gebiet nicht haben, wir wollen auch nicht die Keime zu solchen Konflikten legen und deshalb sagen wir: Scheiden wir hier klar und offen!

Drittens, meine Herren, wir wollen auch keine Streitigkeiten und Auseinandersetzungen, die zu Konflikten zwischen dem Geistlichen und dem Standesbeamten führen können. Wenn der Geistliche die Trauung vollzogen hat und dem Standesbeamten seine Urkunde zu⸗ schickt, wer, meine Herren, ist die entscheidende Instanz in denjenigen Fällen, in denen sich Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Geist⸗ lichen und dem Standesbeamten über das Ausreichende dieser Urkunde ergeben? Ist es der Geistliche, dann stellen Sie den Geistlichen über den Beamten des Staats; ist es der Standesbeamte, dann verlangen Sie von der Kirche, daß sie den Geistlichen dem Standesbeamten unterordne. Keines von beiden, meine Herren, ist zu er⸗ reichen ohne die Aussicht auf neue Konflikte. Da wir dies nicht wollen, müssen wir auch den Anlaß dazu vermeiden.

Viertens, meine Herren: Wir wollen nicht, nachdem vor nunmehr 20 Jahren auf Grund der Zivilgesetzgebung des Reichs innerhalb der Kirchen die Trauordnungen neu festgestellt worden sind und anfangs mit Mühe das erkenne ich an sich Eingang in das religiöse Empfinden und Verständniß des Volks verschafft haben, jetzt aber ein⸗ gewöhnt sind, daß dieses Ergebniß von neuem in Frage gestellt werde, indem wir die kirchlichen Behörden nöthigen, mit neuen Ordnungen und Vorschriften auf kirchlichem Gebiet an die Bevölkerung heran⸗ zutreten. Damit wäre die Gefahr einer Störung des Empfindens der Bevölkerung auf kirchlichem Gebiet herbeigeführt, zu der wir unsererseits keine Veranlassung geben wollen.

Ferner würden wir genöthigt sein, in ganz anderem Sinn und in viel weiterem Umfang, als der Herr Graf Roon dies angenommen hat, Neuordnungen auf dem Gebiet der standesamtlichen Registerführung zu treffen. Der Herr Graf Roon meint zwar, es sei nach dieser Be—⸗ ziehung von Aenderungen überhaupt wenig nöthig. Aber das ist ein Irrthum. Wenn der Geistliche in Zukunft die Urkunde über die von ihm vollzogene Trauung dem Standesbeamten zuschickt, so genügt es nicht, daß der Standesbeamte nun hiervon eine Kopie in sein Standesregister einträgt, denn das ist eine Abschrift, die keine maßgebende Bedeutung haben kann. Die maßgebende Urkunde ist die von dem Geistlichen ausgefertigte Urkunde. Was würde also die Folge sein? Wir würden bei dem Standesbeamten zwei Register zu führen haben: ein, wenn ich so sagen soll, kirchliches Re⸗ gister und ein weltliches Register. Das würde zu einer vollständigen Umwälzung im Gebiete der standesamtlichen Registerführung den Anlaß geben. Wir wollen, meine Herren, nicht die Unzuträglichkeiten herbeiführen, die damit verbunden sind. Und so frage ich Sie: wenn wir durch eine solche Gesetzgebung nichts erreichen, als daß wir die Auffassung der Bevölkerung über das Verhältniß der kirchlichen Trauung und der bürgerlichen Eheschließung von neuem verwirren, als daß wir von neuem die Gefahr erzeugen, daß Konflikte zwischen Staat und Kirche sich ergeben, daß neue Streitigkeiten zwischen den geistlichen Behörden und den Beamten der Standesämter hervorgerufen werden können, daß wir genöthigt sein würden, die Geschäftsführung der Standesbeamten vollständig von neuem zu ordnen, und auch auf dem kirchlichen Gebiete die kirchlichen Behörden nöthigen würden, ihrerseits neue Ordnungen für die religiösen Akte zu schaffen, wenn nichts als diese Nachtheile und Gefahren mit einer solchen Regelung verbunden sein würden wie sollte der Staat dazu kommen, die Hand zu derartigen Neuregelungen zu bieten; denn niemand doch wird leugnen können, daß die bestehende Gesetzgebung in den 20 Jahren des Bestehens befriedigend funktioniert hat und sich in das Gewissen und das Rechtsgefühl des Volkes ein⸗ gelebt hat. Der einzige Grund, der sonst wohl, wenn auch nicht heute, von dem Herrn Grafen von Roon angeführt worden ist, als ein solcher, der dazu nöthigen könnte, die Gesetzgebung zu ändern, der einigermaßen plausibler Weise angeführt werden könnte für das Be⸗ dürfniß oder den Wunsch der Bevölkerung, eine Aenderung auf diesem Gebiet herbeigeführt zu sehen, könnte darin gefunden werden, daß die jetzige Einrichtung, namentlich auf dem platten Lande, mit manchen Unbequemlichkeiten verbunden ist. Meine Herren, das erkenne ich vollständig an, das ist ein Opfer, das vom Lande gebracht wird im Interesse des staatlichen und kirchlichen Friedens. Aber ich muß bestreiten, daß nach dieser Richtung hin irgend etwas gewonnen würde, wenn wir nach dem Antrage des Herrn Grafen Roon zur fakultativen Zivilehe übergingen. Der Herr Graf Roon wünscht zwar nicht, daß ich den Namen „fakultative Zivilehe gebrauche, aber es kommt ja auf dasselbe hinaus; es ist die alternative Wahl zwischen kirchlicher und ziviler Eheschließung. Nun, auch nach dem Antrage des Herrn Grafen Roon müßten in dem Falle, wo das zu trauende Paar den Weg der kirch⸗ lichen Trauung wählt, die Leute doch zunächst zum Standesbeamten gehen, wie sie jetzt auch zum Standesbeamten gehen müssen; es würde dann der Weg zur Kirche hinterherkommen. Es würde nach dieser Richtung nichts gebessert werden, es würde nur eint verschlechtert werden: wir würden das Paar nicht mehr in die Lage setzen, sofort die Bescheinigung vom Standesbeamten zu bekommen, daß ihre Ehe in das Register eingetragen sei, sondern sie würden erst, nach—⸗ dem der Geistliche wiederum seinerseits an den Standesbeamten ge⸗ schrieben hat, von dem Standesbeamten nach einiger Verspätung den Akt über die Eintragung ihrer Eheschließung in das Register er⸗ halten können.

Also nach keiner Richtung Vortheile, nach vielen Richtungen Unbequemlichkeiten, nach manchen Richtungen große Gefahren! Unter diesen Umständen ziehen die verbündeten Regierungen es vor, ben bestehenden Rechtszustand aufrecht zu lerhalten, und ich hoffe, das hohe Haus wird sich dem anschließen. (Bravo! links.)

Abg. Graf von Bern , (Rp.): Meine werden, auch wenn die Vorlage unverändert bleibt, für das liche Gesezbach stimmen. der Kommission weiter zu arbeiten, nachdem das Kompromiß ge. schlofsen war; wir hätten in der Annahme der konservativen Antr eine Verbesserung der

von dem , aber im Interesse des evangelischen Volks wäre die Annahme der An= träge richtig gewesen. Die obligatorische Zivileh, hat im Volke den Glauben erweckt, daß die kirchliche Trauung nicht mehr nöthig se Die konservativen Anträge lassen dem Staat die Beurkundung der

Thel ne ng, freilich wird die Kirche in ihrer Freiheit be n!

sie müßte bezüglich der Eheschließung den vom Staat vorn, geschriebenen Formen unterwerfen. Redner inne , bei der noth, wendig werdenden Revision der Formulare dahin zu wirken, daß di Frau vor dem Standesbeamten nicht sogleich ihren neuen Namen unter, aächsengsczer an; Graf Roen bet. sich nit der acchih g. Bebe oz.): Graf Roon ha mit der geschichtli Entwickelung der Eheschließung nicht beschäftigt, denn sonst e, die bürgerliche Ehe nicht als undeutsch, als ein Kind der heidnischen Staatsauffassung bezeichnet haben. Luther nannte die Eheschließun ein weltlich . das konservative Handbuch vom Jahre 6 nennt die Eheschließung eine menschlich natürliche Ordnung und stesst fta daß die hellige Schrift von einer Mitwirkung der Kirche nichts weiß. Der Ausdruck „bürgerliche Ehe“ ist richth gewählt, weil damit bekundet wird, daß die Ehe eine Einrichtung der jetzigen bürgerlichen Gesellschaft ist, daß sie mit der Aenderung dieser Gesellschaft sich ebenfalls ändert, wie ja auch früher andere Verhältnisse bezüglich der Ehe herrschten. Die Deutschen, als sie noch keine Christen waren, schlossen die Ehe durch einfache Willenz— erklärung. Luther hält sogar die Ehe mit einem Heiden und Ketzer für möglich. Von seiner weltlichen Auffassung der Ehe aug— gehend, gestattete Luther dem Landgrafen Philipp von Hessen eine zweite Frau; freilich wollte er nichts davon wissen, daß auch die roben Bauern solche Ansprüche stellten. Der fränkische Kreistag be— i nach Beendigung des 30 jährigen Krieges, daß jeder Mann eine zweite Frau nehmen solle, damit die Bevölkerung sich rasch ver— mehre. Die Zivilehe ist eine der wenigen guten Bluͤthen des Kultur. kampfes. Es ist eine Verkennung der Verhältnisse, die Zivilehe be— seitigen zu wollen. Das ist, ein Kampf gegen Windmühlen, denn die, Einrichtung des Privateigenthums fordert das Verhandensein legitimer Erben; dazu dient die bürgerliche Ehe, und deshalb müssen die Konservativen sich mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch abfinden. Und wenn die Sozialdemokraten für den Antrag Kanitz, der ja einen sozialistischen Kern enthalten soll, stimmen würden und er dadurch zur Annahme gelangen könnte, so würden Sie über die Unterstützung durchaus nicht unglücklich, sondern damit recht sehr zufrieden sein. Abg. Schall: Wenn die Sozialdemokraten sich für ein Gesetz erklären, so ist das sehr bedenklich. Wenn die vom Staatssekretär angeführten Gründe die allein maßgebenden sind, dann können die verbündeten Regierungen nicht den Standpunkt festhalten, von den Abstimmungen uber die Ehe das Zustandekommen deh Gesetzes abhängig zu machen. Zum ersten Male hat man pon seiten der verbündeten Regierungen von einer reinlichen Schei— dung des Staats von der Kirche gesprochen; ich würde das für unheilvoll halten, denn die Verbindung beider ist eine segensreiche gewesen. Man will das seit 20 Jahren Bestehende nicht ändern. Das könnte man ruhig der Kirche überlassen, die nicht eine einzige ihrer Ordnungen zu revidieren hätte, wenn die Vorschläge ange—= nommen würden. Die Ehe ist neben der Einrichtung der Sonn tagsruhe eine Stiftung, die aus dem Paradiese stammt; auf der Che beruht die Familie und der Staat, und der Staat kam nicht genug thun, um die Ehe zu befestigen. Die Ehe wird nicht von Standesbeamten geschlossen, sondern von den Eheleuten. Wozu haben wir die kirchlichen gottesdienstlichen Gebäude! Die wollen wir nicht überflüssig machen! Denn von der kirchlichen Trauung beginnt erst das eigentliche Eheleben. Das Volk hat sich mit Unterthanen— gehorsam dem Zivilehegesetz gebeugt, aber nicht mit innerer Ueber⸗ zeugung. Eine alte , sagte mir: Der Mann, der die ivilehe erdacht hat, hat nichts Gutes erdacht. Wenn selbst der taatssekretär von einer kirchlichen und bürgerlichen Trauung sprach, dann ist es nicht verwunderlich, daß das Volk die bürgerliche Eheschließung für eine Trauung ansieht und für ausreichend hält. Es ist ein Zwang, wenn der Staat von den Geistlichen verlangt, daß sie die Ehe als geschlossen anerkennen und daß Brautpaar als Mann und Frau betrachten sollen. Ich spreche aus praktischer Erfahrung. Sie (links) können sich in ein solches einfaches gläubiges Gemüth wahrscheinlich nicht hineinversezen. An der Spitze der Petitionen stehen ja vielfach die Geistlichen. Unserethalben wünschen wir Geistlichen die Annahme der Anträge des Grafen Roon nicht. Wir haben ja nach dem jetzigen Zuftande weniger zu schreiben, und erhöht wird unser Ansehen dadurch nicht. Im Interesse des Staats, im Interesse der Aufrechterhaltung von Religion, Ordnung und Sitte wünschen wir die Beseitigung der Zivilehe. Herr Bebel hat Talent zum Geschichtsschreiber, er ist be⸗ sonders groß, wenn er die i , , ,. schildert. Herr Bebel hat Fälle von Bigamie angeführt, als ob er für Einführung derselben sprechen wollte, denn diese Fälle haben doch mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch nichts zu thun. Die Doppelehe Philipp's von Hessen hat bestanden und die Reformatoren sind dadurch in eine große Gewissen bedrängniß gerathen. Aber Philipp von Hessen lebte im Ehebündniß mit einer kranken Frau und war eine stark sinnliche Natur. Luther mißbilligte das Verhalten Philipp's. Die Reformatoren haben schließ, lich das faktisch bestehende Konkubinat des Landgrafen gebilligt. Dat vertheidige ich nicht. Luther hat die Ehe ein weltlich Geschäft ge, nannt, aber er hat auch von einem göttlichen Stand gesprochen und von der Trauung durch die Kirche. Ich bedauere, j wir mit den katholischen Chriften nicht zu einem gemeinschaftlichen Antrag kommen konnten. Ich gebe zu, daß unser Vertreter in der Kommissiom (Abg. Dr. von Buchka) unseren Standpunkt seiner Ueberzeugung nah nicht vertreten konnte. Juristen sind eben Juristen e. Dr. bon Buchka meldet sich zum Wort) und können sich von ihren juristischen . nicht frei machen. Verschiedene Mitglieder des Zentrum aben zuerst unsere Anträge gebilligt. Nachher hat sich die Stellung des Zentrums. geändert. Ich habe mich gefreut, daß eine Anzahl von Männern unserer Partei den christlichen Standpunkt sef. halten will. Ich bedauere, daß die Stellung der eyangelischen Kir nicht an maßgebender Stelle nachdrücklich zum Ausdruck gebrn ist. Ich bedauere ez, daß die Liberalen nicht Toleranz üben da e uns nicht nach unserer Fagon leben lassen wollen; sie aben ja doch Gelegenheit . alb des Schattens der Kirche zu . und zu sterben. Hie nnahme dieses großen nationalen Merlt habe ich von dieser Frage allerdings nicht abhängig machen . aber ob mich die Erklärungen des Vertreters der verbündeten Reli rungen nicht noch nah n werden, gegen das Gesetz zu stin e weiß ich noch nicht. enn es uns nicht gelingt, mit unsere Wünschen durchzudringen, dann werden wir zur dritten Lesung . Antrag einbringen, daß in 5 1299 nicht von der Schließung der ö durch den Standesbeamten gesprochen wird, sondern nur von Rechtsgültigkeit der Ehe. if Präsident Freiherr von Buol theilt mit, daß der Antrag (. namentliche Abstimmung von dem Abg. von Hodenberg, unterstũtzt . Mitgliedern der Linken, eingebracht sei, und da er darauf müsse, daß die Unterschriften alle eigenhändig vollzogen feien, waß diesem Antrage nicht der Fall zu sein scheine, werde er der . en zurickgeben. emerk

Antrag zur Berichtigun

lb erh r zur ,,,, der Antrag unterstützt fei von den nicht anwesenden vier . . ee, des Zentrums; ebenso seien alle Mitglieder der u eder

pslalen Reformpartel unterzeichnet, während sie nicht alle an . Es ne doch in Geschäftgordnungsfragen nicht Nitgli

Liebermann von Sonnenberg ( Abg. hichter hat neulich erklärt, daß es Brauch im Hau

é Wir haben darauf verzichten müffen

Vorlage gesehen. Die evangelische Ki 5 tehen der obligatorischen Zipilehe nichts zu an ,

daher den

nträge stellen oder unterstützen, welche garnicht , 6. 3.

raktion zu unterschreiben, auch wenn die einzelnen Mitglieder 6j Auch wir haben die Namen der nicht anwefenden

aktionsgenossen unter den Antrag gesetzt. Dergleichen ist auch von allen anderen Karteien geschehen; ob auch vom Zentrum, weiß ich nicht. Warum fürchten Sie sich denn vor dieser Abstimmung

Abg. Freiherr von Manteuffel (d. kons) hält dafür, daß die un en che fre, . den Anträgen nicht eigenhändig volljogen zu

en brauchten. werner ener (Röform. P): Ich behaupte, daß stets die unter= chriften auch von nicht anwesenden Fraktionsmitgliedern unter die

nträge gesetzt worden sind; ich glaube, wir sind dazu bevollmächtigt. bg. Freiherr von Hodenberg (b. k. 9 Ich bin von meinen politischen Freunden autorisiert, bei derartigen Anträgen ihren Namen mit zu unterschreiben. Wären die Hospitanten des Zentrums hier, so würden sie ihren Unwillen darüber, daß wir gezwungen werden, das Gesetzbuch in solcher Eile durchzuberathen, in sehr viel scharferer Form zum Ausdruck gebracht haben.

Abg. Gröber: Der g. von Hodenberg ist von seinen

reunden beauftragt. Wenn es mir schon nicht angebracht erscheint, 3 Geschäftsordnungsfragen Nichtanwesende mitwirken zu lassen, so kann . unmöglich gar Hospitanten einer anderen Partei mit- nterzeichnen.

. , von Kardorff (Ry): Ich möchte den Herrn Präsidenten fragen, ob er der Meinung ist; daß bei Anträgen auf namentliche Jbstimmung, Auszählungen 2c. Mitglieder, welche die Anträge unter⸗ schrieben haben, als anwesend mitgerechnet werden.

. Freiherr von Buol: Ich werde dem Antragsteller das Schrsftstück zurückgeben und über die Sache selbst nachher entscheiden.

Abg. von Kardorff (zur Sache): Es steben einige Mitglieder meiner Partei auf dem Standpunkt des Grafen Roon; es würden wohl noch mehr Mitglieder für diesen Antrag stimmen, wenn sie nicht bestimmt wüßten, daß die verbündeten Reglerungen ihn nicht an= nehmen können und werden. , Schall's Erfahrungen lasse ich gelten. Aber nach meinen Erfahrungen haben die kirchlichen Trauungen 96 der obligatorischen Zivilehe nicht abgenommen. In den großen Städten mag es anders sein, aber die bürgerliche Ehe wenigstens wird von solchen geschlossen, welche sonst in wilder Ehe gelebt haben. Als diese Gesetzgebung gemacht wurde, bestand unter vielen meiner Freunde die Neigung, eine Art fakultativer Zivilehe einzuführen. Aber gerade aus orthodox⸗christlichen Kreisen wurde der Ruf laut: nein, lieber noch die obligatorische Zivilehe, sie entspricht der Würde der Kirche weit mehr, Die Herren werden selbst zugeben müssen, daß ö Uebelstände für die christliche Kirche und Gesinnung seit 20 Jahren nicht hervorgetreten sind. Die Petenten wollen ein ein⸗ facheres Verfahren, der Antrag des Grafen Roon vereinfacht es aber nicht. Unser Votum über das Bürgerliche Gesetzbuch hängt von dem Schicksal dieses Antrags nicht ab, die meisten meiner Freunde werden aber gegen denselben stimmen.

Abg. Dr, Lieber (Sentr.): Meine , hatten nach unserer Erklärung keine Neigung mehr, in die Debatte einzugreifen. Einzelne Aeußerungen nöthigen mich aber sehr wider mein Wünschen, Sie noch einige Zeit aufzuhalten. Man hat uns den Vorwurf gemacht, wir hätten unseren anfänglichen Standyunkt aufgegeben und seien nun mit der Beibehaltung der obligatorischen Zivilehe einverstanden. Man hat unsere Erklärung im Plenum und in der Kommission ent⸗ weder vollständig überhört oder mißverstanden. Sie hat klar und bestimmt ausgesprochen, daß wir die obligatorische und die fakultative Zivilehe niemals annehmen können, daß wir sie über uns ergehen lassen. Es war bisher nicht Uebung, Privatunterhaltungen in die öffentliche Verhandlung zu zerren. Wir werden unsere Schluß folgerungen bezüglich unseres künftigen Verhaltens solchen Herren ö ziehen. Private Aeußerungen einzelner meiner politischen

. da wären.

reunde sind persönliche Meinungen und durchaus nicht autoritativer latur; sie sind gefallen zu j wo es sich um andere Anträge als die jetzt vorliegenden handelte; denn der jetzige Antrag enthält Bestimmungen, die der Auffassung der katholischen Kirche widerstreiten. Es handelt sich nicht um die Neueinführung der Zivilehe, sondern nur um die Kodifikation des bestehenden Rechts. Die Konservativen sind schuld daran, daß sie jetzt auf dem n , . denn einzelne von Ihnen haben sich so geäußert, daß uns keine ewãähr geboten war, daß die Herren uns unterstützen würden. Bei der Berathung des Zivilehe⸗ gesetzts in Preußen befürwortete Graf Limburg die Vorlage damit, daß sie die altkatholische Bewegung ermöglichen würde, und stellte sich auf die Seite der Regierung. (Zuruf rechts: Das ist 23 Jahre her) Wir kommen bis auf die neueste Zeit. Der Abg. von Buchka

hat im Februar d. J. sich für die Zivilehe erklärt und zwar im Namen der konservativen Partei, und Herr von Manteuffel rückte jwar etwas ab von Herrn von Buchka, aber er erklärte, daß der Zivilehe wegen die Konservativen das Bürgerliche Gesetzbuch nicht ab⸗ lehnen würden. Ebenso hat man in der Kommission gesprochen. Es konnte nicht einmal erklärt werden, daß alle Konservativen hinter diesen Anträgen stehen. Von 60 Mitgliedern haben nur 18 die Anträge unterzeichnet. Es giebt noch andere als die schon an— geführten evangellschen Autoritäten, die sich für die Zivilehe gus— hesprochen haben; Redner beruft sich auf Dove's Epangelisches Kirchen⸗ recht und schließt: Alle Bemühungen der Konservativen, die Mit⸗ rr des Zentrums auf ihre Wege zu lenken, werden nicht Erfolg aben. Wir werden unseren Weg bis zu Ende gehen.

1. Dr. Kropatscheck (d. kons.): Ein evangelischer Christ wird seine Ehe einsegnen lassen, sonst kann er keine christliche Ehe führen. Wenn ich nicht auf dem Standpunkt der Anträge Roon stehe, so liegt es . daran, daß ich ungläubig bin, wie Herr Schall meinte. Vom ethischen und staatlichen Gesichtspunkt ist die fakultative Zivil⸗ ehe zu billigen, aber nicht von kirchlichen Gesichtspunkten aus; denn wenn der Geistliche die Ehe schließt, so handelt er als Beauftragter des Staats und untersteht dem Staat. Ich will aber die Geistlichen nicht wieder zu Dienern des Staats machen.

Abg. Dr. von Dziembowski (Pole) erklärt sich gegen die Anträge des Grafen Roon, die mindestens e umgearbeitet werden müßten. Die Beschlüsse der Kommsssion schafften keinen Frieden auf diesem Gebiet, deswegen würden die Polen gegen den ganzen Abschnitt stimmen.

Abg. Dr, von Buchkg (d, kons.): Ich stehe noch auf dem Stand⸗ punkt, den ich in der ersten Lesung und in der Kommisston ein genommen habe. Ich habe mich nur in der Annahme geirrt, daß ich die Mehrhelt meiner Partei hinter mir hätte. Dieser Irrthum ist hald aufgeklärt worden. Als treuer Sohn der e eng, Rirche ecklenburgs stehe ich auf dem Standpunkt der obligatorischen Zipilehe, und ich glaube, daß der mecklenburgische Bevollmächtigte mir das bestätigen wird.

Großherzoglich mecklenburgischer Ministerial⸗Rath Dr. Langfeld: Die mecklenburgische Regierung hat vor Jahren auf dem Standpunkt gestanden, daß fowohl von“ seiten des Staats wie der Kirche kin die fakultative Zivilehe schwerwiegende Bedenken bestehen, und diese die für den Staat wie für die lutherische Kirche am wenigsten angebrachte Form ist. Zwischen meiner , den . ersten Organen unserer Landeskirche besteht darüber keine Meinungs- gtsch denhzit. Allerdings hat meine Regierung nicht verkannt, daß

e bürgerliche Form der Gheschließung mit den kirchlichen An⸗

evölkerung nicht übereinstimmt, wilehe auf das kirchliche Leben

Hauungeñ eines großen Theils der 9. darf aber den Ginfluß der nicht äberschätzen. 1856 haben in Mecklenburg, Schwerin von 8a göh 7 nur 36 die kirchliche Trauung verschmäht. Möge diese ö heilung die Agitation für die fakultative Zivilehe, die sich neuer⸗ ngs auch bei ung erhebt, abschwächen. far nin a, . . ,, . ace lifts ch im r n n don, der allerdings mancher nderungen bedürfe; * beständen ge ihm zum theil dieselben Bedenken wie beim fr

eber. Abg. Bebel: Herr Schall ist in seiner Polemik gegen uns stets ch wie heute niemals.

hr un glich gewesen, aber so unglü 3. tzanführungen, kiel h 163 den Grafen Roon vor⸗ 3. er nicht e n, t, i ern bestätigt, namentlich die rath des Land an hi ipp von den Mit der Krank⸗ ersten Frau entschuldigt? Herr Schall, baß der Landgraf sich

hätte alle Ursache,

eine zweite, gesunde Frau nahm. Soll heute jeder Mann einer kranken rau sich eine zweite Frau nehmen oder eine Frau, die einen kranken ann hat, einen zweiten Mann? Die evangelische Geistlichkeit errn Schall zu bitten, daß er möglichst schnell sein. Mandat niederlegt, weil er durch feine Taktlosigkeit die evan⸗ gelische Kirche diskreditiert.

Prãäsident Freiherr von Buol rügt den Ausdruck „Taktlosig⸗ keit 6 . z hui

g. a estreitet, daß er den Landgrafen p von Hessen vertheidigt habe. Er habe ausdrücklich sein , ausge⸗ sprochen über die große Konnivenz Luther's. Den Standpunkt des . ; . habe er nicht als einen solchen des Unglaubens be—⸗ eichnet.

Abg. Graf von Roon bleibt dabei, daß das Zentrum und Abg. Lieber gegen seine Ueberzeugung für die Zivilehe eintrete, und ver wahrt sich dagegen, daß er allen denen, welche für die Zivilehe ein⸗ treten, Unglauben tborgeworfen habe.

Damit ,, um 5isg Uhr die Debatte.

Persönlich bemerkt Abg. Graf von Limb urg⸗Stirum (d. 56 daß der Abg. Lieber seine vor 27 Jahren gehaltene Rede nicht voll- ständig vorgelesen habe. Jedenfalls enthalte die Rede keinen Beweis für die Stellung der konfervativen Partei. So scharfe Worte, wie man damals gesprochen habe, würde man heute nicht mehr aus— c, Der Abg. Lieber habe damals wohl die schärfsten Worte ge—⸗

raucht.

6 Dr. Lieber: Wem nach meinen Erklärungen noch nicht klar ist, daß ich weder für die obligatorische, noch für die fakultative Zivilehe positiv eintrete, dem wird es nicht mehr klar zu machen sein. Ueber den Vorwurf, daß ich gegen meine Ueberzeugung stimme, gehe ich hinweg, weil ich ihn nicht zurückgeben will mit der Be—⸗ hauptung, daß Graf Roon seine Bemerkung gegen seine bessere Ein sicht gemacht hat. Pröäsident Freiherr v. Bu ol erklärt, daß der Antrag auf nament⸗ liche Abstimmung nur von Anwesenden unterstützt werden könne. Er werde daher die Unterstützungsfrage stellen.

Abg. Gröber 9. Geschäftsordnung): Wir wollen die prin⸗ zipielle und die praktische Frage trennen. Wenn keine 50 Unter schriften zusammengebracht werden, so sind meine Freunde bereit, den Antrag zu unterstützen, sobald der Wunsch von anderer Seite als von dem Abg. von Hodenberg ausgesprochen wird.

Abg. Liebermann von Sonnenberg: Wir halten daran fest, daß es unser Recht ist, die Namen der Fraktionsgenossen, die nicht an⸗ wesend sind, zu unterzeichnen, und ich berufe mich auf die bisherige Praxis, Die Frage muß prinzipiell entschieden werden, denn wir haben im Laufe der Berathung über das Bürgerliche Gesetzbuch schon mehrere merkwürdige Geschäftsneuerungen zu verzeichnen.

Abg. Freiherr von Manteuffel; Es ist unmöglich zu kontrolieren, ob die 50 Unterzeichner thatsächlich den Antrag selber unterschrieben haben; nach meiner Ansicht ist es das einzig Richtige, daß jeder Unterzeichner auch als anwesend zu betrachten ist. Diese Frage ist so wichtig, daß ich beantrage, sie der Geschäftsordnungskommission zu überweisen.

Abg. Dr. von Bennigsen (ul.): Ich schließe mich diesem An⸗ trage an; in keinem der Fälle, welche ohne Widerspruch passiert sind, ist die Zulässigkeit dieses Verfahrens bezweifelt worden, womit nicht gesagt ist, daß dieses Verfahren vollständig mit der Geschäftsordnung in Uebereinstimmung zu bringen ist. Künftighin würde die Zahl der Unterstützenden durch Auszählen festgestellt werden müssen. Das Sammeln der Unterschriften hat bisher nur dem Präsidenten seine Aufgabe erleichtern sollen.

Abg. Bebel; Ich muß dagegen Verwahrung einlegen, daß der Präsident, obwohl thatsächlich die Unterschriften von 59 Mitgliedern vorliegen und zwar Unterschriften, die sammt und sonders heute hier in der Sitzung gesammelt worden sind die Namen der in Abwesenheit Unterzeichneten sind nachher durch andere ersetzt worden gegen alle bisherige Praxis plötzlich die Unterstützungsfrage in nuessch gestellt hat. Das ist eine Beleidigung für diejenigen Mit- glieder, die ihre Unterschrift gegeben haben. Die bisherige Praxis kann nur durch einen Beschluß geändert werden. Das Sammeln der Unterschriften nimmt längere Zeit in Anspruch. Verschiedene Mit⸗ glieder sind nicht gleich bereit, man muß ihnen zureden und ihnen klar machen, warum man ihre Unterschrift wünscht, unter Umständen gehen darüber Stunden hin, und es kann passieren, daß Mitglieder, welche vorher ihre Einwilligung gegeben haben, genöthigt sind, den Saal zu verlassen, und dann die namentliche Abstimmung nicht unter⸗ stützen können.

Abg. Gröber: Jedes Mitglied hat das Recht, die Anträge ein⸗ zusehen, um zu wissen, wer sie gestellt hat. Wir haben in den letzten Wochen Erfahrungen auf dem Gebiete der Geschäftsordnung ge⸗ macht, wie früher nicht. Wenn Mitglieder hinausmarschieren, um das Haus beschlußunfähig zu machen, kann man auch nachsehen, ob die hier sind, welche den Antrag unterstützt haben. Die prinzipielle Seite der Frage wollen wir heute nicht entscheiden, und ich nn, die Frage der Geschäftsordnungs⸗Kommission zu überweisen. ir wollen niemandem den Antrag auf namentliche Abstimmung ab⸗ schneiden und unterstützen ihn.

Abg. Liebermann von Sonnenberg: Es sind 63 Unter⸗ schriften vorhanden gewesen; wir sind dem Präsidenten entgegen r , ,. und sind deshalb dagegen gewesen, daß er trotzdem die

nterstützungsfrage stellen wollte.

Nach einigen weiteren Bemerkungen der Abgg. Graf Mirbach (d. kons.) e , m e. wird die Frage der Ge⸗ schäftsordnungs⸗Kommission überwiesen.

In namentlicher Abstimmung wird darauf der Antrag des fn Roon zum § 12992 mit 196 gegen 33 Stimmen abgelehnt.

Der Antragsteller zieht die übrigen Theile seines Antrags

zurück. Gegen 6i/ Uhr wird die weitere Berathung auf Donners

tag 11 Uhr vertagt. Der Präsident setzt ferner noch die dritte Berathung der Margarinevorlage auf die Tages⸗

ordnung.

Die Thätigkeit des Vereins dentscher Eisenbahnverwaltungen in den ersten 50 Jahren seines Bestehens:

18186—i1 896.

Mit der am 28. Juli stattfindenden ordentlichen Vereins versammlun deutscher Eisenbahnverwaltungen“ an der die Feier seines . jährigen Bestehens.

Aus kleinen = hervorgangen, hat der Verein in den verflossenen 6 Dezennien einen maßgebenden Einfluß auf die tech⸗ nische, wirthschaftliche und rechtliche Entwickelung des gesammten mlileleuropalschen Eisenbahnnetzes gewonnen. Er umfaßt alle deutschen, ö und ungarischen Bahnen, ferner vier niederländische,

und den folgenden Tagen in Berlin verbindet der „Verein tätte seiner Gründung

drei belqisch Bahnen, die luxemburgische Prinz Heinrich Eisenbahn, die rumänischen Staatsbahnen und die Warschau. Wiener Eisenbahn mit einem Gesammtumfang von rund 81 000 km. Diese mächtige Ver⸗ einigung verfolgt nach 5 1 der Satzungen den Zweck, „durch gemein ⸗˖ same ö und einmüthiges Handeln daz eigene Interesse und dasjenige des Publikums zu fördern“.

Wir wollen in den nachfolgenden ene versuchen, unsern Lesern ein Bild über die Entstehung, die allmähliche Entwickelung und die Wirkfamkeit des Vereins an der Hand einer uns zugegangenen „Fest⸗ schrift⸗ zu geben, welche den Vereinsmitgliedern von der derzeltigen r, i. renden Verwaltung deg Vereins, der Königlichen Eisen⸗

ahn. Direktion zu Berlin, als Festgabe dargebracht wird.

Das Gisenbahnzeitalter hal im Deutschen Reich erst mit der am 7. Dezember 1855 erfolgten Eröffnung der Nürn ig. ürther Eisenbahn, also ein volles . später als in England, dem Vaterlande Stephenson's, des nders der Lokomotive, begonnen.

Eisenbahn, dann am 29. Oktober 1838 die Bahn von

Pott dam. Nun aber 66 es h in allen Theilen Deuts

u regen, denn jeder größere Verkehrsmittelpunkt wollte den enachbarten Plätzen durch eine Eisenbahn verbunden werden. Den hierauf gerichteten Anträgen gegenüber erkannte die .

Eg folgte am 24. April 1837 die erste Strecke der , .

Regierung die Wichtigkeit eines einheitlichen Vorgehens und er das heute . zu Recht bestehende Gesetz vom 3. November 183 über die Eisenbahnunternehmungen, welches einen festen Boden die Entwickelung der preußischen Bahnen schuf. Freilich waren die ersten Bahnen mit manchen seiner ,,,, nicht einverstanden. an empfand in den betheiligten Kreisen einzelne Vorschriften dieses Gesetzes als lästige Fesseln und glaubte, daß die in den ersten Jahren unbefriedigende finanzielle Entwickelung der ein⸗ elnen Unternehmungen nicht zum geringsten Theil ver⸗ hu fle sei durch die strengen, ihre Freiheit einschränkenden Bestimmungen des , , Man wünschte deshalb allgemein eine Beseitigung dieser Bestimmungen, und diese Bewegung war der Anlaß, daß die Berlin⸗Stettiner Eisenbahn die Eisenbahn⸗ esellschaften Preußens zu einer Besprechung auf den 10. November 18465 nach Berlin einlud, um auf eine Aenderung der Eisenbahn⸗ gesetzgebung hinzuwirken. Von den zu jener * bestehenden oder im Bau befindlichen 17 Bahnen mit rund 1979 km folgten zehn größere Verwaltungen mit einer Gesammtbetriebslänge von 1568 km dieser Einladung. Die übrigen sieben Bahnen hatten vorerst noch zu geringe Erfahrungen im Bau und Betrieb und empfanden daher augenscheinlich nicht das Bedürfniß, an den Berathungen theil⸗ zunthmen. Die Versammlung vom 10. November 1846 wählte eine Kommission, die unter Berücksichtigung der bisherigen Erfahrungen Grundsätze für ein neues i ,., zusammenstellen sollte; auch sollte der Finanz ⸗Minister gebeten werden, das Eisenbahngesetz der mündlichen Berathung von Kommissaren sämmtlicher Gisenbahn⸗ gesellschaften zu unterwerfen. Ferner wurde der Beschluß gefaßt, einen dauernden Verband der preußischen Eisenbahnen mit dem bereits oben erwähnten Grundgedanken zu bilden.

Auf eine erneute Einladung des Verbandes traten bis zum Juni 1847 bereits fernere elf Verwaltungen demselben bei. Vie Erfolg ermunterte zu weiterem Vorgehen, und es mehrte sich die Zahl der Verbandsverwaltungen im Laufe des genannten Jahres bis auf vierzig, nachdem einstimmig der Beschluß gefaßt worden war, daß zur Mit⸗ 6 sämmtliche konzesstonierten deutschen Eisenbahnverwaltungen

erechtigt sein sollten. Für den so erweiterten Verband wurde der Name „Verein deutscher Eisenbahnverwaltungenꝰ gewählt, eine Bezeichnung, die der Verein bis zum heutigen Tage, obgleich sein Gebiet sich über ganz Mittel Europa ausdehnt, beibehalten hat. Um einen Einblick über die weitere Entwickelung des Vereins bis zum heutigen Tage zu geben, sei noch erwähnt, daß die Anzahl der Vereint= mitglieder und die Gesammtlänge ihrer Betriebsstrecken im Jahre 1850. . 48 Verwaltungen mit 6 868 km, , . l , 29479 . n 56 508 . J, 17391

Ende März 1896... 74 80 998 betrug. Außerdem nehmen heute noch 18 Verwaltungen kleinerer ehen mit 522 km Betriebslänge an den Einrichtungen des Vereins

eil.

Gleich in den ersten Versammlungen des so gegründeten Vereins trat schon der gesunde Gedanke hervor, daß die Cisenbahnen Deutsch⸗ lands wie ein einheitliches Netz nach außen hin betrieben werden müssen. Zur Verwirklichung dieses Gedankens beschloß schon die Kölner Generalversammlung im Jahre 1847 den Erlaß eines Vereins. Güterreglements, an dessen Spitze der leitende Grundsatz stand, „daß jede Vereinsbahn unter den Bedingungen des Güterreglements den Transport von Gütern von und nach allen für den Güterverkehr ein⸗ gerichteten Stationen übernimmt, ohne daß es für den Uebergang der Güter von Bahn zu Bahn eines Vermittlers bedürfe“.

Dieser Gedanke des einheitlichen Betriebs ist der Leitstern des Vereins in seinem halbhundertjährigen Bestehen geblieben. Von der Ueberzeugung durchdrungen, daß die Eisenbahnen nur dann den all⸗ gemeinen Interessen dienen können, wenn sie ihre Einrichtungen so treffen, daß eine einheitliche Verwaltung, ein gemeinsamer Betrieb sich auch thatsächlich durchführen läßt, hat der Verein zahlreiche Einrichtungen zur Erleichterung des Verkehrs geschaffen. Diese Bestrebungen haben sich auf alle Zweige des Eisenbahnwesens aus⸗ gedehnt. Wir gedenken hierbei zunächst des Wirkens der Techniker des Vereins, welchen wir den heutigen hohen Stand der den Bau , , . und ihrer Betriebsmittel umfassenden Eisenbahntechnik verdanken.

Bereits im Jahre 1837 hatte Preußen als Normalspur eine solche von 1,435 im bestimmt, sodaß alle Bahnen des Vereins in diesem Punkte Uebereinstimmung zeigten. Das Gleiche gilt von fast allen . deutschen Bahnen. Aber dies war auch die m,. ein⸗ heitliche Norm. Es mußte deshalb die nächste Sorge des Vereins sein, für die Gestaltung der über dieser Spur aufgebauten Wagen Abreden zu treffen und nach dem festgesetzten Wagenprofil die Bau⸗ werke neben und über der Bahn so zu bemessen, daß dem Ueber⸗ gange der Wagen von einer Bahn zur anderen Hindernisse si nicht in den Weg stellten. Die Gestaltung der Bauwerke na diesen Abmessungen, nach dem „Normalprofil des lichten Raumes“, wurde bereits im Februar 1850 durch die erste Technikerver⸗ sammlung des Vereins, welche die Führung auf technischem Gebiet in die Hand genommen hatte, in den Grundzügen vereinbart; die Vereinsverwalktungen beschlossen alsbald ihre Durchführung. Es war dies ein Beschluß von weittragender Bedeutung, denn die vorhandenen Bahnen wiesen in ihren Bauausführungen schon so viele Abweichungen nach, ß es jahrelanger Arbeit und der Aufwendung hoher Beträge bedurftèé, um die bestehenden Verschiedenheiten zu beseitigen. Hätte der Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen mit dieser Thätigkeit nicht frühzeitig begonnen, es wäre in wenigen Jahren fast unmöglich gewesen, diese Hindernisse des Verkehrs aus der Welt zu schaffen.

Ferner mußte dafür gesorgt werden, daß aus den Wagen der verschledenen Verwaltungen, wie der Verkehr ö erade zusammen⸗ führte, Züge gebildet werden konnten, die im Betriebe volle Sicher⸗ heit boten. s mußte also insbesondere 1 in den Kuppelungen und Buffern herbeigeführt werden. Auch diese Be—⸗ dingungen setzte die erste Techniker ⸗Versammlung fest; sie schuf ferner Normen für das ganze Gebiet der Eisenbahntechnik durch Festsetzung von Grundzügen . die Gestaltung der Eisenbahnen Deutschlands“, welche die Grundlagen der später vom Deutschen Bundesrath er⸗ 3. Normen für die Konstruktion und Ausrästung der Eisen⸗ bahnen Deutschlands“ geworden n in Oesterreich⸗Ungarn aber die alleinige Richtschnur auf dem Gebiete der Eisenbahntechnik bilden.

Aus den erwähnten ö haben sich im Laufe der die Technischen Vereinbarungen über den Bau und die Betriebg⸗ einrichtungen der Haupteisenbahnen“ entwickelt, welche unbestritten die wichtigste Schöpfung des Vereins auf technischem Gebiete darstellen und welche auf dem Gedanken beruhen, daß, wie im Verkehr, so im Bau und Betrieb, in der Herstellung der Lokomotiven und gen volle Einheitlichkeit im Bereichs des Vereins herrschen müsse, wenn den einn nen die Erfüllung ihrer Aufgaben ermöglicht werden solle.

Als Mitte der siebziger Jahre das . nach einfacheren Normen für den Bau und Betrieb gewisser Bahnen machte, waren auch die Techniker des Vereins sofort a mit Augarbeitung von Grundzügen für den Bau und

Sekundärbahnen“ (18765, aus denen dann später die Grundzüge für den Bau und Betrieb der Nebeneisenbahnen und der volaleisen ahnen“ n ng

hervorgingen. Es wurden er fortlaufende wicht Untersuchungen . nr r! und .

Erkenntniß n é auf dem Gebiet Ei technik von bleibendem eworden d. Hierher insbesondere die Statistik J 13 . .

die Statistik über die Dauer der enen, die 16 der mit Eisenbahnmaterial angestellten echnische Thätigkeit wurde ferner gefördert durch das

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