einzelnen Verwaltung, welche mehr als alle anderen von dem Gange
der industriellen Mehrheit abhängt. ( Nun, ich habe diese Frage nur gestellt, um Gelegenheit zu geben,
diesen Punkt noch weiter auszuführen. Ich bin auch gern bereit, diese Frage eingehend mit den Herren zu diskutieren, und ich hoffe, Sie werden sich selbst überzeugen, daß dieser Weg, wie ich meine, nicht gangbar ist, daß wir uns mit weniger werden begnügen müssen; häufig sind halbe Arbeiten doch das einzige, was man in der fortschreitenden Entwicke⸗ lung erreichen kann. Nun habe ich schon gesagt, daß man die Frage vielleicht anders stellen kann. Wenn wir die Reichs-Finanzreform durchbringen, würden wir in dieser Beziehung uns freier bewegen können. Aber so, wie die Sache jetzt liegt, sehe ich nicht ein, daß wir schon jetzt dem erwünschten Ziele näher wären. Meine Herren, diese Folgen, die wir hier beklagen, die großen Schwankungen in den Ueberschüssen der Be—⸗ triebsverwaltung würden nicht bloß in der Eisenbahnverwaltung, son⸗ dern beispielsweise in der Bergwerksverwaltung verhältnißmäßig nicht geringer. Diese haben wir vorausgesehen. Wir haben bei Ge⸗ legenheit des Eisenbahn-Garantiegesetzes nach Mitteln gesucht, wie wir diesen daraus resultierenden Uebelständen entgegentreten können. Ich habe bei verschiedenen Gelegenheiten anerkannt, daß das Garantiegesetz seinen dahin gehenden Zweck nicht voll erreicht hat, aber ich glaube, es konnte ihn auch nicht vollständig erreichen, und wenn wir heute ein neues Garantiegesetz nach der Art des vor— geschlagenen machten, so bin ich fest überzeugt, daß nur wenige Jahre vergehen würden, wo — namentlich, wenn wieder knappe Jahre kommen — das neue Gesetz noch viel schärfer angegriffen werden würde als das bestehende. Von dieser Ueberzeugung bin ich ausgegangen, indem ich wenigstens eine feste Schuldentilgung zur allmählichen Verminderung ber Ristken der Eisenbahnverwaltung und einen Ausgleichsfonds, der wenigstens eine Reihe von Uebelständen beseitigt, vorschlage. Daß das nichts Vollkommenes ist, daß die Nachtheile der Schwankungen dadurch nicht beseitigt werden, erkennt niemand bereitwilliger an als ich. Ich hoffe aber gerade, daß diejenigen Herren, die den Wunsch haben, weiter zu gehen, die sich vorstellen, man könnte zu einer voll⸗ ständigen Umgestaltung unseres Finanzwesens kommen, sich in den ein⸗ gehenden Berathungen der Budgetkommission überzeugen werden, daß, wenn sie ihr höchstes Ziel nicht erreichen können, sie doch wohl thun werden, einem ersten Schritt in dieser Richtung zuzustimmen. (Bravo
Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (fr. kons.): Allerdings müssen sich die, welche in der Vorlage nur die halbe Erledigung der gestellten Aufgabe erblicken, mit dem Gebotenen begnügen, wenn nicht mehr zu erreichen ist. Es ist immerhin ein erheblicher Fortschritt gegen den jetzigen Zustand. Dagegen müssen wir, entsprechend unserer Resolution, ernstlich an die 4 der Aufgabe, eine bestimmte Grenze für die Verwendung der Eisen⸗ bahnüberschüsse für allgemeine Staatsaufgaben zu ziehen, heran— treten. Was die Eisenbahn zur Deckung der Staatsbedürfnisse leistet, ist vollkommen berechtigt, eine gesunde Einrichtung. Wir haben dem Reich die indirekten, die reichsten Steuerquellen abgetreten im Hin⸗ blick auf die Möglichkeit, uns neue Steuerquellen zu verschaffen; wir sind auf die direkten Steuern angewiesen, die einer erheblichen Steigerung nicht fähig sind. Nachdem der Gedanke der Franckenstein⸗ schen Klausel, daß das Reich den Einzelstaaten erhebliche Ueberweisungen zuwendet, sich mehr und mehr verflüchtigt hat, mußten wir uns neue Steuerquellen für die ver— sagenden Reichszuschüsse schaffen. Seit 18379 haben wir nicht weniger als 80 Millionen Mark dauernde Mehrausgaben auf den preußischen Etat übernommen, weil wir auf mehr Zuschüsse aus dem Reich rechneten, nämlich für den Steuererlaß von 1883, ferner die Summen der lex Huene, die den Kreisen überwiesen wurden und jetzt dazu dienten, die Grund und Gebäudesteuer aufzuheben, und dann einige 20 Millionen, die den Schulverbänden überwiesen sind. Es mußte also eine neue Steuerguelle geschaffen werden, und da lag es nabe, die Eisenbahnüberschüsse heranzuziehen, also den Steuer⸗ pflichtigen gewissermaßen eine Verkehrsabgabe aufzuerlegen. Daz steht auch mit dem Zweck der Staatseisenbahnen nicht im Widerspruch. Hätten wir die Gisenbahnverstaatlichung nicht gehabt, so müßten wir 225 bis 250 06m unserer jetzigen direkten Steuern aufbringen. Im Interesse der Entwicklung unserer Eisenbahnen und der Gesundung unserer Finanzen müssen wir jetzt eine feste Grenze für die Verwendung der Eisenbahnüberschüsse für allgemeine Staatsausgaben ziehen. Eine vollständige Trennung der Finanzwirthschaft in zwei Theile: eine Staats, und eine Eisen⸗ bahn⸗Finanzwirthschaft kann ich allerdings auch in keiner Weise be- fürworten. Zu dem Zwecke, zu vermeiden, daß die Säats— ausgaben ins Ungewisse wachsen, braucht man auch eine so voll⸗ kommene Scheidung nicht. Ich würde einer solchen Scheidung auch nach der Richtung nicht zustimmen können, weil ich meine, daß das Eisenbahnwesen auch in der Tarifpolitit im engsten Zusammenhang steht mit der ganzen übrigen Verwaltung des Staates, mit Gesichtspunkten gesammtpolitischer Natur, mit der Produktionsfähigkeit unseres Landes in den verschiedenen Landestheilen u. s. w. Aber dessen bedarf es auch ar nicht. Es kommt darauf an, sicher zu stellen, daß nicht diejenigen
usgaben, welche in unserem Netto⸗Etat verzeichnet sind, in das Un— gemessene wachsen. Die Eisenbahnüberschüsse dürften nur bis zu einem ewissen Projentsatze herangezogen werden. Das Uebrige könnte er fg zur Schuldentilgung und zur Bestreitung dis Extraordinariums der Eisenbahnverwaltung verwendet werden. Vor allen Dingen würde es darauf ankommen, eine bessere Verhältnißzahl zwischen den Steuern und den Ausgaben der Eisenbabnverwaltung einzuführen. Ich verkenne nicht, daß die Frage ihre großen Schwierigkeiten hat, und ich bin nicht ganz sicher, daß es möglich sein wird, sie in befriedigender Weise in der Budgetkommission zu lösen. Aber wir müssen den ginn machen, und es besteht kein Zweifel, daß, wenn wir eine solche feste Grenze nicht finden, wir einen so starken Ansturm in Bezug auf die Vermehrung der Auegaben erleben werden, daß selbst ein so energischer Finanz Minister wie der jetzige nicht in der Lage sein wird, einer Vermehrung der dauernden Ausgaben über das *. dessen, was wir leisten können, entgegenzutreten. Wenn man den selbständigen Charakter des Reichs gegenüber den Bundesstaaten so scharf pointiert hat, wie es gestern geichehen ist, so muß man daraus auch die weitere Konsequenz ziehen, daß eine remliche Scheidung zwischen den Finanzen des Reichs und Preußens stattfinden muß. Ist das Reich ein selbftändiger Finanzkö per, dann muß es auch auf seine eigenen Füße gestellt werden. Der Abg. Bachem hat sich nicht mit Unrecht darüber beklagt, daß die Vorprüfung des Etats im Reiche, ehe sie an den Reichstag gelangt, nicht mit derselben Schärse und Sorgfalt geschiebt, wie wir es bet den preußischen Etats gewohnt sind. Wenn er aber dabel die Fordtrung ausgesprochen hat, der inanz/ Minster möge im Plenum des Reschstags gegen den Marine— tat das Wort ergreifen, dann hat er allerding eine ziemlich bemerkens« werthe Suugtionekomik entwickelt; denn daß der preußische Finanz- Minister im Reichstage den MarineEtat, der unter der Verantwortung des preußischn Minister-⸗Präsidenten als Reiche kanzler vorgelent wird, bekam pfen könnte, das ist unwillkürlich komisch. Wenn Herr Bachem sich die Sache überlegt hätte, so würde er ja zu der U'berzeugung gekommen sein, daß der Unterschied in der Etatsaufstellung im Reiche und in Preußen wesen lich davon berrührt, Laß der Schatz ekseiäc im Reiche nicht so das Schwergewicht bei der Eiatsaufstellung hat, wie in Preußen der Finanz⸗Minister. Es kommt darauf an, das Rücksrat der Reiche⸗ Finanzverwaltung zu stärken. Das Reichs Finanzgesetz von 1893/94 enthielt diesen Gedanken, und wenn es dem Abg. Bachem damit Einst ist, daß die Reichs- Etats in derselben soliden Weise auf— gestellt weiden, wie die in Preußen, dann muß er der Reichs⸗Finanz—⸗ reform zustimmen. Wenn die Reiche-Etats so sehr angeschwollen
sind, so liegt das wesentlich daran, daß man nicht an die Steuern zu appellieren braucht, sondern auf die unerschöpfliche Quelle der Matri⸗ kularumlagen zurückgreifen kann. Eine starke Schuldentilgung halte ich mit dem Abg. Gothein für ein absolutes Bedürfniß. Wenn man sich aber erinnert, wie zwei Jahre hintereinander von der Regierung Steuererlasse vorgeschlagen wurden, zu deren Deckung Anleihen gemacht werden mußten, dann wird man sich sagen müssen, daß man kein allzu großes Vertrauen auf künftige Regierungen haben darf. Regierung und Landtag müssen dafür sorgen, daß eine solide Grundlage geschaffen wird. Ich kann aber dem Abg. Richter darin nicht zustimmen, daß die Regierung in Finanzangelegen—⸗ heiten je nach dem politischen Bedürfniß verfährt. Wollen wir eine sichere Schuldentilgung haben, dann darf die Regierung sich nicht nach den populären Heirschaftsgelüsten einzelner Führer im 1 richten. Auch ich halte das Budgetrecht hoch; aber dem teht die Pflicht gegenüber, für eine sichere Fundamentierung der preußischen Staatsfinanzen zu sorgen. Dazu dient die vorliegende obligatorische Schuldentilgung. Ste ist nur eine andere Form dꝛssen, was wir schon bei der Verstaatlichung der Eisenbahnen gethan haben. Die Quotisierung der Steuern als beweglicher Faktor ist eine Schein sache; aber die Voraussetzung für einen solchen beweglichen Faktor ist doch, daß die Schuldentilgung sichergestellt wird vor jeweiligen Etatsbewilligungen. Die obligatorische Schuldentilgung ist die Voraussetzung für die Einführung eines beweg— lichen Faktors in unserm Steuersystem. Früher ist von Herrn Richter mit größter Energie verlangt worden, daß die Ein⸗— nahmen des Reichs auf die Branntweinsteuer basiert werden sollen. Herr Richter war schließlich dagegen, ebenso war es, als die zweilährige Dienstzeit schließlich eingeführt werden sollte. Gegen alle anderen Maßregeln zu Gunsten der preußischen und der Reichsfinanzen hat Herr Richter opponiert und thut es auch jetzt wieder. Der Aus— gleichsfonds ist eine Ausgestaltung des von Herrn Lieber hier mehrfach entwickelten Gedankens. Meine Freunde sind zum großen theil von einer Nützlichkeit des Ausgleichssonds noch nicht überzeugt, sie halten ihn für eine schädliche und bedenkliche Maßregel. Das Vorhandensein eines solchen Fonds g staltet sich in der Phantasie der Menschen zu allerlei Plänen aus. Wag ist nicht alles an Projekten aufgetaucht im Anschluß an den längst verbrauchten Ueberschuß von 60 Millionen Mark! Eine gute Wirkung würde der Fonds nur dann haben, wenn wir von der Praxis zurückkommen würden, den Etat durch Anleihen zu bilanzieren. Die obligatorische Schulden— tilgung aber, hoffe ich, wird vom Hause mit großer Mehrheit ange— nommen werden.
Abg. von Eynern (n.): Ich spreche meine Freude darüber aus, daß die Vorlage die Theorie der Kathedersozialisten von dem Verlassen der obligatorischen Schuldentilgung aufgtebt; Herr Professor Adolf Wagner würde, wenn er schon gestorben wäre, sich über die Vorlage im Grabe umdrehen. Die Tilgung schützt Preußen vor weiteren Zugriffen des Reichs. Herr Bachem hat das Zentrum als die sparsamste Partei bezeichnet; das ist richtig, so lange das Zentrum noch an der Befestigung der Herrschaft arbeitet. Aber wenn die Herrschaft festgestellt ist, wird die Sparsamkeit aufhören. Es wird jetzt schon für die katholischen Geistlichen eine Gehaltserhöhung verlangf, was eine erhebliche Aasgabenerhöhung für Preußen bedeutet. Die Matrikularumlagen führen zu wesentlichen Verwirrungen der Einzelstaaten. Die obligatorische Schuldentilgung verlangt nicht mehr, als was wir in den letzten Jahren geleistet haben. Ueber die Bedeutung des Ausgleichsfonds werde ich mich erst in der Kom— mission belehren lassen. Sollen die 80 Millionen fest angelegt werden in Werthpapieren oder sollen sie dem Betriebe zugeführt werden? In letzterem Falle würden die dem Betriebe entzogenen Summen sofort wieder ersetzt werden. Wenn wir Ueberschüsse haben, dann sollten wir sie in erster Linie zur Erfüllung der Aufgaben verwenden, die auf dem Gebiete des Verkehrs zu lösen sind. Ich erinnere nur an den Wagenmangel und daran, daß die Rangierbahnen häufig genug nicht genügend autgestattet sind, um den großen Verkehr zu bewältigen. Wenn wir einen sparsamen Finanz⸗Minister haben, so wird bei einem kleinen Defizit der Finanz. Minister auftreten und sagen: wir können noch nicht an unsere Reserve herantreten, und wird neue Steuern verlangen. Der Fonds wird also schließlich garnicht angegriffen werden, er bleibt in den Kassen liegen, ebenso wie die 100 Millionen Einkommensteuer Ueberschüsse. Der Ausgleichsfonds wird die Handhabe dazu bieten, daß der Finanz ⸗Minister in die Verwaltung des Eisenbahn-Ministers fortwährend eingreifen kann; denn er kann ja als Verwalter der Finanzen ein Defizit nicht aufkommen lassen. Bei jeder Verkehrserleichterung und Tarisermäßigung wird der Finanz⸗ Minister auch ihre finanzielle Bedeutung prüfen. Die e Verhältnisse müssen sich entwickeln, wenn wir nicht die Eisenbahnen und die Finanzen von einander trennen. Es sind ja mehrere Voischläge dafür gemacht, die der Finanz Minister bekämpft hat. Aber seine Einwen⸗ dungen haben noch nicht überall durchgeschlagen. Der Hinweis auf Frankreich, welches 19560 in den schuldenfreien Besitz seiner Eisen⸗ bahnen kommen wird, darf uns nicht schrecken. Frankreich hängt jetzt von der wirtbhschaftlichen Entwicklung Rußlands ab und hat eine stillstehende Bevölkerung. Uebrigens wird der Werth des Eisen⸗ bahnsystems, welches 1950 an Frankreich übergehen wird, kein großer sein; es werden erhebliche Neubauten nothwendig sein. Bis 1950 werden auch wir unsere Eisenbahnschulden in hohem Maße amortisiert haben, zumal der Zinefuß stark herabgeht. Deswegen brauchen wir nicht die Gegenwart zu belasten zu Gunsten der Zukunft.
Abg. Fritzen-Borken (Zentr.): Im letzten Punkte bin ich mit dem Vorredner einverstanden, im übrigen stimme ich meinem Freunde Bachem zu. Die Schuldentilgung wird fortgesetzt werden und zwar nicht bloß mit e, sondern, wenn es irgend angeht, mit einem höhern Betrag. Das gesetzlich festzulegen, erscheint mir als Mangel an Vertrauen, als ob wir uns wie Odysseus an den Mast⸗ baum binden lassen, um dem Sirenengesang nach Ausgabevermehrung nicht zu folgen. Wollte man die Schuldentilgung nicht mehr duich—⸗ führen, dann würde das Gesetz mit einem Federstrich beseitigt werden können. Der Ausgleichsfonds ist ein richtiger Gedanke. Der Reichs Finanzreform haben wir uns aus triftigen Gründen widersttzt. Der Ausgleichsfonds ist mit Rücksicht auf die schwankenden Ueberweisungen und Matrikularbeiträge im Reiche und auf die schwankenden Eisenbahneinnahmen ein gesunder Gedanke. Der Angriff auf den Reichstag wegen seiner Schulden tilgung war unberechtigt; denn die clausula Franckenstein ist zwischen Reichstag und Bundesrath vereinbart worden; diese beiden Faktoren können also auch davon abweichen. Die Reichsschulden sind nichts Anderes als Schulden der einzelnen Staaten; sie können also durch die Kürzung der Ueberweisungen an die Einzelstaaten getilgt werden. Man wird noch einmal den Tag segnen, wo durch die Verwerfung des Reichs⸗-Finanzgesetzes die Matrikularumlagen aufrecht erhalten wurden; denn darin liegt eine Mahnung an den Bundesrath zur Sparsamkeit. Durch die Abschaffung der Matrikularumlagen zerstören wir das Interesse der Einzelstaaten an den Finanzen des Reichs. Ob eine vollständige Scheidung der : des Reichs und der Einzelstaaten im nationalen Interesse legt, bezweifle ich. Die gestern gemachten Vorschläge hatten den Grundgedanken, daß die Finanz⸗ und die Eisenbehaverwaltung sich loslösen müsse von dem Gedanken der Fiskalität. Damit bin ich einverstanden, und es würde mich freuen, wenn wir darüber zu einer Verständigung kommen könnten.
Abg. Möller (ul.): Meine Freunde stehen auf dem Stand⸗ punkt, daß die Einzelstaaten nicht willkürlich mehr belastet werden sollen vom Reiche. Es werden sich auch Mittel und Wege finden lassen um das zu verhüten. An cen Eisenbahnen sind die großen industriellen Interessen so lebhaft betheiligt, a als Vertreter derselben das Wort nehme. Wir sind für die Verstaattichung der Eilsenbahnen lebhaft eingetreten, trotzdem wir die Befürchtung begten, daß eine fiskalische Ausbeutung des Verkehrs eintreten könnte. Wir haben dagegen Stellung genommen von Anfang an und es ausge⸗ sprochen, daß die Gisenbahnen ihre Schulden ftaik amortisieren müssen, weil die Nachbarländer in einigen Jahrzehnten in den schuldenfreien Besitz ihrer Eisenbahnen kommen. Herr Richter hat die Frage nicht ge⸗ nügend gewürdigt; sie ist von großer Bedeutung für unsere Industrie.
entgegengekommen.
Der Kredit Frankreichs beruht darauf, daß die Eisenbahnen nur auf 99 Jahre Konzession erhalten haben. Auch wir haben schon erlebt, wie solche Fragen auf die Politik zurückwirken. . der Finanz⸗Minister von der Heydt nicht verhandelt über den Erwerb der Köln Mindener Eisenbahn, so hätte der Krieg von 1866 nicht geführt werten können. Wir haben amortisieren wollen mit mindestens 1 , , und in jedem Jahre sollte geprüft werden, ob nicht noch höher amortisiert werden könne. Die Bedingung war allerdings, daß nicht eine Verkehrssteuer durch die Eisenbahntarife und durch die Verwendung der Ueberschüsse der Eisenbahnen für staatliche Zwecke eingeführt würde. Hier muß eine Grenze gezogen werden, damit nicht die ungemessene Besteuerung des Verkehrs fortdauert. Eine vollständige Trennung der Eisenbahn—⸗ verwaltung von der Finanzverwaltung würde ich für möglich halten, ich sehe aber, daß politische Gründe dagegen geltend gemacht werden, und bescheide mich daher. Aber für eine gewisse Reihe von Jahren könnte wohl festgestellt werden, welche Summe höchstens der Staat von den Eisenbahneinnahmen beanspruchen kann. Zwockmäßig würde die Berathung der Vorlage durch eine besondere Kommission sein, was
ich hiermit beantrage. Damit schließt die Diskussion. Persönlich bemerkt
Abg. Dr. Sattler, daß er nach wie vor für die obligatorische Schuldentilgung sei und daß er daran festhalten müsse, daß die Versprechungen, die bei der Verstaatlichung der Eisenbahnen gegeben wurden, nicht erfüllt seien, soweit sie die Förderung der Verkehrs interessen durch Tariferleichterungen u. s. w. beträfen.
Gegen die Stimmen der Konservativen wird darauf die Vorlage einer besonderen Kommission von 21 Mitgliedern überwiesen.
Es folgt die erste Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend das Diensteinkommen der Lehrer und Lehrerinnen an öffentlichen Volksschulen.
Abg. Knörcke (fr. Vollwp.): Die schleunige Wiedervorlegung des Gesetzentwurfes bezeugt das Interesse des Kultus. Ministers für die Lehrer; er hat dasselbe auch anderweitig durch Verwalfungsmaßnahmen bekundet, aber die Vorlage enthält nicht das, was die Lehrer von Gottes und Rechts wegen fordern können, und was auch der Kultus-Minister als berechtigt anerkennt. Bedauerlich ist, daß bei dem niedrigen Grundgehalt und bei den Alterszulagen die Vorschläge der früheren Vorlage festgehalten sind. Bei gutem Willen des Finanz⸗Ministers hätten die Wünsche der Lehrer erfüllt werden können. Wir werden in der Kommission auf eine entsprechende Erhöhung dringen. Ueber die schmerzlichen Empfindungen in Lehrerkreisen darf man sich wohl nicht wundern. Auf diesem Gebiete steht Preußen hinter anderen Kulturstaaten erheblich zurück. Bei Gelegenheit des Milliardensegens und bei Ueberweisung der Realsteuern an die Gemeinden hätte men Gelegenheit gehabt, für die Lehrer und die Schule zu sorgen. Man hat es aber unterlassen. Alle andern Beamten sollen jetzt in ihrem Ein— kommen aufgebessert werden, während die Lehrer allein zurückbleiben müssen, obgleich die Beamten sämmtlich besser stehen als die Lehrer, welche letztere auch noch nicht die ihnen zukommende soziale Stellung einnehmen. Volksschullehrer, welche sechs Jahre sich vorbereiten müssen, erhalten ein Anfangsgehalt von 600 bis 800 6, und nach einigen Jahren bei ihrer definitiven Anstellung sollen sie 900 ½ς Anfangsgebalt erreichen, während die unteren Postbeamten nach Absolvierung der Volksschule bereit mit 20 Jahren 1200 4A und einige Jahre später 15900 Meνe!, erhalten. In den Gemeinden auf dem Lande und in den kleinen Städten ist es sehr schwer, eine Erhöhung des Gehaltes der Lehrer durch⸗ zusetzen. Das hat der Kultus⸗Minister wohl selbst reich⸗ lich in seiner amtlichen Thätigkeit erfahren. Was der Finanz—⸗ Minister jetzt an Entgegenkommen den Städten gezeigt hat, ist eine Kleinigteit, mit welcher man sich nicht begnügen kann, denn die Städte würden damit das Prinzip anerkennen, daß sie die Mittel für die Landgemeinden hergeben müssen. Redner wendet sich gegen § 22, der von der Strafpersetzung der Lehrer handelt, womit man schon früher Schlimmes erlebt habe, und giebt der Hoffnun Ausdruck, daß der Finanz⸗Minister in der Kommission noch mit si werde reden lassen. In früheren Jahren habe der Finanz Minister Anfangs nur 3 Millionen, nachher schon 44 Millionen mehr gehabt, und auf den Antrag Sattler wäre er vielleicht schließlich doch eingegangen. Der Abg. Miquel habe 1875 den Finanz⸗Minister Camphausen zu einer Erhöhung der Lehrergebälter aufgefordert und werde das goldene Wort von damals auch hoffentlich heute noch aufrecht erbalten.
Abg. Dr. Porsch (Zentr.): Wir stehen zu dieser Vorlage ebenso wie zu den früheren Vorlagen, die wir vom prinzipiellen Standpunkt aus am liebsten abgelehnt hätten, und wir halten es für nothwendig, entsprechend den Verfassungsbestimmungen ein einheitliches Volks— schulgesetz auf christlicher Grundlage zu schaffen. Aber wir haben diese Rücksicht in den Hintergrund gestellt, weil der dringende Wunsch der Lehrer nach einer Besoldungsregelung von uns als berechtigt an— erkannt wird; deshalb haben wir für das Gesetz gestimmt, aber ausdrücklich erklärt, daß wir unser Votum nur abgeben in der Er⸗ wartung, daß sobald als möglich ein Volksschulgesetz auf christlicher Basis dem Hause vorgelegt wird. Auf die Einzelheiten des Ent⸗ wurfes brauche ich darnach nicht einzugehen. Wir stehen fest bei den früheren Beschlüssen. Die Regierung hat früher den Ausschluß der Städte von den Alterszulagekassen nicht gebilligt, weil sonst die Städte nur die jungen Lehrer anstellen würden. Die Regierung hat ihren Standpuntt. aufgegeben. wohl lediglich aus Konnivenz gegen den Wunsch der Städte. Auch. bezüglich der staatlichen Leistungen ist die Regierung den Städten in belangreicher Weise Meine Freunde sind geneigt, wenn die Finanz⸗ lage es gestattet, der Regierung zu folgen. Wir boffen aber, daß nun auch für die Lehrer etwas mehr gescheben kann, denn die Be soldungsverhältnisse sind durchaus unzureichend. Aber der Vergleich mit Beamten trifft nicht zu; denn die Lehrer sind keine Staatsbeamten, sondern die Gemeinden haben die Schulen zu unterhalten, der Staat soll nur beim Unvermögen der Gemeinden eintreten. Es ist be⸗ denklich, den Gemeinden Pflichten aufzuerlegen, während über die Rechte der Gemeinden nichts gesagt wird. Die Strafversetzung aus §z22 hält Redner für zweckmäßig und im Interesse der Lehrer liegend; denn es könnte mancher Lehrer, der sonst emlassen werden müßte, an anderer Stelle untergebracht werden. Aber in das Lehrerbesoldungs⸗ gesetz gehört eine solche Bestimmung nicht hinein. Bedauerlich sei aber die Bestimmung über die Anrechnung der Thätigkeit der Lehrer an den Privatschulen, denen man auf das Hefstieste entgegentreten sollte. Hoffentlich ist in der Kommission eine Verständigung darüber herbeizuführen.
(Schluß in der Zweiten Beilage.)
Zweite Beilage
zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger
n 282.
Berlin, Freitag, den 27. November
1836.
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Abg. von Tzschoppe (fr. kons): Als Gegner der Vorlage habe ich mich nur gemeldet, weil ich die Minimalgrenze des Lehrer— gehalt für zu niedrig halte. Im übrigen begrüße ich mit Freude die Vorlage als eine . Erfüllung der in der vorigen Session gegebenen Zusage. Ich hoffe, daß es gelingen wird, die Vorlage noch vor dem J. April nächsten Jahres zu verabschieden. Erfreut sind wir auch darüber, daß die Regierung bezüglich der Alterszulagekaffen dem Wunsch der großen Städte entgegengekommen ist. Die Städte, welche einen eigenen Kreisverband bilden, können von diesen Kassen fern bleiben. Ueber die unbedeutende Aenderung gehe ich hinweg und bedaure nur, daß bezüglich des Brennmaterials eine Aenderung zu Un⸗ gunsten der Lehrer eingetreten ist. Die Strafpersetzung ist sachlich vollkommen zu billigen, es müßte nur den Gemeinden ein Widerspruchs—⸗ recht dagegen verliehen werden. Die Bestimmung des 5 27 bedeutet ein sehr weit nehendes Entgegenkommen gegenüber den größeren Städten. Die Mehrzahl meiner politischen Freunde glaubt, daß es gelingen wird, den Widerstand der großen Städte zu beseitigen. Wir hoffen das umsomehr, als der zwangsweise Beschluß über die Alterszulage nicht aufrecht erhalten wird. Die Frage des Grundgehalts hätten wir wiederholt geprüft auch ohne die Petitionen der Lehrervereine, die allerdings etwas zu weit gehen, wenn sie 1200 „S als Mindestgehalt verlangen, das sich durch Alterszulagen bis auf 2406 (. steigern soll. Die Finanzlage ist soweit klar, daß das abgelaufene Jahr einen Ueberschuß ergiebt, daß des laufende Jahr kein Defizit bringen wird; ob aber Ueberschüsse in Aussicht stehen, kann niemand mit Sicherheit voraussehen. Die Erhöhung der Beamtengehälter muß außer Rechnung gelassen werden, weil die großen Ansprüche von allen Seiten das Zustandekommen derselben gefährden. Den Lehrern soll verfassungsmäßig nur ein den Lokalverhältnissen entsprechendes Mindesteinkommen gewährt werden; da die Lehrer vielfach in kleinen Gemeinden wohnen, wo Staatsbeamte nicht vorhanden sind, so
fällt jeder Vergleich mit den Staatsbeamten fort. Aber ein Hinausgehen über die in der . ift doch dringend
Vorlage enthaltenen Minimal⸗ ) schon weil in dem Schul—⸗ ge etz des Grafen Zedlitz das Grundgehalt für die alleinstehenden Lehrer auf 1000 „ festgestellt war. Wichtiger als das Grundgehalt ist aber die Regelung der Alterszulagen. Meine politischen Freunde werden an der Erhöhung der Alterszulagen über die Vorlage hinaus unter allen Umständen festhalten. Die Staatsregierung sollte thun— lichst bald eine Neuregelung des Reliktenwesens der Lehrter in An— griff nehmen, sobald eine dauernde Besserung der Staatsfinanzen es gestattet. Wir sind bereit, wie im vorigen so in diesem Jahre den Gesetzentwurf in einer für die Lehrer wohlwollenden Weise zu ge— stalten, soweit der Staat dazu im stande ist. .
Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasa (kons.): Meine Partei steht noch auf ihrem früheren Standpunkt. Wir wollen auch, daß ein einheitliches. klares Recht geschaffen wird, daß die Lehrer eine auskömmliche Besoldung erhalten. Wir hätten gewünscht, daß das Wichtige, was erreicht werden soll, auch immer anerkannt worden wäre von der Lehrerschaft und denjenigen, welche sich als ihre Vertreter hinstellen. Unsere Partei darf das Veidienst für sich in Anspruch nehmen, daß sie trotz schwerer prinzipieller Bedenken an der Regelung der Frage mitgearbeitet hat. Die Abweichung von der Vorlage der vorigen Session betrifft die Konzessionen an die großen Städte, mit denen wir uns nicht ein— verstanden eiklären können. Der Begründung der Alterszulagekassen standen wir zueist nicht sympathisch gegenüber, weil wir eine bureaukratische Verwaltung fürchteten. Aber der Gedanke hat sich als durchführbar erwiesen im Interesse der Freizügigkeit der Lehrer in Stadt und Land. Aber wenn die größeren Städte aus diesen Kassen herausgenommen werden sollen, dann steht die freie Bewegung der Lehrer mehr oder weniger auf dem Papier, und auch die Leistungs⸗ fähigkeit der Kassen wird dadurch ungünstig beeinflußt. Die Aenderung der Bestimmungen über die Staatszuschüsse ist auch nicht zu billigen. Die Vertheilung der Staatszuschüsse muß begründet sein auf der Leistungsfähigkeit der Gemeinden, weil das verfassungsmäßig vorgeschrieben ist. Deshalb hoben wir der Verkürzung der Staatszuschüsse an die größeren Kommunen zugestimmt. Man bat dafür ein prozentuales Berhältniß der Gemeindesteuer eingestellt; daraus ergiebt sich aber nicht, welche Leistungen die Gemeinde überhaupt für die Volksschulen macht. Darin liegt keine Verbesserung der Vorlage. Wenn man sie ändern wollte, dann hätte man doch der Majoritat Rechnung tragen und ein umfassendes Schulgesetz herzustellen versuchen sollen. An— gesichts der Veibesserung der Staatsfinanten haben auch wir eine Erwägung eintreten lassen, ob eine Verbesserung der Bezüge der Lehrer möglich und nothwendig ist. Die Finanzlage ist berücksichtigt worden bei der Erhöhung der Leistungen für die großen Städte. Dle Erhöhung der Beamtenbesoldungen kann allerdings hier nicht zum Vergleich herangezogen werden. Die Verbesserung macht sich haupt⸗ sächlich erkennbar für die Industrie und den Handel, aber nicht auf dem platten Lande. Also kann eine größere Belastung der kleinen Landgemeinden nicht in Betracht gezogen werden. Meine Partei kann unter keinen Umständen ihre Zastimmung dazu geben, daß neue Lasten auf die Schultern des platten Landes gelegt werden, welches ohnehin schon schwer genug an der schlechten Lage der Landwirthschaft zu tragen hat. Wir müssen den Finanz⸗ Minister um Aufklärung darüber bitten, ob er glaubt, daß größere Zu— schüsse an die Gemeinden gemacht werden können. Eine Erhöhung der Grundgehälter wäre nicht der richtige Weg zur Besserstellung der Lehrer, denn die Grundgehälter gelten nur in den billigsten Orten. Die Lehrer müssen aber aufgebessert werden gerade in den theuren Orten. Für die erften Jahre der Anstellung der Lehrer braucht das Gehalt auch nicht so groß zu sein als in den späteren Jahren. Eine Erhöhung der Alterszulage, und zwar hauptsächlich in den mittleren Stufen, würde daher angemessen sein. Die Ent⸗ scheidung der Frage hängt aber von der Gesitaltung der Finanzen ab. Wenn die Staateleistung erheblich erhöht wird, dann wird die Schule ihres Charakters als kommunale Einrichtung entkleidet, und um keines Geldvortheiles willen würden wir diese Umwandlung geschehen lassen. Deswegen wollen wir uns bei den Staatzleistungen nur in einer Grenze bewegen, die auch vom Standpunkt der Finanzver⸗ waltung als zulässig eikannt wird. Wenn die Städte mit dem, was die Staatsregierung ihnen geboten bat, nicht zufrieden sind, muß man darauf verzichten, die Zufriedenheit der Kommunen herbeizuführen. Ich kann nur den Wunsch ausdrücken, daß seitens der Staats— regie rung eine bestimmte und wohlerwogene Erklärung zur Sache ab⸗ gegeben wird; denn daron wird das Zustandekommen der Verlage abhängen. Bie Regierung wird die Freunde der Vorlage nicht in die Lage bringen wollen, lediglich finanzieller Bedenken wegen das Gesetz, welches allseitig als ein dringendes erkannt wird, zum Scheitern zu bringen.
Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten D. Dr. Bosse:
Meine Herren! So verschieden auch die Herren, die bisher aus dem hohen Hause zu dieser Vorlage geredet haben, über die einzelnen Bestimmungen der Vorlage in der Gestalt, wie sie jetzt Ihnen wieder zugegangen ist, denken, so habe ich doch, wie ich konstatieren darf, den Eindruck gewonnen, daß die Vorlage im allgemeinen vom ganzen Hause sympathisch begrüßt worden ist. Wir haben das auch gar nicht anders erwartet. Nach der Interpellation bei der vorigen
nothwendig,
Sitzung und den Verhandlungen, die dabei stattgefunden haben, habe ich es als eine Pflicht der Loyalität angesehen, daß wir die Vorlage, und zwar so früh als möglich wieder in dieseßz hohe Haus brächten, um zu ermöglichen, daß die rechtliche Ordnung des Lehrerbesoldungs⸗ wesens bereits jzum 1. April 1897, vorausgesetzt, daß hier eine Einigung zu erzielen ist, ins Leben tritt.
In einem Punkt kann ich Herrn von Heydebrand vollständig be— ruhigen: die Stellung der Königlichen Staatsregierung zu der Frage, ob der Charakter unserer Schule als Gemeindeschule irgendwie zu beeinträch⸗ tigen sei, ist genau dieselbe geblieben wie im vorigen Jahre. Wir denken nicht daran, die reine Staatsschule bei uns einzuführen; wir halten die prinzipielle Gemeindeschule für den richtigen Weg in der Entwickelung unseres Schulwesens.
Was nun die weitere Frage anlangt, über die auch alle Herren, die bisher geredet haben, einig waren, nämlich das Verlangen, daß die Sätze des Entwurfs in irgend einer Weise, sei es beim Grund gehalt, sei es bei den Alterszulagen, erhöht werden möchten, so bin ich selbstverständlich nicht in der Lage, diejenigen bestimmten Er— klärungen hierüber abgeben zu können, wie sie Herr von Heydebrand gewünscht hat. Das ist nicht Sache meines Ressorts; vielleicht wird der Herr Finanz⸗Minister in der Lage sein, sich hierüber im Einverständ⸗ niß mit dem StaatsMinisterium zu äußern. Das glaube ich hier nicht ausdrücklich versichern zu müssen, daß ich den Lehrern jeden Groschen und jede Mark gönne, die dazu beitragen können, ihre Lage zu ver bessern (Gravoh, und daß ich bereit bin, dazu mitzuhelfen, soweit das erreichbar ist. Der ganze Schlüssel, um die Form, in der das Gesetz Ihnen jetzt vorgelegt ist, verständlich zu machen, besteht darin, daß wir über dem Wünschenswerthen das Erreichbare nicht haben aus den Augen verlieren wollen. Wenn Sie sich in die Lage der Staats— regierung versetzen, so werden Sie sich zugestehen müssen, daß wir schwerlich anders handeln konnten. Die finanzielle Lage ist heute eine ganz andere als zur Zeit der Einbringung des ersten Entwurfs. Wir haben den ersten Entwurf gemacht unter dem Druck und in dem voll— kommen klaren Bewußtsein eines finanziellen Nothstandes, während sich diese Dinge seit der vorigen Session geändert haben. Darüber kann gar nicht der mindeste Zweifel sein; das ist auch bis zu einem gewissen Grade — ich lasse dahingestellt sein, ob der Strich, der damals gezogen war, an der richtigen Stelle stand oder nicht — zum Ausdruck gekommen schon während der Berathung in der vorigen Session. Für mich kam es vor allen Dingen darauf an, die Vorlage so zu gestalten, daß man mit Sicherheit darauf rechnen konnte, sie diesmal durch beide Häuser des Landtages zu bringen. Denn, meine Herren, die Lehrer noch einmal warten zu lassen, sie noch einmal aufs Ungewisse zu vertrösten, und die jetzigen zum theil unerträglichen Zu⸗ stände dauernd weiter bestehen zu lassen, ist nach meiner Meinung absolut unmöglich. Wir müssen alle — wir mögen sonst stehen, wie wir wollen — dahin trachten: es muß jetzt etwas zu stande kommen, und selbst das Bescheidene würde ich immer noch weit dem Zustande vorziehen, daß garnichts zu stande kommt.
Nun, meine Herren, konnte man wohl daran denken, ob es diesem hohen Hause gegenüber nicht das Nächstliegende gewesen wäre, den vorjährigen Entwurf, wie er aus den Berathungen dieses Hauses hervorgegangen ist, vielleicht mit einigen kleineren redaktionellen Kor⸗ rekturen, die gar keine prinzipielle Bedeutung hatten, hier wieder vor⸗ zulegen. Meine Herren, dem stand aber entgegen der Mißerfolg, mit dem wir bei der vorigen Session abgeschlossen haben. Wir konnten die Thatsache, daß der Entwurf im Herrenhause gescheitert ist, un möglich ignorieren. Wir mußten uns, wenn wir etwas zu stande bringen wollten, die Frage vorlegen: was könnt ihr thun, ohne im Abgeordnetenhause zu verletzen, was könnt ihr thun, um dem Entwurf die Wege einigermaßen zu ebnen? Dabei mußten wir uns die weitere Frage vorlegen: wo liegen denn nun die Hinder nisse, an denen der Entwurf gescheitert is? Diese Hindernisse lagen zweifellos in der Opposition der großen Städte. (Heiterkeit rechts.)
Meine Herren, nach der Richtung hin sind zwei Aenderungen in den Entwurf hineingekommen: einmal ein Entgegenkommen gegen die großen Städte in Bezug auf die finanzielle Belastung und zweitens die Konzession, daß sie unter Umständen von den Alterszulagekassen ausscheiden dürfen.
Was den ersten Punkt anlangt, so hat er eine prinzipielle Be—⸗ deutung überhaupt nicht, sondern es war auch bei der vorigen Be— rathung des Gesetzes im Hause und in der Kommission von allen Seiten anerkannt, daß man nicht verkennen könne, daß allerdings es nicht leicht sei für jemand, der einen formellen Schein über sein Recht in der Hand hat, solche dadurch begründeten Ansprüche auf— zugeben. Prinzipiell stehen wir auch heute noch auf dem Standpunkte. Ich bin auch heute noch der Meinung, daß zwischen den Schul⸗ erleichterungsgesetzen, die ohne Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit den großen Städten die Zuwendungen machten, und heute die Steuer⸗ reform, insbesondere die Ueberweisung der Realsteuern liegt, und daß die NUeberweisung der Realsteuern ganz verschieden wirkt für die Städte und für das platte Land (sehr richtig! rechts),, daß die Städte, namentlich die größeren Städte Vortheile dadurch haben, die sie früher nicht hatten, die ihnen geradeju, z. B. hier in Berlin, die Millionen in den Schoß geworfen haben, während die arme Dorfgemeinde, die unter der wirthschaftlichen Nothlage seufzt, von der ganzen Gebäude⸗ steuer nicht einen rothen Pfennig hat. (Sehr richtig! Bravo! rechts.) Meine Herren, prinzipiell ist das ganz unbestreitbar, und wo ich hin—⸗ gehört habe — ich habe mit vielen Vertretern der Städte und des Landes inzwischen gesprochen —, habe ich das Zugeständniß erhalten, daß man dagegen allerdings nichts sagen kann.
Eine ganz andere Frage ist es: soll man nun, nachdem die Städte
das Gesetz daran gescheitert ist, das einfach ignorieren? Da habe ich mir gesagt: wenn die Finanzverwaltung in der Lage ist, hier helfend einzutreten, den Städten das Opfer einigermaßen zu erleichtern, dann soll man zugreifen und dem Entwurf nach dieser Richtung hin die Wege ebnen. Das ist der einzige Grund, aus dem wir diese Bestimmung in das Gesetz aufgenommen haben. Darin
möchte ich mir erlauben, Herrn von Heydebrand zu widersprechen, daß darin eine prinzipielle Verleugnung unseres Grundsatzes bezüglich der Leistungsfähigkeit liegt. Denn, meine Herren, dieser Grundsatz war den Städten gegenüber bereits verlassen in den Schulerleichterungs— gesetzen; denn die bisherigen Staatsbeihilfen haben die Städte auch nicht nach den Grundsätzen der Leistungsfähigkeit empfangen, sondern allgemein nach gleichen Sätzen für alle Schulstellen.
Was den zweiten Punkt anlangt, so leugne ich nicht, daß er mir sehr viel schwerer geworden ist. Wir haben bei der vorigen Berathung erklärt, daß wir den allgemeinen Beitritt aller Städte zu den Alters⸗ zulagekassen wesentlich um deswillen dringend wünschen, weil dadurch den Lehrern auch für diese großen Städte eine größere Freiheit ge—⸗ währt wird, und weil den großen Städten damit das Interesse genommen wird, ältere Lehrer von ihren Schulen fernzuhalten — wie es ja leider, nicht überall, aber doch vielfach geschieht. (Sehr richtig! rechts) Das muß ich zugeben, daß darin eine Konzession an die Wünsche der großen Städte liegt. Meine Herren, die großen Städte haben, und zwar unter allgemeiner Zustimmung, sich vielfach darüber beschwert, daß die Schulverwaltung vielfach in bureaukratischer und schwer erträglicher Weise in ihre Verwaltung eingegriffen habe, und ich leugne garnicht, daß der Wunsch, diesen unberechtigten Vor— wurf zurückzuweisen, bei mir wesentlich dazu beigetragen hat, dieses Verlangen der großen Städte, unter gewissen Umständen, die darauf abzielen, ihre persönliche Leistungsfähigkeit und die finanzielle Gebahrung ihrer Besoldungsordnung sicher zu stellen, zu erfüllen und sie von den Alterszulagekassen freizulassen.
Nun, meine Herren, wird sich darüber ja reden lassen; wir wer⸗ den in der Kommission das näher erörtern. Mir kam es lediglich darauf an, hier die Gründe darzulegen, die uns bestimmt haben, diese beiden wesentlichen Aenderungen in das Gesetz hineinzuschreiben. Bestimmt worden sind wir ausschließlich durch den dringenden Wunsch, das Gesetz so gangbar wie möglich zu machen, und zwar nicht bloß hier in diesem Hause, sondern auch in dem anderen Hause. Denn darüber können wir uns doch nicht täuschen: gescheitert ist das Gesetz nicht hier, soöndern drüben; und mit diesem Faktor der Gesetzgebung, der ja vollen Anspruch auf die Geltendmachung seiner Anschauungen hat, mit ihm müssen wir rechnen. Daraus wird hoffentlich, wie ich annehme, verständlich, daß wir so und nicht anders den Entwurf Ihnen vorgelegt haben.
Nun, meine Herren, die kleineren Ausstellungen, die gegen den Entwurf gemacht worden sind, beruhen zum theil — wie ich glaube, ausschließlich — auf Mißverständniß; so namentlich die Auffassung über die Disziplinarbestimmung in § 22. Meine Herren, im Disziplinargesetz giebt es eine doppelte Ent⸗ fernung aus dem Amt: eine besteht in der Amtsentsetzung, und eine andere, für die unmittelbaren Staatsbeamten, besteht in einer Ver⸗ setzung in ein anderes Amt, unter Umständen unter Verlust der Umzugskosten und auch mit einer Verminderung des Einkommens. Nun ist, so lange ich im Staats⸗Ministerium sitze — wir haben ja leider ziemlich viele Disziplinarfälle, auch Disziplinarfälle von Lehrern, im Staatt⸗Minifterium in zweiter Instanz zu entscheiden, wobei ich übrigens bemerken will, daß gegen die große Zahl der Lehrer wir immerhin mit diesem prozentualen Verhältniß der Disziplinarfälle zu der Zahl der Lehrer noch ganz zufrieden sind —, genug, es ist im Staats⸗Ministerium seit vielen Jahren sehr schwer empfunden worden, daß man diese mildere Form der Amtsenthebung gerade für die Lehrer nicht hat, sondern daß man da genöthigt war, wenn die Sache so lag, wenn sie ernst lag, unter allen Umständen auf die Amtsentsetzung zu kommen, während man einen Mann, der in einer bestimmten Gemeinde unmöglich geworden war, vielleicht in einer anderen entfernten Gemeinde noch sehr gut als Lehrer verwenden konnte.
Was die Stellung der Gemeinden zu dieser Versetzung anlangt, so hat damit diese Bestimmung garnichts zu thun; das versteht sich ganz von selbst, daß wir den Lehrer nur in die Gemeinde bringen können, wo wir dazu befugt sind, wo also Patronats⸗ oder Wider⸗ spruchsrechte nicht bestehen, wo wir in der Lage sind, den Lehrer hineinzusetzen. Von dieser Voraussetzung ist dieser Vorschlag ganz unabhängig, er ändert darin nicht das geringste.
Und wenn man sagt: in ein Lehrerbesoldungsgesetz gehört eine solche Bestimmung nicht hinein, so glaube ich darauf erwidern zu dürfen: sie hängt doch mit der Besoldung, gerade mit Rücksicht auf die Möglichkeit der Entziehung eines Theils der Besoldung der Lehrer, sehr wohl zusammen; und wenn man damit einen großen Uebelstand, eine Härte zu Gunsten der Lehrer beseitigt, ohne jede Gefahr, irgend jemand zu verletzen, — ja, meine Herren, so habe ich auch nicht das leiseste Bedenken ge⸗ tragen, das bei dieser Gelegenheit mit zu erledigen. Ich hatte erwartet, daß man diese lediglich im Interesse der Lehrer vor⸗ geschlagene Bestimmung mit Freuden annehmen, und nicht, daß man ihr widersprechen würde.
Was die Privatschulen anlangt, so sind wir nicht der Meinung gewesen, daß wir in dieser Hinsicht den Entwurf wesentlich einengen wollten. Der erste Absatz der Privatschulen, gegen den der Herr Abg. Dr. Porsch gewisse Bedenken äußerte, ist genau so geblieben, wie er das vorige Mal war; die Aenderungen im zweiten Absatz für die Zukunft mußten in Einklang gebracht werden mit der finanziellen Lage der Alterszulagekassen. Wenn die Alterszulagekasse nicht die Deckung bekommt, wenn sich da nicht ein Modus finden läßt, daß sie diese volle Deckung bekommt — die sieben Jahre hängen zusammen mit den ersten sieben Jahren, wo noch keine Alterszulagen gejahlt werden — wenn das nicht gemacht wird, dann ist überhaupt die Sache mit den Privatschullehrern garnicht zu ordnen. Es muß sich das ausgleichen Auf der einen Seite muß die Deckung der Zulagekasse stehen, auf der andern Seite eine Leistung, die wir, wie wir glauben, ganz im Interesse der früheren Privatschullehrer bemessen haben. Ich glaube auch, daß die Privatschullehrer im Ganzen sehr damit zufrieden sein werden; ich glaube nicht, daß viele Fälle übrig bleiben werden, wo