1896 / 288 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 04 Dec 1896 18:00:01 GMT) scan diff

G , . s . , 666 e. 6 . , m e, .

. . . . . . .

ö

.

r ,.

gewählt, die äbrigens keineswegs allein aut Aebeitern bestanden! und der Strike wird in Scene gesetzt. K

Ich lasse dahingeftellt, ob dieser Strike irgend welche Nahrung oder Förderung von englischer Seite empfangen hat oder gar seine Ent⸗

stehung englischem Einfluß verdankt. Ich bin darüber nicht unter · richtet und ich möchte namentlich nicht gegen englische Rhederebkreise einen Vorwurf schleudern, der, wenn er begründet ware, allerdings ihr Vorgehen in einem eigenthümlichen Lichte erscheinen ließe. Ich sage, ich bin darüber nicht unterrichtet und weise solche Vermuthung zunächst zurück, bis mir besseres Material zu ihrer Begründung an die Dand gegeben wird. Das aber ist unleugbar, daß der englische Führer einer Arbeiterunion, Tom Man, herübergekom men ist nach Hamburg und sich der Strikebewegung lebhaft angenommen hat. Hier ist sein Bildniß. (Heiterkeit) Tom Man ist in Hamburg angehalten worden und ift nach England zurückgeschafft, und seit der Zeit hat man nichts davon vernommen, daß eine Agitation englischer Arbelter bei der Strikebewegung betheiligt ist. Daß aber diese Strikebewegung einen internationalen Charakter hat annehmen sollen, dafür sprechen eine ganze Reihe von Annahmen. Einmal spricht dafür, daß unmittelbar nach dem Ausbruch des Hamburger Strikes auch die ausländischen Hafenplätze, namentlich Rotterdam und Antwerpen, in Kenntniß

gesetzt worden sind und auch die dort beschäftigten, beim Seeverkehr

betheiligten Arbeiter zur Betheiligung aufgefordert worden sind. Die

sind aber so klug gewesen, diese Aufforderung abzulehnen, und als

diese Ablehnung in Hamburg bekannt war, da war man in den Kreisen der strikenden Arbeiter geneigt, nachzugeben und sich mit dem zu begnügen, was die Rheder bewilligt hatten. Allein diese Neigung kam wiederum nicht zum Durchbruch, weil den Arbeitern gesagt wurde: wenn ihr jetzt nicht fest bleibt, so ist es auf alle Zeit mit euren Versuchen, bessere Lohnbedingungen zu erhalten, vorüber.

Der Herr Vorredner hat gemeint: an diesem Strkke wie an allen übrigen sei die sozialdemokratische Partei durch⸗ aus nicht betheiligt. (Heiterkeit Die sozialdemokratische Partei sei völlig unschuldig an dieser Bewegung. Dem gegenüber möchte ich mir die Frage erlauben, was wohl die Herren Reichstagt⸗ Abgeordneten von Elm, Legien und Molkenbuhr, anstatt an den Berathungen dieses hohen Hauses theilzunehmen, anstatt dazu beizu⸗ tragen, seine Räume zu füllen, augenblicklich in Hamburg zu thun haben. Aber auch abgesehen davon: der eine der Herren ist bei einer vom sozialdemokratischen Standpunkt aus gewiß als nütz⸗ lich zu betrachtenden Thätigkeit abgefaßt worden: er hat sich näm⸗ lich, obgleich er dort nichts zu thun hatte, keine Erlaubnißkarte hatte, und eigentlich nicht eintreten durfte, in einen Schuppen der Ham⸗ burg ⸗Amerikanischen Packetfahrtgesellschaft begeben, und da, wie es in dem mir vorliegenden Berichte heißt, für den ich ja natürlich nicht die Verantwortung übernehmen kann, die dortigen Arbeiter haranguiert. Ich ziehe aus der Abwesenheit der Herren von den Sitzungen dieses hohen Hauses und aus ihrer Anwesenheit in Hamburg den Schluß, daß sie doch nicht ohne Interesse der Strikebewegung folgen.

Nun, meine Herren, frage ich weiter: was denken sich die Arbeiter, oder vielmehr, was denken sich diejenigen, die ordentliche, brave Arbeiter in diesen Strike hineingeführt haben? Handelte es sich wirklich um eine Nothlage, handelte es sich um den Widerstand der Rheder gegen jede gewünschte Verbesserung, dann könnte man es noch be⸗ greifen, wenn jetzt mit Energie weiter gearbeitet wird in der Arbeitseinstellungs Bewegung. Aber ich frage Sie und frage namentlich die Arbeiter draußen in Hamburg, was aus ihnen werden soll, wenn dieser Kampf wochen,, vielleicht noch monatelang weiter fortgeführt wird. Meine Herren, die Hamburger Rhederei hält es länger aus, wie die Arbeiter, und die Hamburger Rhederei hält es auch deswegen länger aus, weil sie schon zum theil Ersatz der Arbeitskräfte empfangen hat und fortgesetzt empfängt, sie sogar aus England empfangen hat. (Zurufe von den Sozialdemokraten.) So weit ist Ihre Internationale noch nicht wirksam, daß der englische Arbeiter durchweg zu Hause gehalten wird. Er ist nach Hamburg gekommen, um Ersatz für die strikenden Arbeiter zu schaffen und um den guten Verdienst, der den Hamburger Arbeitern zu gering ist, für sich ein— zuheimsen. Der Winter ist vor der Thür; Tausende und Abertausende von Frauen und Kindern hungern; die Mittel, über die die Striken⸗ den verfügen, sind nur gering nnd nahezu erschöpft da frage ich, kann man gegenüber einer Bereitwilligkeit, das jetzige Arbeitsein⸗ kommen in mäßigen Grenzen zu erhöhen, es noch ferner verantworten, die Arbeiter zu fernerem Ausharren in der Strikebewegung anzuregen? Diese Frage, meine ich, müßte jeder Vaterlandsfreund mit Nein beantworten.

Meine Herren, wie ist die Sache in Bremen verlaufen? In Bremen war der Strike, was die Löhne anlangt, gerechtfertigter als in Hamburg, denn die Löhne in Bremen sind niedriger als in Sam⸗ burg. Was aber die Fürsorge für die Bremer Arbeiter anbetrifft, insbesondere von seiten der Gesellschaft, bei der die Arbeiter die Arbeit eingestellt haben, so war der Strike noch ungerechtfertigter als in Hamburg. Mir liegt ein Bericht vor, wonach das beste Verhältniß zwischen der Bremer Lagerhaus. Gesellschaft und ihren Arbeitern bisher bestanden hat. Plötzlich wird Unfriede gesaͤt; die Arbeiter treten mit Prätensionen auf und lassen sich auch nicht dadurch beruhigen, daß eine Reihe von Wohlfahrtseinrichtungen seitens der Lagerhaus⸗Gesell⸗ schaft ihren Arbeitern zugewendet wird. Der Strike wird in Scene gesetzt, er hat einige Wochen gedauert, und gestern ist es gelungen, auf Grund der Propositionen, die am ersten Tage die Lagerhaus. Gesell⸗ schaft gemacht hat, zu einem Abkommen zu gelangen. Wer will den Ausfall, der den Arbeitern der Lagerhaus⸗Gesellschaft erwachsen ist, verantworten? Werden Sie den Arbeitern dafür Ersatz gewähren? Nie und nimmermehr!

So kann ich nur sagen: beide Strikebewegungen die eine ist, Gott sei Dank! beseitigt sind unbegründet. Bie Hamburger wird hoffentlich auch ein schnelles Ende finden. Ich gönne gewiß jedem Menschen eine Verbesserung seiner Lage, und ich habe es dankbar an— zuerkennen, daß die Hamburger Arbeiter sich bis jetzt mit wenigen Aus⸗

nahmen korrekt benommen haben (gZurufe), abgesehen natürlich davon, daß sie ohne hinlänglichen Grund in die Strikebewegung eingetreten waren. Ich muß weiter anerkennen, daß sie sich während des Strikes keines Exeesses schuldig gemacht haben. Ich habe auch die korrekte Haltung von seiten des hohen Senats und der Behörden der Stadt Hamburg und von seiten der Rhedereikreise ebenfalls anzuerkennen. Aber wer es gut meint mit Ruhe und Ordnung im Lande und es gut meint mit den Arbeitern selbst, der kann mit mir nur den Wunsch theilen: möge auch dieser Strike ein schnelles und baldiges Ende

finden! (Lebhafter Beifall.)

Staats sekretär des Reichs⸗Marineamts, Admiral Holl⸗ mann: . Meine Herren! Besorgen Sie nicht, daß ich Ihre werth volle Zeit ungebührlich in Anspruch nehmen werde. Es handelt sich nur um

einige Worte. Unter den vielen Angriffen des Herrn Vorredners

sind doch einige, die ich nicht unwidersprochen lassen kann, um nicht im Unrecht zu bleiben. meiner vornehmsten Aufgaben hingestellt, daß ich für die Sicherheit der Schiffe sorge. Er hat aber gesagt, daß ich im gänzlichen Mißverkennen dieser Aufgabe gestattet hätte, daß ein unbrauchbares, unseefähiges Schiff sich auf dem Meere herumbewegt; lediglich dieser Umftand hätte den Schiffbruch veranlaßt. Also einen der schwersten Vorwürfe, die mich treffen können, hat der Herr Vorredner mit leichtem Herzen ausgesprochen. Er sagt: diese hundert Seelen, die zu Grunde gegangen sind, sitzen auf Deinem Gewissen. Ja, meine Herren, wer solche Urtheile mit so leichtem Herjen ausspricht, der soll sich wohl verwahren, daß es ihm nicht einmal ähnlich geht aber, wenn es mit rechten Dingen zugeht .. . (Zuruf) Der Sinn hat in dem Angriffe gelegen. Man hat gesagt: die Marineverwaltung. Das ist aber der Staatssekretär des Reichs ⸗Marineamts, und ich erkenne es ohne weiteres an: ich bin voll verantwortlich für alles, was in der Marine geschieht, dem Reichstage gegenüber, hier als Vertreter der Reichsregierung und des Reichskanzlers, und ich bin durchaus gewillt, diese Verantwortung voll und ganz zu tragen, in diesem wie in jedem anderen Falle. Wir sind nun nicht so leichtsinnig, wie der Herr Vorredner annimmt, mit unseren Schiffen, die im Ausland sind; sondern wir lassen uns in jedem Jahr von jedem Schiff, das sich im Auslande bewegt, Bericht erstatten, wie es ausschaut mit seiner See⸗ tüchtigkeit. Das sind wir uns und dem Lande schuldig. Der letzte Bericht des Schiffskommandos, also des verantwortlichen Thells der Schiff sbesatzung, der mir im März d. J. zugegangen und im Februar abgefaßt ist, enthält das Ergebniß einer langen Untersuchung ich

will Ihnen das Protokoll nicht vorlesen, das sind viele Seiten —.

Es ist Folgendes:

Melde u. s. w. über die jährliche Untersuchung des Schiff tz⸗ körpers und der Maschinen bezw. der speziellen Untersuchung des Schiffskessels gehorsamst, daß der Zustand des Schiffskörpers, der Maschine und der Kessel S. M. S. „Iltis“ nach meiner Ansicht

also der des Kommandanten noch vorläufig eine weitere zweijährige Indienststellung des Schiffes zuläßt.

Das ist ein Bericht des Kommandanten! Nehmen Sie ihn selbst in die Hand, wäre er an Sie gerichtet, Sie würden sich voll kommen beruhigen über den Zustand des Schiffes. Mich hat das jedenfalls vollkommen beruhigt; man kann nichts weiter sagen. Das Schiff war noch für zwei Jahre in jenen Gewässern tauglich.

Der Herr Vorredner und diejenigen, die hinter ihm stehen, haben, um ihren Angriff zu ermöglichen, voraussetzen müssen, daß das Schiff vermöge seiner Unfähigkeit auf das Riff geworfen ist. Ich habe schon neulich gesagt, wie sich das zutrug. Davon ist gar keine Rede, daß das Schiff in Seenoth auf das Riff gekommen ist. Das Schiff ist außerhalb seines Kurses gewesen, aus Umständen, die ich nicht sagen kann; darüber kann niemand Bericht erstatten, weil die verant- wortlichen Leute in den Tod gegangen sind. Aber soweit wir haben nachrechnen und die Sache untersuchen können, ist eine sehr heftige Strömung an der Küste, die sich vielleicht infolge des Sturmes noch vermehrt hat, die Ursache gewesen. Aber das wissen wir genau: weder der Kommandant noch irgend jemand der Besatzung hat auch nur annähernd in der Voraussicht gestanden, daß das Schiff scheitern würde; im Gegentheil, Alles deutet darauf hin, daß der Kommandant sich bewußt war: Du bist von der Halbinsel Schantung frei, kannst jetzt Deine Maschine langsamer gehen lassen was in der That der Fall gewesen ist, um die Maschine nicht anzustrengen und wir können uns der Ruhe hingeben; der Schiffbruch kam unerwartet.

Nun möchte ich mich mal mit dem Herrn Schwarz aus Gotha beschäftigen. Ich gönne ihm das vielfach wiedergefundene Leben von Herjen; ich muß abwarten, wenn ich noch die Ehre haben werde, hier meinen Etat zu vertreten, ob er sich im nächsten Jahre mir hier gegenüberstellt und mich noch einmal für diese Dinge verant- wortlich macht denn Herr Schippel sagte ja: wir haben die Hoffnung, ihn wieder hier zu sehen.

Nun habe ich gesagt und dabei bleibe ich dieser Herr Schwari, den ich nicht kenne, der mir ganz fremd ist jetzt ist er mir ja bekannt dieser Herr ist nicht ein Seemann nach meinem Geschmack oder nach dem Geschmack unserer Marine. Es fehlen ihm diejenigen Eigenschaften, die wir an einem Seemann besonders hoch schätzen: Das ist wahre Gottesfurcht und lameradschaftliches Gefühl für seine Berufsgenossen, das Verständniß für die Eigenart der Seeleute. Ich muß auch Herrn Schwarz, obgleich ich ihn und seine Berufzeigenschaften nicht kenne die seemännische Erkennt⸗ niß absprechen. Herr Schwarz sagte: warum beschäftigt sich der Kommandant mit einem Hoch auf den Kaiser? warum hält er nicht seine Leute zur Rettung an? (Zuruf) Wie? Ich hab's nicht verstanden. Ja, glauben Sie denn daß der Kommandant ein besonderes Vergnügen daran gefunden hat, mit seiner Besatzung so in den Tod zu gehen? Davon ist doch keine Rede. Ich sagte Ihnen aber schon: Der Kommandant sagt sich aus der ganzen Beurtheilung der Sachlage heraus: Hier ist Rettung unmöglich. Das sagte sich jeder, und das sagen wir uns, wenn wir die Verhäͤlt⸗ nisse kennen: es ist ganz unmöglich, daß sich jemand aus eigener Kraft retten konnte; es war weder ein Boot ins Wasser zu führen, noch konnten Rettungsgürtel nützen, noch irgend etwas. (Zurufe von den Sozialdemokraten.) Ja, Land war ja nicht zu sehen. (Erneute Zu⸗ rufe von den Sozialdemokraten.) Dat war nicht möglich; Sie haben es ja im Bericht gelesen: der nackte Felsen! Wenn das Wasser ab⸗ lief, die spitzen Zacken! Und jeder war verloren, der über Bord ging. Es ist niemandem eingefallen Sie können es von der Be— satzung selbst hören, wenn sie zurückkommt —, überhaupt an eine Rettung zu denken. Die Leute haben sich, wie das Vordertheil des Schiffes umfiel, und zwar von der Brandung weg, das Leben erhalten können; aber es hätte auch umgekehrt sein können, daß das Schiff nach der anderen Seite fiel, dann waren sie verloren das Hintertheil des Schiffes verschwand in der See. Das konnte niemand voraussehen. Aber die Versicherung gebe ich Ihnen: nach allem, was wir bisher gehört haben, konnte kein Mensch daran denken, daß er durch eigenes Zuthun an sein Rettungswerk gehen

Der Herr Vorredner hat es als eine

könnte. Nach jwei Tagen sind sie gerettet worden dadurch, daß

ein Boot hingelangte; die Chinesen baben tage oder stundenlang ver⸗

sucht, an das Schiff heranzugelangen. Nach der Richtung hin trifft den Kommandanten gar kein Vorwurf. Der Kom⸗ mandant ist todt, und man soll über Todte nicht mehr ur. theilen, sich mit ihm nach der Richtung nicht mehr beschãftigen. Dag hat sogar der Herr Vorredner gesagt. Man hat sich trotzdem mit ihm beschäftigt und noch mehr gethan: man hat ihn angeklagt einer Unterlassung und hat ihm den schwersten Vorwurf entgegengeschleudert ohne jeglichen Grund dabei bleibe ich. Nun bin ich Ihnen sehr dankbar, daß ich noch etwas erwähnen kann. Herr Dr. Lieber brachte gestern schon die Rede darauf. Wenn meine Worte aus dem Zu⸗ sammenhange genommen werden, dann gebe ich zu, daß man ihnen einen Sinn unterschieben kann, daß man eine Deutung finden kann, die darauf hinausläuft, wie es von einzelnen Seiten verstanden ist. Ich möchte Ihnen eine Erläuterung dazu geben. Ich habe etz nicht für nöthig gehalten, thue es aber jetzt, nicht daß ich es inzwischen herausgefunden hätte oder damals anderen Sinnes gewesen wäre; nein, ich hätte es Ihnen schon damals sagen können. Meine Herren, all. jährlich werden die Rekruten der Marinetheile und der Schiffe in einer sehr erhebenden kirchlichen Feier vorbereitet für den militärischen Eid, und unser Kriegsherr läßt es sich in keinem Jahre nehmen, dieser Feier persönlich beijuwohnen und die Ab⸗ legung des Eides entgegenzunehmen. Nun denken Sie sich: diese jungen, eben einberufenen Rekruten leisten ihrem Kaiser den Eid vor Gott, nachdem sie kirchlich in dieser Weise vorbereitet worden sind. Ja, ich kann Ihnen die Versicherung geben ich bin auch jedesmal dabei, weil ich hinzugezogen werde —: ich kann mir nichts Erheben. dereß denken. (Sehr richtig) Wenn ich da hinausgehe, so sage ich jedesmal, nicht Anderen, sondern mir in meine Seele hinein: mit welchem Stolz müssen diese jungen Leute diesen Platz verlassen! Vor Gott haben sie ihrem Kaiser den Eid geschworen, der zugegen gewesen ist, der hingereist ist, um der Feier beizuwohnen. Die kirchliche Feier, die vorausgeht, die sollten die Herren sich mitansehen und mitanhören! Ich bin überzeugt davon, daß Sie genau dasselbe sagen würden wie ich. Kein Seemann wird, wenn der Ernst des Lebens an ihn herantritt und der Cid der Treue nunmehr verwirllicht werden soll, in diesem Augenblick der Feier nicht gedenken, die ihn zu diesem Eide vorbereitet hat, und darum sage ich: in dem Moment, wo unsere Leute, die alle in dieser Weise vorbereitet sind, ihr Hoch auf ihren Kaiser aushrachten und an ihren Eid dachten, da haben sie vor Augen die ganze Situation, wie sie sich gestaltet bei ihrem Eintritt, da sehen sie die Kirche, da haben sie den Eindruck der kirchlichen Feier, und aus ihrem Gemüth heraus werden sie zu Gott hingezogen. Das war, was ich sagen wollte; nichts Anderes konnte ich im Sinne haben. Wenn man es anders verstanden hat, dann habe ich mich sehr falsch aus⸗ gedrückt und sehr unvorsichtig. Was Anderes konnte mir nie in den Sinn kommen. (Bravo! und Sehr richtig h

Nun noch Eins. Ich bin doch erstaunt, wenn ich höre, daß jene Seite des Hauses sich zum Richter aufwirft in solchen Angelegen⸗ heiten. Seien Sie nicht böse, aber die Versicherung kann ich Ihnen geben: aus Ihren Aeußerungen, wie ich sie überall höre, mich gehen sie ja im allgemeinen nichts an, meinen Beruf berührt das nicht aber aus allen Ihren Reden, die ich vernehme aus den Zeitungen und die hier laut werden, schließe ich, daß Sie weder gewillt sind, Gott zu geben, was Gottes ist, noch dem Kaiser, was des Kaisers ist. (Lebhaftes Bravo! von allen Seiten. Vereinzelte Heiterkeit bei den

Sozialdemokraten.)

Abg. Freiherr von Stumm (Ry): In Bezug auf die Aus— führungen des Abg, Liebknecht beschraͤnke ich mich auf die Hoff nung, daß die ftaatsrechtliche Stellung der Krone und ihres Verhältnisses zum Parlament niemals derartig beschaffen sein wird, daß sie den Beifall des Abg. Liebknecht findet. Hinsichtlich des Iltis“ konstatiere ich, daß, nachdem die Mehrheit dieses Hauses sich in sympathischer und zustimmender Weise nicht bloß zu dem Verhalten der Wann“ schaft, sondern auch des Kommandanten geäußert hat, es den Sozialdemokraten nicht gelingen wird, Herrn Schwarz weiß zu waschen. Herr von Kardorff hat lediglich von den Wohnungö⸗ verhältnissen auf dem Lande gesprochen, und auch die Sozialdemokraten werden nicht bestreiten können, daß die ländlichen Arbeiter besser wohnen als die städtischen. Ich billige ebenso wenig wie mein ö Kardorff die Wege, welche auf Grund der Kaiserlichen Erlasse von 1890 eingeschlagen sind. Ich bleibe nach wie vor auf dem Boden dieser Erlasse 7 aber nicht in dem Sinne, wie sie der sonst hochverehrte frühere Handels Minister zum theil außgelegt hal. So bin ich beispielzwelse nicht einverstanden mik der Thätigkeit der Kommission für Arbeiterstatisti und mit dem Uhr ⸗Ladenschluß u, s. w. Ich Hestreite, daß diese Verordnung der nothwen ige Ausfluß des hochherzigen und von mir gewiß so hoch wie von irgend Jemand gestellten Geisteg ist, auꝛs dem die Aller höchsten Erlasse ier, . sind. Was den Hamburger Strike anbetrifft, so konstatiere ich, daß Tom Man nicht bloß jetzt nach dem Strike in Hamburg i gn, ist, sondern daß von langer 8 her, seit weit über ein Jahr, englische Emiffäre nicht bloß in

eutschland, sondern auch in Holland und Belgien sich herumgetrieben haben, um die Leute aufzuwlegeln. Die holländische und die belgische Regierung haben diese Leute ausgewiesen. Daß das englische Kapital dabei im Spiel ist, glaube ich nicht, jedenfalls weiß sch es nicht. Daß aber die gl fen Arbeiterbereine die Hamburger und sonstigen kontinentalen Hafenarbeiter aufzuwiegeln versuͤcht haben, ist unzweifelhaft. Die Hamburger Arbeiter sind in erheblicher Weise von sojialdemokratischen Agitatoren unterstützt worden, und wenn Herr Liebknecht bestritten hat, daß die Sozialdemokraten in diesen Strike überhaupt eingetreten seien, so hat er sich direkt widersprochen. Er sagte: wir billigen i Strike; er hat von den Hamburger Arbeitern als seinen Genossen gesprochen. Bie Sozial⸗ demokraten sind für diesen Strike wie für jeden anderen Sirlke verantwortlich. err Liebknecht sagte, daß der Lohn von 24 unzureichend seiz das ist sonderbar, wenn man bedenkt, daß das durchschnittliche Cinkommen eines jeden Familienhauptes in Deutsch⸗ land gleichgültig, ob arm oder reich noch nicht 420 6 beträgt. Die , Gewerkvereine haben sich zu Zeiten entwickelt, wo die Arbeitgeber noch garnicht daran dachten, sich zu assozlieren, und erft der Terrorismuß der Gewerkvereine hat die Arbeitgeber gezwungen, zusammenzustehen im Interesse der Selbstvertheidigung. Intereffant ist aber das Zugeständniß, daß es sich in Hamburg garnicht um eine wirthschaftliche, sondern um elne Machtfrage handelt. Das habe ich ja hier seit 20 Jahren immer behauptet, gegen den Willen der So zial⸗ demokraten, daß es sich hier nicht um ethische Fragen, fondern um eine reine Machtfrage handelt. Herr Liebknecht hat gegen unser Schulwesen die schwersten Vorwürfe erhoben und alles in den Himmel erhoben, wag in England und Frankreich geschieht. Wer einiger maßen die Statistit des Schulwesens verfolgt hat, der weiß, . auch heute noch die Zabl der Analphabeten im Äuslande fehr gro ist. Die deutsche Schule steht thurmhoch erhaben Über der anderer Länder. Wenn aber der Abg. Liebknecht die Verhältniffe Frankreichs und Englands so bewundert, so bewundere ich fein guteg Herz; wenn jemand eine Regierung, die zwei seiner besten Freunde aun⸗ gewiesen hat, lobt, dann hat er ein gutes Herz.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger

M 2G.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Abg. Graf von Schwerin Löwitz (d. kons.): Herr Richter hat den preußischen Landwirthschaftskammern jede Befugniß, Erhebungen anzustellen und hierbei die Mitwirkung der Probtantämter in Anspruch zu nehmen, in Abrede gestellt. Das widerspricht dem Gesetz, denn die Kammern sollen nicht r Bericht erstatten, sondern können sich auch direkt an die Behörden wenden. Eg ist nun festgestellt, daß die Notizen der Stettiner Getreideprefse nicht richtig waren, und darauf sind die Proviantämter von der Landwirthschaftskammer aufmerksam gemacht worden. Herr Richter meinte, daß die Proviantämter Manng genug gewesen sind, daz Ansinnen der Landwirthschaftskammer abzulehnen, und hofft, daß der Landwirthschafts⸗Minister dasselbe thun werde. Dag ist un' richtig. Die Untersuchungen der Landwirthschaftskammer haben er— geben, daß eine Preitzermittelungsstelle eingerichtet werden müsse, und die Staatsregierung ist auf diesen Gedanken sofort eingegangen. Herr Richter tritt doch sonst für das öffentliche Verfahren ein, auch bei der Armee; warum soll über die Einkäufe der Proviantämter ein Geheimniß gehreitet werden? Wenn die billigsten Preise die besten sind, dann könnte die Armee nur russischen Roggen einkaufen. Aber wenn man niedrige Getreidepreise für ein Unglück hält, dann muß die Militärverwaltung sich als einen Theil des Ganzen be—⸗ trachten und darf nicht das Unglück dieser niedrigen Preife noch vergrößern. Ich hoffe, daß die Kriegsverwaltung ihr bisherige Verfahren beibehalten wird. .

Abg. Rich ter (fr. Volksp.): Ich behalte mir vor, auf verschiedene Aeußerungen anderer Redner bei der zweiten Berathung zurückzu⸗ kommen. Der Vorredner steht auf dem agrarischen Standpunkte daß es nicht im Interesse der Steuerzahler liegt, möglichst billig zu kaufen. Damit läßt sich nicht diskutieren. Bezüuͤglich der Preisnotierungen kann der Erlaß der preußischen Minister nur gebilligt werden, sobald unparteiische Behörden die Preise ermitteln. Hier handelt es sich aber um einseitige Ermittelungen der Landwirthschaftskammer in Pommern, die kein Recht hat zu solchen Preisnotierungen, da darüber Bestimmungen noch garnicht erlassen sind. Solche Be⸗ stimmungen würden sich nur auf die Börse beziehen, aber nicht auf anderweitige Preise. Die Landwirthschaftskammer wollte die Preis— ermittelung auch nicht für sich selber haben, sondern für die pom—⸗ mersche landwirthschaftliche Hauptgenossenschaft, um, wie die Pro— viantämter bemerken, eine Preistreiberei in Scene zu setzen.

Abg. Auer (Soz.): Als Herr von Kardorff der Regierung be—⸗ . daß sie zum alten sozialpolitischen Kurse zurückgekehrt ei, glaubte ich nicht, daß Herr von Boetticher das so schnell beftätigen würde. Ueberraschend kommt uns das nicht; aber wie sich das verträgt mit dem Kaiserlichen Erlaß vom 4. Februar 1890, das zu entscheiden muß ich dem Herrn überlassen. * von Boetticher hat den Hamburger Ausstand als nach jeder

ichtung hin unberechtigt bezeichnet. Derartige Ausführungen sind wir sonst in der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ und in der übrigen Unternehmerpresse zu finden gewohnt. Kein Strike ist bißher von den Unternehmern als berechtigt anerkannt worden. Nur ein Strike, der der Konfektionsarbeiter, wurde von der Re— gierung als berechtigt anerkannt, und das mußte wohl wieder gut gemacht werden, nachdem Herr von Berlepsch gegangen ist. Hundert⸗ tausende von Arbeitern sollen sich nach den Hamburger Löhnen sehnen! Wer sich selbst in einer Lebenslage befindet, die mit der der Arbeiter nicht zu vergleichen ist, der sollte sich hüten, die Bestrehungen der Arbeiter nach Verbesserung ihrer Lebenslage als unberechtigt zu erklären, zumal wenn er kein objektives Bild von der Lage der rkrit hat. Die Hafenarbeiter werden oft Tage lang nicht beschäftigt, wenn infolge des Ostwindes die Schiffe nicht die Elbe heraufkommen können, oder wenn im Winter diefe Arbeiten über⸗ haupt stocken. Von einem regelmäßigen Verdienst von 4,20 M kann keine Rede sein. Die Arbeiter kommen Über einen Jahreslohn bon S800 bis 00 MS überhaupt nicht hinaus. Ist ein selcher Lohn für die Hamburger Verhältnisse wirklich so hoch? In Hamburg selbft, die Unternehmerkreise ausgenommen, hält man eine Lohnaufbesserung für zweckmäßig, zumal die Arbeiter durch den Zollanschluß in die Vor= städte getrieben sind, wo sie theure Miethe zahlen müssen, während die dckei t deshalb außerhalb der Wohnung Mittag essen müͤssen. Von dem gewerblichen Aufschwung wollen die d,. auch etwas haben; sie befolgen den Rath, den der Kaiser beim Berg—⸗ Abeiterstrike gegeben hat, daß diejenigen, welche an dem reichen Gewinn der Bergwerke theil nehmen, etwas mehr Geld für die Arbeiter geben möchten. Wer über diese Verhältnisse spricht, der hat die Pflicht und Schuldigkeit, sich ein richtiges Bild zu verschaffen. Daß die fogzial⸗ demokratischen Agitatoren den Strike angefangen haben, ist unrichtig. Alle Kreise sind von dem Aue bruch des Strikes überrascht. Es besteht unter den Hafenarbeitern schon lange eine * . nicht infolge von Hetzereien, sondern infolge des besseren Geschä töganges. Als die Unternehmer ein Angebot machten, riethen die Leiter, die Sozial- demokraten waren, zum Frieden. Sie wurden aber niedergestimmt. Das kam daher, weil die Hafenarbelter das Rezept des Freiherrn von Stumm befolgt haben, weil sie noch nicht organisiert waren, also den augenblicklichen Ipulsen folgten. Wenn selbst die Bourgeossie so thöricht ist, den Schwindel von den englischen Millionen zu glauben, warum sollen die Arbeiterhaufen nicht ebenfalls daran glauben und dadurch in ihrem Widerstande bestärkt werden? Dag find die Folgen des Feudalsozialißmus. Der Staatssekretär sprach von der englischen Brandstiftung in etwas eigenthümlicher Weise, anders als ein Mann sprechen sollte, wenn man eine große Polizei, die Hundert⸗ tausende kostet und doch auch etwas leisten 27 was ja der neueste Prozeß zeigt, zur Verfügung hat. Tom Man ist selbst am äͤrger⸗ lichsten über den zeln n . Die Wünsche der englischen Arbeiter ehen auch auf eine Lohnauf esserung, und sie hatten nicht aus Strikelust, 66 um etwas durchzusetzen, gleichzeitig striken wollen, wenn es nicht anders ginge. Wenn das Koalltionsrecht vorhanden ist, muß man den Arbeitern auch gestatten, dasselbe anzuwenden. Dle drei Abgeordneten, welche der Staatssekretär nannte, wohnen in Hamburg und Altona, und an Herrn von Elm hat sich der Polizeisenator Hachmann wegen eines Schiedsspruches gewendet. Herr Molkenbuhr ift der Vertreter des Hamburger Wahlkreises, welcher den Hafen einschließt. Wenn der Strife länger andauert, wird es den Arbeitern schlecht gehen. Aber weiß der Staatssekretär nicht, daß , . des Senators

chmann, seitens des Vorsitzenden der ürgerschaft und des ewerbegerichts der Versuch jur Vereinbarung gemacht ist, daß die Arbeiter auf dieses Vorgehen bereitwilllast eingegangen sind? Wenn dadurch nichts erreicht ist, so treffen alle Vor= würfe diejenigen, welche den Schiedsspruch abgelehnt haben. Das sind die Hamburger Arbeitgeber, die den Frieden nicht wollen, weil fie offen, die AÄrbeiterschaft mürbe machen zu können, weil sie auf ihre undesgengossen, den Hunger, die Noth und das Elend der Arbeiter rechnen. ese ,, , . werden schlimme Wirkungen augt⸗ üben; aber die niedersächsischen Arbeiter werden sich nicht unter⸗ kriegen lassen, namentlich, wenn sie von der Arbeiterschaft ganz Deutschlands unterstützt werden. Aber der Strike trifft dle Ünter⸗ nehmer an der empfindlichsten Stelle, nämlich am Geldbeutel. Ble Strikebrecher haben der schweren Ärbeit fast sämmtlich den Rücken 8. Im Hamburger Fremdenblatt⸗ wird „Restgestellt, daß die chauerlente jede Woche m drei Tage in Arbeit sind. Die Stauer, die Zwischenmeister erhalten 75 9 für die Tonne, fie geben

Berlin, Freitag, den 4. Dezember

aber den Schauerleuten nur 0 5. Die Stauer haben ein Jahres einkommen von 5⸗ bis 6000 60

Staatssekretär des Innern, Staats-Minister Dr. von Boetticher:

Der Herr Vorredner hat meine Information bemängelt, auf Grund deren ich vorhin in meinen Ausführungen die näheren Ang aben gemacht habe über die Höhe des Verdienstes der Schauerleute. Allein er hat nichts beigebracht, das einen Beweis dafür lieferte, daß diese meine Information eine unrichtige gewesen ist (Heiterkeit links); sondern er hat nur die Behauptung aufgestellt, daß die Lohnsätze, die ich angegeben habe, nicht die richtigen sind, sondern die seinigen. Meine Informationen beruhen nun aber auf amtlichen Berichten und ich muß vorläufig annehmen, daß der Inhalt dieser Berichte richtig ist. Aus eigenen Erfahrungen kann ich selbstverständlich über die Lohnverhältnisse der Hamburger Schauerleute keine Angaben mach en. Daß übrigens diese Information, die ich empfangen habe, auch über einstimmt mit der Wahrheit, möchte ich annehmen aus einem Artikel den heute Morgen die, National-⸗Zeitung“ bringt. Da ist eine Quelle genannt für die Zusammenstellung der Lohnverhältnisse, die auf sozialdemokratischer Seite nicht füglich sollte angefochten werden können; es ist nämlich die Zuschrift eines Schauermannes an dag sozialdemokratische Organ in Hamburg. In diesem Artikel wird aus⸗ geführt, daß dieser Schauermann erklärt hat, daß er mit Einschluß der Sonn und Feiertage an 90 Tagen keine Arbeit und keinen Ver⸗ dienst habe; er erreiche aber gleichwohl einen Jahresverdienst von 1155 A6. (3wischenrufe) Sie müssen deutlicher sprechen, sonst kann ich Sie nicht verstehen. (Erneute Zwischenrufe.) Richtig! er berechnet aber am Schluß die Gesammtlohnhöhe des Jahres auf 1I55 M. Das genügt mir, und danach nehme ich an, daß meine Be⸗ hauptung, die ich vorhin aufgestellt habe, durchaus zutrifft, wonach diese Leute zu den besser situierten Arbeitern gehören und daß es eine große Zahl von deutschen Arbeitern giebt, die sie um solche Lohnhöhe beneiden. Uebrigens muß ich mich auch auf das berufen, was Herr von Stumm ausgeführt hat, der mit den Arbeiterverhäͤltnissen besser verfrant ist als ich, zumal was die Lohnhöhe anlangt. Er hat ganz dasselbe gesagt.

Also, meine Herren, Information gegen Information. Ich meine, daß die Information, die mir von den Hamburger Behörden gegeben ist, eine durchaus zutreffende und objektive gewesen ist, und erwarte den Beweis des Gegentheils.

Der Herr Vorredner hat mir vorgeworfen, ich hätte ein ein—« sesũ Jefärbtes Bild der Lage gegeben. Das ist mir nicht eingefallen. Sc habe lediglich an der Hand der mir, vorliegenven Berichte eine Darstellung des Zustandes, wie er sich in Hamburg entwickelt hat, geJeben und habe diesen Zu stand al einen für die Arbeiter äͤußerst beklagen swerthen hingestellt und da, glaube ich, befinde ich mich in Uebereinstimmung mit der weit überwiegenden Mehrheit dieses Hauses, wenn ich dieses Urtheil gefällt habe.

Der Herr Vorredner hat daran erinnert, daß die Rheder außer⸗ ordentliche Verluste infolge des Strikes zu erleiden haben, und daß diese Verluste sie bedenklich machen sollten, den Kampf weiter fort⸗ zusetzen. Ja, meine Herren, das ist richtig, es ist unzweifelhaft richtig: die Werthe, die durch die Arbeitseinstellung für den Hamburger Handel und die Hamburger Schiffahrt verloren gehen, sind ganz enorme, und aus diesem Grunde schon sollte es die Aufgabe eines jeden Vaterlands⸗ freundes sein, zur Beseitigung des gegenwärtigen Zuftandes beizutragen.

Nun macht man den Hamburger Rhedern zum Vorwurf, daß sie nicht añf den Vorschlag, der ihnen von seiten des Herrn Polizei- Stator des Herrn Präsidenten der Handelskammer und eine dritten 5 worden ist, nämlich den Streit einem schiedsrichter⸗ lichen Verfahren zu unterwerfen, eingegangen sind. Ja, meine Herren, wenn man die Umstände aber ansieht, unter denen dieser Vorschlag gemacht ist, und die Gründe betrachtet, die für seine Ab lehnung maßgebend gewesen sind, dann wird man doch den Hamburger Rhedern nicht so Unrecht geben können. Denn einmal sollte nach diesem Vorschlage nur ein Arbeitgeber in das Schiedsgericht aufge⸗ nommen werden, während vier Vertreter der strikenden Arbeiter als Richter fungieren sollten. Nun werden die Herren wir zwar einwenden: ja, neben diesem einen Arbeitgeber sitzen aber die drei Herren, die den Vorschlag gemacht haben: der Polizei⸗Senator, der Präsident der Handelskammer und der dritte Herr, und das sollte doch der Bourgeoisie genug sein, darin sollte man doch eine ausreichende Vertretung ihrer Interessen finden. Nein, meine Herren, hier, wo es sich um eine speziell kaufmännische und wirthschaftliche Frage handelt, da muß man verlangen können, daß das Schiedsgericht ebenso wie in allen anderen Fällen zusammengesetzt ist aus einer gleichen Vertretung der beiden streitenden Theile, und eine solche fehlte hier.

Der zweite Grund, warum die Herren nicht darauf eingegangen sind, wird wahrscheinlich der sein, daß man drei Reichstags⸗Abgeordnete zu Mitgliedern dieses Schiedsgerichts gemacht hat, und sie sind vielleicht vaterländisch genug gewesen, um die Herren nicht ferner der Mitarbeit in diesem hohen Hause entziehen zu wollen. (Heiterkeit)

Endlich will ich noch auf eine Bemerkung des Herrn Vorredners zurückkommen, in welcher er mir auch eine mangelhafte Information vorgeworfen und mir gesagt hat, es wäre doch auffallend, daß der Chef einer großen Verwaltung, der die politische Polizei an der Hand hätte, über diese Dinge so mangelhaft orientiert wäre. Dag bezog sich nämlich auf die englischen Einflüsse, die sich angeblich in der Hamburger Bewegung geltend gemacht haben“ sollen. Ja, meine Herren, ich habe vorhin durchaus der Wahr heit gemäß berichtet, daß ich auf diesen Punkt nicht näher eingehe, weil mir dazu die thatsächlichen Unterlagen fehlen.

Ich habe aber auch gar keine Veranlassung, vermöge meines Amtes danach zunächst zu fragen, ob englischer Einfluß thätig gewesen ist, sondern ich habe nur zu fragen: wie ist der aktuelle Zustand, und wie beseitigen wir diesen Zustand möglichst bald? Daß wir sonst nicht unthätig gewesen sind, englische Einflüsse, die sich etwa geltend machen wollten, abzuweisen, das beweifst ja die Ausweisung deg Tom Man.

Wenn der Herr Vorredner nun aber gemeint hat, daß dieser Tonte Man sehr unzufrieden gewesen sei mit dem Ausbruch des Strikes, so ist das sehr begreiflich, und es ergiebt sich die Erklärung für diesen Mißmuth des Tom Man auch aus dem, was ich schon vorhin bemerkt habe. Es sollte nämlich eine große internationale Strikebewegung in allen europäischen Häfen, insbesondere den festlaͤndischen, insceniert werden; auch die englischen Häfen sollten mit dieser Strikebewegung beglückt werden. Ueberall, in Norwegen, Schweden, Belgien, Holland und selbst in England haben die Herren kein Glück ge⸗ habt mit diesem Unternehmen. Bloß der etwat weniger vor⸗ sichtige und weniger sein wahres Interesse wahrende deutsche Kai⸗ arbeiter und Schauermann ist auf die Sache hereingefallen. Daß natürlich die Wirkung bei einem solchen partiellen Strike nicht die

von Tom Man und seinen Genossen erhoffte sein kann, das war klar,

und deshalb mußte Tom Man sich sogen: die Leute haben nicht so lange gewartet, bis der günstigste Moment für den Beginn der Arbeitzeinstellung eingetreten ist, und das bedaure ich. Ich hoffe, daß, wenn in künftigen Fällen wieder einmal eine solche internationale Be= wegung auch in dentschen Häfen sich zeigen sollte, daß dann auch, durch die jetzigen Vorgänge gewitzigt, der deutsche Hafenarbeiter andere Leute die Kastanien aus dem Feuer wird holen lassen. (Bravo

Hanseatischer Gesandter und Bevollmächtigter zum Bundes rath Dr. Klügm ann; Der schwere Strike der Hafenarbeiter in unferer ersten Handelsstadt schafft viel Unglück in Hamburg, nicht bloß unter den Arbeitern, sondern auch in allen Kreisen, vor allem auch in denen, deren ganzes Leben darauf gestellt ist, ihr Wort zu halten, und die jetzt daran verhindert werden. Es war das höͤchfte Interesse auch der Hamburger Regierung, möglichst bald diesen Strike zu beendigen; nichtsdestoweniger hat sie sich durchaus im Sinre der Reichsgesetze jeder Einmischung, sowohl nach der einen als anderen Seite hin, in Thaten wie in Worten enthalten, und es wäre sehr erwünscht gewesen, wenn dasselbe Verfahren auch im Reichstage eingehalten worden wäre. Von wem ist hier die Sache ausgegangen, wer hat hier heute Sympathie nur für die von ihm vertretene Sache allein zu beanspruchen , . Sie Gu den Sozialdemokraten) haben gesagt: Die Sozialdemokratie wäre durch den Sirike überrascht worden, sie sei gegen den Strike gewefen. Damit geben Sie zu, daß der Strike unberechtig war. Zweifellos. Tom Man soll gegen den Strike gewesen sein. Er ist aber gerade von England be, ,,,, . um den Strike zu machen und Unfrieden zwischen den Arbeitgebern und Arbeitern zu fäen. Er hat eine Proklamation an die Arbeiter Hamburgs erlassen, in der er sagt, er sei von der internationalen Föderaiton hergefandt worden, um mit den Arbeitern Hamburgs gemeinsame Sache zu machen; und er fordert sie auf, nicht eher zu ruhen, als bis ihre fämmt⸗ lichen Forderungen erfüllt seien. Es ist also Tom Man nicht eingefallen, von dem Strike abzurathen, sondern er hat dazu gerafhen, und die Hamburger Arbeiter sind in die falsche Vorstellung hinein⸗ gekommen, als komme ihnen von außen die Hilfe, als würden sämmt⸗ liche Hafenarbeiter gemeinsame Sache mit ihnen machen, als wenn 3 von England nicht nur Sympathie, wovon sie nicht leben können, ondern Geld und Unterstützung zu gewinnen hätten. Dadurch wurden die Bemühungen, den trike n g bald zu beendigen, ge⸗ hemmt, und deshalb war die Ausweifung des Tom Man vollstãndi gerechtfertigt. Was den Strike selbst betrifft, so handelt es 6

nicht allein um die Lohnfrage; es sind auch andere Streitigkeiten

hineingezogen worden. Man hat es falsch so dargestellt, als ob die Schauerleute nur einen durchschnittlichen Lohn von 8060 jäãhr⸗ lich hätten. Ich werde Ihnen das Gegentheil beweisen aug einer Quelle die Sie garnicht bestreiten können. Ihre Quellen (zu den Sozialdemokraten) rühren wohl von Zeitungs⸗ schreibern her; veröffentlicht aber ist das Lohnanrechnungsbuch der Schauer. Sie werden selbst zugeben, daß die für die Speicherei⸗ und Speditione⸗Berufsgenossenschaft eingereichten Lohnlisten zuvperlässige Daten geben. Es sind da 15 Nummern aufgeführt: Der erste bat erhalten 1186 6, der zweite 1119, der dritte 1437,70, der vierte 1533, der fünfte 1229, der sechste 1224, der siebente 1762, der achte 1598, der neunte 1345, der zehnte 1774, der elfte 16530, der zwölfte 1452, der dreizehnte, der nur 175 Tage gearbeitet hat, S830, der vierzehnte, der 267 Tage gearbeitet, 1836, der fünfzehnte, der nur 134 Tage gearbeitet hat, S3, 40 M Wie. wollen Sie nun selbst bei den Hamburger Lebeng⸗ verhältnifsen behaupten, daß diese Leute Hungerlshne gehabt haben? Die Leute sind aufgereijt worden zu diesem Strike. Die Sozialdemokraten reden täglich auf die Leute ein, daß shre Lebeng⸗ haltung unerträglich sei, und dann wundern sie sich, wenn die Arbeiter nachher striken. Dann haben Sie ö den Sozialdemokraten) e nicht gethan, sondern es find Ihnen die Anderen zuvorgekommen, die Sie nicht haben zurückhalten können. Wir wollen hier nicht den Schiedsrichter spielen darüber, ob die Arbeitgeber Recht haben oder nicht. Herr Liebknecht hat sie hier ausgeschimpft. Enthalten wir ung, irgend eine Partei zu nehmen, und hoffen wir, daß es zum Frieden kommt; vor allen Dingen enthalten Sie sich, das Feuer noch zu schüren dadurch, daß Sie sich auf die eine Seite stellen gegen die andere Seite. Dadurch werden Sie zum Frieden beitragen und Ihre Freundschaft für Hamburg beweisen.

Abg. Liebknecht (Soz): Ich stelle zunächst fest, daß ein von mir gebrauchter Ausdruck bezüglich der Offiziersehre nicht aus einem von mir angejogenen Artikel der „Kreuzzeitung?“ entnommen war, sondern meine eigene 6 gewesen ist. Die Arbeiter haben das Schiedsgericht nicht jurückgewiesen, sondern die Arbeitgeber. Die Zu— erer ern. des Schiedsgerichts hatte Licht und Schatten glesch= mäßig vertheilt. Der Herr Gesandte hätte seine Mahnungen alfo an Herrn von Boetticher richten sollen. Herr von Stumm hat die merk= würdige Fähigkeit, mich stets mißzuverstehen. Nicht ich habe von einer Machtfrage gesprochen, sondern das haben die Arbeitgeber gethan. Wir wollen keine Strikes anzetteln; aber wenn die Fortsetzu des Strikes von den Arbeitgebern so frivol erzwungen wird, so ift 11 jedenfalls das Recht auf seiten der Arbeiter. In eg, gũn Jahren verdienen die Schauerleute 150 M; könnten die 3 Arbeit geber davon leben? Der Strike hat die organisierten Arbeiter über rascht. Der Vorredner irrt, wenn er sagt, daß ich die Sache 13 zuerst zur Sprache gebracht habe. Das ist seitens des . Paasche geschehen, der im Interesse des Kapstals gegen die Arbeiter mit un erechten Vorwürfen kam, sodaß wir dagegen auftreten mußten. Wag * bezüglich der Seeuntüchtigkeit des 35 tis nelegt habe, hat wochen lang in den bürgerlichen Zeitungen gestanden, ohne daß Wi erhoben worden wäre. Wenn Herr von Kardorff bloß von den Woh⸗ nungen auf dem Lande i d hat, so widerspricht das den Müit= theilungen, welche Geistliche darüber gemacht haben. Das Urteil über die Wohnung perbaitnisse auf dem Lande wurde zusammengefaßt in die Worte; (ländlich, schändlich!'! Gine Unterfuchung' bai geradezu haarsträubende ren f zu Tage gefördert.

2 Graf von Schwerln bezeichnet die Ausführungen des Abg. Richter über die Befugnisse der Landwirthschaftökammern al unrichtig. bg. Moltenbuhr (Soj): Ich war nicht wenig überrascht zu bören, in welcher brillanten Lage sich die Schauerleute befinden.

ö e, , r,,

28

2 . 2 ö