1897 / 18 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 21 Jan 1897 18:00:01 GMT) scan diff

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waldbesitzer wäre es natürlich am günstigften, wenn eir Zoll auf alle ausländischen Gerbmaterialien gelegt werden könnte, was, wie ich schon vorhin angeführt habe, nach unseren Handels vertrãgen selbstverständlich ausgeschlossen ist. Wenn aber die nach dem alten Verfahren arbeitenden Lohgerber sich jetzt mit den Schälwaldbesitzern vereinigt haben zu dem Antrag des Ausschlusses der überseeischen Gerbstoffe, so sind die Gründe für diese Vereinigung offenbar ganz ver⸗ schieden. Die Schälwaldbesitzer hoffen von der Zollbelaftung des

Tm ebtachd eite Srezerin s hrzt FRmndenpresse, während die jenizen

Gerber, die nach dem alten Verfahren arbeiten, eine Steigerung der Rindenpreise offenbar nicht wünschen können lsebr richtig), und auch

nicht befürchten. Sie- sagen sich aber im Stillen: witd Suebracho 4

zollbelastet, so werden deshalb die inländischen Rinden doch nicht im Preise steigen, sondern es wird eine entsprechend stärkere Einfuhr ausländischer Rinden, die nicht ausgeschlofsen werden können, ein⸗ treten und dadurch ein Steigen der deutschen Rindenpreise verhindert werden. Dagegen allerdings wünschen die Eichenlobgerber, daß durch die Zollbelastung des Quebrachos die Konkurrenz der norddeutschen Schnellgerbereien aufgehalten wird. Meine Herren, ich will jetzt nicht darauf hinweisen, welche außerordentlich verschiedenen Erträge nach sachverständigen Gutachten selbst bei gleichen klimatischen und Bodenverhältnissen unser Schälwald liefert, wie außer ordentlich verschieden die Preise für unsere Rinden sind. Ich will nicht erörtern, ob nicht eine bessere Kultur der Schälwälder und eine bessere Behandlung der Rinden doch diese Erträge noch steigern könnten. Es gehört das mehr in die Beurtheilung der einzelstaat⸗ lichen landwirthschaftlichen Ministerien. Ich will auch nicht auf die Frage eingehen, ob nicht die Klagen der Schälwaldbesitzer zum theil daher rühren, daß infolge der gestiegenen Preise der 70 er Jabre Schälwaldungen auf solchen Lagen angelegt sind, die sich eigentlich nicht dazu eignen und infolge dessen auch nur minderwertbige Erträge liefern können. Aber davon sind die verbündeten Regierungen überzeugt, daß ein Quebrachozoll den Schälwaldbesitzern nicht die er⸗ wünschte Hilfe bringen kann, da die nach dem neuen Verfahren arbei⸗ tenden Gerbereien in keinem Falle zur Anwendung der Eichenlobe in der Grubengerberei zurückkehren werden. An sich ist jedes Gerb⸗ material ur Mitverwendung sowohl bei der Gruben-, wie bei der Brühen Gerbung geeignet. Das Wesentliche ist das Verfahren. Das hat aber bei der Schnellgerberei so außer⸗ ordentliche Vortheile, daß an ein Aufgeben dieser Fabrikations- methode garnicht zu denken ist. Erstens der billigere Preis des Gerb⸗ materials. Bei der Grubengerbung mit Eichenlobe ift für 100 g Sohlleder ein Quantum von 500 kg Gichenlohe erforderlich; bei einem Preis von 5.50 für den Zentner also 55 * Gerbstoff.

Bei dem neuen Verfahren ist der Bedarf an Gerbmaterial sehr

verschieden. Für die großen Schnellgerbereien bei Altona sind im kombinierten Verfahren etwa für 43 Gerbfteff zuloo kg Sohl⸗ leder erforderlich, wovon 2715 auf Quebracho entfällt, d. b. also mit anderen Worten: zur Schnellgerberei werden gegenüber den Gerbereien, welche nach dem alten Verfahren arbeiten, 2200 an Gerbstoffen gespart. Der Vorsprung der Schnellgerberei liegt aber nicht nur im billigen Gerbftoffe, sondern auch in der Abkürzung des Verfahrens. Das Verfahren bei der alten Grubengerberei dauert 12 bis 18 Monate, bei der Schnell gerberei 3 bis 4 Monate; ich habe mich in der letzten Zeit leider darüber nicht orientieren können, wie es jetzt mit der soge—⸗ nannten Momentgerberei steht; mir hat aber ein Sachserständiger der⸗ sichert, daß man jetzt in wenigen Tagen durch die metallische (Chrom ⸗) Gerberei Leder herstellen könne, das infolge seiner außer ordentlichen Haltbarkeit sich namentlich für industrielle Betriebe, als Treibriemen u. s. w., eigene. Ferner fällt aber auch zu Gunsten der Schnellgerberei die große Ausbeute an Leder in Betracht. 100 Eg lufttrockene Rohhäute ergeben nach dem norddeutschen Gerb⸗ verfahren 144 kg, bei der Grubengerberei 124 kg fertiges Sohlleder. Hieraus ergiebt sich umgekehrt, daß zur Herstellung von 100 g fertigem Sohlleder nach norddeutschem Verfahren 69,4 kg und nach dem Grubenverfahren 80,6 kg trockene Haut nothwendig sind, das heißt, die Schnellgerberei spart auch etwa 14 Anschaffungskosten der Rohhaut. Diese Zahlen sind zwar nicht allgemein maßgebend, geben aber doch einen sicheren Anhalt für die Beurtheilung der Ersparnisse in der Schnellgerberei überhaupt. Meine Herren, würde aber der Quebracho durch Zollmaßregeln selbft aus⸗ geschlossen werden, so würde an seine Stelle nicht die Eichenlohe treten, sondern andere Stoffe, wie Knoppern, Valonea oder Eichholz⸗ extrakt, für welch letztere Extrakte in den slavonischen und kroati— schen Faßbindereien ein sehr billiges und reichliches Abfallmaterial vorhanden ist. Obgleich diese Gerbmateriale allerdings nicht unwesent⸗ lich theurer sind, so bliebe es selbst dann noch zweifelhaft, ob die Preisdifferenz zwischen dem norddeutschen Sohlleder und den Trierer und Siegener Fabrikaten wesentlich verändert würde. Die Minder werthigkeit des Quebracholeders trifft nur zu bezüglich der unter ausschließlicher Anwendung von Quebrachoextrakt in Brühen her—⸗ gestellten Rind und Kalbleder. Man hat in der ersten Zeit bei Anwendung dieses Schnellgerbverfahrens zu heiße Brühen angewendet und dadurch das Leder verdorben. Die schlechte Qualität so her— gestellter Leder liegt also nicht in dem Gerbstoff, oder hat viel⸗ mehr nicht in dem Gerbstoff gelegen, sondern in dem mangel— haften Verfahren. Die norddeutschen Leder und bier ftütze ich mich auch auf sachverständige maßgebende Gutachten nach dem kom⸗ binierten Verfahren sind eine sehr brauchbare Mittelwaare, wie sie der Markt eben verlangt. Für Roß und Schafleder ist be— kanntlich Quebracho sogar das bei weitem geeignetste Gerbmittel. Ein Zoll von 10 , wie er zuerst beantragt wurde, würde bei dem kombinierten Verfahren die Herftellungskosten um 2750 M für 100 kg Sohlleder erhöhen, d. h. mit anderen Worten: die Her— stellungskosten würden fast um den Betrag des Schutzzolls für Sohl⸗ leder, der 30 A beträgt, gesteigert werden. Noch empfindlicher würde der Zoll für die Gerbereien sein, welche Quebracholohschnitt in Grubengerbung verwenden; hier sind für 100 kg Sohlleder 280 Kg Quebracho im Duichschnitt erforderlich, ein Zoll von 10 4 würde also die Herstellungekosten um 31,0 steigern, d. h. noch über den Betrag des Schutzzolls hinaus. Auch für die Oberleder⸗ fabrikation würde ein Zoll von 10 die Herstellungskosten erbeblich und jedenfalls über den jur Zeit für diese Waare beftebenden Schutz⸗ zoll von 18 4 hinaus steigern.

Meine Herren, die deutsche Lederindustrie kann aber den ihr ge— währten Schutzzoll nicht entbehren, wenn sie nicht in ihrer Ent— wickelung zurückgehen soll. Noch im Jahre 1871 wurde die Einfuhr

von Leder aller Art durch die Ausfuhr übertroffen; in den fol⸗ genden Jahren ging der Ausfuhrüberschuß stark zurück, statt dessen trat sogar eine Mehreinfuhr ein. Im Jahre 1871 betrug die Ledereinfuhr aller Art 8495 t gegen 252 t im Jahre 1879. Gleich⸗ zeitig trat ein Rückgang des Verbrauchs an Rohhäuten ein bei unverändertem Export von Lederwaaren, d. h. die einheimische Ledæ⸗ induftrie wurde durch den Bezug fertig gegerbten Leders zurückgedrängt.

der Einfuhr von Rohhäuten jur Verarbeitung im Inlande ein ziem⸗ lich erheblicher Exportüberschuß bei Le der aller Art und bei Leder

aller Art! wie bei Lederwaaren ein Rückgang der Mehrausfuhr ein mit Ausnahme der Handschuhleder, der gefärbten Leder und Korduane, für welche sich die Mehrausfuhr fortgesetzt gesteigert hat. Bei Soblleder haben wir jetzt noch eine Mehr— ein fuhr. Es ergiebt sich hieraus, daß die Lederindustrie um ihren Besitzstand noch zu kämpfen hat, und daß es nicht unbedenklich wäre, sie wesentlich zu belasten. Durch den Vertrag mit Belgien ist der Zoll auf Sohlleder von 36 Æ auf 30 A ermäßigt, obne daß der Wegfall des Lohzolls von 50 Pfennig pro 1060 Kg im österreichischen Handels- vertrage biersür ein ausreichendes Aequivalent böte. Führt man nun einen mäßigen Zoll auf überseeische Gerbstoffe ein, so würde das unseren Schälwaldbesitzern nichts nützen; fübrt man aber einen Zoll ein in erheblicher und vielleicht prohibitiver Höhe, so würde der Erfolg für den Schälwald im Hinblick auf die Einfuhr europäischer Gerbftoffe und solcher, welche wesentlich der Färberei und chemischen Industrie dienen, zwar noch immer zweifelbaft sein, die Lederinduftrie würde aber nicht nur vom Auslandsmarkte, sondern zum theil auch von der Deckung des deutschen Bedarfs ausgeschlossen, da die aus— ländischen Induftrien, welche für Quebracho und andere Gerbstoffe oder Extrakte gar keine oder nur ganz minimale Zölle erheben, unsere In⸗ duftrie unterbieten würden. Die jetzigen Lederzölle vermögen des balb einen wesentlichen Zoll auf Gerbstoffe für den heimischen Markt nicht auszugleichen. Daß auch die Fabriken, welche Quebracho zer⸗ kleinern, hierunter leiden würden, indem sie die Konkurrenz mit den billigeren ausländischen Extrakten aus Ländern, wo Quebracho nicht verzollt wird, zu ertragen hätten, würde volkswirtbschaftlich nicht ins Gewicht fallen, da wir zur Zeit nur wenige solche Zerkleinerungs⸗ anstalten in Deutschland baben. Die Einfübrung eines Zolls auf überseeische Gerbstoffe, meine Herren, würde alse nach meinen Aus führungen

in ihrer zolltechnischen Ausführung kaum Schwierigkeiten bieten,

zollpolitisch in wirksamem Umfange, namentlich auch durch die Zollbelastung der Extrakte und Präparate von Gerbstoffen, nicht durchzusetzen sein und

deshalb sowie wegen der zollfreien Einfubr von europäischen Gerbftoffen und namentlich von Rinden die Nachfrage nach deutschen Rinden und ihre Preise nicht erhöben,

der deutschen Lederindustrie aber unzweifelhaft schweren Schaden zufũgen.

Die verbündeten Regierungen haben deshalb geglaubt, aus zoll— technischen, zollpolitischen und wirthschaftlichen Gründen der Resolution eine Folge nicht geben zu ssllen.

Darauf wird um 5i/ Uhr die weitere Berathung bis Donnerstag 1 Uhr vertagt.

zu überwindende

Preuszischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

22. Sitzung vom 20. Januar 1897.

Ueber den Beginn der Sitzung ist gestern berichtet worden.

Die erste Berathung des Staatshaushalts-Etats für 1897/98 wird fortgesetzt.

Justiz-⸗Minister Schönstedt:

Meine Herren! Ich muß zunächst im Interesse meines Gedächt.« nisses die Fragen beantworten, die der Herr Abg. Dr. Friedberg an mich direkt gerichtet bat. Die erste Frage war die, wie es komme, daß vielfach vakante Beamtenstellen im Juftizressort unbesetzt blieben, was mit den ersparten Gehältern geschebe, und ob dieselben etwa zu Remunerationen verwandt würden. Meine Herren, bekanntl eh ist die Gewährung von Remunerationen an richterliche Beamte gesetzlich ausgeschlossen und kommt deshalb absolst nicht vor. (Sehr richtigh⸗! Wer in der Prazis steht, wird, glaube ich, mir das Zeugniß nicht versagen, daß die Besetzung erledigter Stellen im höheren Justizdienst so rasch geschiebt, wie es den Verhältnissen nach nur überhaupt möglich ist, und ich glaube fast, daß bier ein Miß— verständniß des Herrn Abg. Friedberg vorliegt, wenn er von der längeren Nichtbesetzung erledigter Stellen spricht, indem es sich wohl in den Fällen, die ihm vorschweben, gebandelt haben wird um die Innehaltung des Sterbequartals, oder weil er vielleicht den Zeitpunkt, in dem eine Pensionierung bekannt wird, identifiziert mit demjenigen Zeitpunkt, wo dieser Beamte thatsächlich in den Ruhestand tritt; in beiden Fällen treten selbftverständlich Ersparungen überhaupt nicht ein. Die Fälle, in denen solche Gehaltsersparungen vorkommen, sind auch ganz außerordentlich selten, und ich kann die Versicherung geben, daß in diesen seltenen Fällen ganz besondere Schwierigkeiten vorgelegen haben, die eine frühere Besetzung verhinderten. Was in diesen Fällen an Gehalt gespart wird abzüglich der durch Stellvertretung erwach⸗ senen Kosten, das ist also eine Ersparung für die allgemeine Staats kasse; den richterlichen Beamten des Juftizressorts kommt davon kein Pfennig zu gute.

Die zweite Frage des Herrn Abg. Friedberg war die, weshalb nicht in der Justizverwaltung die Gleichstellung der Bureaubeamten der Lokalbehörden mit denjenigen der Provinzialbehörden durchgeführt sei. Es hat ich glaube es wenigftens gehört zu baben Herr Abg. Friedberg auch die Behauptung aufgestellt sie ist mir zweifellos in der Presse begegnet —, daß die Justizverwaltung in diesem Punkte eine ganz isolierte Stellung einnehme, daß in allen anderen Verwaltungen diese Gleichstellung der Lokal. und Provinzialbeamten durchgeführt sei. Meine Herren, diese Thatsache würde nicht richtig sein. Ein Unterschied in der Besoldung der Lokal- und der Provin⸗ zialbeamten wird in einer ganzen Reihe anderer Verwaltungen ge⸗ macht. Er besteht in der Verwaltung der indirekten Steuern, er be⸗

steht in der Berg⸗ und Hüttenverwaltung, er besteht in der Eisen⸗

Nach der Erhöbung der Zölle für Leder und Lederwaaren im Jahre 1578 mmrchte sich seit TWsc geßeñnber der außerordentlichen Steigerugg

waaren geltend Seit tesa Bs n- trat uber fowoßl bei Leder

. ö babnverwaltung, in der landwirthschaftlichen Verwaltung, in der

Polizeiverwaltung, er bestebt, was unsere Neichebebörden angebt, h

der Post⸗· und meiner Erinnerung

Telegraphenverwaltung. Die Frage

Lokalbureaubeamten gestellt werden, durchgehend höhere seien, daß don ihnen eine größere Tüchtigkeit verlangt werde, als von den Burean.

beamten bei den Qberbebörden- Meine Seren, diefe Bebanp uns- Ker

ja eine gewisse Berechtigung, soweit es sich handelt um Burean— beamte, die lediglich im Prozeßbureau tbätig sind. Es trifft aber nicht zu für diejenigen Beamten, die lediglich in der Präsidialver— waltuns thätig sind, und in Bezug auf die ganz außerordentliche Anforderungen an ihre Tüchtigkeit und Leistungs fähigkeit geftellt werden. Im übrigen aber sprechen andere Gesichtẽpuntte organisatorischer Natur mit, darunter auch der, daß es nicht wünschenswerth ist, wenn für große Beamtenkategorien die Möglichkeit einer Beförderung in böbere Stellen ganz ausgeschlossen ist, und diese Möglichkeit würde durch eine solche Gleichftellung für die Bureaubeamten der Justij wegfallen.

Meine Herren, der dritte Gegenftand, den der Herr Abg. Dr. Friedberg mir gegenüber erörtert hat, ist der, daß seitens der Jußti⸗— verwaltung tretz unserer guten Finanwerhältnisse nicht gesorgt sei r eine genügend reiche Aasstattung des Extraordinariums. Die Zahlen des Etats lassen auch diesen Vorwurf wobl nicht begründet erscheinen. Der laufende Etat des Justiz⸗Ministeriums schließt im Extraordinarium mit beinahe 5 Millionen ab, während in früheren Jahren regel⸗ mäßig die Bewilligung auf die Summe von 38— 33 Millionen Mark beschränkt war. Ich kann nur anerkennen, daß die Finanzverwaltung den Forderungen der Justizverwaltung im Extraordinarium in der dankenswerthesten Weise entgegengekommen ist, und daß da, wo die Forderungen der Justizverwaltung nicht bewilligt worden sind, ledig · lich sachliche Gründe vorgelegen baben, die entweder darauf beruhten, daß die einzelnen Projekte noch nicht so weit ausgearbeitet und vor- bereitet waren, wie es namentlich der Landtag bier verlangt, oder daß bei dem Justiz⸗Etat wird das näber erörtert werden ein anderer sachlicher Grund dagersesen ist, nämlich der Zweifel, ob eine Bebörde, für die ein kostspieliger Neubau verlangt wurde, eine dauernde Existenz⸗ berechtigung habe.

Meine Herren, damit glaube ich diese drei einzelnen Fragen erledigt zu haben und darf wohl auf die allgemeineren Gesichtspunkie kommen, die der Herr Abg. Dr. Friedberg vorgebracht hat; in ibnen lag ja wohl der Schwerpunkt der von ihm gegen die Justizverwaltung gerichteten Bemerkungen. Meine Herren, ich könnte in sehr vielen Gesichtspunkten mit dem Herrn Abg. Dr. Friedberg mich durchaus ein⸗ verstanden erklären; ich theile eine ganze Menge von Auffassungen, die er zum Ausdruck gebracht hat, und die von anderen Freunden der Justiz, die ich als solche nur mit Freude begrüßen kann, schon vor— gebracht sind und zweifellos noch vorgebracht werden. Wenn der Herr Abg. Dr. Friedberg gesagt bat, daß ich im vorigen Jahre bei der Berathung des Assessorenparagraphen eine große Wärme an den Tag gelegt habe für die Hebung des Standes der

böhecen Justizbeamten, und wenn er mir den Vorwurf gemacht hat,

daß ich nicht verstanden babe, diese Gefühle in diesem Jabre auch in Tbhaten umzusetzen, dann, meine Herren, übersieht, glaube ich, der Herr Abg. Dr. Friedberg doch nicht ganz genau den Sachverhalt, und er bat sich wohl nicht die Frage vorgelegt und geprüft, wie der Ressort⸗Minister es machen soll, seine Wünsche im Etat in Zahlen umzusetzen. Meine Herren, ich habe in der Vossischen Zeitung“ gestern gelesen, es werde vielfach behauptet, der Fastiz⸗Minister habe für seine Justizbeamten gekämpft wie ein Lone. (Heiterkeit) Ich muß mich natürlich einer Selbstkritik dessen enthalten, was ich gethan babe; schon die nothwendige Diskretion ver— bietet es mir, mich irgendwie darüber auszulasen, in welcher Weise und in welchem Umfang ich die Interessen der Justijbeamten wahrzunehmen bemüht gewesen bin. Ich alaube, daß die Schlüsse, die der Herr Abg. Dr. Friedberg gezogen hat, lediglich aus dem End— ergebniß gejogen sind; im übrigen können ihm die Vorgänge nicht bekannt sein, die der Feststellung des Etats vorausgegangen sind. Meine Herren, als die Regierung sich daräber schlüssig geworden war, daß eine allgemeine Gehaltsaufbesserung der mittleren und böberen Beamten eintreten solle, da trat selbsto⸗mständlich an die Justizverwaltung die Frage heran, wie sie nun diese Gehaltserhöbung in Bezug auf die Beamten der höheren Justiz am besten und günstigsten ausgestalten könne. Es lag dabei naturlich nichts näber und auch darin trete ich den Herrn Abg. Dr. Friedberg vollständig bei als zurückzugreifen auf die Grundsätze der vorjährigen Vorlage insoweit, als es sich dabei um die Einführung des Dienstaltersstufen⸗ systems handelte. Ich erkenne von meinem Standpunkt prinzipiell das Dienstaltersstufensystem als das gerechteste und beste an. Die Einführung dieses Dienstaltersstufensystems für die 3heren Beamter, von den Ober⸗Landesgerichts Räthen und Landgerichts⸗Direktoren an unterlag keinem Bedenken, und das finden Si in der Vorlage praktisch ausgestaltet. Für die Land, und Amtsrichter lag zu meinem lebhaftea Bedauern die Sache ebenso wie im vorigen Jahre. Die wesentlichen Bedenken, die nach meinen vorjährigen, vielleicht noch nicht vergessenen Ausführungen vom Standpunkt der Juftizwerwaltung der Einführung des Dienstaltersstufensystems für di Land. und Amte richter entgegenstanden, bestehen auch heute noch. Sie liegen darin, daß die Einführung dieses Systems für diese Beamtenklassen obne eine schwere Schädigung der Beamten selbft nicht nöglich ift, wenn nicht zugleich ein Sicherheits ventil gegeben ist gegen den übermäßigen Andrang der Anwärter. Dieses Ventil haben wir nicht. Die Ber⸗ hältnisse haben sich in diesem Jahr gegen das Vorjahr nicht günstiger gestaltet, sondern im Gegentheil ungünstiger. Der Zuwachs der Referendare dauert fort; in noch böherem Mat stabe ist die Zahl der Studierenden der Rechte wissenschaft fer geschritten. Diese Thatsache macht es demjenigen, der an der Spitze der Justizverwaltung fteht, zur unabweiglicke⸗ Pflicht, auf das allereingehendste zu prüfen, ob er es im seiner Beamten verantworten kann, daß für diese Klassen das Dien ñ· altersstufensyftem eingeführt werde.

(Schluß in der Zweiten Beilage)

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Ich it mich in der Genera Lie kussion nicht. weiter auf. Zahlen

einlassen, sondern nur das eine hervorheben, daß die Zahl der Stu dierenden der Rechtswissenschaft an den preußischen Universitäten seit 10 Jahren unaufbaltsam im Steigen begriffen ist, und daß die Zabl, die 1886/87 noch nicht 1700 betrug, jetzt die Grenze von 3000 erreicht bat. (Hort! börth

Alle diese Studierenden werden zum überwiegenden Theil dem Zuftizdienft zuwachsen. Wenn wir also mit dieser Eventualitãt, mit der nicht nur möglichen, sondern durchaus wahrscheinlichen Eventualität ju rechnen haben, daß der Andrang zu dem höheren Justizdienst nicht nur in dem bisherigen Maße, fondern in potenzierter Weise fort schreiten wird, daß der große Ueberfluß an Aspiranten des Richter⸗ amts sich noch mehren wird, dann ergiebt sich die unabweisliche Folge, daß die Zeit der Anstellung sich immer mehr verlangsamen wird, daß die Richter in viel höherem Alter als jetzt zur Anstellung gelangen werden, und daß wir eine große Zahl von unzufriedenen Beamten und Richtern erbalten werden, mit denen eine gedeihliche Verwaltung nicht zu führen ist.

Nun babe ich freilich hören koͤnnen: man könne dem einfach ab⸗ helfen; man brauche nur eine Bestimmung dahin zu treffen, daß den anzustellenden Beamten diejenige Wartezeit, die eine ge⸗ wisse Zeit von etwa 4 Jahren übersteigt, bei der Zuweisung der Gehälter im Dienstalterstufensystem angerechnet erde. Ja, das Mittel wäre gewiß ein durchgreifendes und radikales, wenn es auch die lange Wartezeit selbst nicht aufbeben? könnte. Aber, meine Herren, wie wollte man einen solchen Grundsatz rechtfertigen? In keinem anderen Verwaltungszweig besteht dieser Grundsatz. Er war in der vorjährigen Vorlage als Ueber— gangsbeftimmung adoptiert worden, für die bereits angestellten Beamten und ernannten Assessoren, die unter anderen Voraussetzungen in den Juftijdienft eingetreten waren. Den Grundsatz aber zu einer dauernden Ginrichtung zu machen für alle diejenigen, die einmal später Neigung haben werden, sich dem Justizdienste zu widmen, ist nach meiner Meinung eine ganz unannehmbare Forderung. Am allerwenigsten kann eine solche Folgerung gezogen werden aus dem Umstande, daß wir mit einer so großen Zabl von Assessoren zu rechnen haben. Auf den Standpunkt wird sich niemand stellen wollen, daß die Ueberfüllung eines gewissen Be⸗ tufes dem Staat die Verpflichtung auferlege, nun in außerordentlicher Weise über das normale Maß hinaus für die Versorgung dieser in übermäßiger Zahl vorhandenen Beamten zu sorgen. Also auch der Weg versagt, und deshalb ist nichts Anderes übrig geblieben, als für die Amts und Landrichter bei dem bisherigen Gehaltssystem im Grundsatz zu verbleiben. Es ist allerdings, wie ich bier mittheilen kann, von dem Herrn Abg. Dr. Sattler in seiner vorgestrigen Rede gesagt worden: Der Herr Justij⸗Minister habe es ja vollständig in der Hand; er könne eine Auswabl treffen unter der großen Zahl von Bewerbern, von den Ueberzähligen die ihm sonst nicht Passen⸗ den bei der Anstellung ausscheiden; das sei im vorigen Jahre don allen Seiten anerkannt, und es liege nur an der Schüchternheit des Justiz-Ministers, daß er nicht zugegriffen und diese Befugniß einfach für sich in Anspruch genommen habe. Ja, meine Herren, ich weiß ja, daß im vorigen Jahre von fast allen Parteien die formelle Befugniß zuerkannt worden ist, ganz abgesehen don dem Grundsatz der Aneiennetät u. s. w., unter den vorhandenen Kandidaten für die Verleihung von Aemtern diejenigen auszusuchen, die ihm dafür am besten ju passen scheinen. Aber wenn dieser Grundsatz in die Praxis übersetzt werden sollte, einfach auf Grund der Meinungsäußerungen, die im vorigen Jahre hier laut geworden sind, dann möchte ich das Geschrei hören, welches dann entstehen würde, dann möchte ich hören, wie dem Justiz Minister die Willkür zum Vorwurf gemacht würde, mit der er die Stellenbesetzung vor⸗ nehme ohne eine feste gesetzliche Srundlage. Und wenn Sie sich genau erinnern der Diskussion vom vorigen Jahre, dann werden Sie vielleicht auch zugeben, daß viele von den Herren, die an und für sich nicht in der Lage waren, die formelle Befugniß der Justizverwaltung nach dieser Richtung zu bestreiten, doch dieses Zugeständniß derart verklausuliert haben, daß es für die Justizverwaltung ohne die größte Gefahr nicht möglich sein würde, daraus unmittelbar praktische Folgerungen zu ziehen. Die Herren würden mich vielleicht in eine günstigere Lage bringen können, wenn sie das, was der Herr Abg. Dr. Sattler für diese allgemeine Auffassung des Hauses und aller Parteien erklärt hat, zu einer Re—⸗ solution verdichteten und dadurch dem Justiz⸗Minister gewissermaßen einen festen Boden für die Verwaltung geben (Zuruf links), aber auch dazu hat sich niemand ermannt, und wenn der Herr Abg. Dr. Sattler meint: im vorigen Jahre sei diese Geneigtheit vorhanden gewesen, so glaube ich, daß auch diese Geneigtheit sich alsbald veiflüchtigt haben würde, wenn es auf die Formulierung dieser Resolution angekommen wäre. So stehen wir also ebenso, wie im vorigen Jahre, und für die Justiz— verwaltung ist nichts Anderes möglich gewesen, als wenigstens einen Theil der Unzuträglichkeiten, die sich aus den bisherigen Bezirksper⸗ bänden ergeben hatten, dadurch aus der Welt zu schaffen, daß diese sammtlichen Bezirksverbände zu einem großen Gesammtverbande über die ganze Monarchie vereinigt werden. Damit wird wenigstens das erreicht, daß die schreienden Unterschiede in der Behandlung der Beamten, je nachdem sie im Bezirk Köln, Cassel oder Kiel u. s. w. wohnen, befeitigt werden.

Wenn nun so auf die vollständige Durchführung des Dienst—⸗ stufensystems hat verzichtet werden müssen, so glaube ich: ein gar zu gtoßer Nach hell erwächst daraus jedenfalls vorläufig den betheiligten Beamten nicht. Denn so sehr wir alle die prinzipiellen Vorzüge dieses Systems anerkennen, so wenig können wir doch leugnen, daß die Vortheile desselben sich auf die einzelnen Klassen höchst ungleich mäßig vertheilen und daß in der Anwendung auf die Richter die Vortheile fast ausschließlich nur den allerältesten Richtern zu gute

mmen würden, während es für die jüngeren und mittleren Beamten dielfach eine Schädigung in der Entwickelung ihrer Gehälter

3 weite Beilage zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger M 18.

Berlin, Donnerstag, den 21. Januar

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zur Folge haben wärde. Wir haben in dieser Beziehung ver⸗ gleichende Berechnungen im Justiz⸗Ministerium angestellt, mit denen ich

die mittlere Klasse, namentlich die 4., 5., 6., 7. Klasse, ganz erheblich schwãcher besetzt sein würde bei Durchführung des Dienstaltersstufensvstems als bei dem herrschenden System und daß nun für die erste Klasse sich ein erbeblicher Unterschied in umgekehrter Richtung ergeben würde, indem dieser Klasse statt 507 Beamte, wie nach der Vorlage, 870 angehören würden. Aber diese Vortheile kommen sebr vielen nicht zu gut. Sie entgehen allen denen, die im jüngeren und mittleren Alter, ohne in diese günstige Lage hineingekommen zu sein, durch Be⸗ förderung, Tod, Ausscheiden oder sonstwie den Justizdienst verlassen haben; sie haben nichts davon.

Meine Herren, aus diesem Umstande, daß das Durchlaufen der einzelnen Klassen nach dem bestebenden System ein außerordentlich verschiedenes ist, erklärt sich zugleich, daß nach diesem System die Er⸗ reichung des Höchstgehalts sich so weit hinausschiebt, und diese That⸗ sache findet darin nicht nur ibre Erklärung, sondern auch ihren Aus⸗ gleich, weil eben diese spätere Erreichung des Höchstgehalts die That⸗ sache gegenübeisteht, daß in den früheren Stadien Jahre lang erheblich höhere Gehälter bezogen worden sind, als sie bei der Einführung des Dienstaltersftufensystems von den betreffenden Herren genossen sein würden.

Nun, meine Herren, der Abg. Friedberg hat ja schließlich auch erklärt, daß er an und für sich mit der Beibehaltung des gegen⸗ wärtigen Systems sich schon zufrieden geben könne, wenn nur einige Verbesserungen darin angebracht würden, und als solche hat er hervor⸗ gehoben: einmal die Herabsetzung des Zeitraumes bis zur Erreichung des Höchstgehaltes; dann die unbedingte Gewährung des Höchstgehaltes an jeden, der 24 Jahre seit seiner etatsmäßigen Anstellung hinter sich hat, und drittens noch die Sicherung der Beförderung ohne Gehalts- verlust.

Für die Erreichung des ersten Ziels hat der Abg. Friedberg vor⸗ geschlagen: Verminderung der Klassen von 8S auf 6. Ja, meine Herren, ich glaube, dies Mittel würde auch im wesentlichen versagen. Erreicht werden könnte das Ziel des Abg. Friedberg nur dann, wenn die ein zelnen Klassen verschieden stark besetzt werden, wenn die höheren Klassen stärker besetzt werden, als die unteren. Ob sich das mit unserem allgemeinen Prinzip verträgt, will ich für jetzt dahingestellt sein lassen. Aber so einfach geht die Sache nicht.

Dann würde, was den zweiten Vorschlag angeht, es eine voll— ständige Neuerung sein, wenn wir jedem, der eine gewisse Dienstzeit hinter sich hat, nun unter allen Umständen das Maximalgehalt auch nach dem bestehenden System zusichern wollten; es würde höchst⸗ wahrscheinlich, wenn derartige Einrichtungen im Justizressort getroffen werden, aus allen anderen Ressorts die Klage sich erheben, daß die Justiz die Vortheile beider Gehaltssysteme genießen wolle.

Endlich, meine Herren, die Beförderung ohne Gehaltsverlust! Ich habe es im vorigen Jahre für einen der wesentlichsten Vorzüge der damaligen Vorlage gehalten, daß sie die Möglichkeit gab, dem Uebelstand ein Ende zu machen, daß im Justizressort jemand, der vom Richter erster Instanz in eine höhere Stelle befördert wird, diese Beförderung unter Umständen erkaufen müsse mit einem Ver⸗ lust an seinen finanziellen Erträgen. Meine Herren, mit dem gegen⸗ wärtigen System verträgt sich die Sache nicht. Es würde das auch geradezu zu Ungerechtigkeiten und Unbilligkeiten führen. Es würde, weil in den unteren und mittleren Gehaltsstufen jetzt die höheren Gehälter viel rascher erreicht werden wie beim Dienstaltersstufen⸗ system, hierin eine Bevorzugung der Justiz liegen, die wiederum für alle anderen Ressorts Grund zu lebhaften Klagen geben würde. Bei dem Dienftaltersstufensystem ergiebt sich die Sache aus der Natur der Dinge ganz von selbst, weil da in jeder Klasse von 3 zu 3 Jabren das Aufsteigen zu weiteren Gehaltsstufen gesetzlich festgelegt ist. Bei dem gegenwärtigen Spstem hängt die Sache von reinen Zufälligkeiten ab; sie unterliegt fortwährendem Wechsel. Wenn die Verhältnisse günstig sind, werden einzelne Stufen in sehr kurzer Zeit, in 1, in 2 Jahren durchlaufen. Es könnte daraus unter Umständen sich die Folge ergeben, daß es für einen Beamten vortheilhafter wäre, längere Zeit in der unteren Beamtenklasse zu bleiben, dort eine höhere Gehaltsstufe zu erreichen und seine Beförderung hinausschieben zu lassen, wobei er dann besser stehen könnte wie derjenige, der vor ihm befördert worden ist im gleichen Alter. Meine Herren, so ganz einfach liegen also auch hier diese Dinge nicht.

Nun, meine Herren, hat der Abg. Friedberg sein Hauptgewicht darauf gelegt, daß die Gleichstellung zwischen Justiz und Verwaltung nicht erreicht werde. Ich gebe die Tbatsache zu; auch ich würde es für im böchsten Grade wünschenswerth gebalten haben, wenn eine solche Gleichstellung in höherem Maße zu erreichen gewesen wäre. (Hört, hört! links) Jeder Ressort⸗Minister tritt für die Beam ten seines Ressorts ein mit allen Kräften; kein Ressort ⸗Minister erreicht alles das, was er will. Wenn ich nicht das erreicht habe, was ich erstrebte, so theile ich dieses Schicksal mit sämmtlichen Herren Koll egen, die auf dieser Bank sitzen. (Heiterkeit Vielleicht vergleichen Sie und kommen zu einem ungünstigen Ergebniß für mich, und sagen, ich hätte verhältnißmäßig am wenigsten erreicht. Darüber will ich hier nicht streiten. Aber, meine Herren, Sie alle wünschen und ver—⸗ langen auf das dringendste die Einheitlichkeit im Staate. Ministerium, und deshalb werden Sie es begreiflich finden, daß keiner von uns nunmehr gegenüber der von der Staatsregierung eingebrachten Vor⸗ lage einen anderen Standpunkt einnehmen kann, als den der Gesammt⸗ regierung. Sie würden mit Recht dem Staats-Ministerium den Vor⸗ wurf machen, daß es die nothwendige Einheitlichkeit vermissen lasse, wenn ein Minister diesen Standpunkt verlassen würde. Ich gebe in vielen Beziehungen den Herren Recht, welche behaupten, daß eine Gleichstellung zwischen den Richtern erster Instanz und den Mit— gliedern der Regierung innerlich berechtigt sei. Ich gebe zu, daß die Vorbildung, der Vorbereitungsdienst, die ihnen ge— stellten Aufgaben und Anforderungen wesentlich dieselben sind, und daß für die Verwaltung ein Vorjug darin besteht,

Sie nm ein ene nicht aufhalten will. Ich kann aber sagen, daß überall

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daß jeder, der dort angenommen wird, von selbst in ein höheres Gehalt hineinwächst, als er es bei der Justiz in der ersten Instanz erreicht, daß bei der Verwaltung jedem das böhere Gebalt in den Schoß fällt, was bei der Justiz nur im Wege der Beförderung erreicht werden kann. Aus dieser Thatsache ergiebt sich aber doch nicht mit Nothwendigkeit eine solche formelle vollständige Gleichstellung, wie fie von vielen Herren hier verlangt wird. Jedenfalls hat eine solche Gleichstellung historisch niemals bestanden. Sie ist 1879 allerdings insoweit erreicht worden, als damals das Höchstgebalt für die Richter auf denselben Betrag gebracht wurde, wie für Regierungs⸗Räthe. Aber wir würden doch, glaube ich, den Boden der geschichtlichen Wahrheit verlassen, wenn wir behaupten wollten, daß dieser dadurch geschaffene Zustand damals als ein dauernder beabsichtigt worden sei. Wir würden, glaube ich, uns mit der Wahrheit in Widerspruch setzen, wenn wir es leugnen wollten, daß die ausgesprochene Absicht des ganzen Hauses damals dahin ging, nunmehr, nachdem die Erhöhung des Gehaltes der Richter eingetreten war, thunlichst bald eine entsprechende Erhöhung für die Verwaltungsbeamten folgen zu lassen. Und, meine Herren, wenn die finanziellen Verhältnisse es gestattet hätten, im nächstfolgenden Jahre eine entsprechende Er⸗ höhung für die Regierungs⸗Räthe in Vorschlag zu bringen, so habe ich nicht den mindesten Zweifel, daß sie im ganzen Hause nirgendwo auf Widerspruch gestoßen wäre. Thatsächlich liegen die Verhält⸗ nisse auch jetzt noch so, daß wir mit verschiedenen historischen Bildungen rechnen müssen und deshalb darauf verzichten müssen, alles dasjenige erreichen zu wollen, was an sich als wünschens⸗ werth und erstrebenswerth erscheint.

Ich komme zu dem Schluß: die vorliegende Vorlage erfüllt nicht alle Wünsche des Justizressorts, sie erfüllt auch nicht alle berechtigten Wünsche der Justizbeamten. Aber sie enthält wesentliche Ver⸗ besserungen gegen den bestehenden Zustand, und da sage ich: ich würde es nicht verantworten können, jemandem zu rathen, daß er das im Augenblick Erreichbare ablehnt und zurückweist, weil es nicht alles ist, was er wünscht. Ich sage Ihnen, meine Herren, acceptieren Sie das Gebotene und rechnen Sie auf die Zukunft: (Lachen links.)

Gebeimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. Althoff: Ich habe von einer Verstaatlichung der Honorare der Professoren garnicht ge⸗ sprochen, und ich verweise in dieser Beziehung auf die Denkschrift. Ich bestreite, daß den Professoren kein Aequivalent für die Honorare geboten wird, ihr Gehalt wird nicht nur um 10, sondern um 20, 30 oso erhöht und überhaupt sicher gestellt und verbessert durch die Alters- zulagen. Die nöthigen Ausnahmen lassen sich erst feststellen, wenn wir Erfahrungen gesammelt haben. Ueber das übrige werde ich mich in der Kommission aussprechen. .

Abg. von Kardorff (fr. kons.): Herr Richter meint, daß die Aufhebung des Verbots des Inverbindungtretens der Vereine in das Bürgerliche Gesetzbuch hätte aufgenommen werden können, ohne dieses zu gefährden. Das ist ein Irrthum. Die einzelnen Staaten wollen auf ihre Partikularrechte nicht verzichten, und außerdem ist die Frage eine öffentlich- rechtliche, keine pripatrechtliche. Mein Freund Stumm hat im Reichstage seine Zustimmung zu jener Aufhebung abhängig gemacht von einem starken Borgehen gegen die staatsgefähr⸗ lichen Vereine. Ich erinnere an die jakobinischen Vereine zur Zeit der französischen Revolution. Die Organisation der Sozialdemokratie ist noch gefährlicher, sie ist pekuniär viel besser fundiert. Herr Richter hat von uns Beweise für unsere Angriffe gegen die Börse verlangt. Graf Arnim hat 100 Berichte an Zeitungen gesendet, aber die Presse ist so sehr von der Börse abhängig, daß nur neun diese Berichte gebracht haben. Im Reichstage hat der Präsident eine Verhandlung der Frage erst bei dem Etat der Zölle und Verbraucht⸗ steuern , . Für derbe Ausdrücke in einzelnen Versammlungen kann ich keine Verantwortung übernehmen. Sie sind bedauerlich, aber erklärlich durch die wüsten Schimpfereien der freisinnigen Presse. Einige Heißsporne unter uns wollten eine Interpellation im Reichstage. Ich batte aber das volle Vertrauen zu unserem Handels⸗Minifter, daß er das Gesetz korrekt ausführen werde, und seine gestrigen Ausführungen haben das Vertrauen vollkommen gerechtfertigt. Bas Börsengesetz war mir eigentlich nur sympathisch wegen des Verbots des Börsenspiels in Getreide. Nachtheile sind hieraus bisher nicht entstanden. Der Prozeß Leckert -⸗Lützow hat doch ein peinliches Gefühl darüber erweckt, daß Jahre lang ein Verdacht des Ministers gegen die politische Polizei vorhanden gewesen ist. Herr Richter greift den Fürsten Bismarck an; weiß er denn nicht, daß schon vor Bismarck der Polizei- Rath Stieber vorhanden war? Herr Friedberg vermißt die Vertretung der Industrie im Herrenhause. Er übersieht, daß mein Freund Stumm sehr energisch dort die Interessen der Industrie ver⸗ tritt, und dann der Graf Guido von Henckel Neudeck. Einer rein lichen Scheidung zwischen Staats- und Reichsfinanzen habe ich stets das Wort geredet. Es ist zu bedauern, daß der Versuch der Re⸗ gierung, einen Ausgleichsfonds zu bilden, gescheitert ist an dem Widerspruch des Zentrums. Gestern hat nun der Abg. Lieber sich bereit erklärt, nachdem die Franckenstein'sche Klausel ihre Bedeutung verloren habe, sich mit den anderen Parteien dahin zu verständigen, daß die jetzige Spannung zwischen Matrikularbeiträgen und Ueberweisungen nicht überschritten und eine K im Reich in höherem Umfange vorgenommen wird. Herr von Bennigsen hat diesen Weg als gangbar bezeichnet, und auch ich balte ibn für erwägenswerth. Es werden aber an das Reich sehr erhebliche Forderungen herantreten in Bezug auf Militär, Kolonien, Marine und Beamte, nicht bloß Zivile, sondern auch Militärbeamte. Ich fürchte, daß der Reichs tag, wenn er die letztere Forderung bewilligt, die Marineforderungen beschränken wird. Ich gehe hier vielleicht weiter als manche Andere, ich halte die Verstärkung unserer Marine für eine nothwendige Ergänzung unseres Landheeres. Die Beamtenbesoldungs ⸗Verbesserungen verfteht man in landwirthschaftlichen Kreisen nicht. Die Beamten haben einen festen Etat, die Landwirthschaft nicht, und die Nothlage der Landwirthschaft zwingt mich persönlich, jetzt gegen das Gesetz * stimmen. Es giebt zehnmal so viel Landwirthe als Beamte, sie ringen um ihre Existenz und würden nicht verstehen, daß man jetzt einseitig den Beamten hilft. Deshalb bin ich für eine Vertagung dieser Sache.

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Die von dem Herrn Abg. von Kardorff vor geschlagene Vertagung könnte doch sehr leicht eine Bertagung a4

calendas graecas sein. (Sehr richtig)

Er selbst erkennt an, daß die Staatsregierung diese Vorlage bat machen müssen, weil es sich um die Einlösung eines feierlich gegebenen Versprechens handelt, dessen Dringlichkeit durch die fortschreitende Entwickelung immer größer geworden war, eine solche Aufbesserung der Beamtengehälter in Vorschlag zu bringen, sobald die Finanm⸗ lage es gestattet. Meine Herren, da konnte denn doch nur